Ausgewählte Fragen des Lauterkeitsrechts der zahnärztlichen Tätigkeiten

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DIPLOMARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Rechtswissenschaften
                    an der rechtswissenschaftlichen Fakultät
                      der Karl-Franzens-Universität Graz

Ausgewählte Fragen des Lauterkeitsrechts der
        zahnärztlichen Tätigkeiten

                                Vorgelegt von:

                        Laura Magdalena NAGY
                                   01510101

                                  Begutachterin:
            Univ.-Prof.in Dr.in iur. Brigitta Lurger, LL.M. (Harvard)

                              Graz, im Juni 2021
Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe
verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich und
inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder
ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende
Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Graz, am:                                   Unterschrift:

                                                                                            II
Erklärung zum generischen Maskulinum

Aus Gründen der Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit darauf verzichtet,
geschlechtsspezifische Formulierungen zu verwenden. Ich möchte jedoch ausdrücklich darauf
hinweisen, dass sich die vorkommenden personenbezogenen Begriffe im Sinne der
Gleichbehandlung gleichermaßen auf beide Geschlechter beziehen.

                                                                                      III
DANKSAGUNG

Meinen lieben Eltern Ilse und Erich sowie meiner Schwester Gudrun möchte ich größten
   Dank aussprechen. Sie haben mich beim Erreichen meiner Ziele stets mit all ihren
                                 Kräften unterstützt.

Widmen möchte ich diese Diplomarbeit meinem Freund Jan, der mich durch interessante
 Gespräche auf das Thema und die Forschungsfragen dieser Diplomarbeit gebracht hat.

                                                                                       IV
Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS ..................................................................................................................... V

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS UND ZITIERWEISE............................................................................... VII

1.    EINLEITUNG ............................................................................................................................. 1

1.1     PROBLEMSTELLUNG .................................................................................................................... 1
1.2     ZIELE UND FORSCHUNGSFRAGEN.................................................................................................... 2
1.3     AUFBAU DER ARBEIT ................................................................................................................... 3

2.    RECHTSGRUNDLAGEN DES ZAHNÄRZTLICHEN LAUTERKEITSRECHTS ......................................... 4

2.1  DIE UGP-RICHTLINIE .................................................................................................................. 5
2.1.1  REGELUNGSGEGENSTAND ................................................................................................................. 5
2.1.2  LEGALDEFINITIONEN ........................................................................................................................ 6
2.1.3  VERHÄLTNIS ZUM NATIONALEN RECHT................................................................................................ 8
2.2  DAS UWG ................................................................................................................................ 8
2.2.1  DIE SYSTEMATIK DES UWG .............................................................................................................. 9
2.2.2  ANWENDUNGSVORAUSSETZUNGEN DES UWG................................................................................... 11
2.2.3  DIE GENERALKLAUSEL DES § 1 UWG ............................................................................................... 14
2.2.4  RECHTSFOLGEN EINES LAUTERKEITSRECHTLICHEN VERSTOßES IM ZAHNÄRZTLICHEN WETTBEWERB .............. 20
2.3  DAS ZAHNÄRZTLICHE STANDESRECHT ............................................................................................ 32
2.3.1  DAS ZAHNÄRZTEGESETZ (ZÄG) ....................................................................................................... 32
2.3.2  DAS ZAHNÄRZTEKAMMERGESETZ (ZÄKG) ......................................................................................... 36
2.3.3  DAS STANDESRECHT DER ZAHNÄRZTE ALS VERBINDLICHE RECHTSQUELLE ISD UWG ................................. 38
2.4  EXKURS: ANWENDBARKEIT DER ÖSTERREICHISCHEN STANDESREGELN AUF ZAHNÄRZTE MIT SITZ IM AUSLAND ..
     ............................................................................................................................................ 39
2.4.1 GRUNDSÄTZE UND RECHTSQUELLEN DES INTERNATIONALEN WETTBEWERBSRECHTS................................. 39
2.4.2 DIE OGH-RECHTSPRECHUNG.......................................................................................................... 41

