Ausbildungsgarantie in Österreich

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Ausbildungsgarantie in Österreich

                                                                MICHAEL TRINKO
                                                                   Dezember 2012

 n Die österreichische Ausbildungsgarantie wird derzeit in Europa sehr stark als mög-
   liches Vorbild oder Modell im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit diskutiert.

 n Über die letzten drei Jahre konnten Erfahrungen mit den zwei bestehenden Modellen
   gesammelt werden, die im Rahmen der überbetrieblichen Berufsausbildung ange-
   boten werden.

 n Aus Sicht des Österreichischen Gewerkschaftsbundes ist dabei dem Lehrgangs-Mo-
   dell (ÜBA 1) der Vorzug zu geben und darauf zu achten, dass Unternehmen nun
   nicht im Gegenzug ihre eigenen Ausbildungsanstrengungen reduzieren.
MICHAEL TRINKO | AUSBILDUNGSGARANTIE IN ÖSTERREICH

                                                                Einleitung                chen, industriellen und dienstleistungsorientierten Lehrbe-
                                                                                          rufen zu wählen. Die Dauer der Ausbildung beträgt je nach
        Um einen Überblick über die Ausbildungsgarantie für Ju-                           Lehrberuf zwei, zweieinhalb, dreieinhalb oder vier Jahre.2
        gendliche in Österreich zu geben, scheint es sinnvoll, zu
        Beginn das österreichische Modell der betrieblichen Be-
        rufsausbildung (Lehre) kurz zu skizzieren. Dieser grobe                           Lehrlingszahlen in Österreich
        Abriss über das innerhalb Europas quasi einzigartige Sys-
        tem (neben der Schweiz und Deutschland) der dualen                                Mit Stichtag 31. Dezember 2011 weist die Lehrlingssta-
        Ausbildung dient als Grundlage der Erläuterungen zur                              tistik der Wirtschaftskammer Österreich eine Gesamt-
        Ausbildungsgarantie, die im Rahmen der so genannten                               zahl von 128.078 Lehrlingen (inklusive Jugendliche in
        Überbetrieblichen Berufsausbildung umgesetzt wird.                                der Überbetrieblichen Ausbildung) aus, die in 35.084
                                                                                          Lehrbetrieben ihre Ausbildung absolvieren.
        Die unterschiedlichen Ausformungen der derzeitig be-
        stehenden Überbetrieblichen Berufsausbildung (im                                  Der Anteil der Lehrlinge nach Sparten betrachtet ergibt
        weiteren Text kurz ÜBA genannt) in einzelnen Bundes-                              folgendes Bild: Die meisten Lehrlinge (43,8 Prozent) wur-
        ländern Österreichs werden kurz erläutert. Grundsätz-                             den im Jahr 2011 in der Sparte Gewerbe und Handwerk
        lich aber wird im Folgenden speziell die Umsetzung der                            ausgebildet. 12,7 Prozent der Lehrlinge absolvierten ihre
        Überbetrieblichen Ausbildung in Wien dargestellt, da                              Lehre in der Industrie und 14,8 Prozent im Handel.3
        sich dort die meisten Jugendlichen in einer ÜBA befin-
        den. Den Abschluss bildet eine Einschätzung seitens des                           Vergleicht man die Lehrlingsstatistik von 2011 mit dem
        Österreichischen Gewerkschaftsbundes, der in Bezug                                Jahr 1980 (194.069 Lehrlinge), dann ist festzustellen,
        auf die Überbetriebliche Ausbildung auf die Stärken und                           dass seit 1980 rund 66.000 Lehrstellen weniger in Ös-
        Schwächen des Systems eingeht.                                                    terreich zur Verfügung stehen.4

Das Duale Ausbildungssystem (Lehrlingsausbildung)                                         Lehre mit Matura

