Anti-Bias-Ansatz im Elementarbereich - Prof. Dr. Steffen Brockmann 24.05.2021 - Soke eV

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Anti-Bias-Ansatz im Elementarbereich - Prof. Dr. Steffen Brockmann 24.05.2021 - Soke eV
Anti-Bias-Ansatz im Elementarbereich

Prof. Dr. Steffen Brockmann
24.05.2021
Anti-Bias-Ansatz im Elementarbereich - Prof. Dr. Steffen Brockmann 24.05.2021 - Soke eV
Entstehungsgeschichte des Ansatzes
In den 80er Jahren wurde der Ansatz für das frühpädagogische Arbeitsfeld u.a. von
Louise Derman-Sparks entwickelt

 Bedeutung der Sensibilisierung von pädagogischem Fachpersonal

Sowohl in der Arbeit mit Kindern, wie auch Erwachsenen hat der Anti-Bias-Ansatz
Bedeutung

In den 90er Jahren wird der Ansatz in Südafrika weiterentwickelt

In den 2000ern kommt er nach Deutschland. (vgl. Schmidt 2009)

In einigen Bundesländern in das Curriculum der Ausbildung zur Erzieher*in
verankert
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Was ist Anti-Bias-Arbeit?
 Bias: Vorurteile/ Einseitigkeiten - Ansatz der vorurteilsbewussten
 Bildung und Erziehung

 „Alle Kinder sind gleich. Jedes Kind ist verschieden.“ (KiWe o.J.)

 Der Elementarbereich besitzt gegenüber anderen Bildungsbereichen
 (auch zur Hochschule) für eine inklusive / diversitätsbewusste
 Pädagogik bessere Voraussetzungen
Anti-Bias-Ansatz im Elementarbereich - Prof. Dr. Steffen Brockmann 24.05.2021 - Soke eV
Aspekte von Vielfalt / Differenzlinien sind:

Hautfarbe, Herkunft, Sprache, Religion, Geschlecht, sozial-ökonomischer Status,
sexuelle Orientierung, Alter und Behinderung/Beeinträchtigungen (Wagner 2017, S.
28ff.)

Aspekte von Vielfalt / Differenzlinien werden in ihrem Wirkungszusammenhang
gedacht
 Intersektionalität
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Anti-Bias-Ansatz ist demokratischen, menschen- und kinderrechtlichen Forderungen
verpflichtet

Das Gegenteil von Diskriminierungen sind Privilegien

Machtkritischer Ansatz (Schmidt 2010)

Machtkritik beinhaltet auch eine Kritik an Adultzentrismus (Liebel 2020)
Anti-Bias-Ansatz im Elementarbereich - Prof. Dr. Steffen Brockmann 24.05.2021 - Soke eV
 Es gibt keine neutrale Pädagogik (Freire 1998)

 Berücksichtigt die politische Dimension von Bildung und entwirft gemeinsam
Vorstellung einer gerechten und demokratischen Gesellschaft in der Kinder mit ihren
Lebenswelten anerkannt werden (Derman Sparks 2020; Freire 2017)
Ziel 1: Alle Kinder in ihren Identitäten stärken

Ziel 2: Allen Kindern Erfahrungen mit Vielfalt ermöglichen

Ziel 3: Kritisches Denken über Gerechtigkeit und Fairness anregen

Ziel 4: Aktiv werden gegen Unrecht und Diskriminierungen

(Wagner 2017, S.30f.).
Widerstände / Schwierigkeiten bei der Umsetzung

Eigene Erfahrungen mit Aussagen von Fachkräften bei Vorträgen und Fort-
Weiterbildungen, warum sie Anti-Bias-Arbeit nicht umsetzen können/ wollen:

„Bei uns sind alle Kinder gleich“

„Das machen wir schon alles“

„Wie sollen wir das bei den Rahmenbedingungen machen und vor allem wann?“
„Bei uns sind alle Kinder gleich“

 In einer eigen Forschungsarbeit im Elementarbereich wurden
 folgende sozial konstruierte Differenzlinien von Kindern (4 -6 Jahre)
 herausgearbeitet:

 Familienkultur, Religion, Sprache, Alter, Fähigkeiten,
 Beeinträchtigungen / Behinderungen, Ethnie, Krankheiten/ Allergien,
 sexuelle Orientierung, Körpergewicht, Aussehen, Gender und soziale
 Klasse

