Antike Sudan - InterLINK-Project

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Antike Sudan - InterLINK-Project
Heft 31 • 2020
                                                                                                                                                             Der

                                                                                                                                  Der Antike Sudan
                                                                                                                                                         Antike Sudan

Colour fig. 5: Faience plaque, Faras, Western Palace (after Sackho-Autissier 2018,
fig. 4, © photo A. Sackho-Autissier.).

                                                                                     Farbabb. 7: Beispiele bemalter Keramik mit
                                                                                     Anch-Motiv (Fotos: Angelika Lohwasser).
                                                                                                                                  Heft 31 • 2020

Colour fig. 6: Relief of a Besoid on the limestone stela GMII I, 1a 5622 (© The      Farbabb. 8: Bemalte Keramik mit Mattenab-
Pushkin State Museum of Fine Arts, Moscow).                                          druckdekor (Foto: Angelika Lohwasser).                              Mitteilungen der Sudanarchäologischen Gesellschaft zu Berlin e.V.
Antike Sudan - InterLINK-Project
Titelbild: Blick vom Jebel Haraza ins Wadi Showar/Nord-Kordofan.

Colour fig. 1: Different types of jars and decoration variations (Photo Nassr 2015).
                                                                                                                             Colour fig. 3: Scans of the two thins sections from Profile ELG 13/15-2.

                                                                                                                             Colour fig. 4: Micrograph: a) upper occupation deposit: decomposed fine organic matter with clay of the ground mass (PPL);
                                                                                                                             b) the same in XPL see also clay coatings around quartz grain (white arrow); c) former surface: burnt bone fragment (PPL);
                                                                                                                             d) former surface: reddened sediment (PPL); e) upper occupation deposit: clay fragment embedded in humic ground mass
Colour fig. 2: Topographical setting and cemetery distribution of el-Dan area, excavated southern group as pink triangles.   (PPL); f) coarse layer with clayey ground mass (PPL).
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Mitteilungen der
 Sudanarchäologischen
Gesellschaft zu Berlin e.V.

         Heft 31
          2020
Antike Sudan - InterLINK-Project
Impressum                                       MittSAG 31

Herausgeber:				                                Sudanarchäologische Gesellschaft zu Berlin e.V.
					                                           c/o Humboldt-Universität zu Berlin
					                                           Institut für Archäologie
					                                           Archäologie und Kulturgeschichte Nordostafrikas
					                                           Unter den Linden 6 | 10099 Berlin

Verantwortlich für die Herausgabe:              Angelika Lohwasser, Münster

Wissenschaftlicher Beirat:		                    Julia Budka, München | David Edwards, Leicester
		                                              Jochen Hallof, Würzburg | Friederike Jesse, Köln

Layout und Satz:			                             Frank Joachim, Berlin

Erscheinungsort:		                              Berlin

Internetpräsenz:		                              www.sag-online.de

Bankverbindung der SAG:		                       Deutsche Bank AG
					                                           BIC       DEUTDEDBBER
					                                           IBAN      DE36 1007 0024 0055 5508 00

Die Zeitschrift Der Antike Sudan (MittSAG) erscheint einmal im Jahr.
Die in den Beiträgen geäußerten Ansichten geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.
Die „Richtlinien für Autoren“ finden Sie unter www.sag-online.de, wir senden sie auf Anfrage auch gerne zu.

© 2020 Sudanarchäologische Gesellschaft zu Berlin e.V.
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Gesellschaft.

                         Sudanarchäologische Gesellschaft zu Berlin e.V.

Angesichts der Tatsache, dass die globalen wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Probleme auch zu
einer Gefährdung der kulturellen Hinterlassenschaften in aller Welt führen, ist es dringend geboten, gemein-
same Anstrengungen zu unternehmen, das der gesamten Menschheit gehörende Kulturerbe für künftige
Generationen zu bewahren. Eine wesentliche Rolle bei dieser Aufgabe kommt der Archäologie zu. Ihre
vornehmste Verpflichtung muss sie in der heutigen Zeit neben der Forschung darin sehen, bedrohte Kultur-
denkmäler zu pflegen und für ihre Erhaltung zu wirken sowie ihr Wissen mit der Öffentlichkeit zu teilen.
    Die Sudanarchäologische Gesellschaft zu Berlin e.V. setzt sich für den Kulturerhalt im Sudan ein, indem
sie konservatorische Arbeiten fördert, archäologische Ausgrabungen unterstützt sowie die Dokumentation,
Publikation und Präsentation von archäologischen Orten und Objekten ermöglicht. Wenn die Arbeit der
Sudanarchäologischen Gesellschaft zu Berlin Ihr Interesse geweckt hat und Sie bei uns mitarbeiten möchten,
werden Sie Mitglied! Wir sind aber auch für jede andere Unterstützung dankbar. Wir freuen uns über Ihr
Interesse!

Mitgliedsbeiträge jährlich:
Vollmitglied: € 65.- | Ermäßigt: € 35.- | Studierende: € 25.- | Fördermitglied: mind. € 250.-

                                              ISSN 0945-9502

    Der antike Sudan. Mitteilungen der Sudanarchäologischen Gesellschaft zu Berlin e.V.

                                          Kurzcode: MittSAG

                                              Heft 31 | 2020
Antike Sudan - InterLINK-Project
2020			                                                             Inhaltsverzeichnis

Übersichtskarte .................................................................................................................................................. 4

Editorial .............................................................................................................................................................. 5

Fritz-Hintze-Vorlesung

    Tim Karberg
    The Old Stonemasons‘ Rightful Habit.
    Mason’s marks and their semiotics at the Great Enclosure of Musawwarat es Sufra ................................. 7

Aus der Archäologie

    Friederike Jesse, Jan Kuper, Hassan Mustafa Alkhidir, with contributions by
    Nadine Nolde and Astrid Röpke
    Prehistoric settlement south of the 5th Nile Cataract –
    Some results of recent archaeological work of the El Gol Project ............................................................... 25

    Tim Karberg, Angelika Lohwasser & Laura Haupt
    Das Projekt „El Rum Oasis“ im Wadi Abu Dom.
    Vorbericht über die 1. Feldkampagne im Frühjahr 2020 ............................................................................. 49

    Abdelrahman Saaid & Mohamed Bashir
    The archaeology of Wadi el-Dan North of ancient Meroe:
    Excavations of some unusual Tumulus Graves ............................................................................................ 63

    Ahmed Hamid Nassr, Yahia Fadl Tahir and Howida Mohammed Adam
    El-Ḥamra: a Medieval Urban Settlement in the Western Desert of the Sudan Nile –
    El-Ga‘ab Depression Excavation 2015 ......................................................................................................... 75

    Jana Eger & Tim Karberg
    Nord-Kordofan im Satellitenbild.
    Vorbericht über die Forschungen des InterLINK-Projektes 2020 .............................................................. 87

