Auf bruch Die neue Förderstrategie der VolkswagenStiftung
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INTRO Warum eine neue Förderstrategie? Nach einem Evaluations- und Reflexionsprozess richtet die VolkswagenStiftung ihre Förderstrate- gie ab 2021 neu aus. Vier Schlüsselbegriffe bestimmen fortan das Förderhandeln: • impulsgebend • risikobereit • grenzüberschreitend • strukturgestaltend Diese Begriffe spiegeln zum einen Grundzüge unseres Selbstverständnisses als Stiftung wider. Zum anderen sind sie als Qualitätskriterien zu verstehen, als Orientierungs- punkte für viele Entscheidungen im Förderalltag. Mit der neuen Strategie eng verknüpft ist der Wille der Stiftung, die Wirkung ihres Handelns noch systematischer zu analysieren – einerseits, um selbst daraus zu lernen; andererseits, um bei der Mitgestaltung der Wissenschaftslandschaft nachhaltige Wirkung zu entfalten. 1
Institution. Wir wagen auch intern INTERVIEW Was wir fördern, soll Neues. So haben wir als erste „Vor der Welle Wirkung erzeugen, Wissenschaftsförderin in Deutsch- land das herkömmliche Gutachter- Strukturen ändern, votum mit einer Zufallskomponente ergänzt. Dass im „teil-randomisier- schwimmen“ Zukunft gestalten. ten Auswahlverfahren“ nun auch das Losglück über Bewilligungen entscheidet, hat uns im In- und - Georg Schütte Ausland enorm viel Aufmerksam- Zukunft radikal neu denken: Dazu fordert die keit beschert. Es gab Beifall und Stiftung Forschende heraus – und sich selbst. Kritik. Über beides haben wir uns Ein Strategie-Gespräch. gefreut. Gegenwärtig beschäftigen wir uns mit der Frage, wie wir die Welche Überlegungen haben am rungen anzunehmen? Wir wollen Hartmann: Es gibt sehr starke Erfahrungen mit digitalen Kommu- Anfang des Strategieprozesses Impulse für strukturelle Erneuerung Drucksituationen und Abhängig- nikationsmöglichkeiten für uns gestanden? Welcher Handlungsbe- geben. Nicht nur in der Scientific keitsverhältnisse im Wissenschafts- nutzbar machen können. Soll man darf wurde gesehen? Community, sondern auch an deren system. Dadurch gehen viele Ideen Präsentationen vor Gutachtergre- Schütte: Die Stiftung hat eine gute Rändern. Da kommt dann ganz und Impulse verloren, die neue mien künftig als Video anfordern? Tradition, sich etwa alle zehn Jahre wesentlich der Bereich der Wissen- Perspektiven eröffnen könnten. Wir Wollen wir Videochat-Sprechstun- von externen Fachleuten den schaftskommunikation mit hinein. wollen insofern Vorreiter sein für den für unsere Community Spiegel vorhalten zu lassen. Das die Leute, die bereit sind zu sagen: anbieten? Wie werden wir im Social Instrument dafür ist die Gesamte- Woher kommen die Anregungen Ich schwimme nicht mit dem Strom Web nahbarer und interaktiver? Da valuation. Die jüngste endete im für neue Förderthemen? - oder zumindest nicht nur… wollen wir weiter explorativ sein. Juni 2020 mit einer Präsentation vor Schütte: Grob gesagt auf zwei dem Kuratorium. Das Panel hatte Wegen. Zum einen in einem Mit welchem Selbstverständnis Wie war der Prozess der Strategie- sich die Mühe gemacht, nochmal Bottom-up-Prozess aus der startet die VolkswagenStiftung in entwicklung gestaltet? Wer war tief in unsere Community in Wissenschaft selbst, etwa bei die Zukunft? involviert? Deutschland und im Ausland Fachkonferenzen, in individuellen Hartmann: Idealerweise wollen wir