        Die Ausbildung in einem Lehrberuf steht grundsätzlich                             Mit der Berufsmatura oder Berufsreifeprüfung bietet die
        allen Jugendlichen offen, die die neunjährige Schul-                              Lehre auch für den tertiären Bildungsweg ein gutes Fun-
        pflicht abgeschlossen haben. Die duale Ausbildung setzt                           dament. Seit Herbst 2008 besteht in Österreich für alle
        sich aus folgenden zwei Bereichen zusammen:                                       Lehrlinge die Möglichkeit, die Berufsmatura kostenfrei
                                                                                          und parallel zur Lehre zu absolvieren. Die Berufsreifeprü-
        n   Ausbildung im Betrieb                                                         fung (BRP), wie sie im Gesetzestext genannt wird, vermit-
        n   Berufsschule                                                                  telt die allgemeine Hochschulreife und berechtigt den/die
                                                                                          AbsolventIn damit in Österreich zum Besuch von Univer-
        Ungefähr 80 Prozent der Lehrzeit verbringt der auszubil-                          sitäten, Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen,
        dende Jugendliche im Betrieb, diese Zeit dient zur Ver-                           Kollegs sowie anderen Ausbildungen auf Postsekunda-
        mittlung von berufsspezifischen Kenntnissen und Fertig-                           rebene, die eine Reifeprüfung voraussetzen. Im Rahmen
        keiten. Weiterhin verbringt der Jugendliche ungefähr 20                           der Berufsreifeprüfung müssen vier Teilprüfungen, je eine
        Prozent seiner Lehrzeit in einer Berufsschule, die die Auf-                       in Deutsch, Mathematik, einer lebenden Fremdsprache
        gabe hat, fachtheoretisches Grundwissen zu vermitteln                             sowie eine Prüfung aus dem Fachbereich entsprechend
        und die Allgemeinbildung zu erweitern.1                                           dem Berufsfeld des Lehrlings absolviert werden.5

        Etwa 40 Prozent der Mädchen und Burschen eines Jahr-                              2. Vgl. Bösch, Valerie / Nagl, Ingrid: Jugend und Arbeit in Österreich, Be-
        gangs beginnen nach dem Pflichtschulabschluss eine Lehre.                         richtsjahr 2011/2012, BMASK (unter Mitarbeit von Dagmar Brandstätter,
                                                                                          Brigitte Clemenz u. a.), August 2012, S. 65.
        Jugendliche haben die Möglichkeit, aus ca. 250 gewerbli-
                                                                                          3. Vgl. ebd., S. 35  – 36.
                                                                                          4. Vgl. Dornmayr, Helmut / Nowak, Sabine: Lehrlingsausbildung im Über-
                                                                                          blick 2012, Ibw, S. 13.
        1. Vgl. Achleitner, Dagmar / Wallner, Josef: Die Lehre. Duale Berufsausbil-
        dung in Österreich, 12. überarbeitete Auflage, Bmwfj, August 2009, S. 4.          5. Vgl. Achleitner /  Wallner (2009), S. 25.

