Zukunftsmarkt Afrika? - Kleinbäuerliche Landwirtschaft unter Druck - Gen-ethisches Netzwerk
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Nr. 241 - Mai 2017 8,50 Euro Informationen und Kritik zu Fortpflanzungs- und Gentechnologie Gen-ethischer Informationsdienst Kleinbäuerliche Landwirtschaft unter Druck Zukunftsmarkt Afrika? Ende der Menschenrechte Patente Zurückhaltung statt Konzernrechte! auf Saatgut WissenschaftlerInnen wollen em- Das Rechtsgutachten Nach zehn Jahren bryonales Genome Editing des Monsanto-Tribunals knapp vor dem Ziel
INHALT In Bewegung Rückblick und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4 • Landwirtschaft und Lebensmittel Dialog? So nicht! Titelthema Bundeslandwirtschaftsministerium scheitert mit Veranstaltung in Berlin Zukunftsmarkt Afrika? Von Christof Potthof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25 Bericht zu neuen Gentechnik-Verfahren Kleinbäuerliche Landwirtschaft unter Druck EU-Kommission überlässt weiter WissenschaftlerInnen das Wort Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6 Von Christof Potthof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .27 Gentechnik-Pflanzen für Afrika? Technische und politische Aufrüstung in Afrika Von Stig Tanzmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8 • Mensch und Medizin Transgene Pflanzen auf Afrikas Feldern Ende der Zurückhaltung Kommerzieller und versuchsweiser Anbau WissenschaftlerInnen wollen embryonales Genome Editing Vom African Centre for Biodiversity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 Von Isabelle Bartram . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31 Unser Leben - unsere Rechte Kleinbäuerinnen und - bauern kämpfen für Wesentliches Interview mit Elizabeth Mpofu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13 • Politik und Wirtschaft Spezielle Rechte Menschenrechte statt Konzernrechte! Bäuerinnen und Bauern nehmen Staaten in die Pflicht Das Rechtsgutachten des Monsanto-Tribunals Interview mit Adriana Bessa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16 Von Anne Bundschuh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .37 Des Kolonialismus neue Kleider Gegen die Erweiterung polizeilicher Befugnisse Die EPA der EU mit Afrika in der DNA-Analyse Von GRAIN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18 Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .39 Zementiertes Landwirtschaftsmodell Patente auf Saatgut Die Folgen der Bayer-Monsanto-Übernahme für Südafrika Nach zehn Jahren knapp vor dem Ziel Vom African Centre for Biodiversity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20 Von Christoph Then . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .42 Vor 30 Jahren ... Dokumentation: EPA genehmigt Freisetzung in USA Aus GID 21, Februar 1987 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .43 • Kurz notiert • Magazin Kurznachrichten aus den Bereichen Rezensionen, Materialien Landwirtschaft und Lebensmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 und Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Mensch und Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Politik und Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Gen-ethischer Informationsdienst Nr. 241 · Mai 2017 3
Unser Leben - unsere Rechte Mehrere hundert Menschen aus allen Teilen der Welt kamen im März in Schwäbisch Hall für einen Kongress zur Unterstützung der Erklärung für die Rechte von Kleinbäuerinnen und Kleinbau- ern zusammen. Die Organisation La Via Campesina ist eine der wichtigsten Kräfte hinter dieser Bewegung. Interview mit Elizabeth Mpofu Foto: privat Elizabeth Mpofu ist ökologisch wirtschaftende Kleinbäuerin aus Simbabwe. Im März nahm sie am Kongress „Global Peasants Rights“ in Schwäbisch Hall teil. Sie ist Gene- ralsekretärin von La Via Campesina International. Bevor wir inhaltlich in das Interview einsteigen, möchte wir uns für die Rechte von Kleinbäuerinnen und Klein- ich Sie