Hartmann: Es war ein im besten hineinzuhorchen: Wie seht ihr die Gesprächen, aber auch anlässlich vor der Welle schwimmen, also das Sinne iterativer Prozess. Alle Leute Stiftung? Was erwartet ihr von ihr? von Experten-Hearings, zu denen Zukunftspotenzial neuer Themen im Haus, die etwas beitragen Das Feedback hat mit dazu beige- die Stiftung selber einlädt. Aber frühzeitig entdecken und dann auf wollten, konnten das tun. Ich denke, tragen, unsere Strategie von Grund natürlich entwickeln unsere die Wissenschaftslandkarte setzen. das war ganz wichtig, dass wir alle auf zu überdenken, die Vielzahl der Fachreferentinnen und -referenten Wir wollen, dass durch das, was wir gehört haben und Schritt für Schritt Förderprogramme zu reduzieren Dr. Georg Schütte ist seit selbst spannende Fragen, die wir tun, wirklich neue Dinge entstehen zusammengetragen haben, was und uns darüber klar zu werden: 1. Januar 2020 Generalsekre- dann unsererseits mit der Bitte um und andere sich davon inspirieren unsere Vorstellungen und unsere Welches sind die neuen, großen tär der VolkswagenStiftung. Feedback in die Community spielen. lassen und das Neue in die Breite Ideen sind. Es kam dem Prozess Herausforderungen? Welchen Davor war er zehn Jahr lang Der zweite Bereich: „Gesellschaftli- Das Ganze immer mit dem Ziel, am tragen. Die Stiftung ist groß genug, zugute, dass zur selben Zeit die Beitrag kann Wissenschaft leisten? Staatssekretär im Bundesmi- chen Transformationen“. Um uns Ende Wirkung zu erzeugen, um wirklich große Dinge zu Empfehlungen der Gesamtevaluati- Und wie können wir als Stiftung die nisterium für Bildung und herum vollziehen sich Umbrüche in Strukturveränderungen herbeizu- bewegen. Und wir sind klein genug, on vorlagen. Und wir hatten – und Wissenschaft in die Lage versetzen, Forschung. sehr vielen Bereichen. Die Pandemie führen, Folgeprojekte zu initiieren. um schnell zu handeln. Als private das war eine ganz wichtige aus sich heraus, von intrinsischer hat da nochmal wie ein Brennglas Stiftung sind wir unabhängig, Inspirationsquelle und ein ganz Neugierde getrieben, radikal neue gewirkt. Hier hat Wissenschaft eine Welche Zielgruppen wünschen Sie deshalb können wir selbst entschei- wichtiger Resonanzboden - den Fragen zu stellen – und relevante Forschung vorzustoßen, mit Verantwortung, gute Lösungen zu sich für die neuen Förderangebote? den, was wir auf die Agenda setzen. Forschungsausschuss des Kuratori- Antworten zu liefern? ungewissem Ausgang. Als Stiftung entwickeln und gesellschaftliche Schütte: Kreative, wagemutige, Und das tun wir mit größtmöglicher ums, der eng eingebunden war und stimulieren wir Experimentierlust Verantwortung zu übernehmen. neugierige Wissenschaftlerinnen Flexibilität. uns mit kritisch-konstruktivem Welchen Herausforderungen will und sagen: Scheitern gehört dazu; und Wissenschaftler. Wir sind Feedback immer wieder herausge- man sich nun in Zukunft stellen? wir nehmen in Kauf, dass ein Projekt Im dritten Profilbereich „Wissen bereit, unkonventionelle Ideen Schütte: Als Ergänzung dazu: fordert hat. Fasst man all das Hartmann: Wir haben drei neue trotz bester Fundierung das über Wissen“ geht es um das voranzubringen, haben aber immer Risikobereitschaft und Experimen- zusammen, haben wir jetzt eine Profilbereiche gebildet. Der erste selbstgesteckte Ziel nicht immer System selbst: