Fachtag: Frühe Mehrsprachigkeit - keine Zukunft ohne! Notwendigkeit und Herausforderung Dr. Ilse Wehrmann - Sachverständige für Frühpädagogik - FMKS
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Fachtag: Frühe Mehrsprachigkeit – keine Zukunft ohne! Notwendigkeit und Herausforderung didacta – die Bildungsmesse, Hannover 22. Februar 2018 Dr. Ilse Wehrmann Sachverständige für Frühpädagogik
Die Welt trifft sich im Kindergarten Interkulturelle Arbeit und Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen Fotorechte: © Sigrid Diebold ©Dr. Ilse Wehrmann 2
Die Würdigung ihrer Erstsprache und damit verbundenen Kultur und Idendität ist für die meisten Menschen sehr wichtig! ©Dr. Ilse Wehrmann 3
Zitate zum Thema Sprache Die ganze Kunst der Alle Sprache ist Bezeichnung der Sprache besteht darin, Gedanken, und umgekehrt die verstanden zu werden. vorzüglichste Art der Gedankenbezeichnung ist die Konfuzius durch Sprache, dieses größte Mittel, sich selbst und andere zu verstehen. Immanuel Kant Eine fremde Sprache lernen und gut sprechen, gibt der Seele eine innere Toleranz, man Kennst du viele Sprachen - erkennt, daß alles innerste hast du viele Schlüssel für Leben sich auch noch anders ein Schloß. fassen und darstellen lasse, Voltaire man lernt, fremdes Leben achten. Berthold Auerbach ©Dr. Ilse Wehrmann 4
Aus dem WEC Qualitätshandbuch: Interkulturelle Haltung erfordert eine fundierte fachliche Begleitung, Beratung und Fortbildung der Erzieherinnen und Erzieher, insbesondere in Hinblick auf Kompetenzen wie: Vielfalt und Unterschiedlichkeit als normal empfinden die eigenen gesellschaftlichen Normen und Werte reflektieren und andere Sichtweisen akzeptieren sich mit anderen Kulturen, Sprachen und Religionen auseinander setzen sich bei Bedarf zusätzliche Kenntnisse über andere Religionen, Kulturen oder Normen- und Wertesysteme aneignen interkulturelle Konfliktsituationen so lösen, dass sich die Konfliktparteien gleichberechtigt behandelt und berücksichtigt fühlen ©Dr. Ilse Wehrmann 6
Interkulturelle Kompetenz aus dem WEC Qualitätshandbuch Mehrsprachigkeit und Multikulturalität werden nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung und Chance, miteinander und voneinander zu lernen, erlebt. Pädagogik der Vielfalt bedeutet auch vorurteilsbewusste Pädagogik: Selbstverständliche, kulturspezifische Erwartungen werden thematisiert und reflektiert. Die Bereitschaft, sich mit einer fremden Kultur offen auseinanderzusetzen, erfordert ein Zugehörigkeitsgefühl zur eigenen Kultur (> Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur) sowie die Akzeptanz und Wertschätzung der eigenen Person (> Emotionalität, soziale Beziehungen und Konflikte). Das Kind erlebt und erfährt ein selbstverständliches Miteinander verschiedener Sprachen und Kulturen. Gleichzeitig hat es Interesse und Freude, andere Kulturen und Sprachen kennen zu lernen, zu verstehen und sich damit auseinanderzusetzen. ©Dr. Ilse Wehrmann 7
Interkulturelle Kompetenz aus dem WEC Qualitätshandbuch Zwei- und Mehrsprachigkeit Neugier für und Freude an anderen Sprachen entwickeln Mehrsprachigkeit als Bereicherung verstehen (> Sprache und Literacy) Bewusstsein entwickeln, dass die Art und Weise etwas auszudrücken, kulturell geprägt ist Die Fähigkeit erwerben, sich in verschiedenen Sprachen auszudrücken und situationsangemessen die Sprache zu wechseln Die deutsche Sprache erlernen und diese situationsangemessen anwenden können, bei gleichzeitiger Wertschätzung der Herkunftssprache Sensibilität für unterschiedliche Formen der Diskriminierung entwickeln und diese bekämpfen lernen ©Dr. Ilse Wehrmann 8
