20 TITELTHEMA STICHWORT - SWISS HISTORIC HOTELS
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14 | 2009 Beobachter 21 Heisse Tipps der Sie waren vor allen anderen da: Upperclass-Touristen aus England eroberten im 19. Jahrhundert die Alpen. coolen Briten Auf den Routen von einst locken Hotelpaläste und spektakuläre Touren – abseits der Massenpfade. Text: Thomas Angeli, Daniel Benz, Tatjana Stocker und Dominique Strebel D as Walliser Brot ist zum Wegwerfen», schreibt 1863 die englische Pastoren- tochter Jemima Morrell in ihr Reisetagebuch. «Hung- rige Touristen verspüren keine Lust, einen zehn Zentimeter dicken Brotlaib erst aus einer unessbaren dicken Kruste herauszubrechen. Haben sich die hie- sigen Bäcker heimlich mit den Zahn- ärzten verbündet?» Die 31-jährige Miss Morrell gehört zu einer kleinen Gruppe von acht Eng- ländern, die im Auftrag von Thomas Cook, dem umtriebigen Organisator von Gesellschaftsreisen, zu Fuss oder in der Kutsche die Schweiz erkunden – von Genf zum Montblanc, nach Martigny, Leukerbad, über die Gemmi nach Kan- dersteg, von Interlaken über den Brünig nach Luzern und dann auf die Rigi. Morrells Gruppe löst den ersten grossen Tourismusboom der Schweiz aus. Bald tummeln sich in den Alpen die Professoren, Ingenieure, Fabrikanten und Bankiers der britisch-viktoriani schen Gesellschaft, die im Zuge früher Industrialisierung zu Wohlstand gelangt waren. Für sie werden Ende des 19. Jahr- hunderts Hotelpaläste, Zahnrad- und andere Bergbahnen gebaut. Den Schweizern kommt dabei im besten Fall die Rolle der Sherpas, Berg- führer, Wirte oder Hoteliers zu. Schwei- foto: schweizerisches landesmuseum, zürich zer wandern zu jener Zeit selten im eige- nen Land. Es fehlt ihnen am Geld und an der (bezahlten) Freizeit. Erst ab den 1960er Jahren wird in der Schweiz die Fünftagewoche eingeführt. Und erst seit 1966 gibt es landesweit obligatorische Pioniere des Alpintourismus: Ferien (zwei Wochen). abenteuerlustige Gäste auf dem Ornygletscher Mit dem Ersten Weltkrieg endet der im Montblanc-Gebiet, anno 1895 klassische Alpentourismus der Englän-
22 TITELthema Wandern der. In die Lücke springen die Schweizer, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg im Lauf des Wirtschaftswunders längere Wan- derferien zunehmend auch selbst leisten können. Rot besockte Kampfwanderer lauterbrunnental Goethes Geistern lauschen durchpflügen die Alpen, bald auch genuss- orientierte Turnschuhspaziergänger und Goretex-bejackte Wohlstandsabenteurer. Wandern wird modisch (siehe auch den Ein Klassiker des historischen Tourismus: Das Lauterbrunnental Essay «Das Massenwanderphänomen», Seite 25). inspirierte Autoren zu Hymnen auf seine Schönheit. Gemäss einer jüngst durchgeführten D Studie des Bundesamts für Sport sind heute er Staubbachfall macht seinem den anderen Stammgästen im Saal die 39 Prozent der Deutschschweizer regel- Namen alle Ehre: Knapp 300 Neuigkeiten des Tages auszutauschen. mässig mit Wanderschuhen und Rucksack Meter stürzt er über eine Fels- War das vorhin auf der Wanderung unterwegs. Der Verein Schweizer Wander- wand zu Tal, zu einem Schleier aus nun ein «swallowtail», ein Schwalben- wege sieht in der