Andacht zum 13.Sonntag nach Trinitatis, 29. August 2021.

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Ev.-Luth. Kirchengemeinde Niendorf

         Andacht zum 13.Sonntag nach Trinitatis,
                   29. August 2021.
                                                                           von Pastorin Anke Zorn
Im Namen Gottes beginnen wir - im Namen des Gottes, der Mensch geworden ist, der uns
zeigte menschlich zu leben, der uns nahe sein will.
Willkommen zum Gottesdienst, liebe Gemeinde! Schön, dass Sie sich Zeit nehmen, diese
Andacht zu feiern. Andere feiern mit - räumlich sind wir getrennt und doch miteinander
verbunden!
„Christus spricht: „Amen, das sage ich euch: Was ihr für einen meiner Brüder oder eine
meiner Schwestern getan habt– und wenn sie noch so unbedeutend sind –, das habt ihr für
mich getan.“ (Matthäus 25,40)
Dieses Bibelwort setzt uns und unser Handeln, unseren Umgang mit unseren Mitmenschen
in eine Beziehung zu Gott und soll ein Leitfaden für die Woche sein, die vor uns liegt.

Psalm 112
Wohl denen, die ein offenes Herz haben
und freimütig aushelfen mit dem ihren, wie es gut ist.
        Denn sie werden alle Zeiten überstehen,
        und sie werden gerecht sein
und die Liebe die sie verschenkt haben,
kehrt für alle Zeiten zu ihnen zurück.
        Böse Verleumdungen können ihnen nichts anhaben,
        ihr Herz vertraut auf Gott.
Sie finden Trost und fürchten sich nicht,
bis Gott ihre Widersacher und Gegnerinnen gewonnen hat.
        Sie aber streuen aus und geben den Armen,
        ihre Gerechtigkeit gewinnt die Oberhand.
Ihr Leben wird vielen Menschen Kraft schenken.

(Übertragung von Holger Mingram, in: Der Gottesdienst: liturgische Texte in gerechter Sprache)

Lesung aus dem Evangelium nach Lukas 10, 25-37
25 Da kam ein Schriftgelehrter und wollte Jesus auf die Probe stellen. Er fragte ihn: »Lehrer,

was soll ich tun, damit ich das ewige Leben bekomme?«26 Jesus fragte zurück: »Was steht im
Gesetz? Was liest du da?«27 Der Schriftgelehrte antwortete: »Du sollst den Herrn, deinen
Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft
und mit deinem ganzen Denken.« Und: »Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.« 28 Jesus
sagte zu ihm: »Du hast richtig geantwortet. Halte dich daran und du wirst leben.«
29
   Aber der Schriftgelehrte wollte sich verteidigen. Deshalb sagte er zu Jesus: »Wer ist denn
mein Mitmensch?«30 Jesus erwiderte: »Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho.
Unterwegs wurde er von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn bis aufs Hemd aus und
schlugen ihn zusammen. Dann machten sie sich davon und ließen ihn halb tot liegen. 31 Nun
kam zufällig ein Priester denselben Weg herab. Er sah den Verwundeten und ging vorbei. 32
Genauso machte es ein Levit, als er zu der Stelle kam: Er sah den Verwundeten und ging
vorbei.
33 Aber dann kam ein Samariter dorthin, der auf der Reise war. Als er den Verwundeten sah,

hatte er Mitleid mit ihm.34 Er ging zu ihm hin, behandelte seine Wunden mit Öl und Wein
und verband sie. Dann setzte er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn in ein Gasthaus und
pflegte ihn.35 Am nächsten Tag holte er zwei Silberstücke hervor, gab sie dem Wirt und sagte:
›Pflege den Verwundeten! Wenn es mehr kostet, werde ich es dir geben, wenn ich
wiederkomme.‹
36Was meinst du: Wer von den dreien ist dem Mann, der von den Räubern überfallen wurde,

als Mitmensch begegnet?«37 Der Schriftgelehrte antwortete: »Der Mitleid hatte und sich um
ihn gekümmert hat. «Da sagte Jesus zu ihm: »Dann geh und mach es ebenso.«
(Übersetzung aus der Basis-Bibel)

Musik: „Traumplantage“ von Helge Burggrabe (Familie Halberstadt)