3.    RECHTSPRECHUNG UND FALLGRUPPEN DES ZAHNÄRZTLICHEN LAUTERKEITSRECHTS ............ 44

3.1 DER ZAHNÄRZTEVORBEHALT ....................................................................................................... 44
3.1.1 RECHTSGRUNDLAGEN .................................................................................................................... 44
3.1.2 ZAHNTECHNIKER ........................................................................................................................... 45
3.1.3 BLEACHING DURCH KOSMETIKER ..................................................................................................... 47
3.1.4 BEWERBEN DES BLEACHINGS .......................................................................................................... 50
3.1.5 ERGEBNIS UND BEWERTUNG........................................................................................................... 52
3.2 ZAHNÄRZTLICHE WERBEBESCHRÄNKUNGEN ................................................................................... 55
3.2.1 RECHTSGRUNDLAGEN .................................................................................................................... 55
3.2.2 DIE RECHTSPRECHUNG DES EUGH ................................................................................................... 57
3.2.3 DIE RECHTSPRECHUNG DES OGH .................................................................................................... 58
3.2.4 ERGEBNIS UND BEWERTUNG........................................................................................................... 68
3.3 FÜHRUNG VON BERUFSBEZEICHNUNGEN ....................................................................................... 71
3.3.1 RECHTSGRUNDLAGEN .................................................................................................................... 71
3.3.2 RECHTSPRECHUNG DES OGH .......................................................................................................... 72
3.3.3 ERGEBNIS UND BEWERTUNG........................................................................................................... 73
                                                                                                                                                 V
4    BEWERTUNG UND RESÜMEE ................................................................................................... 75

LITERATURVERZEICHNIS ................................................................................................................. XI

JUDIKATURVERZEICHNIS .............................................................................................................. XIII

                                                                                                                                     VI
Abkürzungsverzeichnis und Zitierweise

Die Abkürzungen entsprechen den „Abkürzungs- und Zitierregeln der österreichischen
Rechtssprache und europarechtlicher Rechtsquellen – AZR“, herausgegeben von Peter Dax
und Gerhard Hopf im Auftrag des Österreichischen Juristentages, begründet von Gerhard
Friedl und Herbert Loebenstein, 8. Auflage (2019).

In der folgenden Diplomarbeit orientiert sich die Zitierweise in weiten Teilen an den oberhalb
genannten Abkürzungs- und Zitierregeln.

Folgende Abkürzungen werden in der nachstehenden Diplomarbeit verwendet:

aA                    anderer Ansicht
ABl                   Amtsblatt der Europäischen Union
Abs                   Absatz
AEUV                  Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
aF                    alte Fassung
ÄrzteG                Ärztegesetz
ABGB                  Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch JGS 1811/946
BGBl                  Bundesgesetzblatt
Bsp                   Beispiel
bspw                  beispielsweise
bzw                   beziehungsweise
B2C                   Business-to-Consumer
C2C                   Consumer-to-Consumer
dh                    das heißt
E                     Entscheidung
etc                   et cetera
EBRV                  Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage
EU                    Europäische Union
EuGH                  Europäischer Gerichtshof
EMRK                  Europäische Menschenrechtskonvention BGBl 1958/210
EWR                   Europäischer Wirtschaftsraum
f                     folgende

                                                                                          VII
ff        fortfolgende
gem       gemäß
idF       in der Fassung
idgF      in der geltenden Fassung
Insbes    Insbesondere
iSd       im Sinne des
iSv       im Sinne von
iVm       in Verbindung mit
iwS       im weiteren Sinn
i.d.R.    in der Regel
JBl       Juristische Blätter
Lit       litera (Buchstabe)
mwN       mit weiteren Nachweisen
m.M.      meiner Meinung
o.Ä.      oder Ähnliche/s
ÖBl       Österreichisches Biographisches Lexikon
OLG       Oberlandesgericht
OGH       Oberster Gerichtshof
SchO      Schilderordnung der Österreichischen Zahnärztekammer
RIS       Rechtsinformationssystem
RL        Richtlinie
Rs        Rechtssache
Rsp       Rechtsprechung
Rz        Randzahl
Slg       Sammlung
sog       sogenannt/e/r/n
stRspr    ständige Rechtsprechung
ua        unter anderem
UGP-RL    Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
          11.Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen
          Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern
UWG       Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
VKI       Verein für Konsumenteninformation
WR-ÖZÄK   Werberichtlinien der Österreichischen Zahnärztekammer

