3 Wohlstand - Fak ten, Themen und Hintergründe für institutionelle Anleger - Union Investment Institutional GmbH

 
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3 Wohlstand - Fak ten, Themen und Hintergründe für institutionelle Anleger - Union Investment Institutional GmbH
3                        Ausgabe 3 / 2018

                                                                           2018

                                                                                       Fak ten, T hem en un d Hinterg r ün d e
                                                                                           f ür ins ti t u tio nelle A nle g er

                                                                           WOHLSTAND
                                                                                                 Wohlstand

                                                                                                    8
                                                                                                   0

                                                                                                  1
                                                                                                #2

  Union Investment Institutional GmbH
w w w. i n s t i t u t i o n a l . u n i o n - i n v e s t m e n t . d e
3 Wohlstand - Fak ten, Themen und Hintergründe für institutionelle Anleger - Union Investment Institutional GmbH
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                 Vorwort                                                                          Rubrikname
                                                                                                   Vorwort

                                                        Noch nie lebten so viele
                                                        Menschen in Wohlstand.
                                                        Hätten Sie das gedacht?
                                                                          Ja, werden Sie vermutlich sagen. Schließlich stehen nach Jahren der Stagnation die
                                                                          Zeichen in allen wichtigen Wirtschaftsregionen auf Wachstum. Statt Arbeitslosigkeit
                                                                          sorgt hierzulande der Fachkräftemangel für Schlagzeilen. Deutschland und die EU sind
                                                                          aber gar nicht so entscheidend für die Zunahme des globalen Wohlstands. Dieser
                                                                          entsteht vor allem in den Emerging Markets.

                                                     In China zum Beispiel: Lebten vor 40 Jahren noch rund 800 Millionen Chinesen in Armut, so
                                                     sind es heute nur noch 40 Millionen. Präsident Xi Jinping bemerkte stolz, dass erstmals in
                                                     der jahrtausendealten Geschichte seines Landes die extreme Armut beseitigt werde. Und die
                                                     Staatsführung lässt nicht locker. So richtet sie für Reisbauern E-Commerce-Stationen ein,
                                                     über die sie ihre Produkte zeitgemäß auf der Onlineplattform Alibaba vermarkten können.
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 2                                                                   Wo es Gewinner gibt, da gibt es auch Verlierer. Global gesehen gibt es massive Ungleich­      69
                                                                                                                                                                   3
                                                                     gewichte in der Wohlstandsverteilung, vor denen der IWF und das Weltwirtschaftsforum in
                                                                     Davos warnen. Daher fragen wir in dieser Ausgabe: Wie wirkt sich der Wohlstand aus? Ist
                                                                     der von Ludwig Erhard einst postulierte „Wohlstand für alle“ global gesehen ein Mythos?
                                                                     Und wenn nicht, wie viel Wohlstand kann die Welt sich leisten? Flankiert wird das gedruckte
                                                                     Magazin übrigens von dem neuen digitalen Weitwinkel, in dem wir einige Geschichten
                                                                     dieser Ausgabe weiterdrehen und durch neue Blickwinkel ergänzen. Schauen Sie bei
                                                                     www.weitwinkel.digital hinein. Es lohnt sich.
        ganzheitlichere Betrachtungs­weise. Damit
        Die Metapher für einen breiteren Horizont,
        das Ablegen von Scheuklappen und eine

        Sie mehr sehen als andere und voraus­

                                                                                           ALEX ANDER SCHINDLER
                                                                                             Mitglied des Vorstands
                                                                                             von Union Investment
        schauend handeln können.
        [ We itwin kel ]

          Ausgabe 3
                  1 / 2017
                      2018
3 Wohlstand - Fak ten, Themen und Hintergründe für institutionelle Anleger - Union Investment Institutional GmbH
Inhalt                                                                                 Inhalt

                                                            22
                                                 Gewinner des                                                         2/3         Vorwort

                     12
                                               neuen Wohlstands                                                       4/5         Inhalt

                                                            Auf diese Branchen
                                                             sollten Sie achten                          IM WEITWINKEL
                 Wohlstand
                                                                                                                  6–11            Wohlstand für alle in Bildern
                 für alle 2.0                                                                                    12 –17           Wohlstand für alle 2.0
                                                                                                                       Auftakt    Mythos oder reale Chance?
                        Mythos oder
                       reale Chance?                                                                             18 –21           Stillstand auf Dauer?
                                                                                                                         Essay    	 Von Professor Barry Eichengreen
                                                                                                                 22/23            Gewinner des neuen Wohlstands
                                                                                                                   Blickpunkte    	 Auf diese Branchen sollten Sie achten
                                                                                                                 24/25            Digitale Monopolie
                                                                                                                         Essay    	 Von Achim Wambach
                                                                                                                 26/27            Wie viel Wohlstand verträgt die Welt?
                                                                                                                     Infografik	 
                                                                                                                                Wachsender  Konsum in den Emerging Markets

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                                                                                                                28 –33            Generation Abgehängt                            Seite
                                                                                                                       Analyse    	 Von David F. Milleker
4                                                                                                                34/35            Kann es Wohlstand für alle geben?               5

                                                                                   54
                                                                                                                          Fazit

                                                                                                                36–41             Der Digitalpionier
                                                                                  Mobilitäts-                  Finanzstrategen	 
                                                                                                                               Timo   Ihamuotila, Finanzvorstand von ABB

                                               48                                 Revoluzzer                     42–47            Reformen am Ganges
                                                                                                           Investmentvordenker    	 Wie groß sind Risiko und Chancen in Indien?
                                                                                   Prof. Günther Schuh          48–53             „Sonst wäre Europa wer weiß wo“
                                                                                       im Interview              Risikoforscher   Ein Besuch bei Paul Krugman
                                       „Sonst wäre Europa                                                       54–59             Mobilitäts-Revoluzzer

          42
                                                                                                                   Auf ein Wort   Günther Schuh im Interview
                                          wer weiß wo“                                                          60–65             Themen treiben Börsen
                                                                                                          Investmentstandpunkt    Das Investment Committee Absolute Return
                                         Ein Besuch bei Ausnahmeökonom
                                                  Paul Krugman                                                   66/67            Vorschau
        Reformen
        am Ganges
         Wie groß sind Risiko
                                                                                                                         67       Impressum
        und Chancen in Indien?

                                         Ausgabe 3 / 2018
3 Wohlstand - Fak ten, Themen und Hintergründe für institutionelle Anleger - Union Investment Institutional GmbH
Im Weitwinkel                                 Wohlstand für alle in Bildern

                           Bescheidener Wohlstand:
                           In großen Teilen von
                           Südostasien, wie hier
                           im indischen Mumbai,
                           wird der Chai an Straßen-
                           ständen in Plastiktüten
                           verkauft. Mit dem
                           Auf­stieg einer neuen
                           Mittelklasse wird das
                           einstige Arme-Leute-
                           Getränk zunehmend
                           in Gläsern genossen.

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        Ausgabe 3 / 2018
3 Wohlstand - Fak ten, Themen und Hintergründe für institutionelle Anleger - Union Investment Institutional GmbH
Im Weitwinkel     Wohlstand für alle in Bildern

        Wachsender Appetit:
        Mit dem neuen Wohl-
        stand wächst auch die
        Lust auf Fleisch. Die sich
        verändernden Ernäh-
        rungsgewohnheiten in
        den Emerging Markets
        stellen die Umwelt und
        das Weltklima vor ein
        riesiges Problem.

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3 Wohlstand - Fak ten, Themen und Hintergründe für institutionelle Anleger - Union Investment Institutional GmbH
Im Weitwinkel     Wohlstand für alle in Bildern

                                                     Verloren und abgehängt:
                                                     Waterbury, Connecticut
                                                     war einst ein florierendes
                                                     Zentrum der Messing­
                                                     produktion. Doch wie bei
                                                     vielen anderen Industrien
                                                     in den USA konnten die
                                                     arbeitsintensiven Pro­zesse
                                                     kostentechnisch nicht mit
                                                     dem Weltmarkt mithalten.
                                                     Arbeitslosigkeit, Leer­stand
                                                     und ungelöste soziale Kon-
                                                     flikte waren oft die Folge.

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3 Wohlstand - Fak ten, Themen und Hintergründe für institutionelle Anleger - Union Investment Institutional GmbH
Im Weitwinkel         Auftakt

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                                                                                         Wohlstand
                                                                                         Weltwirtschaft
                                                                                         Ungleichgewichte

                           Es klingt paradox: Nie gab es mehr
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                           Wohlstand für so viele, nie war gleich­
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                           zeitig das Gefälle zwischen Arm und
                           Reich größer. Welche Rolle spielt öko­
                           nomische Ungleichheit für wirtschaft­
                           liches Wachstum, politische Stabilität
                           und prosperierende Kapitalmärkte?

