Aus der Rille Schoeck, Szymanowski, Hindemith, Walton: Vier nicht alltägliche Violinkonzerte des 20. Jahrhunderts
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13 Aus der Rille Schoeck, Szymanowski, Hindemith, Walton: Vier nicht alltägliche Violinkonzerte des 20. Jahrhunderts Ein Beitrag von Ernst Müller Interpretationsvergleich: Beat Wyss und Ernst Müller. Die Man kann nicht behaupten, dass die Schweiz ihrem Fotos und Autographen (mit Ausnahme der Plattenhüllen) Landsmann Schoeck (1886–1957) besondere Aufmerksam- stammen aus der Sammlung von Roland Kupper, Basel keit zukommen lässt. Zwar gibt es eine Othmar Schoeck-Ge- sellschaft mit Sitz in Zürich (www.othmar-schoeck.ch), die Nach einem ausführlichen Beitrag über drei gern gehör- sich seit langer Zeit für die Verbreitung des Werkes dieses te und bekannte Violinkonzerte in der letzten Ausgabe möch- wesentlichen Schweizer Komponisten des 20. Jahrhunderts te ich für dieses Mal meine Aufmerksamkeit weniger Be- einsetzt, doch sind Schoecks Werke im Konzertleben unse- kanntem widmen. Vier Violinkonzerte, die zwischen 1911 res Landes nur selten anzutreffen. Das mag daran liegen, und 1939 komponiert worden sind und somit an oder auf dass Schoeck primär als Liedkomponist gilt – er hat einige der Schwelle zur Moderne stehen, seien hier kurz vorgestellt. hundert Klavierlieder hinterlassen. In Plattenveröffentlichungen Die kleine Reise beginnt in der Schweiz mit dem Romantiker haben sich Sänger wie Dietrich Fischer-Dieskau (auf DGG Othmar Schoeck, führt uns mit Karol Szymanowski über Po- und Claves), Ernst Haefliger (auf Jecklin), Arthur Loosli (EMI) len und mit Paul Hindemith (Deutschland) schliesslich mit Wil- oder Kurt Widmer (PAN) für Schoecks Liedschaffen einge- liam Walton nach England. Auf die eine oder andere der da- setzt. Schoeck hat aber auch Bühnenwerke geschrieben – im- bei besprochenen Aufnahmen kann man vielleicht beim Stö- merhin ist seine Kleist-Oper «Penthesilea» in den letzten Jah- bern auf dem Occasionsplattenmarkt stossen. Wie schon fast ren wieder vereinzelt auf Spielplänen von Opernhäusern auf- als Ritual üblich haben Beat Wyss und der Verfasser die ver- getaucht – und Orchestermusik komponiert – hie und da ist schiedenen Aufnahmen an langen Hörabenden einem kriti- das Streicherwerk «Sommernacht» op. 58 zu hören. Lohnend schen Vergleich unterzogen. ist vor allem auch Schoecks Kammermusik, die auf LPs immer wieder als Occasion zu finden ist. Empfehlenswert sind die beiden Streichquartette, welche das «Neue Zürcher Streich- quartett» 1981 eingespielt hat (PAN 130 048) sowie die Othmar Schoeck: beiden Violinsonaten, die der Geiger Ulrich Lehmann mit Violinkonzert B-Dur op. 21 dem Pianisten Charles Dobler 1986 auf Ex Libris (LP EL 16990, digital) vorgelegt hat. «Die chaibe Stefi» Obwohl Schoeck selbst Pianist war, gibt es relativ wenig reine Klavierkompositionen aus seiner Feder. Vor allem in jun- gen Jahren galt seine Vorliebe der Violine. Das dürfte unter anderem einen Grund darin haben, dass der Komponist von der ungarischen Geigerin Stefi Geyer (1888–1956) sehr an- getan war, die er erstmals 1907 in Leipzig gehört und zu der er eine intensivere Beziehung gesucht hatte. Nachdem Schoeck die zwanzigjährige Geigerin 1908 persönlich ken- nen gelernt hatte, widmete er ihr zunächst ein «Albumblatt für Violine und Klavier», dann die erste Violinsonate (1908/09) und drei Jahre später das hier zur Diskussion stehende Vio- linkonzert (1911/12). Nicht nur für Schoeck, auch für Bela Bartok ist Stefi Geyer eine unnahbare Schönheit geblieben. Beide Komponisten scheinen sich in den Jahren 1907 und 1908 in sie verliebt zu haben und machten sie zur Wid- mungsträgerin von Geigenwerken. Wenig Glück hatte Bar- tok, denn sein in dieser Zeit entstandenes erstes Violinkonzert hat die Widmungsträgerin nie aufgeführt, es in der Schubla- de aufbewahrt und erst kurz vor ihrem Tode Paul Sacher über- reicht mit der Bitte, es mit dem damals jungen Schweizer Gei- ger Hans-Heinz Schneeberger (der übrigens heute mit 84 im- mer noch ausgezeichnet Violine spielt) zur Uraufführung zu Othmar Schoeck 1937 bringen. So ist Bartoks erstes Violinkonzert, das heute durch- AAA-Bulletin Ausgabe Winter 2009/2010
