Arbeitsgemeinschaft HOSPIZ - Jahres bericht 2019
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Inhalt Impressum 3 Grußwort Vorstand Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft Hospiz Nürtingen Hechinger Str. 12 4 Das Jahr im Überblick 72622 Nürtingen 6 Das Jahr in Zahlen www.ag-hospiz-nuertingen.de V.i.S.d.P: 7 Verabschiedung Jörg Bauknecht 8 Leitung Tel. 07022.93313-12 10 Erfahrungen Redaktion: 17 Trauerbegleitung Jörg Bauknecht, Karen Renftle, Gabi Grünewald, Gudrun Leible 20 intern Gestaltung: 22 Das Hospiz-Team Arnulf Klein Titelfoto: 23 Kontaktdaten Arnulf Klein 2
Grußwort Vorstand „Kein Leugnen hilft, kein Widerstreben, wir müssen sterben, weil wir leben.“ Wilhelm Busch Unser Sterben ist unausweichlich und doch wollen wir diese Mein herzlicher Dank gilt daher allen Ehrenamtlichen und unse- Tatsache häufig aus unseren Gedanken verdrängen. Viele von ren Einsatzleitungen für ihr großes Engagement. Wir sind dank- uns haben Angst vor dem Sterben, auch weil über Tod und bar, dass unser Hospizteam durch den neuen Ausbildungskurs Sterben so wenig gesprochen wird. Deshalb ist es wichtig, 2020 Verstärkung bekommt. dass unser Hospizdienst die Themen „Tod und Sterben“ in den Mittelpunkt stellt. Niemand soll einsam sterben müssen und Meinen Vorstandskollegen danke ich herzlich für die konstruktive kein Angehöriger muss ohne Unterstützung in dieser schwie- Zusammenarbeit. Allen Mitgliedern und Spendern gilt unser be- rigen Zeit bleiben. Daher besuchen unsere Hospizbegleiter sonderer Dank. Ohne die vielen Spenden und Opfer könnten wir Menschen zu Hause, im Krankenhaus oder im Pflegeheim und die Arbeit nicht in diesem Umfang tun. Es ist ein Privileg, dass begleiten Menschen ein Stück des Weges. Menschen der Arbeitsgemeinschaft Hospiz ihr Vertrauen schen- ken. Wir wissen dies sehr zu schätzen. Schwerstkranke und Sterbende, deren Lebensweg unaus- weichlich zu Ende geht, brauchen neben einer guten medizini- In diesem Sinne grüße ich Sie herzlich und wünsche Ihnen alles schen Versorgung vor allem menschliche Zuwendung. Genau Gute. diese Zuwendung schenken die ehrenamtlichen Hospizbeglei- ter/innen. Sie haben Zeit und ein offenes Ohr und kommen als Nürtingen, im März 2020 neutrale Wegbegleiter. Trauerbegleiter/innen sorgen mit ihren verschiedenen Angebo- ten dafür, dass Menschen in Trauer nicht allein bleiben. Die Be- wältigung von Trauer ist sehr individuell, unsere ausgebildeten Jochen Schnizler Trauerbegleiter stehen Menschen in dieser Situation stützend Vorsitzender zur Seite. 3
Bericht Jahr 2019 Stichworte 2019 – Das Jahr im Überblick April Juli Mitgliederversammlung Mitarbeiter-Ausflug Offizielle Begrüßung und Vorstel- Wir machen eine kulinarische lung der neuen Einsatzleitung Gabi Stadtführung mit mehreren Gängen Grünewald. Frau Kränzle berichtet und tauchen dabei ein in einige aus dem stationären Hospiz Ess- spannende geschichtliche Episo- lingen. den in Kirchheim unter Teck. Oktober Viel Interesse gibt es beim Infor- mationsabend für den geplanten nächsten Qualifizierungskurs Hos- pizbegleitung, so dass ab Januar 2020 ein neuer Kurs stattfinden kann. 4
