August Euler - Leben und Werk - Prof. Dr. Hanns Peter Euler - Prof. Dr. Hanns Peter Euler Universität Linz
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Prof. Dr. Hanns Peter Euler August Euler – Leben und Werk Prof. Dr. Hanns Peter Euler Universität Linz
2 „August Euler – Leben und Werk“ Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „100 Jahre August Euler-Flugplatz“ und Verleihung des August Euler- Luftfahrtpreises am 30. Juni 2008 Hessisches Staatsarchiv Darmstadt
4 Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin Prof. Dr. Gehring, sehr geehrter Herr Kanzler Dr. Efinger, sehr geehrter Herr Kreisbeigeordneter des Landkreises Darmstadt-Dieburg Uwe Bülter, sehr geehrter Herr Kollege Prof. Pfohl, sehr geehrter Herr Fiebig, liebe Freunde des August Euler Flugplatzes, liebe Gäste! Es ist mir ein besonderes Anliegen, mich zu allererst bei den Veranstaltern an der TU Darmstadt dafür zu bedanken, dass man der 100jährigen Geschichte der Deut- schen Luftfahrt, die hier in Darmstadt/Griesheim mit August Euler einen ihrer wichtigen Ausgangspunkte nahm, mit einer Ringvorlesung in akademischer Weise gedenkt. Die Perspektive eines Enkels macht es nicht ganz einfach, zwischen Respekt und Bewunderung für den Großvater einerseits und Coolness und gebotener sachlicher Distanz gegenüber seinen vielen Aktivitäten und Ereignissen in seinem Leben an- dererseits, einen ausgewogenen Weg zu finden. Erleichtert wird mir mein Vortrag allerdings dadurch, dass über den Beginn der Luftfahrt in Darmstadt/Griesheim und August Euler im Rahmen der Ringvorlesung "100 Jahre August Euler- Flugplatz, Historie-Technik-Natur" im Sommersemester 2008 durch den Beitrag von Herrn Christian Kehrt vom Deutschen Museum München bereits referiert wurde.1 Ich kann wohl davon ausgehen, dass die wichtigsten Leistungen und Beiträge Au- gust Eulers für die Entwicklung des Motorfluges hier in Darmstadt wohl bekannt sind und auch durch ausführliches Schrifttum belegt sind. Allerdings fällt mir auf, dass in der historischen Aufarbeitung und im Verlaufe der Geschichtsschreibung über viele Ereignisse und Pionierleistungen aus den Anfängen der Motorfliegerei in Deutschland unterschiedlichste Auffassungen vertreten werden, ja oft – auch heute noch – nach hundert Jahren nach wie vor Unklarheiten und Widersprüche hartnäckig sich fortschreiben, zu deren Aufklärung noch allerorts beizutragen ist. 1 Kehrt, Christian, August Euler und die Anfänge der Luftfahrt in Darmstadt-Griesheim, in Göller, Andreas und Holtmann, Annegret (Hrsg.), Ein Jahrhundert Luftfahrtgeschichte zwischen Tradition, Forschung und Land- schaftspflege – Der August Euler Flugplatz in Darmstadt-Griesheim, Darmstadt 2008
5 Aus diesen Gründen möchte ich meinen Vortrag schwerpunktmäßig den Lebens- phasen August Eulers vor und nach seiner fliegerischen Tätigkeit widmen und dar- über hinaus offene Fragen in der historischen Wiedergabe seiner Leistungen für die Luftfahrt aufgreifen. Teilweise sind die Leistungen August Eulers und auch anderer Flugpioniere über die Zeit in Vergessenheit geraten oder durch andere, zum Teil auch politische Ein- flussnahmen, zwischenzeitlich fehlinterpretiert oder gar verdrängt worden. Im Fal- le August Eulers kommt hinzu, dass er im Unterschied zu vielen der frühen Pionie- re des „Fliegens schwerer als Luft“ aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur aus Überzeugung viele Rollen übernahm und ausübte, als Flugzeugkonstrukteur und Fabrikant, als Erfinder, als Flugzeugführer, als Fluglehrer, als Organisator des Flugsportwesens und deren Verbände, als Mitinitiator der National-Flugspende, als Wegbereiter der Deutschen Flugwissenschaft und deren institutionellen Etablie- rung, als Gründer des Vereins Deutscher Flugzeugindustrieller, deren erster Vor- sitzender er durchgängig bis zum Ende des 1. Weltkrieges war, als Leiter des Reichsluftamtes und Verantwortlicher für den Wiederaufbau der zivilen Luftfahrt, als Begründer des Reichsausschusses für Luftfahrt, nebenher war er auch noch Sportler, Tänzer und Tennisspieler, Musiker und Dichter und vieles mehr. Hebt man eine dieser Rollen besonders hervor, gerät man zwangsläufig in Gefahr, seine Persönlichkeit und sein vielseitiges Wirken für die Entwicklung der Deut- schen Luftfahrt insgesamt unterzugewichten oder ganz aus dem Auge zu verlieren. Wohl aufgrund dieser Vielfältigkeit seiner Persönlichkeit gibt es bis heute noch keine umfassende Biografie, obwohl hierzu schon mehrere, allerdings ergebnislose Anläufe waren, wie z.B. von Dr. Buss aus Mannheim und auch dem ehemaligen Oberbürgermeister von Darmstadt, Dr. Sabais. Nebenberuflich und ehrenamtlich war eine solche aufwendige Leistung wegen der erforderlichen vielen Recherchen wohl nicht zu erbringen. Mein Großvater hat in den letzten Jahren seines Lebens an verschiedenen Fragmenten über sein vielfältiges Wirken begonnen, seine Me- moiren zu schreiben, die bisher unveröffentlicht blieben, aber dennoch einen tief- greifenden Einblick in viele seiner Beweggründe gewähren. Kein anderer Flugpionier aus der frühen Zeit hat so viel für die Entwicklung der Deutschen Luftfahrt geleistet wie August Euler.
6 Sein Leben lässt sich am besten verstehen, wenn man seinen Werdegang entlang seiner vielen Lebensstationen verfolgt.2 - August Euler wurde am 20. November 1868 in Ölde/Westfalen geboren und entstammt dem Familienzweig, aus dem auch der Mathematiker, Astronom und Philosoph Leonhard Euler hervorging. - Bis zum 14. Lebensjahr besuchte der junge Euler die evangelische Grund- schule in Aachen. Vom 14. bis zum 17. Lebensjahr machte er eine grafische Ausbildung und – nachdem ihn diese nicht sonderlich ausfüllte – wandte er sich durch autodidaktisches Studium der Mathematik, Philosophie und dem Europäischen Handelsrecht zu. Er tat dies später während seiner vielen Rei- sen durch Europa. - Mit dem 17. Lebensjahr war seine schulische Ausbildung und bis zum 20. Lebensjahr der Militärdienst (1885 bis 1888) bereits abgeschlossen. Weder die Schulbank noch Militärreglements konnten den ungestümen August Eu- ler in seinem Tatendrang nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zu- rückhalten, was ihn schließlich auch zum Unternehmer prädestinierte. - In den Jahren 1888 bis 1893, also etwa bis zum 25. Lebensjahr, war August Euler einerseits als technischer Kaufmann an verschiedenen Orten (Köln, Einbeck, Brandenburg) in Deutschland tätig, aber auch ein passionierter und ebenso populärer Radrennfahrer (z. B. im Berliner Sportpalast). Wie über- haupt auch sein späteres Leben immer durch den Aufeinanderbezug von pro- fessioneller Tätigkeit und gleichzeitiger Anwendung durch die Wahl des sportlichen Engagements geprägt ist. Verkauf von Fahrrädern und Radrenn- fahrer, Konstruktion und Verkauf von Automobilen und Automobilrennfah- rer. Gleiches gilt später grundsätzlich auch für das Flugzeug. - Nach dem 25. Lebensjahr begann eine Phase der Professionalisierung als technischer und juristischer Kaufmann, als allein Bevollmächtigter von be- deutenden Firmen der aufkommenden Fahrräder-, Maschinen- und Kugella- gerindustrie, nicht nur in Deutschland, sondern mit internationaler Ausrich- tung. Seine Reisen führten ihn in den Jahren 1893 bis 1898 durch viele Städ- te Europas, noch weiter nach Russland, Japan und China. So manche Anek- dote aus dieser „Wanderzeit“ ist uns heute erhalten, z.B. die Vorführung und 2 Euler, Karl, Das Geschlecht Euler-Schölpi - Die Geschichte einer alten Familie, Gießen 1955, S. 154f.