Varia

    Mattias Karlsson
    Gender and Kushite State Ideology:
    The Failed Masculinity of Nimlot, Ruler of Hermopolis ............................................................................. 99

    Josefine Kuckertz
    Thoughts on Amesemi .................................................................................................................................. 109

    Alexey K. Vinogradov
    A Besoid Rock Carving in the High Atlas Mountains, Morocco .............................................................. 131

    Angelika Lohwasser
    Teje, Kaschta und ein Honeymoon in Luxor .............................................................................................. 141

    Nachruf
    Jacques Reinold (1944 – 2020) ..................................................................................................................... 145

    Nachruf
    László Török (1941 – 2020) .......................................................................................................................... 147
Antike Sudan - InterLINK-Project
Übersichtskarte   MittSAG 31

      4
Antike Sudan - InterLINK-Project
2020			                                         Aus der Archäologie

                                        Jana Eger & Tim Karberg

                 Nord-Kordofan im Satellitenbild
                  Vorbericht über die Forschungen des
                       InterLINK-Projektes 2020

                     1. Einleitung                                                1.1 Fernerkundungsmethodik

Nachdem das Forschungsprojekt „Interregional                         Bei der Fernerkundung werden unterschiedlichste
Linkage Investigations in Northern Kordofan“1                        Daten genutzt, die von verschiedenen Satelliten-
der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster                       Plattformen stammen. Je nach Datensatz und Aus-
bereits zwei Feldkampagnen im Gelände durch-                         wertungsmethodik können dabei verschiedene Fra-
führen konnte,2 war für das Frühjahr 2020 die                        gen beantwortet werden.
dritte Feldkampagne in Nord-Kordofan geplant                             Ein wichtiges Element sind dabei Daten, die
(siehe Titelbild).                                                   über Online-Dienste wie Microsoft Bingmaps oder
    Während im März 2020 der größte Teil der Sur-                    Google Earth bereitgestellt werden. Grundlage hier-
vey-Mannschaft bereits vor Ort im Sudan war und                      für sind häufig Aufnahmen der Satellitensysteme
die Vorbereitungen für die Reise nach Kordofan                       Quickbird 2 und Worldview 2, die beide von dem
anliefen, erreichte uns die dringende Nachricht, dass                US-Amerikanischen Privatunternehmen Digital
die Schließung der sudanesischen Grenzen aufgrund                    Globe betrieben werden.3 Diese in der kommerzi-
der weltweiten COVID-19-Pandemie unmittelbar                         ellen Anschaffung recht teuren Fernerkundungspro-
bevor stünde, und eine Ausreise vor dem Inkraft-                     dukte können über die genannten Online-Dienste
treten weltweiter Reisebeschränkungen empfoh-                        kostenneutral eingesehen werden. Trotz einiger Vor-
len wurde. Aufgrund dessen entschlossen wir uns                      teile ist diese Art der Dateneinsicht aber auch mit
schweren Herzens, die geplante Feldkampagne auf                      Problemen behaftet. Vorteil der Bilder ist in erster
einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.                             Linie die Auflösung: mit bis zu 50 cm/px eine der
    Dies bedeutet jedoch nicht, dass in diesem Jahr                  genauesten, die im zivilen Bereich zur Verfügung ste-
keine Forschungen stattfanden. Wie viele andere in                   hen. Dies ermöglicht die Identifikation zahlreicher
Wissenschaft und Forschung tauschten die Ange-                       archäologischer Befundkategorien, teilweise bis hin
hörigen des InterLINK-Projektes die Arbeit im                        zu einzelnen box graves, die sich bei einer Breite von
Gelände mit dem heimischen Schreibtisch. Fern-                       meist 50 – 60 cm im auflösungstechnischen Grenzbe-
erkundung mit Hilfe von Satellitendaten, von Be-                     reich befinden. Ein Nachteil ist jedoch die Tatsache,
ginn an ein wichtiger Bestandteil des Projektes,                     dass Aufnahmen dieser Auflösung lediglich pan-
wurde für die östlichen Abschnitte des Konzessi-                     chromatisch zur Verfügung stehen, das heißt, dass
onsgebietes zeitlich vorgezogen. Einen Einblick in                   alle zur Verfügung stehenden Farbinformationen in
die ersten Ergebnisse dieser Arbeiten soll dieser                    einem einzelnen Bild zusammengeführt sind, und
Artikel geben.                                                       eine Differenzierung nach unterschiedlichen (opti-
                                                                     schen und infraroten) Spektralkanälen nicht mög-
                                                                     lich ist. Ein weiteres Problem, das sich vor allem
1 Die Autoren danken Prof. Angelika Lohwasser für die                durch die kostenneutrale Informationsbeschaffung
  Anbindung des Projektes an die Forschungsstelle „Alter
                                                                     über Online-Dienste stellt, ist die Tatsache, dass
  Sudan“ am Institut für Ägyptologie und Koptologie der
  Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, sowie Prof.            in der Regel keine zusätzlichen Daten zu den Auf-
  Huweida Mohammed (Universität Khartom), Dr. Mariusz                nahmen ausgewertet werden können, also lediglich
  Drzewiecki (Universität Warschau), Dr. Jörg Linstätter             geschätzt werden kann, zu welcher Tageszeit die
  (Deutsches Archäologisches Institut) sowie den Teams des           Aufnahmen gemacht wurden bzw. welche Bahnpa-
  SPP „Entangled Africa“ und seiner Teilprojekte für die kol-
  legiale Zusammenarbeit, und ganz besonders Prof. Baldur
                                                                     rameter (Neigung der Aufnahmeachse) des Satelliten
  Gabriel für seine Unterstützung mit Rat und Tat.
2 Eger und Karberg 2019                                              3 Ray 2013

                                                                87
Antike Sudan - InterLINK-Project
Aus der Archäologie                                         MittSAG 31

  Abb. 1: Übersichtskarte des Arbeitsgebietes der Fernerkundungen im Jahr 2020 (Karte: Jana Eger; Hintergrundkarte:
  Opentopomap).