Wie kann Wissen- den Anspruch, dass sich Antragstel- tierfreudigkeit erwarten wir nicht wirklich solide Basis für die nächs- heißt „Exploration“. Hier geht es erreicht. Diese Einstellung empfinde schaft bestmöglich arbeiten? lerinnen und Antragsteller dem nur von unseren Antragstellerinnen ten Schritte. darum, Risiko zu wagen, also in ich durchaus als ein Alleinstellungs- Welche Strukturen braucht sie, um kritischen Fachurteil aus der und Antragstellern. Beides erwar- bislang unerschlossene Bereiche der merkmal unserer Stiftung. die großen Zukunftsherausforde- Community stellen. ten wir auch von uns selbst als 2 3
INTERVIEW Modewörter sind Agilität, Digitali- FUNDAMENT tät. Die Stiftung wird sich natürlich Die Stiftung ist groß weiterentwickeln. Wer Impulse nach außen gibt, wird auch immer Impulse von außen erhalten, sich Die Leitlinien unseres genug, um auch Förderhandelns davon einen Moment lang kreativ irritieren lassen und dann eigene wirklich große Dinge Schlüsse ziehen. Wenn wir uns als zu bewegen. lernende Organisation die Freude am kontinuierlichen Wandel Der Zweck der VolkswagenStiftung ist die Förderung von Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre. erhalten, dann werden nicht nur die Die Stiftung ist der Freiheit der Wissenschaft verpflichtet. Digitalität und Globalität betrachtet sie als bedeutsame nächsten zehn Jahre gut, sondern Bedingungen moderner Wissensproduktion. Ihre Förderentscheidungen erfolgen mit dem Ziel, höchste - Henrike Hartmann auch das wiederum daran anschlie- wissenschaftliche Qualität zu sichern. In ihrer Förderpraxis orientiert sich die Stiftung an vier Leitlinien: ßende Jahrzehnt. Impulsgebend Grenzüberschreitend Wie hat man sich jetzt den Wir strukturieren nicht um, weil wir Die VolkswagenStiftung setzt mit ihren Initiativen Die VolkswagenStiftung eröffnet neue Wege und hilft Übergang vorzustellen? Geld sparen müssten. Dr. Henrike Hartmann gezielte Impulse in allen wissenschaftlichen Disziplinen Grenzen zu überwinden: zwischen Fachdisziplinen und Hartmann: Der Transformationspro- leitet seit 2015 die und Forschungsfeldern. Sie sucht und fördert neue Forschungsfeldern, zwischen Ländern und Kulturen, zess beinhaltet, dass einige Wofür wird die Stiftung in zehn Förderabteilung. Zuvor Forschungsansätze sowie prototypische Verbesserungen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Transnationale, Initiativen auslaufen. Das hat das Jahren stehen? war sie Teamleiterin von Strukturen und Prozessen des Wissenschafts- inter- und transdisziplinäre Projekte zählen zu den Kuratorium im Dezember 2020 Schütte: Wie wir in der Geschäfts- „Personen und Struktu- systems. Die Stiftung strebt eine Vorreiterrolle an und Kernmerkmalen ihres Förderhandelns. Um ihre Ziele zu beschlossen. Es ist aber gute stelle arbeiten werden, das ist ein ren“ und hat Förderinitia- bereitet mit innovativen Pilotprojekten die Voraus- verwirklichen und Kräfte zu bündeln, kooperiert die Tradition, die Dinge nicht abrupt zu kontinuierlicher Lernprozess. tiven, z. B. in der Bio- setzung für eine anschließende, in die Breite führende Stiftung mit Partnern in aller Welt. beenden, sondern in eine gut medizin, verantwortet. Förderung durch andere Akteure. kommunizierte, partnerschaftlich orientierte Auslaufphase zu überführen. Es gibt aber auch Risikobereit Strukturgestaltend