7 Einführung des ersten Fahrrades (1895) in Russland, das er der staunenden, aber ebenso auch ungläubigen Bevölkerung von Nischninovgorod, durch das Anheuern von tscherkessischen Zirkusakrobaten vorführte und damit vor Ort nachwies, dass auch Russen Radfahren lernen können, was man dort zu- nächst bezweifelte. - Von 1898 bis 1900 war er Direktor der Petersunion Pneumatik Autogesell- schaft in Frankfurt/Main, ab 1900 war er alleinbevollmächtigter Vertreter der Dresdner AG Seidel & Naumann, für alle europäischen Länder als Inge- nieurvertreter. - Er heiratete am 21. Juni 1900 in Frankfurt Luise Ripperger, Tochter des Försters Ripperger bei Bethmann Hollweg, mit der er später sechs Kinder hatte, eines starb in jungen Jahren. - 1902 siedelt er mit seiner Familie – mein Vater als Ältestgeborener war noch nicht einmal ein Jahr alt – nach Dresden, um die neu aufkommende Auto- mobilfabrikation dort einzurichten. Er konstruierte selbständig 5 verschiede- ne Autotypen, die schon produziert wurden. Aber der Aufsichtsrat setzte lei- der kein längerfristiges Vertrauen in die Produktion von Automobilen, so- dass August Euler mit seiner Familie schon 1903/04 nach Frankfurt zurück- kehrte. - Jetzt macht sich August Euler nach dem 35. Lebensjahr selbständig und gründete 1904 ein Handelshaus, denn er hatte erkannt, dass der Handel mit Automobil-Konstruktions-Material eine wichtige Marktlücke für die Auto- mobil- und Zulieferteile-Industrie war, wie z.B. Bosch Zündapparate, Unter- nehmen also, die ursprünglich nur Produktionsaufgaben wahrnahmen. - August Euler hatte sich ein profundes Wissen über alle wichtigen Materia- lien der aufkommenden Stahl- und Metallindustrie angeeignet und sicherte sich damit internationale Vertriebsmonopole im Bereich der Automobilfab- rikation. - Hierzu gehörten Firmen, deren sämtliche Erzeugnisse er als erster Groß- händler im Alleinverkauf vertrieb. Firmen wie: - Robert Bosch, Stuttgart - Otto Gruson & Co, Magdeburg-Buckau
8 - Ludwig Löwe & Co AG, Berlin - Norma Compagnie GmbH, Cannstatt - Acieries & Forges de Firminy AG (Loire)3Dyle & Bacalan, Löwen, Bel- gienusw. In materieller Hinsicht vertrat er damit führende Unternehmen der aufkommenden Automobilindustrie in Europa. So konnte man an der internationalen Automobilausstellung des Deutschen Auto- mobilklubs 1905 in Berlin, an der er 5 Ausstellungsstände unterhielt, in seinem Ausstellungskatalog lesen:4 „Ich bitte, mich nicht als Händler oder Grossist zu be- trachten, ich ziehe es zu Gunsten meiner Leistungsfähigkeit vor, der allein bestellte Vertreter einer Welt-Firma für jedes Spezial-Produkt zu sein. So bediene ich meine Abnehmer direkt vom Fabrikanten; an billigem Einkauf habe ich kein Interesse, sondern in allen Fällen dieselben Interessen wie meine Abnehmer.“ Natürlich war August Euler neben der Führung seines Handelshauses zur gleichen Zeit ein erfolgreicher Automobilrennfahrer (z.B. Gewinner des Grand Prix de France), aber auch Motorradspezialist, Schiläufer, Tennisspieler. Aber weder der Sport noch sein blühendes Handelsunternehmen waren für August Euler Endstati- onen und Ruhepunkte seines Lebens. Bis zu diesem Zeitpunkt seines Lebens zeichnen sich aus meiner Sicht als Enkel bereits eine Reihe von teilweise miteinander konkurrierenden Persönlichkeits- merkmalen August Eulers ab: - Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem, insbesondere was Technik, verbun- den mit Risikobereitschaft, betrifft. - Streben nach hoher Qualität und höchsten Leistungen. - Geistige Aktivität immer in Verbindung mit körperlicher Betätigung. - Er ist Visionär und scheut keine Schwierigkeiten bei der Umsetzung neuer Ideen, allerdings hat dies auch Grenzen. 3 Für Deutschland, Holland, Belgien, Schweiz, Österreich-Ungarn, Skandinavien und Russland, Grands Prix an den Weltausstellungen Paris 1900, St. Louis 1904 , Lüttich 1905). 4 Ausstellungskatalog an der Internationalen Automobilausstellung des Deutschen Automobil-Clubs Berlin 1905: August Euler - Frankfurt am Main – AUTOEULER.
9 - Originalität und Kreativität sind für ihn keine Fragen von demokratischen Mehrheiten und daher auch sein Hang zum Unkonventionellen. - Sein Drang nach Unabhängigkeit und Selbständigkeit ist außerordentlich ausgeprägt, daher auch Autodidakt. - Ausgeprägter Gerechtigkeitssinn für sich und andere, der ihn streitbar macht und später öfters den Rechtsweg beschreiten lässt. Aufgrund dieser ausgeprägten Persönlichkeitsstruktur war es unausweichlich, dass sich August Euler dem damals in Deutschland absolut unkonventionellen „Fliegen schwerer als Luft“ zuwenden musste. Hierzu verhalfen ihm seine persönlichen Kontakte mit befreundeten französischen Automobilrennfahrern und zugleich ers- ten Flugpionieren, wie Blériot, Baron de Caters, Delagrange, Latham, Farman, Rougier und Santos Dumont. 1907/08 entschließt sich August Euler – risikobereit wie er war – sich dieser tech- nischen Innovation mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zuzuwenden. Klar war aus seiner unternehmerischen Sicht, die erfolgreichen französischen Kon- struktionserfahrungen zu nutzen – deutsche gab es praktisch keine – als er 1908 nach etwa einjähriger Anbahnung einen Lizenzvertrag für Deutschland mit Voisin abschloss. Nicht ahnen konnte er zu diesem Zeitpunkt, dass er mit dieser für ihn völlig logi- schen Idee ein fürchterliches Fiasko erleben würde. Wie ernst ihm diese existen- zielle Neuorientierung war, zeigt die visionäre, aber professionelle Gründung der Euler-Werke schon im Oktober 1908, der Vertragsabschluss über die 5jährige Nut- zung eines Teils des Griesheimer Exerzierplatzes Anfang 1909 als Flugplatz, zugleich die Errichtung einer Flugzeugfabrik mit Konstruktionsbüros, Werkstatt, Montagehalle und für den Flugzeugbau erforderlichen Maschinen und ebenso ein Pilotenhaus für die Ausbildung von zukünftigen Käufern und Piloten, die einmal seine Fabrikate fliegen sollten, welch unternehmerischer Weitblick. Kein anderer Flugzeugpionier und -bauer hat in Deutschland zu diesem Zeitpunkt eine solche weitblickende Vision mit entsprechenden Umsetzungsrisiken gehabt und gewagt. Es wird dem gegenüber immer wieder behauptet, dass nicht August Euler die erste deutsche Flugzeugfabrik mit allen hierzu erforderlichen Einrichtungen hatte, sol- che Auffassungen traten allerdings erst nach dem nationalsozialistischen Um-
