8 Sozialstruktur und soziale Lagen - Auszug aus dem Datenreport 2021 - Bundesinstitut für ...

 
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8
Sozialstruktur
und soziale Lagen
Auszug aus dem
Datenreport 2021

Die Inhalte des Datenreports werden unter der Creative Commons Lizenz
»CC BY-NC-ND 4.0 – Namensnennung – Nicht-kommerziell – Keine Bearbeitung 4.0« veröffentlicht.
8
Sozialstruktur und
soziale Lagen
                                             Probleme der sozialen Ungleichheit und               men« fühlen. Vor diesem Hintergrund
8.1                                          der Verteilung des gesellschaftlichen                wird in diesem Kapitel die ungleiche Ver-
Soziale Lagen                                Wohlstands sind regelmäßig Thema in der
                                             ­öffentlichen Debatte. Während sich die
                                                                                                  teilung der Lebenschancen zwischen ver-
                                                                                                  schiedenen Bevölkerungsgruppen in der
und soziale                                  wirtschaftliche Lage der Bundesrepublik              gesellschaftlichen Statushierarchie be-
Schichtung*                                  insgesamt positiv entwickelt hat, kommt
                                              dies nicht allen Menschen gleichermaßen
                                                                                                  trachtet. Dabei steht die Frage im Mittel-
                                                                                                  punkt, inwieweit sich die Sozialstruktur
* Überarbeitung der Version, die 2013 von
  Roland Habich erstellt wurde.               zugute. Die soziale Ungleichheit nimmt              und die damit einhergehenden Lebensbe-
                                              zu. Die Zahl der Menschen, die armutsge-            dingungen in West- und Ostdeutschland
                                             fährdet sind, stieg in den vergangenen               30 Jahre nach der deutschen Vereinigung
Mareike Bünning
                                             Jahren tendenziell an (siehe Kapitel 6.2.2,          immer noch unterscheiden. u Info 1
Wissenschaftszentrum Berlin
                                             Seite 224, und 6.3.2, Seite 232) und die
für Sozialforschung (WZB)
                                             Schere zwischen Arm und Reich geht weiter            8.1.1 Soziale Lagen in Deutschland
                                              auseinander. Im öffentlichen ­Diskurs wird          Im Folgenden wird ein übergreifendes
WZB / SOEP                                   vielfach die Sorge geäußert, dass damit              Bild der Sozialstruktur der Bundesrepu­
                                              auch eine emotionale Komponente einher-             blik präsentiert, das auf die Konzepte der
                                              geht und sich insbesondere in Ostdeutsch-           sozialen Lagen und der subjektiven
                                              land immer mehr Menschen abgehängt                  Schichteinstufung zurückgreift. Für die
                                              beziehungsweise nicht mehr »mitgenom-               Unterscheidung von sozialen Lagen wird

                                             u Info 1
                                             Soziale Lagen und soziale Schichten
                                             Konzepte wie soziale Lagen und soziale Schichtung beziehen sich auf die vertikale Gliederung der
                                             ­ esellschaft und werden zur Analyse von Strukturen sozialer Ungleichheit verwendet. Damit können die
                                             G
                                             Positionen von Personen in einer Statushierarchie erfasst werden. Demnach ergeben sich aufgrund
                                             materieller Lebensbedingungen verschiedene typische Erwerbs- und Lebenschancen, die sich in einer
                                             sozialen Lage oder sozialen Schicht verdichten. Unterschiedliche soziale Lagen und soziale Schichten
                                             bieten also unterschiedliche und ungleich verteilte Lebensgestaltungschancen.

                                             Soziale Schichtung bezeichnet generell eine strukturelle Ungleichheit zwischen sozialen Positionen,
                                              die sich zum Beispiel in Einkommens-, Prestige- und Einflussdifferenzen ausdrückt. Das Konzept der
                                             sozialen Lagen bezieht neben klassischen Ungleichheitsdimensionen wie dem Erwerbsstatus weitere
                                             Indikatoren objektiver und subjektiv wahrgenommener Lebensbedingungen mit in eine multidimen­
                                             sionale Analyse sozialer Ungleichheit ein. Zunächst werden soziale Lagen nach dem Erwerbsstatus
                                             ­b eziehungsweise Status der Nichterwerbstätigkeit unterschieden. Anschließend werden die sozialen
                                             Lagen in Bezug auf objektive Merkmale wie dem Einkommen und subjektive Merkmale wie der Lebens-
                                             zufriedenheit verglichen.

                                                                                                                                                     271
8 / Sozialstruktur und soziale Lagen 8.1 / Soziale Lagen und soziale Schichtung

      u   Abb 1   Soziale Lagen in Ost- und Westdeutschland 2018 — in Prozent

                                                                            Frauen                                Männer

                                                                            2         leitende Angestellte,                    3
                                                                            2        höhere Beamtenschaft                      3

                                                                                       hoch qualifizierte
                                         14                                                                                                                            18
                                                                                     Angestellte, gehobene
                                               11                                                                                                          10
                                                                                        Beamtenschaft

                                19                                                   qualifizierte Angestellte,                                             11
                                  18                                                 mittlere Beamtenschaft                                            9

                                                                5                     einfache Angestellte,                2
                                                            6                            Beamtenschaft                     2

                                                                                0        Meister/-innen,                       3
                                                                                0       Vorarbeiter/-innen                         4

                                                                                1                                                              7
                                                                                       Facharbeiter/-innen
                                                                5                                                                                                 15

                                                                        3                un-, angelernte                           4
                                                                            2            Arbeiter/-innen                       3

                                                                    4                    Selbstständige,                                           8
                                                                            2             freie Berufe                                     6

                                                                            2                                              2
                                                                                           Arbeitslose
                                                                        3                                                      3

                                                            6                              Hausfrauen /            0
                                                                                1           -männer                0

                                                        7                                                                                      7
                                                                                         Studium, Lehre
                                                                    4                                                                  5

                                                                                1                                      1
                                                                                          Vorruhestand
                                                                            2                                              2

                                                            6                                                                  3
                                                                                        nicht erwerbstätig
                                                                5                                                          2                                                bis 60 Jahre

                                                                5                             noch                                                                          ab 61 Jahren
                                                                                                                                       5
                                                                5                          erwerbstätig                                5

                                                                                0            noch nie              0
                                                                                0          erwerbstätig            0

                                                                                         Rentner/-innen
                                                                5                                                                          6
                                                                                           (ehemalige
                                                    9                                    Arbeiter/-innen)                                                        14

                                                                                         Rentner/-innen
                                  18                                                                                                                              15
                                                                                     (ehemalige Angestellte,
                          24                                                               Beamte)                                                                15

                                                                                         Rentner/-innen
                                                                        3                                                          4
                                                                                           (ehemalige
                                                                            2            Selbstständige)                   2

                                                                Frauen West                                            Männer West
                                                                Frauen Ost                                             Männer Ost

      Datenbasis: ALLBUS 2018

272
Soziale Lagen und soziale Schichtung / 8.1 Sozialstruktur und soziale Lagen / 8

u   Tab 1     Soziale Lagen in Ost- und Westdeutschland 1990 / 1991 und 2018 — in Prozent
                                                                  West                     Ost                          West                            Ost
                                                         Männer          Frauen   Männer          Frauen      Männer           Frauen          Männer         Frauen
                                                                  1990                     1991                                         2018

                                                                                                     bis 60 Jahre
    Leitende Angestellte , höhere Beamtenschaft            3               1         2              1               3            2               3              2
    Hoch qualifizierte Angestellte ,
                                                          16               7        13             14           18              14              10             11
    gehobene Beamtenschaft
    Qualifizierte Angestellte , mittlere Beamtenschaft     11             14         5             22           11              19               9             18
    Einfache Angestellte , Beamtenschaft                   3               8         4              9               2            5               2              6
    Meister /-innen, Vorarbeiter /-innen                   4               0        10              2               3            0               4              0
    Facharbeiter /-innen                                  15               1       28              10               7            1              15              5
    Un-, angelernte Arbeiter /-innen                       4               2         3              2               4            3               3              2
    Selbstständige, freie Berufe                           8               4         7              5               8            4               6              2
    Arbeitslose                                            2               2         7             10               2            2               3              3
    Hausfrauen / -männer                                   0              25         0              3               0            6               0              1
    Studium, Lehre                                         11              5         3              1               7            7               5              4
    Vorruhestand                                           2               2         4              7               1            1               2              2
    Nicht erwerbstätig                                     1               5         0              0               3            6               2              5
                                                                                                     ab 61 Jahren
    Noch erwerbstätig                                      3               1         3              1               5            5               5              5
    Noch nie erwerbstätig                                  0               6         0              1               0            0               0              0
    Rentner /-innen (ehemalige Arbeiter /-innen)           3               5         2              4               6            5               14             9
    Rentner /-innen (ehemalige Angestellte, Beamte)       10               11        8             10           15              18              15             24
    Rentner /-innen (ehemalige Selbstständige)             4               2         2              2               4            3               2              2