Schweiz jährlich «bis zu feinsten Tröpfchen zerstäubend. Ein schwanz? Ganz sicher ist man nicht; 1,3 Millionen Menschen aller Altersgrup- Naturschauspiel, das sich im 18. und einigt sich dann aber darauf, dass der pen» am Wandern. Das Bundesamt für 19. Jahrhundert kaum ein Reisender Falter «very pretty» aussah, sehr schön. Landestopographie vermeldet bei den entgehen liess: Das Berner Oberländer Das suchten wohl schon die «Cookites», Wanderkarten «kontinuierlich steigende Dorf Lauterbrunnen mit seinem Was- wie man die Entdeckungsreisenden Umsätze», und der Schweizer Alpen-Club serfall gehörte zu den unbestrittenen auf den Spuren von Tourismuspionier (SAC) – notabene gegründet 1863 als Reak- Höhepunkten der klassischen Tour Thomas Cook nannte: die Natur als tion auf den Alpine Club der Engländer – durch die Schweizer Alpen. «Über dem pittoreskes Bilderbuch. verzeichnet starke Zuwachsraten bei den Tal erhob sich der Dom der Jungfrau, Mitgliedern sowie ein ständiges Wachstum der jungfräulichen Königin des Ober- Der höchste Wasserfall der Schweiz bei den Übernachtungen. landes, deren schneebedecktes Tuch Der Staubbach, zu dem Dichter, Maler einen starken Kontrast zur grünen Tal- und betuchte Reisende pilgerten, stürzt Die Eroberung der Seitentäler sohle bildete», notierte die Pastoren- noch heute imposant und im freien Fall Kein Wunder, dass man auf zahlreichen tochter Jemima Morrell am 4. Juli 1863 ins Tal. Auf einem Zickzackpfad gelangt Gipfeln anstehen muss, um sich ins Gipfel- in ihr Reisetagebuch. man zur Galerie in der Felswand, von buch eintragen zu können. Futsch ist die Vor der jungen Engländerin hatten der aus sich das Wasserspiel aus nächs- Einsamkeit, verstellt die Suche nach dem bereits Dichter wie Goethe, Words- ter Nähe erleben lässt – eine Dusche Erhabenen, «the sublime», das die eng- worth oder Byron den Wasserfall be- je nach Windverhältnissen inbegriffen. lischen Upperclass-Touristen des 19. Jahr- wundert und in ihren Werken verewigt Der Staubbachfall ist nicht der einzige hunderts gemäss einer aktuellen National- – Goethe in seinem «Gesang der Geis- spektakuläre Wasserfall im «schönsten fonds-Studie in den Schweizer Alpen ter über den Wassern». Lord Byron, der Trogtal der Alpen»: Der Mürrenbachfall suchten. das Berner Oberland im September weiter hinten im Tal gilt mit seinen Da lohnt sich eine Rückbesinnung auf 1816 bereiste, schwärmt in seinem 417 Metern als höchster Wasserfall des Jemima Morrell. «The English» wanderten « Alpine Journal»: «Nie habe ich Ähn- Landes (er wurde eben erst im April noch mit Stil. Sie nächtigten in ausge- liches beobachtet. Er [der Wasserfall] nochmals vermessen), und vom Bu- suchten Hotelpalästen (siehe Seite 27) und sieht genau wie ein Regenbogen aus, chenbachfall, einem Mekka für Ex- dinierten im gepflegten Speisesaal. Und als der herunterkam, eine Visite zu ma- tremsportler aus aller Welt, stürzen sich ihnen zu viele Touristen in die Schweiz chen, und [ist] so nahe, dass man Basejumper vom überhängenden Fel- drängten, wichen sie in Seitentäler aus. So hineinschreiten kann.» sen in die Tiefe – aber einzelne auch in entstanden einsame Hotelkästen, die zu Etwas vom