10 schwung nach 1933 auf, als die Heroisierung des Deutschtums auch über die Leis- tungen der frühen Flugpioniere national und weltweit, also etwa 25 bis 30 Jahre nach den aktuellen Ereignissen, ganz systematisch betrieben wurde. August Euler hat sich in diesen Jahren allen solchen Vereinnahmungsversuchen widersetzt und wurde deshalb in der damaligen Geschichtsschreibung unterdrückt bzw. negiert. Aus diesem politisch motivierten Kontext sind flughistorische Publi- kationen ab dieser Zeit, wie z.B. das Buch der Deutschen Fluggeschichte von Peter Supf, 1935, oder die Schriften über Rumpler, Grade, Fokker usw., mit Vorsicht zu behandeln. Auch in späteren Publikationen, nach dem 2. Weltkrieg, praktisch bis heute noch, findet eine Fortschreibung der Darstellungen aus dieser Zeit statt, da gerade jüngere Historiker über die Einflussnahmen im Nationalsozialismus und die langfristigen Auswirkungen im Schrifttum nicht ausreichend informiert sind. Zweckdienlicher sind dem gegenüber zeitnahe Originalquellen und Dokumentatio- nen aus der frühen Pionierzeit, wie z.B. die Zeitschrift Flugsport von Oskar Ursi- nus ab Ende 1908 oder Braunbecks Sportlexikon Automolbilismus- Motorbootwesen-Luftschiffahrt 1910 und Ausgabe 1911-1912, Hildebrandts Luft- schifffahrt 1910 oder der Jahresbericht der National-Flugspende für 1913.5 Ein ziemlich klares Bild ergibt sich aus dem Jahresbericht der National-Flugspende für 1913. Die für Förderungen zugelassenen Flugzeughersteller mussten hierzu sowohl ihre Entwicklungsgeschichte als auch alle flugtechnischen Leistungen schriftlich versichern. Die Behauptung im Buch von Jörg Arnim Kranzhoff zur Rolle von Edmund Rumpler für die Deutsche Luftfahrt, veröffentlicht im Jahr 2004, dass die 1908 in Berlin gegründete Firma „E. Rumpler, Luftfahrzeugbau“, die älteste deutsche Flugzeugfabrik sei, ist schlichtweg falsch. Im Jahresbericht der National-Flugspende 1913 (S. 250) heißt es unter E. Rumpler, Luftfahrzeugbau GmbH, Firma: „Der Grundstein zu der Firma E. Rumpler, Luft- fahrzeugbau GmbH, wurde im November 1908 gelegt. Der heutige Direktor des Unternehmens, Herr Ing. Edmund Rumpler, gliederte damals seinem technischen Büro eine Luftfahrzeugbauanstalt an, in der weniger die fabrikmäßige Herstellung eines neuen Typs als die Begutachtung und eventuelle Ausführung Erfolg verhei- ßender Ideen beabsichtigt war. Nebenbei war die Herstellung von Modellen pro- 5 National-Flugspende Jahresbericht, Berlin 1913
11 jektierter Flugapparate ins Auge gefasst. Diesen Aufgaben, die dem damaligen Stande des Flugwesens in Deutschland entsprachen, konnte in den bescheidenen Räumlichkeiten entsprochen werden, wie sie die ersten Anfänge der Firma in Tem- pelhof und nachher in dem Seitentrakt eines Fabrikgebäudes in der Reinickendor- fer Straße darstellten.“ Abbildung 1: Auszug aus National=Flugspende Jahresbericht für 1913, S. 250. Eine fabrikmäßige Herstellung von Motorflugzeugen war zu diesem Zeitpunkt der Firmengründung – wie behauptet – also weder vorgesehen noch gegeben. Eine übereinstimmende Darstellung ist auch in Braunbecks Sportlexikon 1910 zu fin- den, mit dem Verweis auf die Absichtserklärung einer Umsetzungsmöglichkeit fremder Erfindungen und Ideen. Erst ab Juli 1910 wird fabrikmäßig mit der Her- stellung von Rumpler-Etrich Tauben mit entsprechender Lizenzvertragsabsiche- rung begonnen.6 Ein weiteres Beispiel für die Reklamation der 1. Deutschen Flugzeugfabrik bei Ita- liaander 1939 über Hans Grade zeigt nachweislich unter Hans Grade, Fliegerwerke Bork: „Nach den ersten Flügen Hans Grades im August 1909 und seiner erfolgrei- chen Bewerbung um den Lanz-Preis sowie einigen Schauflügen in größeren Städ- ten von Deutschland wurde im Winter des selben Jahres (also 1909/1910, der Ver- fasser) eine Fabrik gegründet, da aus privaten Kreisen sich ein reges Interesse für 6 Braunbecks Sportlexikon 1910, Teil Luftschiffahrt, S. 355
12 Flugmaschinen zeigte“. Daraus geht klar hervor, dass Grades Flugzeugfabrik erst ein Jahr später als die Euler-Werke gegründet wurde. Abbildung 2: Auszug aus National=Flugspende Jahresbericht für 1913, S. 244. In derselben zeitnahen Quelle heißt es unter Euler-Werke, Frankfurt/Main „Im Ok- tober 1908 wurde diese älteste deutsche Flugmaschinenfabrik von dem heutigen Inhaber August Euler begründet. Die Euler-Werke hatten ihren Sitz ursprünglich auf dem Griesheimer Truppenübungsplatz.“ Abbildung 3: Auszug aus National-Flugspende Jahresbericht für 1913, S. 234. Interessant ist bei Grade auch, dass er seine Flugleistungen mit dem Dreidecker im Oktober 1908, die auf jeden Fall anerkennenswert und verdienstvoll sind, nicht dem Kuratorium der National-Flugspende vorgelegt hat, obwohl es um die Zulas- sung für Förderungsleistungen ging. Offenbar waren diese frühen Flugleistungen für Hans Grade zu diesem Zeitpunkt 1912 nicht erwähnenswert. Erst im Buch von
13 Italiaander werden 1939 – also 30 Jahre später – diese Pionierleistungen historisch aufgearbeitet und aufgewertet. Hans Grade hatte mit seinem Dreidecker, mit dem er seine Flugversuche bzw. Flü- ge machte, ein konstruktionsbedingtes nicht gelöstes Landeproblem, da diese kür- zeren Flugphasen durchwegs allesamt mit Bruch endeten, Hans Grade nannte es „Kleinholz“ (Italiaander, S. 37). Hans Grade ist auf den Bau seines Eindeckers im August 1909 übergegangen. Diese Maschine war – wie in der zeitgenössischen Presse und ebenso der Fachliteratur als ein Nachbau vermerkt – an der Libellul (Libelle) bzw. der Demoiselle II von Santos Dumont zumindest in wesentlichen Teilen (wie z.B. Verspannung und der Hängegleitersitz) orientiert.7 Hans Grade nannte seinen Eindecker 1909/10 zunächst auch bezeichnenderweise „Grade- Libelle“. August Euler – dem dies nicht entgangen war – hielt das Vorgehen – nachdem der Nachbau von Santos Dumont weltweit freigegeben war – als durch- aus legitim. Jedoch wie verträgt sich dieser Sachverhalt mit der vom Lanz Preis der Lüfte geforderten " rein deutschen Konstruktion"? Im Folgenden möchte ich einige Punkte herausgreifen, die in der Literatur über August Euler besonders unklar oder widersprüchlich bzw. zum Teil auch falsch dargestellt werden: I. Zum 1. Deutschen Motorflug Wer nun wirklich in Deutschland als Erster geflogen ist, wird wohl solange offen bleiben, bis eine allgemein akzeptierte Definition eines erfolgreichen Motorfluges, über das Stadium von Flugversuchen und deren Beendigung hinaus vorliegt. Klare Kriterien für einen solchen erfolgreichen aerodynamischen Flug sind bis heute in der einschlägigen Literatur nicht zu finden. Der Lanz-Preis der Lüfte erforderte beispielsweise nach Ausführung der vorgegebenen Flugleistungen einen „defekt- freien“ Flug. 1. Gehört hierzu eine gelungene Startphase bis zum Abheben des Flugappara- tes aus eigener Kraft, 2. eine über den Startpunkt überhöhte aerodynamische Flugphase nach dem Plan und Willen des Piloten und 7 Hildebrandt, Luftfahrt, 1910, S. 262 und S. 395
14 3. eine erfolgreiche glatte Landung ohne Defekt und Bruch, als der auch heute noch schwierigsten Phase eines abgeschlossenes Fluges, oder reicht eine verkürzte Definition, die nur eine aerodynamisch stabilisierte kur- ze Flugphase – also ohne bruchfreie bzw. glatte Landung – voraussetzt? Bei den Gebrüdern Wright z.B. war die glatte Landung das historische Erfolgskri- terium eines erstmals in der Welt gelungenen Motorfluges im Jahr 1903. Doch zurück zu Grade: Grade selbst schildert bei Italiaander (S. 39) im Jahre 1939 seine Eindrücke bei seinem ersten Flug mit seinem Dreidecker im Oktober 1908 auf dem Crackauer Anger – übrigens von einem Hügel herab – „Vor mir mein ers- ter Bruch, hinter mir mein erster Flug.“ Grades Dreidecker war aufgrund der sehr geringen Bodenfreiheit der untersten Tragfläche (einschließlich Fahrwerk) praktisch nicht bruchfrei zu landen, da zu- dem eine Schräglagensteuerung fehlte. Abbildung 4: Auszug aus Braunbeck’s Sportlexikon – Automobilismus – Motorbootwesen – Luftschifffahrt 1910, S. 32.