Datenbasis: ALLBUS 1980–2012 kumuliert; ALLBUS 2018

 die erwachsene Bevölkerung nach Alter                       stattfanden, brachten weitreichende Kon-           land weiter verbreitet als in Ostdeutsch-
(bis 60 Jahre, ab 61 Jahren) sowie nach                      sequenzen für die Sozialstruktur mit sich.         land. Angesichts des demografischen
 ihrer Stellung zum und im Erwerbsleben                     Während sich die DDR als vollbeschäftigte           Wandels nahm der Anteil an Rentnerin-
 aufgegliedert. Daraus ergeben sich insge-                  Arbeitsgesellschaft charakterisieren ließ,          nen und Rentnern im Vergleich zu 1990
 samt 18 soziale Lagen von Erwerbstätigen                    folgten für einen erheblichen Teil der             deutlich zu.
 und Nichterwerbstätigen, die zunächst                       ehemals Erwerbstätigen im Verlauf der                  In beiden Landesteilen dominieren
 für Männer und Frauen getrennt dar­                         gesellschaftlichen Transformation nach             unter den Erwerbstätigen die Angestellten
 gestellt werden. Im Blickpunkt dieses                       der deutschen Vereinigung ungewollte               sowie Beamtinnen und Beamten. Wäh-
­K apitels steht die Sozialstruktur im Jahr                  Lebensphasen in Arbeitslosigkeit, Vor­             rend die alte Bundesrepublik bereits über
2018 in West- und Ostdeutschland.                            ruhestand und Hausfrauenrolle. Im Zeit-            einen längeren Zeitraum als eine »Ange-
 Durch den Vergleich mit dem Jahr 1990                      verlauf näherten sich die Beschäftigungs-           stelltengesellschaft« bezeichnet wurde,
 können zudem die Richtung des sozialen                      strukturen in Ostdeutschland denen in              löste sich die ausgeprägte »Facharbeiter­
Wandels insgesamt sowie insbesondere                        Westdeutschland an.                                 gesellschaft« der damaligen DDR weit­
 die sozialstrukturellen Veränderungen in                        Die Sozialstruktur Westdeutschlands            gehend auf, wenngleich bei den Männern
 Ostdeutschland in der Zeit seit der deut-                  veränderte sich im Vergleich dazu seit              Facharbeiterpositionen immer noch stär-
 schen Vereinigung betrachtet werden.                       1990 nur leicht. Die größte Ausnahme                ker und Angestellten­positionen weniger
 Dabei richtet sich das Interesse vor allem                  stellt die gestiegene Beteiligung von              verbreitet sind als in Westdeutschland.
 darauf, inwieweit soziale Lagen einerseits                 ­Frauen am Erwerbsleben dar: Der Anteil                 Je nach sozialer Lage bieten sich unter-
 mit objektiven Lebensbedingungen ein-                       der Hausfrauen ging seit 1990 um drei              schiedliche Chancen zur Lebensgestal-
 hergehen und andererseits mit subjekti-                    Viertel zurück. Parallel dazu stieg der             tung. Die Ungleichheit in den objektiven
ven Wahrnehmungen und Bewertungen                           Anteil von Frauen in qualifizierten und             Lebensbedingungen, die sich aus der Zu-
verbunden sind. u Abb 1, Tab 1                               hoch qualifizierten Angestelltenpositio-           gehörigkeit zu den hier unterschiedenen
     Die massiven Umwälzungen, die nach                      nen deutlich an. Die Hausfrauenrolle ist           sozialen Lagen ergibt, äußert sich unter
1990 auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt                       aber auch heute noch in Westdeutsch-               anderem in Einkommensunterschieden,

                                                                                                                                                                       273
8 / Sozialstruktur und soziale Lagen 8.1 / Soziale Lagen und soziale Schichtung

      u   Tab 2     Indikatoren der objektiven Lebensbedingungen in Ost- und Westdeutschland nach sozialen Lagen 2018 — in Prozent
                                                                                                                                                                     Eigene wirtschaft-
                                                                                Quintile des Haushaltseinkommens pro Kopf ¹                        Wohneigentum ²
                                                                                                                                                                         liche Lage
                                                                                     West                                    Ost                                      ist sehr gut / gut
                                                                                                                                                   West      Ost
                                                                    unterstes mittleres oberstes unterstes mittleres                 obestes                          West         Ost

                                                                                                                              bis 60 Jahre
          Leitende Angestellte, höhere Beamtenschaft                      0            12            56              0       24            19       57        69       88          81
          Hoch qualifizierte Angestellte,
                                                                          3            13            42              3       18        35           59        61       86          89
          gehobene Beamtenschaft
          Qualifizierte Angestellte, mittlere Beamtenschaft               8            25            20             14       29            11       59        61       77          79
          Einfache Angestellte, Beamtenschaft                           27             18            10             33       33            5        44        44       58          53
          Meister /-innen, Vorarbeiter /-innen                            8            21            15              0       41            9        65        75       85          83
          Facharbeiter /-innen                                            6            30              9            19       34            2        60        53       58          62
          Un-, angelernte Arbeiter /-innen                              31             24              1            32       27            5        35        42       50          46
          Selbstständige, freie Berufe                                  10             12            39             18       15        44           65       66        65          84
          Arbeitslose                                                   77             15              0            90        3            0        27        19       18           9
          Hausfrauen / -männer                                          24             18              6              /        /            /       52         /      59,7           /
          Studium, Lehre                                                49             15              4            47       23            0        42        33       60          65
          Vorruhestand                                                  18             23            18             43       29            5        70        52       43          19
          Nicht erwerbstätig                                            61             12              2            60        9            0        41        32       48          53

                                                                                                                            ab 61 Jahren
          Noch erwerbstätig                                             12             17            40             13       19         25          76        76       75          66
          Rentner /-innen (ehemalige Arbeiter /-innen)                  36             16              1            43       12            0        60        52       72          54
          Rentner /-innen (ehemalige Angestellte, Beamte)               14             22            23             16       31            5        73        53       83          80
          Rentner /-innen (ehemalige Selbstständige)                    30             11            11             44       28            0        81        64       70          64

      1 Bedarfsgewichtetes Haushaltsnettoeinkommen pro Kopf. Zu Quintilen siehe Kapitel 6.2, Seite 223, Info 4.
      2 Anteil der Personen, die angaben, dass sie im eigenen Haus / in der eigenen Wohnung (auch Familienbesitz) wohnen.
      / Fallzahl zu gering.
      Datenbasis: ALLBUS 2018

       im allgemeinen Lebensstandard – zum                                    in Ost- und Westdeutschland, zeigt sich,                          Die ungleichen materiellen Verhältnis-
      Beispiel gemessen am Wohneigentum –                                     dass Ostdeutsche in nahezu allen sozia-                       se, die mit diesen sozialen Lagen verbun-
       sowie in der Bewertung der eigenen wirt-                               len Lagen gegenüber Westdeutschen                             den sind, spiegeln sich auch in der subjek-
       schaftlichen Lage. Dabei zeigt sich, dass                              deutlich schlechter gestellt waren. Ledig-                    tiven Beurteilung der eigenen wirtschaftli-
       mit einer höheren Position in der hierar-                              lich bei un- und angelernten Arbeiterin-                      chen Situation wider. Während Personen
       chischen Gesellschaftsstruktur erwar-                                  nen und Arbeitern, Selbstständigen und                        in privilegierten sozialen Lagen ihre wirt-
      tungsgemäß auch eine vorteilhaftere                                     Nichterwerbstätigen gab es nur geringe                        schaftliche Situation vorwiegend als »sehr
      ­materielle Situation verbunden ist. Hoch                               Unterschiede zwischen den beiden Landes-                      gut« oder »gut« bewerteten, fiel die Bewer-
       qualifizierte oder leitende Angestellte                                 teilen. u Tab 2                                               tung bei Personen in schlechteren sozialen
      und Beamte sowie Selbstständige befan-                                      Wohneigentum verdeutlicht als re­                         Lagen erwartungsgemäß weniger günstig
       den sich überdurchschnittlich oft im obe-                              levanter Indikator für den allgemeinen                        aus. Erneut besteht zwischen Arbeitslosen
       ren Segment der Einkommensverteilung,                                  Lebensstandard, dass mit den differen-                        und allen anderen sozialen Lagen eine
      während die Zugehörigkeit zu Arbeiter-                                  zierten sozialen Lagen auch Unterschiede                      deutliche Kluft. In Ostdeutschland be-
       positionen eher mit einem mittleren oder                               in den Möglichkeiten der Ressourcen­                          werteten darüber hinaus auch Personen
       niedrigen Einkommen verbunden war.                                     verwendung einhergehen: In Ost- und                           im Vorruhestand ihre wirtschaftliche
      Am schlechtesten war es um die Einkom-                                  Westdeutschland fanden sich unterdurch-                       Lage nur selten als »sehr gut« oder »gut«.
       menssituation von Arbeitslosen bestellt;                               schnittliche Eigentümerquoten bei wenig                           Die subjektive Beurteilung des eigenen
       diese fanden sich insbesondere in Ost-                                 qualifizierten Arbeiterinnen und Arbei-                        Anteils am allgemeinen Lebensstandard
       deutschland nahezu ausschließlich im                                   tern, Angestellten und Beamten, bei Stu-                      als »gerecht« (beziehungsweise »unge-
      untersten Einkommensquintil wieder.                                     dierenden, Nichterwerbstätigen und vor                        recht«) variiert ebenfalls nach sozialer
      Vergleicht man die finanzielle Situation                                 allem bei Arbeitslosen.                                       Lage. Es zeigt sich, dass vor allem Arbeits-

274
Soziale Lagen und soziale Schichtung / 8.1 Sozialstruktur und soziale Lagen / 8

u   Tab 3     Indikatoren der subjektiven Wohlfahrt in Ost- und Westdeutschland nach sozialen Lagen 2018
                                                                                                                         Einstufung                 Allgemeine          Bei dieser
                                                                          Gerechter Anteil
                                                                                                                        auf der Oben-                 Lebens-          Zukunft keine
                                                                        am Lebensstandard ¹
                                                                                                                        Unten-Skala ²              zufriedenheit ³     Kinder mehr ⁴
                                                                      West                       Ost                  West            Ost         West        Ost    West            Ost
                                                                                   in %                             Durchschnittswert            Durchschnittswert           in %