Initiativen, die sich den neuen Profilbereichen zuordnen lassen, Die VolkswagenStiftung unterstützt Forschende mit Die VolkswagenStiftung wirkt mit ihren Förderaktivitä- sobald wir sie ein wenig nachge- großer Risikobereitschaft, deren Ideen originell und ten über den Einzelfall hinaus. Sie trägt dazu bei, schärft haben. Und schließlich weitreichend sind und deren Vorhaben das Potential Wissensbestände und strukturelle Rahmenbedingungen werden wir Neues entwickeln, das haben, wissenschaftliche Grundlagen, die strukturellen zu verändern. Hierzu reflektiert die Stiftung systema- hoffentlich schon 2021 in unserem Bedingungen von Forschung und Lehre sowie gesell- tisch die intendierte impulsgebende Wirkung der Förderangebot sichtbar werden schaftliche Anwendungen weiterzuentwickeln. Die Förderprojekte und -instrumente. Sie teilt die Erkenntnis- wird. Stiftung schafft Experimentierräume auch für kommen- se aus ihrem Förderhandeln mit Bezugsgruppen inner- de Spitzenforscherinnen und -forscher. halb und außerhalb der Wissenschaft. Stichwort Finanzierung. Wird sich das Fördervolumen wegen der Niedrigzinsphase perspektivisch Strategieprozess 2020 verringern? Internationales Panel zur Verabschiedung der Schütte: Darauf ein klares Nein! Wir Gesamtevaluation legt Empfeh- neuen Förderstrategie sind vorsichtig und vorausschauend Wechsel im Amt lungen zur Weiterentwicklung Zweite Klausur der in der turnusmäßigen in der Anlage unseres Stiftungskapi- des Generalsekretärs der Stiftung vor Förderabteilung Kuratoriumssitzung tals. Und bei allen Unsicherheiten an den Kapital- und Finanzmärkten sind wir sehr zuversichtlich, unser JAN MAI JUN SEP OKT NOV DEZ jährliches Fördervolumen in der allgemeinen Förderung erhalten zu Erste Klausur der Diskussion der ersten Strate- Präsentation und Diskus- können. Mit der Neuausrichtung Förderabteilung gie-Skizze aus der Förderabtei- sion des verdichteten Strate- des Förderportfolios ist jedenfalls lung mit dem Forschungsaus- gie-Konzepts in der Klausur schuss des Kuratoriums des Kuratoriums keine „Hidden Agenda“ verbunden. 4 5
Der Experimentalphysiker Uwe Morgner entwickelt Laseranwendungen am PROFILBEREICH Institut für Quantenoptik der Universität Hannover. Exploration Die VolkswagenStiftung ist bekannt als Förderin risikobereiter Forschung mit hohem Erkenntnispotenzial – und dafür, auch das Scheitern wagemutiger Projekte in Kauf zu nehmen. Beides sind Voraussetzungen für erfolgreiche Grundlagenforschung, ohne die es keine wissenschaftlichen Durchbrüche gibt. Die Stiftung sieht sich auch künftig in der Verantwortung, vielversprechenden Spitzenfor- scherinnen und -forschern die Chance zu geben, mit unorthodoxen Fragestellungen und experimentellen Ansätzen zur Lösung großer, wissenschaftsgetriebener Herausforderungen beizutragen. Die Stiftung will im Sinne eines Zukunftslabors neuen Themen und Forschungsmethoden den Weg ebnen und bislang unerschlossene Forschungsfelder aufbauen. Wo die Wissenschaft ins Wagnis gehen soll, ist im Gegenzug die Innovationskraft der Forschungsförderer gefragt: Die Stiftung wird mit neuen Verfahren der Themenidentifizierung, mit neuen Förderfor- maten und Auswahlprozessen die Entwicklung in diesem Bereich konstruktiv vorantreiben, so wie zuletzt mit der Etablierung des teil-randomisierten Auswahlverfahrens, in dem das Urteil des „Peer Review“ um ein Losverfahren ergänzt wurde. Zudem wird die Stiftung mit der Schaffung eines „Aktionsfonds“ dafür Sorge tragen, dass sie bei unvorhergesehenen Bedarfen - wie zuletzt in der Covid-19-Pande- mie - sehr schnell handlungsfähig wird, um Forschung zu fördern oder sogenannte „Windows of Opportunity“ nutzen zu können, wenn diese sich kurzfristig öffnen. 6 7