Predigt
Die „Geschichte vom barmherzigen Samariter“ ist immer wieder ein Highlight von
Konfirmandenstunden: Mit viel Spaß und Phantasie setzen die Jugendlichen die Geschichte
spielerisch um in Szenen aus ihrer Lebenswelt: Herkunft oder Hautfarbe,
Gruppenzugehörigkeit oder sexuelle Orientierung – da gibt es vieles, was einen hindern kann,
einem anderen Menschen zu helfen. Und gleichzeitig ist klar: Eigentlich soll man jedem helfen,
der oder die Hilfe braucht.
Helfen ist „in“ – noch immer gibt es in Deutschland ein breites ehrenamtliches Engagement.
Tatsächlich funktioniert ein wesentlicher Teil unseres Sozialstaates nur, weil Ehrenamtliche
sich unentgeltlich engagieren – ob in der Arbeit mit Geflüchteten, bei den Tafeln überall im
Land oder in Kirchengemeinden. Die Spendenbereitschaft ist besonders bei Katastrophen
enorm hoch. Mit Staunen habe ich in den vergangenen Wochen Berichte von Menschen
verfolgt, die in die von den Hochwassern stark betroffenen Gebiete gereist sind und geholfen
haben, den Putz von den nassen Wänden zu schlagen…
Hilfsbereitschaft ist der christliche Wert, auf den wir uns alle verständigen können, denke ich.
Eltern bedeuten die christlichen Wertmaßstäbe etwas; Erzieherinnen leiten schon die
Kleinesten dazu an, Lehrer und Lehrerinnen legen Wert auf soziales Lernen.
Also: Wenn es um Hilfsbereitschaft geht, dann liegen wir wohl alle auf einer Linie!

Und dann kommt in der Geschichte vom barmherzigen Samariter auch noch die Ewigkeit ins
Spiel: Denn Jesus erzählt die Geschichte ja als Antwort auf die Frage des Schriftgelehrten:
„Was soll ich tun, damit ich das ewige Leben bekomme?“
Einen Hauch von Ewigkeit im Alltag, im eigenen Leben spüren. Wer möchte das nicht? Ab und
zu mal bei der Jagd nach Lebenssinn die Ewigkeit aufleuchten sehen. Ein kleines Wunder - hier
eine Überwindung meiner Grenzen, da eine erfüllende Tat. Mein Leben soll nicht umsonst
sein. Ich möchte lieben und geliebt werden. Liebe üben und Liebe erfahren. Denn ich ahne,
zwischen der Ewigkeit und der Liebe gibt es einen Zusammenhang.
Jesus antwortet auf die Frage des Schriftgelehrten nach der Ewigkeit: Du sollst Gott mit Allem,
deinem Herzen, deiner Seele, mit ganzer Kraft und ganzem Denken lieben. Und deine
Nächsten! Halte dich daran und du wirst leben. Ewig leben. Denn "ewiges Leben" verstehe ich
nicht nur zeitlich, sondern vor allem qualitativ.
Wer von diesen dreien?
Drei kamen vorüber
An der Unfallstelle
An dem wimmernden Mann
In seinem Blut

Der erste schaute weg
Und sagte voller Mitleid:
Schrecklich, dieser arme Mensch!

Der zweite, der vorüberkam,
fand Nächstenliebe durchaus richtig,
jedoch in diesem Fall nicht ratsam,
denn es konnte eine Falle sein.

Der dritte schimpfte: Ausgerechnet!
Und fluchte: Gottverdammter Mist!
Doch half er dann, so gut er konnte,
worüber, mein ich
einmal nachzudenken ist.
(Lothar Zenetti)

So schlicht und einfach lässt sich also die Wahrheit der Geschichte zusammenfassen.
Warum tue ich mich dann aber mit diesem Gleichnis vom barmherzigen Samariter so schwer?
Statt der fröhlichen Zustimmung, die sich einstellen könnte, hinterlässt sie eher ein schlechtes
Gewissen, fühle ich mich ertappt. Vielleicht weil sie mir eher den Spiegel meiner
Nichthilfsbereitschaft vorhält als meiner Hilfsbereitschaft?
Weil sie mir in Erinnerung ruft, wann ich mir zuletzt näher war als jemand anderem, wann ich
zuletzt mehr für mich selbst gesorgt habe als für andere, wann zuletzt es mir lästig war, mich
in meinem Alltagsgeschäft stören zu lassen, durch eine, die meine Hilfe benötigte.
Und zugleich tut sich die nächste Falle auf. Denn ich kenne auch die andere Erfahrung, dass
ich über meine Kräfte gegangen bin; nicht mehr achtsam war mit mir selbst. Ich habe es
mühsam lernen müssen, auch einmal nein zu sagen. Und im Kopf weiß ich es längst, dass es
dieses Nein braucht, dass dieses Nein legitim ist, aber mein Bauch, mein Gefühl setzen
dahinter immer noch Fragezeichen.

