Arbeitshilfe Kinder- und Jugendschutz in Einrichtungen - Gefährdung des Kindeswohls innerhalb von Institutionen - Der ...

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Arbeitshilfe Kinder- und Jugendschutz in Einrichtungen - Gefährdung des Kindeswohls innerhalb von Institutionen - Der ...
Arbeitshilfe
Kinder- und Jugendschutz in Einrichtungen

Gefährdung des Kindeswohls
innerhalb von Institutionen
deutscher paritätischer wohlfahrtsverband gesamtverband e. V. | www.paritaet.org
Inhalt

Vorwort           ..............................................................................................................................................................................................    1

Teil 1: Machtmissbrauch in Institutionen

Kindeswohlgefährdungen durch Mitarbeiter/-innen und durch Kinder und Jugendliche .......................                                                                                                            3
      Einleitung .........................................................................................................................................................................                          3
      Differenzierung möglicher Formen von Gewalt ................................................................................................                                                                  4
      Strafrechtlich relevante Formen der Gewalt .......................................................................................................                                                            6

Prävention .................................................................................................................................................................                                        7
       Empfehlungen für präventive Schutzkonzepte in Einrichtungen ...............................................................                                                                                  7
       Hinweis zum Recht auf das eigene Bild ..............................................................................................................                                                         8
       Zum Umgang mit Fotos von Kindern und Jugendlichen ..............................................................................                                                                             8
       Verhaltenskodex für Mitarbeiter/-innen ...............................................................................................................                                                       9
       Beteiligung als Aspekt von Prävention ...............................................................................................................                                                       12

Intervention ....................................................................................................................................                                                                  17
	Verfahrensablauf bei vermutetem Machtmissbrauch, Übergriffe und Gewalt
       durch Fachkräfte in Institutionen ..........................................................................................................................                                                17
       Verfahrensregelungen zum Rehabilitationsverfahren ..................................................................................                                                                        22
       Wenn Kinder und Jugendliche übergriffig werden ......................................................................................                                                                       24

Leitfragen zur Erstellung einer einrichtungsindividuellen Risikoanalyse ............................................... 30
        1. Zielgruppe ................................................................................................................................................................ 31
        2. Personalentwicklung ............................................................................................................................................ 35
        3. Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten aller relevanten Bezugsgruppen ........................... 39

Teil 2: Umsetzung des §8a SGB Vlll

Einleitung             ............................................................................................................................................................                                41

Verfahrensablauf                     ....................................................................................................................................................                          43

Dokumentation nach § 8a SGB VIII                                            ................................................................................................................. 51

Rechtliche Rahmenbedingungen                                          ......................................................................................................................                       61

Impressum                 ................................................................................................................................................                                         63

                                                                                                         2
Vorwort

Der Schutz von                Kindern und Jugend-                       Fachkräfte möglichst zu verhindern. Diesen Leitli-
lichen vor Gefahren für ihr Wohl ist eine Aufgabe                       nien und den Vorgaben des Kinderschutzgesetzes
der Gesellschaft und des Staates. In der Kinder- und                    folgt Teil 1 dieser Arbeitshilfe.
Jugendhilfe ist dieser Schutz Anliegen und Aufgabe
von öffentlichen wie freien Trägern. Dies gilt nicht                    Ziel der Arbeitshilfe ist es, Verantwortungsträger von
erst seit Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfe-                    Institutionen und pädagogische Fachkräfte darüber
gesetzes 19911. In der Folge öffentlich breit disku-                    zu informieren, was zu beachten ist, wenn die Insti-
tierter Fälle von Kindesmisshandlung und -vernach-                      tution eine Vereinbarung nach § 8a Abs. 4 SGB VIII
lässigung wuchs das Bedürfnis, diesen Schutzauftrag                     abschließen möchte. Sie will zum Nachdenken über
gesetzlich zu konkretisieren.                                           den Kinderschutz in der Einrichtung anregen. Wich-
                                                                        tig ist uns zu betonen, dass sich am Kerngeschäft der
Durch Hinzufügung des § 8 a SGB VIII ist dies im Kin-                   pädagogischen Arbeit durch diese Konkretisierung
der- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK)                     des Schutzauftrags der Kinder- und Jugendhilfe
zum 1. Januar 2005 geschehen. Diese Regelung ver-                       nichts ändert. Wenn allerdings Kindeswohlgefähr-
pflichtet die Jugendämter einerseits, bestimmte Ver-                    dungen oder Verdachtsfälle wahrgenommen wer-
fahren einzuhalten, wenn ihnen gewichtige Ansatz-                       den, dann dienen konkret geregelte Verfahren der
punkte für Gefahren für das Wohl von Kindern bekannt                    Unterstützung und der Entscheidung, wie sie hier
werden. Andererseits werden sie dazu verpflichtet, in                   dargestellt sind, als große Hilfe für alle Beteiligten.
Vereinbarungen mit freien Trägern sicherzustellen,
dass diese den Schutzauftrag in entsprechender Wei-                     Diese Arbeitshilfe richtet sich an alle Institutionen,
se wahrnehmen. Diese Vereinbarungen verpflichten                        die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Darun-
Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vermu-                        ter verstehen wir Einrichtungen aller Arbeitsfelder
teten Kindswohlgefährdungen nachzugehen, Hand-                          der Jugendhilfe (Kindertageseinrichtungen, offene
lungsschritte und Informationen zu dokumentieren,                       und stationäre sowie ambulante Jugendhilfe, etc.)
Eltern, Kindern und Jugendlichen Hilfe anzubieten,                      und der Eingliederungshilfe. Diese Breite der Ziel-
Unterstützung durch sogenannte Kinderschutzfach-                        gruppe macht es für die Leser/-innen notwendig,
kräfte einzuholen und als Ultima Ratio das Jugendamt                    besondere Aspekte für das eigene Arbeitsfeld ge-
zu informieren, wenn die Sorge um das Kindeswohl                        danklich einzubeziehen und eventuell die Anregung
nicht ausgeräumt werden kann. In Teil 2 dieser Ar-                      der Arbeitshilfe an der einen oder anderen Stelle zu
beitshilfe finden Sie wichtige Aspekte dieses Themas,                   modifizieren oder zu ergänzen. Diese Arbeitshilfe
empfohlene Handlungsschritte und Beispiele für Do-                      wird nur zum hilfreichen Instrument, wenn Sie kon-
kumentationsunterlagen.                                                 kret Ihre Arbeitspraxis überdenken, gemeinsam mit
                                                                        Fachkräften in den fachlichen Dialog treten, Hilfs-
Mit dem Bundeskinderschutzgesetz vom 1. Januar                          mittel und -angebote in Ihrer Institution verankern
2012 wurden diese Regelungen überarbeitet und                           und das Thema Kinderschutz auf der Grundlage ge-
unter ausdrücklicher Hervorhebung des Aspekts der                       schriebener Konzepte täglich leben.
Gefährdung des Kindeswohls innerhalb der Instituti-
onen erweitert. Nach einer erneuten Welle öffentlich                    Mit der Ihnen vorliegenden Arbeitshilfe wollen wir
gewordener eklatanter Missbrauchsfälle empfiehlt                        Sie stärken und Ihnen Handlungsmöglichkeiten im
der eigens von der Bundesregierung eingesetz-                           Umgang mit Verdachtsfällen bei Machtmissbrauch,
te „Runde Tisch“2 Handlungsleitlinien, um jegliche                      Übergriffen und Gewalt aufzeigen und Sie und Ihr
Formen von Machtmissbrauch durch pädagogische                           Team für das Thema in seiner ganzen Bandreite sen-
                                                                        sibilisieren.
1 §1, 3 Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII)
2 Runder Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Anhängigkeits- und
Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und
familiären Bereich“ im weiteren kurz „Runder Tisch“ genannt.

                                                                    1
Besser als jede Intervention im Krisenfall ist ein prä-
ventiver Umgang mit diesen Fragestellungen. Dazu
stehen Ihnen die im Anhang aufgeführten Expert/-
innen, die verbandliche Fachberatung, unsere Fort-
bildungsangebote und ggf. die Möglichkeit der Ar-
beit in Qualitätsgemeinschaften zur Verfügung.