                           TEXT F e l i x S c h ü t z e   ILLUSTRATION P r o f i l w e r k s t a t t

        Ausgabe 3 / 2018
3 Wohlstand - Fak ten, Themen und Hintergründe für institutionelle Anleger - Union Investment Institutional GmbH
Im Weitwinkel                                                        Auftakt

        D
                  ie Finanzkrise von 2008                                        Eine Frage der Perspektive
                  scheint zwar nach Jahren des                                   Bei der Interpretation der wissenschaftli­
                  quälend langsamen Fortschritts                                 chen Erhebungen gehen jedoch die Mei­
        endgültig überwunden. Gleichzeitig ist                                   nungen zum Teil sehr weit auseinander.
        vor allem in den Industriestaaten die                                    Das beginnt schon mit der Frage, ob die
        Ungleichheit gewachsen. Ein Zufall?                                      Ungleichverteilung von Einkommen und
        Gerechte Verteilung, robustes Wachstum                                   Vermögen gewachsen oder gesunken ist
        und politische Stabilität sind jedenfalls                                beziehungsweise welche Wohlstandsef­
        2018 keine Selbstverständlichkeit. Schon         Nachlese                fekte daraus resultieren. Die Hilfsorgani­
        Wirtschaftsminister Ludwig Erhard sah                                    sation Oxfam kommt etwa zu folgen­
        vor rund 60 Jahren in diesem Dreiklang        THOMAS PIKETTY,            dem Ergebnis: Die Welt ist ungleicher
                                                       DAS KAPITAL IM
        die Voraussetzung für eine soziale Markt-                                geworden. Demnach besitzt das reichste
                                                      21. JAHRHUNDERT
        wirtschaft, die „Wohlstand für alle“                                     eine Prozent der Weltbevölkerung 50
        schaffen sollte.                              C.H.Beck, München,         Prozent des globalen Vermögens. Rund
                                                    eine spannende und viel
                                                                                 82 Prozent des Vermögenswachstums
                                                       diskutierte Analyse
        Unvollkommene Erholung                         der entscheidenden        im Jahr 2017 gingen an diese Gruppe.
        Ende 2017 warnte der IWF-Chefvolkswirt        ökonomischen und
                                                       sozialen Muster der
        Maurice Obstfeld: „Die wirtschaftliche                                   Aber es gibt auch andere Sichtweisen.
                                                     Wohlstandsverteilung.
        Erholung ist unvollkommen.“ Er sprach        Ein Buch, von dem Bill      So habe etwa die Globalisierung ge­
Seite   damit weiter existierende Ungleichge­       Gates sagt: „Ich bin froh,   zeigt, dass Wohlstand für viele und eine                Seite

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                                                    dass ich Thomas Piketty
        wichte in der Wohlstandsverteilung an.                                   regionale Umverteilung möglich seien.
                                                        gelesen habe, und
        Ein nachhaltiges Wachstum bei Löhnen          ermutige Sie, es auch      In den letzten zwei Jahrzehnten sind
        und Gehältern lasse in vielen Ländern auf            zu tun.“            Hunderte Millionen Menschen durch die
        sich warten. Experten der Investment­                                    immer engere Verflechtung der Welt zu
        bank Goldman Sachs – verteilungspoli­                                    neuem Wohlstand gekommen. In den
                                                     LUDWIG ERHARD,
        tischer Ambitionen eher unverdächtig –                                   wachstumsstarken Emerging Markets
                                                    WOHLSTAND FÜR ALLE
        empfehlen Investoren einen Blick in einen                                wie China, Indien oder Brasilien ist eine
        Ungleichheitsreport namens „Billionaire     Econ, Düsseldorf 1957, der   neue breitere Mittelschicht entstanden.
                                                    Klassiker. Die Grundsätze,
        Bonanza 2017“.                                                           Viele Armutsforscher argumentieren
                                                      die der „Vater des Wirt-
                                                    schaftswunders“ vor rund     daher, die Ungleichheit wachse zwar
        Warum beschäftigen sich also nicht nur         60 Jahren postulierte,    innerhalb der einzelnen Länder, sinke
                                                      wie die Verbindung des
        sozialkritische Ökonomen wie Joseph                                      aber weltweit betrachtet.
                                                        „Prinzips der Freiheit
        Stiglitz, Thomas Piketty oder Marcel          auf dem Markt mit dem
        Fratzscher mit Ungleichgewichten in         sozialen Ausgleich und der    Entsprechend gibt Stefan Bielmeier,
                                                     sittlichen Verantwortung
        der Vermögensverteilung, sondern auch                                     Chefvolkswirt der DZ Bank, zu bedenken,
                                                       jedes Einzelnen“ sind
        Investmentbanken wie Goldman Sachs?           heute aktueller denn je.    dass der durch die Globalisierung erzielte
        Weil gesamtwirtschaftliche Nachfrage,                                    Wohlstand immer zwei Seiten habe.
        Wachstum und damit auch Anlageper­                                       Der Wachstumssprung der Emerging
        spektiven in engem Zusammenhang                                          ­Markets sei durch eine Verlagerung
        stehen.                                                                   arbeitsintensiver Prozesse von den ›

                                                        Ausgabe 3 / 2018
3 Wohlstand - Fak ten, Themen und Hintergründe für institutionelle Anleger - Union Investment Institutional GmbH
Im Weitwinkel                                                                                                     Auftakt

        Industrieländern in die Schwellenlän­
        der ausgelöst worden. Die Ratio dieser
        Entwicklung fußt auf großen Unterschie­
                                                              „Bis zum Jahr 2025
        den bei den Lohnkosten – also letztlich
        der Ungleichheit zwischen verschie­
                                                            wird der Konsum in den
        denen Regionen. Daraus resultiert die
        Jobwanderung, die den Schwellenländern
                                                             Emerging Markets ein
        Einkommen und Vermögen bescherte
        und den gesamtgesellschaftlichen Wohl­
                                                            Volumen von 30 Billio-
        stand erhöhte. Gleichzeitig schrumpft der
        Abstand zu den Industrieländern, zumal               nen Dollar erreichen.“
        dort sozialpolitische Einschnitte oft die
        harte Konsequenz des Standortwettbe­                                               M C K I N S E Y Q U A R T E R LY

        werbs sind. In den vermeintlich „reichen“
        Ländern sind die Arbeiter unmittelbar be­
        troffen von höherer Arbeitslosigkeit und
        einer gefühlten sozialen Ungerechtigkeit.
        „Die Ungerechtigkeit der Globalisierung        nicht nur die politische Stabilität, sondern
        liegt also im Prozess der Globalisierung       auch die Wachstumsaussichten: denn                                                                                                                            P RO F. C L AU D I A
        selbst“, diagnostiziert Bielmeier. Als Folge   ohne Nachfrage keine Produktion. So­                                                                                                                          KEMFERT
        wird daraus auch das Erstarken populisti­      wohl über den politischen als auch über
        scher Bewegungen in den Industriestaa­         den wirtschaftlichen Nexus berührt die                                                                                                                        Jahrgang 1968. Sie leitet
        ten erklärbar.                                 Verteilungsfrage damit letztlich auch die                                                                                                                     die Abteilung Energie,
                                                                                                                                                                                                                     Verkehr und Umwelt am
Seite                                                  Kapitalmärkte. Für robuste (Investitions-)                                                                                                                                                   Seite
                                                                                                                                                                                                                     Deutschen Institut für
16      Mehr Licht als Schatten
        Unterm Strich konnten aber auch die
                                                       Perspektiven müssen diese Missverhält­
                                                       nisse abgebaut werden.                                                 Wie viel Wohlstand verträgt die Welt?       Umweltschutztechnologien oder Elek­
                                                                                                                                                                                                                     Wirtschaftsforschung
                                                                                                                                                                                                                     (DIW) in Berlin. Zusätz­lich
                                                                                                                                                                                                                                                    17
        Industriestaaten von der Globalisierung                                                                               Die neue Mittelschicht der Schwellen­       tromobilität, muss es den Klimaschutz      lehrt sie Energieökono-
        profitieren. So sind durch die Verlage­        Immerhin dürfte sich dank der Globalisie­                              länder, die sogenannte Generation A, die    nicht gefährden“, sagt Prof. Claudia       mie und Nachhaltigkeit
                                                                                                                                                                                                                     an der privaten Hertie
        rung arbeitsintensiver Prozesse Herstel­       rung die Zahl der Menschen, die weltweit                               Generation „Aspiration“, orientiert sich    Kemfert vom DIW in Berlin. „Im Gegen­
                                                                                                                                                                                                                     School of Governance
        lungskosten gesunken. Insbesondere             zur Mittelschicht gezählt werden, von                                  oft an Vorbildern aus Industrieländern.     teil: Durch eine Entkopplung des Wirt­     und ist Gutachterin
        Deutschland konnte seine Wettbewerbs­          heute rund 2,4 Milliarden Menschen bis                                 Der eigene Computer und das Smart­          schaftswachstums vom Verbrauch fos­        und Politikberaterin in
        fähigkeit steigern. Stefan Bielmeier ist       zum Jahr 2025 auf 4,2 Milliarden erhö­                                 phone gehören zu den selbstverständ­        siler Energie können Investitionen in      ver­schiedenen Nach­­-
        daher überzeugt, dass die enormen              hen, schätzt eine Studie von McKinsey &                                lichen Zeichen des neuen Wohlstands,        wichtige Zukunftsmärkte erschlossen        haltig­­­keitsbeiräten und
                                                                                                                                                                                                                     Kommissionen.
        Wohlstandsgewinne in den Schwellen-            Company. „Das erste Mal in der Weltge­                                 genauso wie das eigene Auto. Auch die       werden, die zwei Fliegen mit einer Klap­
        und Industrieländern die ungünstigen           schichte wird dann die Zahl der Men­                                   Ernährungsgewohnheiten dürften sich         pe schlagen: global dem Klimaschutz
        Folgen bei Weitem überwiegen.                  schen einer Konsumentenklasse die Zahl                                 an dem Standard der Industrieländer         helfen und Wohlstand durch nachhal­
                                                       der Menschen übertreffen, die für das                                  orientieren, was auch zu einem gesteiger­   tiges Wirtschaften dauerhaft generie­
        Verteilte Risiken, verteilte Chancen           tägliche Überleben kämpfen müssen“,                                    ten Fleischkonsum führt (siehe Infografik   ren“, argumentiert die DIW-Expertin für
        Die neue, globalisierte Welt befindet sich     so die Autoren der Studie. Sie schätzen,                               auf Seite 26). Wobei absehbare Engpässe     Energie, Verkehr und Umwelt. Notwen­
        dennoch keineswegs im Idealzustand.            dass allein das Konsumvolumen in den                                   in der Versorgung oder Preissteigerungen    dig dafür seien klare politische Rahmen­
        In Ländern, in denen früher so gut wie         Emerging Markets bis zum Jahr 2025                                     nur ein Problem sind. Der gesteigerte       bedingungen. Die Ratifizierung des Ab­
        alle Menschen arm – und gleich – waren,        auf 30 Billionen US-Dollar gestiegen sein                              wohlstandsbedingte Konsum geht auch         kommens von Paris sei ein wichtiger
        kommen zwar durch die Globalisierung           und rund 50 Prozent des Weltkonsumvo­                                  einher mit Belastungen für die Umwelt.      Meilenstein für mehr Klimaschutz, eben­
        immer mehr Menschen zu Wohlstand.              lumens ausmachen wird (32 Prozent im                                                                               so wie die Etablierung der Sustainable
        Aber eben längst nicht alle. Und so gibt       Jahr 2010). Die erhöhte Kaufkraft ist gut                              Doch dieses Szenario ist keineswegs al­     Development Goals der Vereinten Nati­
        es gerade in den Schwellenländern große        und erhöht die wirtschaftliche Dynamik                                 ternativlos. „Führen die Wohlstandsstei­    onen. „Wichtig ist nun, dass dies in na­
        soziale Ungleichheit und Unzufrieden­          (siehe Beitrag Seite 24). Sie ist aber auch                            gerungen ebenso zu mehr Investitionen       tionales und lokales Handeln überführt
        heit. Ungleichheit und Armut bedrohen          ein Risiko.                                                            in erneuerbare Energien, saubere und        wird“, betont Kemfert. ‹

                                                                Ausgabe 3 / 2018
3 Wohlstand - Fak ten, Themen und Hintergründe für institutionelle Anleger - Union Investment Institutional GmbH
Im Weitwinkel                                                                           Im Weitwinkel
                                                                                                                                                                        Essay

        ESSAY B a r r y E i c h e n g r e e n   ILLUSTRATION O l i v e r S e b e l           5 Min.

