Akute und chronische Durchblutungsstörungen der Extremitäten - Wissen schafft Heilung - TUM
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Klinik und und Plyklinik Poliklinikfür fürvaskuläre Vaskuläreund und endovaskuläre Endovaskuläre Chirurgie Chirurgie Klinikum rechts Klinikum rechts der derIsar Isar Technische Universität Technische UniversitätMünchen München Akute und chronische Durchblutungsstörungen der Extremitäten Wissen schafft Heilung
Wichtige Kontakte auf einen Blick: Diensthabender Arzt: Telefon: 089 4140 5007 Gefäßzentrum: Telefon: 089 4140 6666 Fax: 089 4140 6668 (Vereinbarung ambulanter Termine) Aufnahmemanagement: Telefon: 089 4140 5266 Fax: 089 4140 2173 (Vereinbarung von stationären und OP-Terminen) Entlassmanagement: Telefon: 089 4140 9598 Fax: 089 4140 2173 E-Mail: GES_Entlassmanagement@mri.tum.de Chefsekretariat: Telefon: 089 4140 2167 Fax: 089 4140 4861 E-Mail: gefaesschirurgie@mri.tum.de Weitere Informationen erhalten Sie außerdem auf unserer Klinikhomepage www.gchir.mri.tum.de. Postanschrift: Klinik und Poliklinik für Vaskuläre und Endovaskuläre Chirurgie Ismaninger Straße 22 81675 München 2
Univ.-Prof. Dr. med. Hans-Henning Eckstein Direktor der Klinik und Poliklinik für Vaskuläre und Endovaskuläre Chirurgie Liebe Patientinnen und Patienten, weitergehende Untersuchungen (z.B. Herzkatheter- liebe Kolleginnen und Kollegen, untersuchung) senken zu können. Selbstverständlich sehr verehrte Leserinnen und Leser, werden die Befunde der zuweisenden niedergelasse- nen KollegInnen bei der Therapieentscheidung mit ein- die Klinik und Poliklinik für Vaskuläre und Endovas- bezogen. Die klinischen Ergebnisse aller Eingriffe bei kuläre Chirurgie am Klinikum rechts der Isar der peripheren Durchblutungsstörungen werden prospektiv Technischen Universität München ist ein Kompetenz- dokumentiert, kontinuierlich publiziert und vorgetragen. zentrum für die Behandlung akuter und chronischer Darüber hinaus erfolgt eine breite klinische und transla- Durchblutungsstörungen der Extremitäten. Hierzu tionale Forschungstätigkeit zur PAVK. gehören u.a. die Therapie der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK), der akuten Extremitäten- Dieses Informationsheft soll unseren PatientInnen, ischämie, des diabetischen Fuß-Syndroms (DFS) und interessierten LeserInnen und KollegInnen aus der des Aneurysmas der Kniekehlenarterie (A. poplitea). Medizin einen Überblick über die verschiedenen Auf der Basis einer differenzierten klinischen und Formen akuter und chronischer peripherer Durch- apparativen Diagnostik führen wir bei unseren Patien- blutungsstörungen geben. Hierbei möchten wir Sie tInnen eine individuell optimierte Therapie durch. über unser Vorgehen inkl. Diagnostik, Therapie und Die Verfahren beinhalten die konservative Therapie der notwendigen Nachsorge informieren. Unser Ma- mit durchblutungsfördernden Medikamenten (z.B. nagement orientiert sich an gültigen nationalen und Prostaglandine), die endovaskuläre Behandlung internationalen Leitlinien, wird im Einzelfall aber immer (Thrombektomie, Thrombolyse, beschichtete Ballon- individuell mit dem einzelnen Patienten abgestimmt. katheter, Stents und Stentprothesen), offen-opera- Patientensicherheit ist für uns das oberste Gebot, tive Verfahren, wie z.B. die lokale Ausschälplastik deshalb bevorzugen wir prinzipiell Therapieverfahren (Thrombendarteriektomie=TEA) oder die Bypass- mit einem möglichst niedrigen Behandlungsrisiko. Teil Chirurgie. Selbstverständlich führen wir auch kom- unseres Qualitätsmanagements sind die in diesem Heft binierte Rekonstruktionen (Hybrideingiffe) durch. ebenfalls dokumentierten Fallzahlen und Ergebnisse, Mit der Gründung des Interdisziplinären Gefäßzen- allesamt ein Beleg für den hohen Versorgungsstandard trums am Klinikum rechts der Isar im Jahr 2001 wurde der Klinik und Poliklinik für Vaskuläre und Endovasku- die enge Kooperation mit weiteren Fachabteilungen läre Chirurgie am Universitätsklinikum rechts der Isar. etabliert. Alle Patienten mit Erkrankungen der Becken-, Weitere Informationen finden Sie auf unserer Home- Bein- und Armschlagadern werden in unserem interdis- page unter www.gchir.mri.tum.de. ziplinären Gefäßboard besprochen, in welchem sich die verschiedensten Spezialisten aus Kardiologie, Angio- Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen Ihr logie, Nephrologie, Radiologie, Gastroenterologie (inkl. Diabetologie) und Sportmedizin treffen. Darüberhinaus erhalten alle PatientInnen vor einer größeren operativen Behandlung eine kardiologische Untersuchung, um das Behandlungsrisiko besser abschätzen und durch ggfs. Univ.-Prof. Dr. med. Hans-Henning Eckstein 3
Inhalt Inhalt Ihr Klinik-Team zur Therapie akuter und chronischer Durchblutungsstörungen 6 Periphere arterielle Verschlusskrankheit 10 Grundlegendes zur peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) 10 Ursachen chronischer Durchblutungsstörungen 11 Worauf Patienten achten müssen - Symptome und Stadien der PAVK 12 Die PAVK: Indikator für Arteriosklerose im ganzen Körper 13 Diagnostik der PAVK 14 Therapie der PAVK 18 Die Behandlung der PAVK am "Klinikum rechts der Isar" 22 Weitere Ursachen und Formen peripherer Durchblutungsstörungen 24 Diabetisches Fuß-Syndrom (DFS) 24 Entzündliche Gefäßerkrankungen 24 Engpass-Syndrome25 PAVK im Bereich der Arme und Schultern 27 Akrale Durchblutungsstörungen 27 Welche Erkrankungen verursachen ähnliche Beschwerden wie die PAVK? 28 Akute Durchblutungsstörungen der Extremitäten 30 Ursachen einer akuten Extremitätenischämie 30 Aneurysmen der Oberschenkel- und Kniekehlenarterie 30 Seltene Ursachen 30 Warnzeichen einer akuten Extremitätenischämie - Symptome und Stadien 31 Diagnostik der akuten Extremitätenischämie 31 Notfalltherapie im Bereich der Arme und Beine 33 Wie werden Diagnostik, Notfalltherapie und Nachbehandlung organisiert? 36 Worauf müssen Patienten und Angehörige nach einer Behandlung achten? 37 Behandlungszahlen zur PAVK und zur akuten Extremitätenischämie in unserer Klinik 38 Krankenhausinfektionen - unser Vorgehen in Prophylaxe und Therapie 40 Behandlung chronischer Wunden im Bereich der Extremitäten 41 Lehre und Forschung zur PAVK und zur akuten Extremitätenischämie 42 Lehrveranstaltungen42 Klinische Forschung 42 Forschungsbereich "Vaskuläre Biologie und experimentelle Gefäßchirurgie" 43 Vaskuläre Versorgungsforschung 43 Weitere Fragen? 45 Weitergehende Informationen 45 GEFÄSSLEXIKON 46 Im Vordergrund der Neubau der Klinik und Poliklinik 5 für Vaskuläre und Endovaskuläre Chirurgie
