Allianz am seidenen Faden

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Allianz am seidenen Faden
rechts: Die Larve des Bienenwolfs überwintert unter der Erde in einem Seidenkokon. Antibiotika-
     produzierende Bakterien schützen die Larve vor schädlichen Bakterien und Pilzen.
     links: In dieser Fotomontage sind die Antibiotika durch bildgebende Massenspektrometrie sichtbar
     gemacht und in Falschfarben auf den Kokon projiziert. Rote und gelbe Flächen entsprechen dabei
     Stellen mit hoher Antibiotikakonzentration, Blau und Violett stehen für geringere Konzentrationen.

 Allianz
 am seidenen Faden
     Viele Insekten sind auf die Unterstützung von Bakterien angewiesen. Die Mikroorganismen
     produzieren Überlebenscocktails für ihre Larven, helfen beim Abbau schwer verdaulicher Kost
     oder liefern lebenswichtige Vitamine. Martin Kaltenpoth und sein Team vom Max-Planck-
                                                                                                          Foto: MPI für chemische Ökologie

     Institut für chemische Ökologie in Jena entlocken den Symbiosen zwischen Insekt und Mikrobe
     verblüffende Details.

     TEXT ELKE MAIER

26    MaxPlanckForschung 4 | 11
Allianz am seidenen Faden
FOKUS_Symbiose

I
    nsekten sind die erfolgreichste aller   Ihre Besonderheit:
                                                   Bes
                                                   Bes
                                                    eson
                                                       onde
                                                       onderh
                                                         de rhei
                                                            rheit:
                                                              eit: Vor
                                                                   Vor Millionen
                                                                       M           von    Nahrung für die Kolonie anzulegen.
    Tiergruppen und haben fast jeden        Jahren sind ihre Vorfahren eine Liaison       Um ihre sorgfältig gehegten Speisepilz-
    Winkel
    Wi  k l unseres Pl
                     Planeten
                           t    erschlos-
                                    hl      mitit B
                                                  Bakterien
                                                    kt i eingegangen.
                                                              i                           kulturen
                                                                                          k  lt     zu schützen,
                                                                                                         hüt      kultivieren
                                                                                                                  k lti i      die
                                                                                                                               di
    sen. Sie besiedeln nahezu alle Le-           Martin Kaltenpoth, der seit Novem-       Ameisen Bakterien, die verschiedene
    bensräume von Wasseroberflächen         ber 2009 die unabhängige Max-Planck-          Antipilzmittel produzieren. Diese Sub-
bis zu Wüsten und sind auf den Glet-        Forschungsgruppe „Insektensymbiose“           stanzen wirken vor allem gegen den
schern des Himalajas ebenso zu Hause        leitet, ist begeistert von der Vielfalt der   Schadpilz Escovopsis, der als Parasit in
wie in der vermeintlich fest verschlosse-   Kerbtiere und ihrer Bündnisse mit Mi-         den Pilzgärten lebt und sie ohne die
nen Müslitüte im Vorratsschrank.            kroben: „Symbiosen sind ein Schlüssel-        chemische Keule in kurzer Zeit zerstö-
    Am Max-Planck-Institut für chemi-       faktor für den Erfolg der Insekten“, sagt     ren würde.
sche Ökologie in Jena besetzen die          der Wissenschaftler. „Denn sie ermögli-           Andere Insekten nutzen Mikro-
Krabbeltiere einen ganzen Raum voller       chen es ihnen, sich an wechselnde Um-         organismen, um Nahrungsquellen zu
Klimaschränke und hausen in Dutzen-         weltbedingungen anzupassen und neue           erschließen. Termiten etwa ernähren
den von Tupperwareboxen. „Das sind          Nahrungsressourcen zu erschließen.“           sich oft von Holz und nutzen die Hilfe
Feuerwanzen“, sagt Martin Kaltenpoth             Ein interessantes Beispiel für eine      von Symbionten im Darm für die Ver-
und nimmt aus einem der beheizten           solche Zweckgemeinschaft sind die             dauung der Zellulose. Die blutsaugen-
Schränke eine durchsichtige Box, in der     Blattschneiderameisen. Sie verwenden          de Tsetsefliege, Überträger der Schlaf-
eine Schar von schwarz-rot gemuster-        kleine Blattschnipsel als Substrat, um        krankheit, wird von Mikroben mit
ten Insekten durcheinanderkrabbelt.         darauf unterirdische Pilzgärten als           lebenswichtigem Vitamin B versorgt,

                                                                                                       4 | 11 MaxPlanckForschung   27
Allianz am seidenen Faden
Mit einem umgebauten Handstaubsauger sammelt Tobias Engl Bienen aus den institutseigenen Bienenstöcken und gibt sie den Bienenwölfen
als Nahrung für ihre Brut.

