Aus extrem wurde normal: Sommer in Deutschland, der Schweiz und Österreich immer heisser

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Aus extrem wurde normal: Sommer in Deutschland, der Schweiz und Österreich immer heisser
2. Juli 2020

Aus extrem wurde normal: Sommer in Deutschland,
der Schweiz und Österreich immer heisser
Eine der deutlichsten Auswirkungen des Klimawandels ist die stetige
Erwärmung. In den Sommern führt das zu einer deutlichen Zunahme von
Hitzewellen.
Auswertungen des Deutschen Wetterdiensts (DWD), des Bundesamts für
Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz und der Zentralanstalt für
Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) zeigen, dass die Sommer in allen
Regionen und in allen Höhenlagen deutlich heisser geworden sind.
Was früher ein extrem heisser Sommer war, ist heute ein durchschnittlicher
Sommer. Selbst die kühlsten Sommer der letzten 25 Jahre blieben meist
deutlich über dem langjährigen Durchschnitt vor 1990.
Deutschland, die Schweiz und Österreich stehen im Bereich Klimawandel vor
ähnlichen Herausforderungen, daher arbeiten der Deutsche Wetterdienst,
MeteoSchweiz und die Zentralanstalt für Meteorologie in vielen Bereichen eng
zusammen. In den Sommern sind vor allem die zunehmende Hitzebelastung, Dürre,
Starkregen und Waldbrandgefahr ein Thema sowie die Gletscherschmelze und das
Tauen des Permafrosts in den Alpen. Die Ursachen und Auswirkungen des
Klimawandels können nur effektiv bekämpft werden, wenn über die Grenzen von
Staaten und Fachgebieten hinweg zusammengearbeitet wird.

In den letzten Jahren zahlreiche Rekordsommer
In den letzten 40 Jahren zeichnet sich ein Trend zunehmender Hitze-Extrema ab. Die
jüngste Vergangenheit brachte in Deutschland, der Schweiz und Österreich fast
durchwegs Sommer im Rekordbereich. Die drei heissesten Sommer der
Messgeschichte waren alle in den 2000er-Jahren: In der Schweiz und in Österreich
sind das die Sommer 2003, 2015, 2019, in Deutschland die Sommer 2003, 2018 und
2019. Für die Gesundheit besonders relevant sind die immer häufigeren und
längeren Hitzewellen sowie die immer geringere Abkühlung in den Nächten.
Aus extrem wurde normal: Sommer in Deutschland, der Schweiz und Österreich immer heisser
Die wärmsten Sommer der Messgeschichte

                        Deutschland               Schweiz              Österreich
    Platzierung
                     (Messreihe seit 1881)   (Messreihe seit 1864) (Messreihe seit 1767)

         1.                  2003                   2003                   2003

         2.                  2018                   2015                   2019

         3.                  2019                   2019                   2015

         4.                  1947                   2018                   2017

         5.                  1994                   2017                   2018

         6.                  2015                   1994                   1992

         7.                  1983                   1947                   1811

         8.                  1992                   2012                   2012

         9.                  2006                   1983                   1994

        10.                  2002                   1950                   2013

Neues Sommerklima: aus extrem wird normal
Der Sommer ist in der Schweiz, in Deutschland und Österreich ab den 1990er-
Jahren massiv wärmer geworden. Dabei fällt ein drastisches Phänomen auf: Die
Temperatur der extremsten Sommer vor dem Jahr 1990 ist in den letzten 30 Jahren
zum Durchschnitt eines Sommers geworden. Was früher ein extrem heisser Sommer
war, ist heute ein normaler (durchschnittlicher) Sommer. Selbst die kühlsten Sommer
der letzten 25 Jahre blieben meist deutlich über dem langjährigen Durchschnitt vor
1990.
In Österreich war beispielsweise der Sommer 2014 ein für das aktuelle Klima
durchschnittlicher Sommer. Vor 1990 wäre er einer der 15 wärmsten Sommer der
Messgeschichte gewesen.
Diese Entwicklung setzt sich mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit in den nächsten
Jahrzehnten fort. Bei weltweit unverändertem Ausstoss von Treibhausgasen werden
Sommer, die heute für uns extrem heiss sind, Ende des Jahrhunderts der Normalfall
sein. Die „Ausreisser“ einzelner Hitzesommer werden dann noch extremer sein als
heute.
Heisse Tage immer häufiger, auch in höheren Lagen
Ein Indikator für die Zunahme von Hitze ist die Zahl der Tage mit mindestens 30 °C
(„Heisse Tage“ oder „Hitzetage“). Die Zahl der Hitzetage ist in Deutschland,
Österreich und der Schweiz in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen, und hat
sich zum Beispiel in Berlin und Wien in etwa verdoppelt. Selbst in Lagen oberhalb
von 1000 Meter Seehöhe wurden Temperaturen über 30 °C immer häufiger.