Ihr Klinik-Team Ihr Klinik-Team zur Therapie akuter und chronischer Durchblutungsstörungen Univ.-Prof. Dr. med. Hans- PD Dr. med. Alexander Zim- Dr. med. (Univ. Budapest) Dr. med. Heiko Wendorff, Henning Eckstein, Direktor der mermann, Leitender Oberarzt, Gábor Bíró, Geschäfts- Oberarzt, Endovaskulärer Klinik und Poliklinik für Vaskuläre Endovaskulärer Spezialist DGG führender Oberarzt Spezialist DGG und Endovaskuläre Chirurgie, Endovaskulärer Spezialist DGG Dr. med. Michael Kallmayer, Dr. med. Franz Meisner, Dr. med. Uta Werthern, Dr. med. Thomas Stadlbauer, Oberarzt, Facharzt für Gefäß- Oberarzt und ärztlicher Leiter Oberärztin und Leiterin der Oberarzt, Facharzt für Kardiolo- chirurgie der Poliklinik für Vaskuläre und Spezialsprechstunde für gie, Angiologie, Hypertensiologie Endovaskuläre Chirurgie Venenerkrankungen 6
Ihr Klinik-Team Dr. med. Matthias Trenner, Dr. med. Sarah Geisbüsch, Dr. med. Benedikt Reuters- Funktionsoberarzt, Facharzt für Fachärztin für Gefäßchirurgie berg, Facharzt für Gefäßchirurgie Gefäßchirurgie Dr. med. univ. Christoph Dr. med. Albert Busch, Dr. med. Sven Zhorzel, Knappich, Assistenzarzt in der Assistenzarzt in der Weiter- Assistenzarzt in der Weiter- Weiterbildung zum Facharzt für bildung zum Facharzt für bildung zum Facharzt für Gefäßchirurgie Gefäßchirurgie Gefäßchirurgie Univ.-Prof. Dr. med. Gerhard Dr. med. Katja Hammer, Dr. med. Sofiane Dridi, Schneider, Direktor der Klinik Oberärztin der Klinik für Oberarzt der Klinik für für Anästhesiologie Anästhesiologie Anästhesiologie 7
Ihr Klinik-Team Ihr Ambulanz-Team Dr. med. Franz Meisner, Dr. med. Uta Werthern, Barbara Heilmeier, Elizabeth Pigott, Oberarzt und ärztlicher Leiter Oberärztin und stellvertr. Fachwirtin für ambulante und Gesundheits- und Krankenpfle- der Poliklinik für Vaskuläre und ärztliche Leiterin der Poliklinik für medizinische Versorgung, Lei- gerin Ambulanz, zertifizierte Endovaskuläre Chirurgie Vaskuläre und Endovaskuläre tung Poliklinik für Vaskuläre und Wundmanagerin Chirurgie Endovaskuläre Chirurgie Andrea Masset, Juliana Adelsberger, Samira Bibi Epse Krüger, Seher Avci, Wundmanagement Wundmanagement Prästationäre Patienten Medizinische Fachangestellte Karin Grimm, Sabine Simon, Andrea Stieber, Karin Munz, Fachschwester für Anästhesie- Fachschwester für Anästhesie- Sekretärin der Poliklinik für Sekretärin der Poliklinik für und Intensivmedizin und Intensivmedizin Vaskuläre und Endovaskuläre Vaskuläre und Endovaskuläre Chirurgie Chirurgie 8
Ihr Klinik-Team Ihr Stations-Team Dr. rer. medic. Eva Knipfer, Katharina Beck, Lisa Seitz, MHBA/Klinikmanagement, DRG Patientenmanagement Chefsekretariat Nathalie Schilde, Melanie Usko, Rebecca Töpfer, Chefsekretariat Aufnahmemanagement Entlassmanagement Christian Haubner-Schwab, Viktorija Mladenovic, Bilge Uzun, Leitung Pflegeteam Stationäre Patienten Stationäre Patienten 9
Periphere arterielle Verschlusskrankheit Periphere arterielle Verschlusskrankheit Grundlegendes zur peripheren arteriellen Ver- Hierzu zählen das Rauchen, Bluthochdruck, Fettstoff- schlusskrankheit (PAVK) wechselstörungen (erhöhtes Cholesterin), die Zucker- Wir unterscheiden drei Arten von Blutgefäßen: Arterien, krankheit (Diabetes mellitus) und Bewegungsmangel. Venen und Kapillaren. Sauerstoffreiches Blut gelangt über die Arterien von der Lunge über das Herz und die Hauptschlagader (Aorta) in den Körper und die einzelnen Organe. Die zunächst kaliberstarken Arterien verzweigen sich dabei in immer kleinere Arterien bis zu den Kapillaren. Hier findet der Austausch von Sauer- stoff, Nährstoffen und Stoffwechselprodukten für die Gewebeversorgung statt. Das sauerstoff- und nährstoff- arme Blut wird von den Venen danach wieder über das Herz zur Lunge zurücktransportiert, wo das Blut erneut mit Sauerstoff angereichert wird. Bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) liegt eine Arteriosklerose der Becken- und Beinarterien, seltener auch der Armarterien vor. Ver- engungen und Verschlüsse der Becken- oder Bein- arterien entwickeln sich zumeist sehr langsam und führen nach einem asymptomatischen Stadium zu einer Durchblutungsstörung der Beine, die sich bei körperli- cher Belastung, d.h. beim Laufen, Gehen oder Treppen- steigen mit Bein- und Wadenschmerzen bemerkbar macht („Schaufensterkrankheit). Bei einem Fortschrei- ten der Erkrankung kann es zu Schmerzen auch in Ruhe kommen oder zu nicht heilenden Wunden an den Zehen oder der Ferse. In diesem Stadium ist eine Verbesserung der Durchblutung zwingend geboten, da unbehandelt der Verlust des betroffenen Beins droht. In Deutschland lässt sich bei 5-10% der Erwachsenen eine PAVK nachweisen, es handelt sich vor allem in den Industrienationen um eine häufige Erkrankung. In Nordamerika und Europa sind ca. 27 Millionen Men- schen betroffen. Insbesondere ab dem 65. Lebensjahr steigt die Anzahl der Erkrankten zunehmend an, Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Die Erkran- kung bleibt durch ihren schleichenden Verlauf häufig zunächst unerkannt, die Geschwindigkeit des Fort- schreitens ist durch das Vorhandensein von bestimmten Schematische Abbildung des Herzkreislaufsystems mit Arterien (rot) und Venen (blau) Risikofaktoren und schädlichen Einflüssen individuell unterschiedlich. 10
Periphere arterielle Verschlusskrankheit Ursachen chronischer Durchblutungsstörungen Stehenbleiben zwingen und in Ruhe wieder verschwin- Bei der PAVK bilden sich Fettablagerungen, sogenann- den („Schaufensterkrankheit“). In fortgeschrittenen Sta- te Plaques, in den Wänden der Arterien. Hierbei sind dien kommt es zu ischämie-bedingten Ruheschmerzen die Beinarterien ca. 10-mal häufiger betroffen als die Ar- im Bereich der Zehen oder der Ferse (insbesondere bei terien der Arme. Im weiteren Krankheitsverlauf kommt hochgelagerten Beinen) oder sogar zum Gewebezerfall es zu einer Verfettung, Verdickung und Verhärtung der mit offenen Wunden oder Nekrosen im Bereich der Arterienwände mit fortschreitender Einlagerung von Ferse oder der Zehen. Da der menschliche Körper über Blutfetten und Entzündungszellen. Der Gefäßdurch- die Möglichkeit verfügt, Umgehungskreisläufe zu entwi- messer wird weiter eingeengt. Diese Plaques können ckeln, treten die letztgenannten Symptome allerdings aufplatzen, wobei sich dann Blutplättchen an den Wän- erst bei einer sehr weit fortgeschrittenen PAVK auf. den der Arterien ablagern können (Blutgerinnsel). Die wichtigen Risikofaktoren für die Entstehung einer Beschwerden entstehen dann, wenn im Bereich hinter Arteriosklerose und einer PAVK sind: dem arteriellen Engpass der Bedarf an Sauerstoff und Nährstoffen nicht mehr gedeckt werden kann und es • Rauchen zu einer belastungsabhängigen Mangeldurchblutung • Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) (Ischämie) kommt. Die betroffenen Patienten bemer- • Hohe Blutfette (insbesondere das LDL Cholesterin) ken zunächst krampfartige Schmerzen in den Beinen • Hoher Blutdruck (arterielle Hypertonie) (z.B. in den Waden, wie bei „Muskelkater“), die zum Verengung der Arterie 11