November Dezember Fortbildung fürs Hospizteam Weihnachtsfeier „Scham ist die Wächterin der menschlichen Würde“: Zeit für unser gemütliches jährliches Zusammentreffen Einen ganzen Tag lang arbeiten wir mit dem Sozialwis- in der „Alten Seegrasspinnerei“, bei dem wir uns auch senschaftler Stephan Marks zum Themenfeld Scham immer über das Wiedersehen mit einigen ehemaligen und Menschenwürde. Hospizbegleiterinnen freuen. Übers Jahr verteilt haben wir im Stände und Info-Veranstaltungen Rahmen unserer Öffentlichkeits- in Pflegeheimen, bei interessierten arbeit verschiedene Schulklassen Gruppen und bei verschiedenen Fotos: privat besucht und es gab diverse Info- Aktionstagen. 5
Bericht Jahr 2019 Das Jahr in Zahlen Die AG Hospiz bedankt sich sehr herzlich bei allen Finanzen Freunden und Mitgliedern, die uns mit ihrer Mitglied- schaft, einem Opfer oder einer Spende unterstützen. Ausgaben 2019 Mit ihrer Hilfe machen sie unsere Arbeit erst möglich Einsatzleitung 50.000 € und finanzierbar. Danke. Ehrenamtliche / Ausbildung / 8.200 € Jörg Bauknecht Supervision Geschäftsführer Trauerarbeit 6.300 € sonstige Sachkosten 17.000 € Begleitungen / Ehrenamtliche Zuführung in Rücklagen 11.600 € 2018 2019 Gesamtausgaben 93.100 € Anzahl der abgeschlossenen 48 48 Begleitungen Einnahmen 2019 Ehrenamtliche (einsatzbereit) 36 37 Hospizförderung 67.600 € Einsatzstunden Hospizarbeit 1.279 1.412 Mitgliedsbeiträge 5.800 € Einsatzstunden Trauerarbeit 361 131 Opfer / Spenden 19.600 € Mitglieder sonstige Einnahmen 100 € Gesamteinnahmen 93.100 € 2018 2019 Gesamt 92 92 6
Verabschiedung von Vorstandsmitgliedern Nachdem bereits im Jahr 2018 ein größerer Im Nachgang zu den Evangelischen Kirchen- Wechsel im Vorstand stattgefunden hat, wahlen im Jahr 2019 steht im Jahr 2020 mussten wir uns jetzt zum Ende der regu- eine komplette Neuwahl des Vorstandes an. lären Amtszeit im Zuge der Evangelischen Kirchenwahlen von zwei weiteren Vorstands- Wir sind froh und dankbar, dass ein großer mitgliedern verabschieden. Teil der bisherigen Vorstandsmitglieder zur Weiterarbeit bereit ist. Wir sind gespannt, Frau Ulrike Buch aus Zizishausen war seit welche neuen Vorstandsmitglieder den Vor- dem Jahr 2008 Vertreterin der Bezirkssyno- stand ab dem Jahr 2020 bereichern werden. de in unserem Vorstand. Mit dem Ende der Wahlperiode hat sie nun ihr Amt aus persön- lichen Gründen aufgegeben. Jörg Bauknecht Geschäftsführer Pfarrerin Ute Werkmann-Eberhardt aus Aichtal-Aich ist als Vertreterin der Evangeli- schen Kirchengemeinden im Vorstand nach einer Amtszeit von 6 Jahren ebenfalls aus persönlichen Gründen aus dem Vorstand ausgeschieden. Den beiden ausgeschiedenen Vorstandsmit- gliedern sagen wir ganz herzlichen Dank für die jahrelange und vertrauensvolle Mitarbeit. 7
Mitarbeiterschaft Leitung Neu bei der AG-Hospiz Mein Name ist Gabi Grünewald und ich bin seit Anfang April 2019 als Sozialpädagogin in der Einsatzleitung der AG Hospiz tätig. In meinem Ursprungsberuf war ich Pharmazeutisch- Technische Assistentin. Erste Berührung mit der Alten- und Hospizarbeit hatte ich durch die Demenz- erkrankung meines Vaters, den ich, nachdem er nicht mehr alleine leben konnte, bis zu seinem Tod im Jahre 1991 betreut und versorgt hatte. Durch diese Erfah- rungen reifte in mir der Entschluss, Sozialpädagogik zu studieren und mich auf die Arbeit mit älteren Men- schen zu spezialisieren. In meinem Praxissemester in einem Altenpflegeheim in Tübingen wurde ich auf die ehrenamtliche Hospizarbeit aufmerksam und machte 1999/2000 einen Vorbereitungskurs bei den Tübinger Hospizdiensten. Foto: Gabi Grünewald 8