                                                                                                                              bis 60 Jahre
    Leitende Angestellte, höhere Beamtenschaft                         84                         76                   7,4            6,8           8,4       8,1     12,3          28,0
    Hoch qualifizierte Angestellte,
                                                                       80                         72                   7,1            7,1           8,2       8,4     18,8          24,8
    gehobene Beamtenschaft
    Qualifizierte Angestellte, mittlere Beamtenschaft                  70                         53                   6,5            6,5           7,9        7,8    29,1          32,4
    Einfache Angestellte, Beamtenschaft                                47                         30                   5,9            5,8           7,5        7,1    49,4          48,9
    Meister /-innen, Vorarbeiter /-innen                               59                         58                   6,3            6,9           7,6        7,9    43,9          47,8
    Facharbeiter /-innen                                               55                         19                   5,8            5,8           7,6        7,3    45,7          58,3
    Un-, angelernte Arbeiter /-innen                                   42                         31                   5,7            5,4           7,6       6,5     51,3          52,0
    Selbstständige, freie Berufe                                       75                         70                   6,8            6,9           7,7       8,3     19,1          27,3
    Arbeitslose                                                        44                         16                   4,6            4,5           6,2       5,1     62,2          70,0
    Hausfrauen / -männer                                               56                          /                   6,1             /            7,9         /     37,7             /
    Studium, Lehre                                                     76                         75                   6,5            6,5           8,0        7,9    26,1          20,0
    Vorruhestand                                                       54                         33                   5,5            4,4           5,9       5,6     44,4          42,9
    Noch nie / nicht erwerbstätig                                      54                         41                   5,5            5,3           7,0        7,2    40,9          41,7
                                                                                                                             ab 61 Jahren
    Noch erwerbstätig                                                  70                         32                   6,8            6,3           7,9        7,6    17,2          39,2
    Rentner /-innen (ehemalige Arbeiter /-innen)                       61                         30                   5,7            5,8           7,9        7,2    51,2          56,5
    Rentner /-innen (ehemalige Angestellte, Beamte)                    73                         58                   6,6            6,2           8,2        7,9    21,3          37,9
    Rentner /-innen (ehemalige Selbstständige)                         74                         36                   6,6            5,6           8,4        7,1    16,7          47,6

1 Anteil »gerecht /mehr als gerecht«.
2 Mittelwerte auf der Oben-Unten-Skala von 1 bis 10.
3 Mittelwerte auf Zufriedenheitsskala von 0 bis 10.
4 Zustimmung zur Aussage »So wie die Zukunft aussieht, kann man es kaum noch verantworten, Kinder auf die Welt zu bringen.«
/ Fallzahl zu gering.
Datenbasis: ALLBUS 2018

lose, aber auch Personen in einfachen Ar-                             schaft, wie an der Selbsteinstufung auf                               drei Skalenpunkte. In den meisten sozia-
beiter- oder Angestelltenpositionen sowie                             der »Unten-oben-Skala« (1 bis 10) abzu­                               len Lagen stuften sich Ostdeutsche und
Facharbeiterinnen und Facharbeiter in                                 lesen ist. Am höchsten ordneten sich er-                              Westdeutsche ähnlich ein. Insbesondere
Ostdeutschland seltener als andere einen                              wartungsgemäß leitende und höhere                                     Personen im Vorruhestand und ehema­
gerechten Anteil am gesellschaftlichen                               ­A ngestellte und Beamte, Selbstständige                               lige Selbstständige, aber auch leitende
Wohlstand zu erhalten glaubten. Nur 44 %                              sowie Meisterinnen und Meister ein, aber                              Angestellte und noch erwerbstätige ältere
der Arbeitslosen in Westdeutschland und                               auch diejenigen, die in ihrem zurück­                                 Menschen stuften sich im Westen deut-
16 % in Ostdeutschland betrachteten ihren                             liegenden Erwerbsleben eine solche Posi-                              lich höher ein als im Osten. Meisterinnen
Anteil am Lebensstandard als gerecht. In                              tion ausgeübt hatten (Rentnerinnen und                                und Meister sowie Vorarbeiterinnen und
Ostdeutschland betrachteten auch ältere                               Rentner) oder den Aufstieg in eine ent-                               Vorarbeiter hingegen stuften sich in Ost-
Menschen mit Ausnahme der ehemaligen                                  sprechende Position für die Zukunft er-                               deutschland höher ein.
Angestellten und Beamten ihren Anteil                                 warteten (noch in Ausbildung). Am unte-                                   Die allgemeine Lebenszufriedenheit
am Lebensstandard vergleichsweise selten                              ren Ende ordneten sich dagegen einfache                               ist das bilanzierende Maß der Bewertung
als gerecht. Grundsätzlich sahen Ost-                                Angestellte, (ehemalige) un- und ange-                                 aller Lebensumstände. Hier wird noch
deutsche über fast alle Lagen hinweg ihren                            lernte Arbeiterinnen und Arbeiter sowie                               deutlicher als bei der wahrgenommenen
Lebensstandard im Vergleich zu West-                                  Arbeitslose, Nichterwerbstätige und Per-                              sozialen Position in der gesellschaftlichen
deutschen seltener als gerecht an. u Tab 3                            sonen im Vorruhestand, aber auch Fach-                                Hierarchie, dass mit den verschiedenen
    Die einzelnen sozialen Lagen reprä-                               arbeiterinnen und Facharbeiter ein. Die                               sozialen Lagen auch ein unterschiedlich
sentieren auch unterschiedliche soziale                               Differenz zwischen den sozialen Lagen                                 hohes Niveau an Lebensqualität verbun-
Positionen in der subjektiv wahrgenom-                                mit der höchsten und niedrigsten Einstu-                              den ist. Auch hier betrug die Differenz
menen vertikalen Gliederung der Gesell-                               fung betrug in beiden Landesteilen fast                               zwischen den sozialen Lagen mit der

                                                                                                                                                                                           275
8 / Sozialstruktur und soziale Lagen 8.1 / Soziale Lagen und soziale Schichtung

       höchsten und niedrigsten Einstufung 2,5                           fache Angestellte, (ehemalige) Arbeite-              Lagen hinweg weiter verbreitet als in West-
       Skalenpunkte in Westdeutschland und                               rinnen und Arbeiter, Facharbeiterinnen               deutschland. Nur Studierende und Aus-
       sogar mehr als 3 Skalenpunkte in Ost-                             und Facharbeiter sowie Meisterinnen                  zubildende im Osten schätzten die Zu-
       deutschland. Tendenziell ist die Lebens-                          und Meister blickten pessimistisch in die            kunft optimistischer ein als im Westen.
       zufriedenheit in Ostdeutschland etwas                             Zukunft. Sie waren zu großen Teilen der
       geringer als in Westdeutschland. Selbst-                          Ansicht, so wie die Zukunft aussehe, könne           8.1.2 Subjektive
       ständige hingegen gaben in Ostdeutsch-                            man es kaum noch verantworten, Kinder                Schichtzugehörigkeit
       land deutlich höhere Zufriedenheitswerte                           auf die Welt zu bringen. Personen in                Eine relevante Ergänzung des im Wesent-
       an als in Westdeutschland.                                        ­leitenden und hoch qualifizierten Ange-             lichen auf objektiven Informationen zur
          Auch bezüglich der Erwartungen an                               stelltenpositionen sowie Selbstständige             Stellung zum und im Erwerbsleben beru-
       zukünftige Entwicklungen zeigen sich                              teilten diese Ansicht hingegen eher selten.          henden Bildes der sozialen Lagen liefern
       deutliche Unterschiede nach sozialer                              Zudem war Zukunftspessimismus in Ost-                Informationen über die subjektive
      ­Position. Insbesondere Arbeitslose, ein-                           deutschland über nahezu alle sozialen               Schichteinstufung. Angaben darüber, wie
                                                                                                                              sich Personen in eine vorgegebene Rang-
                                                                                                                              ordnung sozialer Schichten einstufen,
                                                                                                                              bieten vor allem Aufschlüsse darüber,
                                                                                                                              wie verschiedene Bevölkerungsgruppen
      u   Abb 2     Subjektive Schichtzugehörigkeit 1990 / 1991 und 2018 — in Prozent                                         innerhalb der Gesellschaft ihren eigenen
                                                                                                                              Status und ihre Chancen auf gesellschaft-
                                                                                                                              liche Teilhabe im Vergleich zu anderen
                                     Westdeutschland                          Ostdeutschland
                                                                                                                              wahrnehmen und bewerten und welchem
                                             11             obere Mittel-,     2                                              sozialen Milieu sie sich zuordnen.
                                            14              Oberschicht             5                                             In Westdeutschland ordnete sich im
                                                                                                                              Jahr 2018 knapp ein Viertel der erwachse-
           60                                                                                           37
                                                             Mittelschicht                                                    nen B­ evölkerung der Unter- oder Arbeiter-
           61                                                                                                     56
                                                                                                                              schicht zu, knapp zwei Drittel der Mittel-
                                  27
                                                            Arbeiterschicht
                                                                                                                   57         schicht und ein Siebtel der oberen Mittel-
                                       23                                                               36
                                                                                                                              oder Oberschicht. Im Vergleich zu 1990
                                                     2                          3                                             stuften sich etwas mehr Personen in die
                                                             Unterschicht
                                                     2                          3                                             obere Mittel- und Oberschicht ein, etwas
                                                                                                                              weniger Personen in die Arbeiterschicht.
                                                    1990                        1991                                          Die Veränderungen in Ostdeutschland
                                                    2018                        2018
                                                                                                                              sind deutlich stärker. 1991 ordnete sich
                                                                                                                              noch über die Hälfte der Bevölkerung der
            Datenbasis: ALLBUS 1980 − 2012 kumuliert, ALLBUS 2018
                                                                                                                              Arbeiterschicht zu, nur ein gutes Drittel
                                                                                                                              fühlte sich der Mittelschicht zugehörig.
                                                                                                                              Inzwischen hat sich dieses Verhältnis um-
      u   Tab 4    Subjektive Schichtzugehörigkeit in Deutschland 1980 – 2018 — in Prozent                                    gekehrt. Mit 5 % identifizierten sich 2018
                                                                                                             obere Mittel-/   zudem etwas mehr Ostdeutsche mit der
                                   Unterschicht            Arbeiterschicht              Mittelschicht
                                                                                                              Oberschicht     oberen Mittel- und Oberschicht als noch
                                                                Westdeutschland
                                                                                                                              1991. Der Unterschicht im engeren Sinne
          1980                              1                       30                      59                    10
                                                                                                                              ordnete sich in West- wie Ostdeutschland
          1991                              1                       24                      62                    13          2018 mit 2 beziehungsweise 3 % nur ein
          2000                              1                       30                      59                    10          sehr kleiner Teil der Bevölkerung zu. u Abb 2
          2010                              3                       23                      62                    13              Die Unterschiede in der Struktur der
          2018                              2                       23                      61                    14          sozialen Schichtung, die sich auf Basis der
                                                                Ostdeutschland                                                subjektiven Einstufung der Befragten im
          1991                              3                       57                      37                     2          Vergleich von West- und Ostdeutschland
          2000                              2                       49                      45                     3          ergeben, sind damit auch heute noch be-
          2010                              4                       38                      51                     6          merkenswert, obwohl sie sich deutlich ver-
          2018                              3                       36                      56                     5          ringert haben. Die in den früheren Jahren
      Datenbasis: ALLBUS 1980–2012 kumuliert; ALLBUS 2018                                                                     in Ostdeutschland zu beobachtende pyra-

