Adjuvante Systemtherapien bei Brustkrebs - Besonderheiten bei der prämenopausalen Patientin - Rosenfluh ...

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Adjuvante Systemtherapien bei Brustkrebs - Besonderheiten bei der prämenopausalen Patientin - Rosenfluh ...
SCHWERPUNKT

                          Adjuvante Systemtherapien
                          bei Brustkrebs
                          Besonderheiten bei der prämenopausalen Patientin
Brustkrebs in der Prämenopause präsentiert sich gehäuft in einem fortgeschrittenen Stadium mit ag-
gressiverer Tumorbiologie und ruft dadurch bei den Betroffenen viele Ängste hervor. Die Entwicklung
einer individuellen Therapiestrategie für dieses Patientinnenkollektiv stellt uns vor eine schwierige Her-
ausforderung. Über die onkologische Sicherheit einer Systemtherapie hinaus kommen Fragen zum Fertili-
tätserhalt, zu einer genetischen Prädisposition und Lifestylefaktoren auf.

                          FRANZISKA LENZ, CORNELIA LEO

                          Das Mammakarzinom ist weltweit die häufigste mali-                   einer Systemtherapie Berücksichtigung finden. Bei
                          gne Erkrankung der Frau. Etwa 30% der Brustkrebs-                    offener Familienplanung sollte eine reproduktions-
                          patientinnen sind prämenopausal (1). In dieser Al-                   medizinische Vorstellung erfolgen. Somit bedarf die
                          tersklasse präsentieren sich die Patientinnen bei                    Betreuung von prämenopausalen Patientinnen einer
                          Diagnosestellung bereits häufig mit einem fortge-                    komplexen Therapiestrategie unter Einbezug inter-
                          schrittenen Tumorwachstum und einer aggressiven,                     disziplinärer Expertise.
                          schlecht differenzierten Tumorbiologie (2) (Tabelle 1).              Als massgebende Kriterien zur Wahl der Therapie bei
Franziska Lenz
                          Junge Patientinnen unter 35 Jahren weisen im Alters-                 der jungen Patientin gelten neben der Tumorgrösse,
                          vergleich das schlechteste rezidivfreie und Gesamt-                  dem Nodalstatus und dem Grading auch die im-
                          überleben auf (3), wobei der intrinsische Subtyp ei-                 munhistochemische Beurteilung der Östrogen- und
                          nen wichtigen prognostischen Faktor darstellt.                       Progesteronrezeptoren, die Bestimmung des
                                                                                               HER2-Status sowie die Analyse der Proliferations-
                          Planung der komplexen                                                fraktion (Ki-67). Durch die molekulare Klassifizierung
                          Therapiestrategie                                                    der Brustkrebstypen sowie die Entwicklung neuer
Cornelia Leo              Vor Einleitung einer individualisierten Systemthera-                 Substanzen wurden in den letzten Jahren in der adju-
                          pie bei prämenopausalen Brustkrebspatientinnen                       vanten Systemtherapie (endokrine, Chemo- und ziel-
                          sind Auswirkungen auf den Fertilitätserhalt, Neben-                  gerichtete Therapie) von Brustkrebspatientinnen
                          wirkungsmanagement und eine ausführliche Anti-                       vielversprechende Optionen geboten, welche nach-
                          konzeptionsberatung wichtige Bestandteile eines                      folgend hinsichtlich der Besonderheiten bei präme-
                          prätherapeutischen Aufklärungsgesprächs. Hierbei                     nopausalen Patientinnen erläutert werden.
                          sollten sowohl der Einfluss von sozioökonomischen
                          und genetischen Faktoren als auch Langzeitfolgen                     Neo-/adjuvante Chemotherapie
                                                                                               Grundsätzlich sollte bei prämenopausalen Patientin-
                                                                                               nen das Alter allein weder zu einer Eskalation der Be-
                                                                                               handlung führen noch als Hauptindikator für eine
                                                          Merkpunkte                           Chemotherapie betrachtet werden. Die Indikation
                                                                                               für eine zytostatischen Therapie gilt bei HER2-über-
 n 30% aller Brustkrebspatientinnen sind prämenopausal.                                        exprimierenden Tumoren in Kombination mit einer
 n Prognostisch relevante Faktoren (intrinsischer Subtyp, Tumorgrösse, Nodalstatus, Gra-       simultanen Anti-HER2-Therapie und bei tripelnegati-
     ding, Erkrankungsalter, Proliferationsfraktion, Biomarker wie Hormonrezeptor-/HER2-Sta-   vem Mammakarzinom (TNBC) als gesichert.
     tus) bieten eine präzise Abschätzung des individuellen Risikos.                           Hingegen müssen bei endokrin sensiblem Brust-
 n Genexpressionstests dienen der Deeskalation, um Übertherapie zu verhindern, aber auch       krebs weitere prädiktive Faktoren für ein hohes
     der Therapieeskalation, um bei High-Risk-Mammakarzinomen das Rezidivrisiko zu senken.     individuelles Rezidivrisiko (Tumorgrösse, Lymphkno-
 n Ein personalisiertes Therapiekonzept umfasst die Beratung über kontrazeptive Mass-          tenbefall, schlechter Differenzierungsgrad, junges
     nahmen, Fertilitätserhalt, Genetik, Nebenwirkungsmanagement und sozioökonomische
                                                                                               Erkrankungsalter, hohes Ki-67) zur Entscheidung über
     Aspekte.
                                                                                               die Notwendigkeit einer Chemotherapie mit einbe-
                                                                                               zogen werden.