15 Der Gradekenner Herr Dr. Rudolf Prinz, der leider viel zu früh verstorben ist, hat mir diesen Sachverhalt in einem persönlichen Gespräch geschildert.8 Grade hat vermutlich aus diesem Grunde seinen Dreidecker aufgegeben. In Braunbecks Sportlexikon 1910 wird zeitnahe bei den Dreideckerflügen Grades von „Flugversuchen“ gesprochen und nicht von gelungenen Flügen. In der Ausga- be 1911-1912 desselben Sportlexikons ist unter Hans Grade (S. 172) nachzulesen: "... seit 1908 macht er Flugversuche und benutzte anfangs einen Dreidecker, ging schließlich aber zum Eindecker über. Mit diesem hat er große Erfolge erzielt. Am 17.10.1909 konnte er auf dem Flugplatz Bork vier wohlgelungene Flüge ausführen und zeigte dadurch, daß er die Bedingungen des Lanz-Preises der Lüfte erfüllen kann... ." 8 Vgl. hierzu auch Prinz, Rudolf, Hans Grade -Ingenieur und Flugpionier, Vortrag anlässlich der Gedenk- veranstaltung am 24.10.1996 in Magdeburg zum 50. Todestag Hans Grades, unveröffentlichtes Manu- skript S. 6
16 Abbildung 5: Auszug aus Braunbeck’s Sportlexikon – Automobilismus – Motorbootwesen – Luftschifffahrt 1910, S. 260.
17 Im selben Sportlexikon, Ausgabe 1911-1912, heißt es unter August Euler (S.105): "...Am 20. August 1909 flog Euler offiziell kontrolliert als erster Deutscher. Nach dem offiziellen Bericht des Frankf. VfL (Verein für Luftschifffahrt, der Verfasser) hat er an der Frankfurter Flugwoche, also in einem internationalem Wettbewerb, am 7.10.1909 den ersten Preis für die längste Flugdauer gegen Latham und Rou- gier erhalten, indem er sich 4 Min. 54 Sec. in der Luft hielt... ." Folgt man diesen historischen Quellen, so ist August Euler vor Hans Grade nach dem damaligen zeitgenössischen Verständnis eines Motorfluges über Flugversuche hinaus als erster Deutscher tatsächlich geflogen. Die angeblichen ersten "Flüge" eines Deutschen im Oktober 1908 durch Grade sind damit nachweisbar erst 30 Jah- re später "entdeckt" bzw. durch die Geschichtsschreibung im Dienste des damali- gen politischen Systems im Nachhinein aufgewertet und für die Nachwelt manipu- liert worden. Auch im Leitartikel anlässlich "10 Jahre Zeitschrift Flugsport" ist bei Oskar Ursinus 1918 zu lesen: "Mit Flugversuchen Ende 1908 auf dem Griesheimer Exerzierplatz und auf dem Magdeburger Krackauer Anger hatte die Entwicklung des Motorflugwesens in Deutschland eingesetzt."9 Wie gesagt, bedarf es zur Klärung dieser historischen Sachverhalte einer eindeuti- gen Definition eines gelungenen Motorfluges auf der Grundlage der Anerkennung durch die International Science Community. II. Motorfliegen als Sport „Fliegen schwerer als Luft“ war in der frühen Pionierzeit Sport. Dies zeigt sich auch in vielen Bezeichnungen, wie z.B. der Zeitschrift von Ursinus „Flugsport“, „Frankfurter Flugsportklub“ oder die unterzeichnende „Sportkommission des Deutschen Luftschifferverbandes“ bei der Vergabe von Flugzeugführerpatenten. Sportliche Leistungen bedürfen bekanntlich – und das ist charakteristisch für den Sport im nationalen und internationalen Wettbewerb – immer eines Nachweises bzw. einer Bestätigung oder Kontrolle durch Experten, über eigene Angaben und Darstellungen von Sportaktiven wie auch Flugpionieren und Presseberichten hin- aus. Persönliche Behauptungen reichen daher keinesfalls aus, sondern bedürfen einer Bestätigung durch fachkundige unabhängige Personen, wie dies offiziell ins- besondere bei allen Erstleistungen national und international gefordert wird. Sol- 9 Flugsport No.1, 2. Januar 1918, Jahrgang X, S. 1.
18 che Nachweise fehlen Hans Grade für seine frühen Flüge bzw. Flugversuche mit seinem Dreidecker im Jahr 1908 völlig.10 August Euler war – wie vielfach dokumentiert – auf der ILA 1909 (von August bis Oktober, erstmals am 20. August) in Frankfurt unter den genannten Kriterien eines offiziell kontrollierten Fluges tatsächlich geflogen, mit Start, planmäßig ausgeführ- ter Flugphase und bruchfreier Landung am Ende des Flugfeldes und hat als erster Deutscher an der Fliegerwoche vom 07. bis 13. Oktober 1909 einen bzw. mehrere Flugsportwettbewerbe gewonnen.11 Grades erster sportlicher Wettbewerb war mit dem Gewinn des Lanz-Preises der Lüfte am 30. Oktober 1909 also später. Euler und Grade waren im Übrigen in ihrer aktiven Zeit als Flugpioniere immer freundschaftlich verbunden und unterstützten sich gegenseitig, wie die Korrespon- denz zwischen beiden zeigt. Einen ernsthaften Streit über den ersten deutschen Pi- loten hat es zwischen ihnen zu keiner Zeit gegeben. III. Thema der Eigenkonstruktion Die an der ILA ausgestellten Flugmaschinen von August Euler einschließlich Vor- führmaschine (Nr. 3) waren sämtlich mit Ausnahme des Motors in den Euler- Werken in Frankfurt und Darmstadt aus eigenen vorgefertigten Materialien herge- stellt (eine Maschine hatte bereits einen Adler-Motor). Alle Maschinen waren – wie vielerseits bestätigt – eigene Konstruktionen mit eigenen Charakteristiken, wie auch aus dem noch vorhandenen „National“, dem Herstellerverzeichnis aller in den Euler-Werken hergestellten Flugmaschinen in Darmstadt/Griesheim und ab 1912 in Frankfurt/Niederrad bis zum Ende des 1. Weltkrieges hervorgeht und ebenfalls 10 Düsing, Michael, August Euler - Abriss seines Lebens, Festschrift aus Anlass des Jubiläums 80 Jahre Deutsche Luftfahrtverwaltung, Nov. 1998 11 An der ILA 1909 gewann August Euler folgende Flugwettbewerbe und Preise*: - C.v. Goldschmidt-Rothschild – Preis: 2. Preis: Euler; Zeit: 21 mal 30 sec. (2000.- Mark) - Preis für den schnellsten Flug: 2. Preis: Euler 15,4 sec. (1000.- Mark) - Täglicher Schnelligkeitspreis, 7. Okt. 09, 2. Preis: Euler 1 min. 42 sec. (200.-Mark) - Täglicher Distanzpreis, 7. Okt. 09, 1. Preis: Euler 4,5 km (400.- Mark) - Aufmunterungspreis der Familie Th. Stern: Euler, 5 mal 30 sec. à 300.- Mark: 1500.- Mark - Jungfernpreis, gestiftet von Herrn Adolf Gans: Euler 6 mal über 200 m. à 200.- Mark: 1200 Mark Gesamt: 6300.- Mark * Lepsius, Bernhard und Wachsmut, Richard (Hrsg.), Denkschrift der ersten Internationalen Luftschif- fahrt – Ausstellung (ILA) zu Frankfurt a./M. 1909, offizieller Bericht, Band II, Ergebnisse der Ausstel- lung, Fliegerwoche-Preise ( v. 7. bis 13. Okt. 1909), Verlag von Julius Springer, Berlin 1911, S. 83ff.
