2020 Tätigkeitsbericht - Gewaltschutzzentrum

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2020 Tätigkeitsbericht - Gewaltschutzzentrum
G E W A LT S C H U T Z Z E N T R U M
                O b e r ö s t e r r e i c h

                  Tätigkeitsbericht
                2020

www.hinter-der-fassade.at
2020 Tätigkeitsbericht - Gewaltschutzzentrum
VORWORT - Geschäftsführung

                                                                                                                         Foto: New Art Studio
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe KooperationspartnerInnen,

das letzte Jahr hat uns alle gefordert. Die Pandemie       die Erfahrungen der letzten Monate gezeigt, wie wichtig
verändert nicht nur unser Privatleben, sondern hat auch    persönliche Kontakte sind, ohne die vieles - trotz intensi-
massiven Einfluss auf die Arbeitswelt. Doch wir haben      ver Bemühungen - Gefahr läuft, verloren zu gehen.
es schnell geschafft, mit den geänderten Arbeitsbedin-     Leider mussten wir anhand der Statistik feststellen,
gungen, welche durch Homeoffice entstanden sind,           dass die Gewalt von Eltern gegen Kinder zugenommen
umzugehen. Diese Umstellungen waren nicht immer            hat. Wir sind daher sehr froh und stolz, dass unser neu-
einfach und stellen uns bis heute vor große Heraus-        estes Präventionsprojekt „Hinter der Fassade“, welches
forderungen. Unser Thema „Häusliche Gewalt“ in den         in Kooperation mit der Kinder- und Jugendanwaltschaft
eigenen vier Wänden zu bearbeiten, war und ist für die     virtuell und mit neuen Inhalten gestaltet wurde, ab so-
Beraterinnen nicht leicht. Aufgrund des großen Enga-       fort online abrufbar ist.
gements aller Mitarbeiterinnen war es uns möglich,
durchgehend für unsere Klient*innen da zu sein und sie     Abschließend möchte ich mich zuerst bei meinen Mitar-
zu beraten.                                                beiterinnen bedanken, die sich auch in dieser schwie-
                                                           rigen Zeit wie immer durch ihr besonderes Engage-
Die Umstellung auf vorwiegend telefonische Beratung
                                                           ment ausgezeichnet haben. Dies zeigt auch eines der
war manchmal schwierig. Oft dauert es länger ein Ver-
                                                           vielen überaus positiven Statements im Rahmen einer
trauensverhältnis aufzubauen, wenn man die betroffe-
                                                           Klient*innenbefragung: „Ich bin für die Hilfe und Unter-
ne Person nicht sieht, denn speziell bei tabubehafteten
                                                           stützung sehr dankbar. Ich kann wieder mein Leben
Themenbereichen ist in der Beratung die nonverbale
                                                           ohne Sorgen und Ängste weiterleben. Danke das ihr zu
Kommunikation sehr hilfreich und wichtig. Dennoch er-
                                                           mir gehalten habt und mich gestärkt habt, Glaube an
kannten einige Klient*innen für sich auch Vorteile. So
                                                           mich und an die Gerechtigkeit gestärkt habt.“ Ich möch-
ist es für manche Personen einfacher eine telefonische
                                                           te mich aber auch bei allen befassten Einrichtungen,
Beratung zu organisieren, weil die Anreise oder das Su-
                                                           Kooperationspartner*innen und Geldgeber*innen für
chen nach einer Kinderbetreuung wegfallen.
                                                           die gute Zusammenarbeit bedanken, die auch in meist
Ebenso hat die Digitalisierung einen großen Schub erhal-   virtueller Form einwandfrei funktioniert hat.
ten. Wir haben uns vorgenommen, die geänderten Um-
stände noch einmal aus der Distanz zu betrachten und
zu reflektieren, welche positiven Veränderungen in die                                             Mag.ª Eva Schuh
Zukunft mitgenommen werden können. Dennoch haben                                                   Geschäftsführerin
2020 Tätigkeitsbericht - Gewaltschutzzentrum
Hinter der Fassade – gegen Gewalt zu Hause. Info & Hilfe für junge Leute