12                        GYNÄKOLOGIE 1/2022
SCHWERPUNKT

 Tabelle 1:
 Klinisch pathologische Faktoren bei jungen Brustkrebspatientinnen (adaptiert nach [2])
 Klinisch pathologische Kriterien/Phänotyp               ≤ 30 Jahre   31–35 Jahre   36–40 Jahre   Patientinnen gesamthaft
                                                         n = 47       n = 111       n = 241       n = 399
                                                         n (%)        n (%)         n (%)         n (%)
 Luminal A (ER/PR+, HER2–, Grad 1 oder 2)
 Luminal B (ER/PR+, HER2+ oder ER/PR+, HER2–, Grad 3)
 HER2 (ER–, PR–, HER2+)
 Triple negativ
 Tumorgrad 3
 Lymphovaskuläre Invasion
 Tumornekrose
 prominente lymphozytäre Infiltration
 zentraler fibrotischer Fokus
 verdrängende Tumorränder («pushing margins»)

Bei prämenopausalen Hochrisikopatientinnen sollte          ten humanisierten, monoklonalen Antikörper, eine
wie auch bei älteren Patientinnen die (neo-)/adju-         wirksame Substanz gegen diese aggressive Brust-
vante Chemotherapie den Standardrichtlinien folgen.        krebsentität entwickelt. Die europäische Zulassung
Hierbei kommt neben der Wahl des Therapiesche-             erfolgte im Jahr 2000. Der Einsatz der adjuvanten
mas der Einhaltung des zeitlichen Therapieintervalls       Therapie mit Trastuzumab für die Gesamtdauer von
eine grosse Bedeutung zu. Dosisdichte Therapie-            einem Jahr ist als Standardtherapie etabliert, wobei
regime scheinen bei prämenopausalen Patientinnen           das Erkrankungsalter keinen prognostischen Wert
mit Hochrisikokonstellationen einen positiven Effekt       auf die Therapie zeigt (10).
auf das Gesamtüberleben zu haben (4).                      Die Erweiterung der Anti-HER2-gerichteten Thera-
Bei jungen Brustkrebspatientinnen konnte nach neo-         pieoptionen durch den Einsatz von Pertuzumab und
adjuvanter Chemotherapie (NACT) signifikant häufiger       dem Antikörper-Drug-Konjugat T-DM1 bei fortge-
ein vollständiges pathologisches Ansprechen (pCR) er-      schrittenem Brustkrebs hatte zudem in den letzten
zielt werden, insbesondere bei luminalem und TNBC          15 Jahren einen positiven prognostischen Effekt (11).
(5). Bei TNBC im Stadium II bis III konnte der Anstieg     Hierbei konnte auch im Rahmen der Postneoadju-
der pCR-Rate durch Zugabe von Carboplatin zur stan-        vanzstudie KATHARINE altersunabhängig ein signifi-
dardisierten Taxan- und Anthrazyklinbasierten Thera-       kant verlängertes rezidivfreies Überleben nach Switch
pie noch verstärkt werden (5).                             auf T-DM1 bei Non-pCR nach einer neoadjuvanten
Das Ansprechen auf eine NACT bei TNBC und                  Antikörpertherapie mit Trastuzumab (ggf. in Kombi-
HER2-positivem Mammakarzinom bietet wichtige In-           nation mit Pertuzumab) nachgewiesen werden (11).
formationen über eine notwendige Eskalation mittels
postneoadjuvant ergänzender Chemotherapie bei              Eskalation oder Deeskalation
Non-pCR. In Anlehnung an die CREATEX-Daten be-             Genexpressionstests (u. a. Oncotype DX®, Mamma-
wirkt der postneoadjuvante Einsatz von Capecitabin         print®, PAM50®, Endopredict®) können einen ent-
bei TNBC mit non-pCR nach NACT im Vergleich zur            scheidenden Beitrag zur personalisierten Therapie
plazebokontrollierten Kohorte eine signifikante Ver-       leisten, indem sie durch Deeskalation vielen Patien-
besserung des rezidivfreien und des Gesamtüberle-          tinnen eine Systemtherapie ersparen. Jedoch kann
bens (6). Patientinnen hatten in der Studie ein media-     aufgrund einer Genexpressionsanalyse auch die Ent-
nes Alter von 48 Jahren, darunter waren 57,5%              scheidung zur Eskalation auf eine adjuvante Chemo-
prämenopausal (6).                                         therapie erfolgen, insbesondere wenn bei hormon-
In der Keynote-522-Studie konnte bei Hochrisikopa-         sensitiver, HER2-negativer Risikokonstellation die
tientinnen mit TNBC (T1c, N1-2 oder T2-4, N0-2) die        Indikation auf dem Boden der klassischen, klinikopa-
pCR-Rate unter dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab            thologischen Faktoren nicht klar ist.
und NACT noch erhöht werden (um 13,6% im Ver-              Gemäss den Daten aus der TAILOR-X-Studie haben
gleich zu Plazebo) (7). Daher stellen die Immuncheck-      nodal negative Patientinnen mit einem luminalen
point-Inhibitoren bereits jetzt vielversprechende          Brustkrebs und einem Recurrence-Score (RS) unter 25
Therapieoptionen insbesondere bei jungen Patien-           im Oncotype® DX (21-gene recurrence score assay)
tinnen mit TNBC dar.                                       keinen Benefit für eine zusätzliche Chemotherapie
                                                           gezeigt (8). Allerdings war im Kollektiv der unter
HER2-gerichtete Therapie                                   50-jährigen Patientinnen doch ein Vorteil für eine ad-
In der Subgruppe der HER2-positiven Mammakarzi-            juvante Chemotherapie im intermediären Risikobe-
nome wurde mit Trastuzumab, einem HER2-gerichte-           reich (Oncotype® RS 16-25) ersichtlich (8) (Tabelle 2).