                                                den letzten Jahrzehnten haben Unter-          dem Bienenwolf, die Gemeine Feuer-
                                                suchungen immer mehr Beispiele ans            wanze, Pyrrhocoris apterus, auserkoren.
                                                Licht gebracht, wie Mikroben für das          Beide Insektenarten leben in Symbiose
                                                Überleben ihrer Wirte sorgen kön-             mit Mikroben aus der Gruppe der Acti-
                                                nen.“ Die Bakteriensymbiose der Blatt-        nobakterien.
                                                schneiderameisen etwa wurde erst                  Die Bienenwölfe sind am Max-
                                                1999 entdeckt, und das, obwohl die            Planck-Institut in Jena in einem hell er-
                                                Ameisen ihre mikroskopisch kleinen            leuchteten Gewächshaus untergebracht,
                                                Helfer in solchen Mengen mit sich he-         gleich neben Tabak, Kohl und Fleißigen
                                                rumtragen, dass sie sogar mit bloßem          Lieschen. Hier leben sie in der warmen
                                                Auge sichtbar sind.                           Jahreszeit in verglasten Holzkästen, da-
                                                    Martin Kaltenpoth hat für die Insek-      mit die Wissenschaftler ihr Treiben be-
                                                tensymbiosen während seiner Promo-            obachten können.
                                                tion Feuer gefangen. Als Doktorand an
Bei den Bienenwölfen versorgen ausschließlich   der Würzburger Universität untersuchte        BIENEN-PROVIANT FÜR
                                                                                                                                          Fotos: Sven Döring (oben), MPI für chemische Ökologie

die Weibchen die Nachkommen mit Nahrung.        er die Pheromonkommunikation beim             DIE LARVEN
Potenzielle Beute machen sie mit ihren großen
Komplexaugen ausfindig. Erst wenn sie mit
                                                Europäischen Bienenwolf, Philanthus
ihren Antennen den Geruch des Opfers über-      triangulum, einer Grabwespenart. Dabei        Die wespenartigen Insekten sind be-
prüft haben, wird es attackiert.                stieß er Ende 2003 rein zufällig auf eine     rüchtigt für ihre ausgefallene Fortpflan-
                                                außergewöhnliche Symbiose, die ihn            zungsstrategie. Im Sommer machen die
das ihr aufgrund ihrer einseitigen Kost         bis heute beschäftigt.                        Weibchen Jagd auf Honigbienen. Ha-
fehlt. Auch viele andere Insekten wie               Ganz besonders interessiert ihn an        ben sie eine Nektar sammelnde Arbei-
Blattläuse, Zikaden und Rüsselkäfer             seinem Forschungsthema, wie Symbio-           terin ausgemacht, stürzen sie sich auf
sind auf die Lieferung bestimmter Stof-         sen zwischen Insekten und Bakterien           sie, um sie mit ihrem Gift zu lähmen
fe von außen angewiesen.                        entstehen. Welche Vorteile bringen sie        und in eine selbst gegrabene Nisthöhle
    „Lange Zeit galten Bakterien pau-           den Partnern? Und warum haben sich            zu tragen. Für jedes seiner Eier schafft
schal als Verursacher von Krankhei-             ausgerechnet diese Partner zusammen-          ein Grabwespenweibchen bis zu fünf
ten“, sagt Martin Kaltenpoth. „Aber in          getan? Als Studienobjekt hat er, neben        paralysierte Bienen heran. Nach dem

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Allianz am seidenen Faden
FOKUS_Symbiose

                                                        Hassan Salem untersucht den Einfluss von Darmbakterien auf das Wachstum von Feuerwanzen. Ein Vergleich von Wanzen mit und ohne Bakterien
                                                        zeigt, dass Tiere mit Symbionten höhere Überlebenschancen haben und größer werden.