Nach dem Studium war ich zunächst sechs Jahre bei Besonders die gute Zusammenarbeit und der wert- den Tübinger Hospizdiensten und anschließend zehn volle Austausch mit den haupt- und ehrenamtlichen Jahre bei einem ambulanten Hospiz-und Palliativbera- Kollegen/-innen sind mir für meine Arbeit sehr wichtig tungsdienst in München als Koordinatorin tätig. und machen mir viel Freude. Zum Start bei der AG Hospiz wurde ich vom gesamten Neben der Begleitung und Unterstützung von Team herzlich empfangen und aufgenommen. Ganz schwerstkranken und sterbenden Menschen liegen mir besonders möchte ich an dieser Stelle Karen Renft- die Beratung der Angehörigen und die Begleitangebo- le für Ihre umfassende und geduldige Unterstützung te für Trauernde besonders am Herzen. während meiner Einarbeitung danken. Darüber hinaus möchte ich gerne dazu beitragen, das Inzwischen konnte ich die vielfältigen Aufgabenstellun- vielfältige Unterstützungsangebot der AG Hospiz in gen, die der Arbeitsalltag in der AG Hospiz mit sich weiteren Kreisen bekannt und für Betroffene zugäng- bringt und die bewältigt werden müssen, näher ken- lich zu machen. nenlernen. 9
Mitarbeiterschaft Erfahrungen Frieden auf den Gängen unterwegs, Ge- schirr klappert – der ganz normale Alltag im Pflegeheim! Ich bin angekommen, klopfe, öffne leise die Tür und trete ein. Ich habe den Frieden im Altenheim gefunden. Stille erwartet mich. Seit November mache ich eine Ster- Auf dem Tisch brennt eine klei- bebegleitung bei einer alten Dame. ne Lampe mit orangem Lampen- schirm. Sie füllt den Raum mit Wär- Mein kleiner Therapiehund „Fussl“ me. ist auch dabei, da die Dame bis zuletzt zwei Dackel besaß und zu Die alte Dame liegt im Bett und Tieren eine besondere Liebe und schläft. Sie ist bis zum Hals mit ei- Beziehung hat. ner bunten Decke zugedeckt. Ihre weißen Haare sind gekämmt und Wir gehen in den 3. Stock. Auf un- oben am Kopf mit einem Zopfgum- serem Weg dorthin, fühle ich mich mi zu einem lustigen Schwänzchen herzlich willkommen durch Winken, zusammengebunden. Neben ihr Lachen und Begrüßen seitens der liegt eine kleine Stoffpuppe. Ich begrüße sie und sage ihr, dass Bewohnerinnen, Bewohner und der „Fussl“ da ist und ich ihn zu ihr Pflegekräfte. Reinigungskräfte sind Ich muss schmunzeln. ins Bett lege. 10
Am Anfang unserer Begleitung hat und ihr Gesicht ist entspannt. Fussl Ich bin sehr dankbar, dass ich sie sie ihn noch wahrgenommen, wenn und sie atmen, jeder im eigenen mit Fussl auf ihrem letzten Weg be- er sie an der Hand mit seinem Fell Rhythmus. gleiten darf. berührt hat. Erfüllt von diesem Ort des Friedens Es fühlt sich an, als ob die Zeit in Nun liegt Fussl dicht neben ihr und diesem Zimmer stehen bleibt. begebe ich mich mit meinem Hund genießt sichtlich auch die Ruhe und noch auf einen kleinen Spaziergang Wärme. Die Dame atmet ganz ruhig Friede breitet sich aus. übers Feld, um diese wunderbare Begegnung noch ein Weilchen fest- Leise singe ich: „Von guten Mäch- zuhalten. ten wunderbar geborgen.