                                                                         VIII
ZÄKG   Zahnärztekammergesetz
ZÄG    Zahnärztegesetz
zB     zum Beispiel

                               IX
1.        Einleitung

1.1       Problemstellung

Im Zusammenhang mit zahnärztlichen Tätigkeiten sind in letzter Zeit immer mehr
Wettbewerbsverstöße          festzustellen.     Diese   ergeben    sich     insbesondere    dann,   wenn
Kosmetikstudios oder Zahntechniker entweder zahnärztliche Dienstleistungen anbieten, durch
unangemessene Werbung den Markt der zahnärztlichen Tätigkeiten ungebührend beeinflussen,
oder sich ungerechtfertigterweise selbst den Titel eines Zahnarztes verleihen.

Ein prominentes Beispiel ist hier das sogenannte „Bleaching“1. Hier hatte der OGH zuletzt
mehrere Entscheidungen zum Zahnärztevorbehalt zu treffen. Bleaching dürfe dementsprechend
nach der Auffassung des OGH nur noch bei einem Zahnarzt vorgenommen werden.2 Da aber
viele (auch bekannte) Kosmetikstudios verschiedenste Zahnbleachings anbieten und es auch
einige Anbieter speziell nur für das Aufhellen der Zähne gibt (wie zum Beispiel sogenannte
Bleachingbars wie „pure smilebar“ oder „smile secret“), die eben gerade keine Zahnärzte sind,
sind hier umfangreiche wirtschaftliche Interessen betroffen. Insofern entstehen in Bezug auf
die Voraussetzungen und Bedingungen für Wettbewerbsverstöße hier komplexe Rechtsfragen.

Das Lauterkeitsrecht der Zahnärzte ist komplex und ist durch vielfältige Rechtsgrundlagen
determiniert. Es wird nicht alleine durch das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
(UWG) und das Unionsrecht geprägt, sondern auch durch das Ärztegesetz, das
Zahnärztegesetz, das Standesrecht der Ärzteschaft allgemein und das Standesrecht der
Zahnärzte sowie die zahlreichen auf Basis des Standesrechts der Ärzte- und Zahnärzteschaft
erlassenen       Verordnungen        und      Richtlinien   der    Ärzte-     und    Zahnärztekammern.

Da stets so viele Rechtsquellen beachtet und in Kontext gesetzt werden müssen und zudem das
UWG in den einschlägigen Normen lediglich sehr allgemein formuliert ist, muss zwingend ein
Blick auf die Rechtsprechung vorgenommen werden, um klarere Schlüsse aus den teilweise
eher allgemein formulierten Gesetzestexten ziehen zu können.

1
    Methode, um menschliche Zähne aus kosmetischen oder ästhetischen Gründen aufzuhellen.
2
    OGH 26.03.2019, 4Ob211/18k.

                                                                                                       1
1.2    Ziele und Forschungsfragen

Die zentralen Forschungsfragen der vorliegenden Diplomarbeit lauten daher:

  a.   Welche Werbebeschränkungen existieren für Zahnärzte im österreichischen Recht und
       inwieweit gelten diese auch für im Ausland niedergelassene Zahnärzte?
  b.   Dürfen auch Zahntechniker und Kosmetikstudios zahnärztliche Dienstleistungen
       anbieten, und wenn ja, in welchem Umfang?
       i. Inwieweit gelten inländische Vorschriften auch für im Ausland niedergelassene
          Anbieter?
  c.   Welche Werbebeschränkungen gelten für Zahntechniker und Kosmetikstudios?
       i. Inwieweit gelten inländische Vorschriften auch für im Ausland niedergelassene
          Anbieter?
  d.   Unter welchen Voraussetzungen liegt eine wettbewerbswidrige Führung von falschen
       Titelbezeichnungen durch Zahnärzte vor?
       i. Inwieweit gelten inländische Vorschriften auch für im Ausland niedergelassene
          Anbieter?