                                                        Schlüpfen frisst sich die Larve an der         Engl, Postdoktorand in der Gruppe von          Bei der Auswertung elektronenmikros-
                                                        nahrhaften Kost satt, um sich anschlie-        Martin Kaltenpoth. Zehn verschiedene           kopischer Aufnahmen wurde ihm klar,
                                                        ßend einzuspinnen und in ihrem Ko-             Pilzarten hat er während seiner Promo-         dass die Substanz auch noch eine ganz
                                                        kon zu überwintern.                            tion an der Universität Regensburg in          andere Funktion hat. Auf den Bildern
                                                           Eine gefährliche Zeit: „Im feuchten         den Kinderstuben der Bienenwölfe               waren längliche Strukturen zu erken-
                                                        Klima der unterirdischen Kammer, mit           nachgewiesen. Während die Larve reg-           nen, die wie Bakterien aussahen. Mar-
                                                        den Resten der Bienenmahlzeit, wachsen         los in ihrem Kokon ausharrt, läuft sie         tin Kaltenpoth und seine Würzburger
                                                        Schimmelpilze prächtig“, sagt Tobias           daher ständig Gefahr zu verschimmeln.          Kollegen wurden neugierig. Mithilfe
                                                                                                       Doch Martin Kaltenpoth hat während             von Genanalysen machten sie sich da-
                                                                                                       seiner Doktorarbeit entdeckt, dass die         ran, die rätselhaften Strukturen näher
                                                                                                       Grabwespen eine einzigartige Strategie         zu untersuchen, und wurden fündig:
                                                                                                       zum Schutz ihres Nachwuchses entwi-            Wie eine Untersuchung der 16S rDNA –
                                                                                                       ckelt haben.                                   eine Art Identitätsnachweis für Mikro-
                                                                                                           Schon früher hatten Forscher beob-         organismen – ergab, handelte es sich
                                                                                                       achtet, dass die Weibchen beim Bau der         tatsächlich um Bakterien, und zwar um
Fotos: Sven Döring (oben), MPI für chemische Ökologie

                                                                                                       Brutkammer aus speziellen Drüsen in            eine bislang unbekannte Art von Strep-
                                                                                                       den Antennen eine zähflüssige weiße            tomyceten.
                                                                                                       Substanz absondern und damit eine
                                                                                                       Wand der Kammer bestreichen. „Der              BAKTERIEN ALS ANTIBIOTIKA-
                                                                                                       Anstrich dient dem frisch geschlüpften         PRODUZENTEN?
                                                                                                       Bienenwolf zur Orientierung, um den
                                                                                                       Weg an die Oberfläche zu finden“, sagt         Damit begann das vielleicht spannends-
                                                                                                       der Max-Planck-Forscher.                       te Kapitel in der Bienenwolf-Forschung:
                                                                                                                                                      „Denn Streptomyceten sind dafür be-
                                                                                                       Feuerwanzen sammeln sich manchmal              kannt, dass viele von ihnen Antibiotika
                                                                                                       in großer Zahl an Stellen, wo es ausreichend   produzieren“, sagt Kaltenpoth. Sollten
                                                                                                       Nahrung gibt. Sie ernähren sich von
                                                                                                       Pflanzensäften, die sie besonders gern aus
                                                                                                                                                      auch diese dazugehören? Um das her-
                                                                                                       Lindensamen saugen.                            auszufinden, nahmen sich er und seine

                                                                                                                                                                    4 | 11 MaxPlanckForschung   29
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                                                                                                                                  Fotos: FEMS Microbiology Reviews - Martin Kaltenpoth (großes Bild), MPI für chemische Ökologie (oben), Sven Döring (unten)
                                                                 1         3