Geist aus den Anfängen den Tod. erwandern sich auch heute lohnt, sei es im des Tourismus ist in der Gegend heute Noch in diesem Sommer werden Maderanertal (Seite 26), sei es im Binntal noch spürbar. Zum Beispiel im Hotel sieben der insgesamt 72 (!) Wasserfälle (Seite 24). Falken im autofreien Wengen, das man ausgeschildert und mit Infotafeln ver- Aber Achtung: Wer sich auf die Suche von Lauterbrunnen her nach steiler, sehen. «Wir wollen unsere Wasserfälle nach dem English Way of Hiking macht, kurzer Fahrt in der Zahnradbahn er- ins rechte Licht rücken und ihnen wie- sollte es auf jeden Fall vermeiden, Post reicht. Im denkmalgeschützten Belle- der die Bedeutung zukommen lassen karten zu verschicken. Über diese Er Epoque-Bau fühlt man sich um min- wie vor 200 Jahren», sagt Andrea Hess rungenschaft des ausgehenden 19. Jahr- destens 100 Jahre zurückversetzt – nach vom örtlichen Tourismusbüro. Ob hunderts rümpfte der britische «Standard» «Little Britain», wie Beverly Wood, naturselige Romantikerin von damals bereits 1899 indigniert die Nase: «Der einer der guten Geister des Hauses und oder gestresster Erholungssuchender reisende Teutone scheint es als seine selbst Engländerin, scherzt. Im «salle à von heute: Beim Betrachten der Was- feierliche Pflicht zu betrachten, von jeder manger», der im Originalzustand von serfälle scheint die Zeit förmlich still- Station seiner Reise eine Postkarte zu 1895 erhalten wurde, betreiben die zustehen. schicken, als befände er sich auf einer Ladys und Gentlemen beim Dinner Hotel Falken: Doppelzimmer ab 220 Franken; Schnitzeljagd.» n vornehm Konversation, um danach mit Infos unter www.hotelfalken.com
Idyll in malerischer Landschaft: Lauterbrunnen mit seinem berühmten Staubbachfall um 1900 Tour 1: Den Fällen nach Der Charme der guten alten Zeit: das denkmalgeschützte Hotel Falken im autofreien Wengen Route: Bahnhof Lauterbrunnen (795 Meter), Staubbachfall, Trümmelbachfall, Ägerten- bachfall, Mürrenbachfall, Bushaltestelle Stechelberg (910 Meter) Gehzeit: 2 Stunden; beim Besuch der Infografik: golden section graphics; Quelle: swisstopo; fotos: Photochrom collection/Photoglob/Key, Carol Urfer/carofoto.ch (2), Hotel Falken (3) Trümmelbachfälle (höhlenartige Galerien im Fels) 3 Stunden einberechnen Charakteristik: leichte Wanderung auf guten Wegen; auch mit Kinderwagen machbar Jahreszeit: das ganze Jahr über; auch Winterwanderweg Karte: LK 254, 264, 1:50 000 Lauterbrunnen Erbaut 1895: Im Speisesaal und im Garten LAUTER- des «Falken» liessen es sich die britischen 100 BRUNNEN Upperclass-Touristen gutgehen. 0 Wei sse 16 Lütschine 00 0 160 1400 140 0 18 00 0 180 00 14 MÜRREN 0 1800 100 2200 2648,5 Meter Schwarzmönch Detaillierte Tourenbeschreibung und weitere 500 m MATTA nützliche Informationen unter: www.beobachter.ch/wandern