                                                                                             Wachstum
                                                                                             Weltwirtschaft
                                                                                             Stagnation

        Stillstand auf Dauer?
                                                                                                              A
                                                                                                                        ls Lawrence Summers im Jahr 2013 das             verringern das Risikopotenzial ihrer Portfolios und
                                                                                                                        Prinzip der säkularen Stagnation wieder          gewähren in der Folge weniger freigiebig Kredite.
                                                                                                                        ins Gespräch brachte, lag die Wachstums­         Firmen sanieren ihre Bilanz und Privatpersonen ihre
                                                                                                              rate der Industrienationen bei mageren 1,3 Prozent.        Haushaltskasse, daher geben sie weniger aus. Doch
        Zehn Jahre nach der Finanzkrise wird erstmals wieder mit hohen                                        Heute, fünf Jahre später, finden wir uns in einer völlig   früher oder später findet dieser allseitige Schulden­
                                                                                                              anderen Situation wieder. Das Wachstum der Indus­          abbau sein Ende, und Konsum, Investment, Kredit­
        Wachstumsraten gerechnet. Waren die Sorgen über eine lang                                             trienationen wird im Jahr 2018 laut Prognosen des          vergabe und Wirtschaftswachstum kommen wieder
                                                                                                              Internationalen Währungsfonds bei über 2,3 Prozent         in Gang.
        anhaltende „säkulare Stagnation“ unbegründet?
                                                                                                                                                                         Der jüngste Aufschwung, mit dem eine Verringerung
                                                                                                                                                                         des Verhältnisses von Schulden zu Einkommen
                                                                                                                                                                         von Unternehmen und privaten Haushalten in den
                                                                                                                                                                         USA und die Erholung des Bankensektors in Europa
                               P R O F. B A R RY                                                                                                                         einhergeht, legt nahe, dass die Kritiker der säkularen
Seite                                                                                                                                                                    Stagnation nicht ganz unrecht haben. Doch ihre           Seite
                             EICHENGREEN
18                                                                                                                                                                       Sichtweise lässt noch zu wünschen übrig, denn sie
                                                                                                                                                                         erklärt nicht, warum das Wirtschaftswachstum             19
         Jahrgang 1952. Er lehrt Ökonomie und                                                                                                                            in den Industrienationen weiterhin unter den höheren
               politische Wissenschaften an der                                                               liegen. Waren also die Befürchtungen, langsameres          Wachstumsraten der Aufschwungphasen in den
          University of California in Berkeley. In
                                                                                                              Leistungs- und Produktivitätswachstum könnte der           1980er-, 1990er- und 2000er-Jahren liegt.
          den 1990er-Jahren beriet Eichengreen
            den Internationalen Währungsfonds.
                                                                                                              „neue Normalzustand“ werden, übertrieben? Und
             Prof. Eichengreen, der als einer der                                                             was bedeutet die Verbesserung der Wirtschaftsleis­         Die Produktivitätszuwachsraten sind ebenfalls zurück­
                renommiertesten Analytiker der                                                                tung für Theorien zur säkularen Stagnation?                gegangen. In den USA verringerte sich der Leistungs­
          Weltwirtschaft gilt, ist unter anderem                                                                                                                         zuwachs pro Arbeitsstunde im gewerblichen Sektor
             Research Fellow im internationalen
                                                                                                              Die schärfsten Kritiker lehnen die These der säkularen     von fast fünf Prozent zwischen 1995 und 2004 auf
           Forschungsnetzwerk des Instituts für
                          Weltwirtschaft in Kiel.
                                                                                                              Stagnation grundsätzlich ab und argumentieren,             weniger als zwei Prozent zwischen 2004 und 2014.
                                                                                                              dass das Wirtschaftswachstum nach der Finanzkrise          Im dritten Quartal 2017, dem jüngsten Quartal, für
                                                                                                              einfach deshalb sehr gering war, weil jede Finanzkrise     das bereits Daten vorliegen, wurde gegenüber dem
                                                                                                              sehr geringes Wachstum nach sich zieht. Banken             Vorjahresquartal gerade einmal ein Zuwachs von ›

                                                                          Ausgabe 1 / 2018
Im Weitwinkel                                                                                                           Im Weitwinkel
                                                                                                                                                                                  Essay

                                                                 Güter nicht erfassen würden. Verbesserungen in der       leihen, um Käufe tätigen zu können, oder ob sie           es uns aber zumindest besser geht als in den letzten
                                                                 Bereitstellung nicht marktbestimmter Leistungen –        Käufe auf einen späteren Zeitpunkt vertagen, um ihr       Jahrzehnten, weil wir endlich die neueste technologi­
                                                                 insbesondere solcher, die unsere Freizeitqualität        Sparguthaben zu erhöhen. Das andere Element ist           sche Umbruchswelle optimal nutzen können. Dies ist
                                                                 erhöhen – würden demnach nicht berücksichtigt.           das voraussichtliche Einkommenswachstum. Da es            das Mittelwegsszenario, auf das ich persönlich meine
                                                                 Doch dieses Argument könnte den Rückgang des             keinen offensichtlichen Grund gibt, warum sich das        Hoffnung setze. ‹
                                                                 Produktivitätszuwachses nur erklären, wenn sich die      Verbraucherverhalten geändert haben sollte, ist nach
                                                                 Qualität der Messungen fortlaufend verschlechtern        dem Ausschlussverfahren die plausiblere Erklärung,
        1,5 Prozent erzielt. Dieser anhaltende Rückgang          würde. Dafür gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte.     dass sich die Wachstumsaussichten getrübt haben
        des Produktivitätszuwachses lässt sich jedoch nicht                                                               müssen.
        nur in hoch entwickelten Ländern beobachten, die
        sich stark verschuldet hatten und Einbrüche im Bank-
        und Finanzsektor erlitten, sondern auch in Volkswirt­
                                                                 Ein weiterer Problemfaktor ist die Niedrigzinsphase,
                                                                 die sich trotz aller Bemühungen der Zentralbanken
                                                                 nicht dem Ende zuneigen will. Die inflationsbereinig­
                                                                                                                          Wer wird aus dieser Debatte als Sieger hervorgehen?
                                                                                                                          Vielleicht stehen wir kurz vor einer Produktivitätsre­
                                                                                                                                                                                         Wer wird aus dieser
        schaften, die von den Auswirkungen der weltweiten
        Finanzkrise verschont blieben.
                                                                 ten Zinssätze befinden sich seit den 1980er-Jahren,
                                                                 also lange vor der Finanzkrise, im Abwärtstrend. Dies
                                                                                                                          volution. Da die Wirtschaftstätigkeiten nun endlich so
                                                                                                                          umgestaltet werden, dass sie von bahnbrechenden
                                                                                                                                                                                         Debatte als Sieger
Seite                                                            könnte symptomatisch für einen Mangel an attrakti­       neuen Technologien profitieren können, liegt es nahe,            hervorgehen?                                                Seite

20      Auf diesen Beobachtungen baut der Wirtschaftswis­
        senschaftler Robert Gordon von der US-amerikani­
                                                                 ven Anlagemöglichkeiten und eine daher gedämpfte
                                                                 Geldnachfrage sein. Die Geschäftstätigkeiten in
                                                                                                                          dass ein Aufschwung der Produktivität unmittelbar be­
                                                                                                                          vorsteht. Auch das Einkommen wird schneller steigen
                                                                                                                                                                                          Vielleicht stehen                                            21
        schen Northwestern University mit seiner These auf,      der IT-Branche, die hohe Produktivitätssteigerungen      und die Zinssätze werden in einen normalen Bereich
        dass sich der Anstieg der Produktivität verlangsame,
        da die Menschheit inzwischen alle bedeutsamen
                                                                 verzeichnet, sind nicht „handfester“ Natur. Das heißt,
                                                                 Unternehmen müssen keine neuen Fabriken bauen
                                                                                                                          zurückkehren. Einen Schimmer dieser hoffnungsvollen
                                                                                                                          Zukunft können wir am Horizont erspähen. Sollte                wir kurz vor einer
        Erfindungen gemacht habe. Diese Theorie lässt sich
        jedoch schwer mit dem technischen Wandel vereinen,
                                                                 oder anderweitig erhebliche Investitionen in Sach­
                                                                 anlagen tätigen. In den anderen Wirtschaftszweigen
                                                                                                                          sich diese Entwicklung einstellen, wird die allgemeine
                                                                                                                          Auffassung dahin tendieren, dass die Verfechter der             Produktivitäts-
        den wir in allen Bereichen unseres Lebens beobach­
        ten können – von künstlicher Intelligenz und der
        Erforschung des menschlichen Genoms bis hin zu
                                                                 dämpft hingegen der geringe Produktivitätszuwachs
                                                                 die Investitionsbereitschaft.
                                                                                                                          säkularen Stagnation sich geirrt haben und einfach zu
                                                                                                                          ungeduldig waren.                                                 revolution.
        Robotik und autonomen Fahrzeugen.                        Generell gesagt spiegeln die niedrigen Zinssätze         Aber möglicherweise müssen wir uns auch mit dem                                   P R O F. B A R R Y E I C H E N G R E E N
                                                                 möglicherweise nur die begrenzte Wachstumsfähig­         „neuen Normalzustand“ anfreunden, weil die jüngste
        Einige Kritiker von Gordon sind der Ansicht, dass        keit unserer Wirtschaft. Gemäß dem Ramsey-Modell,        Innovationswelle weniger produktivitätssteigernd ist
        Zahlen, die vermeintlich eine säkulare Stagnation        das von Ökonomen zur Wachstumsanalyse verwendet          als die Bereitstellung von Elektrizität oder die Erfin­
        belegen, schlicht auf Mängel in den Messmethoden         wird, ergibt sich das Zinsniveau aus zwei Faktoren.      dung des Fließbandes. Oder wir werden feststellen,
        zurückzuführen seien, da die Statistiken Steigerun­      Ein Element ist die Ungeduld der Verbraucher, das        dass wir zwar nicht mehr an die goldenen Wachstums­
        gen in der Qualität und Vielfalt der produzierten        heißt, ob Verbraucher es bevorzugen, sich Geld zu        zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg herankommen,

