Allianz am seidenen Faden
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
rechts: Die Larve des Bienenwolfs überwintert unter der Erde in einem Seidenkokon. Antibiotika- produzierende Bakterien schützen die Larve vor schädlichen Bakterien und Pilzen. links: In dieser Fotomontage sind die Antibiotika durch bildgebende Massenspektrometrie sichtbar gemacht und in Falschfarben auf den Kokon projiziert. Rote und gelbe Flächen entsprechen dabei Stellen mit hoher Antibiotikakonzentration, Blau und Violett stehen für geringere Konzentrationen. Allianz am seidenen Faden Viele Insekten sind auf die Unterstützung von Bakterien angewiesen. Die Mikroorganismen produzieren Überlebenscocktails für ihre Larven, helfen beim Abbau schwer verdaulicher Kost oder liefern lebenswichtige Vitamine. Martin Kaltenpoth und sein Team vom Max-Planck- Foto: MPI für chemische Ökologie Institut für chemische Ökologie in Jena entlocken den Symbiosen zwischen Insekt und Mikrobe verblüffende Details. TEXT ELKE MAIER 26 MaxPlanckForschung 4 | 11
FOKUS_Symbiose I nsekten sind die erfolgreichste aller Ihre Besonderheit: Bes Bes eson onde onderh de rhei rheit: eit: Vor Vor Millionen M von Nahrung für die Kolonie anzulegen. Tiergruppen und haben fast jeden Jahren sind ihre Vorfahren eine Liaison Um ihre sorgfältig gehegten Speisepilz- Winkel Wi k l unseres Pl Planeten t erschlos- hl mitit B Bakterien kt i eingegangen. i kulturen k lt zu schützen, hüt kultivieren k lti i die di sen. Sie besiedeln nahezu alle Le- Martin Kaltenpoth, der seit Novem- Ameisen Bakterien, die verschiedene bensräume von Wasseroberflächen ber 2009 die unabhängige Max-Planck- Antipilzmittel produzieren. Diese Sub- bis zu Wüsten und sind auf den Glet- Forschungsgruppe „Insektensymbiose“ stanzen wirken vor allem gegen den schern des Himalajas ebenso zu Hause leitet, ist begeistert von der Vielfalt der Schadpilz Escovopsis, der als Parasit in wie in der vermeintlich fest verschlosse- Kerbtiere und ihrer Bündnisse mit Mi- den Pilzgärten lebt und sie ohne die nen Müslitüte im Vorratsschrank. kroben: „Symbiosen sind ein Schlüssel- chemische Keule in kurzer Zeit zerstö- Am Max-Planck-Institut für chemi- faktor für den Erfolg der Insekten“, sagt ren würde. sche Ökologie in Jena besetzen die der Wissenschaftler. „Denn sie ermögli- Andere Insekten nutzen Mikro- Krabbeltiere einen ganzen Raum voller chen es ihnen, sich an wechselnde Um- organismen, um Nahrungsquellen zu Klimaschränke und hausen in Dutzen- weltbedingungen anzupassen und neue erschließen. Termiten etwa ernähren den von Tupperwareboxen. „Das sind Nahrungsressourcen zu erschließen.“ sich oft von Holz und nutzen die Hilfe Feuerwanzen“, sagt Martin Kaltenpoth Ein interessantes Beispiel für eine von Symbionten im Darm für die Ver- und nimmt aus einem der beheizten solche Zweckgemeinschaft sind die dauung der Zellulose. Die blutsaugen- Schränke eine durchsichtige Box, in der Blattschneiderameisen. Sie verwenden de Tsetsefliege, Überträger der Schlaf- eine Schar von schwarz-rot gemuster- kleine Blattschnipsel als Substrat, um krankheit, wird von Mikroben mit ten Insekten durcheinanderkrabbelt. darauf unterirdische Pilzgärten als lebenswichtigem Vitamin B versorgt, 4 | 11 MaxPlanckForschung 27
