Papa, Mama, Crystal: gesund aufwachsen - wie geht das? - KINDERSCHUTZ UND SOZIALPÄDAGOGISCHE FAMILIENHILFE IM KONTEXT VON SUCHTERKRANKUNGEN
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Papa, Mama, Crystal: gesund aufwachsen – wie geht das? KINDERSCHUTZ UND SOZIALPÄDAGOGISCHE FAMILIENHILFE IM KONTEXT VON SUCHTERKRANKUNGEN
Quantitative Ausprägung – ODER Warum sich mit dem Thema beschäftigen? KLEIN 2013: in DL lebt jedes 7. Kind zeitweise und jedes 12. Kind dauerhaft mit einem Elternteil zusammen, welches eine Auffälligkeit bzgl. Alkohol aufweist es leben etwa 30.000 Kinder mit einem drogenabhängigen Elternteil zusammen (Opiate, Cannabis, Amphetamine)
Fallbeispiel: Maria und ihre Tochter Johanna Familiäre Situation Crystal-Gebrauchende Mutter im Alter von 28 Jahren Tochter Johanna, 3 Jahre alt Zwei weitere Kinder (Jungs), die zum Zeitpunkt des Beginns der Sozialpädagogischen Familienhilfe bei ihrem Vater leben Familie wurde ASD bekannt, da Johanna von der Polizei aufgegriffen wurde als sie am späteren Abend (Dunkelheit) allein mit dem Hund spazieren ging Maria und Johanna lebten bei wechselnden Nachbarn im Haus (eigene Wohnung – wegen fehlender Fenster – nicht mehr bewohnbar) Konfliktbelastetes Verhältnis zu den Nachbarn und zu „Freunden“ aus der Szene (Dealerei, Drogenpartys und Auseinandersetzungen)
Fallbeispiel: Maria und ihre Tochter Johanna KM lehnt Kontakt zur Herkunftsfamilie ab (traumatische Kindheitserfahrungen – Missbrauch?) Sozioökonomischer Status: Unsanierte Wohnung (Kohleheizung) Finanzielle Absicherung durch soziale Transferleistungen Kindergartenplatz wurde gekündigt (keine Beitragszahlungen)
Besondere Risiken für die Kinder drogenabhängiger Elternteile Besondere Lebensumstände der Mütter bedeuten Risiken für das gesunde Aufwachsen der Kinder: Soziale Marginalisierung der Familie (Armut, Arbeitslosigkeit, enge Wohnverhältnisse, schlechter allgemeiner Wohnungszustand) Höhere Wahrscheinlichkeit für soziale Isolation und Stigmatisierung Kinder leben unter den klassischen Bedingungen der Drogensubkultur (Prostitution, Kriminalität und deren Spätfolgen, z.B. Zahlungen an Staatsanwaltschaft, Inhaftierungen …) [Klein 2006, Klein 2013]
Besondere Risiken für die Kinder drogenabhängiger Elternteile Höherer innerfamiliärer Stress: Duldungsstress Katastrophenstress
Fallbeispiel: Maria und ihre Tochter Johanna Scheiben in der Wohnung der Mutter waren eingeschlagen Am 1. Tag der Hilfe: „Suche“ von Maria im gesamten Wohnhaus Spuren von körperlicher Gewalt waren bei der Mutter deutlich erkennbar (blaues Auge) Am selben Abend: Integration der Mutter in das Frauenschutzhaus auf eigenen Wunsch – gemeinsam mit ihrer Tochter Johanna Mutter zog mit Minimalbedarf an Kleidung/Spielzeug in die Einrichtung
Besondere Risiken für die Kinder drogenabhängiger Elternteile Kinder suchtkranker Eltern unterliegen einem höheren Risiko später selbst eine Suchterkrankung zu entwickeln; Risiko erhöht sich noch einmal, wenn beide Elternteile suchtkrank sind [Klein 2003]
Besondere Risiken durch den Konsum von Crystal Meth: Allgemeiner schlechter gesundheitlicher Zustand der Eltern durch den Konsum Psychotische Episoden Gleichgültigkeit / Überschätzung der eigenen Fähigkeiten gegenüber den Kindern Fehleinschätzungen von Situationen (z.B. 3-jähriges Kind geht allein mit dem Hund spazieren) Erhöhte Aggressivität Risiko der Gewalterfahrungen innerhalb der Familie (zwischen den Partnern) steigt Massive Strukturlosigkeit; kaum Zeitempfinden
Wie und unter welchen Umständen können gesundes Aufwachsen und Kinderschutz dennoch gelingen? Welche Aufgaben und besonderen Herausforderungen müssen sich Suchtberatungsstellen sowie öffentliche und freie Jugendhilfe stellen?