Danksagung
Diese Arbeitshilfe beruht ganz überwiegend auf der
Vorarbeit und Publikation des Paritätischen Landes-
verbandes Hamburg. Beim Bundesarbeitskreis „Ta-
geseinrichtungen / Tagespflege für Kinder“ stieß die
Arbeitshilfe auf ausgesprochen positive Resonanz
und große Nachfrage, so dass beschlossen wurde, sie
leicht zu überarbeiten und damit einer bundesweiten
Anwendung und Nutzung zugänglich zu machen.

Der Paritätische Gesamtverband dankt dem Landes-
verband Hamburg für die ausgezeichnete Vorarbeit
und die unkomplizierte Bereitschaft, diese Arbeits-
hilfe allen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen
verfügbar zu machen.

Berlin, Hamburg

Joachim Speicher                              Prof. Dr. Rolf Rosenbrock
Geschäftsführender Vorstand                   Vorsitzender
Der Paritätische Hamburg                      Der Paritätische Gesamtverband

                                                          2
Teil 1 Machtmissbrauch in Institutionen
Kindeswohlgefährdungen durch Mitarbeiter/-innen
und durch Kinder und Jugendliche

Einleitung
Nachdem die Träger der Einrichtungen der Kinder-                       Institution mit einem Fall von Machtmissbrauch kon-
und Jugendhilfe in den letzten Jahren den Fokus der                    frontiert werden? Wie reden Sie mit Eltern? Was müs-
Aufmerksamkeit auf die (möglichen) Kindeswohl-                         sen Sie tun? Was dürfen Sie auf keinen Fall tun?
gefährdungen im familiär-häuslichen Bereich gelegt
haben, wird nun zunehmend auch der Schutzauftrag                       Wir wollen pädagogischen Fachkräften unbedingt
von möglichen Gefahren innerhalb einer Einrichtung                     ein angstfreies Arbeiten ermöglichen. Ziel ist es,
oder eines Dienstes in den Blick genommen. Viele der                   Sicherheit im Umgang mit der Thematik zu beför-
Träger sind dabei, Konzepte zum Umgang mit (vermu-                     dern. Wie sicher und angstfrei das Team tatsächlich
teten) Gefährdungen durch Fachkräfte oder Ehren-                       arbeiten kann, hängt unter anderem deutlich von
amtliche innerhalb der Einrichtungen zu erarbeiten.                    der Kultur und dem Klima innerhalb einer Institution
                                                                       ab. Mehr als bei vielen anderen Themen gilt hier der
In dieser Arbeitshilfe geht es um notwendige Ver-                      Satz: „Unwissenheit macht Angst – Wissen macht
fahrensschritte bei Kindeswohlgefährdungen durch                       stark“.
Machtmissbrauch, Übergriffe und Gewalt innerhalb
der eigenen Institution.                                               Wir möchten Ihnen mit der vorliegenden Arbeitshilfe
                                                                       Information, Orientierung und Entlastung bieten.
Hierbei ist zu unterscheiden in:
                                                                       Dafür geben wir im Folgenden in drei Schritten vor:
  Kindeswohlgefährdungen durch eigene
 
  Mitarbeiter/-innen (inkl. Praktikant/-innen,                         1. Einführung der unverzichtbaren präventiven
  Ehrenamtliche, Bundesfreiwillige etc.)                                  Maßnahmen,

und                                                                    2. Darstellung der notwendigen Verfahrensschritte
                                                                          bei Verdachtsfällen oder konkreten Vorkommnis-
  Kindeswohlgefährdungen durch andere
                                                                        sen sowie
  betreute Kinder und Jugendliche.
                                                                       3. Ausführungen für eine nachhaltige Aufarbei-
Nur wenn soziale Einrichtungen und Dienste um die                         tung.
realen Möglichkeiten dieser Gefährdungen wissen,
sich ihnen stellen und ihnen aktiv entgegenarbeiten,                   „Schutzkonzepte sind als ein erkennbarer Qualitäts-
ist der erste Schritt zur Prävention von (unter ande-                  entwicklungsprozess zu verstehen. Sie sollen dazu
rem sexualisiertem) Machtmissbrauch, Übergriffe                        beitragen, Haltungen und Verhalten zu reflektieren
und Gewalt getan. „Denn Nichtwahrhabenwollen ist                       und dadurch zu handlungsleitenden Orientierungen
der beste Täterschutz.“3                                               führen.“4

Es ist der Auftrag pädagogischer Fachkräfte, Kindern
und Jugendlichen ein sicheres und geborgenes Um-
feld zu bieten. Was aber passiert, wenn Sie in Ihrer
                                                                       4 Dirk Bange, in: Präambel: Leitfragen der Behörde für Arbeit, Soziales,
3 Der Paritätische Gesamtverband; Arbeitshilfe Schutz vor              Familie und Integration, Hamburg, zur Erstellung von Schutzkonzepten
sexualisierter Gewalt in Diensten und Einrichtungen. 2010. S. 4.       für Einrichtungen gem. §§ 45, 79 a SGB VIII; siehe Anhang.

                                                                   3
Differenzierung möglicher Formen von Gewalt
Der Paritätische legt Wert auf die Feststellung, dass                          Beispiele:
der Missbrauch von Kindern, Jugendlichen und                                   • Zwang zum Aufessen oder zum Schlafen
Schutzbefohlenen vielfältige Erscheinungsformen                                • verbale Androhungen von Straf- und Erzie-
haben kann und alle Bereiche sogenannter schwar-                                   hungsmaßnahmen
zer Pädagogik umfasst. Das heißt: Zwang, unange-                               • Kind vor die Tür stellen
messene Sprache, alle Formen körperlicher Gewalt                               • Bloßstellen der Kinder vor der Gruppe, wie
(Festhalten, Ohrfeigen), sexualisierte Gewalt, see-                                etwa „Nein, Paul kommt zum Ausflug nicht mit,
lische Grausamkeiten sowie Stigmatisierungen.5                                     er konnte sich gestern nicht benehmen“
                                                                               • körperliche Übergriffe, wie etwa den Ellenbo-
Fachkräfte in der Arbeit mit Kindern und Jugend-                                   gen des Kindes vom Tisch schubsen in der Es-
lichen müssen zunächst eine eigene Wahrnehmung                                     senssituation in der Kita
über die möglichen Formen der Gewalt durch Mitar-                              • das Kind am Arm aus der Garderobe zerren
beitende entwickeln. Dabei hat sich folgende Diffe-                            • herabwürdigende Äußerungen, wie etwa “Na,
renzierung bewährt6:                                                               mal sehen, ob deine Mutter es diesmal schafft,
                                                                                   dir das Schwimmzeug mitzugeben…“
                                                                               • Vernachlässigung, wie etwa unzureichender
Grenzverletzungen                                                                  Wechsel von Windeln
                                                                               • mangelnde Versorgung mit Getränken, man-
Grenzverletzungen beschreiben in der Regel ein                                     gelnde Aufsicht
einmaliges oder gelegentliches unangemessenes
Verhalten gegenüber Kindern und Jugendlichen, die                              Dabei ist die Unangemessenheit des Verhaltens ne-
die persönlichen Grenzen innerhalb des jeweiligen                              ben objektiven Kriterien immer vom eigenen Erleben
Betreuungsverhältnisses überschreiten. Grenzüber-                              der betroffenen Kinder und Jugendlichen abhängig.
schreitungen können aus mangelnder Fachlichkeit,                               Grenzverletzungen gehören aber auch zur Strate-
persönlichen Unzulänglichkeiten, Stresssituationen                             gie von Tätern und Täterinnen. Sie setzen diese teil-
oder fehlenden bzw. unklaren Einrichtungsstruk-                                weise gezielt ein, um die Reaktionen der Einrichtung
turen resultieren und sind nicht selten auch eine Fra-                         zu testen und bzw. sexuelle Übergriffe vorzubereiten.
ge der Haltung. Die Sensibilisierung der Fachkräfte
ist hier besonders bedeutsam und bildet die Grund-
lage für eine angemessene Intervention.                                        Übergriffe