276
Soziale Lagen und soziale Schichtung / 8.1 Sozialstruktur und soziale Lagen / 8

midenförmige Schichtstruktur einer Arbei-                       Die subjektive Schichtzugehörigkeit          stuften sich insbesondere leitende und
tergesellschaft näherte sich allmählich                   wird nicht nur von objektiven Faktoren             höhere Angestellte und Beamte sowie
 der zwiebelförmigen – für Mittelschicht-                   bestimmt, sondern hängt darüber hinaus           Selbstständige ein. u Tab 5
 gesellschaften charakteristischen – Ver-                 von dem jeweils zugrunde liegenden Be-                 Ostdeutsche identifizierten sich im
teilung in Westdeutschland an. Diese                        zugsrahmen und den verwendeten Ver-             Vergleich zu Westdeutschen auch im Jahr
Entwicklung deutet für Ostdeutschland                       gleichs- und Bewertungsmaßstäben ab.            2018 noch über nahezu alle sozialen Lagen
 somit auf einen signifikanten Wandel in                    Dennoch bestimmt der faktische sozio-            hinweg zu größeren Anteilen mit der
 der Wahrnehmung der eigenen Position in                    ökonomische Status beziehungsweise die         ­A rbeiterschicht und zu geringeren Teilen
 der hierarchischen Struktur der Gesell-                    soziale Lage maßgeblich die subjektive          mit der Mittel- oder gar der Oberschicht.
 schaft hin. u Tab 4                                        Schichteinstufung. Personen, die eine           Dieser Befund deutet darauf hin, dass
     Betrachtet man die Entwicklung in                  ­A rbeiterposition einnehmen oder früher             sich die weiterhin bestehenden auffälli-
Westdeutschland seit 1980, zeigt sich                       eingenommen haben (Rentnerinnen und              gen Ost-West-Differenzen in der subjek-
­h ingegen, dass die subjektive Schicht­                   Rentner), identifizierten sich – insbeson-        tiven Schichteinstufung nur partiell
 einstufung hier über die vergangenen                       dere in Ostdeutschland – auch subjektiv          durch Unterschiede in der Verteilung auf
36 Jahre weitgehend unverändert blieb                       tendenziell mit der Arbeiterschicht.             die verschiedenen Statuslagen erklären
und außer zyklischen Schwankungen kein                    ­Personen mit einem Angestellten- oder             lassen. Es ist vielmehr davon auszugehen,
Trend zu beobachten ist. Aktuelle Thesen                   ­Beamtenstatus sowie Selbstständige ord-          dass sich die ostdeutsche Bevölkerung
über das Entstehen einer »neuen Unter-                      neten sich dagegen mit überwiegender            ­innerhalb des gesamtgesellschaftlichen
 schicht« und ein erhebliches Schrumpfen                   Mehrheit der Mittelschicht zu. Eine Aus-          Schichtungsgefüges deshalb tendenziell
 der Mittelschicht finden somit zumindest                    nahme bilden lediglich die einfachen             niedriger einstuft, weil sie sich nach wie
 auf Grundlage der subjektiven Schicht­                  ­A n­gestellten, die sich in Ostdeutschland        vor mit der westdeutschen vergleicht
identifikation ­weder für Ost- noch für                      eher der Arbeiterschicht zugehörig fühl-        und aus dieser Perspektive Statusdefizite
Westdeutschland empirische Bestätigung.                     ten. In die obere Mittel- und Oberschicht       wahrnimmt.

u   Tab 5     Subjektive Schichtzugehörigkeit nach sozialen Lagen 2018 — in Prozent
                                                                       Westdeutschland                                    Ostdeutschland
                                                            Unter- /                                           Unter- /
                                                                                         obere Mittel- /                                    obere Mittel- /
                                                           Arbeiter-     Mittelschicht                        Arbeiter-    Mittelschicht
                                                                                          Oberschicht                                        Oberschicht
                                                            schicht                                            schicht

                                                                                                    bis 60 Jahre
    Leitende Angestellte, höhere Beamtenschaft                 7              60               33                   8           77                15
    Hoch qualifizierte Angestellte,
                                                               9              60               30                  10           75                15
    gehobene Beamtenschaft
    Qualifizierte Angestellte, mittlere Beamtenschaft         20              72                8                  26           66                 8
    Einfache Angestellte, Beamtenschaft                       47              51                1                  64           36                 0
    Meister /-innen, Vorarbeiter /-innen                      44              51                5                  42           58                 0
    Facharbeiter /-innen                                      54              45                1                  69           31                 0
    Un-, angelernte Arbeiter /-innen                          76              24                0                  77           23                 0
    Selbstständige, freie Berufe                              15              59               27                  19           67                14
    Arbeitslose                                               59              41                0                  66           34                 0
    Hausfrauen / -männer                                      33              62                5                   /             /                /
    Studium, Lehre                                            22              58               20                  21           69                10
    Vorruhestand                                              33              59                7                  52           43                 5
    Noch nie / nicht erwerbstätig                             49              49                2                  62           32                 6

                                                                                                    ab 61 Jahren
    Noch erwerbstätig                                         20              59               21                  40           54                 6
    Rentner /-innen (ehemalige Arbeiter /-innen)              58              42                0                  74           26                 0
    Rentner /-innen (ehemalige Angestellte, Beamte)           12              75               14                  21           77                 2
    Rentner /-innen (ehemalige Selbstständige)                11              70               19                  30           70                 0

/ Fallzahl zu gering.
Datenbasis: ALLBUS 2018

                                                                                                                                                               277
8 / Sozialstruktur und soziale Lagen 8.2 / Einkommensgerechtigkeit in Deutschland und Europa