bitten, uns von Ihrem persönlichen Hintergrund bauern. Dabei konzentrieren wir uns aktuell auf sehr zu berichten. grundlegende Aspekte: Es geht um das Recht auf Saat- Ich komme von einem Familien-geführten Bauernhof in gut, das Recht auf Land oder das Recht auf Biodiversität. Simbabwe, der zu der Zeit als ich aufwuchs nicht den Wir müssen unsere Regierungen dazu bringen, größere Vorstellungen entsprach, wie wir sie jetzt zum Beispiel Anstrengungen zu unternehmen um die Situationen un- mit dem Begriff Agroökologie beschreiben. Unser Hof serer Leute zu verstehen und sie zu respektieren. Wir war eher von einem agrar-industriellen Bild von Land- kämpfen für das Recht, ein Einkommen zu haben und - wirtschaft geprägt. Das war die Landwirtschaft, die von was für uns im Zentrum steht - wir kämpfen für unsere unserer damaligen Regierung unterstützt wurde. Ernährungssouveränität. Das sind die Rechte, für die wir Als wir später unsere Organisation gründeten, haben wir uns grundsätzlich und mit der Bauernrechte-Erklärung uns an traditionelle Anbausysteme erinnert, mit denen einsetzen. Diese Rechte sind für uns nicht verhandelbar! unsere Brüder und Schwestern in früheren Zeiten gute Wenn wir über diese Themen sprechen, dann sprechen und gesunde Nahrungsmittel produziert hatten. In die- wir über unser Leben und die damit verbundenen Fol- ser Organisation konnte ich meine Vorstellungen von gen für unseren Planeten. Landwirtschaft entwickeln. Ich war damals verheiratet, mein Mann arbeitete als Angestellter. Ich arbeitete in un- Wie ist die Kampagne für die Erklärung für die Rechte serem Garten und produzierte vor allem Gemüse. Wir der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern entstanden? wollten die Ressourcen nutzen, die unser Land, unsere La Via Campesina ist 1993 gegründet worden. An den an- Region uns bereitstellen konnte. Wir wollten auch unser fänglichen Diskussionen zu der Deklaration innerhalb eigenes Saatgut nutzen. von Via Campesina war ich selbst noch nicht beteiligt. Heute bin ich die Vorsitzende der Organisation der Öko- Das war in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre. Damals logisch arbeitenden Kleinbäuerinnen und Kleinbauern wurden die ersten Ideen entwickelt, die später in den von Simbabwe [ZIMSOFF] und mittlerweile auch für La Prozess für eine Erklärung mündeten. In den 2000er Jah- Via Campesina [LVC] auf der internationalen Ebene als ren sind einige befreundeten Organisationen - wie zum Generalsekretärin aktiv. Beispiel die Menschenrechtsorganisation FIAN - dazu gekommen. Nach meinem Verständnis war deutlich ge- Können Sie uns von den bisherigen Kampagnen von worden, dass Bäuerinnen und Bauern in verschiedenen LVC berichten? internationalen Diskussionen zu wenig beteiligt waren. Wir kämpfen gegen die transnationalen Konzerne, die Genau genommen lag eine Art Missverständniss vor, wie mit Technologien auf die Märkte drängen, die nicht zu sie in diesen Diskussionen beteiligt werden sollten. Zu unserer Art Landwirtschaft passen. Natürlich engagieren dem Zeitpunkt wurden die verschiedenen Menschen, die Gen-ethischer Informationsdienst Nr. 241 · Mai 2017 13
Titelthema Zukunftsmarkt Afrika? Interview Foto: Klaus Sohl Auf dem Kongress in Schwäbisch Hall konnten sich die TeilnehmerInnen von der Kleinbäuer- lichkeit der regionalen Landwirtschaft überzeugen. in der Landwirtschaft arbeiteten, einfach über einen setzungen mit den transnationalen Konzernen und Kamm geschoren, ohne zu unterscheiden, ob sie Klein- Investoren - gerade auch in Afrika. Das Phänomen des bäuerinnen waren, ob sie ökologisch oder industriell Landgrabbings, des Diebstahls von Land, ist hinlänglich produzierten, ob sie mit Tieren lebten, mit ihnen umher- bekannt. Den Menschen vor Ort werden die Nutzungs- zogen oder zum Fischen gingen. Gleichzeitig gab es in rechte entzogen - besser: gestohlen. Es wird nicht ausrei- dieser Zeit für die industrielle Landwirtschaft starke