5 Kindesmissbrauch, sexuelle Gewalt oder Misshandlung – in den                 Im Gegensatz zu Grenzverletzungen passieren Über-
Medien kursieren laut dem unabhängigen Beauftragten für Fragen des             griffe nicht zufällig oder aus Versehen. Sie sind viel-
sexuellen Kindesmissbrauchs eine Reihe unterschiedlicher Begriffe. Viele
dieser Bezeichnungen sind bei näherer Betrachtung problematisch.
                                                                               mehr „Ausdruck eines unzureichenden Respekts
Der Begriff Kindesmissbrauch ist umstritten, weil das Wort Missbrauch          gegenüber Mädchen und Jungen, grundlegender
nahelegt, es gäbe einen legitimen sexuellen Gebrauch von Kindern.              fachlicher Mangel und / oder Teil einer gezielten De-
Alternative Begriffe, wie sexuelle Gewalt, sexualisierte Gewalt oder
sexuelle Misshandlung sind sprachlich ungenau. Denn die Gewalt                 sensibilisierung im Rahmen der Vorbereitung eines
an sich ist nicht zwangsläufig sexuell, sondern sie wird benutzt, um           sexuellen Missbrauchs / eines Machtmissbrauchs
sexuelle Ziele zu erreichen bzw. Macht über eine Person zu erlangen.           (…)“.7
Außerdem kann Missbrauch ohne körperliche Gewaltanwendung und
ohne körperlichen Kontakt stattfinden – zum Beispiel in Form von
Exhibitionismus oder Konsum von Kinderpornographie.                            Dabei setzen sich die übergriffigen Fachkräfte (bzw.
6 in Anlehnung an Zartbitter Köln e.V.Vgl. Enders, Kossatz, Kelkel;            Ehrenamtliche, Freiwillige, Praktikanten etc.) bewusst
Die Bedeutung institutioneller Strukturen bei sexuellen Übergriffen
unter Kindern und bei sexueller Ausbeutung durch Jugendliche und
Mitarbeiter/-innen der Jugendhilfe. PDF, www.zartbitter.de, 2010.              7   Vgl. Enders, Kossatz, Kelkel. ebd.

                                                                           4
über den Widerstand der ihnen anvertrauten Kinder                     durch pädagogische Maßnahmen allein stoppen las-
und Jugendlichen, die Grundsätze der Institution                      sen, können ein Hinweis auf eine Kindeswohlgefähr-
(Leitsätze, Konzeptionen, Dienstanweisungen, Verhal-                  dung des übergriffigen Kindes oder Jugendlichen
tenskodexe etc.), über gesellschaftliche Normen oder                  sein. Pädagogische Fachkräfte sind in diesen Fällen
allgemeingültige fachliche Standards hinweg.                          verpflichtet, sich entsprechend § 8 a Sozialgesetzbuch
                                                                      (SGB) VIII fachliche Unterstützung zu holen, auch an-
Übergriffige Verhaltensweisen können vielerlei Ge-                    dere Berufsgruppen, die in beruflichem Kontakt mit
stalt annehmen. Sie überschreiten die innere Abwehr                   Kindern und Jugendlichen stehen, haben einen An-
und können sowohl die Körperlichkeit und Sexuali-                     spruch auf diese Unterstützung (§ 8 b SGB VIII).
tät verletzen, wie auch Schamgrenzen. Auch die psy-
chische Übergriffe wie massives unter Druck setzen,                   Sexuell übergriffige Jungen und Mädchen haben
Diffamierungen, Nichtbeachtung usw. sind kindes-                      ein Recht auf Hilfe! Um ihr übergriffiges Verhalten
wohlgefährdend und gehören dazu. Übergriffige Ver-                    zu beenden und die dahinterliegenden Ursachen zu
haltensweisen von Erwachsenen sind eine Form von                      bearbeiten, brauchen sie qualifizierte pädagogische
Machtmissbrauch und Ausdruck einer respektlosen                       Fachkräfte, die hinschauen und sensibilisiert sind,
Haltung gegenüber Kindern und Jugendlichen.8                          darauf einzugehen, aber auch spezialisierte Bera-
                                                                      tungs- und Behandlungsangebote.
In Fällen von Übergriffen sind die Träger zur Inter-
vention verpflichtet und dazu, in der Folge Konse-
quenzen zu ziehen, um das Kindeswohl zu sichern.                      Sexueller Missbrauch

                                                                      Sexueller Missbrauch an Jungen und Mädchen ist
Übergriffe unter Kindern und Jugendlichen                             jede sexuelle Handlung, die an, mit oder vor einem
                                                                      Kind oder Jugendlichen vorgenommen wird. Sexu-
Sexuell übergriffiges Verhalten von Kindern und Ju-                   eller Missbrauch bedeutet, dass der Täter / die Täterin
gendlichen kann verschiedene Ursachen haben. Ei-                      seine / ihre Macht- und Autoritätsposition sowie das
gene (sexuelle) Gewalterfahrungen durch Kinder, Ju-                   Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis ausnutzt,
gendliche oder Erwachsene können – müssen aber                        um seine / ihre eigenen Bedürfnisse auf Kosten des
nicht – eine Rolle spielen. Manche Kinder und Ju-                     Kindes oder des/der Jugendlichen zu befriedigen.
gendliche wurden unangemessen mit erwachsener
Sexualität in der Familie oder durch pornografisches                  Zentral ist dabei die direkte oder indirekte Verpflich-
Material konfrontiert. Unter den übergriffigen Mäd-                   tung zur Geheimhaltung. Festzuhalten ist: (Sexuali-
chen und vor allem Jungen gibt es auch viele, die an-                 sierte) Gewalt von Erwachsenen an Kindern und Ju-
dere dominieren wollen und sich mit der Einhaltung                    gendlichen ist immer Machtmißbrauch gegenüber
von Grenzen schwer tun. Einige versuchen, eigene                      Schutzbefohlenen oder Schwächeren.9
Gefühle von Ohnmacht oder Hilflosigkeit durch se-
xuell übergriffiges Verhalten zu kompensieren. Bei
sehr jungen Kindern ist manchmal noch die fehlende
Kontrolle von Impulsen ursächlich.

Massive sexuelle Übergriffe von Jugendlichen und
Kindern, die wiederholt stattfinden und die sich nicht
8 Der Paritätische Gesamtverband; Arbeitshilfe Schutz vor             9 Vgl. D. Bange & G. Deegener; Sexueller Missbrauch von Kindern –
sexualisierter Gewalt in Dienst und Einrichtungen. 2010. S. 34.       Ausmaß, Hintergründe, Folgen. 1996. S. 105.

                                                                  5
Strafrechtlich relevante Formen der Gewalt

Strafrechtlich relevante Formen von Gewalt können Körperverletzungen, sexueller Missbrauch bzw. Nötigung
oder auch Erpressung sein. Die in § 72 a SGB VIII aufgenommenen Straftatbestände sind sämtlich einschlägig.
Wer wegen einer in diesem Paragraph benannten Straftaten verurteilt wurde, erhält ab einer bestimmten
Höhe der Geld- und Freiheitsstrafe einen solchen Eintrag in das erweiterte Führungszeugnis und darf nicht
beschäftigt werden.