Kollegen als Nächstes die Larven vor.     ven nutzen die Symbionten, um ihren         „Der Antibiotika-Mix bekämpft ein
Denn wie Beobachtungen gezeigt hat-       Kokon zu imprägnieren“, sagt Kalten-        sehr breites Spektrum von Pilzen und
ten, sucht die Larve in der Brutkammer    poth. „Dazu spinnen sie die Bakterien       Bakterien“, erklärt Martin Kaltenpoth.
nach der weißen Substanz und nimmt        so in die Hülle ein, dass sie eine effek-   „Mit einzelnen Substanzen wäre das
sie auf. Möglicherweise, vermuteten die   tive Barriere bilden, während die Lar-      nicht möglich.“
Forscher, nutzt der Bienenwolf-Nach-      ven selbst vor möglichen Nebenwir-               Wie wirksam der Schutz tatsächlich
wuchs die Antibiotika in irgendeiner      kungen der Antibiotika bewahrt blei-        ist, zeigten die Forscher in einem einfa-
Weise, um sich in seiner unterirdischen   ben.“ Die Bienenwölfe nutzen also die       chen Experiment. Dazu versperrten sie
Behausung gegen Schimmelpilze zu          keimtötenden Stoffwechselprodukte           einer Gruppe von Larven in ihren Brut-
wappnen – ähnlich wie die Blattschnei-    der Mikroben, um ihre eigenen Nach-         kammern den Zugang zu der bakterien-
derameisen, die damit ihre subterranen    kommen vor dem Verschimmeln zu              haltigen weißen Substanz. Das Ergebnis
Gärten schützen.                          schützen.                                   war eindrucksvoll. Ohne die Bakterien
    Und tatsächlich: Die Wissenschaft-                                                sank die Überlebensrate des Bienen-
ler wiesen nach, dass die Bakterien       BREITE WIRKUNG GEGEN                        wolf-Nachwuchses drastisch: von mehr
in großer Zahl auf der Außenseite         BAKTERIEN UND PILZE                         als 80 auf unter sieben Prozent.
des Larvenkokons vorkommen. Dort                                                           Doch welchen Vorteil haben die Mi-
identifizierten sie dann auch verschie-   Die Tiere setzen dabei auf eine Kombi-      kroben von der Liaison? „Zum einen
dene Antibiotika, die von den Mikro-      nationsprophylaxe: Neun verschiedene        sind sie in der Antennendrüse geschützt
ben gebildet werden. Und mithilfe ei-     Antibiotika haben die Wissenschaftler       und haben keine Konkurrenz“, vermu-
nes neuen bildgebenden Massenspek-        aus dem Kokon isoliert, Streptochlorin      tet Martin Kaltenpoth. „Da sie sich dort
trometrie-Verfahrens gelang es ihnen      sowie acht verschiedene Piericidine.        schnell vermehren, müssen sie aber
sogar, die Antibiotika direkt auf dem     Mithilfe von Biotests untersuchten          auch Nährstoffe von ihrem Wirt bekom-
Kokon sichtbar zu machen. „Die Lar-       sie dann die Wirksamkeit der Stoffe.        men.“ Um das zu überprüfen, unter-

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FOKUS_Symbiose

                                                                1    Das Weibchen des Bienenwolfs ist eine geschickte Jägerin. Das Gift des Stachels macht das Opfer bewegungsunfähig,
                                                                     sodass die Jägerin es zur Bruthöhle transportieren und dort als Nahrungsreserve deponieren kann. Im Unterschied zu ihren Larven
                                                                     ernähren sich ausgewachsene Tiere rein vegetarisch von Blütennektar.
                                                                2    Am Ende eines bis zu einen Meter langen Ganges befinden sich mehrere Brutkammern, in welche die Weibchen jeweils ein Ei legen.
                                                                     Nachdem die Larven ihren Proviant aus Honigbienen verspeist haben, spinnen sie sich in einen Kokon ein, der nur über einen dünnen
                                                                     Stiel mit Boden und Wänden der Kammer verbunden ist. Dadurch wird die Gefahr von Pilzbefall verringert.
                                                                3    Für die Analyse der Antibiotika-Beschichtung müssen die Kokons der Puppen geöffnet werden.
                                                                4    Blick in die Bienenwolf-Kinderstube: Mit einer Pinzette wird ein Kokon aus einer Brutkammer entnommen. Ein verschließbares
                                                                     Plastikröhrchen, wie es sonst für DNA-Analysen verwendet wird, dient fortan als Brutkammer, ein Kühlschrank simuliert die Winterpause.
                                                                5    Im Gegenlicht lässt sich der Entwicklungsstand einer Bienenwolf-Puppe durch die Wände des Kokons hindurch erkennen.
                                                                6    Längsschnitt durch die Antenne eines Bienenwolf-Weibchens: Das zweilappige Antennendrüsen-Reservoir enthält die Symbiose-
                                                                     bakterien (blau und rot). Es ist von Drüsenzellen umgeben, die bislang noch unbekannte Substanzen in das Reservoir abgeben.
                                                                     Am oberen Rand verläuft das Außenskelett der Antenne, am unteren Rand der Antennennerv.