zum Aufnahmezeitpunkt vorlagen. Der Monat der                   ten Auflösungen dieser Daten, die wesentlich gröber
Aufnahme (und damit die Einordnung der Vegetati-                sind als die vergleichbarer panchromatischer Auf-
onsperiode) kann bei einigen Diensten (z.B. Google              nahmen, erlaubten nur in seltenen Fällen die sichere
Earth) zwar festgestellt werden, eine Auswahl der               Identifikation einzelner archäologischer Befunde.
Aufnahmen nach durch den Auswerter festgelegten                 Die Vorteile dieser Satellitendaten liegen eher in der
Kriterien, z.B. Niederschlagsperioden, ist jedoch               starken Differenzierbarkeit hinsichtlich Aufnah-
nicht möglich.                                                  mezeitpunkt, Bahnparametern und Spektralbän-
   Weitere Satellitenaufnahmen stehen im Rahmen                 dern (bzw. bei den Radardaten Polarisierungen), so
wissenschaftlicher Rohdaten-Sammlungen ebenfalls                dass hier verschiedene Oberflächenstrukturen und
kostenneutral zur Verfügung. Die derzeit wichtig-               Zusammensetzungen oft deutlich voneinander zu
ste dieser Sammlungen stellt die online zugängliche             unterscheiden sind. Diese landschaftlichen Befun-
Datenbank des Copernicus-Erdbeobachtungspro-                    de sind oft erst durch die Kontextualisierung mit
gramms der ESA dar.4 Hier werden Daten verschie-                in hoch aufgelösten panchromatischen Aufnahmen
dener Satelliten-Plattformen der Sentinel-Reihe zum             identifizierten archäologischen Befunden auch in
Download zur Verfügung gestellt. Für die (land-                 kulturhistorischer Hinsicht interpretierbar.
schafts-)archäologische Forschung sind hierbei                      Die dritte im Rahmen der Fernerkundungsarbei-
insbesondere die Daten der Satelliten Sentinel 2 A              ten verwendete Datenkategorie besteht aus verschie-
und B (multispektrale Aufnahmen im optischen und                denen digitalen Geländemodellen. Diese werden mit
infraroten Spektrum mit einer maximalen Auflösung               Hilfe von georeferenzierten Rasterdaten, bei denen
von 10 x 10 m) sowie Sentinel 1 A und B (Radardaten             jedem Pixel ein Elevationswert zugewiesen ist, mit-
verschiedener Polarisierungen mit einer maximalen               tels GIS verarbeitet. Für solche Zwecke wurde in
Auflösung von 5 x 5 m) von Bedeutung.5 Die genann-              der Vergangenheit (so auch bei den Forschungen der
                                                                WWU Münster im Wadi Abu Dom) oft das SRTM-
4 Copernicus Science Hub (URL [abgerufen am 12.06.2020]:
                                                                Geländemodell verwendet. Heute stellt das frei
  https://scihub.copernicus.eu/dhus/#/home)                     verfügbare ALOS-Geländemodell der japanischen
5 Schreier 2020, 7-9                                            Raumfahrtagentur JAXA, das eine (absolute) hori-

                                                           88
Antike Sudan - InterLINK-Project
2020			                                   Aus der Archäologie

zontale Genauigkeit von 30m
sowie eine (relative) vertikale
Genauigkeit von 2,5 – 5 m auf-
weist, das genaueste weltweite,
offen und kostenneutral zur
Verfügung stehende Gelände-
modell dar. Wesentlich genauer
ist mit einer relativen vertikalen
Genauigkeit von 2 m und einer
horizontalen Auflösung von 12
m/px das deutsche TanDEM-
X-Geländemodell.6 Dieses ist
zwar im Gegensatz zu den
japanischen Daten nicht frei
nutzbar, steht dem InterLINK-
Projekt jedoch im Rahmen
einer Kooperation mit dem
Fernerkundungsdatenzentrum
des Deutschen Zentrums für Abb. 2: Umgebung der Paläoseen und Siedlungskammer am nördlichen Jebel Nagaschusch
Luft- und Raumfahrt für einen (Karte: Jana Eger; Hintergrundkarte: Opentopomap).
großen Teil des Arbeitsgebietes
zur Verfügung.                                          die Fernerkundung bereits jetzt auf diese östlichen
    Auch im Bereich der digitalen Geländemodelle        Gebiete ausgedehnt (s. Abb. 1).
ist, selbst bei den am besten aufgelösten Model-
len, die Identifikation einzelner archäologischer
Befunde im Bodenrelief in der Regel nicht möglich.                   2. Ausgewählte Befunde
Auch hier ist also eine Kontextualisierung der (vor
allem landschaftsarchäologisch relevanten) Daten        Im Folgenden werden einige besonders bemerkens-
mit panchromatischen und/oder multisprektralen          werte archäologische und landschaftshistorische
Satellitenbildern sowie Radar-Rohdaten essentiell.      Befundbereiche vorgestellt, die im Rahmen der
Die Frage ist also nicht, welche Fernerkundungs-        Fernerkundung dokumentiert werden konnten. Es
daten für die archäologische Forschung am besten        handelt sich hierbei um reine Fernerkundungser-
geeignet sind, sondern, wie aus einer Verschränkung     gebnisse, eine Begehung am Boden (Ground-Truth)
der Vielzahl unterschiedlicher Daten mit jeweils        fand aus den oben genannten Gründen hier noch
spezifischen Vor- und Nachteilen ein Maximum an         nicht statt. Insbesondere in chronologischer Hin-
Information extrahiert werden kann.                     sicht können diese Ergebnisse daher nur vorläufi-
                                                        gen Charakter besitzen. In vielen Fällen liegen zwar
                                                        bestimmte Indizien zur chronologischen Einord-
                    1.2 Arbeitsgebiet                   nung vor, diese leiten sich jedoch deduktiv aus bereits
                                                        vorhandenen Modellen (z.B. zur großräumlichen
Im ursprünglichen Projektkonzept war geplant, in        Paläoklimatologie) ab, und können daher umgekehrt
der ersten Hälfte der Laufzeit des DFG-Schwer-          nicht zur Modellbildung bzw. -prüfung herangezo-
punktprogramms (SPP) „Entangled Africa“ (2018-          gen werden, ohne Tautologien zu bilden.
2021) die Arbeiten auf den Süden und Westen des
Konzessionsgebietes mit dem Jebel al-Ain zu kon-
zentrieren. Dabei sollte Fernerkundung und Gelän-       2.1 Siedlungskammer und Paläo-Seen am zentralen
dearbeit eng miteinander verzahnt werden. In der                          Jebel Nagaschusch
zweiten Hälfte der geplanten Laufzeit des SPP sollte
eine Fortsetzung der Arbeiten im Osten des Kon-         Hinsichtlich des Zusammenwirkens der Identifika-
zessionsgebietes entlang der Jebel Nagaschusch und      tion archäologischer Einzelbefunde im Satellitenbild
Awadun beantragt werden. Im Zuge der Umpla-             (Fernerkundungs-Survey) mit landschaftsarchäolo-
nungen aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde             gischen Beobachtungen ist ein Gebiet am süd-öst-
                                                        lichen Pediment des Jebel Nagaschusch besonders
6 Wessel 2018, 15-19                                    interessant (Abb. 2).