Beispiele für die Zunahme der Tage mit mindestens 30 °C
Im Schweizer Mittelland waren Hitzetage in der Referenzperiode 1961-1990 noch
eine seltene Erscheinung. Am Messstandort Bern-Zollikofen wurden im Mittel
3 Hitzetage pro Jahr registriert, im Zeitraum 1990-2019 lag der Durchschnitt bei
9 Tagen pro Jahr. Das Maximum mit 29 Hitzetagen wurde in Bern im Jahr 2003
erreicht.
Auf einer Höhe von rund 1000 Meter Seehöhe gab es in der Schweiz früher nur
vereinzelt Hitzetage. Zum Beispiel gab es im Zeitraum der 30 Jahre der
Klimareferenzperiode 1961 bis 1990 in Chateau d‘Oex (1028 m Seehöhe) nur zwei
Jahre mit Temperaturen über 30 °C: 1983 (6 Hitzetage) und 1984 (1 Hitzetag). Der
Zeitraum von 1990 bis 2019 brachte hingegen 19 Jahre mit Temperaturen über 30
°C, die meisten 2003 (11 Hitzetage) und 2015 (8 Hitzetage).
Ähnliches gilt für Deutschland und Österreich:
In Berlin/Brandenburg hat die Zahl der Hitzetage von früher durchschnittlich 6,5 pro
Jahr (Klimaperiode 1961-1990) auf mittlerweile 11,5 Tage zugenommen (1990-
2019).
In Österreich registrierte die ZAMG in Seefeld auf rund 1200 Meter Seehöhe im
Zeitraum 1961 bis 1990 nur in fünf Jahren Höchsttemperaturen mit mindestens 30 °C
(durchschnittlich 0,3 Hitzetage pro Jahr). Im Zeitraum 1990 bis 2019 gab es in
Seefeld in 13 Jahren zumindest einen Hitzetag (durchschnittlich 0,6 pro Jahr).

                Entwicklung der heissen Tage in der Vergangenheit

           (durchschnittliche Zahl der Tage mit mindestens 30 °C pro Jahr)

                       Zeitraum 1961-
                                           Zeitraum 1990-2019         Rekord
                            1990

 Berlin/Brandenburg
                    6,5 Hitzetage pro       11,5 Hitzetage pro
 (D)                                                             28 Hitzetage (2018)
                             Jahr                  Jahr

 Frankfurt am Main     8,7 Hitzetage pro    16,3 Hitzetage pro
                                                                   43 Tage (2018)
                              Jahr                 Jahr
 (D, 112 m)
Wien Hohe Warte       10 Hitzetage pro     21 Hitzetage pro
                                                                 42 Hitzetage im Jahr 2015
 (A)                         Jahr                 Jahr

 Seefeld               0,3 Hitzetage pro
                                           1 Hitzetag pro Jahr   8 Hitzetage im Jahr 2013
 (A, 1198 m)                  Jahr

 Bern-Zollikofen        3 Hitzetage pro
                                           9 Hitzetage pro Jahr 29 Hitzetage im Jahr 2003
 (CH)                         Jahr

 Chateau d‘Oex         0,2 Hitzetage pro
                                           2 Hitzetage pro Jahr 11 Hitzetage im Jahr 2003
 (CH, 1028 m)                 Jahr

Konsequenter Klimaschutz wirkt deutlich
In den nächsten Jahrzehnten ist bei einem weltweit unveränderten Ausstoss von
Treibhausgasen („ungünstigstes“ oder „worst-case-“ Szenario, RCP 8.5) eine weitere
deutliche Zunahme der Hitzetage in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu
erwarten. Bei Einhaltung der Pariser Klimaziele (RCP 2.6) könnte sich die
Entwicklung der Hitzetage in den nächsten Jahrzehnten auf dem aktuell hohen
Niveau stabilisieren. Die Bandbreite der Klimamodelle (von-bis) ist dabei ein Hinweis
auf die Unsicherheit der Berechnungen.
An der Messstation Bern-Zollikofen sind im worst-case-Szenario gegen Ende des
Jahrhunderts ca. 30 bis 60 Hitzetage pro Jahr zu erwarten. Konsequenter globaler
Klimaschutz (Einhaltung der Pariser Klimaziele, RCP 2.6) würde die Zunahme auf
etwa 10 bis 20 Hitzetage pro Jahr eingrenzen.
Im Gebiet von Berlin und Brandenburg sind beim Klimaschutz-Szenario (RCP 2.6)
Ende des Jahrhunderts 10 bis 16 Heisse Tage pro Jahr zu erwarten, im worst-case
Szenario dagegen muss man mit 21 bis 35 Hitzetagen im Jahr rechnen.