                                                                                      1
MICHAEL TRINKO | AUSBILDUNGSGARANTIE IN ÖSTERREICH

                                   Die Integrative Berufsausbildung       Mit der Novelle des Berufsausbildungsgesetzes (BAG)
                                                                          2008 wurde dann die aktuelle, neue gesetzliche Grund-
        Im Jahr 2003 wurde in Österreich zudem die gesetzliche            lage für die Lehrausbildung außerhalb von Betrieben ge-
        Grundlage geschaffen für eine integrative Berufsaus-              schaffen: Per 1.1.2009 gelten die spezifischen Maßnah-
        bildung für „benachteiligte Personen mit persönlichen             men des so genannten Arbeitsmarktservice im Rahmen
        Vermittlungshindernissen“ geschaffen. Dabei handelt               der überbetrieblichen Lehrausbildung (§30b BAG).
        es sich insbesondere um Personen mit sonderpädagogi-
        schem Förderbedarf, mit Behinderungen oder anderen                Ergänzend zum weiterhin prioritären betrieblichen
        sozialen Benachteiligungen, die nicht in eine betriebliche        Lehrstellenangebot wurde nunmehr die überbetrieb-
        Lehrstelle vermittelt werden können.                              liche Berufsausbildung als regulärer Bestandteil der
                                                                          dualen Berufsausbildung etabliert und als Element der
        Diese Ausbildung ist entweder als Lehrausbildung mit              Ausbildungsgarantie für Jugendliche bis 18 Jahre aus-
        verlängerter Lehrzeit gestaltet, oder es werden Teilquali-        gebaut.
        fikationen vermittelt, die den Eintritt in den Arbeitsmarkt
        ermöglichen, wenn die Erreichung eines Lehrabschlusses            Aktuell ist grundsätzlich zwischen zwei Modellen der
        nicht möglich ist.                                                ÜBA zu unterscheiden. Beiden Modellen gemeinsam ist
                                                                          die Zielsetzung, Jugendliche in ein betriebliches Lehrver-
        Die Integrative Berufsausbildung wird von einer Berufs-           hältnis zu vermitteln. Allerdings stellt das eine Modell
        ausbildungsassistenz begleitet, deren Aufgabe die Be-             (ÜBA 1) ein Lehrgangsmodell dar, das die Absolvierung
        gleitung und Unterstützung der Jugendlichen während               der gesamten Lehrausbildung in einer überbetrieblichen
        der Ausbildung beziehungsweise der Schule ist.6                   Ausbildungseinrichtung mit Praxisphasen in Betrieben
                                                                          und ggf. in Kooperation mit einer betrieblichen Lehr-
        Ende Dezember 2011 befanden sich 5.507 Lehrlinge in ei-           werkstätte ermöglicht. Die Ausbildung in der ÜBA 2 er-
        ner integrativen Berufsausbildung. Der überwiegende Teil          folgt dagegen in Kooperation mit Praxisbetrieben und
        der Jugendlichen befand sich dabei 2011 zwar in einer Aus-        auf Basis von Ausbildungsverträgen, die nicht die ge-
        bildung im Unternehmen (61 Prozent). Grundsätzlich aber           samte Lehrzeit umfassen müssen.
        kann eine Integrative Berufsausbildung auch in einer Über-
        betrieblichen Ausbildungseinrichtung absolviert werden.           Der reguläre Abschluss einer Maßnahme erfolgt mit der
                                                                          Vermittlung auf eine betriebliche Lehrstelle oder mit
        Rund 73 Prozent der IBA-Lehrlinge absolvierten 2011 die           einer regulären Lehrabschlussprüfung. Der begleitende
        Integrative Berufsausbildung in Form einer Verlängerung           Besuch der Berufsschule ist verpflichtend. TeilnehmerIn-
        der Lehrzeit, 27 Prozent in Form einer Teilqualifizierung.7       nen erhalten eine Ausbildungsbeihilfe in Höhe der De-
                                                                          ckung des Lebensunterhalts. Diese beträgt für Jugend-
                                                                          liche im ersten und zweiten Lehrjahr 240 Euro sowie
Die österreichische Ausbildungsgarantie im Rahmen                         ab dem dritten Lehrjahr 555 Euro. Die TeilnehmerInnen
     der Überbetrieblichen Berufsausbildung (ÜBA)                         gelten als Lehrlinge im Sinne des ASVG (Kranken-, Un-
                                                                          fall- und Pensionsversicherung).8
        Überbetrieblich organisierte Ausbildungsplätze wurden,
        nachdem die Lehrstellenkrise ihren Höhepunkt erreicht
        hatte, im Zuge der Implementierung des Auffangnetzes für          Das Lehrgangs-Modell ÜBA 1
        erfolglos Lehrstellen suchende Jugendliche erstmals 1998          (Ausbildungsvertrag über die gesamte Lehrzeit)
        auf bundesweit einheitlicher Rechtsbasis zur Verfügung
        gestellt: Im Zuge des Nationalen Aktionsplans für Beschäf-        Bei den meisten ÜBA 1 Lehrgängen sind gewisse Vor-
        tigung (NAP) waren zunächst das Jugendausbildungs-Si-             schaltmaßnahmen integrierter Bestandteil der Maßnah-
        cherungsgesetz (JASG) beschlossen und eine überbetrieb-           me. Diese dauern, abhängig vom jeweiligen Bundesland,
        liche Form der dualen Ausbildung eingerichtet worden.             zwischen einer Woche und zwei Monaten.