                                                      89
Antike Sudan - InterLINK-Project
Aus der Archäologie                                      MittSAG 31

                                                                                  in Richtung zweiter Paläo-Seen
                                                                                  entwässern, offenbar vermieden
                                                                                  worden ist.
                                                                                     Diese beiden Paläosee-Flä-
                                                                                  chen liegen in direkter Nachbar-
                                                                                  schaft der Siedlungskammer und
                                                                                  spielten für die dortige allgemei-
                                                                                  ne Gunstraumsituation offenbar
                                                                                  eine Rolle, jedoch wurden die
                                                                                  direkten Seeufer nicht als Sied-
                                                                                  lungsbereich genutzt. Dies stellt
                                                                                  ein weiteres Indiz für die chro-
                                                                                  nologische Einordung der Sied-
                                                                                  lungskammer in eine Pluvialzeit
                                                                                  dar, da der unmittelbare Seeufer-
                                                                                  bereich für Siedlungsaktivtäten
                                                                                  zu feucht gewesen sein könnte.
Abb. 3: Umgebung der Siedlungskammer am nördlichen Jebel Nagaschusch im              Die Paläo-Seen selbst sind
ALOS-Geländemodell, reduziert auf 295 m – 375 m ü.d.M. (Karte: Jana Eger; Hinter- durch verschiedene Fernerkun-
grundkarte: © JAXA).                                                              dungsdaten recht genau definier-
                                                                                  bar und bieten ein gutes Beispiel
    Im hoch aufgelösten panchromatischen Satelli-            dafür, dass die querschnittliche Betrachtung unter-
tenbild sind hier eine Reihe von Siedlungsrelikten           schiedlicher Daten in der Zusammenschau eine recht
(ganz überwiegend Rundhütten-Grundrisse) aus-                genaue Rekonstruktion historischer Landschaftsele-
zumachen, die sich in diesem Bereich signifikant             mente ermöglicht.
konzentrieren. Es liegt also eine deutlich von der                So sind die beiden ehemaligen Seeflächen bereits
Umgebung abgrenzbare Siedlungskammer vor. Die                im panchromatischen Satellitenbild als helle Berei-
Einordnung der Siedlungskammer vor dem Hinter-               che auszumachen. Die mangelnde spektrale Diffe-
grund eines digitalen Geländemodells zeigt bereits           renzierung würde jedoch hier noch unterschiedliche
landschaftliche Elemente, die mit der Konzentration          Interpretationen dieser hellen Flächen erlauben. Die
von Siedlungsspuren in diesem Bereich in Zusam-              Betrachtung mit Hilfe multispektraler Satellitenauf-
menhang stehen können. Benutzt wurde hierzu das              nahmen jedoch ergibt vor allem in den folgenden
ALOS-Geländemodell. GIS-basierte Visualisierung              Spektralbändern eine bemerkenswerte Differenzie-
unterschiedlicher Höhenprofile kann sowohl die               rung: Im mittleren (grün-gelben) optischen Spektral-
Lage der Siedlungsrelikte im Geländerelief als auch          bereich (560 nm) sind die Flächen klar aufzufassen
nahe gelegene besiedlungsrelevante Landschaftsele-           (Abb. 4a), im Infrarotbereich (2200 nm) ist ihre
mente sichtbar machen. Bei einer Geländerelief-Auf-          Reflektionsfähigkeit jedoch deutlich herabgesetzt
lösung zwischen 295 und 375 m ü.d.M. wird deut-              (Abb. 4b). Dies ähnelt der spektroskopischen Signa-
lich, dass die Siedlungskammer in einer Hanglage             tur von Carbonaten (hierbei insbesondere dem für
liegt, jedoch außerhalb größerer Spülrinnen (Abb. 3).        Seekreiden typischen Calciumcarbonat CaCO3).8
Dass die Hanglage, an sich eine siedlungshemmende            Damit liegt die Identifikation der im Satellitenbild
Geländesituation, gewählt wurde, spricht dafür, dass         aufzufassenden hellen Oberfläche als Seekreide nahe.
die ebenere Fläche unterhalb des Hangpediments                    Ein weiteres Argument für die Rekonstruktion
zu diesem Zeitpunkt für Siedlungsaktivität weniger           der Flächen als Paläo-Seen bildet die Radarsignatur
geeignet war, z.B. infolge von Bodenfeuchtigkeit.7           in vertikal-horizontaler (vh-)Polarisation (Abb. 4c).
Für eine Datierung der Siedlungskammer in eine               Die klare Umgrenzung der westlichen der bei-
Pluvialzeit spricht auch die Tatsache, dass die unmit-       den Flächen im Radarbefund kann (auch minimal
telbare Umgebung der ab etwa 700 m östlich gele-             bedeckte) ehemalige Uferwälle andeuten, wie sie
genen Khors, die vom Gipfelplateau hangabwärts               weiter nördlich z.B. bereits für den so genannten
                                                             „Ptolemais-Seenarchipel“ im Radarbefund nachge-
                                                             wiesen sind.9 Eine Betrachtung der so festgestellten
7 Ähnliches wurde bereits für andere Regionen während
  des neolithischen Subpluvials und damit einhergehender
  hypothetischer Sumpfbildung in Niederungen angenom-           8 Bishop 2020, 82-84
  men (Dittrich, Gessner und Gabriel 2007, 44ff.).              9 Pachur und Altmann 2006, 222-223

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2020			                                        Aus der Archäologie

Abb. 4: Paläoseen und Siedlungskammer am nördlichen Jebel Nagaschusch vor dem Hintergrund verschiedener Fernerkund-
ungsdaten – 4a: Sentinel 2 MSI, grün-gelber Farbkanal; 4b: Sentinel 2 multispektral, Infrarot-Farbkanal; 4c: Sentinel 1 SAR,
Polarisation vh; 4d: ALOS-Geländemodell, reduziert auf 295 m – 308 m ü.d.M. (Karten: Jana Eger; Hintergrundkarten 4a-c:
© ESA Copernicus Program; Hintergrundkarte 4d: © JAXA)