19 von zeitgenössischen Fachexperten an der ILA wiederholt (wie z.B. durch Oskar Ursinus)12 bestätigt wurde. Der von Euler entwickelte Doppeldecker wog weniger und brachte wesentlich bes- sere aerodynamische Voraussetzungen als das Voisin-Modell. Die Behauptung, Euler sei auf Voisin oder auf keinem deutschen Flugzeug geflogen, wie z.B. von Seifert (2008, S. 96) neuerdings über Grade wieder festgehalten, ist daher nicht richtig. Euler hatte den von ihm gelieferten Voisin-Apparat nie zum Fliegen ge- bracht, da er auf Betreiben des französischen Kriegsministeriums entgegen den Vertragsvereinbarungen nicht den allerneuesten Stand, sondern ein veraltetes Ver- suchsflugzeug, das auch früher nicht geflogen ist, von Voisin mit einem zerschlis- senen Antoinette-Motor erhalten hat. Das gesamte Material einschließlich Motor ging bei den vielen vergeblichen Versuchen auf dem Griesheimer Sand als Total- schaden zu Bruch. Euler hat nie Patente aus Frankreich genutzt, der geplante Technologie- oder Wissenstransfer ist weitgehend fehlgeschlagen. Euler war dar- auf angewiesen, seinen Zweidecker anhand der ihm vorliegenden veralteten Kon- struktionspläne neu zu entwickeln und mühsam mit vielen Fehlversuchen auszutes- ten.13 12 Oskar Ursinus schreibt im Flugsport 1909, Nr. 3 (S. 31): "Größte Beachtung beanspruchen die Fabri- kate der Firma August Euler, Frankfurt a.M., Flugmaschinenwerke. Auf dem Stand dieser Firma (auf der Ila 1909 in Frankfurt, der Verfasser) bemerken wir zunächst einen Zweidecker; die Arbeit ist durch- aus erstklassig. Der Flieger ist nach den Erfahrungen im deutschen Automobilbau sorgfältig durchkon- struiert und läßt eine Verfeinerung in allen Detailkonstruktionen gegenüber den französischen Fabrika- ten erkennen." 13 Eckstein, Ursula, Eckstein´s Luftfahrtgeschichte Darmstadt - Der Griesheimer Sand, Experimentierfeld für viele Flugpioniere, Darmstadt 2008, S. 22f.
20 Abbildung 6: Auszug aus Braunbeck’s Sportlexikon – Automobilismus – Motorbootwesen – Luftschifffahrt 1910, S. 251.
21 Die Teile hierzu wurden vorsorglich schon in den Euler-Werkstätten in Frankfurt hergestellt und später in der Fabrik auf dem Griesheimer Sand montiert und auch für Interessenten des Flugzeugbaus im Handel angeboten. Mein Großvater nannte seine Flüge in der Abgeschiedenheit des Griesheimer Sandes „Konstruktionsversu- che“ oder salopp „Hopser“. Danach gefragt, ob er schon vor der ILA geflogen sei, antwortete er damit, dass das wohl jedem Einsichtigen klar sein müsse, sonst wäre er ja nicht zur ILA gegangen. Nach der ILA, auf der August Euler bekanntlich ei- nige Preise14 gegen die übermächtige ausländische überwiegend französische Kon- kurrenz gewinnen konnte und erstmals kontrolliert auf eigener Konstruktion flog, widmete er ab Herbst 1909 sich der Weiterentwicklung seiner fabrikmäßig herge- stellten Flugmaschinen und diversen Flugvorführungen auf dem Griesheimer Sand, wobei an organisierten Flugtagen die Bevölkerung mit großer Begeisterung zuge- gen war. IV. 1. Flugzeugführerpatent Deutschlands Nr. 1, nur eine symbolträchtige Tatsache? Der Erwerb des Flugzeugführerpatentes Deutschland Nr. 1 mit der abgelegten Prü- fung am 31.12.1909 war eine wichtige Station im Leben August Eulers und kann nicht nur als eine „symbolträchtige Tatsache“ abgewertet werden, denn immerhin musste erstmals eine Prüfung unter exaktem Nachweis einer vorgeschriebenen Flugleistung erbracht werden, ebenfalls wie das unter den eigenen Bedingungen des Lanz-Preises der Lüfte der Fall war. Eine bloße symbolträchtige Tatsache war das in beiden Fällen sicherlich nicht. Anders allerdings bei Grades Flugzeugführerpatent Nr. 2: Um ihm die Teilnahme an der Flugsportveranstaltung im Februar 1910 in Heliopolis bei Kairo zu ermögli- chen, wurde ihm auf sein Bitten hin vom Deutschen Luftschifffahrtsverband das Patent Nr. 2 pro forma , d.h. ohne abgelegte Flugzeugführerprüfung ausgestellt, mit der Auflage diese nachzuholen. Grade ist dieser Auflage, nachdem er das Flugzeugführerpatent bekommen hatte, allerdings nie nachgekommen. 14 Aufmunterungspreis Fam. Th. Stern: 1.500 Mark; Jungfernpreis: 1.200 Mark; Goldschmidt - Rothschild - Preis (2. Platz): 2.000 Mark; Preis für den schnellsten Flug (2.Preis): 1.000 Mark; täglicher Distanz- preis (1. Preis): 400 Mark; täglicher Schnelligkeitspreis (2. Preis): 200 Mark). Vgl. Düsing, Michael, Abenteuer Gelber Hund - Deutsche Luftfahrt ab 1908, Stuttgart 2008.