GYNÄKOLOGIE 1/2022                                                                                                    13
SCHWERPUNKT

Tabelle 2:
Outcome nach 9 Jahren, stratifiziert nach Recurrence Score/klinischem Risiko bei Patientinnen < 50 Jahren
(adaptiert nach [8])
Variable               Klinisches Zahl der    Geschätzte         Hazard Ratio          Geschätzte       Geschätzter     HR für
                       Risiko     Patienten   Wahrschein-        (HR) für              Wahrschein-      absoluter       Fernrezidive
			                                           lichkeit           Rezidiv,              lichkeit für     Nutzen der      (95%-KI)
			                                           für Rezidiv,       2. Primärtumor        Fernrezidive     Chemotherapie
			                                           2.Primärtumor      oder Tod              in %             %-Punkte
			                                           oder Tod in %      in (95%-KI)
Recurrence-Score 16–20
Keine Chemotherapie    niedrig    328         19,6 ± 3,1  1,89 (1,89–3,04)             4,6 ± 1,5  –0,2 ± 2,1            1,00 (0,44–2,28)
Chemotherapie          niedrig    343         9,5 ± 1,8		                              4,8 ± 1,5
Keine Chemotherapie    hoch       107         19,0 ± 4,5  1,68 (076–3,72)              11,9 ± 3,9 6,5 ± 4,9             2,26 (0,70–7,34)
Chemotherapie          hoch       108         16,3 ± 5,8		                             5,5 ± 3,0
Recurrence–Score 21–25
Keine Chemotherapie    niedrig    158         19,7 ± 4,5  1,38 (0,74–2,57)             11,4 ± 3,9 6,4 ± 4,9             3,16 (1,01–9,94)
Chemotherapie          niedrig    161         15,8 ± 4,0		                             5,0 ± 3,0
Keine Chemotherapie    hoch       75          26,4 ± 5,4  2,63 (1,14–6,05)             18,8 ± 5,0 8,7 ± 6,2             1,86 (0,73–4,74)
Chemotherapie          hoch       82          11,4 ± 3,8		                             10,1 ± 3,7