Einschlägige Straftaten des Strafgesetzbuches (StGB)
sind nach § 72a SGB VIII (Persönliche Eignung) fol-
gende:

§ 171	Verletzung der Fürsorge- und Erziehungs-            § 178	Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit
       pflicht                                                    Todesfolge

§ 174 	Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen          § 179	Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger
                                                                  Personen
§ 174 a	Sexueller Missbrauch von Gefangenen,
         behördlich Verwahrten oder Kranken und            § 180	Förderung sexueller Handlungen Minder-
         Hilfsbedürftigen in Einrichtungen                        jähriger

§ 174 b	Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung             § 180 a Ausbeutung von Prostituierten
         einer Amtsstellung
                                                           § 181 a Zuhälterei
§ 174 c	Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung
         eines Beratungs-, Behandlungs- oder               § 182   Sexueller Missbrauch von Jugendlichen
         Betreuungsverhältnisses
                                                           § 183   Exhibitionistische Handlungen
§ 176   Sexueller Missbrauch von Kindern
                                                           § 183 a Erregung öffentlichen Ärgernisses
§ 176 a Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern
                                                           § 184   Verbreitung pornographischer Schriften
§ 176 b	Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todes-
         folge                                             § 184 a	Verbreitung gewalt- oder tierpornographi-
                                                                    scher Schriften
§ 177   Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung

                                                       6
Prävention

Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Achtung           Empfehlungen für präventive
ihrer persönlichen Grenzen. Sie haben zudem Anspruch         Schutzkonzepte in Einrichtungen10
auf Hilfe bei jeglicher Form von Machtmissbrauch (se-
xuellen Übergriffen, Missbrauch und Gewalt).
                                                             Institutionelle Ebene
Der Paritätische fordert seine Mitgliedsorganisati-          • Die besonderen Risiken des jeweiligen Arbeitsfeldes
onen deshalb auf, das Schweigen über (sexuellen)                 (Jugendsozialarbeit, Erziehungsberatung, Erziehe-
Machtmissbrauch, Übergriffe und Gewalt unter an-                 rische Hilfen etc.) und der Einrichtung (Kinderta-
derem durch die Entwicklung einrichtungsindividu-                geseinrichtung, Ganztagsschule, Jugendhilfeein-
eller Schutzkonzepte zur Prävention, Intervention                richtung, etc.) sind angemessen zu berücksichtigen.
und Information zu überwinden. Es spricht nicht nur
für die Qualität, Offenheit und Professionalität Ihres       •   Ein Verhaltenskodex legt Regeln für einen grenz-
Trägers, sich mit allen Formen des Missbrauchs prä-              achtenden, respektvollen Umgang der haupt-
ventiv auseinanderzusetzen. Dies ist auch durch ein-             und nebenberuflichen sowie ehrenamtlichen
deutige rechtliche Vorschriften unabdingbar.                     Mitarbeiter/-innen mit den Kindern und Jugend-
                                                                 lichen und deren Sorgeberechtigten fest.
In allen Bereichen, in denen sich Kinder und Ju-
gendliche institutionell aufhalten bzw. betreut wer-         •   Im Einstellungsgespräch und im Arbeitsvertrag
den (Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflege,                wird sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Jun-
Schule, Einrichtungen der Behindertenhilfe, Vereine,             gen thematisiert. Sie fordern die Vorlage eines
usw.) sind Schutzkonzepte notwendig und sollten                  aktuellen erweiterten Führungszeugnisses und
gegebenenfalls gemeinsam zwischen Jugendhilfe-                   die Unterzeichnung einer Selbstverpflichtung.
trägern und weiteren Kooperationspartnern erarbei-
tet und umgesetzt werden. Durch Schutzkonzepte               •   Sie arbeiten mit einer Beratungsstelle oder einer
werden Risiken und Maßnahmen im Alltag der Insti-                externen insoweit erfahrenen Fachkraft zusam-
tution beschrieben.                                              men (beispielsweise bei der Entwicklung institu-
                                                                 tioneller Regeln, der Durchführung von Präventi-
Verfügen Ihre Mitarbeiter/-innen über ein Basiswis-              onsangeboten, im Falle einer Vermutung).
sen über Machtmissbrauch, Übergriffe und Gewalt
und greifen sie aktiv zum Schutz betroffener Mäd-            Konzeptionelle Ebene
chen und Jungen ein. Damit können sie für die Kin-           • Die Verantwortung für den Schutz der Mädchen
der und Jugendlichen, die Machtmissbrauch in der                und Jungen vor Gewalt, Grenzverletzungen und
Familie, im sozialen Umfeld, durch andere Kinder und            Übergriffen ist in Ihr Leitbild und in Ihre Konzep-
Jugendliche oder im Internet erfahren, eine kompe-              tion aufgenommen.
tente Vertrauensperson sein.
                                                             •   An der Erarbeitung des Schutzkonzepts werden
Zwar verhindern Sie auf diese Art nicht vollständig              Mitarbeiter/innen, Kinder, Jugendliche und die
das Gefühl von Ohnmacht. Durch die Auseinander-                  Eltern(-vertreter/innen) beteiligt.
setzung mit Ihrem Präventionskonzept haben Sie
bereits einen ersten Schritt gegen den Missbrauch            •   Ein Handlungsplan, der sich an den spezifischen An-
unternommen und Ihr Handlungsrepertoire als Ein-                 forderungen Ihrer Institution orientiert, regelt das
richtung deutlich erweitert.                                     Vorgehen in Fällen vermuteter sexueller Gewalt.
                                                             10 In Anlehnung an die Empfehlungen für präventive Schutzkonzepte
                                                             (…) , Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen
                                                             Kindesmissbrauchs: Empfehlungen für Einrichtungen für einen
                                                             verbesserten Schutz von Mädchen und Jungen vor sexueller Gewalt –
                                                             www.kein-raum-fuer-missbrauch.de.

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•     Alle Mitarbeiter/-innen sind zur Teilnahme an ei-           Hinweis zum Recht auf das eigene Bild
      ner Informationsveranstaltung über Basiswissen
      zu sexueller Gewalt verpflichtet. Die Teilnahme             Das Recht am eigenen Bild gehört zu den allgemei-
      an weiterführenden Angeboten wird durch den                 nen Persönlichkeitsrechten. Es besagt, dass jeder
      Träger empfohlen und ermöglicht.                            Mensch grundsätzlich selbst darüber bestimmen
                                                                  darf, ob und in welchem Zusammenhang Bilder von
•     Kindeswohlgefährdung ist als altersentspre-                 ihm gemacht und veröffentlicht werden. Bei Minder-
      chendes Fortbildungsangebot konzeptionell                   jährigen, die in der Kinder- und Jugendhilfe betreut
      verbindlich zu verankern.                                   werden, benötigen die Fachkräfte das Einverständ-
                                                                  nis der Sorgeberechtigten, wenn sie beabsichtigen,
•     Sexualpädagogik ist als altersentsprechendes                die Kinder oder Jugendlichen zu fotografieren.11
      und nicht zu tabuisierendes (Fortbildungs-) An-
      gebot konzeptionell verbindlich zu verankern.
                                                                  Zum Umgang mit Fotos von Kin-
Personelle Ebene                                                  dern und Jugendlichen
•     Mädchen und Jungen werden über ihr Recht                    Die bundesweite Diskussion um (gekaufte) Fotos
      auf Achtung der persönliche Grenzen und über                von Kindern, die möglicherweise aus Gründen der
      Hilfsangebote in Notlagen informiert und erhal-             sexuellen Befriedigung genutzt werden, sollte dazu
      ten regelmäßig Präventionsangebote (z. B. durch             führen, dass jede Einrichtung einen sorgfältigen
      Einführung der STOPP-Regel etc.)                            Umgang mit dem Erstellen von Fotos generell und
                                                                  der Verwendung derselben sowie mit dem Fotoar-
•     Im Rahmen von Elternabenden bzw. durch El-                  chiv in der Einrichtung regelt. Wenn Fotos bspw. im
      ternarbeit und Elternbeteiligung werden Mütter              Rahmen einer Projektdokumentation, auf facebook
      und Väter über Formen von Kindeswohlgefähr-                 oder z.B. auf der Kita-Website veröffentlicht werden
      dung und Strategien von Täter/-innen und Mög-               sollen, muss auch hierzu jeweils die gesonderte Ein-
      lichkeiten der Prävention aufgeklärt.                       willigung der Sorgeberechtigten eingeholt werden.
                                                                  Insbesondere in Anbetracht der modernen Technik –
•     Sie benennen eine Ansprechperson innerhalb                  die dazu führt, dass die meisten Menschen stets ein
      und außerhalb der Institution, an die sich Kinder,          Handy mit einer integrierten Kamera bei sich führen
      Eltern und Fachkräfte im Fall einer Vermutung               – ist das Thema Fotorechte beim Träger und im Team
      von Gewalt wenden können (beispielsweise Lei-               unbedingt zu thematisieren, um die Privatsphäre der
      tung, interne Vertrauensperson, Kontakt zu ex-              Kinder und Jugendlichen angemessen zu schützen.
      ternen Beratungsstellen).                                   So kann beispielsweise ein einrichtungsbezogener,
                                                                  für Außenstehende zugriffsgesicherter Ort, für Fotos
    Bitte beachten Sie dabei:                                     eingerichtet werden. Ebenfalls sollten die Zugangs-
                                                                  befugnisse für Mitarbeiter/-innen festgelegt sein.
    Die Empfehlungen für präventive Schutzkonzepte                Des Weiteren ist es notwendig, grundsätzlich zu
    beinhalten alle grundsätzlichen Aspekte eines guten           klären, welche Art von Fotos archiviert und welche
    Schutzkonzeptes. Bitte prüfen Sie, ob Sie in Ihrem Kon-       gleich gelöscht werden können.
    zept diese Empfehlungen bereits umgesetzt haben
    bzw. Ergänzungen sinnvoll sein können. Sollten Sie an
    einem Schutzkonzept arbeiten, ist dies eine gute Check-
    liste für die notwendigen Bestandteile eines solchen.
                                                                  11 Bildrechte: weitere Infos unter http://jugendnetz-berlin.de/de/
                                                                  medienbildung/recht_schutz/bild_urheberrecht.php