Lassen Sie uns, liebe Gemeinde, gemeinsam versuchen, noch andere Aspekte in dieser
Geschichte zu entdecken! Geht es nicht um mehr, als dass der Samariter uns ein Vorbild sein
soll? Was hört ein gänzlich unvorbelasteter Mensch in dieser Geschichte?
Tim Schramm erzählt von Inken, einem 3-jährigen Mädchen. Als Gute Nacht Geschichte wollte
sie „…wieder und wieder dieses Gleichnis vom barmherzigen Samariter hören. Eines Abends
fragt der Vater sie: Warum Inken, warum nur immer wieder diese Geschichte? Inkens Antwort,
kurz und bündig: Weil der kommt...!“ (Zitat aus Tim Schramm, „Die Bibel ins Leben ziehen)
Inken ist ganz wichtig: Weil einer vorbeikommt, der hilft. Darauf richtet sie ihre ganze
Aufmerksamkeit: Jemand kommt und hilft. Für Inken ist die Geschichte die Zusage nicht allein
zu sein. Inken identifiziert sich mit dem Verletzten, mit dem, der da am Boden liegt.
Aus dieser Perspektive ist die Geschichte nicht mehr ein lautstarkes: „Du sollst, du müsstest“,
sondern da wird die Geschichte zu einer tröstlichen Geschichte. Hilfe wird kommen. Hilfe ist
möglich. Du wirst nicht allein bleiben im dunklen finsteren Tal.
Es ist also auch eine vertrauenerweckende Geschichte. Und die 3-jährige Inken eröffnete mir
einen neuen Zugang zu der Geschichte vom barmherzigen Samariter. Einen Zugang, der
eigentlich schon ganz alt ist: In früheren Jahrhunderten wurde das Gleichnis gerne in diesem
Sinne bildlich ausgelegt und Jesus mit dem Samariter identifiziert. Und so macht es auch Inken.
Im Samariter begegnet uns Jesus.

Zunächst gilt: Jesus wird unser Nächster.
Von Gott gesandt lässt Jesus sich auf das Leben hier auf Erden ein, er begegnet uns.
Die Geschichten in den Evangelien erzählen: Jesus hat ein offenes Ohr für unsere Sorgen, er
hat offene Augen für unsere Nöte, er hat offene Arme und reicht uns die Hand um uns
aufzuhelfen, wenn wir am Boden liegen. Jesus wendet sich Menschen zu. Jesus wird uns ein
Nächster. Und weiter heißt das: Überall wo Menschen einander Hilfe gewähren, wo sich ein
Mensch hilfsbereit einem anderen zuwendet, da kommt Gott erneut auf die Erde.