                   Dieser Benefit wurde insbesondere bei unter 45-jäh-            beschreibt gut differenzierte ER- und/oder PR-posi-
                   rigen prämenopausalen Patientinnen als chemoen-                tive (≥ 10% Hormonrezeptorexpression), HER2-nega-
                   dokriner Effekt durch eine ovarielle Suppression ge-           tive Tumoren mit tiefer Proliferationsrate und niedri-
                   deutet (8). Deshalb muss in dieser Altersgruppe eine           gem Grading. Luminal-A-Tumoren haben zudem
                   individuelle Betrachtung und Abwägung erfolgen,                eine geringe Chemosensitivität, jedoch ist eine hohe
                   die allenfalls eine Entscheidung zugunsten einer               Empfindlichkeit gegenüber endokrin wirksamen
                   Chemotherapie bei einem RS zwischen 16 und 25 be-              Therapieoptionen charakteristisch.
                   deuten kann.                                                   Tumoren des Luminal-B-Subtyps (ER/PR-positiv,
                   In der RxPonder-Studie konnte bei prämenopausa-                G2/3 und hohe Proliferationsrate) sind hingegen häu-
                   len Patientinnen (33,2% der 5015 Patientinnen) der             fig nicht ausreichend mit einer alleinigen Antihor-
                   Nutzen einer Chemotherapie bei hormonrezeptor-                 montherapie zu behandeln. Bei bislang unzureichend
                   positivem (ER+), HER2-negativem Mammakarzinom                  validiertem Schwellenwert für Ki-67 zur Differenzie-
                   mit 1 bis 3 befallenen Lymphknoten unabhängig vom              rung zwischen Luminal A und B können Genexpres-
                   RS nachgewiesen werden (9). Es zeigte sich ein ab-             sionsanalysen unterstützend zur individuellen Risiko-
                   soluter Benefit von 5,2% bezüglich des krankheits-             analyse und bei der Entscheidung für oder gegen
                   freien Überlebens (94,2% vs. 89,0%; HR = 0,54;                 eine allfällige Chemotherapiegabe zu Rate gezogen
                   p = 0,0004) (9). Auch beim Gesamtüberleben zeigte              werden.
                   sich für prämenopausale Patientinnen mit zusätzli-             Bei der prämenopausalen Patientin mit frühem lumi-
                   cher Chemotherapie ein absoluter, statistisch signifi-         nalem Brustkrebs hat sich über Jahrzehnte der Ein-
                   kanter Benefit von 1,3% (98,6% vs. 97,3%; HR = 0,47;           satz von Tamoxifen, einem selektiven Modulator der
                   p = 0,032) (9). Die Frage, ob dieser Effekt tatsächlich        ER-Funktion (SERM), als Goldstandard etabliert. In
                   der Chemotherapie zuzuschreiben ist oder durch die             einer Metaanalyse der EBCTCG von 2011 konnte
                   Ovarsuppression erzielt wird, wird durch diese Studie          durch den Einsatz von Tamoxifen im Vergleich zur
                   nicht beantwortet. Genexpressionstests zeigten sich            Kontrollgruppe ohne adjuvante endokrine Therapie
                   für prämenopausale, nodal positive Patientinnen in             nach 15 Jahren eine etwa 30% geringere Brust-
                   dieser Studie als nicht prädiktiv. Hingegen profitieren        krebs-assoziierte Mortalitätsrate und damit ein signi-
                   nodal positive, postmenopausale Patientinnen mit               fikant verlängertes Überleben gezeigt werden (12).
                   luminalem Brustkrebs erst ab einem RS-Wert > 25                Dieser Effekt konnte für weitere 15 Jahre nachgewie-
                   von einer adjuvanten zystostatischen Therapie (9).             sen werden (12). Tamoxifen über 5 Jahre reduziert
                                                                                  ausserdem signifikant die Wahrscheinlichkeit für ein
                   Adjuvante endokrine Therapie                                   lokoregionäres Rezidiv um zirka 40% (12).
                   Die endokrine Therapie spielt unter den adjuvanten             In klinisch-pathologischen Hochrisikokonstellatio-
                   Therapieoptionen eine zentrale Rolle. Von einer allei-         nen sollte bei erhaltener ovarieller Funktion der Ein-
                   nigen endokrinen Therapie profitieren in erster Linie          satz eines Aromataseinhibitors oder von Tamoxifen in
                   Patientinnen mit Tumoren des Luminal-A-Subtyps.                Kombination mit einem Gonadotropin-Releasing-
                   Dieser mit 40 bis 60% häufigste intrinsische Subtyp            Hormon-(GnRH-)Analogon zur ovariellen Funktions-

14                 GYNÄKOLOGIE 1/2022
SCHWERPUNKT

                                                     Tamoxifen + OFS          Exemestan + OFS            Tamoxifen
                     Characteristic         TEXT-Studie                                             SOFT-Studie

      Alter bei Randomisierung; Jahre
                                 ≥ 50
                               45–49
                               40–44
                               35–39
                                 < 35
          Zahl positiver Lymphknoten
                                    0
                                  1–3
                                   ≥4
                     Tumorgrösse; cm
                                   ≤2
                                   ≥2
                      ER-Exprimierung
                                 ≥ 50
                                 < 50
                      PR-Exprimierung
                                 ≥ 50
                               20–49
                                 < 20
                           Tumorgrad
                                    1
                                    2
                                    3
                Ki-67-Exprimierung, %
                                 < 14
                               14–19
                               20–25
                                 ≥ 26