Periphere arterielle Verschlusskrankheit Worauf Patienten achten müssen - Symptome und Die vier Stadien der PAVK (nach Fontaine): Stadien der PAVK Folgende Beschwerden können Ausdruck einer beginnen- den oder fortgeschrittenen PAVK sein: • Belastungsabhängige Schmerzen im Bereich der Waden-, Oberschenkel- oder Gesäßmuskulatur, insbesondere beim schnellen Gehen oder beim Bergaufgehen • Kalte, blasse oder trockene Haut, insbesondere auf einer Seite (Stadium II der PAVK: Bei einer schmerz- freien Gehstrecke von >200 Metern liegt ein Stadium IIa vor, bei einer schmerzfreien Gehstrecke von weniger als 200 Metern ein Stadium IIb) • Ruheschmerzen im Bereich der Zehen, insbesonde- re nachts oder bei hochgelagerten Beinen (Stadium III der PAVK) • Wunden im Bereich der Füße oder Unterschenkel heilen nur langsam oder gar nicht ab (Stadium IV der PAVK) • Potenzstörungen bei Männern Chronische Durchblutungsstörungen werden unter- schieden von einer akut einsetzenden Ischämie im Bereich der Extremitäten. Jedoch kann bei dieser chronischen Grunderkrankung als Komplikation eine akute Verschlechterung in Form eines akuten Verschlusses von Arterien auftreten. Dieses Krankheitsbild wird in einem späteren Kapitel Einteilung der PAVK nach Fontaine behandelt. Die klinische Beschwerdesymptomatik kann ebenfalls einen ersten Hinweis zur Lokalisation der Gefäßver- engungen liefern. Belastungsabhängige Schmerzen im Bereich der Gesäß- und Oberschenkelmuskulatur kön- nen auf eine Läsion im Bereich der Beckenarterien oder der Bauchaorta hinweisen. Die typische „Wadenclau- dicatio“ bezeichnet belastungsabhängige Schmerzen in der Wadenmuskulatur, die sich beim Bergangehen und bei schnellerem Tempo verstärken. Belastungsab- hängige Schmerzen im Fußbereich sind selten und können Ausdruck einer PAVK des Unterschenkeltyps sein. Lokalisation des Gefäßverschlusses 12
Periphere arterielle Verschlusskrankheit Die PAVK: Indikator für Arteriosklerose im ganzen Körper! Die PAVK basiert in den meisten Fällen auf arterioskle- rotischen Veränderungen im Bereich der Schlagadern der unteren Extremität. Als wichtigste Risikofaktoren gelten hohe Blutfettwerte, hoher Blutdruck, Nikotinabusus (insbesondere Stenosen und Verschlüsse im Bereich der Becken- und Oberschenkelarterien) sowie ein Diabetes mellitus (insbesondere für Stenosen und Verschlüsse im Bereich der Unterschenkelarterien). Diese Risikofaktoren wirken jedoch auf alle arteriellen Gefäße des gesamten Körpers und vor allem auch auf die Herzkranzgefäße. Daher sind arteriosklerotische Veränderungen der unteren Extremität ein Ausdruck eines erhöhten Risikos im Körper und hier vor allem der herz- und hirnversorgenden Gefäße, ebenfalls von arterioskle- rotischen Veränderungen betroffen zu sein. Die Folge ist eine deutlich erhöhte Anfälligkeit für Herzinfarkte und Schlaganfall. In den vergangen Jahren konnte in drei wichtigen deut- schen Studien (getABI, Heinz Nixdorf Recall Study, Auswirkung der Riskiofaktoren auf die Herzkranzgefäße AtheroGene Investors) gezeigt werden, dass es bezüglich der PAVK zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen gibt. • Die Sichtweise des Patienten, der vor allem unter Schon beim Vorliegen einer leichten PAVK (Stadium I) den Schmerzen der „Schaufensterkrankheit“ und der ist das allgemeine kardiovaskuläre Risiko erhöht. Ein daraus resultierenden Einschränkung der Belastbar- Stadium I einer PAVK kann durch die Messung der keit sowie der Angst vor einem Verlust der betroffe- Doppler-Drucke im Knöchelbereich nachgewiesen wer- nen Extremität leidet. den (s.u.). Besonders hoch ist es bei Patienten mit einer • Die Sichtweise des Therapeuten beinhaltet darü- schweren PAVK (Stadium III und IV). In dieser Gruppe ber hinaus, die Verdopplung des Risikos an einem ist das zumeist kardiovaskulär bedingte Sterberisiko mit Herzinfarkt- oder Schlaganfall in den kommenden ca. 25% nach 5 Jahren besonders hoch! 5 Jahren zu erkranken. Dieses Risiko beträgt bis zu vierzig Prozent und führt zu einer Reduktion der Es ist daher sehr wichtig, beim Vorliegen einer PAVK Lebenserwartung von bis zu zehn Jahren. auch das Herz (Echokardiographie, Belastungs-EKG) etc.) und die Halsschlagadern (Duplex-Sonographie) zu Diese Studien konnten zeigen, dass das allgemeine untersuchen sowie die Risikofaktoren konsequent zu kardiovaskuläre Risiko mit den Werten der Doppler- behandeln. Obligat ist eine medikamentöse Prophylaxe Druck-Messung korreliert. Je niedriger der sog. ABI mit Azetylsalizylsäure 100 mg täglich und die Senkung Wert ist (ankle-brachial-Index), desto höher ist das des LDL-Cholesterins auf Werte von ca. 70 mg% mit Risiko eines Herzinfarkts, eines Schlaganfalls oder Statinen. eines sonstigen schweren gefäßbedingten Ereignisses (z.B. Beinverlust). 13
Periphere arterielle Verschlusskrankheit ABI und 1-Jahres-Rate schwerer vaskulärer Ereignisse 2,7% 6,2% 10,0% 15,2% 0,9-1,5 0,7-0,89 0,5-0,69 6.000 Patienten aus Hausarztpraxen. Auskultation und Tasten der peripheren Pulse (C. Diehm, CARDIOVASC, Vol. 4 Ausgabe 8, 2004) Diagnostik der PAVK Ultraschall mit Doppler- und Duplex-Sonographie 1. Klinische Untersuchung Die Ultraschall-Diagnostik beinhaltet die Messung des Bei der Abklärung einer PAVK steht zunächst die klini- Blutdrucks am Arm und den Beinen mit einer Stiftsonde sche Diagnostik mit der körperlichen Untersuchung im (sog. Doppler-Druck-Messung) und die farb-kodierte Vordergrund. Hierzu werden die betroffenen Gliedmaßen Duplex-Sonographie der Becken-Bein- und/oder äußerlich begutachtet (Inspektion), wobei insbesondere Schulter-Arm-Arterien. auf offene Wunden, auf eine mangelnde Behaarung und etwaige Narben (Vor-Operationen) geachtet wird. Nächste 1. Dopplerdruckmessung Schritte sind die Auskultation und die Erhebung eines Hierbei wird mittels einer Blutdruckmanschette der vollständigen Pulsstatus. Abgeschwächte oder fehlende Blutdruck an den Armen mit dem Blutdruck an den Pulse können einen ersten Hinweis auf die Lokalisation Beinen verglichen. Anhand der Blutdruckwerte be- einer Engstelle oder eines Gefäßverschlusses geben. stimmt man schließlich den sog. Knöchel-Arm-Index (ankle-brachial-index bzw. ABI). Der ABI ergibt sich aus 2. Ratschow’sche Lagerungsprobe dem oberen (systolischen) Blutdruckwert am Knöchel, Eine weitere wichtige Untersuchung ist die sog. geteilt durch den oberen Blutdruckwert am Arm. Bei ABI Ratschow’sche Lagerungsprobe. Hierbei müssen die Werten zwischen 0,5 und 0,8 liegt häufig eine Schau- Patienten über ca. 2 Minuten in Rückenlage und bei fensterkrankheit vor (Stadium II der PAVK), bei Werten hochgestellten Beine die Fußgelenke kräftig hoch und 1,3 bzw. ein fehlender Füße und die Venenfüllung im Knöchel- und Fußrü- Abfall des Doppler-Signals auch bei hoher Kompression ckenbereich bei herabhängenden Beinen beurteilt. Eine (> 200mmHg) weisen auf eine Verkalkung innerhalb der sehr rasch einsetzende beidseitige Rötung der Zehen Gefäßwand (sog. Mediasklerose) hin. In diesen Fällen (Kapillarperfusion) und eine ebenfalls zügige Venenfül- sind die ABI-Werte nicht verwertbar. lung (nach ca. 10-20 Sekunden) sprechen gegen das Vorliegen einer PAVK. 14