                                                     Ausgabe 3
                                                             2 / 2018
                                                                 2017
Im Weitwinkel                                                                               Blickpunkte

          Gewinner des                                              ILLUSTRATION M e l a n i e B r i l l                                                                         2 Min.

                                                                                                                                                                                 Konjunktur

        neuen Wohlstands
                                                                                                                                                                                 Schwellenländer
                                                                                                                                                                                 Gewinnerbranchen

                                                                    Wa s s e r „Wohlstand und Wasser sind direkt mit­           L o g i s t i k „Grenzüberschreitender Warenaus­
                                                                    einander verbunden. Und zwar nicht als Wirtschafts­         tausch ist der Schlüssel zum globalen Wohlstand –
                                                                    gut, sondern als Grundlage für ein nachhaltiges,            und erst die Logistikbranche macht ihn im großen
                                                                    gesundes und damit auch wirtschaftlich erfolgreiches        Stil möglich. Im Besonderen getrieben durch China
           Wenn in den Emerging Markets die Wir tschaf t boomt,     Leben. Sauberes Trinkwasser ist ein wesentlicher            entwickelte sich der Welthandel in den letzten Jahr­
                                                                    Baustein bei der Beseitigung von Armutsursachen.            zehnten stark. Davon profitierten Speditions- und
        gehören bestimmte Branchen zu den potenziellen Gewinnern.   Gefragt sind etwa Technolo­gien zur dezentralen             Logistikbetriebe der klassischen Luft- und Seefracht.
                                                                    Aufbereitung und Filterung von Wasser – vor allem           Auch heute ist eine leistungsfähige Verkehrsin­
                       Wer zählt dazu und warum?                    in Entwicklungs- und Schwellenländern. Aber auch in         frastruktur unerlässlich, parallel hat aber der tech­
                                                                    Industrieländern ist Wasser als Inputfaktor etwa für        nologische Fortschritt die Branche revolutioniert:
                                                                    die Herstellung von Lebensmitteln und Papier oder           Amazon und Alibaba haben durch E-Commerce die
                                                                    bei der Ölgewinnung wesentlich. Unternehmen, die            weltweiten Lieferketten durcheinandergewirbelt.
                                                                    hier effiziente Lösungen bieten, dürften in Zukunft zu      Niedrigere Transportkosten und technisch effizienter
                                                                    den Gewinnern zählen.“                                      gesteuerter Handel kommen Konsumenten weltweit
                                                                                                                                zugute und sorgen für wachsenden Wohlstand.“
                                                                    JÖRG SCHNEIDER
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                                                                    Portfoliomanager bei Union Investment,                      A XEL BROSEY                                                        Seite

22                                                                  verantwortet die Sektoren Öl und Gas
                                                                    sowie Bau und ist für das Management
                                                                                                                                Portfoliomanager bei Union Investment. Er
                                                                                                                                verantwortet mehrere globale Aktienfonds und
                                                                                                                                                                                                    23
                                                                    des Union-SDG-Fonds zuständig.                              ist für die Koordination des Research-Bereichs
                                                                                                                                Logistik zuständig.

                                                                    G e s u n d h e i t „Sozialer Status und Gesundheit
                                                                    hängen unmittelbar zusammen. Durch wachsenden               L u x u s g ü t e r „Wer in Deutschlands hochpreisi­
                                                                    Wohlstand gibt es in den Schwellenländern eine              gen Kaufhäusern unterwegs ist, begegnet vielen
                                                                    bessere Gesundheitsversorgung. China hat beispiels­         Asiaten. Das ist kein Zufall. Jedes zweite Luxusgut
                                                                    weise seit zehn Jahren eine staatliche Krankenver­          weltweit wird von Asiaten gekauft, allen voran von
                                                                    sicherung – ein Quantensprung. Davon profitieren            den Chinesen. Der wachsende Wohlstand im größ­
                                                                    etwa westliche Insulinhersteller, denn Diabetes ist         ten Schwellenland der Welt hat dazu geführt,
                                                                    mittlerweile auch in China ein großes Problem. In den       dass sie jährlich etwa 70 Milliarden Euro ausge­
                                                                    Industrieländern führt mehr Reichtum zu steigender          ben, um Gucci-Taschen oder Swatch-Uhren zu
                                                                    Nachfrage nach ,Lifestylegesundheitsprodukten‘, wie         kaufen – vor 20 Jahren waren es noch weniger
                                                                    z. B. Nahrungsergänzungsmitteln. Doch es gibt auch          als eine Milliarde Euro. Interessant dabei: Sie
                                                                    eine Kehrseite: Wohlstandskrankheiten, wie Über­            erwerben die Produkte überwiegend als Touristen
                                                                    gewicht und Diabetes, sind neben umweltbedingten            im Ausland, vor allem in Europa und den USA.
                                                                    Krankheiten, etwa Allergien, auf dem Vormarsch.“            Luxusgüterhersteller wie LVMH oder Kering profi­
                                                                                                                                tieren von der gestiegenen Kauflust.“
                                                                    DR. MARKUS MANNS
                                                                    Portfoliomanager bei Union Investment.
                                                                                                                                THOMAS JÖKEL
                                                                    Er verantwortet die Bereiche Biotechnologie,                Portfoliomanager bei Union Investment.
                                                                    Pharmazie und Gesundheit.                                   Er verantwortet die Konsumgüterbranche.

                                Ausgabe 3 / 2018
Im Weitwinkel                                                                                                             Essay

                                   ESSAY A c h i m W a m b a c h     ILLUSTRATION O l i v e r S e b e l                                                                                                                                3 Min.

                  Digitale Monopolie
                                                                                                                                                                                                                                       Internet
                                                                                                                                                                                                                                       Wettbewerb
                                                                                                                                                                                                                                       Regulation

          Unternehmen aus der digitalen Ökonomie spielen in den USA                                                             noch beim Bundeskartellamt anmeldepflichtig war.        der Internetökonomie vorgehen und dass die ihnen
                                                                                                                                Bei einem Kaufpreis von 19 Milliarden US-Dollar         zur Verfügung stehenden Instrumente dabei weiter
             eine überaus dominante Rolle. Was ist daran so schlimm?                                                            ist aber davon auszugehen, dass die Fusion von          geschärft werden. In diesen dynamischen Märkten
                                                                                                                                ausreichender Relevanz für eine behördliche Über­       ist derzeit die Missbrauchsaufsicht das Vorgehen der
                                                                                                                                prüfung war. Die neue Transaktionswertschwelle          Wahl. Wenn sich allerdings die Dominanz verfesti­
                                                                                                                                soll die Kontrolle von Zusammenschlüssen gerade         gen sollte, wäre der nächste Schritt, auch auf Regu­

        D
                 ie Nachricht schreckte sogar den (damali­            hat Facebook wegen des Vorwurfs der missbräuch­           in solchen Fällen ermöglichen, in denen das wett­       lierungsinstrumente zurückzugreifen. So kann die
                 gen) amerikanischen Präsidenten auf: Der             lichen Nutzung seiner Marktstellung im Visier, da es      bewerbliche Potenzial eines Unternehmens in den         Auflage der neuen Datenschutzgrundverordnung zur
                 Anteil der Wertschöpfung der 100 größten             Nutzerdaten aus Drittquellen sammelt und mit dem          bisher erzielten Umsätzen nicht zuverlässig reflek­     Datenportabilität, die es ermöglicht, Daten von einem
        Unternehmen in den USA an der gesamten US-ameri­              Facebook-Konto zusammenführt. Das Verfahren gegen         tiert wird.                                             Anbieter zu einem konkurrierenden Anbieter mitzu­
        kanischen Wertschöpfung betrug 2013 46 Prozent –              Facebook hat bereits vor dem aktuellen Fall der mög­                                                              nehmen, zu einer Erhöhung des Wettbewerbsdrucks
        eine schier unglaubliche Größe. Zum Vergleich – in            licherweise unrechtmäßigen Abschöpfung von Daten          Es ist gut, dass die Wettbewerbsbehörden aktiv ge­      beitragen. Weitere regulatorische Eingriffe in der
        Deutschland sind es nur 16 Prozent.                           durch Cambridge Analytica begonnen und läuft derzeit.     gen Wettbewerbsbeschränkungen durch die Großen          ­Internetökonomie sind in Planung. ‹