PROFILBEREICH Gesellschaftliche Transformationen Ob Künstliche Intelligenz, Klimawandel, Biodiversitätsverlust oder wachsende soziale Ungleichheit: Das 21. Jahrhundert ist gekennzeich-net von gewaltigen globalen Herausforderungen. Wissenschaft, Technik, Wirtschaft, Politik, Kultur – fast alle Bereiche der Gesellschaft sind überall auf der Welt konfrontiert mit einer historisch einzigarti-gen Verdichtung immenser Umbrüche und sie sind zugleich Quelle und Ursprung dieser Veränderung. Um in diesen Transformationsprozessen gesellschaftlich verantwort- lich handeln zu können, müssen Wissensbestände erweitert und kritisch reflektiert werden, auch in historischer Perspektive. Darum fördert die VolkswagenStiftung Forschung, die mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung Transformationsprozesse adressiert. Neben der Unterstützung grenzüberschreitender und multiperspektivischer Ansätze eröffnet die Stiftung neue Wege zur praktischen Mitgestal- tung gesellschaftlicher Transformationen und will daran auch Akteure außerhalb der Wissenschaft beteiligen. Eine weitere wesentliche Herausforderung besteht darin, relevante Debatten innerhalb der Wissenschaften mit aktuellen öffentlichen Debatten zu verknüpfen. Dabei will die Stiftung den Diskurs nicht bloß mit diagnostischer Expertise ergänzen, sondern die Zukunft antizipieren und konkrete Optionen für gesellschaftliches Handeln entwickeln – auch im Sinne von Prävention. Es geht also, kurzgefasst, darum, mit neuen Ideen auf eine stets aktuelle Frage zu antworten: In welcher Welt wollen wir leben? Die Rechtswissenschaftlerin Sabine Müller-Mall beschäftigt sich an der TU Dresden mit der Frage, wie Algorithmen sich in unsere soziale Welt einschreiben. 8 9
Der Chemie-Doktorand Anemar Bruno Kanj, ein Flüchtling aus Syrien, im Karlsruher Institut PROFILBEREICH für Technologie. Wissen über Wissen - Reflexion und Praxis der Wissenschaften Die Corona-Pandemie hat noch einmal schlaglichtartig den Reform- und Innovationsstau in wichtigen Bereichen des Wissenschafts- systems offengelegt. Standards von Forschung und Ethik, Verfahren von Begutachtung, Bewertung und Publikationen, Karriere und Governance – vieles, was lange als gegeben hingenommen wurde, wird zunehmend kritisch gesehen. In diesem neuen Profilbereich wird die VolkswagenStiftung gezielte Impulse zur strukturellen Verbesserung von Forschung und Lehre geben. Dabei richtet sich der Fokus auf drei Themenfelder: • Wissenschaftskulturen, • Wissenschaftskarrieren, • Wissenschaftsdiskurse. Die Stiftung fördert Strukturanalysen, eröffnet Experimentierräume und unterstützt ambitionierte Pilotprojekte. Wir fördern Wissen- schaftskarrieren und unterstützen jene, die über das System forschen, und andere, die den Mut haben, selbst Verantwortung für strukturelle Erneuerungen zu übernehmen. Wir wollen die Grenzen zwischen universitären und außeruniversitären Einrichtungen überbrücken und jene zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Verwaltung durchlässiger gestalten. Damit die Förderimpulse Wirkung entfalten, teilt die Stiftung Projektergebnisse mit Hochschulleitungen und anderen Wissenschaftsförderern, auch international. Und sie wird einen Rahmen setzen, der die Partizipation außerwissenschaftlicher Akteure in einzelnen Projekten ermöglicht – als weiteren Baustein in ihrem vielfältigen Engagement zugunsten der Erforschung und Praxis von Wissenschaftskommunikation. 10 11