Detaillierte Touren- 24 TITELthema wandern beschreibung und weitere nützliche Informationen: binntal www.beobachter.ch/ wandern Churchill nahm «Zwischen Simplon und Gotthard»: die Hintertür Hotel Ofenhorn in Binn VS Unten: Hotelprospekt um 1915 Schon der spätere britische Kriegspremier weilte im «Ofenhorn». Heute erstrahlt das Hotel wieder in altem Glanz. D er Mann hat schon einiges gesehen in seinem noch kurzen Leben. Aus Kuba hat er über den Krieg gegen die Spanier berichtet, in Indien hat er Polo gespielt und in Pakistan gegen Aufstän- dische gekämpft. Woran mag der welt gewandte Haudegen denken, als die Fels- wände der Twingi-Schlucht immer näher kommen und die Binna tief unten immer lauter rauscht? Pafft er seine berühmte Zi- garre? Geht er zu Fuss oder lässt er sich in einem Maultierkarren über den kaum zwei Meter breiten Saumpfad fahren? Der junge Mann ist froh, im besten – im einzigen – Haus am Platz, im «Ofenhorn», ein Zimmer reserviert zu haben. Er betritt das Hotel Tour 2: Auf der Sonnenseite 2503,1 Meter Eggerhorn 2200 ch durch die Hintertür, den üblichen Eingang d ba für die noblen Gäste, die so vom gemeinen Route: Binn (1400 Meter), Meili (2020), Fäl Volk abgeschirmt werden. Sattulti (2128), Meili (2020), Fäld (1547), 1900 Der junge Herr erhält Zimmer Nummer Binn (1400) 170 0 16, und mit den Anmeldeformalitäten mag Gehzeit: 5 Stunden FÄLD er sich nicht lange aufhalten. Er schreibt Charakteristik: eine Tour, auf der 1600 keinen Beruf ins Gästeregister, keinen Ab- zuerst etwas Kondition und danach 1800 reiseort und kein Ziel, bloss: W. Churchill, Trittsicherheit gefragt ist a BINN London. Jahreszeit: Juni bis September nn Bi Karte: LK 265, 1:50 000 Nufenen 500 m Five o’Clock Tea im noblen Salon Einen der ganz Grossen der Weltpolitik Infografik: golden section graphics; Quelle: swisstopo; fotos: Andreas Weissen, Klaus Anderegg (2) einst als Gast gehabt zu haben, darauf ist Eine Reservation ist auch da noch Herbst 1968 ist der Tiefpunkt erreicht: Die man im «Ofenhorn» heute noch stolz. Ob- Pflicht. Sie geschieht meist mit einer dritte Generation der Familie Schmid schon man nicht einmal ganz genau weiss, schnörkellosen Postkarte: «Expect me Fri- schliesst das Hotel. Es wird zwar schon wann denn der nachmalige britische Pre- day afternoon 18th», heisst es auf einer er- 1972 von der Entwicklungsorganisation Pro mierminister in Schmidigehischere, das halten gebliebenen Karte aus jener Zeit. Unter- und Mittelgoms wieder eröffnet, heute einfach als Binn bekannt ist, tat «Erwarten Sie mich am Freitag, den 18., aber den alten Glanz erobert sich das im- sächlich logierte. Die einzige Spur des be- nachmittags. Bitte reservieren Sie ein Zim- posante Haus erst seit der Übernahme rühmten Gastes ist eine Kopie aus dem mer im zweiten Stock, ruhig, weg vom Bach, durch die Genossenschaft Pro Binntal im mittlerweile verschollenen Gästeregister – wenn möglich am Ende des Korridors.» Jahr 1987 allmählich wieder zurück. Sie ohne Jahreszahl. Einzig der 19. August ist Wer einmal da ist, bleibt meist längere sorgt für eine sorgfältige Renovation: Alte als Anreisedatum vermerkt. Zeit, in der Regel zwei bis drei Wochen. Man Böden und Wandmalereien werden frei Als Churchill im «Ofenhorn» absteigt, promeniert zu den weitverstreuten Weilern gelegt, moderne Sanitäranlagen eingebaut, ist dieses in der britischen High Society im Binntal, trinkt seinen Five o’Clock Tea und selbst eine topmoderne Holzschnitzel- längst mehr als ein Geheimtipp. Das 1883 im noblen Salon, diniert im von zwei