                                               Fernrezidiv-frei im 8-Jahres-Zeitraum (95%-Konfidenzintervall)

Abbildung 1: 2 Kaplan-Meier-Kurven für das rezidivfreie Überleben in 7 Subgruppen gemäss den Studien
SOFT und TEXT (adapt. nach [13])

suppression (OFS) geprüft werden. Alternativ käme             tive, wenn die Kombination aus AI/GnRH-Analogon
auf Wunsch auch eine Adnexektomie in Betracht. Als            zu Nebenwirkungen führt, die die Lebensqualität zu
Risikofaktoren spielen hierbei das Erkrankungsalter           stark einschränken. Der prognostische Vorteil der
(< 40 Jahre), die Tumorgrösse, der Nodalstatus, eine          Kombination mit OFS konnte im Niedrigrisikokollek-
niedrige ER/PR-Expression, ein hohes Grading (G3)             tiv (Luminal A) nicht belegt werden, weshalb hier wei-
sowie ein höherer Proliferationsindex (Ki-67) eine            terhin eine alleinige Tamoxifen-Therapie indiziert
wichtige Rolle.                                               werden kann.
Diese Empfehlung stützt sich auf die Daten der Stu-
dien SOFT (Suppression of Ovarian Function Trial)             Nebenwirkungsmanagement
und TEXT (Tamoxifen and Exemestane Trial),                    Zur Verbesserung der Compliance ist eine detaillierte
welche den grössten Nutzen einer ovariellen Sup-              Aufklärung der prämenopausalen Patientin über eine
pression kombiniert mit einer endokrin wirksamen              mögliche Verstärkung der Nebenwirkungen einer en-
Therapie für insgesamt 5 Jahre bei einem Erkran-              dokrinen Therapie (vasomotorische Beschwerden,
kungsalter unter 35 Jahren und einem hormonrezep-             Schlafstörungen, Knochenschmerzen, Genitalatro-
torpositiven Mammakarzinom zeigten (13) (Abbil-               phie) unter Hinzunahme einer ovariellen Suppression
dung 1). Ein geringerer, wenngleich signifikanter             unabdingbar. Zur Reduktion des Osteoporoserisikos
Effekt der ovariellen Suppression kombiniert mit ei-          unter OFS sollte eine osteoprotektive Therapie eva-
nem Aromataseinhibitor (bevorzugt Exemestan)                  luiert werden.
wurde auch bei ungünstiger biologischer Signatur              Als Tool zur Abschätzung und Entscheidungshilfe
(Luminal B) mit Indikation für eine Chemotherapie             über die Indikation für eine OFS kann der Composite
nachgewiesen (13). Die Kombination von Tamoxifen              Risk Index Breast Cancer (CRIB) hilfreich sein (14).
mit einer ovariellen Suppression ist der Kombination
mit einem Aromataseinhibitor zwar etwas unterle-              Verlängerte endokrine Therapie?
gen, aber es zeigt sich weiterhin ein signifikanter Vor-      Die ATLAS-Studie (mit 18% prämenopausalen Pati-
teil bezüglich des krankheitsfreien Überlebens und            entinnen) zeigte einen Benefit für eine verlängerte
des Gesamtüberlebens gegenüber der alleinigen                 Tamoxifen-Gabe für 10 Jahre mit signifikant verlän-
Tamoxifen-Therapie (13). Damit ist die Kombination            gertem Gesamtüberleben unter Inkaufnahme eines
Tamoxifen/GnRH-Analogon eine effektive Alterna-               höheren Endometriumkarzinom- und Lungenembo-

GYNÄKOLOGIE 1/2022                                                                                                   15
SCHWERPUNKT

                                                                                                                                                                                                                            Fertilitätserhalt
                                                                                                                                                                                                                            Antikonzeption
                                                                                                                                                                                                                         Genetische Beratung
                                                                                                      Prämenopausale Patientinnen                                                                                         Lifestyle Beratung
                                                                                                                                                                                                                           Psychoonkologie
                                                                                                                                                                                                                        Komplementärmedizin
                                                                                                                                                                                                                      Nebenwirkungsmanagement

                             TNBC                                                                                  HER-2 positiv                                                                            Luminal

           cT1 cN0                           cT≥2 und/oder cN≥1                                   cT1 cN0                          cT≥2 und/oder cN≥1                          Wenn CT indiziert                      Wenn CT nicht indiziert