        Diese Dominanz ist wesentlich geprägt durch                   Ohne Markt keine Marktmacht
Seite   Unternehmen aus der digitalen Ökonomie. Die fünf              Auch der deutsche Gesetzgeber hat auf die Entwick­                                                                                                                            Seite
                                                                                                                                                                                                        P R O F. AC H I M
24      wertvollsten Unternehmen (nach Marktkapitalisie­
        rung) in den USA und weltweit sind Apple, Alphabet
                                                                      lungen in der Internetökonomie reagiert. In der 9.
                                                                      Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschrän­                                                                                   WA M B AC H                                 25
        (der Mutterkonzern von Google), Microsoft, Amazon             kungen wurde unter anderem klargestellt, dass Märkte
        und Facebook. Die Sorge ist groß, dass sich diese             auch dann vorliegen können, wenn keine monetären                                                                                  Jahrgang 1968. Er ist Vorsitzender
        Unternehmen eine Position erarbeitet haben, die               Preise bezahlt werden. Dieser Zusatz war notwendig                                                                                der Monopolkommission und
                                                                                                                                                                                                        Präsident des Zentrums für
        Wettbewerbern kaum mehr eine Chance lässt. Und                geworden, da die Dienste bei Google oder Facebook
                                                                                                                                                                                                        Euro­­päische Wirtschaftsforschung
        wenn Wettbewerber doch in eine aussichtsreiche                für den Nutzer weitestgehend kostenlos sind und die                                                                               (ZEW), Mannheim. Im Ökonomenran-
        Position kommen, werden sie von einem der Großen              Rechtsprechung die Annahme eines Marktes in derar­                                                                                king der Frankfurter Allgemeinen
        aufgekauft.                                                   tigen Fällen in der Vergangenheit verneint hatte. Aber                                                                            Zeitung (2017) rangiert Wambach
                                                                      ohne Markt kann es auch keine Marktmacht geben.                                                                                   auf Rang 22 der einflussreichsten
                                                                                                                                                                                                        Ökonomen in Deutschland.
        Seit Längerem gehen insbesondere die europäischen
        Wettbewerbsbehörden verstärkt gegen die Marktdo­              Eine weitere Neuerung aus der 9. Novelle betrifft
        minanz dieser Unternehmen vor. So hat die Europäi­            die Erweiterung der Aufgreifkriterien in der Fusions­
        sche Kommission Google mit einer Rekordstrafe von             kontrolle. Hier gilt jetzt neben einer umsatzorientier­
        2,4 Milliarden Euro belegt. Grund dafür ist, dass Google      ten Aufgreifschwelle eine Transaktionswertschwelle:
        seine marktbeherrschende Stellung bei der Internet­           Das Bundeskartellamt muss immer dann eingeschal­
        suche missbräuchlich genutzt haben soll, indem es             tet werden, wenn unter anderem der Kaufpreis ei­
        seinen Preisvergleichsdienst Google Shopping bei den          nes Unternehmens 400 Millionen Euro übersteigt.
        Suchergebnissen besser platziert haben soll als ent­          Hintergrund dieser Gesetzesänderung war der Kauf
        sprechende Dienste der Konkurrenz. Google hat der­            von WhatsApp durch Facebook. Zum Zeitpunkt der
        weil beim Gericht der Europäischen Union Klage gegen          Übernahme hatte WhatsApp kaum Umsatz, sodass
        diese Entscheidung eingereicht. Das Bundeskartellamt          die Fusion weder bei der Europäischen Kommission

                                                          Ausgabe 3 / 2018
Im Weitwinkel                                                                                                                                                        Infografik

        Wie
         Wieviel
              vielWohlstand
                   Wohlstand
                                                                                                                                                                                                                                                                              38,0

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Quellen: OECD, TAB 2012, VDA, CAAM, OICA, Statista, Roland Berger, ANFAVEA, LMC Automotive, VDA, Fenabrave Water Footprint Network, VPÖ
                                                                                                                                                                                                                                                                              Mio.

        verträgt
         verträgtdie
                   dieWelt?
                       Welt?                                                                                                                                                          Indien
                                                                                                                                                                                      Die zu großen Teilen hinduistische
        Die neue Mittelschicht in den Emerging Markets profitiert von überdurchschnittlichen                                                                                          Bevölkerung konsumiert trotz
        Wachstumsraten und strebt einen Standard an, wie er in den Industriestaaten üblich ist.                                                                                       wachsenden Wohlstands auch
                                                                                                                                                                     10,3
        Doch die
              DieErde
                  neuestößt angesichts
                       Mittelschicht  in von
                                         den immer mehr
                                              Emerging  Konsum
                                                       Markets   an Grenzen.
                                                               profitiert     Allein der Blick auf
                                                                          von überdurchschnittlichen                                                                                  in Zukunft weniger Rindfleisch.
                                                                                                                                                                     Mio.
        den Bedarf an Rindfleisch
              Wachstumsraten    undPKW  zeigt,
                                    strebt     warum
                                           einen     Wohlstand
                                                 Standard       nachhaltiger
                                                          an, wie             sein muss.
                                                                  er in den Industriestaaten  üblich ist.                                                                             Das ist positiv für die Klimabilanz
              Doch die Erde stößt angesichts von immer mehr Konsum an Grenzen. Allein der Blick                                                                                       des Subkontinents und könnte
              auf den Bedarf an Rindfleisch und Pkw zeigt, warum Wohlstand nachhaltiger sein muss.                                                                                    auch ein Wettbewerbsvorteil                          9,5
                                                                                                                          1,8                                                         werden.                                              Mio.
                                                                                                                          Mio.                                                                                                                                         24,2
                                                 8,4                                                                              1,0 1,1
                                                                                                                                                                                                                                    7,9                                Mio.
                                                 Mio.                                                                             Mio. Mio.                 3,2
                                          7,7                                                                                                               Mio.                                                                    Mio.
                                          Mio.                                                                                                      1,3
                                                                                                                           2006    2016   2026      Mio.
                                  6,4
                                  Mio.                                                                                                               2006     2017   2030                                                    5,7
                                                                                                                                                                                                                             Mio.
                                                                                   11,4
                                                                                   Mio.

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                                                                                                                                                                                                                                                               6,8
                                                                   1,9 2,2
                                                                                                                                                                                                                                                               Mio.
                                                                   Mio. Mio.
                                                                                                                                                                                                                             2006   2016   2026
                                   2006   2016   2026
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                                                                                                                                                                                                                                                                2008   2017   2030
                                                                                                                                                    Vebrauch für die                        Verbrauch für
                                                                                                                                                 Produktion eines Autos*                   1 kg Rindfleisch
                                                                                                                                                                                                                                                                                     China
                                                                                   Brasilien                                                                                                                                                                                         Nach den Plänen der chinesi-
                                                                                                                                                                                                                                                                                     schen Führung sollen im Jahr
                                                                                                                                                                                                                                                                                     2025 bereits 20 Prozent aller
                                                                                   Der Rohstoffriese muss nicht
                                                                                                                                                                                                                                                                                     Fahrzeuge in China Elektro-
                                                                                   nur den eigenen wachsenden
                                                                                                                                                                                                                                                                                     und Plug-in-Fahrzeuge sein.
                                                                                   Bedarf an Rindfleisch und Futter-
                                                                                                                                                                                                                                                                                     Bereits seit 2015 stellt die
                                                                                   mitteln produzieren, sondern                                                                 15.400 Liter                  27 bis 49 m2                                                           Volksrepublik weltweit den
                                                                                   exportiert diese Waren auch in                         400.000 Liter                            Wasser                      Nutzfläche
                                                                                                                                                                     5 Tonnen                                                                                                        größten Anteil an „New Energy
                                                                                   die ganze Welt. Dafür werden                              Wasser
                                                                                                                                                                        CO2                                                                                                          Vehicles“.
                                                                                   im großen Stil Wälder abgeholzt,
                                                                                   was dem Weltklima zusätzlich
                                                                                                                                                                                                   2,6 kg
                                                                                   schadet.                                                            70 Tonnen
                                                                                                                                                                                                   Getreide
                                                                                                                                                      Materialien und                 2,65 kg
                                                                                                                                                       Ressourcen                       CO2

             Fleischkonsum in Tonnen
             Rindfleischkonsum  in Tonnen / Zukünftige
                                               Pkw-Absatz
                                                       Zahlen: Prognose        Pkw-Absatz / Zukünftige Zahlen: Prognose    *Für ein 1.500 kg schweres Auto.

                                                                            Ausgabe 3 / 2018
Im Weitwinkel                                                             Analyse

        TEXT D a v i d F . M i l l e k e r   ILLUSTRATION M e l a n i e B r i l l                                                                                                     4 Min.

                                                                                                                                                                                      Japan
                                                                                                                                                                                      Stagflagtion
                                                                                                                                                                                      Demografie

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        Generation Abgehängt                                                          Z
                                                                                              ehn Jahre nach der globalen Finanzkrise: solides Wirtschaftswachstum und wenig
                                                                                              Inflation. Eigentlich sollte diese Kombination ja so schlecht nicht sein. Warum
                                                                                              braucht es da eigentlich fortgesetzte Nullzinspolitik? Und warum sind die Noten­
                                                                                      banken eigentlich so erpicht darauf, die Inflation wieder steigen zu lassen? Ihr Mandat
                                                                                      heißt doch schließlich Preisstabilität.