14 Nur gerade drei Einspielungen Die Einspielung von Ulrich Lehmann (geb. 1928) mit dem Zürcher Kammerorchester unter Edmond de Stoutz ver- mag von Beginn an zu überzeugen. Da ist zunächst der wun- dervoll lyrische Ton des Solisten zu erwähnen. Lehmann geht mit einem bewusst fragilen Ton an das Werk. Die Violine ist aufnahmetechnisch zwar im Vordergrund, steht jedoch in ei- nem guten Zusammenspiel mit dem Orchester. Uns lagen ei- ne gute Pressung von Ex Libris und eine Monopressung von Amadeo vor. Die Ex-Libris-Platte ist klar vorzuziehen. Die Gei- ge steht hier weniger im Vordergrund und man hört deutlich mehr im Orchester. Stefi Geyer: ihr widmet Schoeck sein Violinkonzert aus zum Standardrepertoire für Geiger gehört, erst im Mai 1959, zwei Jahrzehnte nach dem Ableben Bartoks also, in Basel erstaufgeführt worden. Da hatte Schoeck schon mehr Glück. Stefi Geyer, die Schoeck in jungen Jahren desillusioniert «die chaibe Stefi» Foto mit Autograph des Geigers Ulrich Lehmann. Seine Aufnahme nannte, hat seine Werke im Repertoire gehabt, sie in früher des Violinkonzerts von Schoeck war auf LP lange Zeit die einzige. Zeit gemeinsam mit dem Komponisten am Klavier bei Tourneen durch die Innerschweiz aufgeführt, das Violinkon- Die Aufnahme der Widmungsträgerin Stefi Geyer zert hat sie in der Schellackzeit sogar eingespielt. Zur Ur- (1888–1956) mit dem Tonhalle Orchester Zürich unter der aufführung des Konzerts hatte sie sich allerdings nicht ent- Leitung von Volkmar Andreae aus dem Jahre 1947 wirkt zu- schliessen können. Diese erfolgte im März 1912 in Bern mindest im 1. Satz langsamer. Ob das noch ein Allegretto durch Willem de Boer, Konzertmeister des Tonhalle Orches- ist? Klare Bögen weist das Spiel der Solistin im 2. Satz auf. ters, unter der Leitung von Fritz Brun. Als Ganzes vermag die Interpretation Stefi Geyers sehr zu überzeugen. Der Klang allerdings lässt Zweifel aufkommen. Ein «romantisches» Violinkonzert Leider haben wir uns bloss eine CD des Labels Jecklin an- hören können, das originale 78er-Album stand uns nicht zur Der in Brunnen geborene Schoeck hat sich übrigens nach Verfügung. Wir zweifeln daran, dass Walter Legge, der als Studien in Zürich und in Leipzig bei Max Reger in Zürich nie- Produzent für diese Columbia-Aufnahme verantwortlich zeigt, dergelassen und hat dort bis zu seinem Tode 1957 gewohnt. 1947 einen derart mulmigen Klang eingefangen hat. Eine Schoecks Kompositionsstil ist in der Romantik verankert. Sei- Neuauflage dieser Einspielung, auf welchem Medium auch ne Romantik hat indessen nichts Überschwengliches. Viel- immer, wäre sehr wichtig. leicht ist es kein Zufall, dass der Geiger keine Solokadenz er- hält. Das Konzert, das Schoeck «quasi una fantasia» nennt, Als drittes lag die Aufnahme von Ulf Hoelscher (geb. hat rhapsodischen Charakter. Sehnsuchtsvoll und lyrisch sind 1942) mit dem English Chamber Orchestra unter Howard die Themen des ersten Satzes; klagend aber nicht mutlos Griffiths vom September 1990 auf dem Plattenteller. Das La- wirkt der zweite Satz, bei dem sich die Sologeige immer bel Novalis hat noch sehr lange Aufnahmen parallel auf CD wieder leidenschaftlich zu Wort meldet. Tanzenden und be- und LP herausgebracht. Hoelschers Spiel zeichnet sich durch freiend wirkenden Charakter hat der Schlusssatz, in den sich Präzision und Klarheit aus. Diese digitale Aufnahme hat immer wieder Wehmut mischt. klanglich natürliche Höhen. AAA-Bulletin Ausgabe Winter 2009
15 Nach Anhören der drei Aufnahmen, sind Beat Wyss und Es existieren übrigens zwei leider nie erschienene Radio- der Schreibende zum Schluss gelangt, dass es nicht ent- aufnahmen von Schoecks Violinkonzert mit Aida Stucki (geb. scheidend ist, welche Aufnahme man hört. Sicher aber ist, 1921), sie ist Schülerin von Stefi Geyer und einzige Lehrerin dass dieses zu Unrecht kaum gespielte schöne Violinkonzert von Anne-Sophie Mutter. Beide Aufnahmen sind mit dem Ra- unbedingt in eine Sammlung von Violinliebhabern gehört! dioorchester Zürich, die eine unter Alexander Kranhals, die andere unter Erich Schmid. Diskographie: • Ulrich Lehmann, Violine; Zürcher Kammerorchester unter Edmond de Stoutz, A: 1964; (gekoppelt mit dem Horn- konzert mit Jozef Brejza) Ex Libris EL 16541; auch auf Amadeo AVRS 5042 (Mono) und Mace • Stefi Geyer, Violine, Tonhalle Orchester Zürich, Leitung: Volkmar Andreae, Columbia LZX 242 (78er Set!). Als CD: Jecklin Edition JD 715-2 • Ulf Hoelscher, English Chamber Orchestra, Dirigent: Ho- ward Griffith, A: Sept. 1990, Digital, Novalis 150 070-1 Da das Werk nur selten auf LP greifbar ist, erlaube ich mir hier den Hinweis auf zwei CDs: • Hans-Heinz Schneeberger, Violine; Sinfonietta Wetzikon, Dirigent: Christoph Müller (A: 2004, Digital); PAN, SP 51.704 • die zweite ist 1991 aufgenommen: Bettina Boller (Violine), Schweizer Jugendsinfonieorchester unter Andreas Delfs; Othmar Schoeck um 1945 Claves Digital CD 50-9201 AAA-Bulletin Ausgabe Winter 2009/2010