      8.2                                                Die Entwicklung der Einkommensunter­
                                                           schiede in Deutschland ist regelmäßig
                                                                                                        gleich zu verteilen. Stark ausgeprägte
                                                                                                        Einkommensungleichheiten laufen die­
      Einkommens­                                         Gegenstand öffentlicher Debatten: Die ei­       sem Prinzip zuwider. Das Bedarfsprinzip
      gerechtigkeit                                        nen brandmarken jegliche noch so kleine
                                                         Zunahme an Einkommensungleichheit
                                                                                                          setzt auf eine Verteilung, die individuell
                                                                                                        unterschiedliche Bedarfe anerkennt. Das
      in Deutschland                                     und sehen darin einen weiteren Beweis          Leistungsprinzip hingegen fordert, dass
      und Europa                                         für die Ungerechtigkeit der Gesellschaft.
                                                         Andere verweisen darauf, dass das Un­
                                                                                                        ­d iejenigen in einer Gesellschaft mehr
                                                                                                         ­erhalten sollten, die höhere Leistungen
                                                           gleichheitsniveau in Deutschland gegen­        erbringen. Ungleichheiten, die auf Leis­
      Jule Adriaans, Stefan Liebig                       über anderen Ländern eher moderat sei          tungsunterschiede zurückzuführen sind,
      Deutsches Institut für Wirtschafts­                und angesichts dessen kein Grund zur           können demnach durchaus als gerecht
      forschung (DIW Berlin)                             Besorgnis bestehe. Es finden sich aber         bewertet werden. Gemäß des Anrechts­
                                                           auch Stimmen, die Einkommensungleich­        prinzips sollten Güter und Lasten auf Ba­
                                                           heiten als notwendigen Bestandteil einer       sis von Statusmerkmalen wie Familienan­
      WZB / SOEP
                                                         (sozialen) Marktwirtschaft sehen, weil           sehen, Herkunft oder in der Vergangen­
                                                         Unterschiede in den individuellen Talen­       heit Erreichtem verteilt werden.
                                                         ten, den getätigten Investitionen in die ei­         In der 2018 / 2019 durchgeführten
                                                           gene Ausbildung oder auch der Leistungs­     9. Welle des European Social Survey (ESS)
                                                           bereitschaft honoriert werden müssten.       wurden Personen aus 27 europäischen
                                                         Antworten auf die Frage, ob Einkommens­        Ländern auch zu ihren Gerechtigkeitsein­
                                                         ungleichheiten groß oder klein, gut oder         stellungen befragt. Auf einer Skala von
                                                           schlecht, gerecht oder ungerecht sind,       1 »stimme stark zu«, 2 »stimme etwas zu«,
                                                           hängen dabei immer auch von der              3 »weder noch«, 4 »lehne etwas ab« und
                                                          ­normativen Perspektive ab, aus der diese     5 »lehne ganz ab« konnten die Befragten
                                                           beleuchtet werden. Die empirische Ge­        ihre Ablehnung oder Zustimmung zu den
                                                         rechtigkeitsforschung zeigt: Menschen          vier Verteilungsprinzipien angeben. In
                                                         unterscheiden sich in ihrer Präferenz für      Abbildung 1 ist dargestellt, wie hoch der
                                                           bestimmte Verteilungen und Verteilungs­      Anteil derjenigen ist, die den jeweiligen
                                                         regeln und damit letztendlich auch in          Prinzipien entweder etwas oder stark zu­
                                                         ­ihrer Bewertung der Einkommensver­              stimmten. Für das Gleichheitsprinzip gab
                                                         teilung. Diese subjektiven normativen            es im europäischen Durchschnitt mit
                                                         Präferenzen und Gerechtigkeitsbewer­           rund 54 % Zustimmung eine knappe
                                                         tungen stehen im Fokus dieses Beitrags.        Mehrheit, allerdings unterschieden sich
                                                                                                          die Länder hier deutlich. Während in
                                                             8.2.1 Unterschiedliche Bewer­              Norwegen nur rund ein Viertel (23 %) der
                                                            tungsmaßstäbe für eine gerechte             Befragten die Verteilung von Gütern und
                                                             Einkommensverteilung                       Lasten nach dem Prinzip der Gleichheit
                                                            Ob Ungleichheiten als gerecht oder unge­    unterstützte, waren es in Portugal mehr
                                                          recht bewertet werden, hängt davon ab,          als drei Viertel (78 %). In Deutschland
                                                             ob die Verteilungsergebnisse den norma­    unterstützten rund 42 % der Befragten
                                                          tiven Vorstellungen, nach welchen Prin­         das Gleichheitsprinzip und lagen damit
                                                             zipien Güter und Lasten in einer Gesell­     deutlich unter dem europäischen Durch­
                                                             schaft verteilt werden sollten, zuwider­     schnitt. u Abb 1
                                                            laufen oder damit übereinstimmen. Auch            Beim Bedarfsprinzip hingegen gehört
                                                          wenn individuelle Vorstellungen von           Deutschland mit 83 % zu den Ländern, in
                                                          ­G erechtigkeit durchaus heterogen sind,        denen sich die im europäischen Vergleich
                                                            ­können vier grundlegende Verteilungs­        stärkste Zustimmung zur Verteilung der
                                                            prinzipien unterschieden werden: Gleich­    Güter nach individuellem Bedarf fand.
                                                             heit, Bedarf, Leistung und Anrecht.        Insgesamt zeigt sich für das Bedarfs­
                                                                 Das Gleichheitsprinzip verlangt,       prinzip auch im europäischen Durch­
                                                           ­Güter und Lasten in einer Gesellschaft        schnitt eine breite Zustimmung (76 %).

278
Einkommensgerechtigkeit in Deutschland und Europa / 8.2 Sozialstruktur und soziale Lagen / 8

u   Abb 1     Zustimmung zu verschiedenen Verteilungsprinzipien im europäischen Vergleich 2018 / 2019 — in Prozent

                         Gleichheitsprinzip                                                                                  Bedarfsprinzip
                                                                  Durchschnitt                                                                                      Durchschnitt
          Norwegen                       22,8                     54,3                                        Tschechien                            46,6            76,4

             Estland                     23,5                                                                     Ungarn                               52,7

         Schweden                           27,9                                                                Slowakei                               53,2

             Litauen                         29,3                                                                  Polen                                   58,7

        Niederlande                          29,4                                                                 Litauen                                  59,7

            Finnland                                37,3                                                        Bulgarien                                  59,8

         Tschechien                                 37,4                                                   Großbritannien                                         72,4

      Deutschland                                     42,2                                                   Montenegro                                           72,5

             Lettland                                      45,2                                                   Estland                                         72,8

     Großbritannien                                        45,3                                               Niederlande                                          74,0

             Ungarn                                        46,4                                                  Lettland                                          74,3

               Polen                                        47,7                                                 Finnland                                          75,1

            Schweiz                                         47,7                                                  Belgien                                          75,4

            Bulgarien                                        50,7                                                Serbien                                            75,6

        Montenegro                                                53,5                                           Kroatien                                            78,4

          Österreich                                              55,2                                             Irland                                            78,5

            Slowakei                                                56,6                                           Italien                                            79,4

             Serbien                                                58,3                                       Frankreich                                                 81,5

               Irland                                                59,2                                      Österreich                                                 81,8

             Belgien                                                 59,5                                        Schweiz                                                  82,1

             Spanien                                                     63,0                                     Zypern                                                  82,4

              Zypern                                                     64,3                                  Norwegen                                                   82,6

          Frankreich                                                        69,9                               Schweden                                                   82,8

            Kroatien                                                            70,8                        Deutschland                                                   83,1

          Slowenien                                                             72,3                             Portugal                                                  84,1

               Italien                                                            76,0                           Spanien                                                   84,6

            Portugal                                                               77,9                        Slowenien                                                    86,6

     »Eine Gesellschaft ist gerecht, wenn Einkommen und Vermögen                                           »Eine Gesellschaft ist gerecht, wenn sie sich um Arme und Bedürftige
     gleichmäßig auf alle Menschen verteilt sind.«                                                         kümmert, unabhängig davon, was diese der Gesellschaft zurückgeben.«

     Dargestellt ist der Anteil der Befragten, die dieser Aussage etwas oder stark zustimmten.
     Datenbasis: ESS Round 9, gewichtet

                     83
                     Prozent betrug 2018/2019 der Anteil der Befragten in
                     Deutschland, die einer Verteilung der Güter nach indi­
                     viduellem Bedarf als Grundlage einer gerechten Gesell-
                     schaft zustimmen. Somit lag Deutschland mit fast
                     7 Prozentpunkten deutlich über dem europäischen
                     Durchschnitt.

                                                                                                                                                                                         279
8 / Sozialstruktur und soziale Lagen 8.2 / Einkommensgerechtigkeit in Deutschland und Europa

      u   Abb 1 (Fortsetzung)           Zustimmung zu verschiedenen Verteilungsprinzipien im europäischen Vergleich 2018 / 2019 — in Prozent

                          Leistungsprinzip                                                                            Anrechtsprinzip
                                                                                    Durchschnitt                             Durchschnitt
          Tschechien                                                      69,7      80,5                  Finnland       4,6 12,5

             Slowakei                                                       72,8                           Litauen        5,7

              Ungarn                                                         73,2                      Schweden           6,2

          Montenegro                                                         73,8                     Niederlande         6,3

              Litauen                                                        74,8                       Frankreich         7,3

             Finnland                                                         75,3                          Italien        7,9

             Spanien                                                           76,1                     Slowenien           9,8

      Großbritannien                                                           76,3                        Zypern           10,4

             Portugal                                                            77,4                     Schweiz           10,5

             Schweiz                                                             78,4                     Spanien               11,3

          Niederlande                                                            78,4                     Kroatien              12,4

                 Irland                                                          78,5               Deutschland                  12,9

           Schweden                                                              79,3                      Ungarn                13,4

                Polen                                                             80,1                   Bulgarien               13,9

            Bulgarien                                                             80,3                    Portugal               14,6

             Kroatien                                                               81,0                Norwegen                  14,8

           Norwegen                                                                 81,4           Großbritannien                 16,3

                Italien                                                             81,8                   Belgien                16,4

              Belgien                                                               82,2                    Polen                 16,5

              Serbien                                                               82,8                   Estland                 18,6

           Frankreich                                                               82,8                Österreich                  19,1

               Zypern                                                                83,6             Montenegro                       19,3

              Lettland                                                                84,5             Tschechien                       21,1

       Deutschland                                                                      86,2              Serbien                       21,4

           Slowenien                                                                    87,2              Lettland                      22,0

              Estland                                                                    88,4               Irland                            28,0

           Österreich                                                                      90,3          Slowakei                              30,3

      »Eine Gesellschaft ist gerecht, wenn hart arbeitende Menschen                                 »Eine Gesellschaft ist gerecht, wenn Menschen aus Familien mit
      mehr verdienen als andere.«                                                                   hoher gesellschaftlicher Stellung Privilegien in ihrem Leben genießen.«

      Dargestellt ist der Anteil der Befragten, die dieser Aussage etwas oder stark zustimmten.
      Datenbasis: ESS Round 9, gewichtet

      Lediglich in Tschechien fand sich mit                                    gerechten Gesellschaft in ganz Europa                     ­genoss, fand eine Verteilung nach dem
      47 % keine mehrheitliche Zustimmung.                                     eine breite Zustimmung. Deutschland                       ­ nrechtsprinzip – also auf Basis zuge­
                                                                                                                                         A
         Das Leistungsprinzip ist ein zentraler                                liegt mit einer Zustimmungsrate von                        schriebener oder erworbener Status­
      normativer Pfeiler moderner Gesellschaf­                                 86 % deutlich über dem europäischen                       merkmale – kaum Unterstützung in Euro­
      ten. Wer mehr leistet, sollte auch mehr                                  Durschnitt von 81 %.                                      pa. Im europäischen Durchschnitt stimm­
      bekommen. Wenig überraschend fand                                            Während Leistung als gerechtes Ver­                   te lediglich jede / jeder Achte (13 %) dem
      das Leistungsprinzip als Grundlage einer                                 teilungskriterium hohe Anerkennung                        Anrechtsprinzip zu. Deutschland liegt