“ Dagmar Seyfried Ich spreche den 23. Psalm: „Der Hospizbegleiterin Herr ist mein Hirte.“ Wir halten die Stille aus. Bevor ich mich verabschiede, seg- ne ich die alte Dame. Manchmal schaut sie mich an, doch ihr Blick scheint schon weiter zu gehen. Sie macht sich wohl langsam auf den Weg. Fotos: privat 11
Mitarbeiterschaft Erfahrungen Abschied nehmen Es war noch gar nicht lange her, den uns. Wir konnten uns auf einen Schon seit vielen Jahren liegt sie hier. Nach einer Zeit dass er ins Haus seiner Tochter und gemeinsamen Weg begeben. Und des Innehaltens erzählt er von den schweren Jahren. deren Familie umgezogen war. Bis dann war da noch der Rollstuhl. Dialyse, Transplantation, Hoffen … Tagsüber die Arbeit vor kurzem noch hatte er eigenstän- Wenn es irgend möglich war, wollte auf dem Bau, abends Besuche im Krankenhaus und dig in seinem Haus gelebt und sich Herr B. raus an die Luft … der Bau des neuen Hauses. Und dann war da noch die selbst versorgt. Gut, seit geraumer Landwirtschaft. Herr B. klagt nicht; aber es war eine Zeit schon ging er zum Mittagessen Der Hausschlüssel liegt an der ver- schwere Zeit. zu ihr. Zu Fuß, natürlich, es waren einbarten Stelle. Das ist schon mal ja kaum 10 Minuten zu gehen. Nun gut. Ich betrete die kleine Unterge- Ein anderes Mal ist das Wetter nicht verlockend. Es aber ging es nicht mehr. Die Atem- schosswohnung und finde Herrn nieselt etwas. Und es ist kalt. „I glaub m`r könnet`s not, und die Beine wollten auch B. vor seinem Bett stehend, fertig waga – muasch mr halt an Deppich uff d Knia lega“ (Ich nicht mehr … angezogen mit dicker Jacke und glaube, wir können es wagen. Du musst mir eben eine Mütze, bereit für eine erste Aus- Decke auf die Knie legen). Herr B. dirigiert mich zu sei- Nun machte ich mich also auf, um fahrt. Da ist noch die Treppe. Schritt nem Elternhaus in der Dorfmitte. Hier war er geboren. Herrn B. ein erstes Mal zu treffen. für Schritt. Durchatmen. Jetzt in Hier hatte er gelebt, mit seiner Familie und dann allein. Die Tochter würde auch dabei sein, den Rollstuhl. „Jetzt fährsch mol Ja, es war eine gute Zeit. Er dirigiert mich noch durch damit wir die wesentlichen Rand- do lenks nuff“ (Jetzt fährst du mal die Scheuer in den Garten. Die paar wenigen Hühner bedingungen besprechen konnten. hier links hoch). Für ihn ist das Du versorgt jetzt sein Sohn. Wie er wohl auf mich reagieren selbstverständlich. „Dui Mauer han würde? Völlig unkompliziert! Es gab i au baut“ (diese Mauer habe ich Beim nächsten Besuch erschrecke ich beim An- keine Berührungsängste. Aus der auch gebaut), erzählt er auf dem blick von Herrn B. Eine Gesichtshälfte ist schwarz Tatsache, dass er Maurer war und Weg. Bald erkenne ich, dass es unterlaufen. Ja, vor zwei Tagen ist er gefallen. Es ich Bauingenieur, ergaben sich so- Richtung Friedhof geht. Herr B. di- hat zwei Stunden gedauert, bis er sich bemerkbar fort Gesprächsthemen. Wir verstan- rigiert mich zum Grab seiner Frau. machen konnte. Aber jetzt geht es wieder. Wir kön- 12