                                                                          8. Vgl. Dornmayr, Helmut / Wieser, Regine / Mayerl, Martin: Bericht zur Si-
        6. Vgl. Bösch / Nagl (2012), S. 88.
                                                                          tuation der Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung in Österreich
        7. Vgl. Dornmayr / Nowak (2012), S. 57.                           2010  –  2011, Öibf ibw, Mai 2012, Seite 28  – 29.

                                                                      2
MICHAEL TRINKO | AUSBILDUNGSGARANTIE IN ÖSTERREICH

So wurde in Wien die Berufsorientierungs- und Coaching-                            mehreren Betrieben, in dem die Lehrlingsausbildung
maßnahme (kurz BOCO-Maßnahme) in der Dauer von                                     nicht von den sonstigen betrieblichen Abläufen getrennt
acht Wochen installiert.9 Aufgabe der BOCO-Maßnahme                                ist, absolviert werden.11
ist es, im Hinblick auf die geplante Berufsausbildung die
Berufswünsche der TeilnehmerInnen zu eruieren und die
persönlichen und intellektuellen Voraussetzungen für die                           Das Praxisbetriebs-Modell ÜBA 2
Berufsausbildung zu schaffen. Die Inhalte der Maßnah-                              (Ausbildungsvertrag kürzer als die Lehrzeit)
me werden in vier Gruppen aufgeteilt (Einführung und
Clearing, Berufsorientierung und Zielfindung, Vorberei-                            Ziel des Modells ÜBA 2 ist es, Jugendliche bis zu zwölf
tungsphase auf die Lehrausbildung und Zusatzmodule).                               Monate lang in einem Lehrberuf in Kooperation mit
                                                                                   Praxisbetrieben auszubilden und anschließend unter An-
Grundsätzlich besteht die Aufgabe der vier Phasen da-                              rechnung der Ausbildungszeit auf die Lehrzeit in einen
rin, dass Jugendliche über den Ablauf der Maßnahme                                 Betrieb weiterzuvermitteln.
informiert werden und dass mit ihnen ein realistischer
Berufswunsch anhand ihrer Fähigkeiten erarbeitet wird.                             Prinzipiell ist die ÜBA 2 in drei Bausteine aufgeteilt, wo-
Neben einem intensiven Bewerbungstraining werden                                   von die Ausbildung im Praktikumsbetrieb den zentralen
die Jugendlichen auch über mögliche Ausbildungswe-                                 Baustein darstellt. Die Jugendlichen werden speziell auf
ge informiert. Begleitet wird die BOCO-Maßnahme im                                 das Vorstellungsgespräch im Praxisbetrieb vorbereitet
Besonderen von mädchenspezifischen Unterstützungs-                                 und erhalten ein spezielles Bewerbungstraining.
maßnahmen.10
                                                                                   Ein weiterer Baustein ist die Vorbereitung des Besuchs
                                                                                   der Berufsschule, der unter anderem mit dem Prakti-
                                         Betriebliches Praktikum                   kumsbetrieb koordiniert wird.