QUERSCHNITTSBEREICH Wissenschaft in der Gesellschaft Während der Corona-Pandemie wurde in aller Schärfe deutlich, wie nötig eine faktenbasierte, am Gemeinwohl orientierte Wissenschafts- kommunikation ist: Sie schafft Vertrauen bei ihren Zielgruppen. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass die Wissenschaft ihre Unabhängig- keit erhalten und ihre Rolle als Zukunftsgestalterin erfüllen kann. Noch ist dieses Gefüge weitgehend intakt. Aber mit der wachsenden Zahl gesellschaftlicher Transformationsprozesse erhöht sich der Druck auf das Wissenschaftssystem, seine Relevanz und Legitimation zu verteidigen und in immer mehr Diskursarenen, auch digitalen, präsent zu sein. Für die Wissenschaftskommunikation leiten sich daraus gewaltige Herausforderungen ab – zu deren Lösung auch die VolkswagenStif- tung beitragen will. Dem Wissenschaftssystem möchte sie Diskurs- und Interaktionsräume anbieten, um zukunftsgewandten Haltungen und Konzepten einen Weg zu bahnen. Dem breiten Publikum wird sie im Tagungszentrum Schloss Herrenhausen in Hannover Diskussionen mit hochkarätig besetzten Panels zu aktuellen Wissenschaftsfragen anbieten, teils in Kooperation mit öffentlich-rechtlichen Rundfunk- häusern. Und sie wird an ausgewählten Hochschulen Zentren etablieren und fördern, in denen Wissenschaftskommunikation auf international wettbewerbsfähigem Niveau beforscht werden soll – mit Partnern im In- und Ausland und zu Fragestellungen, die nicht zuletzt auch für die kommunikative Praxis relevant sein sollen. Nicht mehr Wissenschaftskommunikation um jeden Preis ist das Ziel, sondern bessere Wissenschaftskommunikation – eine, die Wissen- schaft dorthin stellt, wo sie hingehört: in die Mitte der Gesellschaft. Laien diskutieren mit Expertinnen und Experten über Lebensmittelver- schwendung: An fast hundert Tagen im Jahr lädt die Stiftung die Bevölke- rung, aber auch Fachcommunities, zu Wissenschaftsveranstaltungen ins Tagungszentrum Schloss Herrenhau- sen in Hannover. 12 13
PERSPEKTIVEN „Was ich an dieser P rof. D r. Stefa n T reue, D i re k tor des Deutsc hen Stiftung besonders schätze“ P r i m aten zent r u m s, G öt t i ngen Prof. Dietmar Harhoff, Ph . D., D i re k tor a m M a x-Pl a nc k-I n s t it ut Sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem f ü r I n nov at ion u nd We t tbewerb, Mü nc hen; Honora r professor a n der Kuratorium sowie der Vorsitzende dieses obersten Entscheidungs- Ludw ig-M a x i m i l i a n s-Un iver sität gremiums haben den Strategieprozess eng begleitet. Welche Mü nc hen Merkmale des Förderkonzepts sind ihnen am wichtigsten? P rof . Dr. Beate S öntgen , P rofessu r f ü r Ku n s tge- P sc h ic hte, L euph a n a Un iver sität Lü nebu rg ilotvorhaben, die die VolkswagenStiftung mit ihrer Förderung initiiert, werden häufig von anderen Akteuren adaptiert und weiterentwi- ckelt. Auf diese Weise gelingt es ihr, nachhaltige, systemverändernde