        Japan zeigt, wie negativ sich eine lang anhaltende niedrige                   Auf der Suche nach einer Antwort darauf wollen wir hier einen Blick nach Japan werfen.
                                                                                      Immerhin ist dies die Volkswirtschaft unter den Industrieländern mit der längsten Erfahrung
        Inflation auf den Wohlstand einer ganzen Generation auswirkt.                 in einigen relevanten Bereichen: Platzen einer Blase 1990, niedrige Infla­tionsraten und De­
                                                                                      flation seit 1990, Nullzinspolitik und quantitative Lockerung seit 2001 oder auch ein rapider
                                                                                      Alterungsprozess mit schrumpfender Erwerbsbevölkerung seit 1994. ›

                                                                   Ausgabe 3 / 2018
Im Weitwinkel                                                                                                                               Analyse

        Zunächst einmal ein recht erstaunlicher Befund: Trotz einer anscheinenden Dauerstagnation an der         Aufeinandertreffen dieser Kultur, dem Platzen der Blase und dem anschließenden Ausbleiben der Infla­
        Oberfläche seit Platzen der Blase ist Japan immer noch eine wohlhabende Gesellschaft mit hohem           tion ergibt, ist – etwas überspitzt formuliert – Folgendes: Die Geburtsjahrgänge vor 1970 sitzen auf gut
        Lebensstandard. Betrachtet man zudem die reale Wirtschaftsleistung pro Kopf der erwerbsfähi­             bezahlten, sicheren Arbeitsplätzen und besitzen die Vermögenswerte. Die Generation danach beendet
        gen Bevölkerung – ein Maßstab, der vor dem Hintergrund der schnell schrumpfenden und altern­             ihre Ausbildung erst zu einem Zeitpunkt, wo ihr faktisch der Zugang zu diesem System versperrt ist. So
        den Bevölkerung Japans sinnvoll ist –, dann schneidet der Inselstaat seit 1990 ähnlich gut ab wie        ist etwa festzustellen, dass die Generation der nach 1970 Geborenen im Schnitt etwa eine 20 Prozent
        Deutschland und sogar leicht besser als die USA. Betrachtet man die Entwicklung seit 2008, hat           kürzere Firmenzugehörigkeit aufweist als ihre Vorgängergenerationen (Kawaguchi/Ueno, 2012, Declining
        sich Japan gemessen an diesem Maßstab besser entwickelt als Deutschland und die USA. Aus der             Long-Term Employment in Japan), im Gegenzug ist der Anteil der nur über Zeitverträge beschäftig­
        Vogelperspektive könnte man also zu dem Schluss kommen: Das Schreckgespenst stagnierender                ten Personen kräftig nach oben gegangen. Otha/Genda/Kondo (The Endless Ice Age – a review of
        oder fallender Preise gibt es so gar nicht. Also ein Grund mehr, niedrige Inflation vielleicht einfach   the cohort effect in Japan, 2008) dokumentieren, in welchem Maße sich eine Krisenerfahrung dauer­
        zu akzeptieren und zur Tagesordnung überzugehen?                                                         haft negativ auf Einkommens- und Beschäftigungschancen der jungen Generation ausgewirkt hat. ›

               Reale Wirtschaftsleistung je Erwerbsfähigen                                                              Auswirkung eines einprozentigen Anstiegs der Arbeitslosenquote
               Quelle: Macrobond
                                                                                                                        bei Abschluss auf das reale Jahreseinkommen
                                                                                                                        Quelle: Otha/Genda/Kondo (The Endless Ice Age – a review of the cohort effect in Japan, 2008)
                      Index 2008 = 100 Prozent
                140

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                      1980                                                                       2015
                                                                                                                               1–3 Jahre                       4 – 6 Jahre                      7– 9 Jahre                10–12 Jahre
                                   Deutschland                      USA             Japan                                                                              Anzahl der Jahre nach Abschluss

                                                                                                                                           Highschool oder niedriger                                     Junior College

        Machen wir hier zunächst einen kurzen Abstecher, weshalb aus theoretischen Gründen eine nied­
        rige, aber positive Inflationsrate wünschenswert ist. Im Kern reden wir hier über ein Schmiermittel
        im wirtschaftlichen Prozess, der von ständigem Strukturwandel geprägt ist. Ein Teil wächst, ein an­
        derer schrumpft. Im besten Fall verläuft dieser Prozess so, dass dies im schrumpfenden Teil nicht
        mit nominalen Einkommenseinbußen einhergeht. Oder praktisch ausgedrückt: Lohnkürzungen
        (oder falls diese nicht durchsetzbar sind: Massenentlassungen). Das Resultat dieses Wunschzu­
        stands sind in der Gesamtheit positive Inflationsraten (stärkere im wachsenden Bereich, niedrigere
        oder stagnierende im schrumpfenden). Hohe und vor allem stark schwankende Inflationsraten
        bringen dagegen den Nachteil mit sich, dass die wirtschaftlichen Signale an Eindeutigkeit verlie­
        ren. Oder kurz: Optimal sind positive, stabile und niedrige Inflationsraten.

        Blick zurück auf Japan: Betrachten wir den Strukturwandel einmal von einer anderen Warte, nämlich im
        Hinblick auf Geburtsjahrgänge. Bekanntermaßen betont die Arbeitskultur in Japan lange Unterneh­
        menszugehörigkeit und Beschäftigungsstabilität in Vollzeit. Das spezifische Problem, das sich aus dem

                                                 Ausgabe 3 / 2018
Im Weitwinkel                                                                 Analyse

                        „Optimal sind positive,
                         stabile und niedrige
                           Inflationsraten.“
                                                               D AV I D F. M I L L E K E R
                                                                                                                                           DAV I D F.
                                                                                                                                           MILLEKER

                                                                                                                                           ist seit November 2006
               Auswirkung eines einprozentigen Anstiegs der Arbeitslosen-                                                                  Chefvolkswirt bei Union
               quote bei Abschluss auf Änderung der Vollzeitbeschäftigungs-                                                                Investment. Davor
                                                                                                                                           arbeitete er für das
               wahrscheinlichkeit (nur bei den Beschäftigten)                                                                              Frankfurter Institut  /
                                                                                                                                           den Kronberger Kreis
                                                                                                                                           und Allianz Dresdner
               Quelle: Otha/Genda/Kondo (The Endless Ice Age – a review of the cohort effect in Japan, 2008)
                                                                                                                                           Economic Research.
               2,0

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               – 0,5
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                       1–3 Jahre                      4 – 6 Jahre                            7– 9 Jahre            10–12 Jahre

                                                              Anzahl der Jahre nach Abschluss

                                   Highschool oder niedriger                                      Junior College

        Was steckt zentral dahinter? Auf der einen Seite haben die japanischen Unternehmen für ihre Kern­
        belegschaft am klassischen Muster der senioritätsbezogenen Bezahlung festgehalten. Bei fallenden
        Absatzpreisen blieb ihnen kaum etwas anderes übrig, als ihre Lohnkosten vor allem durch nied­
        rigere Einstiegsgehälter und/oder den Verzicht auf Festeinstellungen im Griff zu behalten. Mit der
        Folge einer massiven Segmentierung zwischen den Generationen. Mit zusätzlichen Folgen: Denn
        eine Jugend, die keinen Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt findet und wegen mangelnden
        Einkommens nicht bei den Eltern ausziehen kann, gründet auch keine Familie, was dann wieder
        die Wachstumsaussichten einschränkt. ‹

                                                 Ausgabe 3 / 2018
Im Weitwinkel                                Fazit

                               Globalis ier u n g als M ot or : Die Hoffnung auf Wohlstand
                               für alle dürfte sich wohl niemals wirklich erfüllen. Aber global ge­
                               sehen ist die Welt reicher und gleicher geworden – auch dank der
                               Globalisierung. Und es ist wahrscheinlich, dass diese Entwicklung in
                               den kommenden Jahren weiter fortschreitet.

                               Bedin gu n gen fü r Wach s t u m u n d Woh ls t a n d :
                               Der „Wohlstand für immer mehr“ sollte jedoch unter den Bedin­

        Kann es
                               gungen der Weltklimaziele global aufgebaut werden. Denn letztlich
                               umfasst der Begriff mehr als nur materielle Versorgungssicherheit
                               unter möglichst gerechter Gleichverteilung. Es geht vor allem um
                               Lebensbedingungen, die auch Aspekte wie Sicherheit, Umwelt und
                               Menschenrechte beinhalten. Investitionen – verstanden als gezielter

        Wohlstand
                               Kapitaltransfer in knappe und daher im umfassenden Sinn „rentierli­
                               che“ Felder – könnten dabei die Rolle einer Triebfeder übernehmen.
                               Die UN haben mit den Sustainable Development Goals dafür eine
                               Basis geschaffen. Wohlstand für viele muss nicht zwangsläufig zulas­
Seite                          ten der Umwelt gehen, wenn es gelingt, nachhaltig zu wirtschaften,     Seite

        für alle
34                             das Bevölkerungswachstum zu verlangsamen und die internationale
                               Zusammenarbeit wiederzubeleben.                                        35
                               A s s et M an agem en t kan n h elfen : Nicht die Konkur­
                               renz der Emerging Markets mit den Industriestaaten dürfte damit die

        geben?
                               entscheidende Frage für die Zukunft sein, sondern ob beide Seiten
                               Wachstum und Wohlstand nachhaltig gestalten. Das Asset Manage­
                               ment kann dabei einen entscheidenden Beitrag durch Investitionen
                               leisten, mit denen immer mehr Kleinanleger Zugang zu den Kapital­
                               märkten erhalten und ein Vermögen, etwa für die Altersvorsorge,
                               aufbauen können. Aber auch mit zunehmend nachhaltigen Standards
                               und Produkten für Investitionen, die ein nachhaltiges und klima­
                               freundliches Wachstum ermöglichen. ‹

            Ausgabe 3 / 2018
Finanzstrategen                           Finanzstrategen

                                                                                                       TIMO
                                                                                                       IHAMUOTIL A
                                                             5 Min.
                                                                                                       Jahrgang 1966, ist seit April 2017
                                                             Maschinenbau                              CFO von ABB. Zuvor hatte der Finne
                                                                                                       in gleicher Position beim Telekom-
                                                             Robotik
                                                                                                       konzern Nokia gearbeitet. Schon
                                                             Unternehmensstrategie
                                                                                                       während seines Postgraduates war
                                                                                                       er dort als Risikomanager tätig,
                                                                                                       anschließend arbeitete Ihamuotila

        Der
                                                                                                       drei Jahre lang als Derivatehändler
                                                                                                       für die Citibank in London. 1999
                                                                                                       wechselte er zurück zu Nokia, wo
                                                                                                       er in den Bereichen Finanzierung,
                                                                                                       Mobilfunk und Verkauf tätig war,
                                                                                                       in Finnland und den USA.

        Digital-                                                                                       Wohlstand 2.0 bedeutet für mich …
                                                                                                       … dass der Staat und die Unternehmun­
                                                                                                       gen die richtigen Rahmenbedingungen
                                                                                                       schaffen, damit ein Großteil der Men­

        pionier
                                                                                                       schen an den durch die Digitalisierung
                                                                                                       geschaffenen Chancen teilhaben kann.

