Heil durch die Krise - Klima- und Energiefonds
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Heil durch die Krise G’scheite G’schichten Ein Virus hat innerhalb Unsere G’scheiten G’schichten gewähren Einblicke in den Facettenreichtum kluger, weniger Monate die ganze Welt findiger und nachhaltiger Stadtentwicklung. aufgerüttelt. Während die Diese betrifft uns alle: Der Großteil der Bevölkerung Österreichs und weltweit lebt Wirtschaft unter den Corona- in Städten. Die ökologische Zukunftsfähigkeit urbaner Lebensräume bestimmt somit Maßnahmen leidet, weisen die Zukunft unseres Planeten. einzelne Projekte der Smart Seit 2010 fördert der Klima- und Energiefonds Cities Initiative den Weg im Rahmen der Smart Cities Initiative den Wandel österreichischer Städte und Regionen in die Zukunft. zu Smart Cities und Smart Urban Regions. Susanne Wolf fängt Geschichten ein, die sie erzählen. Ausgabe 1, Jänner 2021
M ärz 2020: Die Welt steht still. Ein Smart City-Projekt am Wiener Nordbahnhofgelände „Es war nicht leicht, einen kleinen und leistbaren Praxisraum zu finden, also tauchte die Idee auf, befindet sich gerade mitten in der Planungsphase. gemeinsam mit anderen etwas aufzubauen.“ „Als der erste Lockdown kam, mussten wir sehr Rippl ist überzeugt davon, dass Leben und schnell von Gruppentreffen auf virtuelle Meetings Arbeiten in der Gemeinschaft ein zukunfts- umsteigen“, erzählt Peter Rippl, Shiatsu-Praktiker trächtiges Modell ist. und Initiator des OpenHauswirtschaft-Projektes. „Das war eine riesige Umstellung, aber wir geben Sehnsucht nach Gemeinschaft unser Bestes.“ Für ein Projekt wie die OpenHauswirtschaft, das auf gemeinschaftlichen Entscheidungsprozessen Die OpenHauswirtschaft soll 200 Menschen basiert, ist die Corona-Krise eine gewaltige einen Platz zum Wohnen und Arbeiten bieten. Herausforderung. „Die zivilgesellschaftlichen 50 Prozent der Fläche werden zum Wohnen, Akteure stehen hier im Zentrum, virtuelle 50 Prozent für Kleinunternehmen zur Verfügung Meetings sind ein schwacher Ersatz“, meint stehen. Das Besondere daran: Das Projekt ist Projektleiter Christian Peer vom future lab als Genossenschaft organisiert, die Mitglieder an der TU Wien. Die Sehnsucht nach Gemein- bringen sich in Form von Arbeitsgruppen in die schaft wachse bei immer mehr Menschen. Planung des Hauses ein. Die zukünftige Praxis „Andererseits gewöhnen wir uns das des Shiatsu-Praktikers wird Teil des Projekts sein. Gemeinsame auch gerade ab.“ In der Tradition des sozialen Wohnungsbaus werden umfangreiche Gemeinschaftsflächen und geteilte Infrastruktur geschaffen; geplant sind Arbeitsräume und flexible Coworking-Flächen. Dazu kommen Gemeinschaftsräume wie Küche, Kinderspielräume, Veranstaltungssaal sowie eine große Lobby. Corona hat den Trend zu flexiblen Jobs und Homeoffice verstärkt. „Auch das Be- wusstsein dafür, was Arbeit im weitesten Sinn bedeutet, ist gewachsen: „Erziehung oder Pflege zuhause bedeutet ebenfalls – unbezahlte – Arbeit“, so Peer. Online in die Zukunft Der Digitalisierungsschub, den die Corona-Pande- mie mit sich brachte – in vielen Bereichen werden persönliche Treffen durch Online-Konferenzen oder Zoom-Calls ersetzt – sieht der Sozialwissen- schaftler Peer nicht nur positiv: „Für Viele ist es oft schwierig, hier mitzuhalten. Bei diesem Tempo der Veränderung besteht zudem die Gefahr, dass sich gesellschaftliche Ungleichheiten in kurzer Eine der Arbeitsgruppen der OpenHauswirtschaft (links im Bild: Initiator Peter Rippl). Die Baustelle dazu Zeit noch weiter vertiefen – das zeigt sich etwa ist am Wiener Nordbahnhofgelände. in der Bildung.“ 2 G’scheite G’schichten – Ausgabe 1 – Jänner 2021