Un- chend anerkannt, dass es sich um das Land der Men- terstützung seitens der Regierungen. Sie unterstützten schen vor Ort handelt. Ohne Land kannst du keine Le- eine Landwirtschaft, in der immer mehr Inputs wie mi- bensmittel produzieren. Auch ohne Saatgut - dein eige- neralische Dünger und Pestizide zum Einsatz kommen nes Saatgut - kannst du keine Lebensmittel produzieren. sollten. Wir dachten, es sei Zeit sich zusammenzusetzen Du bleibst abhängig von den großen Konzernen. und zu überlegen, was für die Menschen auf dem Lande In den Forderungen - nach Land, Saatgut, natürlichen - die Peasants (1) - wirklich relevant ist. Ressourcen und Biodiversität - steckt immer unser Le- ben. Darum geht es. Wenn unsere Regierungen verpflich- Ich würde gerne für unsere Leserinnen und Leser aus tet sind, das zu respektieren und uns zu unterstützen, einer Ihrer Präsentationen auf dem Kongress in Schwä- dann können wir sicher sein, dass wir ein gutes Leben bisch-Hall ein Zitat vorstellen: „ Die zukünftige UN-Er- haben können. Wir können unsere eigene Art der Land- klärung über die Rechte der Kleinbäuerinnen und wirtschaft betreiben, mit Agroökologie und Ernährungs- Kleinbauern und anderer Menschen, die in ländlichen souveränität und wir sind nicht dazu verdammt, die Sys- Regionen arbeiten kann diese Probleme [Hunger, teme von anderen zu übernehmen. Wenn unsere Rechte Unterernährung, Ausnutzung, Vertreibung, Kriminali- - wie es in der Erklärung zum Ausdruck gebracht wird - sierung, Gewalt ... ] lösen, indem sie die Rechte auf respektiert werden, kann uns das helfen ein Auskommen Land, auf Wasser, auf Saatgut und andere natürliche zu erwirtschaften. Ressourcen anerkennt und die Bedeutung der Verbesse- Auch mit Blick auf den Klimawandel und die Folgen, die rung des Zugangs zu produktiven Ressourcen und er für die Landwirtschaft mit sich bringt, sind wir über- Investitionen in angemessene ländliche Entwicklung zeugt, dass uns die Systeme mit neuen Technologien, die betont.“ In welchem Sinne kann die Erklärung Ihnen die Agrarkonzerne im Angebot haben, nicht helfen wer- helfen? den. Die Vorräte, die Ressourcen neigen sich dem Ende Wenn wir in den aktuellen Entwurf der Erklärung schau- zu und wir wollen jetzt auf Mutter Erde, die Umwelt, auf- en, denken wir, dass sie uns helfen, unterstützen und passen. Das ist der einzige Weg, mit dem wir eine gutes schützen kann. Es gibt aktuell sehr heftige Auseinander- und gesundes Leben erreichen beziehungsweise sichern 14 Gen-ethischer Informationsdienst Nr. 241 · Mai 2017
Interview Titelthema Zukunftsmarkt Afrika? sich die Regierung eines Landes dafür entscheidet, die Er- Petition: Rechte der Kleinbäuerinnen klärung zu ratifizieren, sitzen wir am Tisch. und Kleinbauern stärken! Und La Via Campesina und seine Mitgliedsorganisatio- nen sind auf den verschiedenen Ebenen an diesen Pro- La Via Campesina Europa hat gemeinsam mit zessen beteiligt? UnterstützerInnen eine Online-Petition gestar- La Via Campesina ist in den verschiedensten Diskussio- tet, mit der zusätzlicher Rückenwind für die nen und Kämpfen dabei. Natürlich sehen wir die Proble- Verhandlungen über die Erklärung für die me vor Ort. Wir organisieren uns auf der globalen Ebene. Rechte der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern Wir bilden Arbeitskollektive auf der Ebene der verschie- und anderer in ländlichen Regionen arbeiten- denen Kontinente, um zum Beispiele über die einzelnen den Menschen entstehen soll. Artikel des Entwurfes für die Erklärung zu diskutieren. Und unsere Mitgliedsorganisationen sind auf der natio- ® Die Petition findet sich im Netz unter nalen Ebene aktiv. https://peasantsrights.eu/de_index.html. Wie lange wird es noch dauern, bis die fertige Erklärung vorliegt? können. Wir hoffen, dass die Erklärung Regierungen da- Aktuell stellt sich die Situation uneinheitlich dar. Ein Teil zu bringt, Programme zu verabschieden, mit denen wir der Länder könnte noch