Damit liegen vier verschiedene Rechtsprobleme vor, die jeweils für sich gefasst anhand von
Rechtsgrundlagen sowie der bestehenden Rechtsprechung erläutert werden. Da generell das
Lauterkeitsrecht im Allgemeinen seine Bedeutung sehr stark durch die Rechtsprechung erhalten
hat, und viele der Rechtsgrundlagen nur vage und unklar sind, soll diese Diplomarbeit in
besonders diskutierten und intransparenten Bereichen des Lauterkeitsrechts der zahnärztlichen
Tätigkeiten durch gezielte Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung einen besseren
Blick auf die geltende Rechtslage ermöglichen. Das vorrangige Ziel der Arbeit ist es, eine
generelle Bewertung der vorhandenen Rechtsgrundlagen in Verbindung mit der einschlägigen
Rechtsprechung vorzunehmen.

                                                                                           2
1.3    Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Diplomarbeit erläutert zunächst die unionsrechtlichen und nationalen
Rechtsgrundlagen und den Rechtsrahmen des Lauterkeitsrechts der zahnärztlichen Tätigkeiten.
Hier soll zunächst ein Grundsatzverständnis für die einschlägigen Normen des UWG in diesem
Bereich erreicht werden. Anschließend wird das gemäß den Forschungsfragen einschlägige
zahnärztliche Standesrecht besprochen und in den lauterkeitsrechtlichen Kontext gesetzt sowie
kürzer auf die Funktion der Zahnärztekammer in Verbindung mit dem Lauterkeitsrecht der
zahnärztlichen Tätigkeiten eingegangen. In einem zweiten Schritt werden die verschiedenen
möglichen Rechtsfolgen eines lauterkeitsrechtlichen Verstoßes in diesem Bereich dargestellt.

Da es in der Vergangenheit des Öfteren auch vorgekommen ist, dass sich im Ausland ansässige
Zahnärzte unlauterer Werbemethoden im Inland bedient haben, wird auch auf den Aspekt der
Anwendbarkeit des nationalen Lauterkeitsrechts auf im Ausland ansässige Zahnärzte in einem
eigenen Kapitel eingegangen.

In der Folge liegt der Fokus auf der Betrachtung der einschlägigen wettbewerbsrechtlichen
Rechtsprechung zu speziell ausgewählten Bereichen des Wettbewerbsrechts der zahnärztlichen
Tätigkeiten gemäß den weiter oben genannten Forschungsfragen.

Zuerst wird daher auf den Zahnärztevorbehalt in Verbindung mit Bleaching in Kosmetikstudios
eingegangen. Danach wird erläutert, unter welchen Bedingungen ein wettbewerbswidriges
Tätigwerden eines Zahntechnikers im ärztlichen Vorbehaltsbereich des Zahnarztes vorliegt.
Anschließend     werden      die    zahnärztlichen       Werbebeschränkungen     und     ihre
wettbewerbsrechtlichen Folgen beleuchtet. Auch die Frage, ob eine gemeinsame Werbung
eines Zahnarztes mit einem Kosmetikinstitut eine sachgerechte und damit nicht
wettbewerbswidrige Werbung darstellt, wird diskutiert.
All diese Bereiche stehen insbesondere mit der richterlichen Rechtsfortbildung im
Zusammenhang, weswegen diese im Vordergrund der Betrachtung der genannten
Forschungsfragen steht.