                                                              8
Verhaltenskodex für Mitarbeiter/-innen                                                                        kanten. Loyalität und Vertrauen unter Kolleg/-innen
                                                                                                              sind wichtiger Bestandteil einer guten Pädagogik. Sie
Selbstverpflichtungen bzw. Verhaltenskodexe sollten                                                           müssen aber dort ihre Grenzen haben, wo die Integri-
integraler Bestandteil Ihres Schutzkonzepts sein. Sie                                                         tät der Kinder und Jugendlichen verletzt wird. Ein of-
können Ausdruck einer ethischen und fachlichen                                                                fener, professioneller Umgang im Team ist vonnöten
Grundhaltung sein. Wichtig ist nicht nur der Blick auf                                                        und hat nichts mit Illoyalität zu tun. Die folgenden
den Umgang mit den Kindern und Jugendlichen, son-                                                             Beispiele nehmen diesen Punkt ebenfalls auf. Diese
dern auch auf die Interaktion zwischen Kolleg/-innen                                                          zwei Beispiele sollen Sie anregen, als Träger oder als
und anderen Erwachsenen, wie Eltern und Prakti-                                                               Einrichtung, eine eigene Vorlage zu entwickeln.

Beispiel 1: Selbstverpflichtung12 VEK in Schleswig-Holstein e.V.

  Wir handeln verantwortlich!
  1. Wir verpflichten uns, Kinder und Jugendliche vor körperlicher, seelischer und sexualisierter Gewalt
      und Machtmißbrauch zu schützen. Wir achten dabei auch auf Zeichen von Vernachlässigung.
  2. Wir nehmen die Intimsphäre, das Schamgefühl und die individuellen Grenzempfindungen der uns
      anvertrauten Kinder wahr und ernst.
  3. Wir respektieren den Willen und die Entscheidungsfreiheit aller Gruppenmitglieder und treten
      ihnen mit Wertschätzung und Respekt gegenüber.
  4. Gemeinsam mit Anderen unterstützen wir Mädchen und Jungen in ihrer Entwicklung und bieten
      ihnen Möglichkeiten, Selbstbewusstsein und die Fähigkeit zur Selbstbestimmung zu entfalten.
      Dazu gehört der Umgang mit Sexualität und das Recht, klare Grenzen zu setzen.
  5.      Mit der uns übertragenen Verantwortung in der Mitarbeit gehen wir sorgsam um.
  6. Wir verzichten auf verbales und nonverbales abwertendes und ausgrenzendes Verhalten und
      beziehen gegen gewalttätiges, diskriminierendes, rassistisches und sexistisches Verhalten aktiv
      Stellung.
  7. Wir werden uns gegenseitig und im Mitarbeiterteam auf Situationen ansprechen, die mit diesem
      Verhaltenskodex nicht im Einklang stehen, um ein offenes Klima in der Gruppe oder im Team zu
      schaffen und zu erhalten.
  8. Wir ermutigen Kinder und Jugendliche dazu, sich an Menschen zu wenden, denen sie vertrauen
      und ihnen erzählen, was sie als Teilnehmende erleben, vor allem auch von Situationen, in denen sie
      sich bedrängt fühlen.
  9. Wir nehmen Hinweise und Beschwerden von Mitarbeiter/-innen, Eltern, Praktikanten/Praktikan-
      tinnen und anderen Personen ernst.
  Diesem Ehrenkodex fühle ich mich verpflichtet.

  .................................................................................................................................................................
  Datum / Unterschrift
12 VEK in Schleswig-Holstein e.V.; „Wir handeln verantwortlich!“ (Handreichung), 2010, S. 10.
Die Herausgeber/-innen empfehlen bei der Anlehnung an diese Selbstverpflichtung, die Ich-Form zu verwenden, da die persönliche Unterschrift diese
persönliche Verpflichtung unterstreicht und die Verbindlichkeit erhöht wird. Ein Wir-Text vermindert unseres Erachtens die persönliche Verantwortung.

                                                                                                          9
Beispiel 2: Hochdorfer Neun-Punkte-Programm13                               Hochdorfer Neun-Punkte-Programm
                                                                            1. Ich bin bereit, meine Fachkompetenz einzu-
„Alle Mitarbeiter/-innen der Evangelischen Jugend-
                                                                                bringen, zu erhalten und weiterzuentwickeln
hilfe Hochdorf aller Bereiche und aller Ebenen ver-
                                                                                sowie professionelle Standards einzuhalten.
pflichten sich zur Einhaltung ethischer und fach-
licher Prinzipien, die im Folgenden genannt sind                            –  Ich mache mein Handeln transparent und kann
und die auf weitere auch nicht genannte Herausfor-                              meine Motive fachlich begründen.
derungen des Alltags sinngemäß angewandt wer-                               –  Ich bringe mein Fachwissen und meine Res-
den. (…) An diesen ethischen Grundlagen wollen                                  sourcen in die Arbeit ein und stelle sie Kolle-
wir uns selbst und gegenseitig messen.“                                         gen/Kolleginnen zur Verfügung.

Die Jugendhilfe Hochdorf hat nicht nur die „Neun                            –  Ich halte mich an die Vorgaben des Qualitäts-
Punkte“ entwickelt, sondern auch jedem dieser                                   handbuches und bin bereit, an der Weiterent-
Punkte operationalisierte Erkennungsmerkmale                                    wicklung unserer professionellen Standards
zugeschrieben.                                                                  mitzuarbeiten.

Die im folgenden Leitfaden formulierten handlungs-                          2. Ich nutze die von der Einrichtung zur Verfü-
orientierten Punkte sind nicht als umfassender und                              gung gestellten professionellen Instrumenta-
abschließender Katalog zu betrachten. Sie beschrei-                             rien (z. B. Fachberatung, PROFIS, Fortbildung
ben stattdessen Beispiele für empfehlenswertes Ver-                             etc.), um meine Fertigkeiten und mein Fach-
halten, das in der Praxis erprobt wurde, aber auch                              wissen zu erweitern.
ergänzt werden kann und soll.                                               –  Ich bin bereit zur gemeinsamen Reflexion und
                                                                                greife Anregungen aus dem kollegialen Aus-
                                                                                tausch und der Fachberatung auf.
                                                                            –  Ich hole mir rechtzeitig Unterstützung, wenn
                                                                                ich an meine Grenzen komme.
                                                                            –  Ich lese die für meinen Arbeitsbereich aktuelle
                                                                                Fachliteratur.
                                                                            –  Ich besuche Fortbildungen und PROFIS-Veran-
                                                                                staltungen und benenne für mich praxisrele-
                                                                                vante Themen.

                                                                            3. Ich achte auf meine körperliche und emotio-
                                                                                nale Gesundheit und nehme Hilfe in Anspruch,
                                                                                falls diese nicht mehr gegeben ist, um den be-
                                                                                trieblichen Anforderungen zu genügen.
                                                                            –  
                                                                               Ich nehme gesundheitliche Beeinträchtigun-
                                                                               gen ernst (Stichwort: krank sein dürfen).
                                                                            –  
                                                                               Ich spreche physische und psychische
                                                                               Grenzen an und nehme bei Bedarf Hilfe in
13 Hochdorf – Evangelische Jugendhilfe im Kreis Ludwigsburg
                                                                               Anspruch.
e.V.; „Und wenn es doch passiert...“ – Fehlverhalten von Fachkräften
in der Jugendhilfe – Ergebnisse eines institutionellen Lernprozesses
(Arbeitshiolfe). 2. Auflage 2010. S. 38–42.