aktiver werden. Gerade auch bei besser geschützt sind, zum Beispiel gegen das Landgrab- den afrikanischen Regierungen haben wir noch einen bing. Aktuell haben wir derartige Programme nicht. Ich langen Weg vor uns. Auch die deutsche Regierung könnte selbst zum Beispiel habe auch keine sicheren Titel für sich da aktiver einbringen. Auf der anderen Seite gibt es das Land, auf dem ich wirtschafte. Zwar kann ich Land auch Unterstützung von einigen Regierungen. nutzen, das ich durch eine Landreform bekommen habe. Ich hoffe, dass wir 2018 bei den Vereinten Nationen in Aber ich kann nicht sagen „Das ist mein Land“ und ich New York einen fertigen Text auf den Tisch legen können. weiß nicht, was kommen wird. Gerade Frauen, die in den Und dann werden wir ein Arbeitswerkzeug haben, das meisten Fällen die Felder bewirtschaften, haben sehr von Regierungen und von Peasants genutzt wird. schlechte Erfahrungen gemacht. Viele haben ihr Land verloren, weil wir derartige Programme zum Schutz des Ein motivierendes Schlusswort für dieses Gespräch. Vie- Rechts auf Land nicht haben. Die Bedrohung kann aus len Dank und alles Gute! der eigenen Familie kommen, zum Beispiel wenn eine Frau ihren Mann verliert, sie ist aber natürlich auch in vielen Fällen durch Investoren sehr real. In diesen Fällen Das Interview führte Christof Potthof. ist in irgendeiner Form die Regierung beteiligt - auf na- tionaler oder auf lokaler Ebene. Die Erklärung kann also, in Verbindung mit der Umset- Zu der Erklärung für die Rechte der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zung auf der nationalen Ebene zu einem Werkzeug für und anderer in ländlichen Regionen arbeitenden Menschen siehe auch unseren Schutz werden. den Beitrag „Global Peasants` Right“ von Rudolf Buntzel und Christof Potthof im GID 240 (Februar 2017). Das bedeutet, dass ein Großteil der Arbeit, die die Er- klärung zu einem wirksamen Werkzeug macht, mit ei- nem Ergebnis in den Verhandlungen über den Text noch nicht getan ist. Genau, Bäuerinnen und Bauern und ihren Organisatio- Fußnote: nen müssen dann in ihren Ländern dafür sorgen, dass (1) Peasants - dieser Begriff ist zentral in den Diskussionen über die Er- die Erklärung in nationales Recht oder nationale Pro- klärung für die Rechte der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und an- gramme übertragen wird. Nur so kann sie zu einem wirk- derer Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten. Im Deutschen samen Werkzeug werden. Aus diesem Grund spielt die gibt es nichts Gleichwertiges, oft wird er mit „Kleinbäuerinnen und Kleinbauern” übersetzt. In den Entwurfstexten bietet der Artikel 1 ei- Partizipation in der Erklärung eine sehr wichtige Rolle. ne Definition an, derzufolge ein Peasant jede Person ist, die - allein, in Dabei geht es genau um den Platz, den die Betroffenen, Gruppen oder Gemeinschaften - mit landwirtschaftlicher Produktion also - wie es ja schon im Titel der Erklärung heißt - die beschäftigt ist, oder sich in Zukunft beschäftigen will. Dabei ist es nicht Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und andere in ländli- wesentlich, ob es sich um Subsistenz handelt oder um die Produktion chen Regionen arbeitende Menschen, an den Verhand- für einen Markt. Peasants stützen ihr Leben nicht notwendigerweise ausschließlich, aber signifikant auf Haus- und Familienarbeit und an- lungstischen und in den Diskussionsrunden einnehmen dere nicht-monetäre Systeme der Arbeit und sind in besonderer Wei- werden. Dieses Recht, in diesen Prozessen dabei zu sein, se abhängig von und verbunden mit dem Land. (Ausschnitt Artikel 1 ist ein Recht an sich. Es muss uns nicht erst von unseren des Entwurfes vom 06.03.17, im Netz unter www.global-peasants- Regierungen eingeräumt werden. In dem Moment, in dem rights.com oder www.kurzlink.de/gid241_rr; Übersetzung: CP) Gen-ethischer Informationsdienst Nr. 241 · Mai 2017 15
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