16 Karol Szymanowski: Violinkonzert Nr. 1 op. 35 (1916) Karol Szymanowski (1882–1937) kommt eine bedeu- tende Stellung in der polnischen Musikgeschichte zu. Seit Chopin gab es in Polen keine Komponisten von internatio- nalem Format mehr. Eine Ausnahme mag Stanislaw Moni- uszko (1819–1872) sein, der als Begründer der polnischen Nationaloper gilt, jedoch nie internationale Geltung erlangt hat. Szymanowski war wohl der einzige Pole, der zwischen Chopin und den bedeutenden Vertretern der Nachkriegs- moderne, Penderecki und Lutoslawski, im übrigen Europa wahrgenommen wurde. Allerdings verhinderte dies nicht, dass der aus reicher Familie stammende Szymanowski in ärmlichen Verhältnissen starb, denn letztlich war seine Ton- sprache für das in kulturellen Traditionen erstarrte Polen zu un- angepasst und zu progressiv. Erst nach seinem Tod wuchs sein Ansehen im eigenen Land. Ganz allein stand der Kom- ponist aber nicht: Gemeinsam mit dem heute völlig verges- senen Stansilas Barcewicz (1858–1929), dem früh tödlich verunfallten Mieczyslaw Karlowicz (1876–1909), der übri- Ein Porträt des Komponisten Szymanowski, wie es auf dem EMI-Al- gens ein empfehlenswertes Violinkonzert komponiert hat, und bum mit Orchesterwerken erscheint zwei weiteren Tonschöpfern bildete Szymanowiski die Grup- (SLS 5242 oder 1C 165-43 210/12). pe, die man als «Das junge Polen» bezeichnete. AAA-Bulletin Ausgabe Winter 2009
17 Schoeck, Szymanowski, Hindemith, Walton: Vier nicht alltägliche Violinkonzerte des 20. Jahrhunderts Seinen musikalischen Horizont muss- lodien von gesanglich-lyrischem Cha- ner Tonsprache der ersten Jahrzehnte te der Komponist im Ausland erweitern: rakter als Gegenpart hörbar. Orchester des letzten Jahrhunderts liegen. Vermut- Seine anfängliche Wagner- und Strauss- und Soloinstrument führen einen drama- lich bedarf dies höherer technischer begeisterung führte ihn nach Berlin, in tischen Dialog in höchster Anspannung, Fähigkeiten als ein Ausspielen romanti- Leipzig kam er in Kontakt mit Regers wie ein Gespräch mit der Natur könnte scher Elemente. Und Wilkomirska wird Kontrapunkt. Eine entscheidende Inspi- man sagen – schliesslich liegt dem den Ansprüchen des Werks vollauf ge- ration holte er sich in der Folge indes- Werk das pantheistische Gedicht recht. Das Temperament und die enor- sen beim französischen Impressionis- «Mainacht» von Tadeusz Micinski zu- me Genauigkeit des Geigentons faszi- mus, also bei Debussy und Ravel. Aber grunde, ein Dichter, der sich in mysti- nieren. Die Interpretation ist höchst auch die neue Wiener Schule um schen Themen bewegte. Der optimisti- spannend und hat jederzeit Transpa- Schönberg, Berg und Webern fas- sche Gesang der Geige behält am En- renz, was zu einem guten Teil auch der zinierte ihn. Wie Bartok hatte auch de gegen das rüde aufspielende Or- hervorragenden Begleitung durch Wi- Szymanowski musikethnologische Inter- chester die Oberhand und löst sich told Rowicki mit den Warschauer Phil- essen und suchte in der Hohen Tatra die schliesslich selbst in zunehmender Stille harmonikern zu verdanken ist. Das in Begegnung mit der Musik der Bergbe- auf. diesem Werk wichtige Zusammenspiel wohner und somit mit der polnischen von Solist und Orchester ist ideal und Folklore. Im oft Exstatischen der Ton- macht die Klangstruktur des Werks sprache hat Szymanowksi zudem deut- transparent. Ganz sicher ist das eine liche Parallelen zu Skrjabin. der ganz grossen Geigeneinspielungen und die Referenz für dieses Werk. Szymanowski schrieb 4 Sinfonien (die dritte mit Singstimme und die vierte Dies zeigt mit aller Deutlichkeit der mit Klavier), Klavierstücke (vor allem Vergleich mit der Aufnahme des polni- Mazurken und Sonaten), zwei Streich- schen Geigers Konstanty Kulka quartette, eine Oper (König Roger), ein (geb. 1947) mit dem Polnischen Ra- Ballet (Harnaise), sowie einige Werke dioorchester unter Jerzy Maksymiuk. für die Violine. Diese Interpretation ist weniger kontu- riert und weniger dynamisch. Kulka Die meisten Werke für Violine sind neigt zum Romantisieren, um nicht zu für und in Zusammenarbeit mit dem sagen zum Verzärteln des Werks. Das Geiger Pawel Kochanski (1887–1934) Die Plattenhülle der polnischen Aufnahme Orchester ist nicht kontrastreich. Im Ver- entstanden, so auch die beiden Violin- beider Violinkonzerte Szymanowskis mit gleich zu Wilkomirska ist das alles zu konzerte aus den Jahren 1916 und Wanda Wilkomirska harmlos; auch die Werkstruktur wird 1933. Das hier genauer besprochene weniger klar, obwohl die Aufnahme- erste Violinkonzert op. 35 ist in den technik durchaus transparent ist. Sommer- und Herbstmonaten 1916 Drei Einspielungen auf LP komponiert worden. Es ist einsätzig (vi- vace assai) und dauert etwa 25 Minu- Die