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Aus der Archäologie                                         MittSAG 31

ehemaligen Seeufer im digitalen Geländemodell zeigt                befindet sich ein im hoch aufgelösten panchroma-
die noch heute vorhandenen Senken, in denen sich                   tischen Satellitenbild gut erkennbarer Hafir (Abb. 5).
Abflusswasser vom Plateau des Jebel Nagaschusch                    In seiner unmittelbaren Umgebung fehlen jegliche
gesammelt haben dürfte (Abb. 4d).10                                Spuren menschlicher Tätigkeit, so dass sich die Frage
   Wie für Fernerkundungsergebnisse generell ty-                   nach den Urhebern dieses Monumentalwerkes stellt.
pisch, stellt die Datierung der Befunde eine Schwie-               Eine Parallel-Situation ist aus der Bayuda in Form
rigkeit dar. Eventuell korrelieren die Fernerkun-                  des Hafirs von Bir Bayuda bekannt, wo ein Hafir mit
dungsbefunde mit bereits durch Pachur und Alt-                     einem Durchmesser von fast 100 m unsere Aufmerk-
mann unterhalb des Jebel Nagaschusch aufgefassten                  samkeit erregt hatte, in dessen Nähe sich zwar einige
Seekreiden (und durch diese rekonstruierten Paläo-                 Hüttengrundrisse, aber keine größeren Ansiedlun-
Seen);11 jedoch geben beide Autoren für ihre Beob-                 gen finden ließen. Die nächstliegenden archäologis-
achtungen keine genauen Lageangaben, und eine                      chen Befunde zu dem hier vorgestellten Hafir liegen
Abbildung der Seekreiden legt nahe, dass sich diese                in mittlerer Entfernung von zwei größeren Befund-
Befunde weiter vom Jebel-Pediment entfernt befan-                  clustern. Ca. 7 km südwestlich liegt die Siedlung
den.12 Ungeachtet dessen könnte eine Datierung                     von Bir al-Ain,16 während knapp 15 km nordöstlich
der im Fernerkundungsbefund aufgefassten Paläo-                    ein dichter Cluster aus Rundhüttensiedlungsplätzen
Seen und damit – mittelbar – auch der benachbarten                 und Tumuli aufgefasst werden konnte. Eine Kor-
Siedlungskammer mit anderen, im weiteren Umkreis                   relation des Hafirs mit beiden Fundplätzen bleibt
geologisch erforschten Paläo-Seen korrelieren. So ist              derzeit noch unklar.
z.B. in etwa auf gleicher geographischer Breite ca.                    Bei der Betrachtung des Bodenreliefs im Tan-
250 km weiter westlich in der Nähe des Jebel Tajeru                DEM-X-Geländemodell (s. Abb. 6) wird deutlich,
bei Gureinat ein mindestens bis ca. 5000 v.Chr. was-               dass sich der Hafir am Oberlauf der mächtigsten
serführender Paläo-See nachgewiesen;13 diese geo-                  Abflusszone der weiteren Umgebung befindet. Eine
logische Datierung stellt allerdings lediglich einen               Aufnahme des Sentinel 2 B-Satelliten im Infrarot-
terminus post quem für die Austrocknung dar, weil                  bereich (Abb. 7) zeigt die Einbindung des Hafirs in
die obersten, stratigraphisch jüngsten anzunehmen-                 die dendritischen Paläo-Drainagesysteme an diesem
den Seekreide-Ablagerungen der Erosion unterwor-                   Oberlauf. Auch wenn dies im heutigen Gelände-
fen waren. Archäologische Funde in der Umgebung                    bild nur noch schwer auszumachen ist (Abb. 8),
legen vielmehr nahe, dass hier noch weit länger,                   zeigt die Zusammenschau aus Infrarotaufnahme und
bis ca. 2000 v.Chr., Feuchtbedingungen geherrscht                  Geländemodell, dass sich hier in Perioden stärke-
haben könnten.14                                                   ren Regenfalls eine signifikante Konzentration von
   Ähnliche Umstände könnten auch für die hier                     Oberflächenwasser, das von dem Gipfelplateau in
vorgestellten Paläoseen am Jebel Nagaschusch ange-                 Richtung Wadi Melek entwässerte, befunden haben
nommen werden.                                                     muss. Die Anlage des Hafirs an genau dieser Position
                                                                   erscheint daher als eine wohl durchdachte Planung.
                                                                       Die Funktion dieses und anderer wasserbauli-
            2.2 Hafir östlich des Bir al-Ain                       cher Anlagen an der Südost-Flanke des Jebel al-
                                                                   Ain und Jebel Nagaschusch kann nach wie vor nur
Im Fernerkundungs- und Bodensurveybefund                           durch Indizien erschlossen werden. Eine Funktion
waren bereits 2017 westlich des Jebel al-Ain mehrere               als Etappenpunkt für den Verkehr entlang des Wadi
vermutlich antike Hafire festgestellt worden.15                    Melek in Richtung Kordofan oder als Versorgungs-
Nach Ausweitung der Fernerkundung auf weitere                      speicher für umherziehende Viehhirten erscheint auf
Teile des Erkundungsgebietes konnten weitere was-                  den ersten Blick denkbar. Da man jedoch davon aus-
serbauliche Anlagen festgestellt werden. Darunter                  gehen kann, dass am Fuße der Schichtstufe nur 2,5
                                                                   km weiter nordwestlich durch Quellaustritte oder
10 Hierfür wurde ebenfalls das ALOS-Modell verwendet,              über Gueltas Wasser ohne vergleichbare Bauleistun-
   allerdings mittels GIS auf eine feinere, dem unmittelbar
                                                                   gen zu beschaffen war, erscheint diese Erklärung
   umliegenden Geländerelief angepasste Höhendarstellung
   (295-308 m ü.d.M.) eingestellt, die die rezente Gelände-        etwas zweifelhaft. Mehr Sinn ergäbe die zumindest
   oberkante oberhalb der Senken als Null-Referenzwert             teilweise Nutzung der Hafire im Rahmen von saiso-
   ansetzt.                                                        nalem Ackerbau: Wasserrückhalteinstallationen in
11 Pachur und Altmann 2006, 252-253                                anderen Gebieten des Sudan erlauben bis heute auf
12 Pachur und Altmann 2006, 253 Abb. 2.5.50
13 Hoelzmann, et al. 2010, 245-247
                                                                   der in der Regenzeit durchfeuchteten Grundfläche
14 Hoelzmann, et al. 2010, 247
15 Eger und Karberg 2019, 134-135                                  16 Eger und Karberg 2019, 135-136

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Abb. 5: Grundriss des Hafirs östlich Bir al-Ain (Karte: Jana        Abb. 6: Hafir östlich Bir al-Ain vor dem Hintergrund des
Eger; Hintergrundkarte: © Google; © Maxar Technologies              TanDEM-X-basierten Geländemodells (Karte: Jana Eger;
(2020)).                                                            Hintergrundkarte: © DLR TerraSAR/TanDEM-X Program).