Periphere arterielle Verschlusskrankheit Peripherer Verschlussdruck: Ankle-Brachial Index Beispielmessung des Knöchel-Arm-Drucks (Ankle-Brachial index, ABI) Blutdruck am Knöchel 80 mmHg und Blutdruck am Arm 140 mmHg = 80:140mmHg ABI = 0,6 (entspricht einer mittelschweren PAVK im Stadium II, am Beispiel des linken Beins) ABI-Messung Ausführliche Diagnostik in unserem anerkannten Gefäßzentrum 15
Periphere arterielle Verschlusskrankheit 2. Ultraschalluntersuchung (Farb-kodierte Duplex- Sonographie) Als nächster diagnostischer Schritt wird eine farb- kodierte Duplex-Sonographie durchgeführt. Der Ultra- schallkopf wird über die betroffene Schlagader in der Leiste oder am Ober- oder Unterschenkel geführt und ein Ultraschallbild mit den Gefäßveränderungen auf einen Bildschirm projiziert. Im Einzelnen werden die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes, die Elastizität des Gefäßes und etwaige Plaqueablagerungen in den Schlagadern begutachtet. Hohe Strömungsgeschwin- digkeiten sprechen im Allgemeinen für das Vorliegen einer Gefäßverengung (Stenose), ein fehlender Blut- fluss für das Vorliegen eines Gefäßverschlusses. Bei der Duplex-Sonographie handelt es sich um eine ungefährliche, nicht strahlenbelastende Untersuchung, welche erste exakte Ergebnisse über die genaue Lo- kalisation der PAVK liefert. Zur genaueren Lokalisation von Engstellen und zur Planung einer Katheter-Thera- pie oder eines operativen Eingriffs werden in der Regel weitere bildgebende Verfahren eingesetzt. Duplexsonographie der Beine Radiologische, bildgebende Verfahren 1. Magnet-Resonanz-Angiographie (MRA) Die Magnetresonanz-Angiographie (MRA) ist eine Me- thode ohne Verwendung von Röntgenstrahlung, bei der außerdem auf eventuell nierenschädliches jodhaltiges Kontrastmittel verzichtet werden kann. Hierbei werden mittels künstlich erzeugter Magnetfelder detaillierte Schnittbilder erzeugt. Im Körper implantierte metallische Gegenstände (z.B. Herzschrittmacher) stellen für viele MR-Untersuchungen allerdings eine Kontraindikation dar. 2. Computer-Tomographie-Angiographie (CTA) Bei der Computer-Tomographie-Angiographie (CTA) er- folgt eine CT-Untersuchung in Kombination mit der Gabe eines Kontrastmittels. Hierdurch können insbesondere die großen Gefäße (Aorta, Hohlvene etc.) sehr gut abgebildet MR-Angiographie der Digitale Subtraktions- werden. Mit der CTA lässt sich außerdem der Grad der Oberschenkelarterien angiographie (DSA) der Verkalkung der Arterien sehr gut abschätzen. Oberschenkelarterien 16
Periphere arterielle Verschlusskrankheit 3. Intraarterielle Katheter-Angiographie Als invasiver Eingriff steht die diagnostische Angiographie zur Verfügung. Hierbei erfolgt in örtlicher Betäubung eine Punktion der Leistenschlagader und die Verabrei- chung des Kontrastmittels über eine Schleuse. Unter Röntgenkontrolle werden alle Arterien des betroffenen Bereiches sichtbar, auch die Geschwindigkeit der Ver- teilung des Kontrastmittels kann beurteilt werden. Oft kann eine Verengung in gleicher Sitzung mit einem Oszillometrie beider Beine bei PAVK Druckschwankungen durch Pulswellen Ballonkatheter oder einem Stent erweitert werden. Computergestützt werden Knochen und Gelenke aus dem 3. Laufband-Ergometrie Bild herausgerechnet. Das Verfahren wird daher auch als Im Stadium II der PAVK lassen sich die schmerzfreie digitale Subtraktions-Angiographie bezeichnet (DSA). Gehstrecke und die maximale Gehtrecke in standardi- sierter Form (3km/h, 12 Grad Steigung) auf einem Lauf- Weiterführende apparative Diagnostik band bestimmen. Hierdurch lässt sich z.B. eine PAVK 1. Transkutane Messung des Sauerstoffpartialdrucks im Stadium IIa von einer PAVK im Stadium IIb besser (tcpO2) unterscheiden. Durch wiederholte Bestimmung des ABI Weitere Untersuchungstechniken beinhalten die vor und nach Belastung lassen sich das Ausmaß und Messung des Sauerstoffgehalts in der Haut bzw. Unter- die Dauer des Abfalls des systolischen Knöcheldrucks haut mittels transkutaner Messung des Sauerstoff- bestimmen. Außerdem können Therapieeffekte (z. B. partialdrucks (tcpO2). Verbesserung der Gehstrecke) besser abgeschätzt Bei Werten
Periphere arterielle Verschlusskrankheit Therapie der PAVK Die Behandlung der PAVK stützt sich allein oder in Kombination auf folgende Säulen: • Konservative Therapie inkl. Veränderungen des Lebensstils • Medikamentöse Behandlung • Endovaskuläre Therapieverfahren mit Ballonkathe- tern und Stents • Klassische gefäßchirurgische Verfahren (lokale Plaquedesobliteration, Bypass-Chirurgie) Konservative Therapie und was kann ich selbst tun, um vorzusorgen? Ernährungsdreieck des Verbandes für Diese Form der Behandlung umfasst zu aller erst eine Ernährung und Diätetik e.V. (VFED) Minimierung der Risikofaktoren, um ein weiteres Fort- schreiten der Erkrankung zu verhindern bzw. zu ver- langsamen. Hierzu sollte der Lebensstil mit viel Bewe- gung, Reduktion tierischer Fette und ballaststoffreicher Kost angepasst werden. Alkohol ist in geringem Maß erlaubt. Weitere Infos in der „Lebensmittelpyramide“. Falls Sie rauchen, ist es absolut notwendig, das Rau- chen vollständig aufzugeben. Das Rauchen nur einzu- schränken ist nicht ausreichend, da auch ein geringer Nikotinkonsum zu einem Fortschreiten der Arterioskle- rose beiträgt. An vielen Lokalisationen der Arteriosklerose, beispiels- weise im Bereich der Oberschenkelarterien, ist ein Rauchfrei leben intensives tägliches Gehtraining sehr hilfreich. Dadurch bildet der Körper Umgehungskreisläufe, die die Durch- blutung verbessern können. Hierbei ist regelmäßiges Gehen und vor allem Treppensteigen sehr hilfreich. Medikamentöse Therapie Die Pharmakotherapie hat in der sog. Primärprophylaxe das Ziel, die Risikofaktoren der Arteriosklerose soweit wie möglich „im Griff zu halten“. Bei Vorliegen einer relevanten Arteriosklerose besteht die medikamentöse Basistherapie aus einer fett-senkenden Therapie (z.B. Simvastatin, Atorvastatin). Das schädliche Cholesterin (LDL-Cholesterin) sollte nicht über 70mg/dl liegen. Auch wenn dieser Wert erreicht wird, müssen Statine in niedriger Dosis weitergegeben werden, da diese die Plaquestruktur „stabilisieren“. Thrombozytenfunktionshemmer 18