Mit einem umgebauten Handstaubsauger sammelt Tobias Engl Bienen aus den institutseigenen Bienenstöcken und gibt sie den Bienenwölfen als Nahrung für ihre Brut. den letzten Jahrzehnten haben Unter- dem Bienenwolf, die Gemeine Feuer- suchungen immer mehr Beispiele ans wanze, Pyrrhocoris apterus, auserkoren. Licht gebracht, wie Mikroben für das Beide Insektenarten leben in Symbiose Überleben ihrer Wirte sorgen kön- mit Mikroben aus der Gruppe der Acti- nen.“ Die Bakteriensymbiose der Blatt- nobakterien. schneiderameisen etwa wurde erst Die Bienenwölfe sind am Max- 1999 entdeckt, und das, obwohl die Planck-Institut in Jena in einem hell er- Ameisen ihre mikroskopisch kleinen leuchteten Gewächshaus untergebracht, Helfer in solchen Mengen mit sich he- gleich neben Tabak, Kohl und Fleißigen rumtragen, dass sie sogar mit bloßem Lieschen. Hier leben sie in der warmen Auge sichtbar sind. Jahreszeit in verglasten Holzkästen, da- Martin Kaltenpoth hat für die Insek- mit die Wissenschaftler ihr Treiben be- tensymbiosen während seiner Promo- obachten können. tion Feuer gefangen. Als Doktorand an Bei den Bienenwölfen versorgen ausschließlich der Würzburger Universität untersuchte BIENEN-PROVIANT FÜR Fotos: Sven Döring (oben), MPI für chemische Ökologie die Weibchen die Nachkommen mit Nahrung. er die Pheromonkommunikation beim DIE LARVEN Potenzielle Beute machen sie mit ihren großen Komplexaugen ausfindig. Erst wenn sie mit Europäischen Bienenwolf, Philanthus ihren Antennen den Geruch des Opfers über- triangulum, einer Grabwespenart. Dabei Die wespenartigen Insekten sind be- prüft haben, wird es attackiert. stieß er Ende 2003 rein zufällig auf eine rüchtigt für ihre ausgefallene Fortpflan- außergewöhnliche Symbiose, die ihn zungsstrategie. Im Sommer machen die das ihr aufgrund ihrer einseitigen Kost bis heute beschäftigt. Weibchen Jagd auf Honigbienen. Ha- fehlt. Auch viele andere Insekten wie Ganz besonders interessiert ihn an ben sie eine Nektar sammelnde Arbei- Blattläuse, Zikaden und Rüsselkäfer seinem Forschungsthema, wie Symbio- terin ausgemacht, stürzen sie sich auf sind auf die Lieferung bestimmter Stof- sen zwischen Insekten und Bakterien sie, um sie mit ihrem Gift zu lähmen fe von außen angewiesen. entstehen. Welche Vorteile bringen sie und in eine selbst gegrabene Nisthöhle „Lange Zeit galten Bakterien pau- den Partnern? Und warum haben sich zu tragen. Für jedes seiner Eier schafft schal als Verursacher von Krankhei- ausgerechnet diese Partner zusammen- ein Grabwespenweibchen bis zu fünf ten“, sagt Martin Kaltenpoth. „Aber in getan? Als Studienobjekt hat er, neben paralysierte Bienen heran. Nach dem 28 MaxPlanckForschung 4 | 11
FOKUS_Symbiose Hassan Salem untersucht den Einfluss von Darmbakterien auf das Wachstum von Feuerwanzen. Ein Vergleich von Wanzen mit und ohne Bakterien zeigt, dass Tiere mit Symbionten höhere Überlebenschancen haben und größer werden. Schlüpfen frisst sich die Larve an der Engl, Postdoktorand in der Gruppe von Bei der Auswertung elektronenmikros- nahrhaften Kost satt, um sich anschlie- Martin Kaltenpoth. Zehn verschiedene kopischer Aufnahmen wurde ihm klar, ßend einzuspinnen und in ihrem Ko- Pilzarten hat er während seiner Promo- dass die Substanz auch noch eine ganz kon zu überwintern. tion an der Universität Regensburg in andere Funktion hat. Auf den Bildern Eine gefährliche Zeit: „Im feuchten den Kinderstuben der Bienenwölfe waren längliche Strukturen zu erken- Klima der unterirdischen Kammer, mit nachgewiesen. Während die Larve reg- nen, die wie Bakterien aussahen. Mar- den Resten der Bienenmahlzeit, wachsen los in ihrem Kokon ausharrt, läuft sie tin Kaltenpoth und seine Würzburger Schimmelpilze prächtig“, sagt Tobias