Prinzipiell haben Praktika die primäre Aufgabe, Jugend-                            Als dritter Bereich ist die Ausbildung beim Bildungsträ-
liche in betriebliche Arbeitsabläufe zu bringen und sie                            ger vorgesehen, der mindestens 20 Prozent der gesam-
regulären Arbeitsbedingungen auszusetzen beziehungs-                               ten Ausbildungszeit umfassen soll. Dieses Element dient
weise sie an den jeweiligen Praktikumsbetrieb weiterzu-                            zur Begleitung des Jugendlichen und hat eine wichtige
vermitteln.                                                                        stabilisierende Funktion für den Jugendlichen. Hier wer-
                                                                                   den eine Reihe von Aktivitäten angeboten, die Jugend-
Die Dauer der Praktika wird abhängig von der Leistungs-                            lichen unter anderem Förderunterricht bei Defiziten in
beschreibung der jeweiligen Berufsgruppen des Arbeits-                             der Berufsschule sowie fachliche Nachschulungen zur
markservice festgelegt und variiert von Bundesland zu                              Verfügung stellen.12
Bundesland.

Als Beispiel sei hier die Leistungsbeschreibung der                                Die Überbetriebliche Ausbildung in Zahlen
Lehrausbildung in überbetrieblichen Ausbildungsein-
richtungen für die Berufsgruppen Metalltechnik und                                 Die Zahl der TeilnehmerInnen an überbetrieblichen Aus-
Maschinenbau angeführt, die ein facheinschlägiges be-                              bildungsmaßnahmen im Ausbildungsjahr 2011/2012 be-
triebliches Praktikum vorsieht. Dieses muss im Ausmaß                              trug insgesamt 11.942 Personen. Darunter waren 9.832
von mindestens vier bis maximal zwölf Wochen im ers-                               TeilnehmerInnen in einer überbetrieblichen Lehrausbil-
ten Lehrjahr und zwölf bis maximal 16 Wochen sowohl                                dung in einem der genannten Modelle (ÜBA1+ÜBA2)
im zweiten als auch im dritten Lehrjahr in einem oder                              sowie 2.018 TeilnehmerInnen in einer integrativen Be-
                                                                                   rufsausbildung in einer Ausbildungseinrichtung.

9. Vgl. Bergmann, Nadja / Lechner, Ferdinand / Matt, Ina et al.: Evaluierung
der überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA) in Österreich, L&R Sozialforschung,         11. Stellvertretend für sämtliche Leistungsbeschreibungen: Arbeitsmarkt-
November 2011, Seite 9   –10.                                                      service Wien. Leistungsbeschreibung Lehrausbildung in überbetrieblichen
                                                                                   Ausbildungseinrichtungen gemäß § 30b Berufsausbildungsgesetz (§ 30b
10. Vgl. Lenger, Birgit / Löffler, Roland / Dornmayr, Helmut: Jugendliche in
                                                                                   BAG/2A) für den Lehrberuf Maschinenbautechnik, Wien 2009, S. 8.
der überbetrieblichen Berufsausbildung Endbericht, AMS AK-Wien, Juni
2010, Seite 22–23.                                                                 12. Vgl. Bergmann / Lechner / Matt (2011), S. 13.