Periphere arterielle Verschlusskrankheit Die zweite Säule der konservativen Therapie ist die In den meisten Fällen liegen den Beschwerden der lebenslange Einnahme von Thrombozytenfunktionshem- PAVK langsam zunehmende Engstellen und sich daraus mern, wie z.B. die Azetylsalizylsäure (100 mg tgl.) oder später entwickelnde Verschlüsse zugrunde. Da diese Clopidogrel (75 mg tgl.). sich langsam ausbilden, bleibt dem Körper genug Zeit Umgehungskreisläufe auszubilden, welche lange für eine Darüber hinaus muss der Blutdruck normwertig sein und Kompensation sorgen können. ein etwaiger Diabetes mellitus durch Modifikation der Lebensgewohnheiten oder auch medikamentös behandelt Das Verschlussmaterial verfestigt sich im Laufe der Zeit werden. zunehmend und verwächst mit der Gefäßwand. Bestehen lediglich Engstellen können diese oft mit einem Ballon- Sollte bei Ultraschallkontrollen die Arteriosklerose in den katheter aufgedehnt werden und anschließend ggf. mit Becken-Beinarterien zunehmen, muss über eine Inten- einem Stent, einem Maschendraht ähnlichen Metall- sivierung der medikamentösen Therapie nachgedacht röhrchen, gestützt werden, ähnlichen wie dies Balken in werden (z.B. Steigerung der lipidsenkenden Therapie). einem Stollen tun. Eine weitere Behandlungsmöglichkeit stellt das Medika- ment Cilostazol (Pletal®) dar, mit welchem der Sauer- stoffbedarf der Muskulatur abgesenkt und dadurch die Gehleistung bei einzelnen Patienten deutlich gesteigert werden kann. Leider können – insbesondere bei sofortiger Verabreichung der vollen Tagesdosis – unerwünschte Nebenwirkungen auftreten (z.B. Kopfschmerzen, Magen- Darm Unverträglichkeiten). Cilostazol sollte daher in zunächst geringer Dosis verabreicht werden und nicht bei nur geringfügiger Einschränkung der Gehstrecke einge- setzt werden. Ballonkatheter Vor allem in den PAVK Stadien I und II a spielen die konservativen Maßnahmen die Hauptrolle in der Behand- lung. Ist die schmerzfreie Gehstrecke nur noch auf wenige Meter beschränkt, treten Ruheschmerzen auf oder kommt es gar zum Auftreten offener Wunden müssen zusätzlich revaskularisierende Maßnahmen erfolgen. Endovaskuläre Behandlung der PAVK Die Kathetertherapie ist heutzutage ein fester Bestandteil der PAVK-Behandlung. Der größte Vorteil besteht darin, dass lediglich eine Punktion der Leistenarterie (in örtlicher Betäubung) oder (selten) ein kleiner Hautschnitt notwen- dig sind, um einen ausreichenden Zugang zur zu behan- delnden Arterie zu bekommen. Die eigentliche Therapie Aufgedehnter Stent erfolgt endovaskulär, also vom Inneren des Gefäßes her. Hierbei kann eine Vielzahl verschiedener Katheter zum Einsatz kommen. 19
Periphere arterielle Verschlusskrankheit Ballondilatation und Stenting hochgradiger Stenosen der Beckenarterien beidseits Links: Ausgangsbefund; Mitte: simultane Ballondilatation; Rechts: Abschlussangiographie Abhängig von der Lokalisation, dem Gefäßdurchmesser blutungsstörungen. Aufgrund der guten Zugänglichkeit und der mechanischen Beanspruchung im jeweiligen dieser Region bietet sich hier eine Ausschälung Einsatzbereich stehen eine Vielzahl unterschiedlicher (Thrombendarteriektomie) der Plaque an. Hierbei wird Ballonkatheter und Stents zur Verfügung. Besteht z.B. der die A. femoralis eröffnet und die okkludierenden Plaques Verdacht, dass ein Verschluss durch eine überschießende entfernt. Durch entsprechende OP-Techniken ist eine Wucherung der Gefäßinnenwand entstanden ist, können TEA sehr gut im Bereich von Gefäßaufzweigungen spezielle medikamentenfreisetzende Ballone und durchführbar. Um eine Einengung der Arterien Stents verwendet werden, die z.B. durch eine Zytostatika- durch die Naht zu verhindern, wird die Aufzweigung beschichtung lokal ein weiteres Wachstum der Innenwand etwas nach unten verschoben (Gabeltransposition) hemmen können. oder ein Flicken (Patch) eingenäht. Die Technik der Thrombendarteriektomie kann auch an anderen Offene Operation bei PAVK Gefäßabschnitten (Beckengefäße, Aorta etc.) angewandt Neben der endovaskulären Therapie stehen natürlich werden, meist in Kombination mit einem interventionellen auch die klassischen gefäßchirurgischen Operationsver- Verfahren (z.B. Ballon oder Stent) oder einer fahren zur Verfügung. Diese kommen besonders bei sehr Bypassanlage. langstreckigen Gefäßverschlüssen und bei Verengungen im Bereich der Leistenstammgefäße zur Anwendung. Sehr häufig werden offene und endovaskuläre Methoden kombiniert (sog. Hybrid-Verfahren). Bei der offenen Ge- fäßchirurgie kommen zwei Prinzipien zu Anwendung. 1. Die lokale Plaquedesobliteration (Thrombendarteriektomie bzw. TEA) Die Aufzweigung der großen Beinschlagader im Leistenbereich (Femoralisgabel) stellt aufgrund der lokalen Strömungsverhältnisse eine Schwachstelle im Gefäßsystem dar, die zur Plaquebildung und Aus- bildung von Engstellen neigt. Die hierdurch entstehenden Verengungen sind eine häufige Ursache für das Auftreten von Durch- Prinzip der Thrombendarteriektomie (TEA) 20
Periphere arterielle Verschlusskrankheit Links: Aorto-bifemoraler Prothesenbypass; Mitte: femoro-poplitealer Prothesen-Bypass; Rechts: femoro-poplitealer Venen-Bypass 2. Bypass-Operationen bei langstreckigen Als Bypassmaterial wird bevorzugt eine körpereigene Arterienverschlüssen Vene verwendet, welche am Bein oder (seltener) am Bei einer Bypass-Operation wird eine körpereigene Arm entnommen werden kann. Venenbypässe besitzen Vene oder eine Gefäßprothese ober- und unterhalb des eine längere Haltbarkeit als solche aus Kunststoffen Gefäßverschlusses mit dem noch gesunden Blutgefäß und sind widerstandsfähiger gegen Infektionen, zur Ent- verbunden. Je nach Lokalisation der Gefäßverschlüsse nahme der körpereigenen Vene können jedoch weitere kann der Bypass im Leistenbereich, am Oberschenkel Schnitte nötig werden. Steht keine geeignete Vene zur oder im Fall eines Beckenarterienverschlusses am Verfügung, werden Kunststoffbypässe aus Dacron oder gegenüber liegenden Bein beginnen und am Ober-, PTFE verwendet. Unterschenkel oder Fuß enden. 21
Ihre Behandlung bei uns Die Behandlung der Im Interesse unserer Patienten möchten wir die Verweil- dauer vor einem geplanten Eingriff so kurz wie möglich PAVK am „Klinikum halten. Aus diesem Grund führen wir die apparative und klinische Diagnostik unserer Patienten weitestgehend rechts der Isar“ ambulant durch. In unseren Spezialsprechstunden erhalten Sie eine individuelle und optimale Beratung und Therapievorschläge. Ambulante Diagnostik und Welche Therapie ist für mich optimal? - optimales Aufnahmemanagement bewirken, dass mehr Fallbesprechungen im GEFÄSSBOARD als 80% der Patienten bereits am Aufnahmetag oder Alle PatientInnen mit einer PAVK werden in unserem am Folgetag der geplanten Operation zugeführt werden mehrmals wöchentlich stattfindenden Gefäß-Board können. vorgestellt, um die individuell optimale Therapieform festzulegen. Da in der Klinik und Poliklinik für Vaskuläre Nachbehandlung und Kontrolluntersuchungen und Endovaskuläre Chirurgie sowohl klassische Gefäß- Bei der PAVK handelt es sich um eine chronische, operationen, endovaskuläre Verfahren aber auch eine