polnische Geigerin Wanda ten. Wilkomirska (geb. 1929) ist bei uns kaum bekannt. Zu unrecht, wie ich Das Werk klingt modern und es ist meine. Sie stammt wie Henryk Szeryng erstaunlich, dass es bloss 5 Jahre nach aus Warschau und hat bei diesem in dem Konzert von Schoeck komponiert Paris studiert. In den 50er und 60er Jah- ist. Der Aufbau ist komplex und hält sich ren hat sie jährlich über hundert Kon- nicht an das klassische Formschema. zerte gegeben. Sie hat sich stets für die Da ist kein erstes und zweites Thema Musik des 20. Jahrhunderts eingesetzt, auszumachen; nach Durchführung oder spielt eindrücklich die Konzerte von Coda sucht man vergeblich. Im An- Berg und Prokofiev und hat auch Vio- schluss an eine eher düstere, vehemen- linwerke zeitgenössischer Komponisten te kurze Orchestereinleitung übernimmt wie z. B. von Krzysztof Penderecki oder die Solovioline das Szepter. Das Werk Tadeusz Baird uraufgeführt. Entspre- erweist sich als grossangelegte Rhap- chend betont sie in ihrer Einspielung sodie. Orchester und Soloinstrument des Szymanowski-Konzerts auch nicht sind Dialogpartner: Über dem oft heftig den durchaus vorhandenen romanti- klingenden, manchmal fast chaotisch schen Unterbau des Werks. Und sie wirkenden Orchester bleibt als höchste macht damit klar, dass die Hauptqua- Stimme meist die Violine mit ihren Me- litäten des Violinkonzerts im Ansatz ei- AAA-Bulletin Ausgabe Winter 2009/2010
18 Auch die Einspielung von David Oistrach vermag Paul Hindemith: nicht an jene Wilkomirskas heranzukommen. Zwar ist Ois- trachs Expressivität eindrücklich, sein Spiel brillant, doch ist Violinkonzert op. 14 (1939) das Orchester unter Kurt Sanderling in dieser Aufnahme von 1959 blosser Begleiter. Dieses Konzert bedarf aber eines mit Auch der nächste Komponist, der deutsche Paul Hinde- dem Solisten gleichwertig dialogisierenden Orchesters. Die mith (1895–1963) dürfte in den Plattenregalen unserer Mit- Aufnahme ist übrigens in Mono, obwohl bei der uns vorlie- glieder nur dürftig, wenn überhaupt, vorhanden sein; dies genden Ariola-Pressung Stereo vermerkt ist. obwohl seine Werke nicht zu den schwer zugänglichen gehören. Hindemith hat in Frankfurt Violine und Komposition Die beiden Einspielungen von Wilkomirska und Kulka ver- studiert und den ersten Teil seiner Karriere als ausübender einigen übrigens beide Violinkonzerte Szymanowskis auf ei- Künstler verbracht: 1915 bis 1923 war er Konzertmeister am ner Platte. Bei Wilkomirska erstaunt, dass die Aufnahme des Frankfurter Opernhaus, in den Zwanzigerjahren dann Brat- 2. Konzerts mit demselben Dirigenten und Orchester erst schist im bedeutenden Amar-Quartett. Später trat er als So- 1980, also 19 Jahre später, entstanden ist. lobratschist und schliesslich als Dirigent eigener und fremder Werke auf. Ab 1927 war er zudem Professor an der Berli- Diskographische Hinweise: ner Hochschule, verlagerte jedoch nach der Machtergrei- fung durch die Nazis seine Aktivitäten zunehmend ins Aus- • Konstanty Kulka, Polnisches Radioorchester, Dirigent: Jerzy land; es war weniger die Musik als die Gesinnung Hinde- Maksymiuk A: Nov. 1978; EMI 2C069-03597 miths, die auf die Ablehnung der Nazis stiess, welche seine Musik ab 1934 mit einem Sendeverbot für den Rundfunk be- • Wanda Wilkomirska, National Philharmonic Orchestra legten. Hindemith zog 1938 zunächst in die Schweiz und Warschau, Dirigent: Witold Rowicki, A: 1961, Polskie 1940 schliesslich in die USA, unterrichtete in Yale (1940- Nagranie SX 2351 1953), und wurde 1946 amerikanischer Staatsbürger. Ab 1953 lebte er wieder in der Schweiz (im wadtländischen • David Oistrach, Leningrader Philharmoniker, Dirigent: Kurt Blonay). Sanderling; A: 1959; Melodija D 05180 (oder in 3 LP- Album Ariola 89 515 XGK) Hindemiths Musik hatte in der Zwischenkriegszeit in Deutschland polarisiert. Er galt zunächst als «bad boy», des- sen Kompositionen die Nazis als «Entartete Kunst» einstuften. AAA-Bulletin Ausgabe Winter 2009