nen raus an die frische Luft. Bekannte reagieren auf anzupacken. Sehr gerne hat er sei- nehmen. Ich freue mich, dass ich sein Aussehen. Das bietet Gelegenheit für einen kur- ne Erfahrung an die Jungen weiter- Herrn B. auf diesem Weg begleiten zen Schwatz. „Also, mach`s gut“. Am Dorfrand zeigt er gegeben. durfte bzw. ihm diese Wegstrecke, mir seine Wiesen und Äcker. Eigentlich sollte man sich auch die innere, ermöglichen konn- kümmern … Mitte Dezember kam dann der An- te. ruf mit der Mitteilung, dass Herr B. Auf diese Weise sind wir Woche für Woche durch das verstorben sei. Die Fahrten mit dem Heiner Gerwig Dorf unterwegs. Kirche, Feuerwehrhaus, Schützen- Rollstuhl durch das Dorf waren nach Hospizbegleiter haus, eine Feldscheuer – überall dabei, wenn es galt, meiner Wahrnehmung ein Abschied Foto: © Arnulf Klein 13
Mitarbeiterschaft Erfahrungen „Schauen, wie Sterben bei ihrer Mutter geht“ Ein Satz, der uns in der Sterbe- Unsere Mutter hatte in den Wochen unserer Mutter bis zum Ende bei- woche unserer Mutter im Sommer vor ihrem Tod oft gesagt, mir geht stehen und sie begleiten. Das war 2019 neben vielen Bildern und prä- meine Kraft aus und das Laufen unausgesprochen klar zwischen genden Erfahrungen geblieben ist geht immer schlechter. Da war Sie uns Geschwistern. lautet: Schauen, wie sterben bei schon im 92. Lebensjahr. Einen Arzt ihrer Mutter geht. Den gab uns eine kommen zu lassen, hat sie abge- Trauerbegleiterin mit auf den Weg. lehnt, ebenso die Einweisung in ein An diesem Satz haben wir uns in Krankenhaus wollte sie nicht mehr. Was sind die Anzeichen auf ei- der Sterbewoche unserer Mutter Selbstbestimmt ist sie ihren Weg zu nen baldigen Tod eines geliebten ausgerichtet und immer wieder Ende gegangen. Sie wurde immer Menschen? An was erkennt man festgehalten, als wir Geschwister weniger und sie hat in den Wochen das Sterben eines Menschen? Wir in der Sterbephase unserer Mutter vor ihrem Tod nur noch wie ein Vö- konnten eine Zustandsbeschrei- nach Orientierung suchten. Wir wa- gelchen gegessen. bung abgeben, jedoch fehlte uns ren alle immer eng mit unserer Mut- eine Einschätzung und das Wissen ter verbunden, das war im Leben so um Sterbeprozesse. All diese Fra- und das galt für uns ganz selbstver- gen hätten wir wohl dem ambulan- ständlich auch in ihrem Sterben. Dass sie gehen wollte, machte uns ten Hospizdienst Nürtingen stellen zwar traurig, wir konnten das je- können, wenn wir von ihm gewusst doch auch verstehen und akzeptie- hätten und wenn wir uns mit diesen ren. Die Tragweite und den Ablauf Fragen an die Begleiterinnen hätten eines Sterbeprozesses konnten wir wenden können. zu diesem Zeitpunkt nicht einschät- zen und ermessen. Wir wollten 14
Telefonischen Kontakt zum ambu- Nachdem das Wochenende über- lanten Hospiz Nürtingen hatten wir standen war, waren wir sehr unzu- erst in der Sterbewoche unserer frieden. Wir haben alle möglichen Mutter. Das war sehr wertvoll für Organisationen angerufen und ge- uns. Und auch, dass der Hospiz- sucht, wer uns weiterhelfen kann. dienst noch mit einem persönlichen Durch glückliche Fügung fanden wir Besuch präsent war. den ambulanten Hospizdienst Nür- tingen und hatten auch Kontakt