In der allgemeinen Nachhaltigkeitsdebatte wird die Digitalisierung grob vernachlässigt, davon ist Nachhaltigkeitsforscher Fred Luks überzeugt. „In der Beschreibung der Globalen Nachhaltig- keitsziele, den Sustainable Development Goals, kommt der Begriff Digitalisierung auf über 30 Seiten ein einziges Mal vor.“ Profiteure des Online-Booms sind große Handels- konzerne wie Amazon oder Alibaba, sie zählen zu den Gewinnern der Krise. Amazon steigerte seinen Umsatz innerhalb weniger Monate um mehr als ein Drittel. Die Kritik an diesen Konzer- nen wächst: Steuern werden durch gesetzliche Schlupflöcher weitestgehend eingespart, die Arbeitsbedingungen in der Produktion sowie in der Verteilung sind oft prekär. Dazu kommt, dass es bei der Zustellung bislang exklusive Schließfächer für große Paketdienstleister gibt, Konkurrenzunternehmen wird der Zugriff ver- weigert. Das Smart City-Projekt alBOX möchte das ändern und bietet Schließfächer an, in denen Pakete unabhängig von den Dienstleistern Die Paketwand in Kaumberg wird von der Bevölkerung abgegeben werden können. Dadurch fallen gut angenommen (oben rechts im Bild: Projektleiter zusätzliche Wege weg und CO2-Emissionen Johannes Braith). werden reduziert. bei der Erntehilfe vor dem Sommer, Pflegekräfte, Dass der Zuwachs im Online-Handel für den die aus anderen Ländern geholt werden mussten, stationären österreichischen Handel seit Monaten unzumutbare Arbeitsbedingungen auf Schlacht- eine Bedrohung darstellt, ist eine Tatsache – denn höfen – all diese Beispiele zeigen, was in unserer vor allem kleine regionale Händler sind oft nicht Wirtschaft schiefläuft. online vertreten. „Man kann nicht bestreiten, dass etwa Amazon einen sehr hohen Servicelevel hat, Auch die Nachteile der globalisierten Waren- mit dem andere Anbieter bisher nicht mithalten ströme wurden deutlich: „Am Beispiel von können“, erklärt Fred Luks. „Die Nachteile sind fehlenden Medikamenten aus China wurde im jedoch bekannt. Und dass die Nationalstaaten Frühjahr klar, dass man bei lebenswichtigen angesichts der wachsenden Marktmacht der Gütern nicht auf eine Fabrik oder ein einzelnes großen Player wie Amazon, Facebook oder Google Land angewiesen sein darf“, betont Luks. versagen, ist inakzeptabel.“ Zugleich rückte die Bedeutung von system- Wirtschaftssystem unter der Lupe relevanten Berufen wie Krankenhauspersonal Corona wirkt wie ein Brennglas für Schwach- oder VerkäuferInnen – und deren oft niedrige stellen unseres Wirtschaftssystems und zeigt auf, Gehälter – in den Vordergrund. „Viele Manager- wo Veränderungen notwendig sind: Der Engpass Innen sind nun ins Grübeln gekommen und fragen 3 G’scheite G’schichten – Ausgabe 1 – Jänner 2021
Projektleiterin Claudia Leichtfried mit einem Transportrad, oben: Kinder lieben es besonders, im Transportrad unterwegs zu sein. sich, was machen wir da eigentlich?“, so Luks Für den Zeitraum des Projektes beherbergt er das weiter. „Das Gefühl, dass es so nicht weiter gehen Rad namens „Alex“, das er gegen eine Kaution von kann, wird stärker, auch bei Menschen, denen 50 Euro an Interessierte verleiht. Die Nutzung Nachhaltigkeit bisher wenig bedeutet hat.“ selbst ist kostenlos: „In der Stadt ist das Trans- portrad unschlagbar“, meint Habersohn, „es ist Ein Fahrrad namens Alex schneller und billiger als mit dem Auto, ich zahle Zugleich vollziehen sich Transformationsprozesse, keine Parkgebühren – und das Klima wird ge- die sonst Jahre oder Jahrzehnte dauern, nun in schont!