19 Als indessen Furtwängler 1932 Hindemiths «Philharmoni- sches Konzert» uraufführte und zwei Jahre später die Sym- phonie zu «Mathis der Maler» entstand, nahmen die Nazis im Grunde vor allem noch Anstoss an seiner Gesinnung; dafür aber wandten sich nun die Vertreter der «Neuen Sach- lichkeit», allen voran ihr Wortführer Theodor W. Adorno, von ihrem einstigen Weggefährten Hindemith ab, weil ihnen sei- ne Tonsprache nun restaurativ erschien. Autograph von Hindemith aus dem Jahre 1932 Das Werk ist dreisätzig. Im ersten Satz entwickelt die So- logeige das erste Thema in hohen Tönen aus den Streicher- klängen heraus. Ein Pendant dazu tragen dann die Holz- bläser bei. Später folgt ein zweites, längeres Thema. Im Zen- trum des zweiten Satzes steht nach einer Holzbläsereinlei- tung eine ausdrucksvolle Cantilena. Der Satz enthält aber auch militärischere Töne (ob es zu weit geht zu sagen, hier bringe Hindemith deutsches Kriegsgeschrei ein?), die Geige antwortet mit humanen Tönen. Im dritten Satz stehen spöt- tisch, heroische und ironische Töne im Orchester einer Gei- ge gegenüber, die unterschiedliche Gefühle von Mensch- lichkeit oder brillanter Fröhlichkeit ausdrückt. Eine ausführli- che Kadenz führt zu einem intensiven Schluss. Vor allem der dritte Satz ist interpretatorisch sehr anspruchsvoll, verlangt er doch vom Solisten und vom Dirigenten grosse Präsenz, um den Dialog beider und die in der Partitur angelegte Ironie um- Paul Hindemith zusetzen. Ob der hohe Anspruch ein Grund ist, dass das Werk nicht häufig aufgeführt wird? Mehr in Klammer ist vielleicht noch zu ergänzen, dass Kompositorisch lassen sich tendenziell Phasen festhalten: das beschriebene Violinkonzert nicht das erste konzertante In den Jahren 1917 bis 1923 ist sehr viel Kammermusik ent- Werk für die Geige ist; denn bereits in den 20er-Jahren hat- standen, in den 30er-Jahren wich das Schaffen für Kammer- te er in den sogenannten «Kammermusiken» – das sind sie- ensembles jenem für Sinfonieorchester. In den späten 30er- ben Konzerte für unterschiedliche Soloinstrumente – als Num- und in den 40er-Jahren sind die Solokonzerte entstanden, zu- mer vier ein Konzert für Solovioline und grosses Kammeror- dem hat er die meisten Instrumente mit einer Sonate mit Kla- chester komponiert. vierbegleitung bedacht. Zu sagen ist, dass Hindemith die meisten Instrumente, für die er Konzerte schrieb, selbst spie- Fünf, zum Teil sehr hörenswerte Einspielungen len konnte! In den letzten Lebensjahren widmete er sich ne- ben dem Komponieren vermehrt dem Dirigieren und ging auf Dieses Konzert ist jedenfalls nur sehr selten im Konzert- Tourneen in die USA und nach Asien. saal zu hören. Etwas besser steht es mit Aufnahmen. Zu- nächst zu zwei Aufnahmen mit dem grossen David Ois- Hindemiths Violinkonzert ist 1939 entstanden und am 19. trach (1908–1974), beide aus dem Jahre 1962. Da ist April 1940 vom Boston Symphony Orchestra unter Serge zunächst eine russische mit dem «Staatlichen Sinfonieorches- Koussevitzky mit dem Solisten Richard Burgin uraufgeführt ter der UdSSR» unter Gennadij Roshdeswenskij. Im 1. Satz worden. Die Orchestrierung weist neben den Streichern 2 ist durchaus ein Wechselspiel von Solist und Orchester zu er- Flöten, Piccolo, 2 Oboen, 2 Klarinetten, Bassklarinette, 2 Fa- kennen, im zweiten Satz wirkt der Dirigent indessen zu sehr gotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Kessel- als blosser Begleiter. Oistrach hat den gewohnt klaren und pauken, grosse Trommel, kleine Trommel, Zymbal, Triangel, präzisen Ton und wirkt sehr inspiriert. Die zweite Auf- Tamburin und Gong auf. Zu hören sind also viel Schlagwerk nahme Oistrachs ist bloss ein halbes Jahr später mit dem und Bläser. «London Symphony Orchestra» unter der Leitung des Kom- ponisten entstanden. Diese Decca SXL-Platte gilt als Referenz. Tatsächlich ist sie klanglich wesentlich gelungener. Eindrück- AAA-Bulletin Ausgabe Winter 2009/2010
20 lich ist das von Hindemith vehement ge- gegangen und hat das Konzert mit 1964, Columbia Masterworks MS leitete Orchester. Beim ersten Hinhören Leonard Bernstein und dem «New York 6713 scheint es so, als habe Oistrach hier zu Philharmonic Orchestra» für Columbia Beginn weniger Verve als in der russi- aufgenommen. Ein sehr gutes Zusam- • André Gertler, Tschechische Philhar- schen Einspielung. Doch zeigt sich menspiel von Solist und Orchester, ein monie, Dirigent: Karel Ancerl, A: Ja- rasch, dass ein präzises Konzept vor- ideenreicher Stern, der einen kantablen nuar 1968, Supraphon Stereo liegt. Ausgezeichnet, wie zu Beginn Ton pflegt und dabei etwas mehr Vi- 1100508 des 2. Satzes der Dirigent Hindemith brato verwendet als Oistrach, prägen mit einer kammermusikalischen Auffas- diese Einspielung, die dank Bernstein • Joseph Fuchs, London Symphony Or- sung bereits in der Orchestereinleitung auch vom Orchester her sehr abwechs- chestra, Eugene Goossens (world den Bogen der später einsetzenden lungsreich wirkt. Besonders schön sind premiere recording); A: 1959, Ever- Violine vorwegnimmt. Treffend wie Ois- auch die lyrischen Passagen. Von Bern- est SDBR-3040 trach genau und angemessen nüchtern stein ist man als Hörer oft Über- abnimmt und entwickelt. Jede Phrase schwengliches gewohnt. Deshalb er- des Orchesters ist genau gesetzt, nichts staunt es, wie Bernstein