280
Einkommensgerechtigkeit in Deutschland und Europa / 8.2 Sozialstruktur und soziale Lagen / 8

u Info 1                                                                                                   u Abb 2 Anteil der Erwerbstätigen in
Datengrundlage                                                                                             Deutschland, die ihr Brutto- und
 Der European Social Survey (ESS) ist eine länderübergreifende Befragung, die seit 2002
                                                                                                           Nettoeinkommen als gerecht ansehen
  alle zwei Jahre in vielen europäischen Ländern durchgeführt wird. In der 2018 / 2019 durch­              2017 und 2019 — in Prozent
 geführten 9. Welle des ESS, wurden Personen aus 27 europäischen Ländern zu ihren
­Gerechtigkeitseinstellungen b ­ efragt. Im Fokus stand unter anderem die Gerechtigkeitsbewertung
von Einkommen. Die Bewertung erfolgte dabei jeweils über eine 9-stufige Skala, die zwischen
  ungerechterweise zu niedrigen, g   ­ erechten und ungerechterweise zu hohen Einkommen
 ­u nterscheidet. Die Skala verläuft von –­ 4 bis + 4, wobei negative Werte ungerechte Unter­                               48,8           50,0
 bezahlung und positive un­g erechte Überbezahlung anzeigen. Der Skalenmittelpunkt 0 gibt an,                                      43,8           43,4
 dass ein Einkommen als gerecht bewertet wird. In Deutschland wurden dafür 2 358 Personen
 befragt; in ganz Europa waren es insgesamt rund 47 000 Menschen, die an der Befragung
teilgenommen haben. Die 9. Welle des ESS stellt damit r­ epräsentative Befragungsdaten zur
Verfügung, die einen einmaligen, vergleichenden Einblick in die Wahrnehmung von Gerechtig-
 keit in Europa erlauben.

Als zweite Datenquelle dient das Sozio-oekonomische Panel (SOEP). Das SOEP ist eine
 ­jährlich am DIW Berlin durchgeführte repräsentative Wiederholungsbefragung privater Haus-
 halte und Personen in Deutschland. Das SOEP deckt eine Vielzahl von Themen ab: 2017
 und 2019 wurden die Per­sonen dazu befragt, als wie gerecht oder ungerecht sie ihr eigenes
Einkommen bewerten. Die hier berichteten Ergebnisse beruhen auf rund 30 000 Angaben.                                          2017          2019
Ähnlich wie beim ESS konnten die e  ­ rwerbstätigen Befragten abstufen, ob sie ihr Einkommen
 als ungerecht zu niedrig, gerecht oder ungerecht zu hoch bewerten. Zusätzlich dazu wurden                                Brutto          Netto
 sie gebeten ­a nzugeben, wie hoch ihr tatsächliches Einkommen ausfällt und wie hoch ein
­g erechtes Einkommen für sie persönlich aus­sehen sollte.                                                     Dargestellt ist der Anteil derjenigen Erwerbstätigen,
                                                                                                               die ihr eigenes Einkommen auf einer 11-stufigen Skala
                                                                                                               von – 5 (ungerechterweise zu niedrig) bis + 5 (ungerechter-
                                                                                                               weise zu hoch) mit 0 (gerecht) bewerteten.
                                                                                                               Datenbasis: SOEP v35 (2017); SOEP-Vorabdaten (2019),
                                                                                                               gewichtet

hier genau im europäischen Mittelfeld.                 8.2.2 Wahrnehmung des eigenen                       wenn das Nettoeinkommen – also das
Auch wenn in der Slowakei und in Irland               Einkommens als gerecht                               Einkommen nach Abzügen und Steuern –
die Zustimmungsraten fast ein Drittel                 Bei den Gerechtigkeitsprinzipien Gleich­             beurteilt wird. Hier lag der Anteil der Er­
(30 %) erreichten, spielte das Anrechts­               heit, Bedarf, Leistung und Anrecht                  werbstätigen, die ihr Nettoeinkommen
prinzip für die Bürgerinnen und Bürger                ­handelt es sich um abstrakte normative              als gerecht empfinden, 2017 bei rund 44 %
in Europa eher eine geringere Rolle für               Verteilungsprinzipien, also um Vorstel­              und im Jahr 2019 bei etwa 43 %. Damit
eine gerechte Verteilung von Gütern                   lungen darüber, wie eine gerechte Gesell­            empfand zwar fast jede / jeder Zweite in
und Lasten.                                            schaft ihre Güter und Lasten idealerweise           Deutschland die Höhe des eigenen Ein­
     Insgesamt zeigt der Vergleich der 27             verteilen sollte. Wie jedoch steht es um             kommens als gerecht; im Umkehrschluss
europäischen Länder, dass sowohl das                   die Gerechtigkeitswahrnehmung in                    bedeutet dies aber auch, dass die andere
Leistungs- als auch das Bedarfsprinzip                Deutschland, wenn es ganz konkret um                 Hälfte der Erwerbstätigen Ungerechtig­
die Vorstellungen der Menschen von                     das eigene Einkommen geht? Wird dieses              keit in Bezug auf das eigene Einkommen
­einer gerechten Verteilung der Güter und              als gerecht empfunden? Um sich dieser               wahrnimmt. Dabei gilt, dass der Abzug
Lasten in einer Gesellschaft mehrheitlich             Frage zu nähern, werden hier neben den               von Steuern und Sozialversicherungs­
prägt. Beide Prinzipien schließen sich                Ergebnissen des European Social Survey               beiträgen den Anteil derjenigen, die ihr
 also keineswegs aus. Vielmehr geht die               Daten des Sozio-oekonomischen Panels                 Einkommen als ungerecht empfinden, er­
Erwartung, dass individuelle Leistungen               (SOEP) aus den Jahren 2017 und 2019                  höht. u Abb 2
belohnt werden sollten, mit einer breiten             verwendet. u Info 1                                      In den repräsentativen Befragungs­
Befürwortung des Prinzips einher, dass                     In den Jahren 2017 und 2019 empfand             daten des European Social Survey (ESS)
eine grundlegende Bedarfsabsicherung                  knapp die Hälfte der Beschäftigten in                zeigt sich, dass Deutschland bei der
Teil einer gerechten Gesellschaft ist.                Deutschland das eigene Bruttoeinkom­                 wahrgenommenen Einkommensgerech­
In Deutschland finden das Leistungs-                  men – also das Einkommen, das sie ohne               tigkeit im europäischen Mittelfeld liegt.
und Bedarfsprinzip besonders hohe und                 Abzüge von Steuern oder Sozialversiche­              Während laut Daten des ESS 47 % der
mehrheitliche Zustimmung, das Gleich­                 rungsbeiträgen bekommen – als gerecht.               Erwerbstätigen in Deutschland ihr Brut­
heitsprinzip hingegen nicht.                          Dieser Anteil fällt deutlich niedriger aus,          toeinkommen als gerecht bewerteten,

                                                                                                                                                                             281
8 / Sozialstruktur und soziale Lagen 8.2 / Einkommensgerechtigkeit in Deutschland und Europa