                                                                                                                                          NACT                       NACT (ggf. dose
                                        NACT (ggf. dose dense)                                                                       Trastuzumab +                      dense)
                                          (+ Pembrolizumab                                                                            Pertuzumab
                                       T1c,N1-2 oder T2-4, N0-2)

                                                                                                                          OP

                                                                                                                                                                                                   adjuvante CT
                                                      pCR           non-pCR       pT1b,c pN0       pT≥2 und/oder pN ≥ 1            pCR          non-pCR

                                                                                                                                                                   AI (oder Tamoxifen)       AI (oder Tamoxifen)
                                                                                                                                                                           + OFS                     + OFS
                 Adjuvant Pembrolizumab             Nachsorge                                                                Adjuvant                Adjuvant              ggf. +                    ggf. +
                                                                     Adjuvant                                              Trastuzumab                                 Abemaciclib               Abemaciclib
                    (wenn neoadjuvant                                                                                                                 T-DM1
                                                                   Capecitabine                                        (+ Pertuzumab wenn                               (≥4 LK oder               (≥4 LK oder
                 Pembrolizumab gegeben
                          wurde:                                                                                               cN+)                                1-3 LK G3 / ≥5 cm)        1-3 LK G3 / ≥5 cm)
                 T1c,N1-2 oder T2-4, N0-2)

                                                                                    Adjuvant           Adjuvant CT +                                                                                                      Nur Tamoxifen
  adjuvante CT                                                                     Paclitaxel +        Trastuzumab                                                 ggf. verlängerte ET        ggf. verlängerte ET             (+OFS bei
                                                                                  Trastuzumab         +/- Pertuzumab                                                                                                        Hochrisiko)
                                                                                                                                                                                                                        ggf. verlängerte ET

Abbildung 2: Möglicher Behandlungsalgorithmus der Systemtherapie bei Mammakarzinom in der Prämenopause
(adaptiert nach [20])
         Adaptiert nach Parisi et al. (20)

                                        lierisikos (15). In Anbetracht der Tatsache eines ho-                                                           prämenopausalen Patientinnen) im Vergleich zum
                                        hen Rezidivrisikos für die prämenopausale Patientin                                                             Plazeboarm. Mit Spannung erwarten wir, zukünftig
                                        sollte eine verlängerte endokrine Therapie über                                                                 mehr Daten zum Effekt der adjuvanten Therapie mit
                                        5 Jahre hinaus bei Hochrisikopatientinnen evaluiert                                                             CDK-4/6-Inhibitoren im Hinblick auf das Gesamt-
                                        werden. Daten bezüglich der Benefits einer verlän-                                                              überleben bei prämenopausalen Patientinnen prä-
                                        gerten endokrinen Therapie nach 5 Jahren Kombina-                                                               sentiert zu bekommen.
                                        tionstherapie mit AI/GnRH existieren jedoch noch                                                                Unabhängig von ggf. präexistierenden Risikofakto-
                                        nicht. Die Entscheidung für eine Therapieverlänge-                                                              ren für Osteoporose sollten bei zu erwartender ova-
                                        rung muss individuell mit der Patientin diskutiert                                                              rieller Suppression aufgrund adjuvanter Systemthera-
                                        werden, und sowohl das Rezidivrisiko als auch die Be-                                                           pien osteoprotektive Massnahmen wie Bewegungs-
                                        einträchtigung der Lebensqualität durch Nebenwir-                                                               therapie, Gewichtsoptimierung sowie Kalzium- und
                                        kungen der Therapie müssen berücksichtigt werden.                                                               Vitamin-D-Substitution empfohlen werden.

                                        Einsatz von CDK-4/6-Inhibitoren?                                                                                Genetische Beratung
                                        Der Einsatz von CDK-4/6-Inhibitoren im adjuvanten                                                               5 bis 10% aller Brustkrebserkrankungen sind erblich
                                        Setting bei Hochrisikopatientinnen mit endokrin sen-                                                            bedingt (17). Bei der Hälfte dieser Patientinnen lässt
                                        siblem Brustkrebs wurde in den letzten Jahren inten-                                                            sich eine BRCA1- oder BRCA2-Keimbahnmutation
                                        siv erforscht. Im Phase-III-MonarchE-Trial erhielten                                                            nachweisen. Eine erbliche Ursache kann bei positiver
                                        insgesamt 5637 Patienten mit high-risk nodal positi-                                                            Familienanamnese mit mindestens 2 weiteren an
                                        vem luminalem Brustkrebs (≥ 4 Lymphknoten oder                                                                  Brustkrebs erkrankten Patientinnen (oder mindestens 1
                                        1–3 Lymphknoten G3 / ≥ 5 cm) nach erfolgter Opera-                                                              ≤ 50 Jahren), bei einem Erkrankungsalter ≤ 40 Jahren,
                                        tion, Radiotherapie und/oder Chemotherapie eine                                                                 gleichzeitiger Anamnese von Brust- und Eierstock-,
                                        5-jährige adjuvante endokrine Therapie mit einem                                                                Prostata- oder Pankreaskarzinom, bilateralem Brust-
                                        Aromatasehemmer mit oder ohne Zusatz von Ab-                                                                    krebs (≤ 50 Jahre), bei TNBC < 60 Jahren oder männ-
                                        emaciclib für 2 Jahre (16). Hierbei zeigte sich alters-                                                         lichen Brustkrebspatienten vermutet werden (17). Trifft
                                        unabhängig eine Risikoreduktion von 29% für das                                                                 eines dieser genannten Testkriterien zu, sollte Betrof-
                                        rezidivfreie Überleben unter Abemaciclib in Kombi-                                                              fenen eine genetische Beratung und Testung nach er-
                                        nation mit einem Aromataseinhibitor (plus OFS bei                                                               teilter Kostengutsprache der Krankenkasse angebo-