                                                            sucht Tobias Engl die chemische Zusam-          Ende der Saison sammeln wir die Ko-                die Bakterien von chemischen Verbin-
                                                            mensetzung des Drüsensekrets. Er trennt         kons ein und lagern sie zum Über-                  dungen auf der Außenhaut der Insek-
                                                            dazu die verschiedenen Inhaltsstoffe            wintern im Kühlschrank“, sagt Martin               ten profitierten, kamen denen die Stoff-
                                                            mithilfe von Gas- und Flüssigchromato-          Kaltenpoth. „Im Frühjahr stellen wir sie           wechselprodukte der Bakterien zugute.
                                                            grafie sowie über Gelelektrophorese auf,        dann warm, damit die Bienenwölfe                   Da beide Partner einen Vorteil vonein-
                                                            um sie anschließend zu identifizieren.          schlüpfen.“ Beim Öffnen des Deckels                ander hatten, entwickelten sie sich ge-
                                                            Die Ergebnisse der Analysen stehen              steigt ein vertrauter Geruch in die Nase:          meinsam weiter.“
                                                            noch aus.                                       „Geosmin“, sagt der Max-Planck-For-                    Eine außergewöhnliche Symbiose,
                                                                Auch auf genetischer Ebene wollen           scher. Der modrig-erdige Geruch stammt             gepaart mit hochkomplexen Verhal-
                                                            die Max-Planck-Forscher die Bienen-             von den Streptomyceten, die in der sei-            tensweisen – man könnte meinen, Bie-
                                                            wolf-Symbiose verstehen und heraus-             denen Hülle jeder Larve sitzen. Ähnliche           nenwölfe sind das perfekte Studienob-
                                                            finden, wie das Immunsystem der Grab-           Mikroben kommen auch im Boden vor                  jekt für Biologen. Perfekte Labortiere
                                                            wespen auf die Bakterien reagiert und           und sorgen für den typischen Geruch                sind sie allerdings nicht. Das fängt
                                                            wie die Bakterien von ihrem Wirt be-            von feuchter Erde.                                 schon bei der Futterbeschaffung an:
                                                            einflusst werden. Dazu analysieren                                                                 Vier Bienenstöcke stehen hinter dem
                                                            Taras Nechitaylo und Sabrina Köhler,            SYMBIOSE ENTSTAND                                  Institut, um die Weibchen mit ausrei-
                                                            welche Gene in beiden Partnern aktiv            AUS ZUFÄLLIGER BEGEGNUNG                           chend Nahrung für die Brut zu versor-
                                                            sind und welche Funktion sie besitzen.                                                             gen. Für die aufwendige Pflege der Bie-
                                                                In einer kühl temperierten Klima-           Im Untergrund, so vermutet Kalten-                 nenvölker wurde eigens ein Imker en-
                                                            kammer im Institutskeller nimmt Martin          poth, liegt wohl auch der Ursprung der             gagiert. Und zur Hochsaison muss sich
                                                            Kaltenpoth eine durchsichtige Kunst-            ungewöhnlichen Allianz: „Wahrschein-               die technische Assistentin zweimal täg-
                                                            stoffbox aus dem Regal. Darin liegen gut        lich haben sich zufällig einmal Strepto-           lich in Imkermontur werfen und mit ei-
                                                            zwei Dutzend kleine Plastikröhrchen,            myceten auf grabenden Insekten nie-                nem umgebauten Handstaubsauger auf
                                                            in denen jeweils eine Puppe steckt. „Am         dergelassen“, vermutet er. „Während                Bienenfang gehen.                      >
Fotos: Sven Döring (2, links), MPI für chemische Ökologie

                                                                                                              4                                  5                                                       6

                                                                                                                                                                                4 | 11 MaxPlanckForschung     31
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     1       Im Labor werden die Wanzen in Plastikboxen gehalten und vermehrt. Für einen Artenvergleich züchten die Forscher nicht nur
             Feuerwanzen, sondern auch indische Baumwollwanzen, die ebenfalls in Symbiose mit Bakterien leben.
     2       Die Forscher lagern die Wanzen in Alkohol ein, um später die DNA extrahieren zu können.
     3       Eine frisch geschlüpfte Feuerwanzen-Nymphe tastet die Eioberfläche ab. Vermutlich nimmt sie dabei die Darmbakterien auf.
     4       Darmbakterien unter dem Fluoreszenzmikroskop: Coriobacterium glomerans aus dem Mitteldarm einer Feuerwanze.