      u Abb 3 Anteil der Erwerbstätigen in verschiedenen europäischen Ländern,                                                 8.2.3 Gerechtigkeitsbewertung der
      die ihr Bruttoeinkommen als gerecht ansehen 2018 / 2019 — in Prozent                                                    Einkommensverteilung
                                                                                                                              Wie würde die Einkommensverteilung in
                                                                    Durchschnitt
                                                                                                                              Deutschland aussehen, wenn alle das
                      Bulgarien                  18,7               43,5                                                      Bruttoeinkommen erhalten würden, wel­
                        Serbien                   19,9
                                                                                                                               ches sie als gerecht erachten? In der Be­
                                                                                                                              fragung des Sozio-oekonomischen Panels
                        Ungarn                    20,1
                                                                                                                              (SOEP) wurde nicht nur danach gefragt,
                   Montenegro                        24,1
                                                                                                                               ob das eigene Einkommen als gerecht
                        Litauen                       26,2                                                                    wahrgenommen wird, sondern auch nach
                          Polen                          29,9                                                                  der Höhe, die das eigene Einkommen
                      Slowakei                           30,2                                                                 ­h aben müsste, um gerecht zu sein. Für
                       Kroatien                             32,4
                                                                                                                              Personen, die ihr Einkommen als gerecht
                                                                                                                              bewerten, sind tatsächliches und gerech­
                         Zypern                             32,7
                                                                                                                              tes Einkommen identisch, für alle ande­
                       Portugal                             33,9
                                                                                                                              ren unterscheidet sich der gerechte vom
                    Tschechien                              33,9                                                              tatsächlichen Einkommensbetrag. Be­
                     Frankreich                              35,8                                                             rechnet man aus diesen Angaben eine aus
                       Spanien                                36,3                                                            Perspektive der Befragten »gerechte« Ein­
                          Italien                             36,7
                                                                                                                              kommensverteilung, kann diese mit der
                                                                                                                              tatsächlichen Einkommensverteilung
                       Lettland                               37,1
                                                                                                                              verglichen werden. Der Vergleich in Ab­
                     Slowenien                                37,1
                                                                                                                              bildung 4 zeigt, dass eine solche »gerech­
                        Estland                                 38,5                                                          te« Einkommensverteilung gegenüber
                 Deutschland                                           47,0                                                    der realen Verteilung leicht nach rechts
                       Finnland                                         49,7                                                  verschoben ist, die Beschäftigten in
                    Schweden                                                  55,1                                            Deutschland in einer »gerechten« Welt
                       Schweiz
                                                                                                                               also mehr Gehalt für ihre Arbeit bekom­
                                                                              56,0
                                                                                                                              men würden. Besonders deutlich ist diese
                     Österreich                                               56,3
                                                                                                                              Verschiebung bei Personen mit niedrigen
                        Belgien                                                57,7
                                                                                                                              und mittleren Einkommen. In ihrem
                           Irland                                              58,4                                           Verlauf sind die beiden Einkommens­
                Großbritannien                                                  59,4                                          verteilungen dagegen weitestgehend
                     Norwegen                                                    62,1                                         identisch. u Abb 4
                   Niederlande                                                        65,5
                                                                                                                                   Die Verteilung auf Basis »gerechter«
                                                                                                                              persönlicher Einkommen folgt offenbar
                                                                                                                              keinem Gleichheitsideal. Auch wenn alle
          Dargestellt ist der Anteil derjenigen Erwerbstätigen, die ihr eigenes Bruttoeinkommen auf einer 9-stufigen Skala    befragten Beschäftigten das Einkommen
          von – 4 (Einkommen ist zu niedrig, äußerst ungerecht) bis + 4 (Einkommen ist zu hoch, äußerst ungerecht)
          mit 0 (Einkommen ist gerecht) bewerteten.                                                                           bekämen, das sie für sich persönlich als
          Datenbasis: ESS Round 9, gewichtet.
                                                                                                                               gerecht bewerten, würde es nach wie vor
                                                                                                                               deutliche Einkommensungleichheiten in
                                                                                                                              Deutschland geben. Dies spiegelt sich
                                                                                                                               auch in der vergleichsweise geringen Zu­
                                                                                                                               stimmung für das Gleichheitsprinzip
      liegen diese Anteile in vielen süd- und                                   Anteil der Erwerbstätigen, die sich als ge­   und der hohen Zustimmung zum Leis­
      osteuropäischen Ländern deutlich unter                                    recht entlohnt empfinden, deutlich höher      tungsprinzip wider, die in den europä­
      40 %. Die deutschen Nachbarländer                                         als in Deutschland. Im europä­ischen Ver­     isch vergleichenden Daten sichtbar wur­
      Schweiz, Österreich, die Niederlande                                      gleich lässt sich damit für Deutschland        den. Hier sei jedoch angemerkt, dass für
      und Belgien schnitten hingegen mit                                        durchaus Nachholbedarf beim Thema              die Berechnung der »gerechten« Einkom­
      Werten zwischen 56 % und 65 % deutlich                                    Einkommensgerechtigkeit konstatieren.         mensverteilung nur berücksichtigt wur­
      besser ab. Auch in Schweden, ­Irland,                                     Das gilt besonders im Vergleich zu den         de, welches Einkommen Erwerbs­tätigte
      Großbritannien und Norwegen war der                                       westeuropäischen Nachbarn. u Abb 3            in Deutschland für sich selbst als gerecht

282
Einkommensgerechtigkeit in Deutschland und Europa / 8.2 Sozialstruktur und soziale Lagen / 8

betrachten würden. Bei der Frage, wie ge­      u Abb 4 Tatsächliche und gerechte Verteilung der Bruttoerwerbseinkommen

recht die Einkommensverteilung in              in Deutschland 2017 / 2019
Deutschland ist, geht es hingegen nicht
nur um das eigene Einkommen, sondern              0,00030
auch um die Einkommen anderer. Auch
wenn ich mich selbst gerecht entlohnt             0,00025
fühle, kann ich ungerecht finden, was
andere Menschen um mich herum ver­
                                                  0,00020
dienen.
    In der 2018 / 2019 erhobenen 9. Welle
                                                  0,00015
des European Social Survey (ESS) wurden
alle Befragten gebeten, jeweils anzugeben,
                                                  0,00010
wie sie niedrige und hohe Einkommen in
ihrem Land bewerten. Dazu sollten die
                                                  0,00005
Befragten an die untersten und obersten
10 % der höchstverdienenden Vollzeitbe­
                                                  0,00000
schäftigten denken. Zusätzlich wurden                        0      1 000     2 000     3 000     4 000     5 000     6 000     7 000     8 000     9 000     10 000
ihnen Informationen zu den tatsächli­                                                        Bruttoerwerbseinkommen in Euro
chen Bruttoeinkommen dieser Gruppe
präsentiert. In Deutschland waren die                            tatsächliches Einkommen              gerechtes Einkommen

entsprechenden Einkommensgrenzen
                                                  Dargestellt ist die geglättete Einkommensverteilung (Kerndichteschätzung). Aus Darstellungsgründen wurden
»über 5 800 Euro« für hohe Einkommen              Einkommen über 10 000 Euro monatlich aus der Berechnung der Dichtefunktion ausgeschlossen.
                                                  Datenbasis: SOEP v35 (2017); SOEP-Vorabdaten (2019), gewichtet. Nur abhängig Beschäftige in Vollzeit.
und »unter 1 700 Euro« für niedrige Ein­          Gepoolte Angaben aus 2017 und 2019

kommen. Zur Bewertung verwendeten

         47
         Prozent aller Erwerbstätigen sahen 2018 / 2019
         ihr Brutto­einkommen als gerecht an.
         In den deutschen Nachbarländern Schweiz,
         Österreich, Niederlande und Belgien lag der
         Anteil deutlich höher.

                                                                                                                                                                       283
8 / Sozialstruktur und soziale Lagen 8.2 / Einkommensgerechtigkeit in Deutschland und Europa

      u Abb 5 Durchschnittliche Gerechtigkeitsbewertung                                                    u Abb 6 Durchschnittliche Gerechtigkeitsbewertung
      niedriger Einkommen in Europa 2018 / 2019                                                            hoher Einkommen in Europa 2018 / 2019

                                                                     Durchschnitt                                                                Durchschnitt
                                                                     – 2,3                                                                       0,7

               Schweden                            – 1,2                                                             Bulgarien     0,0

                  Finnland                                 – 1,7                                                         Polen           0,3

               Tschechien                                  – 1,7                                                      Lettland           0,3

              Niederlande                                  – 1,7                                                  Tschechien              0,4

                Norwegen                                    – 1,8                                                      Ungarn             0,4

                     Irland                                  – 1,9                                                 Schweden                0,4

           Großbritannien                                     – 1,9                                                    Litauen             0,4

                   Belgien                                    – 1,9                                                    Estland             0,5

                Frankreich                                     – 2,0                                            Deutschland                0,5

                  Schweiz                                          – 2,1                                                 Irland                0,5

                   Litauen                                           – 2,2                                             Serbien                  0,6

            Deutschland                                              – 2,2                                     Großbritannien                   0,6

                     Polen                                            – 2,3                                         Frankreich                  0,6

                   Ungarn                                                    – 2,6                                  Norwegen                     0,7

                Österreich                                                     – 2,7                                  Finnland                   0,7

                     Italien                                                   – 2,8                                  Spanien                    0,7

                  Spanien                                                       – 2,8                                Slowakei                          0,9

                 Slowakei                                                       – 2,8                                 Schweiz                          0,9

                  Lettland                                                       – 2,8                                Kroatien                           1,0

                Slowenien                                                        – 2,9                                 Belgien                           1,1

                   Estland                                                       – 2,9                                Portugal                           1,1

              Montenegro                                                             – 2,9                        Niederlande                                1,1

                  Kroatien                                                           – 3,0                          Slowenien                                1,2

                   Serbien                                                             – 3,1                      Montenegro                                   1,3

                  Portugal                                                               – 3,2                      Österreich                                 1,3

                 Bulgarien                                                                – 3,3                          Italien                                     1,5

                    Zypern                                                                   – 3,3                      Zypern                                             1,9

          Dargestellt ist die durchschnittliche Bewertung von niedrigen Bruttoeinkommen im eigenen Land.       Dargestellt ist die durchschnittliche Bewertung von hohen Bruttoeinkommen im eigenen Land.
          Mittelwerte auf einer 9-stufigen Skala von – 4 (Einkommen sind zu niedrig, äußerst ungerecht)        Mittelwerte auf einer 9-stufigen Skala von – 4 (Einkommen sind zu niedrig, äußerst ungerecht)
          über 0 (Einkommen sind gerecht) bis + 4 (Einkommen sind zu hoch, äußerst ungerecht).                 über 0 (Einkommen sind gerecht) bis + 4 (Einkommen sind zu hoch, äußerst ungerecht).
          Datenbasis: ESS Round 9, gewichtet                                                                   Datenbasis: ESS Round 9, gewichtet

      die Befragten eine 9-stufige Skala, die                                  positive Werte anzeigen, dass die Einkom­                        als ungerecht und zu niedrig bewertet,
      von – 4 »niedrige Einkommen, äußerst un­                                 men als ungerechterweise zu hoch bewer­                          hohe Einkommen als ungerecht und zu
      gerecht« über 0 »gerechtes Einkommen«                                    tet werden.                                                      hoch. Allerdings ist das Ausmaß der
      bis + 4 »hohe Einkommen, äußerst un­                                         In den Abbildungen 5 und 6 ist die                           empfundenen Ungerechtigkeit in Bezug
      gerecht« verläuft. Negative Werte zeigen                                 durchschnittliche Bewertung für verschie­                        auf niedrige Einkommen deutlich stärker.
      an, dass die Einkommen als ungerechter­                                  dene Länder dargestellt. In ganz Europa                          Deutschland liegt hier mit einem Wert
      weise zu gering bewertet werden, während                                 wurden niedrige Einkommen im Schnitt                             von – 2,2 im europäischen Mittelfeld. Am