im zweiten Satz William Walton: klingt nebenbei. Das Orchester kommt klanglich bestens zum Zuge. Hervorra- von Beginn an den sachlichen Ton der Partitur trifft. Sterns zurückhaltende Ge- Violinkonzert h-Moll gend ist Hindemith auch mit seiner dras- staltung dieses Satzes erscheint genau (1939) tischen Begleitung im letzten Satz. Das richtig. Im Teil mit «militärischen» Tönen ist eine rundum überzeugende Interpre- erinnert Bernsteins Lesart an Schostako- Die Musik des englischen Komponis- tation, die klanglich bestens ist! witsch. Fulminant nehmen Solist und Di- ten William Walton (1902–1983) rigent den 3. Satz. wird hierzulande kaum je gespielt. In den wohl über tausend Klassikkonzer- Wesentlich zurückhaltender ist die ten, die ich in meinem bisherigen Leben Aufnahme von 1968 des belgisch-un- gehört habe, war gerade einmal, garischen Geigers André Gertler 2002, ein kurzes Orchesterstück in ei- (1907–1998), der sich vor allem als nem Gastspiel des «BBC Philharmonic Bartok-Interpret einen grossen Namen Orchestra Manchester» als Zugabe zu gemacht hat. Zwar begleitet Karel An- hören. Meine einzige grosse Begeg- cerl mit der Tschechischen Philharmonie nung mit Waltons Musik ausserhalb der schön, doch hat die Einspielung wenig Schweiz war allerdings eine gewichti- klare Konturen, wirkt weniger dem ge und unvergessene: 1976 in London Werk angemessen radikal, ist in den mit dem «London Symphony Orchestra» Ecksätzen zu «zurückgenommen». unter André Previn. Zu hören war das einstündige Werk «Belshazzar’s Feast» Referenz bleibt letztlich zunächst aus den Jahre 1931, eines der gross- Oistrach, und zwar aus Gründen der artigsten Werke für Chor und Orchester «authentischen» Begleitung und des gu- des 20. Jahrhunderts (es hat eine an- ten Klangs seine Aufnahme mit dem spruchsvolle Bariton-Partie), der Kom- Komponisten auf Decca. Aber auch ponist war anwesend und nahm den David Oistrach Isaac Sterns Einspielung kann gleicher- riesigen Applaus würdig entgegen. massen Freude bereiten. Wenig überzeugend ist demge- genüber die drei Jahre früher entstan- Diskographische Hinweise: dene Ersteinspielung des Werks durch • David Oistrach, Staatliches SO. der Joseph Fuchs (1899–1997) und UdSSR, Dirigent: Gennadij Roshdes- dem gleichen «London Symphony twenskij, A: Februar 1962; Melodija Orchestra» unter Eugene Goossens. D 010977 (oder Album Ariola 89 Dies nicht nur weil die Everest-Platte 515) klanglich grell ist. Am natürlichsten wirkt die Geige, doch «schleift» der Klang • David Oistrach, London Symphony dieser Aufnahme und interpretatorisch Orchestra, Dirigent: Paul Hindemith, spielt das Orchester zu ungebremst und A: September 1962; Decca SXL wenig inspiriert dahin. 6035 1964, zwei Jahre nach Oistrach, ist • Isaac Stern, New York Philharmonic, Sir William Walton mit Sir Yehudi Menuhin Isaac Stern (1920–2001) ins Studio Dirigent: Leonard Bernstein, A: April (um 1970) AAA-Bulletin Ausgabe Winter 2009
21 Im angelsächsischen Sprachraum erfreut sich Walton ei- fast fertige Konzert zu besprechen, soll sich Heifetz, so be- niger Beliebtheit. Ein interessantes Phänomen ist, dass Wal- richtet Lady Walton, mehr für das Anpflanzen in seinem Gar- ton in den meisten Gattungen oder für die meisten Instrumente ten als für das Besprechen des Werks interessiert haben, er «bloss» ein Werk geschrieben hat: je ein Konzert für die Vio- soll es nicht einmal durchgespielt haben. Dennoch arbeiteten line, die Bratsche, das Cello und eines mit obligatem Klavier, Walton und Heifetz in den kommenden Wochen intensiv am ein Streichquartett, ein Klavierquartett, eine Violinsonate, ei- Werk, vor allem am dritten Satz. Es dürfte allerdings typisch ne grosse Oper, eine Kammeroper. Eine Ausnahme bilden britischer Humor sein, wenn Walton nach Fertigstellung sei- da die beiden Sinfonien. Walton hat übrigens zahlreiche nes Werks allen feinfühligen Komponisten empfohlen hat, mit Filmmusiken geschrieben. 37 zu sterben, da er soeben seine erste Eiszeit durchlebt ha- be und reif sei für (Kritiker-) Verdammung. Die Uraufführung Bekannt geworden ist Walton 1923 durch das Werk des Werks am 7. Dezember 1939 in Cleveland mit Heifetz «Façade» (nach 21 Gedichten von Edith Sitwell). Mit diesem und dem «Cleveland Orchestra» unter der Leitung von Artur Werk galt der Komponist zunächst als «enfant terrible». Doch Rodzinski ist jedoch durchaus ein Erfolg geworden. Knapp ab Ende der 20er Jahre, das zeigt beispielsweise schon das zwei Jahre später, im November 1941 hat der Komponist von Hindemith als Bratscher 1929 uraufgeführte Violakon- selbst dann die britische Erstaufführung in London dirigiert. zert, hat