Che- heizung gehört seit zwei Jahren dazu. von Josef und Maria Schmid, dem Post minées geheizten «salle à manger» und Auch Zimmer 16 ist mittlerweile reno- halterpaar aus dem benachbarten Ernen, lässt den Tag im Fumoir ausklingen. viert, samt moderner Dusche und WC. Die eröffnete Hotel ist unter englischen Erho- Es sind goldene Zeiten im Binntal, aber Waschschüssel, an der sich einst Churchill lungssuchenden derart beliebt, dass es bald der Erste Weltkrieg setzt ihnen ein jähes rasiert hat, ist nur noch Dekoration. zu klein ist. Schon 1897 wird auf der Nord- Ende. Die Gäste kommen spärlicher, das Hotel Ofenhorn: Doppelzimmer ab 122 Franken; seite ein grosser Erweiterungsbau eröffnet. Geld für einen weiteren Ausbau fehlt. Im Infos unter www.ofenhorn.ch
14 | 2009 Beobachter 25 essay Das Massenwanderphänomen Cervelat-Promis tuns, Politiker, Schriftsteller und manchmal auch Nackte: Wandern wird Lifestyle. Text: Roger Anderegg; Illustration: Rahel Nicole Eisenring N och in meiner Jugend sahen sie Handvoll Bergkristalle zurück, und selbst richten und sich beim Abstieg gerne selber allesamt aus, als wären sie gerade eine eher flache Figur wie der einstige ein Bein stellen; dann die Gourmets, die der einschlägigen «Sport und Aussenminister Flavio Cotti beorderte von Bergbeiz zu Bergbeiz pilgern und ihre Freizeit»-Vitrine im Landesmuseum ent- seinerzeit die Medien zu einer stotzigen breitspurigen Verdauungsspaziergänge sprungen: ausgebeulte, formlose Hosen Bergwanderung ins heimatliche Maggiatal. unbeirrt mit Wandern verwechseln; und aus schwerem, sackähnlichem Tuch, nass Und der abtretende Bundesrat Pascal schliesslich – als numerisch und ökono- geschwitzte Flanellhemden, auf dem Kopf Couchepin lud die Journalistenmeute misch abschreckendste Gruppe – die ein verknotetes Taschentuch und an den traditionell zu einem Spaziergang über die Golfer, die frech behaupten, sich in der Füssen diese grässlichen roten Socken als St.-Peters-Insel oder hinauf nach Zimmer- freien Natur zu bewegen, und dabei nationales Spottobjekt. Die reinsten Berg- wald. Hans-Rudolf Merz schwärmt weiter- keinen Meter Landschaft begehen, der zombies, die 100 Meter gegen den Wind hin bei jeder Gelegenheit von seinen nicht extra für sie planiert wurde. nach kaltem Schweiss rochen. grünen Appenzeller Hügeln. In exakt umgekehrtem Sinne demons- Kreuze ich heute eine Gruppe von Wandern hat eindeutig Suchtpotential. triert eine neue Spezies ihre Naturverbun- Wanderern, fühle ich mich auf den Lauf- Wer einmal damit begonnen hat, hört frei- denheit: die Nacktwanderer, die selbst auf steg einer trendigen Modeschau versetzt: In leichte, luftige, farbenfrohe Stoffe ge- kleidet, schreiten sie locker aus, so elegant wie die Models in den Katalogen von Mammut, The North Face und Jack Wolf- skin, den führenden Labels der Outdoor- fans. In solcher Aufmachung kann man selbst nach einer sechsstündigen Bergtour getrost einen Apéro in der angesagtesten Bar am Ort nehmen, ohne dort das mo- dische Bild nachhaltig zu beeinträchtigen. Wandern war schon immer ein Volks- sport. Doch in den letzten zehn Jahren wurde er zum Lifestylesport. Die Medien sind schnell auf den Trend