         Mögliche Entwicklung der Hitzetage bis Ende des Jahrhunderts
          (durchschnittliche Zahl der Tage mit mindestens 30 °C pro Jahr)

                    Unveränderter Ausstoss von
                                                         Konsequenter Klimaschutz
                         Treibhausgasen
                                                          (Einhaltung der Pariser
                    (worst-case- Szenario, RCP
                                                            Klimaziele, RCP 2.6)
                               8.5)

                      ca. 20-35 Hitzetage pro Jahr        ca. 10-16 Hitzetage pro Jahr
 (Berlin, D)           (Klimaperiode 2071-2100)            (Klimaperiode 2071-2100)
(Wien Hohe           ca. 30-73 Hitzetage pro Jahr      ca. 12-25 Hitzetage pro Jahr
 Warte, A)             (Klimaperiode 2071-2100)          (Klimaperiode 2071-2100)

 Bern-Zollikofen      ca. 30-60 Hitzetage pro Jahr      ca. 10-20 Hitzetage pro Jahr
 (CH)                      (um das Jahr 2085)                (um das jahr 2085)

Hitzewellen werden häufiger
Hitzewellen sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz in den letzten
Jahrzehnten häufiger und länger geworden.
Hitzewellen lassen sich unterschiedlich definieren. Eine Möglichkeit, um sehr
extreme und lange Hitzewellen zu analysieren, ist folgende Definition: Eine Serie von
mindestens 14 Tagen, an denen der Durchschnitt der täglichen Höchsttemperatur
mindestens 30 °C beträgt.
Nach dieser Definition waren markante lange Hitzewellen in Deutschland, der
Schweiz und Österreich vor dem Jahr 1990 relativ selten (siehe Grafik unten). In den
letzten Jahren wurden sie immer häufiger und kommen in vielen grossen Städten
mittlerweile ungefähr alle zwei bis vier Jahre vor, zum Beispiel in Wien, Klagenfurt,
Innsbruck, Genf, Lugano, Basel, München und Frankfurt/Main. Selbst das relativ weit
im Norden liegende Berlin erlebte seit der Jahrtausendwende bereits die vierte dieser
markanten Hitzewellen.

Belastung durch sehr warme Nächte
Hitzewellen haben besonders in Städten eine grosse Auswirkung auf die Gesundheit
der Bevölkerung. Eine Ursache dafür ist auch, dass es in den Nächten weniger
abkühlt als auf dem Land und daher zum Beispiel die Belastung für das Herz-
Kreislaufsystem sehr hoch ist.
Die Zahl der Tropennächte (Tiefstwert nicht unter 20 °C) hat in den letzten
Jahrzehnten in Deutschland, der Schweiz und Österreich deutlich zugenommen.
Dieser Trend dürfte sich in den nächsten Jahren fortsetzen.

Tropennächte: Beispiel Schweiz
Tropennächte wurden vor allem im Süden der Schweiz deutlich häufiger. Vor dem
Jahr 2000 bewegte sich die maximale Zahl der Tropennächte meist bei 5 und nur
selten bei 10 oder mehr. Seither liegt die Zahl meist zwischen 10 und 20. Die
Tendenz ist in den letzten Jahren eindeutig steigend.
Nördlich der Alpen traten in der Schweiz Tropennächte vor dem Jahr 2000 an den
klassischen Messstandorten ausserhalb der Stadtzentren nur vereinzelt auf. Seither
gab es mehrere Sommer mit über 3 Tropennächten. In den Extremsommern 2003
und 2015 lagen die Werte lokal auch zwischen 6 und 15.
Messungen im Stadtzentrum von Zürich lieferten für die Extremsommer 2003 und
2015 20 bis 30 Tropennächte.

Tropennächte: Beispiel Wien
In Wien gab es im Zeitraum 1971-2000 durchschnittlich ein bis zwei Tropennächte
pro Jahr, im Zeitraum 1981-2019 waren es durchschnittlich vier Tropennächte pro
Jahr. Der Rekord an der Wetterstation Wien Hohe Warte liegt bei 23 Tropennächten
im Jahr 2015, an der Wetterstation Wien Innere Stadt bei 41 Tropennächte in den
Jahren 2018 und 2019.