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MICHAEL TRINKO | AUSBILDUNGSGARANTIE IN ÖSTERREICH

Betrachtet man die TeilnehmerInnen in überbetrieb-              ermöglichen. Daher darf die überbetriebliche Ausbildung
lichen Ausbildungen nach dem Geschlecht und der                 nicht als Ersatz oder Konkurrenz zur betrieblichen Ausbil-
Staatsbürgerschaft stellt sich heraus, dass sowohl der          dung angesehen werden, sondern lediglich als „Alterna-
Frauenanteil (42,5 Prozent) als auch der Anteil nichtös-        tive“ für Jugendliche, die keine Lehrstelle finden.
terreichischer StaatsbürgerInnen (17,0 Prozent) höher als
in der Lehrausbildung ist (34,2 Prozent Frauenanteil und        Problematisch ist, wenn die Ausbildungsbereitschaft von
7,7 Prozent nichtösterreichische StaatsbürgerInnen).            Firmen sinkt, da die Jugendlichen in der Überbetriebli-
                                                                chen Ausbildung eine komplette, qualitativ hochwertige
Besonders stark wird die Überbetriebliche Lehrausbil-           Lehrausbildung absolvieren können und dann erst später
dung in den Bundesländern Wien und Niederösterreich             vom Betrieb angeworben werden. Die Kosten der Lehr-
angeboten. Im Ausbildungsjahr 2011/12 waren rund 28             ausbildung werden somit auf den Staat umgewälzt.
Prozent der österreichweiten TeilnehmerInnen aus Wien           Der Österreichische Gewerkschaftsbund bevorzugt das
und rund 26 Prozent aus Niederösterreich.13                     Lehrgangs-Modell (ÜBA 1) aufgrund der Möglichkeit,
                                                                die Jugendlichen durchgehend bis hin zur Lehrabschluss-
Seitens des Arbeitsmarktservice werden pro Ausbil-              prüfung zu begleiten, gegenüber dem Praxisbetriebs-
dungsjahr circa 150 Millionen Euro für die Überbetriebli-       Modell (ÜBA 2).
che Ausbildung zur Verfügung gestellt.
                                                                Unverständlich ist es weiter aus Sicht des ÖGB, dass in
                                                                Österreich von einem Fachkräftemangel gesprochen
         Einschätzung des Österreichischen                      wird, sich aber ungefähr 10.000 Jugendliche, die sofort
                    Gewerkschaftsbundes                         bereit wären, eine betriebliche Lehrstelle anzunehmen,
                                                                in einer überbetrieblichen Ausbildung befinden.
Die Umsetzung der Überbetrieblichen Lehrausbildung
war und ist ein wichtiger Schritt für Jugendliche, die          Die Forderung des Österreichischen Gewerkschaftsbun-
nicht am ersten Lehrstellenmarkt eine Lehrstelle finden,        des nach einer „Fachkräftemilliarde“, die sich mit der
trotzdem eine Ausbildung absolvieren zu können. Der             Förderung von Aus- und Weiterbildung von Jugend-
Österreichische Gewerkschaftsbund war an der Ent-               lichen auseinandersetzt, besagt, dass die Kosten der
wicklung dieses Modells beteiligt und ist davon über-           Überbetrieblichen Ausbildung in der Höhe von circa 150
zeugt, dass diese Maßnahme mitunter ein Grund für die           Millionen Euro aus einem eigenen Topf bezahlt werden
niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Österreich ist.              soll, in den die Unternehmer ein Prozent der Bruttolohn-
                                                                summe einzahlen.
Oberste Priorität muss aber aus Sicht des Österreichi-
schen Gewerkschaftsbundes sein, Jugendliche nicht in            Dies würde der Gefahr der Senkung der Ausbildungsbe-
eine überbetriebliche Maßnahme zu vermitteln, sondern           reitschaft sowie der Verlagerung der Ausbildungskosten
den Jugendlichen eine Ausbildung in einem Betrieb zu            von den Unternehmen zum Staat entgegenwirken.

13. Dornmayr / Nowak (2012), S. 52– 55.

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Über den Autor                                                        Impressum

Michael Trinko ist Bundesjugendsekretär des Österreichischen          Friedrich-Ebert-Stiftung | Referat Mittel- und Osteuropa
Gewerkschaftsbundes.                                                  Hiroshimastr. 28 | 10785 Berlin | Deutschland

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Programme der Gewerkschaftskooperation sind integraler Bestandteil unserer Arbeit. Unser Ziel ist die weltweite Stärkung der In-
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gewerkschaften/publist-europa.php

Projektleitung: Jörg Bergstermann (joerg.bergstermann@fes.de),
Projektadministration: Cindy Espig (cindy.espig@fes.de)

Die in dieser Publikation zum Ausdruck gebrachten Ansichten                                                 ISBN 978-3-86498-401-3
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Diese Publikation wird auf Papier aus nachhaltiger Forstwirt-
schaft gedruckt.
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