aufgesprungen. Im «Tages-Anzeiger» empfiehlt der rührige Thomas Widmer wöchentlich eine Aus- flugstour zu Fuss. Das Schweizer Fern sehen schickt Moderator Nik Hartmann mit seiner Hündin Jabba «Über Stock und Stein» quer durch die Schweiz, dieses Jahr von Basel auf den Piz Bernina. Und die willig nicht auf. Und da die Gesamtpopula- minimalste Bedeckung verzichten. Das Zeitschrift «Schweizer Familie» erklärte tion immer länger gesund bleibt und folg- in der letzten Saison rund um den Säntis letztes Jahr unter reger Anteilnahme ihrer lich statistisch immer älter wird, sind Um- beobachtete Phänomen, ein voralpiner Leserschaft den dritten Samstag im Sep- fang und Ausmass der Landplage prognos- Nachläufer der urbanen Flitzerbewegung, tember zum «Nationalen Wandertag». tizierbar. Alle scheinen es dem Kabarettis- beweist schlagend, dass das Wandern Wandern ist populär wie nie – und ten und Schriftsteller Franz Hohler gleich- endgültig in der Neuzeit angelangt ist. kann zu Popularität verhelfen. Kein Promi- tun zu wollen, der in seinem 61. Lebens- Nur dass sich jetzt der Wanderer, der nenter landauf, landab, der nicht liebend jahr jede Woche eine Wanderung absol- bisher in der Landschaft Stille und medita- gern für die «Schweizer Illustrierte» auf vierte – und sein Unternehmen im Buch tive Einkehr suchte, nach einem neuen einen Gipfel oder doch wenigstens einen «52 Wanderungen» beschrieb. Wandern ist Hobby umsehen muss. n Hügel kraxeln würde, notfalls auch in Be- nicht nur zum Lifestyle geworden, sondern gleitung des unverwüstlichen Bergführers auch zum Lifetimesport. und Selbstdarstellers Art Furrer von der Doch wie jede Massenbewegung kennt Riederalp. Längst haben auch Bundesräte auch die Wanderei ihre Dissidentengrup- Roger Anderegg die PR-Tauglichkeit des Wanderns ent- pen. Da sind einmal die Nordic Walker, ist Journalist und foto: privat deckt. Schon Adolf Ogi kletterte auf jeden allesamt sanft motorisch gestört, die mit Bergwanderer erreichbaren Gipfel und brachte stets eine ihren Stöcken einigen Flurschaden an aus Leidenschaft.
Detaillierte Tourenbeschreibung und weitere nützliche Informationen: www.beobachter.ch/wandern Die Firma Bally warb auf einer Postkarte mit dem Hotel Maderanertal – damals noch «Hotel zum Schweizerischen Alpenclub» – für ihre (Berg-)Schuhe. Tour 3: Natur pur Route: Bergstation Golzernseilbahn 2600 (1392 Meter), Golzern, Windgällenhütte 22 (2032), Trittweg, Hotel Maderanertal (1349), 00 Balmenwald Talstation Golzernseilbahn (832) Charakteristik: zum Teil etwas anstrengende, ach 1800 nb ele aber überaus lohnende und abwechslungs- ä rst 00 Ch 1 4 reiche Bergwanderung 1200 1546 Meter 0 Gehzeit: 5 1⁄2 Stunden Golzern 180 00 Jahreszeit: Juni bis September 1000 22 Karte: Urner Wander- und Bikerkarte, 2600 ACHERLI 500 m Blatt Maderanertal, 1:25 000 maderanertal Ohnehin scheint das Hotel seit je Leute Ökonomiegebäude mit Waschhaus und anzuziehen, die sich gerne mal für eine Bäckerei, eine Villa als Dépendance und In H. G. Wells’ Weile von der Gegenwart verabschieden – wie jener Besucher, der sich am 14. Juni ein Holzbau als Kegelbahn. 