Waltons Tonsprache neoromantische Züge. 1943 hat Walton indessen substantielle Änderungen in der Orchesterpartitur vorgenommen. Die revidierte Fassung wur- Das Werkverzeichnis Waltons ist ansehnlich aber nicht de im Januar 1944 in England erstaufgeführt. riesig. Das liegt daran, dass Walton kein rascher Schreiber war. Die Geschichte seines hier besprochenen Violinkonzerts Das etwa halbstündige Konzert ist herkömmlich dreisät- aus den Jahren 1938/39 belegt dies: Es ist ein Auftrags- zig. Der erste Satz, ein «Andante tranquillo» beginnt mit ei- werk des Geigers Jascha Heifetz, der sich mit einer gross- nem langen gemächlichen Solothema der Violine, da hat es zügigen Entlöhnung von 300 Pfund die alleinigen Auf- viel bittersüsse Melancholie; das Ganze mündet in ein zwei- führungsrechte für die ersten zwei Jahre ausbedungen hatte. tes, vom Orchester eingeleitetes, lebhafteres Thema und Walton empfand den Auftrag als grosse Ehre, hatte indes- schnellere und virtuosere Passagen, bei denen das Orchester sen, wie so oft, Mühe mit der kompositorischen Umsetzung, das Sagen hat. Der Satz endet mit der Rückführung zum ly- weil er fürchtete, den Violinpart nicht elaboriert genug und so- rischen Ausdruck der Sologeige des Beginns. Der zweite mit des Geigers nicht würdig gestalten zu können. Dass sei- Satz, ein «Presto capriccioso à la napolitana» hat drei Cha- ne Komposition einen eher intimen Ton aufwies, machte ihn rakteristiken: einen aufflammend hastigen Beginn, ein nea- besorgt, weil er glaubte, ein Konzert für Heifetz müsse im politanisches Walzermotiv (Sologeige) und das Thema des Violinpart spritziger und glanzvoller sein. Trios, das vom Horn eingeführt wird. Das Finale (Vivace) be- LP12_Anzeige _CH_210x148 18.11.2008 15:16 Uhr Seite 1 ginnt in raschem Tempo, die Sologeige führt uns dann drei Als Walton zu Heifetz in die USA reiste, um mit ihm das eingängige und ausführlich entwickelte Melodien vor. Das DAS WICHTIGSTE STEHT IM KLEINGEDRUCKTEN: MAJIK LP12 inkl. Netzteil, Tonarm und MM-System ADIKT: CHF 4’560.- Der Traum aller kostenbewussten Vinylliebhaber ist wahr geworden: Den MAJIK LP12 komplett mit integriertem Netzteil, hochwertigem Karbontonarm und Spitzen-MM-System LINN ADIKT gibt es bereits für CHF 4’560,- Bei uns können Sie den sensationellen “kleinen” LP12 in aller Ruhe kennenlernen, gerne auch im direkten Vergleich mit seinen grossen Brüdern AKURATE LP12 und KLIMAX LP12. Bitte bringen Sie Ihre Lieblings-LPs und ein bisschen Zeit mit. Wir versprechen Ihnen Meyer & Partner ein unvergessliches musikalisches Erlebnis. Balierestrasse 10 8500 Frauenfeld www.hmmusic.ch AAA-Bulletin Ausgabe Winter 2009/2010
22 Ganze führt durchaus zum ersten Thema des ersten Satzes zert in Erinnerung, erstaunt sofort, wie viel kompetenter sein zurück und bietet dem Solisten Möglichkeiten für ein ganzes Dirigat hier ausfällt. Heifetz ist sofort an seinem unglaublich Feuerwerk. präzisen und brillanten Ton, der aber nie etwas Äusserliches an sich hat, zu erkennen. Diese Aufnahme von 1941 ist Waltons Violinkonzert ist übrigens zeitgleich mit jenen von klanglich befriedigend, die Interpretation überzeugt. Samuel Barber, Benjamin Britten, Paul Hindemith, Walter Pis- ton und Karl Amadeus Hartmann entstanden. Die Violinkon- Die Einspielung von Heifetz mit dem Komponisten Wil- zerte von Berg und Schönberg, das zweite von Bartok und liam Walton am Pult aus dem Jahre 1950 besticht durch ei- das zweite von Prokofiev gehen ihm nur um ein bis drei Jah- ne im positiven Sinne rationale Planung des Gesamtkon- re voraus. zepts. Da ist ein grosse Brillanz des Geigenspiels zu be- wundern, dosiert im Lyrischen, stets präzise und perfekt in Fünf spannende Einspielungen den bewegten Teilen. Im letzten Satz scheint Heifetz alle Möglichkeiten des Geigenspiels voll auszuschöpfen. Die Mo- Bei dieser Besprechung gehen wir chronologisch nach noaufnahme klingt dem Aufnahmejahr angemessen gut. Aufnahmedaten vor. Der Auftraggeber und Widmungsträger Jascha Hei- fetz (1901–1987) hat das Werk zweimal eingespielt: im Ja- nuar 1941, also ein gutes Jahr nach der Uraufführung, mit dem «Cincinnati Symphony Orchestra» unter der Leitung von Eugen Goossens (in der Originalversion) und nochmals im Ju- li 1950, anlässlich einer Europatournee, nunmehr mit Wal- ton selbst und Dirigentenpult und dem «Philharmonia Orches- tra» (revidierte Fassung). Beide Aufnahmen sind in Mono. Zino Francescatti (Foto mit Autograph) Zino Francescatti (1902–1991) nimmt 1959 das Werk romantischer und spielt mit seinem unverkennbaren schnellen Vibratoton. Das Ganze tönt spannend und packend. Auffallend ist, wie der Geiger das