Wirkung zu erzeugen, über D ie Stiftung will Impulse setzen und sucht I dafür nach Ansatzpunkten. Sie erzeugt Reso- Disziplinen- und sogar über Ländergrenzen nanzschwingungen in Disziplinen und For- hinweg. I ndem die Stiftung noch kaum sichtbare schungsfeldern. Nur kommen diese Systeme Themen mit einem hohen Zukunftspotenzial erst in Schwingung, wenn ihre Eigenfrequenz Björ n T hü m ler, identifiziert, wird sie zur wichtigen Impulsgebe- getroffen wird. Ein beliebiger Impuls reicht nicht Nieder säc h si sc her M i n i s ter rin für Wissenschaft und Forschung. Sie ist aus. Daher muss die Stiftung die Systeme f ü r Wi ssen sc h a f t u nd bereit, unkonventionelle, vielversprechende kennen, darf sich aber nicht an ihre Eigenlogik Ku lt u r; Ku rator iu m s- vor sit zender neue Wege in der Wissenschaft zu unterstützen, binden. Prof. Dr. Cornelia Denz, so z.B. den transdisziplinären Austausch. Und sie D i re k tor i n des I n s t it uts f ü r setzt sich mit großem Engagement für die A ngew a ndte Phy si k , W W U Mü n s ter; P rofessor i n f ü r E x per i- Geistes- und Kulturwissenschaften ein! menta lphy si k u nd G ender for- sc hu ng i n der Phy si k P rof . Dr. T hom as Ca rel l , P rofessu r f ü r O rga n i sc he W C hem ie, Ludw ig-M a x i m i l i- P rof . Dr. H a ns M ic h ael Hei n ig, a n s-Un iver sität Mü nc hen L e h r s t u h l f ü r Ö f fent l ic hes enn die Stiftung eine neue Fördermaß- Rec ht, K i rc hen rec ht u nd nahme startet, tut sie dies mit dem selbstge- Sta atsk i rc hen rec ht, G eorg- E Aug u s t-Un iver sität G öt t i ngen wählten Anspruch, eine Vorreiterrolle zu über- nehmen, um vor der Welle zu schwimmen. Das s gelingt der Stiftung, fachliche Themen Kuratorium entscheidet, welche Förderanträge W mit gesellschaftlicher Relevanz zu verbinden, diesem Anspruch gerecht werden und welche indem sie interdisziplinäre Kooperationen auf nicht. Deshalb gehören die Diskussionen in Augenhöhe ermöglicht. Dabei erfasst sie die issenschaftliche Exzellenz ist der diesem Gremium für mich zu den erkenntnis- D Blickwinkel der Generation von übermorgen und Maßstab, an dem Persönlichkeiten und Projekte reichsten an der Schnittstelle zwischen Wissen- adressiert globale Herausforderungen mit gemessen werden, die sich um eine Förderung schaft und Gesellschaft. ie Stiftung ist im steten Austausch mit nachhaltiger Wirkung. bewerben. Aus der Exzellenz ergibt sich dann der Wissenschaft. Ein kreativer Dialog auf meist von selbst Relevanz für die Lösung auch Augenhöhe, in dem neue Förderideen entste- gesellschaftlicher, politischer und struktureller hen und die Stiftung die Wissenschaft immer Probleme. Dass diese Verknüpfung gelingt, ist wieder dazu herausfordert, radikal neu zu der Anspruch, der alle Förderformate der denken, risikoreich zu experimentieren und der Stiftung auszeichnet. Gesellschaft gegenüber verantwortungsvoll zu handeln. 14 15