                                                                       10
4. Ich achte und würdige die Einmaligkeit und die          –  Ich informiere meine Kollegen/Kolleginnen und
    Selbstbestimmung der jungen Menschen und                    die Leitung adäquat und dokumentiere mein Ar-
    richte mein Tun daran aus.                                  beitshandeln.
–  Ich bemühe mich um das Verständnis der indi-            –  Ich nutze dazu die vorhandenen Strukturen und
    viduellen Lebensgeschichten der jungen Men-                 Verfahrensabläufe.
    schen und Familien.
                                                            –  Ich unterstütze meine Kollegen/Kolleginnen im
–  Ich erkenne die Lebensform der Familien und                 Arbeitsalltag und in besonderen Belastungssitu-
    ihre Lebensentwürfe an.                                     ationen.
–  Ich verstehe meine Hilfen als Angebot und stelle
    mein Handeln flexibel darauf ein.                       8. Ich bin bereit zu vertrauensvoller Teamarbeit und
                                                                trage auftretende Meinungsverschiedenheiten
                                                                mit dem Ziel konstruktiver Lösungen aus.
5. 
   Ich richte mein professionelles Handeln am
   Wohl der jungen Menschen aus, indem ich ihre             –  Ich lasse mich auf die Zusammenarbeit mit den
   Stärken und Ressourcen nutze und ihre Gren-                  Kollegen/Kolleginnen ein, bin offen für Aus-
   zen achte.                                                   tausch und Anregungen.
–  
   Ich berücksichtige den individuellen Entwick-            –  Auftretende Meinungsverschiedenheiten trage
   lungsstand der Kinder und Jugendlichen.                      ich angemessen aus und suche gemeinsam mit
                                                                den Beteiligten nach Lösungen.
–  Ich suche nach den Fähigkeiten und Stärken der
    jungen Menschen und vermittle Erfolgserleb-             –  Ich bin bereit, Feedback anzunehmen und ande-
    nisse.                                                      ren zu geben.
–  Ich achte darauf, junge Menschen nicht zu über-         –  Ich bin bereit, mir Fehler einzugestehen, sie zu
    fordern.                                                    benennen oder von anderen darauf aufmerksam
                                                                gemacht zu werden.
6. Ich trete aktiv Gefährdungen junger Menschen
    entgegen und schütze sie in meinem Einfluss-            9. Ich verhalte mich Kollegen/Kolleginnen und
    bereich vor entsprechenden Erfahrungen.                     der Gesamteinrichtung gegenüber loyal und
                                                                trete aktiv der Nichtbeachtung professioneller
–  Ich spreche gefährdende Sachverhalte an und
                                                                Standards entgegen.
    sorge für Klärung.
                                                            – Ich trage Entscheidungen der Gremien (Team,
–  Ich unterstütze den jungen Menschen dabei, sich
                                                               Leitung, Vorstand, Mitgliederversammlung usw.)
    selbst zu wehren und zu schützen.
                                                               mit und vertrete sie nach außen.
–  Bei Bedarf wende ich festgestellte Gefährdungen
                                                            –  Meine persönlichen Äußerungen trenne ich er-
    durch mein aktives Tun ab.
                                                                kennbar von Äußerungen im Namen der Einrich-
                                                                tung.
7. Mein Handeln ist transparent und nachvoll-
    ziebar, entspricht fachlichen Standards und ist         –  Ich mache Kollegen/Kolleginnen auf die Nichtbe-
    in einen wertschätzenden Umgang miteinan-                   achtung professioneller Standards aufmerksam.
    der eingebettet.                                        –  
                                                               Bei Verstößen informiere ich das betreffende
                                                               Team und gegebenenfalls die Leitung.

                                                       11
Beteiligung als Aspekt von Prävention
Beteiligung ist in unserer Gesellschaft ein wichtiger         den niedrigschwelligen Zugang zu Bildungseinrich-
Baustein für die demokratische Willensbildung. Be-            tungen und den vorhandenen Hilfsangeboten zu
teiligung heißt Mitwirkung und Mitbestimmung. Es              erleichtern. Nur wer beteiligt ist, kann Angebote der
existieren vielfältige formale Mitwirkungsrechte und          Prävention annehmen und Kinderschutz bewusst
-möglichkeiten in den verschiedenen Arbeitsfeldern            umsetzen.
der sozialen Arbeit. Im Rahmen des Kinderschutzes
ist die Beteiligung von Eltern, Kindern und Jugend-
lichen bei der Einschätzung von Gefährdungssituati-           Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen
onen grundsätzlich verpflichtend (§ 8a, 8b SGB VIII).
                                                              „Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem
Neben den formalen Rechten ist sicherlich der all-            Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Ent-
seitige Wunsch nach vertrauensvoller Zusammen-                scheidungen (…) zu beteiligen“ (§ 8 Abs. 1 SBG VIII).
arbeit wichtig. Beteiligung ist somit ein wichtiger           Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen
Baustein zur Prävention. Ob Kinder oder Erwachse-             ist heute Aufgabe und Verpflichtung der sozialen
ne, ob Mitarbeiter/-innen oder Eltern, alle Menschen,         Arbeit. Auch hier können Selbstwirksamkeit und
die beteiligt sind, die spüren, dass ihre Sichtweise          Verantwortung erfahren und gelernt werden. Ein
gesehen wird, ihre Anliegen gehört und ihre Bedürf-           Beispiel für Partizipation ist die gemeinsame Erar-
nisse wertgeschätzt werden, können mit ihrer Auf-             beitung einer Verhaltensampel. Hier ist für jeden au-
merksamkeit den Blick der Fachkräfte stärken. Eine            genfällig dargestellt, was eine pädagogische Fach-
lebendige, meinungsoffene und klar strukturierte              kraft darf und was nicht.
Einrichtung kann idealerweise Entwicklungen und
„Störungen“ eher wahrnehmen.
                                                              Beteiligung von Eltern
Es ist zu berücksichtigen, dass nicht alle Familien
Partizipation kennen oder praktizieren können. Da-            Es ist nötig, mit Eltern oder Sorgeberechtigten über
her ist ein sensibler Umgang mit den verschiedenen            ihr Schutzkonzept zu sprechen und sie einzubezie-
Familienkulturen notwendig, um Beteiligung zu er-             hen. Reden Sie mit Müttern und Vätern (und anderen
möglichen. Kulturen verstehen wir als gemeinsame              Sorgeberechtigten) über die Bedeutung von Schutz-
Lebensweisen und Deutungsmuster einer Gruppe                  konzepten, informieren Sie über Ihren Verhaltens-
oder Lebenswelt. Sie sind nicht an Herkunft gebun-            kodex und zeigen Sie sich offen, wenn Eltern oder
den, nicht statisch und verändern sich ständig. In            Sorgeberechtigte darüber sprechen wollen oder be-
jeder Gesellschaft gibt es eine Vielzahl von Kulturen,        sorgt sind, wenn das Thema in der Einrichtung auf
auch ohne Menschen mit Migrationshintergrund.                 die Tagesordnung kommt oder ein Verdachtsfall be-
(Pädagogen-)Deutsch als Fremdsprache, unter-                  kannt wird.
schiedliches Kommunikationsverhalten, Zugangs-
barrieren, divergierende Rollen- und Familienbilder           Anhand bestimmter Alltagserfahrungen und -situ-
oder Erziehungsziele können bei Familien mit und              ationen wird aufgezeigt, wie der Schutz vor Macht-
ohne Migrationshintergrund zur Herausforderung                missbrauch, Übergriffen und Gewalt konkret ausse-
in der Präventionsarbeit werden. Der Aufbau von               hen kann. Aus zwei Perspektiven (Eltern-Blick und
(migrationsspezifischen) Netzwerken, der Kontakt              Fachkraft-Blick) soll so sichergestellt werden, dass
zu Fachkräften oder Vermittlern mit Zugang zu den             die Einrichtung ein Ort ist, an dem sich alle Beteilig-
verschiedensten Familienkulturen und die Schaf-               ten, ob Eltern, Fachkräfteteam, Kinder und Jugendli-
fung von schnellen und unbürokratischen Zugängen              che wohlfühlen und angstfrei agieren können.
kann dabei helfen, allen Zielgruppen im Sozialraum