                                                                                           3
2.      Rechtsgrundlagen des zahnärztlichen Lauterkeitsrechts

Der freie Wettbewerb bildet das Fundament der Marktwirtschaft. Dieser bedarf aber eines
Schutzes durch die Rechtsordnung, damit er nicht ausufert oder unfair betrieben wird. Sowohl
das Kartellrecht als auch das Lauterkeitsrecht schützen dabei jeweils auf eine spezifische Art
und Weise die Wettbewerbsordnung. Der Begriff des Wettbewerbsrechts wird daher vielfach
als Oberbegriff für die genannten Begriffe herangezogen. Das Kartellrecht schützt vor dem
Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung Mitbewerber.3 Gem § 5 des Kartellgesetzes4
ist dies explizit verboten. Der Missbrauch kann beispielweise in einer einschränkenden
Erzeugung (§ 5 Abs 1 Z 2) oder auch in wettbewerbswidrigen Preisabsprachen oder
Geschäftsbedingungen (Z 1) bestehen. Die Marktstellung wird auch dann missbraucht, wenn
„eine   Benachteiligung       von    Vertragspartnern      im    Wettbewerb      durch     Anwendung
unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen“ (Z 3) stattfindet. Beim
Lauterkeitsrecht geht es um den Schutz des Wettbewerbes vor dessen (unfairen) Auswüchsen.
Der Zweck des Lauterkeitsrechts ist daher, einen schrankenlosen Konkurrenzkampf zu
verhindern, der Mitbewerber, Konsumenten und die Allgemeinheit schädigt.5

In diesem Kapitel werden die Rechtsgrundlagen des zahnärztlichen Lauterkeitsrechts
überblicksmäßig dargestellt. Dazu werden zunächst die unionsrechtlichen Grundlagen, wie
insbesondere die „Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr
zwischen Unternehmen und Verbrauchern“ (UGP-RL)6 präsentiert. In einem zweiten Schritt
werden das „Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb“ (UWG)7 und seine Systematik
überblicksmäßig dargestellt.

Ein lauterkeitsrechtsrelevanter Rechtsbruch liegt nur bei einem Verstoß gegen generelle,
verbindliche Normen vor. Solche Normen sind zweifellos das nationale Recht und das

3
  Kriwanek, Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung – Preismissbrauch, RdW 2015, 26.
4
  Kartellgesetz 2005, BGBl I 2005/61 idF BGBl I 2019/109.
5
  Wiebe et al, Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht4 (2018) 303.
6
   Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere
Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur
Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments
und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) vom 11.06.2005, ABl L 149/22.
7
  BGBl 1984/448.
                                                                                                       4
Unionsrecht. Rechtsgrundlagen dieser Art können hierbei also das Ärztegesetz8 sowie das
Zahnärztegesetz9         und       das       Zahnärztekammergesetz10            sein.      Aber        auch
sozialversicherungsrechtliche Gesamtverträge sowie das Standesrecht der Zahnärzte gelten als
Gesetze im materiellen Sinn und stellen daher taugliche verbindliche Normen dar, die bei einer
Übertretung zu einem lauterkeitsrelevanten Rechtsbruch führen können.11

2.1     Die UGP-Richtlinie

2.1.1 Regelungsgegenstand

Die „Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005
über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen
Unternehmen und Verbrauchern“ (UGP-RL) zielt auf eine Vereinheitlichung des
Wettbewerbsrechts der Mitgliedstaaten ab. Zum einen stehen hier die Verbraucherinteressen,
zum anderen aber auch der freie Wettbewerb im Vordergrund. Die Grundsätze der Richtlinie
sind von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen. Die Richtlinie ist nicht
unmittelbar anwendbar. Das bedeutet, dass bei der Umsetzung der Richtlinie (Transformation
des sekundären Unionsrechts in nationales Recht) die Mitgliedstaaten das von der Richtlinie
vorgegebene Schutzniveau weder unter- noch überschreiten dürfen.12 Sie müssen genau jenes
Schutzniveau sicherstellen, das von der Richtlinie vorgegeben wird.13

Der Regelungsgegenstand der UGP-RL umfasst ausschließlich den B2C-Bereich (=Business-
to-Consumer-Bereich).14 Da die Richtlinie eine Vollharmonisierung anstrebt, dürfen die
Mitgliedstaaten keine strengeren als in der UGP-RL vorgesehenen Maßnahmen erlassen.15
Auch dürfen die Mitgliedstaaten kein höheres Verbraucherschutzniveau sicherstellen.