zur SAPV Landkreis Esslingen. Das Sterbewochenende unserer Mutter war hart und wird uns prä- gend im Gedächtnis bleiben. Sie Die Telefongespräche waren ein- lag da und hat über Schmerzen fühlsam, pragmatisch und gaben geklagt. Das Schmerzmittel in Ta- uns schnelle Orientierung und Hil- blettenform konnten wir ihr nicht festellungen. Keiner fragte nach mehr verabreichen. Wir haben uns einer Krankenversicherungskarte, schnell über den Notarzt Schmerz- es gab keine Warteschleifen am Te- mittel in Tropfenform besorgt. lefon. Wir konnten unsere Situation schildern, besprechen und unsere Fragen stellen. Nach dem ersten Telefongespräch, das uns sehr er- Foto: © Arnulf Klein leichterte, wurde uns auch die Mög- 15
Mitarbeiterschaft Erfahrungen lichkeit eingeräumt, uns wieder zu Wir sind in der Sterbewoche unse- pizdienst Nürtingen und die SAPV melden, wenn wir Hilfe brauchen. rer Mutter nicht mehr von ihrer Seite Esslingen aufmerksam wurden. Wir gewichen und waren nahe bei ihr, wünschen, es mögen noch viele wie sie das für uns im Leben auch Menschen die wertvollen Dienste immer war. Wir sind bis zuletzt bei dieser Organisationen erhalten und Eine unserer ersten Fragen war: wo ihr geblieben und haben geschaut, in Anspruch nehmen können. stehen wir? Hat der Sterbeprozess was sie braucht. Diese elementare unserer Mutter schon begonnen? Erfahrung ist uns neben dem gro- Wie lange kann ein Sterbeprozess ßen Verlust auch ein Trost, nun da dauern? So haben wir erfahren, sie nicht mehr da ist. Helga Wick dass ein Mensch mit 35 kg Körper- und Geschwister gewicht noch lebensfähig ist. Und ganz lebenspraktische Ratschläge wie, dass Sterbende ein ganz ande- Unsere Mutter hatte ein sehr langes res Wärmegefühl haben und es sein Leben. Sie ist im 92. Lebensjahr kann, dass sie die Kleider ausziehen gestorben. Unser Vater lebt noch, möchten. Wir haben viel Mut zuge- auch ihn hatten wir immer an unse- sprochen bekommen, dass wir das rer Seite. Er war froh uns Kinder zu gut machen. Das hat uns gutgetan, haben. Wir fühlten uns zuerst eher uns geholfen und gestärkt. hilflos und waren auf uns alleine gestellt und wussten wenig übers Sterben. Wir sind sehr dankbar, dass wir auf den ambulanten Hos- Foto: © Arnulf Klein 16
Einzelbegleitung für Trauernde – was ist das? Klar, weiß doch jeder, was Hospiz ist. Und doch gehen die Vorstellungen darüber weit auseinander, denn Hos- piz ist ein vielschichtiger Begriff, der in verschiedenen Kontexten gebraucht wird. Die wenigsten denken da- bei noch an die ursprüngliche Bedeutung: eine christ- liche Pilgerherberge an Wallfahrtsorten, Pilgerwegen und im Heiligen Land. Die meisten assoziieren damit die moderne Hospizbewegung als bürgerliche Initiative für Sterbebegleitung oder eine stationäre Einrichtung für Schwerkranke und Sterbende. Und das ist gut so, denn Tod und Sterben gehören untrennbar zum Leben. Früher oder später wird jeder damit konfrontiert. Die Begleitung Sterbender ist immer eine Einzelbeglei- tung, egal, ob zu Hause, im Krankenhaus oder Pflege- heim. Sie beschränkt sich aber nicht nur auf die Ster- benden selbst, sondern bezieht An- und Zugehörige als ebenfalls Betroffene mit ein. Bei der Trauerbegleitung sieht das etwas anders aus. Hier stehen die unterschiedlichsten Angebote gleich- berechtigt nebeneinander. Da gibt es allgemeine Grup- pen, mit oder ohne Anmeldung, und spezielle Grup- pen, z.B. für trauernde Männer, für verwaiste Eltern, 17