daher ständig Gefahr zu verschimmeln. Kollegen wurden neugierig. Mithilfe Doch Martin Kaltenpoth hat während von Genanalysen machten sie sich da- seiner Doktorarbeit entdeckt, dass die ran, die rätselhaften Strukturen näher Grabwespen eine einzigartige Strategie zu untersuchen, und wurden fündig: zum Schutz ihres Nachwuchses entwi- Wie eine Untersuchung der 16S rDNA – ckelt haben. eine Art Identitätsnachweis für Mikro- Schon früher hatten Forscher beob- organismen – ergab, handelte es sich achtet, dass die Weibchen beim Bau der tatsächlich um Bakterien, und zwar um Fotos: Sven Döring (oben), MPI für chemische Ökologie Brutkammer aus speziellen Drüsen in eine bislang unbekannte Art von Strep- den Antennen eine zähflüssige weiße tomyceten. Substanz absondern und damit eine Wand der Kammer bestreichen. „Der BAKTERIEN ALS ANTIBIOTIKA- Anstrich dient dem frisch geschlüpften PRODUZENTEN? Bienenwolf zur Orientierung, um den Weg an die Oberfläche zu finden“, sagt Damit begann das vielleicht spannends- der Max-Planck-Forscher. te Kapitel in der Bienenwolf-Forschung: „Denn Streptomyceten sind dafür be- Feuerwanzen sammeln sich manchmal kannt, dass viele von ihnen Antibiotika in großer Zahl an Stellen, wo es ausreichend produzieren“, sagt Kaltenpoth. Sollten Nahrung gibt. Sie ernähren sich von Pflanzensäften, die sie besonders gern aus auch diese dazugehören? Um das her- Lindensamen saugen. auszufinden, nahmen sich er und seine 4 | 11 MaxPlanckForschung 29
2 Fotos: FEMS Microbiology Reviews - Martin Kaltenpoth (großes Bild), MPI für chemische Ökologie (oben), Sven Döring (unten) 1 3 Kollegen als Nächstes die Larven vor. ven nutzen die Symbionten, um ihren „Der Antibiotika-Mix bekämpft ein Denn wie Beobachtungen gezeigt hat- Kokon zu imprägnieren“, sagt Kalten- sehr breites Spektrum von Pilzen und ten, sucht die Larve in der Brutkammer poth. „Dazu spinnen sie die Bakterien Bakterien“, erklärt Martin Kaltenpoth. nach der weißen Substanz und nimmt so in die Hülle ein, dass sie eine effek- „Mit einzelnen Substanzen wäre das sie auf. Möglicherweise, vermuteten die tive Barriere bilden, während die Lar- nicht möglich.“ Forscher, nutzt der Bienenwolf-Nach- ven selbst vor möglichen Nebenwir- Wie wirksam der Schutz tatsächlich wuchs die Antibiotika in irgendeiner kungen der Antibiotika bewahrt blei- ist, zeigten die Forscher in einem einfa- Weise, um sich in seiner unterirdischen ben.“ Die Bienenwölfe nutzen also die chen Experiment. Dazu versperrten sie Behausung gegen Schimmelpilze zu keimtötenden Stoffwechselprodukte einer Gruppe von Larven in ihren Brut- wappnen – ähnlich wie die Blattschnei- der Mikroben, um ihre eigenen Nach- kammern den Zugang zu der bakterien- derameisen, die damit ihre subterranen kommen vor dem Verschimmeln zu haltigen weißen Substanz. Das Ergebnis Gärten schützen. schützen. war eindrucksvoll. Ohne die Bakterien Und tatsächlich: Die Wissenschaft- sank die Überlebensrate des Bienen- ler wiesen nach, dass die Bakterien BREITE WIRKUNG GEGEN wolf-Nachwuchses drastisch: von mehr in großer Zahl auf der Außenseite BAKTERIEN UND PILZE als 80 auf unter sieben Prozent. des Larvenkokons vorkommen. Dort Doch welchen Vorteil haben die Mi- identifizierten sie dann auch verschie- Die Tiere setzen dabei auf eine Kombi- kroben von der Liaison? „Zum einen dene Antibiotika, die von den Mikro- nationsprophylaxe: Neun verschiedene sind sie in der Antennendrüse geschützt ben gebildet werden. Und mithilfe ei- Antibiotika haben die Wissenschaftler und haben keine Konkurrenz“, vermu- nes neuen bildgebenden Massenspek- aus dem Kokon isoliert, Streptochlorin tet Martin Kaltenpoth. „Da sie sich dort trometrie-Verfahrens gelang es ihnen sowie acht verschiedene Piericidine. schnell vermehren, müssen sie aber sogar, die Antibiotika direkt auf dem Mithilfe von Biotests untersuchten auch Nährstoffe von ihrem Wirt bekom- Kokon sichtbar zu machen. „Die Lar- sie dann die Wirksamkeit der Stoffe. men.