Abb. 7: Weitere Umgebung des Hafirs vor dem Hintergrund             Abb. 8: Nähere Umgebung des Hafirs vor dem Hintergrund
einer Aufnahme des Satelliten Sentinel 2 MSI, Infrarot-Farb-        einer Aufnahme des Satelliten Sentinel 2 MSI, Infrarot-Farb-
kanal (Karte: Jana Eger; Hintergrundkarte: © ESA Coperni-           kanal (Karte: Jana Eger; Hintergrundkarte: © ESA Coperni-
cus Program).                                                       cus Program)

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Aus der Archäologie                                              MittSAG 31

                                                                                       Über eine Datierung bzw.
                                                                                   weiter gehende kulturelle
                                                                                   und/oder sozioökonomische
                                                                                   Einordnung dieser Bauten
                                                                                   kann im Augenblick nur spe-
                                                                                   kuliert werden. Es erscheint
                                                                                   jedoch bemerkenswert, dass
                                                                                   auch dieser Hafir (wie auch
                                                                                   die im Westen des Jebel al-Ain
                                                                                   gelegenen)20 in ihrer Bauwei-
                                                                                   se und Lage im Gelände eine
                                                                                   signifikante Ähnlichkeit zu
                                                                                   vergleichbaren Anlagen auf-
                                                                                   weisen, die in der Keraba bzw.
                                                                                   Butana für gewöhnlich in die
                                                                                   meroitische Zeit datiert21 und
                                                                                   wiederholt mit einer gelenkten
                                                                                   Planung durch eine zentrale
Abb. 9: Einfriedung am Jebel Awadun (Karte: Jana Eger; Hintergrundkarte: © Google; Administration in Verbindung
© Maxar Technologies (2020)).                                                      gebracht werden.22 Andere bis-
                                                                                   lang in Kordofan (jedoch in der
die kurzzeitige Anlage von Gemüsefeldern.17 Aus               Regel weiter südlich) archäologisch dokumentierten
diesem Grund ist ein saisonaler, eng mit der Vieh-            Hafire weisen eine deutlich abweichende Bauweise
wirtschaft verzahnter Ackerbau als weiterer mögli-            auf.23 Diese Auffassung wurde auch durch die Doku-
cher Verwendungszweck der Hafire denkbar.18 Die               mentation kleinerer Hafire mit vollständig anderer
Geröll- und Schuttflächen direkt am Jebel al-Ain,             Bauweise und abweichender Zu- und Abflusskon-
wo Oberflächenwasser bei Regenperioden kon-                   zeption im Bereich des oberen Wadi Melek (südlich
zentriert genutzt werden konnte, wären von ihrer              des Untersuchungsgebietes) bestätigt.24
Bodenbeschaffenheit her nur wenig für eine acker-
bauliche Nutzung geeignet. Die Schwemmflächen
im Bereich der Abflusszone boten dafür zwar auch                        2.3 Ringmauern am Jebel Awadun
nicht ideale, aber für die Verhältnisse eines Wüsten-
raumes sehr viel eher geeignete Bedingungen. Eine             Südöstlich der Schichtstufe von Jebel al-Ain und
Wasserspeicherung in unmittelbarer Nähe zu diesen             Jebel Nagaschusch liegt der Jebel Awadun, ein weit-
Böden hätte daher den Aufwand zur Errichtung der              läufiger Zeugenberg. Hier sind ebenfalls zahlreiche
Hafire eher gerechtfertigt. Es erscheint bemerkens-           archäologische Befunde im Satellitenbild auszuma-
wert, dass alle bislang im Bereich des Jebel al-Ain           chen. Bemerkenswert sind dabei mehrere größere,
dokumentierten Hafire zwei unterschiedliche Ein-              teilweise geschlossene, teilweise halb offene Ring-
und Auslauföffnungen, eine jeweils ähnliche Lage              mauern (Abb. 9). Was diese Mauern einfrieden, ist
bezüglich des Oberflächenwassers, sowie insbeson-             derzeit noch unklar: Zwar finden sich im weiteren
dere eine relativ einheitliche Größe aufweisen, was           Umfeld um diese Strukturen herum diverse weitere
zumindest auf ein gewisses Maß zentraler Planung              archäologische Befunde (Rundhüttengrundrisse und
dieser Anlagen schließen lässt.19
                                                                            bei individueller Planung schwer zu erklärenden ähnli-
17 So z.B. noch heute in der Nähe des Bir Merwa im Wadi                     chen Abmessungen, lässt nach dem derzeitigen Stand der
   Abu Dom.                                                                 Forschungen eher auf eine zentrale Planung schließen.
18 Karberg 2017                                                             Hier besteht allerdings noch weiterer Forschungsbedarf.
19 Die Frage, ob Hafirbauten Zeugnisse zentraler Admin-                20   Eger und Karberg 2019
   istration darstellen oder aber durch lokale Gruppen als             21   Hinkel 2015, 115-117
   Reaktion auf spezifische örtliche Bedürfnisse autonom               22   Hinkel, 1991, p. 47; Weschenfelder 2014
   geplant und errichtet wurden, wird derzeit kontrovers               23   Hinkel 2015; interessanterweise sind sowohl die hier
   diskutiert. Dabei vertritt z.B. Petra Weschenfelder ten-                 genannten Hafire rund um den Jebel al-Ain als auch der
   denziell etatistische (Weschenfelder, 2014), Thomas                      zu Vergleichszwecken oben genannte Hafir in der Nähe
   Scheibner hingegen kommunitaristische Ansätze (Scheib-                   des Bir Bayuda Marion Hinkel in ihrem Standardwerk
   ner, 2014). Das relativ einheitliche Design der hier vorges-             unbekannt geblieben.
   tellten Hafire im nördlichen Kordofan, insbesondere die             24   Elmirghani und Drzewiecki 2011

                                                                  94
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Abb. 10: Weitere Umgebung der Einfriedung an der Südspitze des Jebel Awadun mit diversen archäologischen Befunden – 10a: vor
dem Hintergrund einer Aufnahme des Satelliten Sentinel 2 MSI, gelb-grüner Farbkanal; 10b: vor dem Hintergrund des ALOS-
Geländemodells (Karten: Jana Eger; Hintergrundkarte 10a: © ESA Copernicus Program; Hintergrundkarte 10b: © JAXA).