Du sollst ohne Gewalt leben können.                         ma häusliche Gewalt zu informieren, es im Unterricht zu
Das ist dein Recht!                                         behandeln und um Möglichkeiten aus der Gewalt auf-
So lautet der Leitsatz auf der Website des im Februar       zuzeigen.
2021 präsentierten Gewaltpräventionsprojekts für Ju-
gendliche „Hinter der Fassade“.                             Das Projekt ist in drei Teile gegliedert:
Dieses Projekt wurde im Jahr 2020 in Kooperation mit        Der erste Teil bietet Jugendlichen Antworten auf oft ge-
der Kinder- und Jugendanwaltschaft Oberösterreich           stellte Fragen. In Kapiteln wie: „Kennst du deine Rech-
entwickelt und umgesetzt.                                   te?“, „Wo gibt es Hilfe?“ oder „Das macht dich stark!“
Allen voran stand die Überlegung ein niederschwelliges      können sich betroffene, mitbetroffene und interessier-
pädagogisches Angebot für Jugendliche und Päda-             te junge Menschen mit dem Thema beschäftigen. Ein
gog*innen zum Thema häusliche Gewalt zu gestalten.          zentrales Augenmerk liegt aber nicht nur auf der In-
Von 2006 bis 2016 gab es unter dem gleichnamigen Titel      formationsweitergabe, sondern speziell auch auf dem
bereits eine Ausstellung, die von den Gewaltschutzzent-     Sichtbarmachen der Ressourcen, die die Jugendlichen
ren und Interventionsstellen Österreichs gemeinsam mit      bereits haben sowie auf stärkenden Botschaften, um sie
der oberösterreichischen Künstlerin Ursula Kolar-Hofs-      durch die herausfordernde Zeit zu begleiten.
tätter konzipiert und gestaltet wurde. Für diese Ausstel-   Der zweite Teil besteht aus drei fiktiven Geschichten
lung wurden Zimmer einer real begehbaren Wohnung            über Jugendliche, die im eigenen Zuhause Gewalt er-
nachgebaut, in der Frauen in Audio- und Videobeiträgen      leben. Man kann Luisa, Jonas und Anna in ihren je-
ihre persönlichen Gewalterfahrungen erzählten. Jugend-      weiligen Wohnungen begleiten und Zuhörer*in deren
liche und Pädagog*innen bewegten sich durch diese           persönlichen Erlebnisse und Gedanken sein. Es geht
Räume und wurden so mit dem konfrontiert was „hinter        um Fälle von sexualisierter Gewalt, miterlebter Gewalt
der Fassade“ von Wohnungen passiert.                        gegen die Mutter und Gewalt in der Erziehung.
Nach wie vor ist das eigene zuhause, statistisch gese-      Im dritten Teil, der sich speziell an Pädagog*innen rich-
hen, der gefährlichste Ort für eine Frau Opfer von Ge-      tet, gibt es Informationsmaterial und weiterführende
walt zu werden. Die Zahlen des GSZ OÖ aus dem letz-         Angebote. Es wird Einblick in die rechtliche Situation
ten Jahr zeigen aber auch einen alarmierenden Anstieg       gegeben und es gibt einen Leitfaden zu „Was tun im
bei Gewalt gegen Jugendliche im sozialen Nahraum/in         Verdachtsfall?“. Weiters gibt es pädagogisches Material
der Familie.                                                um das Thema häusliche Gewalt anhand einzelner Mo-
Um dieser Entwicklung etwas entgegen zu halten, wur-        dule mit den Schüler*innen im Unterricht zu bearbeiten.
de das Projekt „Hinter der Fassade“ mit neuen Inhalten      Sollten in Schulen keine fachlichen oder personellen
und in digitalem Gewand zu neuem Leben erweckt.             Ressourcen zur Verfügung stehen, können die Work-
Ziel des Projekts ist es, Jugendlichen und Pädagog*in-      shops für Schulen in Oberösterreich über die Kinder-
nen Material an die Hand zu geben, um sich zum The-         und Jugendanwaltschaft kostenlos gebucht werden.