“ Um das zu überprüfen, unter- 30 MaxPlanckForschung 4 | 11
FOKUS_Symbiose 1 Das Weibchen des Bienenwolfs ist eine geschickte Jägerin. Das Gift des Stachels macht das Opfer bewegungsunfähig, sodass die Jägerin es zur Bruthöhle transportieren und dort als Nahrungsreserve deponieren kann. Im Unterschied zu ihren Larven ernähren sich ausgewachsene Tiere rein vegetarisch von Blütennektar. 2 Am Ende eines bis zu einen Meter langen Ganges befinden sich mehrere Brutkammern, in welche die Weibchen jeweils ein Ei legen. Nachdem die Larven ihren Proviant aus Honigbienen verspeist haben, spinnen sie sich in einen Kokon ein, der nur über einen dünnen Stiel mit Boden und Wänden der Kammer verbunden ist. Dadurch wird die Gefahr von Pilzbefall verringert. 3 Für die Analyse der Antibiotika-Beschichtung müssen die Kokons der Puppen geöffnet werden. 4 Blick in die Bienenwolf-Kinderstube: Mit einer Pinzette wird ein Kokon aus einer Brutkammer entnommen. Ein verschließbares Plastikröhrchen, wie es sonst für DNA-Analysen verwendet wird, dient fortan als Brutkammer, ein Kühlschrank simuliert die Winterpause. 5 Im Gegenlicht lässt sich der Entwicklungsstand einer Bienenwolf-Puppe durch die Wände des Kokons hindurch erkennen. 6 Längsschnitt durch die Antenne eines Bienenwolf-Weibchens: Das zweilappige Antennendrüsen-Reservoir enthält die Symbiose- bakterien (blau und rot). Es ist von Drüsenzellen umgeben, die bislang noch unbekannte Substanzen in das Reservoir abgeben. Am oberen Rand verläuft das Außenskelett der Antenne, am unteren Rand der Antennennerv. sucht Tobias Engl die chemische Zusam- Ende der Saison sammeln wir die Ko- die Bakterien von chemischen Verbin- mensetzung des Drüsensekrets. Er trennt kons ein und lagern sie zum Über- dungen auf der Außenhaut der Insek- dazu die verschiedenen Inhaltsstoffe wintern im Kühlschrank“, sagt Martin ten profitierten, kamen denen die Stoff- mithilfe von Gas- und Flüssigchromato- Kaltenpoth. „Im Frühjahr stellen wir sie wechselprodukte der Bakterien zugute. grafie sowie über Gelelektrophorese auf, dann warm, damit die Bienenwölfe Da beide Partner einen Vorteil vonein- um sie anschließend zu identifizieren. schlüpfen.“ Beim Öffnen des Deckels ander hatten, entwickelten sie sich ge- Die Ergebnisse der Analysen stehen steigt ein vertrauter Geruch in die Nase: meinsam weiter.“ noch aus. „Geosmin“, sagt der Max-Planck-For- Eine außergewöhnliche Symbiose, Auch auf genetischer Ebene wollen scher. Der modrig-erdige Geruch stammt gepaart mit hochkomplexen Verhal- die Max-Planck-Forscher die Bienen- von den Streptomyceten, die in der sei- tensweisen – man könnte meinen, Bie- wolf-Symbiose verstehen und heraus- denen Hülle jeder Larve sitzen. Ähnliche nenwölfe sind das perfekte Studienob- finden, wie das Immunsystem der Grab- Mikroben kommen auch im Boden vor jekt für Biologen. Perfekte Labortiere wespen auf die Bakterien reagiert und und sorgen für den typischen Geruch sind sie allerdings nicht. Das fängt wie die Bakterien von ihrem Wirt