1887 wurde gar eine Kapelle für anglikanische Messen ge- Zeitmaschine 1902 ins Gästebuch einschrieb: «Mr. & baut – damals ziemlich revolutionär im Infografik: golden section graphics; Quelle: swisstopo; fotos: Schweizer Heimatschutz, Andrew Fleetwood/Hans-Z’Graggen-Stiftung Mrs. H. G. Wells, Author, Sandgate, Eng- streng katholischen Urnerland. land». Wells gilt als Pionier der Science- Fiction-Literatur. In seinem Werk «Die Zeit- Frühes Mekka der Nacktwanderer An dem Ort, der heute zum maschine» katapultiert er sich ins Jahr Der Zeit voraus – nämlich fast 100 Jahre Zeitsprung in die Vergangenheit 802 701 und schildert eine Oberschicht, die bevor das Thema in der Neuzeit für Schlag- nie arbeiten muss und scheinbar glücklich, zeilen sorgen sollte – waren auch jene fri- einlädt, blickte in der Gründerzeit aber völlig unreflektiert in einer paradie- volen Hotelgäste, die das unberührte Berg- ein Gast des Hotels Maderanertal sischen Umgebung lebt. Das Kurhaus Ma- tal besonders naturnah erwanderten: nackt. weit in die Zukunft. deranertal war in der Gründerzeit mehr- Überliefert ist, dass Rupert Schäffeler, Pfar- heitlich belegt von Sommerfrischlern aus rer in Bristen, 1916 Massnahmen gegen H eimatschützer haben eine nette Art, der englischen Elite, die sich im Teehaus dieses «abscheuliche Gebaren» verlangte. Altes vorteilhaft darzustellen. «Der glücklich dem Nichtstun hingaben und da- Doch seine Forderung stiess ins Leere. Eine Ort atmet den Charme vergangener bei von den Einheimischen nicht gestört Intervention sei erschwert, weil es in den Hotelromantik», schrieben sie über das werden durften. Sittengesetzen «an Bestimmungen man- Hotel Maderanertal im Kanton Uri, als sie Jenes Teehaus ist der einzige Hotelteil, gelt, welche sich speziell mit diesen moder- es samt seinen Nebengebäuden zum schüt- der heute nicht mehr zu sehen ist; es wurde nen Kulturmenschen befassen», teilte die zenswerten Ortsbild von nationaler Bedeu- 1978 abgebrochen. Den Bau des Haupt- Urner Regierung hilflos mit. tung erklärten. Weniger blumig heisst das: hauses initiierten Basler Alpinisten im Jahr Heute hat sich das Maderanertal mit der Den Hotelbauten, im späten 19. Jahrhun- 1864. Das schlichte, klassizistische Ge Moderne versöhnt. Die Anlage wird gerade dert erstellt, sieht man jedes ihrer Jahre an. bäude nannten sie «Hotel zum Schweize- renoviert – «aber nur sanft», wie Inhaber To- Aber das ist gut so. Denn es ermöglicht rischen Alpenclub». Durch den Ansturm bias Fedier versichert. Zum Glück: So bleibt Wanderern einen unverfälschten Zeit- ausländischer Gäste folgten in rascher sie ein Grandhotel ohne Grössenwahn in sprung in eine ferne Epoche: Zimmer ohne Folge weitere Bauten, die das Ensemble im einer spektakulären Berglandschaft. Jacuzzi und Wireless-Anschluss, dafür mit Maderanertal kulturhistorisch bedeutend Hotel Maderanertal: Doppelzimmer ab 100 Franken; Waschtopf und Chaiselongue. machen: das noblere Engländerhaus, das Infos unter www.hotel-maderanertal.ch