Mitarbeiterschaft Trauerbegleitung für trauernde Geschwisterkinder oder Angehörige nach Suizid. Es gibt Trauer-Cafés, Wanderungen für Trauernde und kreative Angebote. Und dann gibt es noch die Einzel- begleitung. Für Trauergruppen müssen zwangs- läufig Orte und Termine lange vorher festgelegt sein. Viel Spielraum bleibt da nicht mehr. Dafür sind Kontakt und Austausch der Mitglieder un- tereinander ein tragendes Element. Es hilft, die Zeit bis zum nächsten Treffen zu überbrücken. Da alle in gleicher Weise Betroffene sind, sind sie für Chaos, Schmerz und Trauer besonders sensibilisiert und entsprechend verständnisvoll im Umgang mit anderen Gruppenmit- gliedern, denen es vielleicht gerade nicht so gut geht. Jeder kann von jedem, seinen Erfahrungen und Be- wältigungsstrategien profitieren. 18
Bei der Einzelbegleitung sind die Schwerpunkte etwas manchmal auch den Begleitenden. schrieben. Auch hier kann man sich anders gesetzt. Nicht jeder kann sich in einer Gruppe getrost auf das Gespür des Trau- vertrauensvoll öffnen. Andere glauben, sich nicht zu- Auch Einzelbegleitungen müssen ernden verlassen. Meist wissen die muten zu können, weil sie immer wieder in Tränen aus- nicht zwingend in geschlossenen Trauernden sehr genau, wann sie brechen. Besonders häufig geschieht das, wenn der Räumen stattfinden. Wenn jemand stark genug sind, allein ihren Weg Trauerfall noch nicht lange zurück liegt. Wieder andere meint, Bewegung an der frischen zurück ins Leben zu finden oder in haben so ungünstige Arbeitszeiten, dass die Teilnahme Luft wäre für ihn besser, kann ein einer Gruppe weiterzumachen. Und an Gruppenterminen nicht möglich ist. In all diesen und Trauergespräch durchaus bei einem sollte jemand später doch noch ein- ähnlichen Situationen können Termine und Intervalle Waldspaziergang geführt werden. mal durch die Trauersituation aus flexibel an den persönlichen Bedürfnissen der Trauern- Genauso wäre ein Café-Besuch der Bahn geworfen werden, wissen den ausgerichtet werden. Alles erfolgt in Absprache denkbar. Bei einer Tasse Kaffee die Betroffenen, dass sie sich auch und (fast) alles ist möglich. lässt es sich bekanntlich ganz ent- dann jederzeit wieder beim Hospiz- spannt auch über schwierige Dinge dienst melden dürfen. Meist finden die Trauergespräche in einem Raum beim reden. Abschließend wird dann ge- Hospizdienst statt. Aber es gibt auch Gründe, etwa meinsam der nächste Termin fest- Behinderung oder Gebrechlichkeit, die dafür sprechen, gelegt. Das kann in drei Tagen, einer die Gespräche bei den Trauernden zu Hause zu führen. Woche oder drei Wochen sein. der Rosemarie Bernutz Vertrauen und Verschwiegenheit sind selbstverständli- Trauernde weiß am besten, was für Hospiz- und Trauerbegleiterin che Voraussetzungen für eine gedeihliche Zusammen- ihn gerade hilfreich wäre. arbeit. Für ein Gespräch sollte man eine bis maximal anderthalb Stunden einplanen. Auch wenn man ein Die Gesamtdauer einer Trauerbe- Thema nicht abschließend behandeln kann: Lieber gleitung liegt bei etwa 10 Terminen; beim nächsten Mal wieder darauf zurückkommen, manchmal mehr, manchmal weni- sonst wird es zu anstrengend für den Trauernden – und ger. Nichts ist unumstößlich festge- Foto: © Arnulf Klein 19