be- von feuchter Erde. schon bei der Futterbeschaffung an: einflusst werden. Dazu analysieren Vier Bienenstöcke stehen hinter dem Taras Nechitaylo und Sabrina Köhler, SYMBIOSE ENTSTAND Institut, um die Weibchen mit ausrei- welche Gene in beiden Partnern aktiv AUS ZUFÄLLIGER BEGEGNUNG chend Nahrung für die Brut zu versor- sind und welche Funktion sie besitzen. gen. Für die aufwendige Pflege der Bie- In einer kühl temperierten Klima- Im Untergrund, so vermutet Kalten- nenvölker wurde eigens ein Imker en- kammer im Institutskeller nimmt Martin poth, liegt wohl auch der Ursprung der gagiert. Und zur Hochsaison muss sich Kaltenpoth eine durchsichtige Kunst- ungewöhnlichen Allianz: „Wahrschein- die technische Assistentin zweimal täg- stoffbox aus dem Regal. Darin liegen gut lich haben sich zufällig einmal Strepto- lich in Imkermontur werfen und mit ei- zwei Dutzend kleine Plastikröhrchen, myceten auf grabenden Insekten nie- nem umgebauten Handstaubsauger auf in denen jeweils eine Puppe steckt. „Am dergelassen“, vermutet er. „Während Bienenfang gehen. > Fotos: Sven Döring (2, links), MPI für chemische Ökologie 4 5 6 4 | 11 MaxPlanckForschung 31
1 1 Im Labor werden die Wanzen in Plastikboxen gehalten und vermehrt. Für einen Artenvergleich züchten die Forscher nicht nur Feuerwanzen, sondern auch indische Baumwollwanzen, die ebenfalls in Symbiose mit Bakterien leben. 2 Die Forscher lagern die Wanzen in Alkohol ein, um später die DNA extrahieren zu können. 3 Eine frisch geschlüpfte Feuerwanzen-Nymphe tastet die Eioberfläche ab. Vermutlich nimmt sie dabei die Darmbakterien auf. 4 Darmbakterien unter dem Fluoreszenzmikroskop: Coriobacterium glomerans aus dem Mitteldarm einer Feuerwanze. Die Symbionten sind ebenfalls schwie- cherche stand schließlich das neue Stu- nächst, wie die Tiere ohne ihre Symbi- rig: Sie fühlen sich anscheinend nur dienobjekt fest – und es sollte fortan onten zurechtkommen. Um eine Grup- in der heimischen Antennendrüse oder zum zweiten Standbein des Forschers pe von Feuerwanzen ohne Darmbakte- in Obhut der Bienenwolf-Larve so rich- werden. rien aufzuziehen, sterilisierte er die tig wohl und lassen sich im Labor bis- Denn wie in der Fachliteratur zu le- Außenseite von Wanzeneiern, denn her nicht kultivieren. Genau das wäre sen war, beherbergen die auffällig ge- die schlüpfenden Jungtiere nehmen aber wichtig, um ihre physiologischen färbten Insekten ebenfalls symbiotische ihre Symbionten normalerweise von Fähigkeiten genauer zu untersuchen. Actinobakterien, wenngleich an einem der Eioberfläche auf. „Während meiner Doktorarbeit war ich weit weniger ausgefallenen Ort als die Wie er herausfand, sind die Wan- irgendwann ziemlich genervt von den Bienenwölfe. Bei ihnen besiedeln die zen auf ihre winzigen Darmbewohner Bienenwölfen“, gibt Martin Kaltenpoth Mikroben ganz profan den Verdauungs- angewiesen: Ohne Symbionten küm- freimütig zu. trakt. Hier allerdings kommen sie in merten sie vor sich hin und hatten nur Da kam das kleine, schwarz-rot ge- rauen Mengen vor, wie Sailendharan eine sehr geringe Überlebensrate. Aber fleckte Insekt, dem er eines Tages auf Sudakaran, Doktorand in der Symbiose- warum? „Wir nehmen an, dass die dem Würzburger Uni-Campus begegne- Gruppe, herausgefunden hat: Ein ein- Bakterien den Wanzen dabei helfen, te, gerade recht: „Mit denen müsste man ziges Individuum beherbergt bis zu ein- die Lindensamen zu verwerten“, sagt arbeiten!“ Denn Pyrrhocoris apterus, die hundert Millionen Bakterien. Hassan Salem. Denn die Samen ent- Foto: Sven Döring Gemeine Feuerwanze, ist sehr genügsam Hassan Salem, Doktorand im Team halten Malvalsäure – einen Stoff, der und gibt sich mit ein wenig Wasser von Martin Kaltenpoth, will nun her- die Fettsäuresynthese hemmt. Das und ein paar trockenen Lindensamen ausfinden, wozu die Heerschar von macht sie für die meisten Insekten un- zufrieden. Nach einer gründlichen Re- Mikroben gut ist. Dazu testete er zu- genießbar. 32 MaxPlanckForschung 4 | 11