Zitat „Die mehrsprachig aufwachsenden Kinder verfügen über sprachliche Mittel in mehr als einer Sprache und sind kompetent in ihrer Gesamtsprachlichkeit. Viele Kinder schätzen ihre Mehrsprachigkeit als hohe Kompetenz, sie lernen und sprechen gern mehrere Sprachen. Das Ausschöpfen dieser Potenziale ist vor allem an gelingende Bedingungen sozialer Integration gebunden.“ (Grundschulverband 2013, S.10 ) ©Dr. Ilse Wehrmann 9
Mehrsprachigkeit gibt Chancen Mittels mehrsprachiger (Kinder-)bücher in den Sprachen der Kinder können diese ihr Wissen in die Gruppe einbringen. Wird die Erstsprache in der Kita akzeptiert, steigt die Motivation für die Zweitsprache: „Gerade für Kinder, die ohne Deutschkenntnisse in die Kita kommen, kann die Möglichkeit zum Gebrauch der Erstsprache den Sprung in die neue sprachliche Umgebung erleichtern und damit eine positive Einstellung gegenüber der neuen Sprache fördern. Wenn es dann gelingt, im Alltag gemeinsame Sprachanlässe zu schaffen, die zum Gebrauch der Zweitsprache anregen, wird das auch die Motivation für den Erwerb der Zweitsprache steigern.“ Quelle: Rothweiler & Rubert 2011, S. 23 ©Dr. Ilse Wehrmann 10
Spracherwerb bei kleinen Kindern geschieht ganz nebenbei. Dazu bedarf es „nur“ der Nähe anderer Kinder oder Erwachsener, die ihnen zuhören und mit ihnen sprechen. © UschiHering/Fotolia Spracherwerb ist ein längerfristiger Lern- und Sozialisationsprozess. Spracherfahrungen entstehen sach- und handlungsbezogen. ©Dr. Ilse Wehrmann 11
Zweisprachig oder mehrsprachig Heutzutage ist die Realität in Kindertageseinrichtungen und Schulen geprägt von Kindern, die bereits viele verschiedene „Muttersprachen“ von zu Hause mitbekommen haben. Wichtig ist die Erkenntnis, dass niemand eine Sprache irgendwann perfekt beherrscht. Spracherwerb geschieht auch in der eigenen Sprachumgebung lebenslang. Beispielsweise gibt es immer wieder neue Begrifflichkeiten, die entstehen und die es zu erlernen und verwenden gilt. Kinder mit Fluchterfahrung oder Migrationshintergrund sind jedoch zusätzlich aus ihrer Elternsicht oft mit dem Anspruch konfrontiert, die deutsche Sprache schnell perfekt zu lernen. ©Dr. Ilse Wehrmann 12
Zweisprachig oder mehrsprachig Daher muss die Förderung dahingehend aufgestellt werden, dass Kindern in der Kindertageseinrichtung möglichst viel Förderung zum Spracherwerb angeboten wird. Dieses aber nicht mit dem Ziel der Perfektion, sondern vorrangig mit dem Ziel der Verständigung untereinander. Sich austauschen können, zu verstehen, was mein Gegenüber mir sagen will und auch die Erkenntnis, verstanden zu werden, unterstützt eine gelungene Integration. Bildquelle: Bing. Sprache1.jpg CC BY-SA ©Dr. Ilse Wehrmann 13
Materialien / Settings als Denkanstöße Erlebnisse und Erfahrungen (Ausflug, Lieblingssendungen, aktuelle Vorfälle, Wochenende) als Erzähl- und Austauschanlässe Exkursionen (z.B. Bibliothek, Bücherbus, Lokalredaktion, Post, etc.) Bilderbücher, Geschichtenbücher, Sachbücher, Kinderlexika, Kinder- und Dokumentarfilme etc., auch mehrsprachig eigene Bibliothek einrichten bzw. Ausleihe von Büchern ermöglichen, durch regelmäßigen Besuch einer Bibliothek Rätsel, Sprachspiele, Kinderreime, Fingerspiele (auch in anderen Sprachen) Tierstimmen hören und imitieren Quelle: Bildungsgrundsätze NRW S.63 ©Dr. Ilse Wehrmann 14