                                                         12
Beteiligung von Mitarbeiter/-innen                          Exkurs:
Die Beteiligung von Mitarbeiter/-innen ist so viel-         Gemäß § 8b SGB VIII haben Sie Anspruch auf Unter-
fältig, wie Träger und Einrichtungen aufgestellt und        stützung, Beratung und Begleitung durch den ört-
organisiert sind. Im Rahmen der Entwicklung von             lichen Jugendhilfeträger. Dies geschieht von Bundes-
Schutzkonzepten ist es von Bedeutung, frühestmög-           land zu Bundesland, von Jugendamt zu Jugendamt
lich alle Mitarbeiter/-innen einer Organisation mit         ganz unterschiedlich. Informieren Sie sich über die
einzubeziehen. Nur wer mitdenken und mitreden               bestehenden Angebote ihres Jugendamtes. Führen
kann, wird nach besten Kräften die gestellten Auf-          Sie Gespräche, fordern Sie umfassende Unterstüt-
gaben mitverantworten. Die Beteiligung ist in ganz          zung ein. Der Paragraph 8b SGB VIII ist weit gefasst.
vielfältiger Art möglich: bei der Entwicklung von           Er gibt nicht nur Fachpädagog/-innen das Recht auf
Leitbildern, bei der Risikoanalyse oder bei der ge-         Beratungsleistungen durch das Jugendamt, sondern
meinsamen Reflexion der Arbeit.                             auch Trägern die Möglichkeit der Unterstützung bei
                                                            Leitlinien/Konzepten zum Kinderschutz sowie zur
                                                            Beteiligung von Kindern und Jugendlichen einzufor-
                                                            dern.

                                                       13
Im Folgenden sind eine Ampel einer Kindertageseinrichtung und eine Ampel einer Jugendhilfeeinrichtung
dargestellt. Dies können nur Beispiele sein. Eine Ampel ist immer nur dann sinnvoll, wenn sie in der In-
stitution gemeinsam erstellt worden ist. Sie kann allerdings als Diskussionsgrundlage erste inhaltliche
Anregungen geben.

Beispiel 3: Verhaltensampel Kindertageseinrichtung 14 15

 Dieses Verhalten                   Intim anfassen                                    Misshandeln
 geht nicht                         Intimsphäre missachten                            Herabsetzend über Kinder und Eltern
                                   Zwingen                                              sprechen
                                    Schlagen                                          Schubsen
                                    Strafen                                           Isolieren / fesseln / einsperren
                                    Angst machen                                      Schütteln
                                    Sozialer Ausschluss                               Medikamentenmissbrauch
                                    Vorführen                                         Vertrauen brechen
                                    Nicht beachten                                    Bewusste Aufsichtspflichtverletzung
                                    Diskriminieren                                    Mangelnde einsicht
                                    Bloßstellen                                       konstantes Fehlverhalten
                                    Lächerlich machen                                 Küssen15
                                    Pitschen / kneifen                                Grundsätzlich Videospiele in der Kita
                                    Verletzen                                        Filme mit grenzverletzenden Inhalten
                                      (fest anpacken, am Arm ziehen)                   Fotos von Kindern ins Internet stellen

 Dieses Verhalten                  Sozialer Ausschluss                               Verabredungen nicht einhalten
 ist pädagogisch                     (vor die Tür begleiten)                           Stigmatisieren
 kritisch und für die              Auslachen (Schadenfreude, drin-                   Ständiges Loben und Belohnen
 Entwicklung nicht                   gend anschließende Reflexion mit                  (Bewusstes) Wegschauen
 förderlich                          dem Kind / Erwachsenen)                           Keine Regeln festlegen
                                   Lächerliche, ironisch gemeinte                    Anschnauzen
                                     Sprüche                                           Laute körperliche Anspannung mit
                                   Regeln ändern                                       Aggression
                                   Überforderung / Unterforderung                    Kita-Regeln werden von Erwachsenen
                                   Autoritäres Erwachsenenverhalten                    nicht eingehalten (regelloses Haus)
                                   Nicht ausreden lassen                             Unsicheres Handeln

                                  Diese aufgezählten Verhaltensweisen können im Alltag passieren,
                                  müssen jedoch reflektiert werden. Insbesondere folgende grundlegende
                                  Aspekte erfordern Selbstreflektion:
                                   Welches Verhalten bringt mich auf die Palme?
                                   Wo sind meine eigenen Grenzen?
                                  Hierbei unterstützt die Methode der kollgialen Beratung bzw. das Ansprechen
                                  einer Vertrauensperson.
14 Diese Ampel hat das Team der „Integrativen Kita Unkel“, Schulstraße 3, 53572 Unkel, im Rahmen eines Teamworkshops entwickelt. Eine mit den
Kindern erarbeitete Ampel folgt.
15 Dabei ist zu berücksichtigen, dass je nach Familienkultur mehrere Begrüßungs- und Abschiedsküsse auf die Wangen üblich sind. Auch sie sind
dann bedenklich, wenn das Kind Unbehagen zeigt oder äußert.

                                                                     14
Dieses Verhalten ist    Positive Grundhaltung                   Verlässlichkeit
pädagogisch richtig     Ressourcenorientiert arbeiten           Aufmerksames Zuhören
                        Verlässliche Strukturen                 Jedes Thema wertschätzen
                        Positives Menschenbild                  Angemessenes Lob aussprechen können
                        Den Gefühlen der Kinder Raum geben     Vorbildliche Sprache
                        Trauer zulassen                         Integrität des Kindes achten und die
                        Flexibilität (Themen spontan             eigene, gewaltfreie Kommunikation
                          aufgreifen, Fröhlichkeit, Vermitt-     Ehrlichkeit
                          ler / Schlichter)                      Authentisch sein
                        Regelkonform verhalten                  Transparenz
                        Konsequent sein                         Echtheit
                        Verständnisvoll sein                    Unvoreingenommenheit
                        Distanz und Nähe (Wärme)                Fairness
                        Kinder und Eltern wertschätzen          Gerechtigkeit
                        Empathie verbalisieren, mit Körper-    Begeisterungsfähigkeit
                          sprache, Herzlichkeit                  Selbstreflexion
                        Ausgeglichenheit                        „Nimm nichts persönlich“
                        Freundlichkeit                          Auf die Augenhöhe der Kinder gehen
                        partnerschaftliches Verhalten           Impulse geben
                        Hilfe zur Selbsthilfe

                       Folgendes wird von Kindern möglicherweise nicht gern gesehen,
                       ist aber trotzdem wichtig:

                        Regeln einhalten
                        Tagesablauf einhalten
                        Grenzüberschreitungen unter Kindern und Erzieher/-innen unterbinden
                        Kinder anhalten in die Toilette zu urinieren
                        Kinder anhalten, Konflikte friedlich zu lösen
                        „Gefrühstückt wird im Bistro“
                        Süßigkeiten sind verboten

                       Klug ist es, in schwierigen, verfahrenen Situationen einen
                       Neustart / Reset zu initiieren

                                                  15
Beispiel 4: Ampel stationäre Jugendhilfeeinrichtung16

 Rote Ampel =                  Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Schutz und Sicherheit!

 dieses Verhalten ist           Schlagen                              Mit Jugendlichen sexuell Kontakt haben
 immer falsch und               Einsperren                            Fotos von Kindern ins Internet stellen
 dafür können Be-               Sexuell missbrauchen oder belästigen  Vergewaltigen
 treuer und Betreu-             Intimbereich berühren                 Misshandeln
 erinnen angezeigt              Angst einjagen und bedrohen           Klauen
 und bestraft werden            Quälen aus Spaß                       Stauchen