Die Symbionten sind ebenfalls schwie-                cherche stand schließlich das neue Stu-           nächst, wie die Tiere ohne ihre Symbi-
rig: Sie fühlen sich anscheinend nur                 dienobjekt fest – und es sollte fortan            onten zurechtkommen. Um eine Grup-
in der heimischen Antennendrüse oder                 zum zweiten Standbein des Forschers               pe von Feuerwanzen ohne Darmbakte-
in Obhut der Bienenwolf-Larve so rich-               werden.                                           rien aufzuziehen, sterilisierte er die
tig wohl und lassen sich im Labor bis-                   Denn wie in der Fachliteratur zu le-          Außenseite von Wanzeneiern, denn
her nicht kultivieren. Genau das wäre                sen war, beherbergen die auffällig ge-            die schlüpfenden Jungtiere nehmen
aber wichtig, um ihre physiologischen                färbten Insekten ebenfalls symbiotische           ihre Symbionten normalerweise von
Fähigkeiten genauer zu untersuchen.                  Actinobakterien, wenngleich an einem              der Eioberfläche auf.
„Während meiner Doktorarbeit war ich                 weit weniger ausgefallenen Ort als die               Wie er herausfand, sind die Wan-
irgendwann ziemlich genervt von den                  Bienenwölfe. Bei ihnen besiedeln die              zen auf ihre winzigen Darmbewohner
Bienenwölfen“, gibt Martin Kaltenpoth                Mikroben ganz profan den Verdauungs-              angewiesen: Ohne Symbionten küm-
freimütig zu.                                        trakt. Hier allerdings kommen sie in              merten sie vor sich hin und hatten nur
    Da kam das kleine, schwarz-rot ge-               rauen Mengen vor, wie Sailendharan                eine sehr geringe Überlebensrate. Aber
fleckte Insekt, dem er eines Tages auf               Sudakaran, Doktorand in der Symbiose-             warum? „Wir nehmen an, dass die
dem Würzburger Uni-Campus begegne-                   Gruppe, herausgefunden hat: Ein ein-              Bakterien den Wanzen dabei helfen,
te, gerade recht: „Mit denen müsste man              ziges Individuum beherbergt bis zu ein-           die Lindensamen zu verwerten“, sagt
arbeiten!“ Denn Pyrrhocoris apterus, die             hundert Millionen Bakterien.                      Hassan Salem. Denn die Samen ent-
                                                                                                                                                Foto: Sven Döring

Gemeine Feuerwanze, ist sehr genügsam                    Hassan Salem, Doktorand im Team               halten Malvalsäure – einen Stoff, der
und gibt sich mit ein wenig Wasser                   von Martin Kaltenpoth, will nun her-              die Fettsäuresynthese hemmt. Das
und ein paar trockenen Lindensamen                   ausfinden, wozu die Heerschar von                 macht sie für die meisten Insekten un-
zufrieden. Nach einer gründlichen Re-                Mikroben gut ist. Dazu testete er zu-             genießbar.

32       MaxPlanckForschung 4 | 11
Allianz am seidenen Faden
KULTUR & GESELLSCHAFT_xxxxxxxxxx
                                                                                                                                                                                                                                           FOKUS_Symbiose

                                                                                                                                                                                                                     3

                                                                                                                                                                                                            2        4
Fotos: Sven Döring (großes Bild), FEMS Microbiology Ecology 69 (3) - Martin Kaltenpoth (oben), MPI für chemische Ökologie (unten)