22 V. Erste deutsche Flugschule? August Euler hat von Anfang an das „Fliegen schwerer als Luft“ als unternehmeri- sches Betätigungsfeld gesehen, dem er sich mit allen seinen finanziellen Möglich- keiten (allerdings prinzipiell ohne Inanspruchnahme von Bankkrediten) gewidmet hat. Später äußerte er, er habe sich seine Abenteuer mit seinem eigenen Geld er- kauft. Die Einrichtung der Fliegerschule war die notwendige Konsequenz seines unternehmerischen Plans, des Baues und Verkaufs von Flugzeugen. Abbildung 7: Erste Deutsche Flugzeugführerpatente (Fliegerschulen Euler/Grade)
23 Anhand der ausgestellten Pilotenzeugnisse kann man erkennen, dass die Eulersche Fliegerschule schon vor Grades Fliegerschule bestand und damit die erste deutsche Flugschule war. Die ersten ab Frühjahr 1910 ausgebildeten Piloten gründeten selbst Flugzeugfabriken oder wurden Chefpiloten (Ellery von Gorrison wurde Chefpilot bei AGO, Thiele gründete die sächsischen Flugzeugwerke, Leipzig, und Lochner ging mit seinem Flugapparat nach Aachen). VI. Erster Überlandflug in Deutschland? Am 16. August 1910 fand der erste deutsche Überlandflug Frankfurt – Mainz – Mannheim statt (und nicht wie über Grade am 30. Oktober 1910 bei Italiaander 1939 und wiederholt bei Seifert 2008 berichtet). Von zehn Flugmaschinen nahmen 3 Euler-Apparate teil. Euler selbst reiste nicht wie die übrigen Teilnehmer mit der Bahn, sondern flog – wie für ihn unkonventionell typisch – mit seinem eigenen Flugzeug "über Land" an. Ebenso typisch für ihn ist, dass er die Teilnahme am 1. offiziellen deutschen Überlandflug nicht selbst wahrnahm, sondern an seine ausge- bildeten Piloten, natürlich auf Euler-Maschinen delegierte. August Euler ließ im Vertrauen auf die Ausbildung und das Können seiner Piloten bei offiziellen Ange- legenheiten wie auch Flugwettbewerben von nun an fliegen. VII. Euler und das Militär ? Der rege Zulauf zur Flugschule war nicht zuletzt auch durch die Ausbildung zum Piloten von Prinz Heinrich von Preußen, dem Bruder des deutschen Kaisers Wil- helm II., zu verdanken. Prinz Heinrich von Preußen war mit 48 Jahren der älteste ausgebildete Pilot bis zu diesem Zeitpunkt (19. November 1910) und hat wesent- lich für die Weiterentwicklung der deutschen Luftschifffahrt nicht zuletzt unter dem Einfluss seines von ihm sehr geschätzten Lehrmeisters Euler beigetragen. Der Zulauf war deshalb aufgrund der Begeisterung auch aus militärischen Kreisen am Standort besonders stark, obwohl nur ein Teil der Piloten später in die Militärflie- gerei eintrat. Euler unterschied prinzipiell zwischen Piloten, die vom Militär kamen als an der Fliegerei interessierte Personen seinesgleichen einerseits und den häufig etwas schwerfällig und unflexibel agierenden Vertretern der Militärbehörden als Organi- sation andererseits, denen er sehr reserviert durch viele Erfahrungen in seiner lau- fenden Tätigkeit als Flugzeugindustrieller gegenüber stand. Dies geht aus seiner
24 Korrespondenz und ebenso seinen Memoiren klar hervor. Er war – wie sein Le- bensweg zeigt – sehr liberal eingestellt und obwohl – wie alle anderen Flugzeug- fabrikanten auch – mangels einer zivilen Luftfahrt zu dieser Zeit auf Arrangements mit den Heeresverwaltungen angewiesen, alles andere als ein Militarist. Ein weiterer Meilenstein seines Wirkens war die Aufstellung des deutschen Dauer- flug- und Distanzrekordes von über 3 Stunden (6 Min. und 18 Sek.) im Oktober 1910, der trotz der rasant voranschreitenden Entwicklung der Flugzeugtechnik ein ganzes Jahr lang nicht überboten wurde. Nach seinen eigenen Aussagen waren der Grund für den Dauerflug die Zweifel von Vertretern des Militärs, dass ganz im Un- terschied zum favorisierten Luftschiff, ein Flugzeug „schwerer als Luft“ sich nicht einmal 3 Stunden in der Luft halten könne und damit für die Landesverteidigung wertlos sei. Gleiches galt für die Brauchbarkeit als Waffe, da eine Koordination zwischen Pilo- ten und Bordschützen angesichts der hohen und im übrigen damals von Vertretern der preußischen Heeresverwaltung als ungesund gehaltenen Geschwindigkeit und der ständig sich ändernden Flugbewegungen unter militärischen Gesichtspunkten keine Zielsicherheit erlaube. Aus diesem Grunde hat August Euler – wie er in sei- nen Memoiren schreibt – das starre, mit der Flugzeugsteuerung gekoppelte Ma- schinengewehr entwickelt und sich patentieren lassen, zu einem Zeitpunkt, da der 1. Weltkrieg bei weitem noch nicht absehbar war. Dieses Patent Nr. 248601, erteilt am 27.Juli 1910, wurde aber von der preußischen Heeresverwaltung zu absolutem Unsinn erklärt. 1912 wurde dieses Patent dann international veröffentlicht, obwohl August Euler auf die militärische Bedeutung des MG’s wiederholt verwiesen hat, er aber auf kein Gehör stieß, welche große Blamage der preußischen Heeresver- waltung mit empfindlichen militärischen Folgen. Erst am 18. April 1915, also 3 Jahre später, wurde das starre Maschinengewehr, bei dem der Pilot mit dem Flugzeug zielt dann „entdeckt“ bzw. wiederentdeckt, als die französischen Lufterfolge aufgrund des Euler-Patentes erkannt wurden (Notlan- dung von Roland Garos hinter den deutschen Linien nahe Courtrai an der West- front). Der von der preußischen Heeresverwaltung angeordnete sofortige Einbau in Fok- ker-Maschinen verstieß gegen das Patent, sodass August Euler, nachdem er sich nach mehreren Anläufen gegen dieses Unrecht verwahrte und durchgesetzt hatte, für jede gebaute Maschine eine beachtliche Lizenzgebühr erhielt. Die Zuschrei-
25 bung der Lufterfolge aufgrund des starr eingebauten Maschinengewehres auf Fok- ker – verständlicherweise zur Vertuschung der Blamage – ist zu Unrecht erfolgt, da das Patent völlig unabhängig von der Anordnung des Propellers umfassend ange- meldet war. Die Synchronisation des MG’s mit dem Propeller (egal ob vorn oder hinten, oben oder unten angeordnet) machte ohne das Euler-Patent auch gar keinen Sinn. VIII. Euler und der 1. Postflug ? Doch zurück in das Jahr 1912, in dem er seine Fabrikation nach Frank- furt/Niederrad verlagerte mit einer für seine inzwischen gewachsenen Anforderun- gen wesentlich verbesserten Infrastruktur. August Euler war ständig bemüht, die Bedeutung des „Fliegens schwerer als Luft“ nicht zuletzt im eigenen Interesse po- pulär zu machen. Ein geeigneter Anlass neben seinen Bemühungen um die Grün- dung von Luftsportvereinen und -organisationen schien ihm unter anderem die Ini- tiierung und Mitwirkung an der Veranstaltung einer Postflugwoche mit – gesetzes- konform und gradlinig wie er war – längere Zeit im Voraus ausgehandelte gemein- samer Durchführung mit der Reichspost.15 Alle anfallenden Flugkosten, einschließ- lich Flugzeug, Personal und Treibstoffkosten übernahm August Euler. Aufgrund des großen Erfolges wurde die 1. Deutsche Luftpost um eine Woche verlängert. Der Erlös ging zu einem Großteil an die Mütter- und Säuglingsfürsorge in Hes- sen.16 Eine Absicht für den Nachweis einer militärischen Bedeutung der Nachrich- tenübermittlung kann ich hierin eigentlich nicht sehen. Die vorher schon von Gra- de durchgeführte (heute würde man sagen) "private Briefbeförderung“ kann auch nicht als erster Postflug – wie manchmal in der Literatur dargestellt – gewertet werden, da eine amtliche Bewilligung fehlte und er damit gegen das Monopol der Reichspost verstieß. Die illegale Briefbeförderung Grades musste daher alsbald auch eingestellt werden. 15 An August Euler wurde von der Reichspost die Konzession für die erste amtliche Luftpostbeförderung für eine Woche mit dem legendären Gelben Hund (Werk-Nr. 33) erteilt. Euler, A., 1939, S. 6f.). Die Reichspost hat den Postdienst an den Flugplätzen der Postfluglinie ausgeführt. Gleiches galt auch für die Beteiligung des Luftschif- fes LZ „Schwaben“ (Eckstein, 2008, S. 53). 16 Die Wohltätigkeitsveranstaltung stand unter der Schirmherrschaft der Großherzogin, Ihre Königliche Hoheit Eleonore von Hessen und bei Rhein. Der Erlös ging zu einem Drittel an die Reichspost und zu zwei Drittel an ein Waisenhaus (Eckstein, 2008, S. 53).