 Darüber hinaus entfalten emotionale Kontrolle und Spielideen eine
 große Wirkung (Brockmann 2019).  Identität
Beelmann und Raabe kommen nach einer Meta-Analyse in der sie
113 internationale Studien zur Entwicklung von Vorurteilen von
Kindern der letzten 90 Jahre ausgewertet haben zu dem Schluss,
dass sich schon Vorurteile in der Altersgruppe der 2-4 jährigen
Vorurteile feststellen lassen (Beelmann und Raabe 2011)

Vor-Vorurteile (Derman – Sparks 2020)
Unterschiedliche Ebenen die beachtet werden müssen:

Einstellungen und Haltungen (Mikroebene)

Material etc. (Mesoebene)

Gesamtgesellschaftliche Strukturen / institutionelle Strukturen
(Makroebene)

Mit dem Ziel allen Kindern in der Einrichtung ein gutes aufwachsen zu
ermöglichen ohne Höherwertigkeits- und
Minderwertigkeitvorstellungen zu fördern (Derman-Sparks 2020)
 Empowerment von Kindern
„Das machen wir schon alles“

Ziel 1: Alle Kinder in ihren Identitäten stärken

Qualitätsmerkmale für dieses Ziel sind u.a.:
Pädagogische Fachkräfte achten darauf, dass der Name jedes Kind korrekt
ausgesprochen wird (ISTA 2016, S. 25)

Pädagogische Fachkräfte achten bei der Materialauswahl darauf, dass die Aspekte
der sozialen Wirklichkeit repräsentiert werden (Wohnung, Hautfarben etc.) und die
Lebenswelten der Kinder korrekt wiedergegeben werden (ebd., S. 26)
 Darstellungen von Familien in Büchern

Unterschied zwischen Geburtsort der Eltern, Geburtsort der
Großeltern und Kinder (ebd., S. 27).

 Beispiel Praxisbesuch
Pädagogische Fachkräfte sorgen dafür, dass die Familiensprachen und Dialekte der
Kinder im Alltag zu hören und zu sehen sind

Pädagogische Fachkräfte helfen Kindern bei der Eingewöhnung, indem sie Rituale
von Zuhause übernehmen, wie z.B. beim Essen und Einschlafen.“ (ISTA 2016, S.
25)

 Beispiel Film
„Spurensuchen“ Spuren der Kinder in der Einrichtung mit einer Kamera festhalten
(KiWe o.J.)

Reflexionsfragen aus den Bildungs- und Lerngeschichten:

Kann ich dir vertrauen? Kennst du meine Interessen? Gibst du mir Gelegenheit und
ermunterst mich, mich in etwas zu vertiefen? Hörst du mir zu? Auf welche Art und
Weise unterstützt Du meine Bemühungen, Teil der Gruppe zu sein? (Leu et al.
2007)
Ziel 2: Allen Kindern Erfahrungen mit Vielfalt ermöglichen

Fachkräfte thematisieren besonders mit den jüngeren Kindern die
Unterschiede, in Bezug auf ihren Körper, ihre Familien und
Übergangsobjekte und bieten sachlich korrekte Beschreibungen an

Spielmaterialien, Bücher und Ausstattung spiegelt die soziale Vielfalt
der Gruppe wieder (ISTA 2016, S. 31f.).

 Familienkulturen
 Familienwände ein
konfliktreiches Thema
Eigene Identitätsentwürfe von
Kindern ernstnehmen
 Beispiel Marwin
Familienwände
 Familienwände über den
Betten, um Sicherheit zu
geben, allerdings kann auch
das Gegenteil erreicht
werden (Brockmann 2014)
Derman Sparks verweist auf die Gefahr sozialer Vielfalt nur durch eine
Puppe oder durch einseitigen Darstellungen von Menschen mit
Behinderungen/ besonderen Bedürfnissen aufzugreifen (Derman Sparks
2020).
 „Alibidarstellungen“
Familienmemory (mit den Familien der Einrichtung)

Fotos von Ohren der Kinder/ bei jüngeren Kindern die Hände

Mobiles mit Spiegeln und Fotos der Kinder aus der Gruppe

 Der Raum und das Material als dritte/r Erzieher*in, unter Berücksichtigung von
der Bedeutung der Interaktion zwischen Kindern und Kindern und Fachkräften für
Bildungsprozesse
Raum für Eltern schaffen in dem sie sich über unterschiedliche
Erziehungsvorstellungen austauschen können

Eltern daran beteiligen das Kinder Erfahrungen mit Vielfalt machen (ISTA 2016, S.
33f.)