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36      TEXT B i r g a T e s k e   FOTOS A B B                                                                                                  37

        Timo Ihamuotila hat bei Nokia in
        Finnland den rasanten Wandel
        in der Telekommunikationsbranche
        miterlebt. Nun begleitet er in der
        Schweiz den Weg des Technologie­
        unternehmens ABB in die digitale
        Zukunft.

                                          Ausgabe 3 / 2018
Finanzstrategen                                                                                                              Finanzstrategen

                                              V
                                                        eränderungen lassen sich oft nicht aufhalten, aber gestalten. Kaum    Dank der Niedrigzinsen lassen sich Übernahmen derzeit günstig finanzieren.
                                                        einer weiß das so gut wie Timo Ihamuotila. Der finnische Finanz­      Zwar übersteigen die Finanzschulden des Konzerns inzwischen die liquiden
                                                        stratege, der von 1999 bis 2016 zunächst im Treasury, später als      Mittel. Ihamuotila schließt weitere Zukäufe dennoch nicht aus. „Wir wollen
                                              Marketingvorstand und dann als CFO für Nokia arbeitete, erlebte den tief        führende Positionen in all unseren Schlüsselmärkten belegen“, erklärt er.
                                              greifenden Wandel der Telekombranche hautnah mit. 2013, nur sechs Jahre         Dazu gehörten Investitionen in Forschung und Entwicklung ebenso wie
                                              nachdem das erste iPhone auf den Markt gekommen war, verkaufte der              Partnerschaften mit anderen Firmen oder Akquisitionen. Gleichzeitig stellt
                                              einstige Weltmarktführer Nokia seine Handysparte an Microsoft. Ihamuotila       der Finanzwissenschaftler, der ein Postgraduate besitzt, alle Sparten, die
                                              half bei der anschließenden Transformation Nokias zum führenden Netz­           nicht zum Kerngeschäft zählen, auf den Prüfstand. „Ein guter CFO muss
                                              werkausrüster. Seit April 2017 bringt der 52-Jährige nun als Finanzchef seine   analytisch und in Optionen denken können“, so Ihamuotila. „Es ist auch
                                              Digitalkompetenz in dem schwedisch-schweizerischen Industrie­konzern            wichtig, Entscheidungen zur richtigen Zeit zu treffen und die Möglichkeiten
                                              ABB ein.                                                                        zu erkennen, die hinter dem ganzen Zahlenwerk stecken.“

                                              Anknüpfungspunkte zum bisherigen Job gibt es reichlich: „Beide Branchen         Konstruktiver Dialog mit aktiven Aktionären                                                Die Aktie
          Das Unternehmen                     arbeiten von unterschiedlichen Seiten an der Vernetzung unserer Welt und        Eine weitere entscheidende Fertigkeit: Investoren mit guten Argumenten
                                                                                                                                                                                                                   Die Aktien der ABB Ltd. sind in
                                              damit an der Industrie-4.0-Agenda“, sagt Ihamuotila. So könnten Maschinen       zu überzeugen, zum Beispiel Cevian. 2016 machte die Investmentgesell­               Zürich, Stockholm und New York
           ABB entstand 1988 durch den
                Zusammenschluss des           dank schneller 5G-Netze und industrieller Automation aus der Ferne gesteu­      schaft mit der – letztlich erfolglosen – Forderung Schlagzeilen, ABB solle            gelistet. Ende 2017 betrug der
        schwedischen Elektrotechnikunter-     ert und gewartet werden, was die Produktion effizienter mache. Für den Job      die Stromnetzsparte abspalten. Inzwischen sitzt Cevian-Gründer Lars Förberg           Marktwert des Konzerns 55,9
             nehmens Allmänna Svenska                                                                                                                                                                            Milliarden Schweizer Franken und
                                              bei ABB ist er aus Finnland in die Nähe des Konzernsitzes in Zürich gezogen.    im Verwaltungsrat und damit ganz nah an Ihamuotila und seinem Team. „Ein          damit zehn Milliarden Franken mehr
        Elektriska Aktiebolaget (ASEA) mit
         der schweizerischen Brown, Boveri    Der passionierte Skifahrer schätzt die Naturverbundenheit der Eidgenossen.      konstruktiver Dialog mit den Investoren ist grundsätzlich wichtig für sinnvolle         als noch ein Jahr zuvor. Zum
Seite     & Cie (BBC). Die Buchstaben ABB     Ein weiterer Bonus: „Der Schnee ist hier nah, wenn du ihn brauchst, aber        Weiterentwicklungen“, äußert sich Ihamuotila zur Zusammenarbeit mit dem                 Jahreswechsel kletterte der     Seite
                                                                                                                                                                                                                 Aktienkurs über die Marke von 27

38                                                                                                                                                                                                                                                    39
           stehen für Asea Brown Boveri.      nicht in deinem Gesicht, wenn du ihn nicht brauchst.“ Nur gutes Roggenbrot      aktivistischen Aktionär. Allen Beteiligten gehe es darum, das Unternehmen
          Jahrelang bestand ABB aus zwei                                                                                                                                                                           Franken und näherte sich damit
            weitgehend eigenständigen,        fehle ihm hier, witzelt er.                                                     erfolgreich in die Zukunft zu führen. Zu den aussichtsreichsten ABB-Sparten        dem Niveau, das vor Ausbruch der
          börsennotierten Gesellschaften,                                                                                     zählt die Robotik. Mehr als 300.000 Industrieroboter mit dem ABB-Logo                  weltweiten Finanzkrise 2008
        erst 1999 erfolgte die Gründung der                                                                                                                                                                       erreicht worden war. Doch in den
                                              Entscheider in umkämpften Märkten                                               verrichten weltweit ihren Dienst. Vor allem in der Automobilindustrie sind die     ersten drei Monaten 2018 rutschte
          ABB Ltd. mit Hauptsitz in Zürich.
               Die vier Geschäftsfelder       Sich einen gewissen Humor zu erhalten ist dem Finanzvorstand wichtig,           stählernen Helfer gefragt. Aber auch in Branchen wie Stahl, Leichtmetallbau,      der Kurs wieder spürbar ab. Schuld
         Elektrifizierungsprodukte, Robotik   denn Telekommunikation und Maschinenbau sind umkämpfte Märkte, die              Pharma und in der Lebensmittelbranche nimmt ihr Einsatz zu.                              waren unter anderem die
          und Antriebe, Stromnetze sowie                                                                                                                                                                          Marktkorrektur und die jüngsten
                                              oft auch schmerzhafte Entscheidungen erfordern. In seinem ersten Jahr                                                                                                 Geschäftszahlen aus dem Jahr
        Industrieautomation erwirtschafte-
          ten 2017 einen Umsatz von 34,3      bei ABB führte Ihamuotila, der schon bei Nokia den Rotstift angesetzt           Bis 2020 soll der Bestand der in Fabriken eingesetzten Roboter auf mehr           2017. Nach Jahren des Umbaus und
         Milliarden Dollar. ABB beschäftigt   hatte, das Kostensenkungsprogramm fort. Seit 2016 hat der Konzern rund          als drei Millionen Stück wachsen. Das wären dreimal so viele wie noch                  der Restrukturierung war der
        135.000 Mitarbeiter und ist in mehr                                                                                                                                                                           Überschuss zwar prozentual
                                              1,4 Milliarden Dollar jährliche Kosten eingespart. Unter anderem wurde          2010. „Und die Wachstumsdynamik wird weiter zunehmen“, ist der CFO                    zweistellig gestiegen, aber die
              als 100 Ländern vertreten.
                                              die Verwaltung, die über mehr als 60 Standorte verteilt gewesen war, an         überzeugt. Denn Roboter zählen zu den vielen technischen Voraussetzungen          Umsatzentwicklung entsprach nicht
                                              zwei globalen und sieben regionalen Zentren zusammengefasst. Weil auch          für die Industrie 4.0 – ebenso wie das Internet der Dinge, Big Data, künst­         den Erwartungen. Analysten und
                                                                                                                                                                                                                     Investoren nahmen das erste
                                              der Umsatz leicht auf 34,3 Milliarden Dollar zulegte, konnte Ihamuotila im      liche Intelligenz und die Cloud. Der gesellschaftlichen Diskussion, ob die          Quartalsergebnis 2018 hingegen
                                              Februar den ersten Gewinnanstieg seit drei Jahren verkünden. Doch auf           zunehmend intelligenten und selbstlernenden Maschinen schon bald einen               mit einem Kurssprung von fünf
                                              dem Gewinnzuwachs um 17 Prozent auf 2,21 Milliarden Dollar möchte er            Großteil der heutigen Arbeitsplätze vernichten könnten, setzt der Vater von        Prozent schon fast euphorisch auf.

                                              sich nicht ausruhen. Der Konzernumbau geht weiter: So übernimmt ABB             drei Kindern Optimismus entgegen: „Die Maschinen werden die Arbeit der
                                              für 2,6 Milliarden Dollar die Geschäftseinheit Industrial Solutions von Ge­     Menschen nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzen.“ Ein Beispiel dafür
                                              neral Electric. Gerade abgeschlossen wurde der Kauf des österreichischen        sei das Robotermodell YuMi von ABB, das Hand in Hand mit Menschen an
                                              Komponentenherstellers für die Maschinen- und die Fabrikautomation              gemeinsamen Aufgaben arbeite. ›
                                              B&R – ebenfalls eine Milliardenakquisition.

                                                       Ausgabe 3 / 2018
Finanzstrategen                                   Finanzstrategen

                           Ein weiterer Zukunftsmarkt, auf dem ABB mitmischt, ist die Elektromobilität.
                           Spätestens 2022, so Branchenkenner, dürfte jeder zehnte Neuwagen von
                           einer Batterie angetrieben werden. „ABB investiert bereits seit der Jahr­
                           tausendwende in die Förderung der Elektromobilität“, betont der Finanz­
                           chef. Daraus ergibt sich ein eindrucksvoller Track Record: Kein Unternehmen
                           habe weltweit mehr Schnellladestationen für E-Autos installiert. Um die
                           Technologie schneller voranzutreiben, sponsert ABB die Formel E, die erste
                           rein elektrische FIA-Motorsport-Rennserie der Welt. Doch das Thema Ver­
                           netzung beschäftigt Ihamuotila weit über Roboter und Autos hinaus. „Die
                           ABB-Produktpalette ist heute schon zu mehr als 55 Prozent softwareba­
                           siert.“ Dieser Anteil werde sicherlich noch steigen, prophezeit der Digitalex­
                           perte. Große Hoffnungen setzt er auf das Digitalangebot ABB AbilityTM, das
                           dem Konzern eigenen Schätzungen zufolge Marktchancen von 20 Milliarden
                           Dollar pro Jahr eröffnen könnte.