Tumuli), jedoch bislang nicht innerhalb der umfrie-              und einer Infrarotaufnahme (2200 nm), wie auch
deten Bereiche. Sowohl Datierung als auch Funktion               bereits bei den Paläoseen am Jebel Nagaschusch, auf
der Ringmauern bleiben daher beim gegenwärtigen                  das Vorhandensein von Seekreide-Ablagerungen an
Stand der Forschungen noch ungeklärt. Eine gewis-                der Geländeoberfläche hin (Abb. 10a). Der Vergleich
sen Ähnlichkeit der Ringstrukturen (und ihrer Lage               mit dem ALOS-Geländemodell zeigt hier, von den
im Gelände in Hanglagen auf steinigen, leptosolen                bisherigen Beispielen abweichend, eine deutlich grö-
Böden) mit den Ringmauern von Zankor25 ist zwar                  ßere Senke an (Abb. 10b), was mit der Einordnung
gegeben, kann aber auch auf Zufällen beruhen und                 der dortigen Bodenbildung als „Eutric Fluvisol“
weist nicht notwendigerweise auf einen strukturel-               im Soil Atlas of Africa korrespondiert.26 Die lim-
len Zusammenhang hin. Eine Erkundung, ob sich                    nischen Ablagerungen in diesem Bereich dürften
auch bei den Ringmauern am Jebel Awadun (wie in                  also während der für die Formation der heutigen
Zankor) innerhalb der Einfriedungen Siedlungsspu-                Geländeoberkante verantwortlichen Pluvialperiode
ren finden lassen, die im Satellitenbild nicht aufzufas-         deutlich ausgedehnter gewesen sein als etwas weiter
sen sind, erscheint daher vielversprechend.                      nördlich am Jebel Nagaschusch.
   Hinsichtlich der vorliegenden Fernerkundungs-                    Die Vergesellschaftung der archäologischen Be-
daten erscheint eher die Einbindung in die umge-                 funde mit den Landschaftsmerkmalen weist jedoch
bende Landschaft bemerkenswert. Westlich des Jebel               zu den beiden anderen, zuvor vorgestellten Fall-
Awadun scheint auf den ersten Blick ein Gunstraum                beispielen in eine gänzlich andere Richtung. Die
zu liegen. Ähnlich wie oben (Abschnitt 2.1) für den              Orientierung der meisten archäologischen Befunde
nördlichen Abhang des Jebel Nagaschusch gezeigt,                 in diesem Bereich, insbesondere der weitgreifenden
sind hier einige Paläo-Seeböden nachzuweisen. Im                 Ringmauerstrukturen, ist gerade nicht auf diesen
multispektralen Satellitenbild weist die Differenz               möglichen Gunstraum, sondern klar an der Pedi-
zwischen dem grün-gelben Spektralbereich (560 nm)                mentkante des Jebel Awadun sowie einer unmittel-

25 Gratien, et al. 2013, Pl. 47                                  26 Jones, et al. 2013, 94

                                                            95
Aus der Archäologie                                           MittSAG 31

bar von diesem ausgehenden Fließrinne ausgerichtet,           Rolle.28 Die Nutzung der durch Fernerkundung
teilweise sogar in der dem Gunstraum abgewandten              gewonnenen und publizierten archäologischen
Hanglage angelegt. Dies lässt den Schluss zu, dass            Daten als (kultur- aber auch klimageschichtliche)
zum Zeitpunkt der Errichtung dieser Strukturen                Proxys in weiter führende Folgestudien, die die vor-
Oberflächenwasser, das unmittelbar an der Plateau-            handene Literatur und öffentlich zugängliche For-
kante austrat (Gueltas bzw. kleinräumige Quellen),            schungsrohdaten auswerten, stellt bei aller Nütz-
offenbar eine wichtigere Rolle spielte als Wasser             lichkeit solcher immer beliebter werdender Studien
in längeren Drainagesystemen (Khors) oder Paläo-              daher ein Problem dar. Die Herleitung z.B. von
seen. Ob dies auf funktionale oder chronologische             Datierungen aus paläoklimatologischen Modellen
Gründe (oder eine Kombination aus beiden) zurück              muss daher hinreichend deutlich gemacht werden,
geht, muss jedoch dahingestellt bleiben, bis die Ring-        um keine Grundlage für selbstverstärkende, tauto-
mauerstrukturen einer eingehenderen Erforschung               logische Argumentationsketten zu liefern.
unterzogen werden können.                                        Bereits in früheren Veröffentlichungen wurde
                                                              dargelegt, wie durch die strukturell bedingte gerin-
                                                              ge Sichtbarkeit einzelner Befundgruppen (z.B. cleft
             3. Schlussfolgerungen                            burials) ganze chronologische Epochen regelrecht
                                                              „unsichtbar“ bleiben können, wenn in der archäo-
Die Arbeiten mit Satellitenbildmaterial in Nord-              logischen Datenerhebung ausschließlich auf Fern-
Kordofan zeigten, dass aus der Synopse verschie-              erkundungsergebnisse zurückgegriffen wird.29
dener Daten ein erhebliches Maß an Informationen              Auch hier bergen Folgestudien, besonders auf Basis
generiert werden kann, die über eine reine Identifika-        öffentlich zugänglich gemachter Forschungsrohda-
tion von Einzelbefunden aus panchromatischen Auf-             ten, daher das Risiko von Fehlschlüssen hinsichtlich
nahmen weit hinaus gehen. Verteilungsmuster von               der Besiedlungsgeschichte einzelner Regionen.
verschiedenen Befunden sowie deren Einbindung                    Aus diesem Grund ist im Regelfall archäologische
in landschaftliche Strukturen erlauben Rückschlüsse           Fernerkundung lediglich Ergänzung zu und nicht
auf deren Datierung und sozio-ökonomische Ein-                Ersatz für bodengebundene Surveymethoden.30 In
ordnung. Dies gilt z.B. für die oben erwähnten Hafi-          verschiedenen möglichen Szenarien, so z.B. infol-
re, deren Position im Gelände eine agrikulturelle oder        ge politischer Instabilität oder auch der derzeitigen
zumindest gemischte Nutzung wahrscheinlicher                  weltweiten Einschränkungen in Folge der Corona-
erscheinen lässt als eine reine Funktion als Tränke           Pandemie, ist jedoch die Arbeit im Gelände zeitweise
von Vieh im Zuge pastoraler Wirtschaft oder für Tra-          nicht möglich. In solchen Fällen muss mit der Tat-
getiere von Karawanen. Hinsichtlich der Datierung             sache umgegangen werden, dass Datengewinnung
ist zwar keine absolute Aussage möglich, jedoch               und -analyse lediglich durch Fernerkundung sowie
zumindest die Einschätzung, dass die derzeitigen              Erschließung von Sekundärquellen möglich ist.31
klimatischen Bedingungen keine sinnvolle Nutzung              Auch aus solchermaßen eingeschränkten Quellen
dieser Hafire ermöglichen würden. Ihre Errichtung             und Rohdaten ist durchaus die Ableitung komple-
und Nutzung dürften daher in eine Zeit zu datieren            xer Schlussfolgerungen möglich, solange bei der
sein, in der wahrscheinlich signifikant günstigere            Auswertung die strukturellen Schwierigkeiten der
klimatische Bedingungen vorlagen als in rezenter              Daten eingehend berücksichtigt werden. Besondere
Zeit. Paläoklimatologische Untersuchungen in der              Vorsicht ist in diesem Fall geboten, wenn die Daten
regionalen Umgebung legen solche Verhältnisse in              nicht nur durch das ursprüngliche Forschungs-
erster Linie für die Pluvial- und Subpluvialperioden          projekt ausgewertet werden, sondern prozessierte
vom Neolithikum bis ins 2. Jht. v.Chr. nahe.27                Rohdaten innerhalb der Fachöffentlichkeit weiter
    Hier zeigt sich jedoch auch eine mögliche Pro-            genutzt werden. Hierbei muss nicht nur für eine
blematik der Datierung von archäologischen Befun-             stabile und nachvollziehbare Datenstruktur und
den aus durch Fernerkundung erschlossenen Land-               -speicherung Sorge getragen werden, sondern auch
schaftselementen mit Hilfe paläoklimatologischer              dafür, dass wesentliche Informationen über die Erhe-
Indikatoren. Für die Entwicklung paläoklimatolo-              bungsmethodik (und ihren Einfluss auf die Auswahl
gischer Modelle spielen nicht nur bodenkundlich
und geologisch, sondern auch archäologisch (und               28   Hoelzmann, et al. 2010, 547
archäo-zoologisch) erhobene Daten eine wichtige               29   Eger 2018, 877-878
                                                              30   Albertz 2007, 157
                                                              31   Ein besonders gelungenes Beispiel hierfür stellen die
                                                                   Fernerkundungsarbeiten von Jutta Häser zur Siedlungs-
27 Pachur und Altmann 2006, 545ff.                                 archäologie Darfurs dar (Häser 2000).