                                                                                                                                    Der Forscher plant deshalb ein neues       Das Team um Martin Kaltenpoth hat
                                                                                                                                    Experiment, für das er im Labor fleißig    mit seinen beiden Studienobjekten also
                                                                                                                                    Lindensamen und Sonnenblumenkerne          viel vor. Vor Kurzem ist auch noch ein        GLOSSAR
                                                                                                                                    zerstampft. Wanzen ohne Symbionten         Borkenkäfer-Projekt dazugekommen.
                                                                                                                                    kommen zwar mit Lindensamen nicht          Der Kleine Holzbohrer, Xyleborinus            Actinobakterien
                                                                                                                                    zurecht, aber dafür mit Sonnenblumen-      saxesenii, könnte ebenfalls Bakterien-        Als Actinobakterien wird eine artenreiche
                                                                                                                                                                                                                             Gruppe von Mikroorganismen bezeich-
                                                                                                                                    kernen. Aber nur deshalb, weil die keine   symbionten zum Schutz von Pilzrasen           net, die zu den grampositiven Bakterien
                                                                                                                                    Malvalsäure enthalten? Um das heraus-      nutzen, von denen sich seine Larven           mit einem hohen Gehalt an Guanin-
                                                                                                                                    zufinden, will er die Säure aus den        ernähren. „Bisher kennen wir erst we-         und Cytosinbasen im Erbgut gehören.
                                                                                                                                    zerkleinerten Lindensamen extrahieren      nige solcher Verteidigungssymbiosen           Zur Ordnung gehören neben den Strepto-
                                                                                                                                                                                                                             myceten, die für die Antibiotika-Produk-
                                                                                                                                    und damit die Sonnenblumenkerne ver-       bei Insekten“, sagt Martin Kaltenpoth.
                                                                                                                                                                                                                             tion genutzt werden, auch so wichtige
                                                                                                                                    setzen. „Falls die Wanzen dann mit den     Er ist davon überzeugt, dass in den           Krankheitskeime wie die Tuberkulose-,
                                                                                                                                    Sonnenblumenkernen Probleme haben,         nächsten Jahren noch viele faszinie-          Lepra- und Diphtherieerreger.
                                                                                                                                    wissen wir, dass es tatsächlich an der     rende Lebensgemeinschaften zwischen           Grabwespen
                                                                                                                                    Malvalsäure liegt“, erklärt er.            Insekten und Mikroben ans Licht kom-          Einzeln lebende Insekten, die nahe mit
                                                                                                                                                                               men werden.                                   den Bienen verwandt sind. Weltweit sind
                                                                                                                                                                                                                             rund 10 000 Arten bekannt, davon leben
                                                                                                                                    DARMBAKTERIEN AUCH IM                          Und wer weiß, vielleicht liefert das
                                                                                                                                                                                                                             etwa 300 in Mitteleuropa. Ausgewachse-
                                                                                                                                    LABOR VERMEHRUNGSFÄHIG                     Studium solcher Gemeinschaften eines          ne Grabwespen ernähren sich von Blüten-
                                                                                                                                                                               Tages sogar neue Medikamente im               nektar und Pollen, die Larven benötigen
                                                                                                                                    Dann können sich die Wissenschaftler       Kampf gegen die zunehmende Zahl re-           dagegen tierische Nahrung. Die Weib-
                                                                                                                                    daranmachen, die molekularen Mecha-        sistenter Krankheitserreger? Denn auf         chen betreiben deshalb mehr oder weni-
                                                                                                                                                                                                                             ger intensive Brutpflege und versorgen
                                                                                                                                    nismen zu untersuchen und die Gene         diesem Gebiet haben uns die Insekten          die Larven in selbst errichteten Brut-
                                                                                                                                    zu finden, auf die es ankommt. Ein gro-    einiges voraus. Alexander Fleming hat         kammern mit Insekten oder Spinnen, die
                                                                                                                                    ßer Vorteil ist hierbei, dass sich die     vor etwas mehr als 80 Jahren das erste        sie zuvor durch einen Stich ihres Stachels
                                                                                                                                    Symbionten der Feuerwanzen – im Ge-        Antibiotikum entdeckt. Die Bienenwöl-         gelähmt haben.
                                                                                                                                    gensatz zu denjenigen der Bienenwölfe      fe dagegen nutzen Antibiotika schon
                                                                                                                                    – auch im Labor kultivieren lassen.        seit 65 Millionen Jahren.

                                                                                                                                                                                                                                          4 | 11 MaxPlanckForschung       33
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