                           Ihamuotilas persönlichen Ziele nehmen sich verglichen damit bescheiden aus:
                           „Mein größtes Ziel ist es zu liefern und zu lernen, bei allem, was ich tue“, sagt
                           der Finne. Die Chancen dafür stehen gut. Denn die Digitalisierung und die mit
                           ihr verbundenen wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Umwäl­
Seite                      zungen – da sind sich die Experten einig – stehen erst ganz am Anfang. Und          Seite
                           Ihamuotila gehört zu denen, die sie federführend mitgestalten. ‹
40                                                                                                             41

                                          L i n k s : Mehr als 300.000 Industrieroboter mit
                                          dem ABB-Logo verrichten weltweit ihren Dienst.
                                          Bis 2020 soll der Bestand der in Fabriken eingesetzten
                                          Roboter auf mehr als drei Millionen Stück wachsen.
                                          R e c h t s : der Hauptsitz von ABB in Zürich.

        Ausgabe 3 / 2018
Investmentvordenker                                                             Investmentvordenker

                                                                                                                              6 Min.

                                                                                                                              Indien
                                                                                                                              Reformen
                                                                                                                              Wachstum

                              TEXT M a r i a n a K u h n   ILLUSTRATIONEN E s t h e r G e b a u e r

                              Reformen
                              am Ganges
Seite                                                                                                                                    Seite

                              Von Indiens Zukunft hängt global gesehen viel ab. Wird
42                                                                                                                                       43
                              die größte Demokratie der Welt die auf sie gesetzten
                              Hoffnungen erfüllen?

                               U
                                         nter der Führung von Premier­             großes Problem für die indische Volks­
                                         minister Narendra Modi wurden             wirtschaft dar. Die Chancen, eine Mit­
                                         in Indien zahlreiche Reformen             telschicht zu entwickeln, werden durch
                                angestoßen, die den Kampf gegen                    die wachsende Ungleichheit gedrosselt.
                                die Schattenwirtschaft forcierten und              „In Ländern, die sich auf dem Entwick­
                                für mehr Transparenz sorgten. Damit                lungsstand Indiens befinden, partizipie­
                                trägt die Regierung ihrem erklärten Ziel           ren Menschen mit mittleren Einkommen
                                Rechnung, den Wohlstand in der Bevöl­              normalerweise stärker am Wachstum“,
                                kerung zu fördern. Die Schere zwischen             erklärt Dr. Christian Wildmann, Leiter
                                Arm und Reich stellt nach wie vor ein              Rates Emerging Markets. ›

         Ausgabe 3 / 2018
Investmentvordenker                                                                                                    Investmentvordenker

                                Indien wächst, ruft Potenziale              Dass Indien sein Wachstumspotenzial         Infrastruktur und die nur schwer zu          hung konnte die Reform also nicht viel
                                aber nicht ab                               von rund acht bis neun Prozent derzeit      bekämpfende Korruption bremsen               ausrichten, dafür litten insbesondere
                                Auf ihrem marktwirtschaftlichen Kurs        nicht abrufen kann, liegt sicher nicht an   die Reformvorhaben der Regierung“,           kleine Händler und Bauern auf dem Land
                                hat die indische Regierung aber bereits     der äußerst günstigen demografischen        erläutert Dr. Wildmann. Der Schlüssel        unter dem Bargeldmangel. „Die Grün­
                                viele Baustellen in Angriff genommen:       Lage des Landes. „Immerhin sind 65          für die Zukunft der indischen Wirtschaft     dung eines Katasteramts, um Land- und
                                Das jährliche Wirtschaftswachstum, das      Prozent der 1,3 Milliarden Menschen         und die Annäherung an Wohlstand in           Immobilientransaktionen zu vereinfachen
                                vor dem Amtsantritt von Modi 2013 noch      großen Bevölkerung jünger als 35 Jahre,     allen Gesellschaftsbereichen wird also       und gleichzeitig zu dokumentieren, wäre
                                bei 5,5 Prozent lag, ist auf 8,0 Prozent    50 Prozent jünger als 25 Jahre. Diese       davon abhängen, ob die Regierung Modi        hilfreicher. Denn insbesondere im Immo­
                                im Jahr 2015 angestiegen. Mit dieser        Ausgangslage sollte als Treiber für den     die benötigten Reformen umsetzen kann.       bilienmarkt steckt ein erheblicher Teil des
                                Rate lag das Land unter den großen Volks­   Arbeitsmarkt und nach­ge­lagert den                                                      Schwarzgeldes“, so Dr. Wildmann.
                                wirtschaften der Welt an der Spitze. In     Konsum wirken“, meint Dr. Wildmann.         Wegweisende Reformen
                                den vergangenen Jahren ist die Dynamik      Vielmehr liegen die Gründe in den           Unter den zahlreichen Reformanstren­         Der sogenannte Aadhaar-Ausweis ist
                                dann aber wieder ins Stocken geraten,       politischen Strukturen: In der größten      gungen steht die „Make in India“-Initia­     das Kernstück eines Programms zur
                                2016 legte das Bruttoinlandsprodukt um      Demokratie der Welt sind die Entschei­      tive weit oben auf der politischen Agen­     digitalen Erfassung der Bürger. Mit ei­
                                7,1 Prozent zu, 2017 waren es noch 6,7      dungswege lang und unsicher. „Die           da, die eine weitere Öffnung des Landes      ner persön­lichen Identifikationsnummer
                                Prozent.                                    berüchtigte Bürokratie, die schlechte       gegenüber ausländischen Investoren an­       (Unique Identification, UID) sollen auch
                                                                                                                        strebt. Der Subkontinent benötigt das        ärmere Menschen öffentliche und pri­
                                                                                                                        ausländische Kapital, um sein dauerhaf­      vate Leistungen effizient und verlässlich      Inflations­
                                                                                                                        tes Defizit abzudecken, das aufgrund         in Anspruch nehmen, Bankkonten eröff­         bekämpfung
                                                                                                                        seiner umfangreichen Energieimporte          nen und Mobilfunkverträge abschließen
                                                                                                                                                                                                                     Die Geldpolitik der
                                                                                                                        und seines schwachen Produktionssek­         können. Bis heute haben sich mehr als         Reserve Bank of India
                                                                                                                        tors besteht. Tatsächlich konnte die In­     90 Prozent der Inder registrieren lassen,        (RBI) hat bei der
                                                                                                                        itiative einen substanziellen Schub für      auch wenn die öffentlich gesammelten            Kontrolle der Preis-
                                                                                                                                                                                                                     stabilität deutliche
Seite                                                                                                                   Direktinvestitionen bewirken, die mitt­      Daten von privatwirtschaftlichen Unter­       Fortschritte gemacht.      Seite

44                                                                                                                      lerweile seit Jahren positiv sind und sich
                                                                                                                        monatlich zwischen 1,5 und vier Milliar­
                                                                                                                                                                     nehmen verwaltet werden. Mit einer Re­
                                                                                                                                                                     form zur finanziellen Gleichberechtigung
                                                                                                                                                                                                                   So ist die Inflation von
                                                                                                                                                                                                                     9,4 Prozent im Jahr
                                                                                                                                                                                                                    2013 auf 3,8 Prozent
                                                                                                                                                                                                                                              45
                                                                                                                        den US-Dollar bewegen. Das Leistungs­        beabsichtigt Premierminister Modi zudem,          2017 gesunken.
                                                                                                                        bilanzdefizit hat sich seit 2013 von rund    jedem Inder den Zugang zu Finanzdienst­
                                                                                                                        fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts       leistungen zu erschwinglichen Preisen zu
                                                                                                                        auf aktuell noch etwa ein Prozent ver­       gewährleisten. Bis Anfang 2018 wurden
                                                                                                                        bessert.                                     mehr als 310 Millionen Bankkonten eröff­
                                                                                                                                                                     net – eine Erfolgsgeschichte.
                                                                                                                        Weniger erfolgreich verlief dagegen die
                                                                                                                        Bargeldreform zur Korruptionsbekämp­         Hohe Investitionen in die
                                                                                                                        fung. Sämtliche 500- und 1.000-Rupien-       Infrastruktur
                                                                                                                        Scheine – die fast 90 Prozent des gesam­     Dagegen ist die schwache Infrastruktur
                                                                                    Prozent
                                                                                 der indischen Bevölkerung
                                                                                                                        ten Bargeldes ausmachten – verloren
                                                                                                                        innerhalb kürzester Zeit ihre Gültigkeit
                                                                                                                                                                     ein Bremsklotz für Indiens Wirtschaft.
                                                                                                                                                                     Die von der indischen Regierung initiierte
                                                                                  sind jünger als 25 Jahre.             als Zahlungs­mittel. Es bestand die Hoff­    Kampagne „Digital India“ umfasst Pläne,
                                                                                                                        nung, beim Umtausch bis zu 30 Prozent        ländliche Gebiete an Hochgeschwindig­
          Prozent
        der indischen Bevölkerung
                                                                                                                        des Schwarzgeldes aus dem Verkehr
                                                                                                                        zu ziehen. Letztendlich befanden sich
                                                                                                                                                                     keitsinternetnetze anzubinden. Über
                                                                                                                                                                     eine stabile digitale Infrastruktur sollen
         sind jünger als 35 Jahre.                                                                                      nach der Demonetarisierung aber 99           Regierungsinformationen den Bürgern
                                                                                                                        Prozent der Rupien wieder im Umlauf.         auf elektronischem Wege zur Verfügung
                                                                                                                        Gegen Korrup­tion und Steuerhinterzie­       gestellt werden. ›

                                                    Ausgabe 3 / 2018
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