16                                      GYNÄKOLOGIE 1/2022
SCHWERPUNKT

     ten werden. Bei Trägerinnen einer BRCA-Mutation          Dr. med. Franziska Lenz
                                                              und
     besteht ein Risiko von bis zu 40%, vor dem 50. Lebens-   Prof. Dr. med. Cornelia Leo
     jahr an Brustkrebs zu erkranken (17).                    (Korrespondenzadresse)

     Der Nachweis einer BRCA-Mutation hat nicht nur           Interdisziplinäres Brustzentrum Baden
     Konsequenzen bezüglich (sekundär-) prophylakti-          Departement Frauen und Kinder
                                                              Kantonsspital Baden
     scher Massnahmen. Der durch die Genmutation ge-          5404 Baden
                                                              E-Mail: cornelia.leo@ksb.ch
     störte DNA-Reparaturmechanismus stellt auch einen
     neuen Angriffspunkt für die Behandlung mit zielge-
                                                              Quellen:
     richteten Substanzen dar. Der Poly-(ADP)-Ribose-
                                                              1. Heer E et al.: Global burden and trends in premenopausal and postmenopau-
     Polymerase-(PARP-)Inhibitor Olaparib wurde in der        sal breast cancer: a population-based study. The Lancet Global Health. 2020; 08:
     Phase-III-Studie Olympia im adjuvanten Setting un-       e1027–e1037.
                                                              2. Collins LC et al.: Pathologic features and molecular phenotype by patient age
     tersucht (18). Das mediane Alter der Studienpopula-      in a large cohort of young women with breast cancer. Partridge AH Breast Cancer
     tion war jung (42 Jahre im Olaparib- bzw. 43 Jahre im    Res Treat. 2012 Feb; 131(3): 1061–1066.
                                                              3. Billena C et al.: 10-Year Breast Cancer Outcomes in Women ≤ 35 Years of Age.
     Plazeboarm). Die Zugabe von Olaparib im adjuvan-         Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2021; 109: 1007.
     ten Setting bei Hochrisiko-BRCA1- oder BRCA2-as-         4. Lambertini M et al.: Dose-dense adjuvant chemotherapy in premenopausal
     soziiertem Mammakarzinom führte bereits nach ei-         breast cancer patients: A pooled analysis of the MIG1 and GIM2 phase III studies.
                                                              Eur J Cancer. 2017 Jan; 71: 34–42.
     nem medianen Follow-up von 2,5 Jahren zu einer           5. Von Minckwitz G et al.: Neoadjuvant carboplatin in patients with triple-negative
     signifikanten Verbesserung sowohl des krankheits-        and HER2-positive early breast cancer (GeparSixto; GBG 66): a randomised phase 2
                                                              trial. Lancet Oncol. 2014; 15: 747–756.
     freien als auch des fernmetastasenfreien Überlebens.     6. Masuda N et al.: Adjuvant Capecitabine for Breast Cancer after Preoperative
     Alle Patientinnen hatten zuvor eine (neo-)adjuvante      Chemotherapy. N Engl J Med. 2017 Jun 1; 376(22): 2147–2159.
     Chemotherapie erhalten (18).                             7. Schmid P et al.: KEYNOTE-522: Phase III study of pembrolizumab (pembro) +
                                                              chemotherapy (chemo) vs placebo (pbo) + chemo as neoadjuvant treatment,
                                                              followed by pembro vs pbo as adjuvant treatment for early triple-negative breast
     Fertilitätserhaltende Massnahmen                         cancer (TNBC). Annals of Oncology. 2019; 30 (suppl_5): v851–v934.
                                                              8. Sparano JA et al.: Clinical and Genomic Risk to Guide the Use of Adjuvant
     Bereits vor Planung einer adjuvanten Systemtherapie      Therapy for Breast Cancer. N Engl J Med. 2019; Jun 20; 380(25): 2395–2405.
     treten häufig bei jüngeren Patientinnen mit offener      9. Kalinsky K et al.: SWOG S1007: Adjuvant trial randomized ER+ patients who
                                                              had a recurrence score < 25 and 1–3 positive nodes to endocrine therapy (ET) versus
     Familienplanung Sorgen bezüglich der späteren Er-        ET + chemotherapy. Presented at the 2020 San Antonio Breast Cancer Symposium