Leitlinien für die Prävention für Kinder aus suchtbelasteten Familien Die wichtigsten Prinzipien für Hilfen für Kinder aus alkoholbelasteten Familien sind die Frühzeitigkeit, die Dauerhaftigkeit und die Vernetzung der verschiedenen Hilfen. Die Hilfen sollten umfassend, langfristig und kontinuierlich stattfinden. Die beteiligten Helfer sollten eng zusammenarbeiten. [Klein 2003]
Gesund Aufwachsen – wie geht das? Netzwerke schaffen „Als eine zentrale Notwendigkeit für den Erfolg des familienorientierten Ansatzes […] wird die Kooperation oder Vernetzung verschiedener Professionen angesehen“ [ARENZ-GREIVING / KOBER 2007, S.50] Sucht- medizinische Behandlung HzE (§ 27 Netzwerke Drogen- SGB VIII) schaffen beratung Jugend- amt / ASD
Gesund Aufwachsen – wie geht das? Netzwerke schaffen Kontinuierliche Zusammenarbeit in diesem definierten Helfersystem z.B. punktuell gemeinsame Hilfeplangespräche (z.B. bei ambulant betreutem Wohnen durch die Drogenberatung) Notwendig ist die Arbeit mit Schweigepflichtsentbindungen zumindest in folgendem Umfang: Nachweis über Regelmäßigkeit der suchtmedizinischen Beratung/Behandlung Regelmäßige Vorlage der Testergebnisse beim Jugendamt Nachweis über die regelmäßige Inanspruchnahme der Drogenberatung Gegenseitige Information über Kontaktabbrüche und krisenbehaftete Situationen
Gesund Aufwachsen – wie geht das? Netzwerke schaffen: Herausforderungen in der Zusammenarbeit Professionen haben verschiedene Aufträge es bestehen verschiedene Sichtweisen auf den Klienten und dessen Situation Spannungsfelder im Netzwerk Notwendigkeit zur Akzeptanz der Verschiedenartigkeit der Aufträge [ARENZ-GREIVING / KOBER 2007, S.50] Besondere Fähigkeit der Eltern in ihrem Sinne Einfluss auf das Helfersystem zu nehmen (z.B. manipulatives Verhalten, Ausflüchte suchen, Situation im eigenen Sinne umdeuten) [Klein 2006] transparente Zusammenarbeit mit den Eltern: veränderte Prioritätensetzung hin zur Kindeswohlsicherung muss den Eltern gleich zu Beginn der Zusammenarbeit mitgeteilt werden [ARENZ-GREIVING / KOBER 2007, S.50]
Gesund Aufwachsen – wie geht das? Integration in eine suchtmedizinische Behandlung / Beratung Suchtmedizinische Behandlung, welche (1) die Begleiterscheinungen des Konsums medizinisch beobachtet (2) die möglichen Konsequenzen des Entzugs von der Droge behandelt Regelmäßige Tests: angekündigt und unangekündigt (in individueller Absprache, bei akuten Verdachtsmomenten 7-14-tägig) Informelle Faustregel: von 4 Tests müssen mindestens 3 Tests sauber sein, um eine ambulante Zusammenarbeit im Rahmen einer SPFH zu beginnen bzw. aufrecht zu erhalten Information des Jugendamtes bzw. gemeinsames Gespräch mit dem ASD, den Helfern und den Eltern bei Rückfällen
Gesund Aufwachsen – wie geht das? Intensive Zusammenarbeit mit dem Familiensystem Grundhaltung: WICHTIG ist grundsätzlich ein wertschätzendes Herantreten, da (1) Eltern viele schmerzliche Erfahrungen gemacht haben und (2) sie ihre eigenen Erziehungskompetenzen als stark defizitär erleben [Klein 2006] Metaanalyse zu Projekten, die mit Kindern suchtkranker Eltern arbeiten, zeigt: gerade in der Arbeit mit suchtkranken Eltern braucht es häufig einen längeren Vertrauensaufbau in Form von alltagspraktischen und individuellen Unterstützungen [ARENZ-GREIVING / KOBER 2007, S.50] Eltern zu Beginn der Hilfe transparent darüber zu informieren, was von ihnen erwartet wird, welche Basiskriterien sie erfüllen müssen, um ein gesundes Aufwachsen ihrer Kinder zu gewährleisten und demzufolge auch ab wann der ASD informiert wird