“ Bei Kindern ist Alex besonders beliebt, wenigen Wochen und Monaten. Das betrifft auch sie lassen sich gerne von ihren Eltern durch die die Mobilität: Das Bewusstsein für die Notwen- Stadt kutschieren. „Allerdings nur zur warmen digkeit einer Verschiebung hin zu alternativen Jahreszeit“, lacht der Blumenhändler. Auch seine Modellen ist bereits in den vergangenen Jahren Blumen vertragen die Kälte nicht so gut. gewachsen, in Österreich ist der Verkehr nach wie vor der mit Abstand größte Verursacher von Radfahren boomt CO2-Emissionen. Sharing-Modelle erfreuen sich Claudia Leichtfried, Projektleiterin von KlimaEnt- wachsenden Zuspruchs, Corona dürfte diesen Laster, beobachtet ein gestiegenes Interesse an Trend sogar verstärken. Fahrrädern im Allgemeinen: „Die Corona-Krise und die damit in Verbindung stehenden Bedürf- Das Smart City-Projekt KlimaEntLaster bietet die nisse an individueller Mobilität und an Bewegung Möglichkeit, E-Transporträder kostenlos zu testen: im Freien haben generell zu einem Fahrradboom In den Städten Mattersburg, Amstetten und geführt“, meint Leichtfried.“ In Wien wurden Freistadt können Interessierte ein Transportrad innerhalb eines Monats um 20 Prozent mehr ausleihen. Ein sogenannter „Radlgeber“ ist der RadfahrerInnen gezählt als im Vergleichszeitraum Blumenhändler Oliver Habersohn aus Amstetten: des Vorjahres. „Durch diesen Boom in Verbindung 4 G’scheite G’schichten – Ausgabe 1 – Jänner 2021
mit Ankaufsförderungen ist auch das Interesse Token“, erklärt Projektleiter Nico Prugger von an Transporträdern gestiegen.“ Der Elektroantrieb der Caroo Mobility GmbH. „Die Rendite beträgt ist besonders bei schweren Lasten sowie für sieben bis acht Prozent.“ ShareMob ist das erste ältere Personen ein Vorteil. derartige Projekt weltweit und kann auf jede Gemeinde übertragen werden. Durch Corona scheint auch bei PolitikerInnen das Bewusstsein für sichere Fahrradinfrastruktur Gerade in Städten wächst das Bedürfnis nach gestiegen zu sein: Pop-Up-Radwege oder Tempo- einem nachhaltigeren Lebensstil, auch in Form beschränkungen für den Autoverkehr werden von Mobilität. „Städte haben ein großes ökolo- europaweit vermehrt umgesetzt. Die Europäische gisches Potenzial“, ist Fred Luks überzeugt. Union hat bereits vor der Pandemie erste Schritte „Die Verkehrsinfrastruktur ist meist gut aus- gesetzt, um den Radverkehr dem Autoverkehr gebaut, die Menschen brauchen aufgrund von gleichzustellen – durch die Krisensituation wurde mehrstöckigen Wohnhäusern weniger Fläche als der Prozess jetzt beschleunigt. Der Vizepräsident LandbewohnerInnen.“ In Wien ist die Zahl der der EU-Kommission, Frans Timmermans, bestä- Nutzenden von öffentlichen Verkehrsmitteln in den tigte, dass mit den Mitteln für einen Post-Corona letzten Jahren stetig gestiegen und die Zahl der Krisenfonds auch Maßnahmen für den Radverkehr AutobesitzerInnen gesunken. Der Trend, sich ein gefördert werden sollen. Auto für Transporte oder Ausflüge auszuleihen, (Quelle: European Cycling Federation) ist eindeutig. „Sharingmodelle wie Carsharing lassen sich derzeit noch leichter urban organi- E-Mobilität im Aufwind sieren“, relativiert Fred Luks. Gerade in ländlichen Ebenfalls auf E-Mobilität setzt das Smart City- Gebieten, wo auch öffentliche Verkehrsmittel Projekt ShareMob in Wien. Das Besondere daran: oft noch zu wünschen übriglassen, wären In Form von digitalen Tokens können NutzerInnen Sharingmodelle eine Bereicherung. sich an einer E-Carsharing-Flotte beteiligen und an den Fahrtumsätzen mitverdienen. „Das Min- Ausblicke für die Zukunft destinvestment sind 250 Token, ein Euro pro Corona wird uns wohl noch über einen längeren Zeitraum beschäftigen, wie die Entwicklung der nächsten Jahre aussieht, ist ungewiss. Ein Schlagwort, das nun vermehrt auftaucht, ist Resilienz. „Man muss diesen Begriff auch im Zusammenhang von Globalisierung und interna- tionaler Handelsbeziehungen sehen“, betont Luks. „Viele Wirtschaftstreibende merken nun, dass ihre Art zu wirtschaften nicht nur nicht nachhaltig ist, sondern auch nicht resilient.