     füllung eines Kinderwunsches auf. Da der Fertilitäts-    (SABCS). December 8–11, 2020. Abstract GS3-01.
     erhalt ein wichtiger Aspekt hinsichtlich der Lebens-     10. Partridge AH et al.: Effect of age on breast cancer outcomes in women with
                                                              human epidermal growth factor receptor 2-positive breast cancer: results from a
     qualität von jungen Brustkrebspatientinnen ist, muss     herceptin adjuvant trial. J Clin Oncol. 2013; Jul 20; 31(21): 2692–2698.
     dem Thema im prätherapeutischen Aufklärungsge-           11. von Minckwitz G et al.: Trastuzumab emtansine for residual invasive HER2-posi-
                                                              tive breast cancer. N Engl J Med. 2019; 380: 617–628.
     spräch grosse Beachtung geschenkt werden. Eine           12. Early Breast Cancer Trialists’ Collaborative Group (EBCTCG): Relevance of
     spezialisierte Beratung in einem Kinderwunschzent-       breast cancer hormone receptors and other factors to the efficacy of adjuvant
                                                              tamoxifen: patient-level meta-analysis of randomised trials. Lancet 2011; Aug 27;
     rum ist bei potenzieller Gonadotoxizität der geplan-     378(9793): 771–784.
     ten Systemtherapie indiziert. Hierbei sollten die        13. Pagani O et al.: Absolute Improvements in Freedom from Distant Recurrence
                                                              to Tailor Adjuvant Endocrine Therapies for Premenopausal Women: Results From
     Möglichkeiten für eine OFS mit GnRH-Analoga              TEXT and SOFT. J Clin Oncol. 2020; 38(12): 1293–1303.
     sowie reproduktionsmedizinische Optionen wie             14. https://crib-calculator.com/
     Kryokonservierung von Ovarialgewebe und Oozyten          15. Davies C et al.: Long-term effects of continuing adjuvant tamoxifen to 10 years
                                                              versus stopping at 5 years after diagnosis of oestrogen receptor-positive breast
     thematisiert werden. Es scheint, dass weder eine ova-    cancer: ATLAS, a randomised trial. The Lancet. 2013; 381(9869): 805–816.
     rielle Stimulation noch eine assistierte Reproduktion    16. O’Shaughnessy J.: Adjuvant abemaciclib combined with endocrine therapy:
                                                              updated results from monarchE. Presented at: ESMO Virtual Plenary; October 14,
     mit einer negativen Prognose bezüglich des rezidiv-      2021.
     freien Überlebens assoziiert sind (19). Somit können     17. Stoll S et al.: Update Swiss guideline for counselling and testing for predispo-
     jungen Mammakarzinompatientinnen fertilitätserhal-       sition to breast, ovarian, pancreatic and prostate cancer. Swiss Med Wkly. 2021; Sep
                                                              13;151:w30038.
     tende Massnahmen mit hoher onkologischer Sicher-         18. Tutt A et al.: Adjuvant Olaparib for Patients with BRCA1- or BRCA2-Mutated
     heit angeboten werden.                                   Breast Cancer. N Engl J Med. 2021;384(25):2394-2405.
     Betreffend kontrazeptiver Optionen ist eine Bera-        19. Vuković P et al.: Fertility preservation in young women with early-stage breast
                                                              cancer. Acta Clin Croat. 2019;58(1):147-156.
     tung der prämenopausalen Patientin hinsichtlich hor-     20. Parisi F et al.: Current State of the Art in the Adjuvant Systemic Treatment of
     monfreier Methoden einschliesslich Kupfer-IUD, Vas-      Premenopausal Patients With Early Breast Cancer. Clin Med Insights Oncol.
                                                              2020;14.
     ektomie, Tubensterilisation und Barrieremethoden
     indiziert.
     Die Indikation für eine Systemtherapie ist immer eine
     individuelle Entscheidung, in die sowohl Patientin-
     nen- als auch Tumorcharakteristika einfliessen; Abbil-
     dung 2 (20) illustriert einen möglichen Behandlungs-
     algorithmus.                                       n

18   GYNÄKOLOGIE 1/2022
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