Gesund Aufwachsen – wie geht das? Regelmäßige Kontakte Hausbesuche, Begleitungen Wöchentliche Kontakte (mindestens 2 Mal pro Woche) Deutliche Gefahr besteht in Kontaktabbrüchen Information an den ASD
Gesund Aufwachsen – wie geht das? Notwendige Behandlung bzw. Betreuung kindlicher Verhaltensauffälligkeiten in der Entwicklung durch spezialisierte Professionen Diagnostik von Entwicklungsverzögerungen o.Ä. in Sozial-Pädiatrischen- Zentren oder Frühförderstellen Frühförderung Ergotherapie Logopädie Psychotherapeutische Behandlung Betreuung durch einen Kinderarzt WICHTIG: Eltern müssen gewährleisten, dass Kinder diese Termine regelmäßig wahrnehmen
Gesund Aufwachsen – wie geht das? Gezielte sozialpädagogische Arbeit mit den Kindern im Einzel- bzw. Gruppenkontext z.B. Gruppenarbeit für ältere Kinder Kinder erleben eine verlässliche und konstante Bezugsperson Metastudie: in der Praxis haben sich Hol- und Bringdienste für die Kinder bewährt, da die Eltern nicht in der Lage sind bzw. wenig Interesse daran haben, die Kinder zu bringen [ARENZ-GREIVING / KOBER 2007] besonders relevant vor dem Hintergrund der Strukturlosigkeit/Zeitlosigkeit von Crystal-Konsumenten
Wenn gesund aufwachsen im elterlichen Haushalt nicht mehr funktioniert Bei der Frage, in wie fern ein Kind im elterlichen Haushalt verbleiben kann, geht es punktuell und grundsätzlich um den „qualitativen Sprung von einer ‚bloß fragwürdigen‘ Erziehung zur unmittelbaren Gefährdung“ [ARENZ-GREIVING / KOBER 2007, S.41]
Unter welchen Bedingungen kann der Verbleibt des Kindes im elterlichen Haushalt gesichert werden? Unter welchen Bedingungen kann eine ambulante Betreuung von Crystal-Konsumierenden Elternteilen stattfinden (1) Erfüllung von Basiskriterien (Metastudie) [ARENZ-GREIVING / KOBER 2007, S.41] Vorhandensein eins Wohnraumes mit Beheizung sowie Wasser- und Stromversorgung Vorhandensein von hygienischen Wohnverhältnissen (z.B. keine extremen Verschmutzungen, wie Schimmel, Kot, Erbrochenes, Müll) Absicherung des Lebensunterhaltes Absicherung der ärztlichen Versorgung (Einhaltung von Vorsorgeuntersuchungen, Impfterminen, Arztbesuchen bei Krankheiten, grundsätzliche Einhaltung ärztlicher Anordnungen) Vorhandensein einer festen kontinuierlichen Bezugsperson für das Kind
Unter welchen Bedingungen kann der Verbleibt des Kindes im elterlichen Haushalt gesichert werden? Strukturierter Alltag zur regelmäßigen täglichen Versorgung des Kindes (Verlässlicher und geregelter Tag-Nacht-Rhythmus) Regelmäßige, ausreichende und altersgemäße Ernährung und Körperhygiene Vorhandensein von entsprechender, witterungsgerechter Bekleidung Gewährleistung der Aufsichtspflicht Gewährleistung einer ausreichenden pädagogischen Förderung, Erziehung und emotionaler Zuwendung Nutzung tagesstrukturierter Angebote: Kindergarten, Tagesstätten, Hort, Absicherung des Schulbesuches [ARENZ-GREIVING / KOBER 2007]
Unter welchen Bedingungen kann der Verbleibt des Kindes im elterlichen Haushalt gesichert werden? (2) Bereitschaft zur suchtmedizinischen Beratung bzw. Behandlung und zu regelmäßigen Drogentests (informelle Faustregel: 3 von 4 Tests müssen drogenfrei sein) (2) Einhaltung regelmäßiger Kontakte zu den Familienhelfern
Fallbeispiel: Maria und ihre Tochter Johanna Gemeinsamer Entschluss zur Herausnahme des Kindes Mutter willigte ein Perspektive = Rückführung unter der Erteilung von Auflagen Auflagen: Inanspruchnahme der suchtmedizinischen Behandlung (Depression) Regelmäßige Drogentests / Abstinenz Klärung der Wohnsituation Klärung der finanziellen Situation