systemische Erkrankung. Mit Ausnahme einiger spe- konservative Therapie möglich ist, sind wir in der Lage, zieller Fälle besteht diese nach Wiederherstellung der eine an den Bedürfnissen und Anforderungen unserer Durchblutung weiterhin, sodass es im Laufe der Zeit zu Patienten „maßgeschneiderte“ Therapie anbieten zu erneuten Verschlüssen und Engstellen kommen kann. können. Prinzipiell streben wir ein möglichst schonen- des Verfahren an (z.B. Ballondilatation). Unsere Pati- Zur Vorbeugung von Rezidiven nach endovaskulärer enten werden eingehend über Vor- und Nachteile aller oder operativer Behandlung ist deshalb neben regelmä- möglichen Therapieverfahren informiert. ßiger Bewegung eine medikamentöse Begleittherapie nötig. Neben der bereits erwähnten Einstellung der PatientInnen, die von einem invasiven Eingriff nach Risikofaktoren wie dem Cholesterinspiegel und dem aktueller Datenlage nicht profitieren würden, werden Blutdruck ist eine gerinnungshemmende Medikation nö- konservativ weiterbehandelt. Dies bedeutet, dass die tig. Je nach Art und Material des eingebrachten Stents kardiovaskulären Risikofaktoren individuell eingestellt oder Bypasses reicht dies von plättchenhemmenden werden und teils engmaschige Verlaufskontrollen Substanzen wie ASS (100mg tgl.) und Clopidogrel erfolgen. (75mg tgl.) bis zu einer Blutverdünnung mit Marcumar oder neueren Medikamenten wie Rivaroxaban. Die PatientInnen mit akuten Beschwerden oder Zeichen ei- Einnahme der jeweils empfohlenen Medikamente stellt ner schweren Durchblutungsstörung (Ruheschmerzen, einen wichtigen Schutz vor einem erneuten Gefäßver- offene Wunden) werden umgehend stationär aufge- schluss dar. nommen, um so schnell wie möglich die entsprechende Diagnostik (zumeist MR-Angiographie) und Revaskula- Beim Vorliegen offener Wunden ist nach Verbesserung risation durchführen zu können. der Durchblutung eine regelmäßige, professionelle Wundbehandlungen, z.B. in einem Wundzentrum, die Wie werden Diagnostik und Therapie Voraussetzung zum Abheilen der Wunden. für unsere Patienten organisiert? Sollte nach ambulanter Untersuchung und Diagnose- In sonographischen Untersuchungen kann die regel- stellung ein stationärer Aufenthalt notwendig werden, rechte Durchblutung von eingebrachten Stents und so stellt unser Aufnahmemanagement (Tel. 089 4140 Bypässen unkompliziert überprüft werden. Tritt eine 5266) die zentrale Anlaufstelle für Zuweiser und Patien- plötzliche Verschlechterung der schmerzfreien Gehstre- ten dar. Gern beantworten wir Ihre Fragen und organi- cke oder eine neue Wunde auf, kann eine neue sieren einen reibungslosen Ablauf vom sog. prästatio- nären Tag bis zur Entlassung und Nachbehandlung. 22
Ihre Behandlung bei uns Engstelle oder erneuter Verschluss der Grund hierfür Worauf müssen Patienten und Angehörige sein. Je schneller diese festgestellt werden, desto nach einer Behandlung achten? höher ist die Erfolgswahrscheinlichkeit eines erneuten Ziel der Nachbehandlungen ist, dass Ihre Blutgefäße Eingriffes. offen bleiben. Nur so kann Ihre Lebensqualität erhalten oder verbessert und zusätzlich die Risiken für Bereits bei der Entlassung aus der stationären Be- Herzinfarkt oder Schlaganfall vermindert werden. handlung erhalten alle PatientInnen einen ambulanten Kontrolltermin in unserer Sprechstunde. Nach der OP Deshalb ist für jeden PAVK-Patienten eine regelmäßige und entsprechender Erholungsphase können Sie sich und lebenslange Nachbetreuung sinnvoll und wichtig. uneingeschränkt belasten. Ca. vier Wochen nach dem Dies gilt unabhängig von der gewählten Therapieform Eingriff führen wir eine Ultraschallkontrolle durch. Ist und sollte durch regelmäßige Kontrollen bei Ihrem hier alles weiterhin unauffällig, so bestellen wir Sie erst Hausarzt und/oder Gefäßmediziner erfolgen. Dabei ein Jahr darauf wieder zur Kontrolle ein. Alternativ kön- muss ein besonderes Augenmerk auf neu aufgetretene nen diese Kontrolluntersuchungen selbstverständlich Beschwerden und Symptome, wie eine Verschlechte- auch bei Ihrem Hausarzt oder bei einem niedergelasse- rung der Gehleistung, Schmerzen oder offene Wunden nen Gefäßmediziner erfolgen. an Ihren Beinen gelegt werden. In diesem Fall suchen Sie bitte unmittelbar einen Gefäßmediziner auf. Die unterstützende, medikamentöse Behandlung (in aller Regel mit ASS und einem Statin) sollte dauerhaft Zusätzlich ist es wichtig unter ärztlicher Mithilfe an einer weitergeführt werden. Blutdruck, Diabetes und Cho- gesünderen Lebensführung mit Nikotinstopp, gesunder lesterin lassen Sie bitte von Ihrem Hausarzt/Facharzt Ernährung und Bewegung zu arbeiten. Ihr Arzt sollte re- regelmäßig kontrollieren und optimal einstellen. gelmäßig Ihren Blutdruck, Ihr Cholesterin, das Gewicht und falls notwendig Ihren Diabetes kontrollieren. Klinische und sonographische Kontroll-Untersuchungen sind in folgenden Abständen notwendig: • Erste Kontrolluntersuchung ca. 2-4 Wochen postoperativ • Nächste Kontrolle nach einem Jahr, im Rahmen von Studien auch früher • Bei konservativer Therapie werden Kontrollintervalle individuell festgelegt 23
Durchblutungsstörungen - Weitere Ursachen und Formen Weitere Ursachen und Formen peripherer Durchblutungsstörungen Diabetisches Fuß-Syndrom (DFS) Um hier eine möglichst optimale Therapie und schnelle In den letzten 20 Jahren hat die Prävalenz des Diabe- Wundheilung zu erreichen, bedarf es vor allem dem tes mellitus in Deutschland um fast 50% zugenommen. raschen Erkennen der Hauptursachen. Hierzu ist eine Insgesamt leiden 8-9% aller Deutschen unter der Beurteilung der Durchblutungssituation zwingend Volkskrankheit Diabetes mellitus. Der Diabetes kann zu notwendig. Zusätzlich müssen eine fachgerechte Komplikationen und Spätfolgen im Bereich der Augen, Therapie der Durchblutungsstörungen (s.o.) und eine der Nieren, der Nerven (Neuropathie) und der kleinen stadiengerechte Wundbehandlung in einem Wundzen- Gefäße (Mikroangiopathie) führen. trum durchgeführt werden. Der Blutzuckerspiegel muss hierbei engmaschig kontrolliert und ggfs. medikamentös behandelt werden. Darüber hinaus müssen alle Dia- betiker immer wieder präventiv geschult werden (u.a. Diät, Blutzucker-Kontrolle, Inspektion der Füße), um z.B. durch Nervenschädigung verursachte Druckstellen durch eine geeignete Schuhwahl und Fußpflege zukünf- tig zu verhindern. Entzündliche Gefäßerkrankungen Thrombendangiitis obliterans Links: Diabetisches Fuß-Syndrom mit sog. "ischä- (M. Winniwarter Bürger) mischem Fuß"; Rechts: "Neuropathischer Fuß" Die Thrombendangiitis obliterans (Morbus von Wini- warter Bürger) stellt die häufigste Form unter den Eine der häufigsten Langzeitfolgen und Komplikationen entzündlichen Gefäßerkrankungen (Vaskulitis) dar. Sie stellt das diabetische Fuß-Syndrom (DFS) dar, häufig in zeigt klinische Ähnlichkeiten mit der