“ Der Nachhaltigkeitsforscher blickt trotz allem zuversichtlich in die Zukunft: „Vor Corona ist bereits viel passiert – Fridays for Future oder Nico Prugger und Leroy Hofer, CEOs von ELOOP. Das Wiener der Green Deal zeigen, dass es in die richtige Start-Up ELOOP möchte Richtung geht.“ Seine hoffnungsvolle Prognose die Mobilität in Wien revolutionieren. lautet: „2021 kann ein guter Start in das Jahrzehnt der Nachhaltigkeit werden.“ 5 G’scheite G’schichten – Ausgabe 1 – Jänner 2021
alBOX ShareMob Das Projekt zielt auf die experimentelle Ent- Das Wiener Projekt zielt darauf ab, ein Sharing wicklung und Pilotierung von paketdienstleister- System für E-Fahrzeuge als Ergänzung beste- unabhängiger Schließfachanlagen in Kombination hender Mobilitätsangebote zu entwickeln, das auf mit maßgeschneiderten Dienstleistungsange- die User und die Umgebung zugeschnitten ist. boten in Kaumberg (NÖ) und Margareten (Wien) Das Besondere daran: Durch ein Blockchain- ab. Hauptaugenmerk liegt auf dem Usability- basiertes Investitions- und Abrechnungsmodell Check der bereits bestehenden hard- und soft- ist eine Flottenbeteiligung der NutzerInnen waretechnischen Lösung, die auf ökonomischer, möglich – inklusive Ausschüttung von Anteilen ökologischer und sozialer Ebene einen Mehrwert des erwirtschafteten Umsatzes. für EmpfängerInnen, Logistikdienstleister und https://www.smartcities.at/stadt-projekte/smart- Gemeinden bietet. cities/#innovatives-e-carsharing-konzept-als- https://www.smartcities.at/stadt-projekte/smart- tool cities/#aibox-geschaeftsmodell-und- dienstleistungspotenziale-fuer-flexible-gueter- und-informationsfluesse-im-paketsegment OpenHauswirtschaft Impressum Im Wiener Nordbahnviertel entsteht ein Eigentümer, Herausgeber und Medieninhaber Klima- und Energiefonds Gemeinschaftsprojekt für Kleinunternehmen und Leopold Ungar-Platz 2/142, 1190 Wien Wohnungssuchende in Form einer Genossen- Autorin schaft. Das Ziel ist eine innovative Kombination Susanne Wolf mail@susanne-wolf.com aus Wohnen und Arbeiten mit unterschiedlichen Die Texte spiegeln die persönliche Meinung Gemeinschafts-, Arbeits- und Geschäfts- der Autorin wider. modellen; der Fokus liegt auf leistbaren und Redaktion & Lektorat kleinteiligen Arbeitsflächen. Mag.a Daniela Kain, https://www.smartcities.at/stadt- daniela.kain@klimafonds.gv.at projekte/smart-cities/#innovatives- Wir sind bemüht, alle Texte geschlechtsneutral zu formulieren. Sämtliche geschlechtsspezifischen hauswirtschaften-im-nutzungsgemischten- Ausdrücke sind beidergeschlechtlich zu verstehen. stadtkern Grafische Bearbeitung Mick Muth Grafik Design www.mickmuth.at KlimaEntLaster Diese Publikation wurde aus Mitteln des Im Zuge des vorliegenden Projekts wird die Klima- und Energiefonds im Rahmen der professionelle Basis für Angebote städtischen Smart Cities Initiative gefördert. Lastenrad-Sharings mit allen zeitgemäßen Stand: Jänner 2021 technischen Möglichkeiten gelegt. In drei Städten Bildmaterial in Niederösterreich, Oberösterreich und dem OpenHauswirtschaft: © die HausWirtschaft, Luiza Puiu Burgenland werden Transporträder zum Test alBOX: für Privatpersonen und Betriebe im Verleih © Storebox, Georg Hauger KlimaEntLaster: angeboten. Im ständigen Austausch mit den © Peter Provaznik/Die Radvokaten NutzerInnen und unter Einbeziehung der Sharemob, ELOOP (Titelbild): Stadtgemeinden wird so ein zukunftsfähiges © Kathrin Figerl Konzept zur Transportradnutzung entwickelt und im Realbetrieb getestet. https://www.smartcities.at/stadt-projekte/smart- cities/#klimaentlaster-go-smart-cities 6 G’scheite G’schichten – Ausgabe 1 – Jänner 2021
Sie können auch lesen