Wenn gesund aufwachsen im elterlichen Haushalt nicht mehr funktioniert Unter welchen Umständen ist der Verbleib des Kindes in der Herkunftsfamilie gefährdet: (1) Permanent positive Drogentests d.h. wöchentlicher Konsum von Crystal- Meth Bei dauerhaftem Konsum können die benannten Basiskriterien häufig nicht mehr erfüllt werden d.h. Einhaltung jeglicher Termine fällt schwer (mögliche Folgen: Einstellung sozialer Transferleistungen; Stromabklemmung; Arzttermine werden nicht wahrgenommen; Kinder werden nicht mehr in die entsprechenden Einrichtungen gebracht) starker bis vollkommener Einbruch der Tagesstruktur Eltern können die Gewährung der Aufsichtspflicht nicht mehr sicherstellen
Wenn gesund aufwachsen im elterlichen Haushalt nicht mehr funktioniert (2) Kontaktabbruch zum Helfersystem insbesondere zur Familienhilfe Direktes Aufsuchen der Familien, sollten Termine versäumt werden und auch die telefonische Erreichbarkeit nicht gegeben sein Kann Familie eine Woche lang nicht angetroffen werden, erfolgt Information an den ASD noch in derselben Woche
Wenn gesund aufwachsen im elterlichen Haushalt nicht mehr funktioniert (3) Akute Nichterfüllung insbesondere der folgenden Basiskriterien sofortige Risikoabschätzung bzgl. Kindeswohlsicherung • Vorhandensein eins Wohnraumes mit Beheizung sowie Wasser- und Stromversorgung • Vorhandensein von hygienischen Wohnverhältnissen (z.B. keine extremen Verschmutzungen, wie Schimmel, Kot, Erbrochenes, Müll) • Absicherung des Lebensunterhaltes • Absicherung der ärztlichen Versorgung (Einhaltung von Vorsorgeuntersuchungen, Impfterminen, Arztbesuchen bei Krankheiten, grundsätzliche Einhaltung ärztlicher Anordnungen) • Regelmäßige, ausreichende und altersgemäße Ernährung und Körperhygiene • Gewährleistung der Aufsichtspflicht
Wenn gesund aufwachsen im elterlichen Haushalt nicht mehr funktioniert (4) Bei längerfristiger Nichterfüllung der folgenden Basiskriterien Gewährleistung einer ausreichenden pädagogischen Förderung, Erziehung und emotionaler Zuwendung Nutzung tagesstrukturierter Angebote: Kindergarten, Tagesstätten, Hort, Absicherung des Schulbesuches Vorhandensein einer festen kontinuierlichen Bezugsperson für das Kind Strukturierter Alltag zur regelmäßigen täglichen Versorgung des Kindes (Verlässlicher und geregelter Tag-Nacht-Rhythmus) Kriterien sind häufig Ziele einer SPFH bei mittelfristiger bzw. dauerhafter Nichterreichung, sollte Risikoabschätzung bzw. einer Kindeswohlgefährdung / Entwicklungsgefährdung stattfinden
Literatur Klein, Michael: „Kinder drogenabhängiger Mütter. Risiken, Fakten, Hilfen.“ Roderer Verlag. Regensburg: 2006 Klein, Michael: „Kinder suchtkranker Eltern – Fakten, Risiken, Lösungen“ In: Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (Hrsg.): Familiengeheimnisse – Wenn Eltern suchtkrank sind und die Kinder leiden. Dokumentation der Fachtagung vom 4. und 5. Dezember 2003. Berlin: 2003 Klein, Michael: „Kinder drogenabhängiger Eltern – Wie kann Kinderschutz gelingen?“. Vortrag zum Fachtag „Kinderschutz in Familien mit opiatabhängigen/substituierten Eltern“. Hannover: 2013 Arenz-Greiving, Ingrid / Kober, Marcus: „Metastudie. Arbeit mit den Kindern suchtkranker Eltern“. Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.). Münster: 2007 Leitner, Hans / Appel, Klaus: „Fachliche Hinweise zur Unterstützung, Betreuung und zum Schutz von Kindern suchtkranker Eltern“. Fachstelle Kinderschutz Brandenburg. 2009
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit http://jw-frohe-zukunft.de/s-c-h-i-r-m
Sie können auch lesen