14 | 2009 Beobachter AY RAILAW NGEBOT BI-A KOM 30 % BIS RABATT ZU Touren und Tipps Wandern mit dem Beobachter n Bildstrecken: Auf unserer Website finden Sie schöne ildstrecken und weitere historische Fotos zu den drei B Wanderungen, Links zur Route von Jemima Morrell sowie Entdecken Sie die Freiberge zu weiteren historischen Hotels und ein Forum, in dem Sie sich mit anderen Wanderbegeisterten austauschen können. gemütlich mit dem Bike. n Planung: Wenn Sie sich für eine der vorgestellten Unser RailAway Angebot im Juli: anderungen interessieren, stellen wir Ihnen online alles W die Jura-Velotour. zur Verfügung, was Sie für Ihren Ausflug brauchen: Die detaillierten Routen, Wetterberichte, Anfahrtsverbindungen, Im Juli führt Sie Ihre Entdeckungsreise durch die Freiberge Adressen und weitere Literatur finden Sie unter im Jura. Und das bis zu 30% günstiger. Steigen Sie zuerst ins www.beobachter.ch/wandern. Stahlross und danach in den Sattel Ihres Mietvelos, und fahren Sie durchs Paradies der Pferde: entlang endloser Weiden und Hier werden Sie sich wohl fühlen: Weitere Hotels durch romantische Wälder. Von hoch oben in Saignelégier mit Geschichte und illustren Gästen (1000 m ü. M.) bis tief hinunter nach Glovelier (518 m ü. M.). Und zwischendurch lohnt sich ein Abstecher zum Etang de n Hotel Alpin Palace, Mürren BE: Erbaut anno 1874, la Gruère, dem grössten Moor der Schweiz, in dem Sie sich eherbergte einst auch den englischen Feldmarschall b auch abkühlen können. Also: nichts wie hin in die Freiberge. Lord Bernard Montgomery. Das Angebot erhalten Sie vom 1. bis 31. Juli 2009 an jedem Doppelzimmer ab 145 Franken; www.palace-muerren.ch bedienten Bahnschalter. n Hotel Bella Tola, St-Luc VS: Im preisgekrönten histori Weitere Ausflugstipps: www.sbb.ch/entdecken schen Hotel fühlt man sich ins 19. Jahrhundert zurück versetzt. Zimmer im Originalzustand, Teatime inklusive. Doppelzimmer ab 160 Franken; www.bellatola.ch n Hotel Giessbach, Brienz BE: Hotelpalast von 1873 in idyllischer Umgebung. Beliebter Etappenort der englischen Alpentouristen um die Jahrhundertwende. Doppelzimmer ab 220 Franken; www.giessbach.ch n Hotel Rosenlaui, Meiringen BE: Wunderschönes Belle- poque-Hotel, das illustre Gäste beherbergte: Johann E Wettbewerb. Wolfgang von Goethe, Leo Tolstoi, Friedrich Nietzsche. Wo liegen die Freiberge? Doppelzimmer ab 100 Franken; www.rosenlaui.ch n Hotel Monte Rosa, Zermatt VS: Alpines Belle-Epoque- otel, wo Matterhorn-Erstbesteiger Edward Whymper oft H nächtigte – wie auch der US-Schriftsteller Mark Twain, der Name/Vorname unter anderem eine Satire auf Alpenexpeditionen schrieb. Adresse Doppelzimmer ab 225 Franken; www.monterosazermatt.ch PLZ/Ort n Kurhaus Val Sinestra, Sent GR: Selbst der holländische E-Mail Prinz Heinrich zu Mecklenburg nächtigte hier. Heute richtet sich das ehemalige Heilbad an Familien und Gruppen. 10 Duo-Tageskarten 2. Klasse gewinnen und zu zweit auf Entdeckungsreise gehen! Antwort ins weisse Feld schreiben und Coupon senden an: SBB, Wettbewerb «Entdecken», Doppelzimmer ab 96 Franken; www.valsinestra.ch 3024 Bern. Die Gewinner werden ausgelost. Einsendeschluss ist der 31. Juli 2009. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Weitere historische Hotels unter www.historic-hotels.ch Mitarbeitende der SBB sowie von allen beteiligten Partnern dürfen nicht teilnehmen. JUNE0709 Beo
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