284
Einkommensgerechtigkeit in Deutschland und Europa / 8.2 Sozialstruktur und soziale Lagen / 8

geringsten wurden niedrige Einkommen         Niveau des europäischen Durchschnitts.
in Tschechien und Finnland als unge­         Bei der Zustimmung zum Gleichheits­
recht eingestuft. Am stärksten wurde die     prinzip, also einer gleichmäßigen Vertei­
Ungerechtigkeit dagegen in Bulgarien         lung von Gütern und Lasten, zeigen sich
und Zypern empfunden. Hohe Einkom­           zum Teil deut­liche Länderunterschiede.
men wurden in Deutschland mit einem          Dabei findet eine Verteilung nach dem
Durchschnitt von 0,5 nur in geringem         Prinzip der Gleichheit in Deutschland
Maße als ungerecht bewertet. Hier gehört     eine vergleichsweise niedrige Zustim­
Deutschland im europäischen Vergleich        mung. Nimmt man individuelle Ein­
eher zu den Ländern, die wenig Unge­         kommen in den Blick, so waren 2017 und
rechtigkeit bezüglich des oberen Endes       2019 knapp die Hälfte der Erwerbstäti­
der Einkommensverteilung äußern. In          gen in Deutschland der Meinung, dass
Italien und Österreich war die Ungerech­     ihre Bruttoeinkommen gerecht sind. Mit
tigkeitswahrnehmung hoher Einkommen          diesen Werten liegt Deutschland im Be­
fast dreimal, in Zypern fast viermal so      reich des europäischen Durchschnitts.
hoch wie in Deutschland. Übereinstim­        Nachbarländer wie die Schweiz, Öster­
mend findet sich in diesen drei Ländern      reich, die Niederlande und Belgien
eine im Vergleich zu Deutschland deut­       schneiden jedoch deutlich besser ab. Ob­
lich höhere Präferenz für das Gleichheits­   wohl viele Menschen in Deutschland ihr
prinzip. u Abb 5, Abb 6                      Einkommen als ungerecht bewerten,
                                             würde eine Einkommensverteilung, die
8.2.4 Zusammenfassung und Fazit              sich daran orientiert, welches Einkom­
Eine Grundannahme der empirischen            men Erwerbstätige für sich selbst als ge­
Gerechtigkeitsforschung lautet, dass Un­     recht ansehen, nach wie vor große Unter­
gleichheit vor allem dann mit negativen      schiede aufweisen. Allerdings würden in
gesellschaftlichen Konsequenzen ver­         einer solchen »gerechten« Welt vor allem
bunden ist, wenn die Ungleichheit als        diejenigen mit niedrigen und mittleren
ungerecht bewertet wird. Ein Blick auf       Einkommen mehr verdienen. Auch in
die normativen Vorstellungen in Bezug        Bezug auf die Frage, wie gerecht oder un­
auf eine gerechte Verteilung in Europa       gerecht die Einkommen am oberen und
zeigt: Die individuelle Leistung und der     unteren Ende der Einkommensvertei­
individuelle Bedarf sind anerkannte          lung wahrgenommen werden, zeigt sich,
Prinzipien für eine gerechte Einkom­         dass vor allem die niedrigen Einkommen
mensverteilung. Die Zustimmung in            als ungerecht eingestuft werden. Demge­
Deutschland für diese beiden Vertei­         genüber fällt die Ungerechtigkeitswahr­
lungsprinzipien liegt noch einmal deut­      nehmung in Bezug auf hohe Einkommen
lich über dem insgesamt schon hohen          nur schwach aus.

                                                                                                                                                   285
8 / Sozialstruktur und soziale Lagen 8.3 / Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten und deren Nachkommen

      8.3                                                Im Jahr 2018 lebten rund 20,8 Millionen
                                                         Menschen mit Migrationshintergrund in
                                                                                                              Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan, Irak,
                                                                                                             Eritrea, Somalia, Iran, Pakistan und den
      Lebenssituation                                    Deutschland, was etwa 20 % der Gesamt­              Nachfolgestaaten Jugoslawiens.
      von Migrantinnen                                   bevölkerung ausmachte (siehe dazu Kapi­
                                                         tel 1.2, Seite 30). Bei der Bevölkerung mit
                                                                                                                  In Kapitel 1.2 wurden bereits Grund­
                                                                                                              daten zur Bevölkerung mit Migrations­
      und Migranten,                                     Migrationshintergrund handelt es sich                hintergrund auf Basis des Mikrozensus
      deren Nach-                                        im Hinblick auf Herkunft und Migrati­
                                                         onsbiografie um eine äußerst heterogene
                                                                                                              präsentiert. In diesem Kapitel wird die
                                                                                                             Lebenssituation von Migrantinnen und
      kommen und                                         Bevölkerungsgruppe. Nach dem Zweiten                Migranten und deren Nachkommen so­
      Geflüchteten in                                    Weltkrieg verlagerten zahlreiche Migran­
                                                         tinnen und Migranten aus den sogenann­
                                                                                                             wie von Geflüchteten mit den Daten des
                                                                                                              Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) für
      Deutschland                                        ten Gastarbeiterländern, zu denen auch              2018 beschrieben. Dabei werden unter­
                                                         das frühere Jugoslawien sowie die Türkei             schiedliche Lebensbereiche genauer be­
                                                         zählten, ihren Lebensmittelpunkt in die              trachtet, etwa der Bildungsstand, die Be­
      Maria Metzing
                                                         Bundesrepublik Deutschland und holten                schäftigungsstruktur und das Einkom­
      Deutsches Institut für Wirtschafts­
                                                         anschließend ihre Familien nach. Nach                men, die gesundheitliche Situation, die
      forschung (DIW Berlin)
                                                         der deutschen Vereinigung siedelten viele            soziale sowie sprachliche Integration und
                                                         Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler               kulturelle Orientierungen. Darüber hin­
      WZB/SOEP                                           aus Rumänien, Polen und den Gebieten                 aus werden ausgewählte Bereiche des
                                                         der ehemaligen Sowjetunion in das ver­              ­Lebens von Migrantinnen und Migranten
                                                         einigte Deutschland über. Darüber hin­               und deren Nachkommen mit der Situation
                                                         aus stellten zu Beginn der 1990er-Jahre             von Geflüchteten verglichen. u Info 1
                                                         zahlreiche Geflüchtete aus den Balkange­
                                                         bieten Asylanträge in Deutschland. Seit             8.3.1 Bildungsabschlüsse
                                                         den EU-Osterweiterungen (ab 2004)                   Mit Blick auf den höchsten Bildungsab­
                                                         kommt ein großer Anteil von Migrantin­              schluss (nach ISCED »International Stan­
                                                         nen und Migranten aus osteuropäischen               dard Classification of Education«, siehe
                                                         EU-Ländern nach Deutschland, etwa aus               Kapitel 2.1, Seite 53, Info 2) lassen sich
                                                         Polen und der Slowakei. Zudem stieg seit            große Unterschiede zwischen der Bevölke­
                                                         2011 auch die Zahl der Asylanträge. Hier­           rung mit und ohne Migrationshintergrund
                                                         bei handelte es sich hauptsächlich um               feststellen. Personen mit Migrations­

                                                         u Info 1
                                                         Definitionen
                                                         Personen mit Migrationshintergrund sind entweder selbst zugewandert oder haben mindestens einen
                                                         zugewanderten Elternteil. Um die Heterogenität der Personen mit Migrationshintergrund zu beschreiben,
                                                         werden Migrantinnen und Migranten, einschließlich Geflüchteter und Migrantennachkommen, folgender
                                                         fünf Herkunftsgruppen betrachtet: aus der Türkei, aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens, aus den
                                                         ehemaligen Anwerbestaaten Südwesteuropas (Italien, Spanien, Griechenland, Portugal), (Spät-)Aus-
                                                         siedlerinnen und (Spät-)Aussiedler sowie Personen aus osteuropäischen Ländern. Die Zugehörigkeit zu
                                                         einer Herkunftsgruppe wurde von dem Geburtsland der Befragten oder deren Eltern abhängig gemacht.
                                                         Falls keine eindeutige Zuordnung zu einer Herkunftsgruppe möglich war, wurden die Befragten nur der
                                                         Gesamtgruppe der Migrantinnen und Migranten zugeordnet, etwa wenn die Mutter in Griechenland und
                                                         der Vater in der Türkei geboren wurde. Insofern umfasst die Gruppe der Personen mit Migrationshinter-
                                                         grund nicht nur die fünf differenzierten Herkunftsgruppen.

                                                         Gesondert betrachtet werden Geflüchtete, die ab 2013 in Deutschland eingereist sind. Als Geflüchtete
                                                         werden in diesem Kapitel alle Personen bezeichnet, die nach ihrer Ankunft in Deutschland einen Asyl­
                                                         antrag gestellt haben. Hierbei handelte es sich hauptsächlich um Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan,
                                                         Irak, den Nachfolgestaaten Jugoslawiens, Eritrea, Somalia, Iran sowie Pakistan. Ebenfalls gesondert
                                                         ausgeführt werden die 17- bis 45-jährigen Migrantennachkommen, die entweder schon in Deutschland
                                                         geboren wurden oder vor dem siebten Lebensjahr nach Deutschland zugewandert sind und dement-
                                                         sprechend in Deutschland die Schule besucht haben. Personen, die 2018 jünger als 17 Jahre alt waren,
                                                         bleiben in diesem Kapitel unberücksichtigt. Insgesamt wurden rund 19 800 Personen ohne und rund
                                                         11 000 Personen mit Migrationshintergrund befragt. Je nach Item kann die Zahl der Personen variieren.

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