 Gelbe Ampel =                 Kinder und Jugendliche haben ein Recht,
                               sich zu wehren und Klärung zu fordern!
 dieses Verhalten ist
 pädagogisch kritisch           Keine Regeln festlegen               Unzuverlässig sein
 und für die Entwick-           Befehlen, rumkommandieren            Was Böses wünschen
 lung von Kindern               Durchdrehen                          Wut an Kindern auslassen
 und Jugendlichen               Nicht ausreden lassen                Unverschämt werden
 nicht förderlich               Ausdrücke sagen                      Verantwortungslos sein
                                Kinder beleidigen                    Weitermachen wenn ein Kind „Stopp“
                                Sich immer für etwas besseres halten sagt
                                Unsicheres Handeln                   Bedürfnisse von Kindern ignorieren

 Grüne Ampel =                 Kinder und Jugendliche haben ein Recht, Erklärungen zu bekommen und
                               ihre Meinung zu äußern!
 dieses Verhalten ist
 pädagogisch richtig,           Kindern das Rauchen verbieten                   Kinder zum Schulbesuch drängen
 gefällt aber Kindern           Schulranzen ausleeren, um                      Jugendliche auffordern, aufzuräumen
 und Jugendlichen                 gemeinsam Ordnung zu schaffen                  Was mit den Eltern ausmachen und
 nicht immer                    Über Kinder reden                                 die Kinder darüber informieren
                                Bei der Lernzeit Musikhören                    Bestimmen, sich an die Regeln zu
                                  verbieten                                        halten
                                Schimpfen                                       Verbieten, anderen zu schaden

16     Quelle: Hochdorf – Evangelische Jugendhilfe im Kreis Ludwigsburg e. V.

                                                                    16
Intervention
Verfahrensablauf bei vermutetem Machtmissbrauch, Übergriffe und
Gewalt durch Fachkräfte in Institutionen

Wir möchten Ihnen an dieser Stelle einen Verfahrens-           Die folgenden Empfehlungen sind zu beachten:
ablauf zur ersten Orientierung und Intervention bei
Verdachtsfällen in Ihrer Institution anbieten. Dabei           •     Bewahren Sie Ruhe.
muss allen Beteiligten klar sein, dass es bei der Viel-
zahl möglicher Fallkonstellationen nicht den einen             •     Interpretieren Sie die Situation nicht. Notieren
roten Faden geben kann. In der Praxis haben sich die                 Sie, was Ihnen aufgefallen ist und was das Mäd-
im Folgenden beschrieben Verfahrensschritte als be-                  chen bzw. der Junge gesagt hat. Halten Sie fest,
lastbar und zielführend herausgestellt. Wir legen da-                in welchem Zusammenhang die Äußerung gefal-
bei großen Wert auf eine frühe und externe fachliche                 len ist, ob sie spontan war oder durch bestimmte
Begleitung Ihrer Einrichtung in diesem Verfahren.                    Themen oder Ereignisse ausgelöst wurde. Was
                                                                     haben Sie gesehen, gehört, von wem und was
Die Situationen, die zur Vermutung von Machtmiss-                    sind Ihre Gefühle.
brauch, Übergriffen und Gewalt führen, können sehr
unterschiedlich sein. Vielleicht macht ein Mädchen             •     Informieren Sie Ihre Leitung. Sie entscheidet über
oder Junge Andeutungen oder Sie beobachten ein                       die nächsten konkreten Schritte.
sexuell übergriffiges Verhalten durch einen Erwach-
senen oder durch andere Kinder oder Jugendliche.               •     Sollte der Verdacht Ihre Leitung betreffen, infor-
Vielleicht entdecken Sie kinderpornografisches Ma-                   mieren Sie Ihren Träger.
terial auf einem Handy oder Rechner.
                                                               •     Halten Sie Kontakt zu dem Mädchen oder Jun-
                                                                     gen, aber versprechen Sie nicht, dass Sie alles für
 Bitte beachten Sie dabei:                                           sich behalten werden.

 Ein ganz wichtiger Punkt in der akuten Situation              •     Stellen Sie in keinem Fall die verdächtige Person
 eines vermuteten oder tatsächlichen Vorfalles ist,                  zur Rede. Dadurch kann das Kind oder der/die Ju-
 dass Sie frühzeitig eine verantwortliche Person be-                 gendliche zusätzlich gefährdet werden.
 nennen, die nach Innen und Außen die Einrichtung
 vertritt. Dadurch vermeiden Sie sich widerspre-
 chende Aussagen. Eine Person verhält sich eindeu-                 Wichtig ist:
 tiger und ist einschätzbarer, als immer wechselnde
 Personen. Wählen Sie diese Person bewusst aus. Sie                Zeitnahes, planvolles und abgestimmtes Handeln.
 sollte diplomatisch sein, klar sprechen, verschiedene             Das ist umso wichtiger, wenn der Verdacht von El-
 Sichtweisen und Blickwinkel ausdrücken und trotz-                 tern oder Außenstehenden an Sie herangetragen
 dem eine eindeutige Haltung vertreten können.                     wird.

                                                          17
Verfahrensablauf bei vermutetem Machtmissbrauch
durch Fachkräfte in Institutionen17
1.)           Systematische Darstellung

Verantwort-
                     Prozessablauf                                                                                Erläuterung
lichkeiten

                                  Auftreten von
                         grenzüberschreitendem Verhalten
                                        

                                  Festgestellt durch
                            Mitarbeiter/-innen, Kind, Eltern
                                            
                            Verpflichtende Info an Leitung,
        MA                 bei Leitung betreffend an Träger                                                       Schritt 1: S. 20

                                            
                               Gefährdungseinschätzung
      MA/L                                                                                                        Schritt 2: S. 20

                                            
                                      Info an Träger
         L

                                            

                      Bewertung der Information durch Leitung
        L/T
                                    und Träger
                                            
                                                                                                                  Krisenkommuni-
                                      Ergreifen von                                                  Krisenkom-   kation: S. 27
                                   Sofortmaßnahmen                ja                                munikation
         T
                                       erforderlich
                                                                               Maßnahmen ergreifen

                                           nein
                                            

                      Bewertung der Information durch Leitung
        L/T
                                    und Träger
                                                                                                       

                                             1                                         1                 1

Legende:
MA: Mitarbeiter/-in
L: Leitung
T: Träger

17    Arbeithilfe Kinderschutz in Einrichtungen, S. 44-45, Paritätischer Hamburg

                                                                          18
Verant-
wortlich-   Prozessablauf                                                                                                      Erläuterung
keiten

                            1                                     1                                                   1

                                                                                                                    

                     Weitere Klärung                                                                              Krisenkom-
   L/T                erforderlich                                                                                munikation

                            ja
                            

    T          Externe Expertise einholen         nein                                                                         Schritt 3: S. 20

                            

                                                        Info an Beschuldigten,
                        Verdacht            nein                                         Evt. Rehabilitations-
   L/T
                       begründet
                                                           Info an Ankläger                  maßnahmen
                                                                                                                               Schritt 5a: S. 22
                                                            durch Leitung

                            ja
                                                                     
             Gemeinsame Risiko-/Ressour-                    Bearbeitung
   L/T                                                                                                                         Schritt 4: S.20
                  cenabschätzung                           abgeschlossen
                            
             Gespräch mit dem/der betrof-
   L/T
                 fenen Mitarbeiter/-in
                            

                                                                                                                               Schritt 5a: S. 22
                                               nein                             nein 
                     Weiterführung                             Verdacht
                                                                                            Rehabilitations-
    T                des Verfahrens                          besteht noch
                                                                                             maßnahmen

                            ja                                        ja
                                                                      
              Fortführung des Verfahrens             Maßnahmen abwägen                                                         evt. Schritt 5:
                                                                                                                               S. 21
            – Freistellung ggf. Hausverbot           – Sanktionen
   L/T      – Hilfe für direkt und indirekt         – dienstrechtliche Opti-
               Betroffene                            onen
            – Transparenz                            – Bewährungsauflagen
            – ggf. Strafanzeige                      – Transparenz im Team
                            
              Weiterarbeit an Fehlerkultur,
                  Sensibilisierung für
              Fehlverhalten, nach dem Fall
                    ist vor dem Fall
                                                                      

                                Bearbeitung des Einzelfalles
                                     ist abgeschlossen

                                                                      19
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