Es geht um praktische Hilfeleistung. Sympathien und Antipathien, Geschlecht und Religion
spielen hier keine Rolle. Und diese Erkenntnis nimmt ein wenig den Druck des Gebotes: „Du
sollst deinen Nächsten lieben". Die konkrete Tat in der Not, um das Nötigste in dem Augenblick
zu erreichen, wird hier gefordert. Es geht um einen barmherzigen Blick auf das Leid Anderer.
Meist traut sich keiner, sich selbst als barmherzig zu bezeichnen. Zu hoch scheint das Ideal der
Barmherzigkeit zu sein. Diese Eigenschaft überlassen wir gerne Gott. Doch Barmherzigkeit
meint die eigenen egoistischen, engstirnigen Grenzen zu überwinden, um Raum für Mitgefühl
zum Nächsten zu haben und um entsprechend zu handeln. "Handle so und du wirst leben."
Um unsere engen Grenzen zu weiten, damit wir nicht nur die Hilfesuchenden sehen, sondern
auch handeln, wie Jesus es fordert, ist es wichtig, dass Geben und Nehmen, Lieben und geliebt
werden in einem Gleichgewicht zueinanderstehen. Aus diesem Grund hat Jesus die Frage nach
dem ewigen Leben damit beantwortet, dass wir Gott mit ganzer Seele und mit voller Kraft
lieben sollen. Denn wenn wir Gott mit ganzem Herzen lieben, dann lassen wir gleichzeitig zu,
dass wir uns für seine Liebe zu uns öffnen. Dann öffnen wir unser Herz für seine Gegenwart
und liebevolle Nähe. Wer sich von Gott lieben lässt und angenommen fühlt, der kann sich
selbst und andere auch lieben. Mit Liebe erfüllt, werden wir empfänglicher für die Not anderer
und mutiger, eigene Grenzen zu überwinden.
Mit Gottes Liebe im Herzen und einem offenen Herzen für die Not anderer ist ein Hauch, ein
Schimmer, ein Augenblick von Ewigkeit bereits in uns spürbar.
Amen
Lied: „Wir strecken uns nach dir“

       1. Wir strecken uns nach dir, in dir wohnt die Lebendigkeit.
       Wir trauen uns zu dir, in dir wohnt die Barmherzigkeit.
       Du bist, wie du bist: Schön sind deine Namen.
       Halleluja Amen. Halleluja Amen

       2. Wir öffnen uns vor dir, in dir wohnt die Wahrhaftigkeit.
       Wir freuen uns an dir, in dir wohnt die Gerechtigkeit.
       Du bist, wie du bist…

       3. Wir halten uns bei dir, in dir wohnt die Beständigkeit.
       Wir sehnen uns nach dir, in dir wohnt die Vollkommenheit.
       Du bist, wie du bist…

Fürbitte

Gott, du Quelle der Liebe,
dich wollen wir von ganzem Herzen und mit voller Kraft lieben und uns von dir lieben lassen.
Doch das fällt nicht immer leicht, unsere engen Grenzen machen uns zu schaffen.
Darum bitten wir dich: Stärke uns, damit wir unsere Nächsten und Hilfesuchenden erkennen
und entsprechend handeln. Wandle unsere kurze Sicht in Weite,
Wir bitten Dich, Gott, erbarme Dich.

Sei du denen nahe, die keine Hilfe und Zuwendung erfahren;
denen sich keiner annimmt, weil sie nicht gesehen werden oder sich keiner zu ihnen
herablassen möchte. Menschen in Afghanistan, die um ihr Leben fürchten, Menschen, die hier
bei uns im Verborgenen leben, wie Obdachlose, Frauen in Frauenhäusern oder Geflüchtete
ohne Anerkennung.
Wir bitten Dich, Gott, erbarme Dich.

Gib denen Kraft, die in sozialen Berufen, Krisengebieten und im Ehrenamt tätig sind und viel
Liebe und Geduld aufbringen müssen. Schütze sie vor zu starker Selbstaufopferung und
innerer Ausgebranntheit. Stell ihnen Menschen an die Seite, die mithelfen und ihnen ein
offenes Ohr für ihre Sorgen schenken.
Wir bitten Dich, Gott, erbarme Dich.

Lass die Menschen deine Nähe spüren, die nie Liebe erfahren haben und deshalb keine Liebe
üben und schenken können. Deren Alltag von Hass und Gewalt geprägt ist, und wo keine
Lebensperspektive mehr vorhanden zu sein scheint, ein Teufelskreis sich aufzumachen droht.
Schenke ihnen Augenblicke der Barmherzigkeit, damit sie wieder Chancen auf einen
Neuanfang sehen können.
Wir bitten Dich, Gott, erbarme Dich.

Wir beten gemeinsam mit den Worten Jesu:
Vater unser
       Vater unser im Himmel
       Geheiligt werde dein Name.
       Dein Reich komme.
       Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden
       Unser tägliches Brot gib uns heute.
       Und vergib uns unsere Schuld.
       Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
       Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
       Denn dein ist das Reich, und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
       Amen

  Segen
      Gott segne uns und behüte uns.
      Gott lasse das Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.
      Gott schaue uns freundlich an und gebe uns Frieden.
      Amen
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