            www.hinter-der-fassade.at
Die COVID-19 Pandemie und die damit verbundene             Eine niederschwellige, bedarfsorientierte, flexible und
sehr hohe Arbeitslosigkeit, finanziellen Einbußen, Exis-   nachgehende Beratung ermöglichte dennoch die
tenzängste etc. haben gezeigt wie schnell Lebenspers-      Frauen zielführend durch das Corona-Jahr begleiten
pektiven ins Wanken geraten. Arbeit und Existenzsiche-     zu können. Hilfe bei der Kontaktaufnahme mit Behör-
rung als Fundament für ein selbstbestimmtes Leben ist      den, Aufklärung sowie die Weitergabe digitalen Wis-
plötzlich nicht mehr oder nur mehr eingeschränkt ge-       sens und Informationen wurden zu essentiellen Teilen
geben. Besonders für Personen, die bereits vor der         der Beratung. Regelmäßige Gespräche über Ängste
Krise arbeitssuchend waren, hat sich die Situation zu-     sowie psychische und physische Belastungen ge-
gespitzt.                                                  hörten bzw. gehören ebenso zum Arbeitsalltag. Trotz
Arbeitssuchende, alleinerziehende Frauen sind von          der Umstellung auf vorwiegend telefonische Beratung
den Auswirkungen der Pandemie mitunter am stärks-          konnte mit den Frauen ein zielorientierter Beratungs-
ten betroffen. Die Auswirkungen erstrecken sich über       prozess nahtlos weitergeführt werden. Vor allem die
sämtliche Lebensbereiche: Wegfall der Kinderbetreu-        Förderung digitaler Kompetenzen sowie die bedarfs-
ung, verschobene Arzttermine, anhaltende Einsamkeit,       orientierte Unterstützung wurden von den Frauen po-
beengte Wohnsituation, finanzielle Not, Zu-                             sitiv rückgemeldet.
kunftsängste, Unsicherheiten, Zusammen-                                 Bei vielen Frauen standen Qualifizierun-
bruch von Perspektiven etc.. Besonders für                              gen, der Zugang zu Ausbildungen oder
gewaltbetroffene Frauen sind diese zusätz-                              die Anerkennung von Qualifikationen aus
lichen Belastungen immens.                                              dem Heimatland im Mittelpunkt der Bera-
Gleichzeitig werden sie mit den Auswir-                                 tung. Gemeinsam mit dem AMS wurde es
kungen am Arbeitsmarkt konfrontiert: Kün-                               vielen Frauen ermöglicht sich weiter zu bil-
digungen, mangelnde Jobangebote, ab-                                    den, ihre Arbeitsmarktchancen nachhaltig
gesagte bzw. verschobene Jobaufnahmen/                                  zu verbessern bzw. mit Berufsausbildun-
Qualifizierungsmaßnahmen, erschwerte Er-                                gen zu beginnen. Andere Frauen konnten
reichbarkeit von Behörden (Umstellung auf beinahe          vor allem in systemrelevanten Berufen (welche vorwie-
ausschließlich digitale Kontaktaufnahme/ Leistungen),      gend weiblich dominiert sind) Fuß fassen.
ständig sich ändernde Regelungen und Verordnungen.         Gewaltbetroffene, alleinerziehende Frauen gehören zu
Die hohen Anforderungen an digitale Kenntnisse in Ver-     den vulnerabelsten und benachteiligsten Gruppen der
bindung mit anhaltenden Einschränkungen des gesell-        Gesellschaft. Gleichzeitig sind es in der Krise vermehrt
schaftlichen Lebens haben die Frauen vor besonders         genau diese Frauen, die in systemrelevanten Berufen
neue Herausforderungen gestellt, Veränderungspro-          (Reinigung, Pflege, Handel, Dienstleistung) tätig sind
zesse gelähmt bzw. vielen Frauen den Mut zu Verände-       und einen großen Teil zur Aufrechterhaltung unserer
rungen genommen.                                           Gesellschaft beitragen.
STATISTIK 2020 - Gewaltschutzzentrum OÖ

   2020…                                                                                                                ...fanden
                                ...waren in
                                                                                                                        14.125
                                91%
                                                                 ...gab es Gewalt
                                                                 (inkl. Stalking) in folgenden                          Beratungsgespräche
                                der Fälle die Gefährder
                                                                 Beziehungsverhältnissen
                                                                                                   43%                  (persönlich
...waren                        männlich
                                                                          57%                      sonstige fam.        oder telefonisch) statt