zweite Thema des Mittelsatzes ganz anders ausspielt: Francescatti scheint sich im Ton zu wiegen. Die lyrischen und die metrischen Ele- mente dieses Satzes werden deutlicher gegenübergestellt, die Orchesterbegleitung ist gut. Auch der dritte Satz hat ei- nen durchgehenden Zug. Yehudi Menuhin (1916–1999) wird in seiner Auf- nahme aus dem Jahre 1970 ebenfalls vom Komponisten be- gleitet. Der erste Satz wird langsamer genommen als in den Vergleichseinspielungen. Der Geigenton ist zwar weniger klar fokussiert als bei Francescatti und vor allem bei Heifetz, Jascha Heifetz doch sind Ausdruck und Bögen des Geigenspiels schön, fast möchte man sagen: erstaunlich gut für Menuhin im Jahre Als erstes lag die erste Einspielung von Heifetz mit 1970. Im zweiten Satz wirkt Menuhin in den schnellen Pas- Goossens auf dem Plattenteller. Rasch wird klar, dass die- sagen doch schwerfälliger als die bisher gehörten Geiger. ses Violinkonzert keine britische Zurückhaltung aufweist. Fast Menuhin ist auch hier langsamer, wirkt in den schnellen Tei- ist man verführt in die Klischeekiste zu greifen und dem Kon- len eher hektisch als schnell. Soll man bemängeln, Menuhin zert einen amerikanischen Charakter nachzusagen. Hat man wiege sich zu sehr im zweiten Thema? Walton begleitet hier Goossens lustlose Begleitung von Fuchs im Hindemith-Kon- weniger lebendig und überzeugend als 20 Jahre zuvor. AAA-Bulletin Ausgabe Winter 2009
Der junge Yehudi Menuhin 1977 hat Ida Haendel (geb. 1923 – oder 1928?) mit Paavo Berglund und dem «Bournemouth Symphony Orches- tra» (wie bereits Menuhin auf EMI) eine gepflegte romanti- sche Einspielung vorgelegt. Vor allem der Beginn erinnert daran, dass Studioeinspielungen aus dieser Zeit nicht selten auf Wohlklang aus sind und interpretatorisch keine allzu gros- sen Risiken eingehen. Vom zweiten Thema an kommt mehr Leben in das Ganze. Wohlverstanden: das ist keine Inter- pretation, die man nicht empfehlen möchte. Gerade im zwei- ten Satz zeigt sich Ida Haendel den technischen Anforde- rungen des Werks gänzlich gewachsen, dennoch hat ihr Ton nicht die musikalische Souveränität eines Heifetz.
24 Wenn wir unsere ganz persönliche Reihenfolge der In- • Jascha Heifetz, Cincinnati Symphony Orchestra, Dirigent: terpretation auflisten sollten, steht klar die Aufnahme mit Hei- Eugene Goossens; A: 18. 2. 1941 (Originalversion), fetz und Walton an oberster Stelle, gefolgt von jener Fran- RCA ARM 4-0945 (Vol. 4 der Heifetz Collection, 4 LPs) cescattis. An dritter Stelle würden die frühere Heifetz Auf- mit anderen Aufnahmen (1937-41) von Violinkonzert nahme mit Goossens empfehlen, dann Ida Haendel und erst als letztes Menuhin mit Walton. Damit ist aber auch klar, dass • Yehudi Menuhin, London Symphony Orchestra, Dirigent: wir nicht audiophilen Kriterien folgen, sind doch die beiden Sir William Walton; A: 1970, EMI ASD 2542 (mit Wal- EMI Aufnahmen mit Haendel und Menuhin die wohlklingen- tons Violakonzert) den. • Zino Francescatti, Philadelphia Orchestra, Dirigent: Eu- Diskographische Hinweise: gene Ormandy; A: 1959 CBS 61584 (mit Waltons Vio- lakonzert) • Ida Haendel, Bournemouth Symphony Orchestra, Diri- gent: Paavo Berglund; A: Juni 1977; EMI ASD 3483 (mit Brittens Violinkonzert) • Jascha Heifetz, Philharmonia Orchestra, Dirigent: Sir Wil- liam Walton; A: Juli 1950; RCA LM 2740 oder LSB 4102 (mit dem Violinkonzert Nr. 2 von Castelnuovo-Te- desco) RHAPSODY Ein Vertrieb stellt sich vor: Liebe Freundinnen und Freunde der hochwertigen analogen Musik-Wiedergabe; RHAPSODY ist sowohl ein Vertrieb als auch ein Wohnraumstudio und hat sich speziell der hochwertigen analogen Musikwiedergabe verschrieben. Exklusiv vertreten wir in der Schweiz: • MUSICAL LIFE, traumhaft schöne und sündhaft gute Plattendreher und Tonarme, die in der Kombination Schiefer, Holz, Kunststoff einmalig in jeder Hinsicht sind. www.musicallife.de • THESIS AUDIO, Laufwerke aus Granit verführen die Sinne nicht nur mit ihrem einmaligen Design, sondern auch durch ihre exzellente, natürliche Musik-Reproduktion. www.thesisaudio.it • ORIGIN LIVE, Drehtonarme aus England, die von Fachleuten als die besten der Welt angesehen werden. www.originlive.com Einen ersten Überblick verschafft Ihnen auch unsere eigene Homepage: www.rhapsody-hifi.ch Unser Wohnraumstudio befindet sich in Arlesheim (BL). Wenn Sie einen persönlichen Termin vereinbaren, können wir uns Ihnen individuell und mit viel Zeit widmen. Auch Händler-Anfragen sind gerne erwünscht. RHAPSODY highend & music, Peter Krueger, +41 (0)61 599 59 89 keep on swingin' AAA-Bulletin Ausgabe Winter 2009
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