Materialien / Settings als Denkanstöße Räume bzw. Nischen einrichten, die mit Tafeln und Kreide, Alphabet, Zahlen, Büchern, alter Schreibmaschine, PC und entsprechender Software ausgestattet sind Singen von Kinderliedern, Singspiele Theater spielen, improvisierte Szenen, z.B. aus Märchen, spielen Pantomime als non-verbale Ausdrucksmöglichkeit, einfache Begriffe darstellen Tagebuch mit Kindern anlegen, z.B. in der Waldwoche, Kinder diktieren ihre Erlebnisse Unterschiedliche Schriften und Zeichen: Keilschrift, Hieroglyphen, arabische, chinesische, japanische, kyrillische Schrift Herkunftssprachen der Kinder aufgreifen Zeitung lesen, z.B. interessante Themen für Kinder oder Berichte über die Kita oder die Schule Quelle: Bildungsgrundsätze NRW S.63 ©Dr. Ilse Wehrmann 15
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„Philosophieren“ oder „Die Kunst, gute Gespräche zu führen“ Quelle: Unsere Kinder 1/2016,S17ff ©Dr. Ilse Wehrmann 17
Checkliste zur „Vorurteilsbewussten Erziehung" Gibt es Fotos von den wichtigsten Bezugspersonen, gibt es Familienwände? Sind die Kinder mit Bildern repräsentiert? Ist die Herkunftssprache der Kinder (z. B. in Aushängen) repräsentiert? Können Kinder mit Behinderung alle Spielmöglichkeiten nutzen? Haben Sie die von Ihnen angebotenen Spielmaterialien (Bücher, Bilder) auf stereotype Darstellungen hin überprüft? Gibt es unterschiedliche Bekleidungsstücke (z. B. Kleider/Röcke nicht nur für Mädchen; Tücher/Bekleidungsstücke aus verschiedenen Ländern etc.)? Gibt es Malstifte in unterschiedlichen Farben, speziell Hautfarben? Quelle: Sprachen und Kulturen sichtbar machen, S. 70 ©Dr. Ilse Wehrmann 18
Stärkung kindlicher Kompetenzen Bildquelle: eigen 19
Checkliste zur „Vorurteilsbewussten Erziehung" Spiegelt sich Vielfalt auch bei anderen Spielen oder Alltagsgegenständen wider (z. B. Alltagsgegenstände aus anderen Ländern)? Spiegeln die Bilder Vielfalt von Lebensformen wider (unterschiedliche Herkunft, Behinderungen, unterschiedliche Familienstrukturen, unterschiedliche Rollenmuster)? Gibt es alte Bekleidungsstücke, die Kinder überziehen können, wenn sie im Sand, Matsch etc. spielen? Zeigen die Puppen Vielfalt auf (Hautfarbe, körperliche Merkmale, Geschlecht)? Werden Kinderlieder in unterschiedlichen Sprachen gesungen? Werden Geburtstagslieder in unterschiedlichen Sprachen gesungen? Quelle: Sprachen und Kulturen sichtbar machen, S. 70 ©Dr. Ilse Wehrmann 20
Für den Zweitspracherwerb kann zusammenfassend festgehalten werden Kinder haben generell von Geburt an die Fähigkeit, die Sprache zu lernen, ohne dass hier eine spezielle Förderung notwendig wäre. Auch das Erlernen einer zweiten Sprache, wenn diese in der Umgebung des Kindes gesprochen wird, ist generell unproblematisch. Zweisprachigkeit ist weltweit gesehen eher die Regel als eine Ausnahme. Wichtig für den gesamten Entwicklungsprozess ist die soziale Zuwendung. Ein guter Erstspracherwerb ist wesentlich für einen guten Zweitspracherwerb. Quelle: Sprachen und Kulturen sichtbar machen, S.77 ©Dr. Ilse Wehrmann 21
Für den Zweitspracherwerb kann zusammenfassend festgehalten werden Wichtig ist immer, den Erstspracherwerb zu fördern, bzw. die Erst- bzw. Herkunftssprache wertzuschätzen. Eltern sollte immer deutlich gemacht werden, dass sie mit ihren Kindern die Sprache sprechen sollten, die sie selbst am besten beherrschen (also die Herkunftssprache der Familien). Das Prinzip „Eine Person - Eine Sprache" hat sich in der Praxis bewährt. Weisen Sie Kinder nicht auf Fehler hin, sondern sprechen Sie Sätze grammatikalisch korrekt nach. Seien Sie generell Sprachvorbild (benutzen Sie z. B. keine grammatikalisch unvollständigen Sätze). Quelle: Sprachen und Kulturen sichtbar machen, S.77 ©Dr. Ilse Wehrmann 22