Mitarbeiterschaft intern Mitarbeiterausflug An einem sehr heißen Tag im Juli fuhren wir gemein- Am Kornhaus, dem Ausgangspunkt unserer kulinari- sam mit dem Zug nach Kirchheim unter Teck. Im his- schen Entdeckungstour „Amüsantes und Pikantes“, torischen Ambiente der Altstadt haben wir uns zum wurden wir von unserer Stadtführerin erwartet, die uns Auftakt - im kühlenden Schatten eines alten Baumes Kirchheim unter Teck im wahrsten Sinne schmackhaft - erstmal ein Eis schmecken lassen. machte. Bei dem unterhaltsamen Spaziergang durch die Altstadt erwartete uns ein regionales 3-Gänge-Me- nü in zwei verschiedenen Traditionslokalen. Die Wege zwischen den einzelnen Gängen waren gewürzt mit pikanten Geschichten und amüsanten Histörchen aus Kirchheims Vergangenheit. An unserer ersten kulinarischen Station wurden wir mit erfrischenden wohlschmeckenden Aperitifs und zahl- reichen köstlichen Antipasti verwöhnt, die wir in schat- tiger Gasse serviert bekamen. Gut aufgelegt ging es weiter über den Marktplatz und an altehrwürdigen Gebäuden vorbei. Immer wieder machten wir Halt und erfuhren von unserer Stadtfüh- rerin interessante Geschichten aus der Historie Kirch- heims. Im alten Forsthaus am Schloss wurde uns dann der Hauptgang serviert. Wohl gesättigt setzten wir unsere 20
Tour durch die Stadt fort. Jetzt wur- de auch aufgeklärt, was es mit dem Eimer und weiteren Utensilien auf sich hatte, die unsere Stadtführerin und teilweise auch Einzelne von uns die ganze Zeit mittrugen: Daraus wurde mit wenigen Handgriffen die erste öffentliche Toilette im mittelal- terlichen Kirchheim. Zum Abschluss gingen wir nochmal uns aus dem hochsommerlichen ins Forsthaus, wo der Nachtisch auf Kirchheim. uns wartete. Gabi Grünewald Gut gelaunt und beindruckt von der Einsatzleitung reichen Geschichte der Altstadt mit den schönen historischen Plätzen und Gebäuden verabschiedeten wir Fotos: privat 21
Hospiz Team Das Team 2019 22
Kontakt Daten Die Arbeitsgemeinschaft Hospiz erreichen Sie über die Diakoniestation Nürtingen unter Telefon 07022.93277-30 Geschäftsstelle Arbeitsgemeinschaft Hospiz Vorsitzender Jochen Schnizler Marktstraße 19 Diakoniestation Nürtingen gGmbH 72622 Nürtingen Hechinger Straße 12 www.ag-hospiz-nuertingen.de 72622 Nürtingen Telefon 07022.93277-12 Geschäftsführung Jörg Bauknecht schnizler@diakonie-nuertingen.de Kirchenbezirksrechner Telefon 07022.93313-12 Spendenkonto Die Arbeitsgemeinschaft Hospiz bauknecht@evkint.de Nürtingen ist zur Deckung der Kosten auf Spenden angewiesen. Einsatzleitung Karen Renftle Gabi Grünewald Evang. Kirchenbezirk Nürtingen Kreissparkasse Esslingen Telefon 07022.93277-30 IBAN DE52 6115 0020 0048 2072 29 info@ag-hospiz-nuertingen.de BIC ESSLDE66XXX Stichwort: AG Hospiz 23
Arbeitsgemeinschaft Hospiz Hechinger Straße 12 72622 Nürtingen www.ag-hospiz-nuertingen.de
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