Tropennächte: Beispiel Frankfurt
In Deutschland waren Tropennächte bis in die 1990er Jahre ausgesprochen seltene
Ereignisse. Zum Beispiel wurde im Bundesland Hessen im Zeitraum 1961-1990 ca.
alle fünf Jahre eine Tropennacht registriert. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts werden
immer häufiger Tiefsttemperaturen nicht unter 20 °C gemessen. In Frankfurt am Main
etwa, wo durch die dichte städtische Bebauung eine Abkühlung in der Nacht
zusätzliche gestört wird, wurden im Jahr 2015 acht, im Jahr 2018 sechs und im Jahr
2019 vier Tropennächte gezählt.

Erwärmung verstärkt Dürreperioden
Bei der Entstehung von Dürreperioden spielt neben dem Niederschlag auch die
Temperatur eine grosse Rolle. Je wärmer es ist, desto mehr Feuchtigkeit verdunstet
aus dem Boden. Ausserdem verlängern höhere Temperaturen die Vegetationszeit
und somit die Zeit, in der Pflanzen dem Boden Wasser entnehmen.
Untersuchungen für Deutschland zeigen eine Abnahme der Bodenfeuchte im
Frühling und im Sommer. In Österreich hat sich die klimatische Wasserbilanz im
Sommerhalbjahr besonders im Osten und Norden des Landes zu trockeneren
Verhältnissen verschoben.
In der Schweiz zeigen Messungen in Bern, dass die letzten 12 Jahre während der
Vegetationsperiode allesamt trockener waren als im langjährigen Durchschnitt. Das
ist einzigartig in dieser Messreihe seit 1864. Die anhaltende und oft ausgeprägte
Sommertrockenheit der letzten Jahre ist offenbar eine typische Folge der zunehmend
heisseren und verdunstungsintensiveren Sommer in der Schweiz.
Gletscher schmelzen, Nullgradgrenze steigt
Die stetige Erwärmung wirkt sich auch deutlich im Gebirge aus. Zwei Beispiele:
Österreichs Gletscher haben seit dem letzten Maximalstand der Alpengletscher im
Jahr 1850 (letzter Höhepunkt der sogenannten „kleinen Eiszeit“) knapp 60 Prozent
an Fläche verloren.
In der Schweiz betrug die mittlere Höhe der Nullgradgrenze im Sommer (JJA) in der
Referenzperiode 1961-1990 noch knapp 3350 Meter. Im Zeitraum 1959-2019 stieg
sie um durchschnittlich 93 Meter pro 10 Jahre und erreicht heute regelmässig Werte
um 3800 Meter Seehöhe.

Waldbrandgefahr steigt
Durch die Klimaerwärmung steigt die Gefahr von Wald- und Flurbränden. In
Deutschland hat die von Waldbrand betroffene Fläche im Zeitraum 1991 bis 2017
signifikant zugenommen (DAS Monitoringbericht, 2019). Bei einem weiter
fortschreitenden Klimawandel ist zu erwarten, dass sich die Zahl der Tage mit hoher
bis sehr hoher Waldbrandgefahr weiter erhöhen wird.

Seen und Flüsse werden wärmer
Auch die Seen und Flüsse werden immer wärmer und die Zusammensetzung der
darin lebenden Tiere und Pflanzen ändert sich. Eine Studie der ZAMG für zwölf Seen
in Österreich zeigt, dass die Wassertemperaturen seit 1880 gestiegen sind, am
stärksten seit den 1980er-Jahren im Frühling und im Sommer (bis zu 2 Grad
Erwärmung).
Nach einer Studie aus Deutschland (KLIWAS, 2015), an der der DWD beteiligt war,
ist es wahrscheinlich, dass bis zum Ende des 21. Jahrhunderts die
Flusswassertemperaturen um 1 bis 2 °C steigen werden. In Kombination mit
häufigeren Niedrigwasserständen in den Sommermonaten hat dies vielfache
Auswirkungen auf die Flussökologie, Binnenschifffahrt und Energiewirtschaft.
Grafiken
(bei Nennung der Quelle kostenlos nutzbar)

Markante Hitzewellen, mit einer Serie von mindestens 14 Tagen, an denen der
Durchschnitt der täglichen Höchsttemperatur mindestens 30 °C beträgt, wurden in
Deutschland, der Schweiz und Österreich seit den 1990er-Jahren deutlich häufiger.
Quelle: DWD. ->zur vollen Auflösung
Kontakte für Medien-Rückfragen
ZAMG
Klimaforschung:
Marc Olefs (Leitung), +43 1 36026 2233, marc.olefs@zamg.ac.at
Klaus Haslinger, +43 1 36026 2236, klaus.haslinger@zamg.ac.at
Presse: Thomas Wostal, +43 664 75057109, thomas.wostal@zamg.ac.at

Deutscher Wetterdienst
Pressestelle, +49 69 8062 4501 pressestelle@dwd.de

MeteoSchweiz
klimainformation@meteoschweiz.ch
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