Reflexion der eigenen Rolle beim Sprachlernprozess Überprüfen Sie sich als Sprachvorbild: Wie spreche ich? Was spreche ich? Wann spreche ich? Worüber spreche ich? © 3dman_eu/8694/pixabay Quelle: Sprachen und Kulturen sichtbar machen, S.84 ©Dr. Ilse Wehrmann 23
Indikatoren zur Qualitätsfeststellung sprachliche Stimulation + Unterstützung der Kommunikationsversuche Wertschätzung unterschiedlicher Familiensprachen begleitete und gestaltete Eingewöhnung Schaffen und Erleben-Lassen eines gemeinsamen Erfahrungsraums Prinzip der inneren Differenzierung hinsichtlich Geschlechtern, Kulturen, Lebensmodellen und Lebenswelten Berücksichtigen von Geschlechtern, Kulturen, Lebensmodellen und Lebenswelten bei Raum und Materialien Information und Kommunikation professionelle Konzeptionsentwicklung Zusammenarbeit mit Familien Pädagogisch ausgewogene Gruppenstruktur Quelle: PromiK Professionalität messen in Kitas ©Dr. Ilse Wehrmann 24
Sprache funktioniert als Türöffner Kinder, die bereits eine erste (ihre) Sprache handhaben, werden bemüht sich, sich in gewohnter reduktiver und formelhafter Weise in eine anderssprachige Umwelt einzuklinken. Äußerungen von Kindern aus Flüchtlingsfamilien, die linguistisch noch schwer einzuordnen sind, sollten immer als Interesse an Interaktion gedeutet, aufgefangen und melodisch elaboriert werden. © 303904/pixabay Quelle: Gundula List, Expertise zur Förderung von Mehrsprachigkeit ©Dr. Ilse Wehrmann 25
Literaturempfehlungen Unsere Kinder; Das Fachjournal für Bildung und Betreuung in der frühen Kindheit aus 1/2016 (Österreichs Fachjournal) Plakat zur Sprachförderung (http://beller-kkp.de/shop/de/plakate-kinderentwicklung- kleinkindpaedagogik/plakat-sprach-entwicklung-im-alltag) Wir stärken Dich e.V. Für den Vorschulbereich und die Arbeit mit Kindern Gewaltprävention III Handbuch Günther Gugel. Berghof Foundation / Friedenspädagogik Tübingen http://praevention-kindergarten.org/templates/download/Handbuch_Vorschulbereich.pdf Plakat zur Sprachförderung (http://beller-kkp.de/shop/de/plakate-kinderentwicklung-kleinkindpaedagogik/plakat- sprach-entwicklung-im-alltag) Der Erwerb des Deutschen bei Kindern mit nichtdeutscher Erstsprache: Sprachliche und außersprachliche Einflussfaktoren http://www.weiterbildungsinitiative.de/uploads/media/WiFF_Expertise_12__RothweilerRuberg_Internet.pdf Kindergarten heute spezial: Wie kommt das Kind zum Wort? (Haug-Schnabel & Bensel) ©Dr. Ilse Wehrmann 26
Literaturempfehlungen Sprachen und Kulturen sichtbar machen (Viernickel, Völkel, 2009) Die Welt trifft sich im Kindergarten (Ulich, Oberhümer, Soltendieck) didacta 03/2015 http://www.edition-bilibri.com/kitas-schulen.html Kinder brauchen gute Krippen, Qualitätshandbuch (WEC) Raumbuch (WEC) ©Dr. Ilse Wehrmann 27
Ich bedanke mich für Ihr Interesse! ©Dr. Ilse Wehrmann 28
Kontaktdaten WEHRMANN Anschrift: EDUCATION Touler Straße 1 CONSULTING 28211 Bremen Telefon: +49 (421) 30 15 66 82 DR. ILSE Telefax: WEHRMANN +49 (421) 30 15 66 84 Mobil: +49 (172) 4 22 06 75 E-Mail: Beratung und mail@ilse-wehrmann.de Management für Internet: Frühpädagogische Praxis www.ilse-wehrmann.de ©Dr. Ilse Wehrmann
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