KULTUR & GESELLSCHAFT_xxxxxxxxxx FOKUS_Symbiose 3 2 4 Fotos: Sven Döring (großes Bild), FEMS Microbiology Ecology 69 (3) - Martin Kaltenpoth (oben), MPI für chemische Ökologie (unten) Der Forscher plant deshalb ein neues Das Team um Martin Kaltenpoth hat Experiment, für das er im Labor fleißig mit seinen beiden Studienobjekten also Lindensamen und Sonnenblumenkerne viel vor. Vor Kurzem ist auch noch ein GLOSSAR zerstampft. Wanzen ohne Symbionten Borkenkäfer-Projekt dazugekommen. kommen zwar mit Lindensamen nicht Der Kleine Holzbohrer, Xyleborinus Actinobakterien zurecht, aber dafür mit Sonnenblumen- saxesenii, könnte ebenfalls Bakterien- Als Actinobakterien wird eine artenreiche Gruppe von Mikroorganismen bezeich- kernen. Aber nur deshalb, weil die keine symbionten zum Schutz von Pilzrasen net, die zu den grampositiven Bakterien Malvalsäure enthalten? Um das heraus- nutzen, von denen sich seine Larven mit einem hohen Gehalt an Guanin- zufinden, will er die Säure aus den ernähren. „Bisher kennen wir erst we- und Cytosinbasen im Erbgut gehören. zerkleinerten Lindensamen extrahieren nige solcher Verteidigungssymbiosen Zur Ordnung gehören neben den Strepto- myceten, die für die Antibiotika-Produk- und damit die Sonnenblumenkerne ver- bei Insekten“, sagt Martin Kaltenpoth. tion genutzt werden, auch so wichtige setzen. „Falls die Wanzen dann mit den Er ist davon überzeugt, dass in den Krankheitskeime wie die Tuberkulose-, Sonnenblumenkernen Probleme haben, nächsten Jahren noch viele faszinie- Lepra- und Diphtherieerreger. wissen wir, dass es tatsächlich an der rende Lebensgemeinschaften zwischen Grabwespen Malvalsäure liegt“, erklärt er. Insekten und Mikroben ans Licht kom- Einzeln lebende Insekten, die nahe mit men werden. den Bienen verwandt sind. Weltweit sind rund 10 000 Arten bekannt, davon leben DARMBAKTERIEN AUCH IM Und wer weiß, vielleicht liefert das etwa 300 in Mitteleuropa. Ausgewachse- LABOR VERMEHRUNGSFÄHIG Studium solcher Gemeinschaften eines ne Grabwespen ernähren sich von Blüten- Tages sogar neue Medikamente im nektar und Pollen, die Larven benötigen Dann können sich die Wissenschaftler Kampf gegen die zunehmende Zahl re- dagegen tierische Nahrung. Die Weib- daranmachen, die molekularen Mecha- sistenter Krankheitserreger? Denn auf chen betreiben deshalb mehr oder weni- ger intensive Brutpflege und versorgen nismen zu untersuchen und die Gene diesem Gebiet haben uns die Insekten die Larven in selbst errichteten Brut- zu finden, auf die es ankommt. Ein gro- einiges voraus. Alexander Fleming hat kammern mit Insekten oder Spinnen, die ßer Vorteil ist hierbei, dass sich die vor etwas mehr als 80 Jahren das erste sie zuvor durch einen Stich ihres Stachels Symbionten der Feuerwanzen – im Ge- Antibiotikum entdeckt. Die Bienenwöl- gelähmt haben. gensatz zu denjenigen der Bienenwölfe fe dagegen nutzen Antibiotika schon – auch im Labor kultivieren lassen. seit 65 Millionen Jahren. 4 | 11 MaxPlanckForschung 33
Sie können auch lesen