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der Dateninhalte) im Archivierungsprozess nicht                       Nubian Archaeology in the XXIst Century. Proceedings
verloren gehen.                                                       of the Thirteenth International Conference for Nubian
    Grundsätzlich ist es selbstverständlich sehr zu                   Studies, Neuchâtel, 1st-6th September 2014, edited by
begrüßen, dass die Auswertung nicht nur der publi-                    M. Honegger, 873-878. Leuven: Peeters, 2018.
zierten Forschungsmeinung, sondern auch der dieser                 Eger, J., and T. Karberg. „Neue Forschungen in Nord-
zugrunde liegenden Forschungsrohdaten auch im                         Kordofan. Vorbericht über die Feldkampagnen des
Rahmen von Folgestudien, die an der ursprünglichen                    InterLINK-Projektes der Jahre 2017 und 2018.“ Der
Datenerhebung nicht beteiligt waren, einen immer                      antike Sudan. MittSAG 30, 2019: 131-146.
breiteren Raum einnimmt.32 Die Tatsache, dass die                  Elmirghani, A., and M. Drzewiecki. Archaeological Survey
Analyse von Rohdaten ohne hinreichende Berück-                        in the Sodiri Region, 2011. Preliminary Report. Sodiri:
sichtigung der Umstände ihrer Gewinnung hohe                          unpubliziert, 2011.
Risiken hinsichtlich falscher Schlussfolgerungen mit               Gratien, B., R.-P. Dissaux, J. Evrard, S. Marchi, G. Nogara,
sich bringen kann, erfordert allerdings eine beson-                   and D. Usai. Abou Sofyan et Zankor. Prospections dans
ders sorgfältige und methodenkritische Dokumen-                       le Kordofan occidental (Soudan). Villeneuve d’Ascq:
tation der Datenerhebung, wie unter anderem am                        Presses Universitaires du Septentrion, 2013.
Beispiel archäologischer Fernerkundung mit ihren                   Häser, J. Siedlungsarchäologie in der Jebel-Marra-Region
spezifischen Vor- und Nachteilen prägnant gezeigt                     (Darfur/Sudan) - Archäologischer Einsatz von Ferner-
werden kann.                                                          kundungsdaten im Sahelgebiet. Internationale Archäo-
                                                                      logie 55. Rahden/Westf.:VML, 2000.
                                                                   Hinkel, M. Die Hafire im Sudan. The archaeological map
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   Der antike Sudan. MittSAG - Sonderheft 2, edited by             Scheibner, T. „Entstehung, Ursprung und Nutzung – Die
   T. Karberg and J. Eger, 21-28. Berlin, 2017.                       Hafire in Musawwarat es-Sufra und in der Keraba als
Eger, J. „Archaeological Satellite Imagery-Based Remote               Wirtschaftsbauten.“ In Ein Forscherleben zwischen den
   Sensing in the Bayuda and the Western Sudan.“ In                   Welten. Zum 80. Geburtstag von Steffen Wenig. Der
                                                                      antike Sudan. MittSAG - Sonderheft 1, edited by A.
                                                                      Lohwasser and P. Wolf, 299-322. Berlin: Sudanarchäo-
32 Zumal die öffentliche Nutzbarmachung der im Rahmen
   von Forschungsprojekten erhobenen Rohdaten mittler-                logische Gesellschaft zu Berlin e.V., 2014.
   weile auch durch Förderinstitutionen wie z.B. der DFG           Schreier, G. „Opportunities by the Copernicus Program
   als Geldgeber des SPP „Entangled Africa“ gefordert und             for Archaeological Research and World Heritage Site
   gefördert, und zu diesem Zweck der Aufbau von ein-                 Conservation.“ In Remote Sensing for Archaeology and
   heitlichen Forschungsdateninfrastrukturen vorangetrie-
                                                                      Cultural Landscapes. Best Practices and Perspectives
   ben wird (s. die im Jahre 2015 durch die DFG beschloss-
   enen und veröffentlichten „Leitlinien zum Umgang mit               Across Europe and the Middle East, edited by D. G.
   Forschungsdaten“).                                                 Hadjimitsis, et al., 3-18. Berlin: Springer, 2020.

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Aus der Archäologie                                         MittSAG 31

Weschenfelder, P. „Who gets the lion’s share? Thoughts        sensing activities were extended beyond the previ-
  on Meroitic water management and its role in royal          ously planned area. It included the eastern part of
  legitimization.“ In Ein Forscherleben zwischen den          the Jebel Nagashush as well as the Jebel Awadoun.
  Welten. Zum 80. Geburtstag von Steffen Wenig. Der           Some examples of the remote sensing results are:
  antike Sudan. MittSAG - Sonderheft 1, edited by A.          First, a settlement cluster at the pediment of the Jebel
  Lohwasser and P. Wolf, 335-350. Berlin, 2014.               Nagashush, closely connected to two palaeo-lakes,
Wessel, B. „TanDEM-X Ground Segment DEM Products              which indicate some connection of the settlement
  Specification Document.“ Vol. 3. no. 2. Oberpfaffen-        cluster to a pluvial period. Second, east of Bir al-Ain,
  hofen, 2018.                                                remains of an hafir were discovered, indicating rain-
                                                              water harvesting for – most probably – agricultural
                                                              purposes, and at least some amount of centralized
                     Abstract                                 planning and therefore administration above the
                                                              local level. Third, around the Jebel Awadoun, some
Due to the difficulties and limitations induced by            large walled enclosures, maybe in some way con-
the COVID-19 pandemic, no fieldwork was con-                  nected to the massive walled settlements of Zankor
ducted in the spring 2020 season. Instead, remote             and Abu Sufyan.

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