Vorsicht vor dem interkulturellen Frühstück:

 Beispiel A. Kalpaka (2010)
 Eigenes Beispiel türkisches Essen auf dem Familienfest in der Kita
Bezogen auf das Team:

Fachkräfte überlegen wie sie die Unterschiede im Team nutzen können, um Kindern
Erfahrungen mit sozialer Vielfalt zu ermöglichen

 Gefahr der Reduzierung auf Vielfaltsaspekte

Fachkräfte reflektieren welche Vielfaltsaspekte sie leicht mit Kindern besprechen
können und bei welchen sie sich schwer tun

Fachkräfte machen sich die Auswirkungen einer abwertenden Sprache über Kinder
und Familien bewusst und vermeiden Familien als „anders“ / „Andersartig“ zu
bezeichnen (ISTA 2016, S.34f.)
Ziel 3: Kritisches Nachdenken über Ungerechtigkeiten, Diskriminierungen,
folkloristische / touristische Darstellungen und Einseitigkeiten

Fachkräfte (ggf. mit den Kindern zusammen, je nach Entwicklungsstand) überprüfen
die verwenden Materialen danach welche Gruppen fehlen oder Stereotyp
(folkloristisch, schwach, hilfsbedürftig) dargestellt werden

Fachkräfte überprüfen Kinderlieder, Reime, Spiele auf stereotype / folkloristische /
rassistische Darstellungen.
Fachkräfte suchen mit Kindern eine gemeinsame Sprache um
Ungerechtigkeiten zu thematisieren

Fachkräfte üben mit Kindern ihre Absichten und Anliegen auszudrücken
ohne andere Kinder abzuwerten

Fachkräfte geben positive Rückmeldungen, wenn Kinder prosoziales
Verhalten zeigen

Fachkräfte bewerten es nicht als „Petzen“, wenn sich Kinder
Unterstützung holen (ISTA 2016, S. 38)

Kritisches Nachdenken über stereotype Vorstellungen im Team
 Beispiele von muslimischen Studierenden an der Ev. Fachschule für
Sozialpädagogik
Ziel 4: Vorgehen gegen Ungerechtigkeiten/ Einseitigkeiten

Fachkräfte suchen Geschichten und Beispiele in denen Widerstand
gegen Ungerechtigkeiten geleistet wird

Fachkräfte stellen mit den Kindern sachlich korrekte / gerechte
Materialien her.  Beispiel Barbiepuppen (Preissing/ Wagner 2003)

Fachkräfte greifen bei Ungerechtigkeiten/ Ausgrenzungen etc. ein und
thematisieren diese ohne die betroffenen Kinder zu beschämen (ISTA
2016, S. 43)

Entwickeln mit Kindern Handlungsstrategien gegen Ausgrenzung
Ebene Team:

Fachkräfte reflektieren ihre eigenen Erfahrungen mit Widerstand und welche
Botschaften sie als Kind zum Thema Widerstand erhalten haben

Fachkräfte trainieren ihre Handlungsstrategien um bei Ungerechtigkeiten und
Diskriminierungen zu intervenieren

Sie machen sich im Team gegenseitig auf abwertende Äußerungen aufmerksam,
gehen fehlerfreundlich miteinander um

Sie feiern ihre Erfolge und gelungenen Aktivitäten (ISTA 2016, S. 46)
„Wie sollen wir das bei den Rahmenbedingungen machen und
vor allem wann?“
 Diverstätsbewusstsein als zusätzliche Reflexionsschleife im
 pädagogischen Denken und Handeln (Leiprecht 2011)

 Qualitätsmerkmal guter pädagogischer Arbeit z.B. in der KRIPS-RZ und
 KES-E

 Zur Erinnerung: Es gibt keine neutrale Pädagogik! (Freire 1998)

 Die Frage ist: In was für einer Gesellschaft möchten wir leben? Wie
 wichtig ist für uns der Bildungsbereich Soziale Gerechtigkeit und das
 Leben in einer friedvollen Gesellschaft?

 Welche Räume und Unterstützungen können und wollen Träger leisten?

  Sinnvoll den Organisationsentwicklungsprozess begleiten zu lassen.
Vielen Dank!
Beelmann, Andreas / Raabe, Tobias (2011): Development of ethnic, racial, and na-tional
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  Brockmann, Steffen (2019): Diversitätsbewusstes Denken und Handeln in
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