26 IX. Eigenkonstruktionen und Produktionen für das Militär ? In den Euler-Werken wurden – dokumentiert im „National“ – insgesamt bis 1918 etwa 500 Flugmaschinen hergestellt, davon bis Februar 1912 in der Fabrik auf dem Griesheimer Sand ca. 40 Maschinen. Der große Anteil aller Maschinen waren Fer- tigungen für das Militär (sowohl für die im Aufbau befindliche bayrische Flieger- truppe als auch die preußische Heeresverwaltung). Abbildung 8: Euler-Zweidecker, Kleiner Gelber Hund, zweisitzig, 1913 beim Start. Der Verkauf von zivilen Maschinen war rückläufig und stagnierte ab 1914 voll- ständig, ähnlich wie auch in den übrigen deutschen Flugzeugfabriken infolge des Ausbruches des 1. Weltkrieges, alle Fabriken wurden auf Produktionen und Leis- tungen für das Militär umgestellt. Mit dem Übergang von der Friedens - in die Kriegsproduktion ab 1914 werden auch in den Euler-Werken etwa ab der Werk-Nr. 105 im Auftrag der preußischen Heeresverwaltung Militärflugzeuge hergestellt, zumeist Lizenzfertigungen von L.V.G. BI und BII-Flugzeugen, wobei Konstruktionsveränderungen mit entspre- chender Erprobung der Bauweise zur Verbesserung der Flugeigenschaften (wie z.B., L.V.G. BIII) in Abstimmung mit der Inspektion der Fliegertruppen in den Eu-
27 ler-Werken wiederholt vorgenommen wurden und dann auch für andere Lizenzher- steller und Fabriken verbindlich zu übernehmen waren. Neben den Lizenzfertigungen wurden in den Euler-Werken immer wieder neue Eigenkonstruktionen, Zwei- und Dreidecker, ebenso ein Vierdecker entwickelt und dem Militär angeboten, aber der Trend zum Einheitsflugzeug im 1. Weltkrieg, nicht zuletzt aufgrund der schwierigen Ersatzteilbeschaffung etwa ab 1916, machte es praktisch unmöglich, neue Flugzeuge erfolgreich unterzubringen. Im Ju- li/August 1918, also kurz vor Ende des 1. Weltkrieges, entstand die letzte Eigen- konstruktion eines Euler-Doppeldeckers D10.17 Die Aussage bei Schwipps (1984) und daran anlehnend bei anderen jüngeren Historikern, dass ab 1914 in den Euler- Werken ausschließlich fremde Baumuster gefertigt wurden, entspricht daher nicht den Tatsachen. X. Euler als Leiter des Reichsluftamtes bzw. Reichsamtes für Luft- und Kraftfahrwesen ab 1918 und Gründe für seinen Rücktritt Mit dem Ende des 1. Weltkrieges kam zwangsweise die Schließung der Euler- Werke aufgrund der Kapitulation, Beschlagnahmung und Besetzung durch franzö- sische Truppen. August Euler wurde – wie bekannt – als 1. Leiter des Reichsluf- tamtes nach Berlin berufen und versuchte trotz der nicht erwarteten extrem restrik- tiven Bedingungen der nach seinem Amtsantritt später (ohne seine Beteiligung) ausgehandelten Artikel des Versailler Vertrages zumindest die zivile Luftfahrt zu retten. Viele Aufgaben warteten auf ihn. Er legte bei Amtsübernahme großen Wert auf die vom Rat der Volksbeauftragten eingeräumte selbständige Bearbeitung der Angele- genheiten der Luftfahrt18 und beschränkte seine Aktivitäten unter Berufung auf den Versailler Vertrag strikt auf die zivile Luftfahrt. Damit waren die vielseitig sofort wieder angestrebten militärischen und ebenso zivilen Interessen der Luftfahrt auf Dauer nicht unter einen Hut zu bringen. Er verfasste mehrere Denkschriften zu Fragen der Luftfahrt und verabschiedete das 1. Deutsche Luftverkehrsgesetz und Verordnungen hierzu, bewilligte erste zivile Luftfahrtgesellschaften usw. Seine dritte Denkschrift „Die Internationalität der Luftfahrt“ stieß wegen ihres da- mals brisanten aber heute noch immer aktuellen Inhaltes auf Ablehnung. Als er 2. 17 Vgl. hierzu Düsing, Michael, Abenteuer Gelber Hund - August Euler und die deutsche Luftfahrt ab 1908 18 Erlaß über die Errichtung des Reichsluftamtes vom 4.12.1918 (Reichsgesetzblatt Nr. 1337)
28 auch noch aufgefordert wurde, sich einer Partei anzuschließen, was ihm prinzipiell zuwider war, 3. das Reichsamt für Luft- und Kraftfahrwesen durch Eingliederung in das politische Verkehrsministerium untergeordnet wurde, er also die ihm einge- räumte Selbständigkeit verlor und er auch noch 4. in der Presse für die nach dem Krieg bestehende Rohstoffknappheit und stockende Entwicklungen im Kraftfahr- wesen und ebenso der zivilen Luftfahrt verantwortlich gemacht wurde, legte er wegen diesen Zumutungen und absoluter Unvereinbarkeit mit seiner Persönlichkeit freiwillig sein Amt zurück. Die Entscheidung zu diesem endgültigen Entschluss fiel ihm sicherlich sehr schwer. Dennoch hat August Euler, der in diesen turbulen- ten Jahren nach seinen eigenen Angaben immerhin 42 Parteiminister überlebt ha- be,19 enorm viel für die Deutsche Luftfahrt nach dem 1. Weltkrieg auf den Weg gebracht. XI. August Euler als Privatier Von nun an präsentierte sich August Euler im Alter von 54 Jahren als „Privatier“ - wie er sich dann gern selbst bezeichnete - und widmete sich dem Verbleib seiner Flugzeugfabrik einschließlich Fluggelände in Frankfurt/Niederrad mit all den da- mit verbundenen politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Zum anderen ging er seinen sportlichen und gesellschaftlichen Neigungen nach und war in allen industriellen und gesellschaftspolitischen Angelegenheiten eine gefragte Persön- lichkeit. Die Frage der Wiederaufnahme seiner Flugzeugfabrikation stand wegen der sehr restriktiven Bedingungen des Versailler Vertrages zunächst nicht zur Disposition. Im Jahr 1927 reifte allerdings die Idee, zusammen mit seinem alten Fliegerfreund Ernst Udet (der übrigens hier auf dem Griesheimer Sand 1915 seine Militärpiloten- ausbildung absolvierte) eine gemeinsame Flugzeugfabrik aufzumachen, durch Ein- bringung der Euler-Werke und unter Betreiben der Stadt Frankfurt, jedoch zog sich der Magistrat – nicht zuletzt wegen Standortdifferenzen – wieder zurück. Im Jahr 1928 feiert August Euler seinen 60. Geburtstag im Kreise seiner Familie und vieler Flugpioniere wie Parseval, Eckener, Junkers, Rumpler und Fokker in Frankfurt. 3 Flieger warfen Blumensträuße über seinem Anwesen ab. 19 Phillips G. Deutschlands Flugzeugführer Nr. 1 - zu seinem 70. Geburtstag am 20. November 1938, aus "DEUTSCHE LUFTWACHT - AUSGABE LUFTWELT, Jahr 5 Nr. 12, Berlin Dezember 1938)
29 Bereits in den turbulenten 20er-Jahren lernte August Euler schon ab 1922 den Feldberg im Schwarzwald kennen und schätzen, wo er regelmäßig seine Winterur- laube verbrachte. Er wählt den Schwarzwald zu seinem Altersruhesitz, wo er 1932 ein Grundstück erwirbt und sein „Adlernest“ errichtete. Abbildung 9: Das Euler-Haus, aufgenommen im Jahre 1933 auf dem Feldberg im Schwarzwald.