FÜNF FAKTEN Organisation Hannover Gegenwärtig beschäftigt die VolkswagenStiftung etwas mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, überwiegend in den drei Abteilungen Förderung, Vermögensanlage, Finanzen und Verwaltung. Vier Stabsstellen berichten direkt an den Generalsekretär, der die Stiftung leitet. Den Vorstand der Stiftung bildet das Kuratorium mit 14 Persönlichkeiten aus der Wissen- Geschichte schaft und anderen Bereichen der Gesellschaft. Das 1962 Kuratorium tagt in der Regel dreimal im Jahr, um in Die Stiftung verdankt ihre Existenz und ihren Strategiefragen und über Förderanträge zu entscheiden. Namen einem Vertrag zwischen der Bundesre- Stiftung publik Deutschland und dem Land Niedersach- sen von 1961, welcher die Auseinandersetzung Die VolkswagenStiftung ist die größte private Forschungsförderin um die ungeklärten Eigentumsverhältnisse am und eine der großen Stiftungen in Deutschland. Ihr Zweck ist es, „Volkswagenwerk“ nach dem 2. Weltkrieg Geistes- und Sozialwissenschaften, Natur- und Lebenswissenschaf- beendete. Die damalige Volkswagenwerk ten sowie Technik in Forschung und Lehre zu unterstützen. Sie GmbH wurde in eine Aktiengesellschaft wurde von der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Nieder- umgewandelt; der Erlös aus dieser Privatisie- sachsen als eine eigenständige, gemeinnützige Stiftung privaten rung bildete das Gründungskapital der Kuratorium Rechts gegründet und nahm 1962 ihre Arbeit auf. Die Stiftung mit Stiftung. Sitz in Hannover ist nicht mit dem Unternehmen Volkswagen AG verbunden. 3.5 Mrd. Generalsekretär Kapital und Fördermittel Konzept Gegenwärtig beträgt das Stiftungskapital rund Stabsreferate 3,5 Milliarden Euro. Die für Förderung zur Die Stiftung möchte eine inspirierende Partnerin der Wissenschaft sein. In der sorgfältigen Verfügung stehenden Mittel werden aus der Entwicklung ihrer Profilbereiche und Förderinitiativen geht die Stiftung auf Bedürfnisse der Anlage des Vermögens generiert und kommen Forschung ein, zugleich berücksichtigt sie dabei die Herausforderungen , denen sich Gesell- hauptsächlich dem Bereich „Allgemeine schaften weltweit gegenübersehen. Die Stiftung legt ihren Fokus auf den Aufbau innovativer Förderung“ zugute. Hinzu kommen Gewinn- Forschungsfelder, der Förderung interdisziplinärer Ansätze und die Unterstützung exzellenter, ansprüche aus 30 Millionen Volkswagen- insbesondere junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Stiftung fördert auch die Treuhandaktien des Bundeslandes Niedersach- Zusammenarbeit über die Grenzen von Ländern und Kontinenten hinweg und eröffnet neue sen (hauptsächlich Dividenden). Diese Mittel Förderung Vermögensanlage Finanzen und Möglichkeiten multinationaler Forschung zu globalen Themen. Verwaltung werden an Forschungseinrichtungen in Niedersachen vergeben, in enger Zusammenar- beit mit dem Land („Niedersächsisches Vorab“). In den letzten Jahren vergab die Stiftung Herausgeberin: VolkswagenStiftung, Hannover. Redaktion: Jens Rehländer (Texte), Julia Fischer (Fotos). Agentur: mann + maus KG, Hannover. Fördermittel in Höhe von durchschnittlich etwa Druck: Gutenberg Beuys Feindruckerei GmbH, Langenhagen. © VolkswagenStiftung, 2021. Fotonachweis: Titel: mrs/Moment/Getty Images; Seite 1: Thomas 200 Millionen Euro. Bach; Seite 2: Gordon Welters; Seite 4: Philip Bartz; Seite 6-7: Ilabel Winarsch; Seite 8-9: Gordon Welters; Seite 10-11: Rui Camilo; Seite 12-13 Patricia Kühfuss; Seite 14: Brinkhoff-Moegenburg, Philip Bartz, Daniel Möller; Seite 15: Ingo Bulla, David Ausserhofer, Evelyn Hülsheger, Mario Wezel 16 17
Wir stiften Wissen VolkswagenStiftung Kastanienallee 35 30519 Hannover Tel.: (0511) 8381-0 info@volkswagenstiftung.de www.volkswagenstiftung.de
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