Arteriosklerose. Es Kombination mit arteriosklerotisch bedingten Stenosen ist eine an der Intima beginnende, segmental auftreten- und Verschlüssen insbesondere der Unterschenkelar- de Entzündung. Diese beginnt an kleinen und mittleren terien. Beim DFS kommt es zu offenen sehr schlecht peripheren Venen und Arterien. In späteren Stadien heilenden Wunden im Bereich der Zehen, Ferse und sind dann auch größere Gefäße betroffen, wobei der Fußsohle. Neben der Durchblutungsstörung kommt klinisch der Verschluss der Arterien an Unterschenkeln es zu einer chronischen Nervenschädigung, die typi- und Unterarmen sowie Fingern imponieren. Begleitend scherweise zu einem abgeschwächten Schmerzemp- sind auch rezidivierende Phlebitiden (Phlebitis saltans finden (Hypästhesie) führt (seltener auch gesteigertes sive migrans). Schmerzempfinden, Hyperästhesie). Außerdem kommt Betroffen sind vorwiegend Männer ab dem 20. bis 30. es nicht selten zu Fehlstellungen im Bereich der Ze- Lebensjahr mit suchtartigem Nikotinabusus. Laborche- hengelenke oder des Fußbogens (diabetische Osteoar- misch lassen sich Entzündungsmarker nachweisen thropathie). Aufgrund der schlechten Heilungstendenz (Blutbild, CRP). Die Angiographie zeigt typischerweise der diabetischen Wunden und des abgeschwächten segmentale Gefäßverschlüsse v. a. am Unterschenkel Schmerzempfindens kommt es oftmals zu einer Chroni- mit z. T. geschlängelten Kollateralgefäßen. fizierung. Häufig werden derartige Wunden auch durch falsches Schuhwerk, eine unzureichende Fußpflege Die Therapie besteht in absolutem Nikotinverbot ausgelöst oder verstärkt. und der Gabe von Thrombozytenaggregations- hemmern und Prostaglandinen. 24
Durchblutungsstörungen - Weitere Ursachen und Formen Im akuten Stadium kommen auch Kortikoide und Im- Betroffen sind fast ausschließlich Mädchen und Frauen munsuppressiva zum Einsatz. Operative Möglichkeiten
Durchblutungsstörungen - Weitere Ursachen und Formen Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS) – Kosto-Klavikuläre Enge Beim TOS kommt es zu einer Kompression der A. subclavia und/oder der begleitenden Nervenfasern (Plexus brachialis) zwischen der 1. Rippe und dem Schlüsselbein. Es werden verschiedene Unterformen dieses neurovaskulären Kompressionssyndroms unterschieden. Manchmal liegt eine zusätzliche sog. Halsrippe vor (Halsrippensyndrom), selten kommt es zu einer rein muskulären Kompression durch den M. scalenus anterior. Ein Kompressionssyndrom kann auch durch angeborene Fehlbildungen (Exostosen und Fusionen zwischen Rippen), Fehlstellungen oder mit überschießender Kallusbildung verheilte Klavikulafrak- turen ausgelöst werden. Bei Irritationen des Plexus brachialis (neurogenes TOS) kommt es zu unspezifischen ziehenden Armschmer- zen und Gefühlsstörungen. Beim vaskulären TOS kann es zu Kältegefühl und Pulsverlust bei Armeleva- tion kommen, gelegentlich aber auch poststenotische, thrombusgefüllte Erweiterungen (Aneurysmen) der A. subclavia mit embolischen Digitalarterienverschlüssen. Die Kompression der Vene (Thoracic-Inlet-Syndrom oder TIS) führt zur Armschwellung, Stauungsschmerz, Blaufärbung und Schweregefühl bis hin zur Ausbildung einer Axillarvenenthrombose (Paget-von-Schroetter- Syndrom, Thrombose par effort). Am Schultergürtel zeigt sich dann relativ schnell ein oberflächlicher Kollateralkreislauf. In der Diagnose eines Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS) erfolgt eine eingehende klinische Untersuchung, eine Ultraschall-Untersuchung, eine MR-Angiographie (Arme herabhängend und über dem Kopf) sowie eine neurologische Untersuchung, mit Messung der Nervenleitgeschwindigkeit. Therapeutisch kann zunächst eine physikalische Therapie erfolgen (Aufrichten des Oberkörpers). Bei Beschwerdepersistenz oder bereits eingetretenen Kom- plikationen (z.B. Nervenschaden) muss operiert wer- den. OP-Methode der Wahl ist hierbei die transaxilläre Resektion der ersten Rippe ggfs. mit Entfernung einer Halsrippe bzw. des überschießenden Kallus an der Transaxilläre Resektion der 1. Rippe bei kosto-claviculärer Enge Oben: Freigelegte 1. Rippe; Mitte: Durchtrennung; Unten: Hautnaht Klavikula. In >80% der Fälle wird hierdurch ein gutes am Unterrand der rechten Achselhöhle Ergebnis erzielt. Immer gelingt es die Gefäßkompres- sion zu beseitigen, die neurologischen Folgen können jedoch nicht in jedem Fall gebessert werden. 26
Durchblutungsstörungen - Weitere Ursachen und Formen Die PAVK im Bereich der Arme und der Schulter Im Rahmen der Diagnostik sind hierbei die nicht gefähr- Im Bereich der Arm-und Schulter-Arterien kommt es lichen primären Raynoud Syndrome, die vor allem sehr am ehesten zu Verengungen oder Verschlüssen der unangenehm für die Patientinnen sein können, von den linken Schlüsselbeinarterie am Abgang aus der Haupt- sekundären Raynaud Syndromen zu entscheiden. Die schlagader (A. subclavia). Dies kann zu einer belas- sekundären Raynaud Syndrome sind Ausdruck einer tungsabhängigen Schwäche der Armmuskulatur führen. Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis, vor Häufig bleiben Verschlüsse der A. subclavia allerdings allem von Kollagenosen oder Vaskulitiden, bei welchen asymptomatisch, wenn über die hintere Halsschlagader es zu schwersten Durchblutungsstörungen der Finger (A. vertebralis) ein funktionstüchtiger Kollateralkreislauf kommen kann. entstanden ist. In seltenen Fällen kann dieser Umge- hungskreislauf zu einer passageren Durchblutungsstö- Die gute Nachricht beim primären Raynaud-Syndrom rung im hinteren Hirnkreislauf führen (sog. Anzapf-Syn- für die Patienten ist, dass so gut wie keine Gefahr be- drom der A. subclavia bzw. Subclavian-Steal-Syndrom). steht die betroffen Finger aufgrund einer Minderdurch- blutung zu verlieren, da es sich um funktionelle Ver- Bei symptomatischen Stenosen oder Verschlüssen der änderungen und nicht um strukturelle Verschlüsse der A. subclavia kommen endovaskuläre Verfahren (Ballon- Gefäße handelt. Die hauptsächliche Therapie besteht dilatation, Stent) und operative Verfahren (Bypass-OP, in der Verhinderung der Kälteexposition. Eine medi- Umsetzen der A. subclavia in die A. carotis communis) kamentöse Therapie mit ggfs. Nitro-Präparaten oder zur Anwendung. Am Ober- und Unterarm werden Calcium-Antagonisten kann dies unterstützen. Manch- rekanalisierende Verfahren nur bei schwersten Durch- mal ist eine thorakoskopisch durchgeführte Durchtren- blutungsstörungen durchgeführt. nung sympathischer Nervenfasern (Sympathektomie) notwendig. Hierdurch kann die Fähigkeit der kleinen Akrale Durchblutungsstörungen Arterien, sich krampfartig zusammenzuziehen (Spas- Im Bereich der oberen Extremität sind arteriosklero- mus) unterbunden werden. tisch bedingte Durchblutungsstörungen eher selten. Sie können beispielsweise bei Patienten mit terminaler Weitere seltene Formen