80%
der gefährdeten
                                                                        (ehemalige)
                                                                      Partnerschaften
                                                                                                   Beziehungen/
                                                                                                   soz. Nahraum
                                                                                                                              …hatten Täter*innen
                                                                                                                          folgende Nationalitäten:
Personen weiblich                       ...fand in

                                        263
                                                                                                                                         6%
                                                                                                                                         unbek.
                                                                                                                               22%
                                                                                                                               außerhalb
                                        Fällen eine                                                                            EU
                                        Prozessbegleitung statt           ...unterstützte                                                       59 %
                                                                          das GSZ OÖ bei                                                   Österreich
                                                                                                                                13%

                                                                          252
                                                                                                                                EU
                                              870
       ...waren

       13%
       unmittelbar von Gewalt
                                                                          Anträgen auf Erlassung einer
                                                                          Einstweiligen Verfügung
                                                                                                                        …hatten gefährdete Personen
       betroffenen Kinder                                                                                                    folgende Nationalitäten:
                                                                                                                                         2%
                                                                                                                                         unbek.
                                                                                                                               19%
                                                                                                                               außerhalb
                                                           …hat das GSZ OÖ insgesamt                                           EU

                                                           2.840
                                                                                                                              12%
                                                                                                                              EU              67 %
...waren                                                                           Personen beraten                                      Österreich

128
Personen von Stalking
                                                     328             ...wurden von der Exekutive
betroffen

                                                                     2.024                      Betretungs- und Annäherungs-
                                                                                                verbote ausgesprochen
 190                                                                             (nach Bezirken unterteilt)
                                                                                                                        176                168
                       147

                  85                   82                   88                                                87   89               92
                                71                                  70                 69        78
                                                                            64
           47                                                                                                                                       39

 164       31     39   97       46      64     614   224    74       47     34         55        58           64   45    138        75     155

 BR        EF     FR   GM       GR     KI      L     LL     PE       RI     RO        SD        SE            SR   UU    VB     WL         WE     sonstige
ERREICHBARKEIT
Gewaltschutzzentrum Oberösterreich
Stockhofstraße 40, 4020 Linz                                                      G E W A LT S C H U T Z Z E N T R U M
Eingang: Wachreinergasse 2/5. Stock                                              O b e r ö s t e r r e i c h
ooe@gewaltschutzzentrum.at                                                                                Impressum:
www.gewaltschutzzentrum.at/ooe                                           Verein Gewaltschutzzentrum Oberösterreich
                                                                    für Gewaltprävention, Opferhilfe und Opferschutz
Mo, Mi, Fr: 9 – 13 Uhr, Di, Do: 9 – 20 Uhr                                                                 4020 Linz
und nach Vereinbarung                                                            Email: ooe@gewaltschutzzentrum.at

Tel.: 0732/60 77 60
                                                                                               ZVR Zahl: 200524413

REGIONALE BERATUNGSANGEBOTE
MÜHLVIERTEL                          TRAUNVIERTEL
Freistadt: BABSI                     Steyr: Palais Werndl
Ledererstraße 5                      Schönauerstraße 7
4240 Freistadt                       4400 Steyr
Di, Do: 9 – 15.30 Uhr                Di, Do: 9 – 15.30 Uhr
nach Vereinbarung                    nach Vereinbarung

Frauennetzwerk Rohrbach              Kirchdorf: Pro Mente
Stadtplatz 16/II                     Brunnenweg 1- 3
4150 Rohrbach                        4560 Kirchdorf/Krems
nach Vereinbarung                    Di nachmittags nach Vereinbarung

Perg: Frauenberatung                 SALZKAMMERGUT
Dr. Schober-Straße 23                Gmunden: Ikarus
4320 Perg                            Franz-Keim-Straße 1, 1. St.
nach Vereinbarung                    4810 Gmunden
                                     Di, Do: 9 – 15.30 Uhr
INNVIERTEL                           nach Vereinbarung
Ried im Innkreis
Bahnhofstraße 1a, 2. St.             Bad Ischl: Frauenberatungsstelle
4910 Ried i. I.                      Inneres Salzkammergut
Di, Do: 9 – 15.30 Uhr                Bahnhofstraße 14
nach Vereinbarung                    4820 Bad Ischl
                                     Di nachmittags nach Vereinbarung
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