30 Abbildung 10: Wegweiser zum Euler-Haus. Er war noch immer sehr aktiv und kreativ und schlug in einer Denkschrift die Ent- wicklung des Wintersportplatzes Feldberg mit einer eigenständigen Gemeinde Feldberg vor, die dann tatsächlich ab 01.04.1939 gegründet wurde.20 20 Vgl. Vetter, August, Der Feldberg- Die Geschichte des höchsten Schwarzwaldberges unter besonderer Berücksichtigung der Gemeinde Feldberg (Schwarzwald) und der einstigen Gemeinde Bärental, Frei- burg 1968, S. 323 ff. und S. 400.
31 Sein von Anfang an geplantes Hotelgroßprojekt Aviatik (mit 200 Betten), das im Jahr 1938 bewilligt war und schon kurz vor der Realisierung stand, scheiterte dann am allgemeinen Materialstopp vor Ausbruch des 2. Weltkriege Abbildung 11: August Euler mit Fliegerjacke als passionierter Schiläufer.
32 XII. Euler im Nationalsozialismus Ende der 30er-Jahre erregten August Eulers Aufmerksamkeit noch andere Ent- wicklungen, die ihn fortan sehr ärgerten. Die Deutsche Luftfahrtgeschichte war noch nicht geschrieben und eine ganze Reihe von ersten Veröffentlichungen ka- men unter nationalsozialistischem Einfluss auf den Weg. Er selbst hatte sich als unabhängige und gradlinige Persönlichkeit der an ihn herangetragenen Unterstüt- zung der nationalsozialistischen Propaganda strikt widersetzt. Entscheidende seiner fliegerischen Leistungen wurden in der Folge anderen Pionieren zugeschrieben und fanden bereits Eingang in bedeutende Universallexiken. Diese Entwicklungen for- derten Eulers Gerechtigkeitssinn heraus und veranlassten ihn zu Gegendarstellun- gen und öffentlichen Stellungnahmen, jedoch – wie heute noch (nach fast 100 Jah- ren) festzustellen ist – mit wenig Erfolg. Dennoch hielt er zu diesem Zeitpunkt an der alten Fliegerkameradschaft zu seinen Weggefährten fest. Gegenüber Hans Grade stellt er resümierend fest: "Hans Grade ist jedenfalls besser als sein Buch" (von Italiaander 1939; der Verfasser).21 21 August Euler - Luftfahrterinnerungen nach 30 Jahren, unveröffentlichtes Manuskript, Frankfurt Juli 1939, S. 11
33 Abbildung 12: August Euler an seinem 70. Geburtstag, 20. November 1938 im Kreise vieler Flugpioniere und Weggefährten. Am 20. November 1938 feierte er im Kreise von namhaften Pionieren und Flug- zeugindustriellen wie Messerschmidt, Heinkel und vielen seiner Wegbegleiter aus der frühen Pionierzeit wie z.B. Feries von Hiddessen, seinen 70. Geburtstag. Die Medien berichteten in ausführlichen Darstellungen über August Euler. XIII. Die Jahre nach dem 2. Weltkrieg Die Jahre nach dem 2. Weltkrieg waren auch für August Euler harte Jahre der Ent- sagung. Er wurde durch seinen ältesten Sohn, unserem Vater, unterstützt. In diesen Jahren fanden mehrere Begegnungen mit ihm und uns als seine beiden einzigen Enkel statt, wobei wir so manche Anekdote von ihm erzählt und mit auf den Weg bekommen haben. Er beobachtete uns unentwegt mit seinen Adleraugen. Aber er war eigentlich kein Familienmensch und sehr bestimmend. Alle hatten vor ihm auch noch in hohem Alter, wie z.B. auch mein Vater, großen Respekt. Im Jahr 1952 wurde August Euler anlässlich seines 85. Geburtstages das große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland durch Bun-
34 despräsident Theodor Heuss verliehen. August Euler war Ehrenmitglied in vielen technischen und flugtechnischen Vereinen. Beim 1. Treffen der WGL im Jahr 1952 in Braunschweig war August Euler als der „Alte Adler Nr. 1“noch zugegen. Am 01.Juli 1957 verstarb August Euler im 89. Lebensjahr in seinem "Adlernest" auf dem Feldberg und erhielt ein Ehrengrab – wie bekannt – auf dem Frankfurter Hauptfriedhof von der Stadt Frankfurt. Dr. h.c. August Euler, so geehrt im Jahre 1919 durch die Technische Universität Braunschweig, der eine aufregende Zeit voller technischer Innovationen erlebte und maßgeblich mit gestaltete, vielen namhaften Persönlichkeiten auf seinem Weg begegnete und gesellschaftliche Umbrüche einschließlich zweier Weltkriege durchlebte, pflegte seine Gäste auf dem Feldberg mit seinem von ihm verfassten mehrstrophigen Lied – manchmal auch etwas melancholisch gestimmt – zu verab- schieden: „Ihr könnt mich mal in Menzenschwand Am Tannenrain besuchen, Da wohne ich am Waldesrand Wohl zwischen alten Buchen! Ein Tennisplatz, ein Fliegerhorst, Ein Fahnenmast, ein Wimpel! Und im übrigen da pfeife ich Auf dieser Welt Gesimpel. Und wenn ihr kommt, an meinen Hang, Gibt’s Kaffee, Tee und Kuchen. Ja, da könnt ihr mich, ihr könnt mich mal. Ihr könnt mich mal besuchen.“
35 Literaturverzeichnis: Braunbeck, Gustav (Hrsg.): Braunbeck’s Sportlexikon, Automobilismus- Motorbootwesen-Luftschifffahr, Berlin 1910. Braunbeck’s Sportlexikon, Ausgabe 1911-1912, Berlin 1912. Düsing, Michael: August Euler - Abriss seines Lebens, Festschrift aus Anlass des Jubiläums 80 Jahre Deutsche Luftfahrtverwaltung, Nov. 1998. Düsing, Michael: Abenteuer Gelber Hund - Deutsche Luftfahrt ab 1908, Stuttgart 2008, im Druck. Eckstein, Ursula: Eckstein´s Luftfahrtgeschichte Darmstadt - Der Griesheimer Sand, Experimentierfeld für viele Flugpioniere, Darmstadt 2008, im Druck. Euler, August: Ausstellungskatalog an der Internationalen Automobilausstellung des Deutschen Automobil-Clubs Berlin 1905, Frankfurt am Main – August Euler- AUTOEULER. Euler, August: Luftfahrterinnerungen nach 30 Jahren, unveröffentlichtes Manu- skript, Frankfurt Juli 1939. Euler, Karl: Das Geschlecht Euler-Schölpi - Die Geschichte einer alten Familie, Gießen 1955. Fokker, A. H. G. und Gould, Bruce: Der fliegende Holländer – Das Leben des Fliegers und Flugzeugkonstrukteurs A. H. G. Fokker, Zürich, Leipzig, Stuttgart, 1933. Günther, Manfred: Flugpionier Hans Grade – Erinnerungen von Manfred Günther, in: Schulz, Eckhard (Hrsg.), Schriftenreihe: VIB-Veranstaltungen in Berlin, Berlin 1990. Hildebrandt, Alfred: Luftschifffahrt, 1910. Italiaander, Rolf: Spiel und Lebensziel – Der Lebensweg des ersten deutschen Mo- torfliegers Hans Grade, Berlin 1939.
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