akraler Duchblutungs- Niereninsuffizienz am Dialyse-Shunt Arm auftreten. störungen sind u.a. die Akrozyanose (plötzlich auf- tretende Blauverfärbung der Fingerendglieder), die Häufiger finden sich funktionelle Veränderungen an den Erythromelalgie (plötzlich auftretende Schmerzen und Fingern der oberen Extremität. Hierbei sind vor allem Rötung der betroffenen Hand und Finger) und Erfrie- der Mittelfinger, der Ringfinger und der kleine Finger be- rungen in der Vorgeschichte (Pernionen). troffen. Durch Kälte kann es zu anfallsartigen, schmerz- haften Vasospasmen an der betroffen Fingern der Hand kommen. Dies ist für die in der Regel weiblichen Patienten sehr unangenehm. Die Finger durchlaufen zuerst eine Phase der Blässe (weiße Leichenfinger), dann eine Phase der Blauverfärbung und im Anschluss eine Phase der Rötung. Die Bezeichnung hierfür ist das Trikolore Phänomen. Dies wird vor allem durch Kälte ausgelöst, z.B. durch das Berühren einer kalten Tür- klinke im Winter. Das dazugehörige Syndrom wird als Raynaud-Syndrom bezeichnet. 27
Erkrankungen mit ähnlichen Beschwerden Welche Erkrankungen verursachen ähnliche Beschwerden wie die PAVK? Bei der Diagnosestellung einer PAVK gilt es zu berücksichtigen, dass auch andere Erkrankungen ein Beschwerde- bild ähnlich einer PAVK aufweisen können. Hierzu gehören insbesondere Erkrankungen des Nervensystems und des Bewegungsapparates im Bereich der Wirbelsäule und der großen Gelenke (z.B. Hüftgelenksarthrose). Erkrankung Beschwerden Arthrose/Arthritis Lageabhängige Schmerzen in Ruhe, am Morgen und zu Beginn der Belastung, im Bereich der Wirbelsäule, der großen Gelenke (Hüfte, Kniegelenk) Bandscheibenprolaps Anamnese! Lähmungserscheinungen erfragen. Keine muskulären Schmerzen bei Belastung. Bandförmige Schmerzen an Ober- und Unterschenkel Spinalkanalstenose Ebenfalls belastungsabhängige Schmerzen und Müdigkeit der Beine! Venöse Claudicatio Belastungsabhängiges Schweregefühl und Schwellung. Sehr selten, bei schwerer chronisch- venöser Insuffizienz Polyneuropathie Chronische Missempfindungen im Bereich der Zehen und Fußsohle, häufig bei Diabetes mellitus oder nach langjährigem Alkoholmissbrauch Tiefe Venenthrombose Spontane Schmerzen, Druckschmerz, Schwellung der betroffenen Extremität Kompartment-Syndrom Belastungsabhängige Schmerzen im Unterschenkel (Langstreckenläufer!) Herzinsuffizienz oder COPD Atemnot und allgemeine Erschöpfung schon nach kurzer Wegstrecke Aber auch offene Wunden der Beine müssen nicht zwingend auf Grund einer mangelnden Durchblutung entstan- den sein. Hier können neben venös bedingter Ulcera auch seltene Hauterkrankungen (Tumore, Pyoderma gangrä- nosum, Hauttuberkulose, Erysipel, Leishmaniose, nekrotisierende Fasziitis) eine Rolle spielen. 28
Erkrankungen mit ähnlichen Beschwerden 29
Akute Durchblutungsstörungen der Extremitäten Akute Durchblutungsstörungen der Extremitäten Ursachen einer akuten Extremitätenischämie sowie Tumoren oder auch in den Blutkreislauf gelangte Die akute Durchblutungsstörung einer Extremität (akute Fremdkörper. Extremitätenischämie) wird durch einen spontanen Verschluss einer Extremitätenarterie verursacht und Akute arterielle Thrombose kann unbehandelt zum irreversiblen Gewebeuntergang In mehr als 30% der Fälle wird eine akute Extremitäten- führen. Während Haut und Unterhautgewebe eine ischämie durch eine Thrombose in einer arteriosklero- Ischämietoleranz von bis zu 24 Stunden besitzen, tisch vorgeschädigten Arterie (z.B. A. femoralis, A. pop- können Skelettmuskulatur und periphere Nerven litea) oder eine akute Thrombose in einer bereits nach 4-6 Stunden irreversible Schäden erleiden. vorbehandelten Arterie (Ballondilatation, Stenting, Dies verdeutlicht die absolute Notfallsituation für eine Bypass-OP) verursacht. Behandlung einer akuten Extremitätenischämie. In über Einen Sonderfall thrombotisch bedingter Ischämien 80% der Fälle ist die untere Extremität betroffen. stellen Bypass- und Stentverschlüsse dar, da sie aufgrund der unnatürlichen Oberflächenbeschaffenheit Bei der akuten Extremitätenischämie eine thrombogene Wirkung haben. Um das Risiko handelt es sich um eine plötzlich einsetzen- einer Thrombusentstehung zu minimieren, ist deshalb de arterielle Perfusionsstörung, die unbe- eine material- und lokalisationsabhängige Medikamen- handelt zum Gewebsuntergang und zum tentherapie nötig, deren Absetzen gehäuft zu akuten Gliedmaßenverlust führen kann. « Verschlüssen führt. Embolischer und thrombotischer Gefäßverschluss Aneurysmen der Oberschenkel- und Kniekehlenar- Als Auslöser für eine akute Extremitätenischämie terie (A. femoralis, A. poplitea) kommt eine Vielzahl von Ursachen in Frage. Unter- Das Aneurysma der Oberschenkel- oder Kniekehlen- schieden werden muss dabei zwischen Thrombosen arterie kann eine besonders gefährliche Ursache einer und Embolien. Während es sich bei einer Thrombose akuten Extremitätenischämie sein, da es nicht nur um ein vor Ort entstandenes Blutgerinnsel handelt, akut thrombosieren kann, sondern zuvor bereits zu kommt es bei einer Embolie zu einer Verschleppung klinisch häufig nicht erkannten kleineren Embolien in von zumeist Blutgerinnseln in die unteren oder oberen die Unterschenkel- und Fußarterien gekommen sein Extremitäten. kann. Hierdurch werden die Chancen einer revaskulari- sierenden Therapie (Thrombolyse, Bypass-OP) deutlich Akute arterielle Embolie verschlechtert. Nicht selten müssen diese Patienten in Bei embolischen Verschlüssen entsteht das Verschluss- der Folge leider amputiert werden. material nicht vor Ort, sondern in einer anderen Körper- region und wird erst sekundär eingeschwemmt. Seltene Ursachen Bei der arteriellen Embolie ist in 80-90% der Entste- Seltene Ursachen einer akuten Extremitätensichämie hungsort des Embolus im Herzen zu finden. Dies tritt sind Erkrankungen des Blutgerinnungssystems, Ein- insbesondere im Rahmen von Rhythmusstörungen klemmungssyndrome von Arterien (Entrapment-Syn- des Herzens auf, wo es zu einer Thrombusbildung im drom), Gefäßdissektionen und Gefäßverletzungen. linken Vorhof mit anschließender Verschleppung nach Im Gegensatz zu einer chronischen Ischämie, die sich peripher kommt. Seltenere Emboliequellen stellen langsam immer stärker ausbildet, hat der Körper beim Aneurysmata mit Thrombussaum oder ein Defekt akuten Verschluss in diesem Fall keine Zeit Umge- der Herzscheidewand in Kombination mit einer tiefen hungskreisläufe auszubilden und die Minderdurchblu- Venenthrombose dar. Die restlichen 10-20% der arteri- tung so teilweise zu kompensieren. Die Beschwerden ellen Embolien werden durch nicht-kardiale Ursachen sind somit deutlich schwerwiegender und die Gefahr ausgelöst. Dazu zählen Thromben in Aneurysmen, eines Extremitätenverlustes höher. 30
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