8
  Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998
– ÄrzteG 1998), BGBl 1998/169.
9
  Bundesgesetz über die Ausübung des zahnärztlichen Berufs und des Dentistenberufs (Zahnärztegesetz – ZÄG),
BGBl 2005/126.
10
   Bundesgesetz über die Standesvertretung der Angehörigen des zahnärztlichen Berufs und des Dentistenberufs
(Zahnärztekammergesetz – ZÄKG), BGBl 2005/154.
11
   OGH 13.7.2010, 4 Ob 121/10p, Kassentarif.
12
   EuGH 23.4.2009, C-261/07 und C-299/07, Total.
13
   Zur Kritik daran siehe insbes Seidelberger, Vorschläge für eine europäische Harmonisierung des
Lauterkeitsrechts, ÖBl 2002/57 (58).
14
   Vgl dazu Hofmarcher, Zum Begriff des Unternehmers iSd UGP-RL, ecolex 2014/33 (37); Noha/Anderl, RL-
UGP schützt nur wirtschaftliche Verbraucherinteressen, ÖBl 2009/23 (23).
15
   EuGH 23.4.2009, C-261/07 und C-299/07, Total.

                                                                                                           5
Von der UGP-RL nicht umfasst sind Regelungen, welche sich lediglich auf das Verhältnis von
Mitbewerbern beziehen. Im Vordergrund der Richtlinie steht laut den Erläuterungen der Schutz
der Verbraucher, wobei hier die rechtlichen Standards in den Mitgliedstaaten vereinheitlicht
werden sollen.

2.1.2 Legaldefinitionen

Es ist ein generelles Ziel der EU-Richtlinien, dass ihre Vorschriften innerhalb der Europäischen
Union möglichst einheitlich von den Mitgliedstaaten angewendet werden.16 Die Regelungen
der UGP-RL sind nur auf sogenannte „Geschäftspraktiken“ anwendbar.                   Was eine
Geschäftspraktik ist, definiert Art 2 lit d der UGP-RL. Der Begriff der Geschäftspraktik soll
jenen der „Wettbewerbshandlung“ ersetzen, denn dieser ist enger gefasst, weil ein unmittelbarer
Bezug zur Absatzförderung vorausgesetzt wird. Nicht unter den Begriff der unlauteren
Geschäftspraktik im Sinne der UGP-Richtlinie fallen direkte unlautere Angriffe gegen den
Mitbewerber, weil sich diese eben nur mittelbar auf die eigene Wettbewerbsposition und den
eigenen Absatz auswirken.

Die UGP-RL gilt zudem lediglich für Handlungen, die der Absatzförderung dienen
(= Geschäftspraktik). Geschäftspraktiken werden durch Unternehmer durchgeführt. Auch
Unternehmer können aber privat auftreten – in diesem Fall ist die Richtlinie nicht anzuwenden.
Ebenso können Handlungen von Behördenvertretern „sonstige unlautere Handlungen“
darstellen.

Der Erwägungsgrund 7 der UGP-RL verlangt für ihre Anwendbarkeit einen unmittelbaren
Zusammenhang der jeweiligen Geschäftspraktik mit der wirtschaftlichen Absatzförderung. Ziel
der Geschäftspraktik muss daher zumindest die objektive Eignung zur Förderung des eigenen
oder des fremden Absatzes sein. Daraus lässt sich schließen, dass ein wirtschaftliches Interesse
des Handelnden im Vordergrund stehen muss. Nur rein mittelbare Absatzförderungen sind
nicht tatbildlich.

Eine generelle Ausnahme bilden allgemeine Informationen über ein Unternehmen, die
vorrangig anderen Zielen dienen, wie beispielsweise Geschäftsberichte, Aktionärsbriefe oder
Unternehmensprospekte. Diese fallen aus dem Anwendungsbereich grundsätzlich heraus.

16
     Enzinger, Lauterkeitsrecht (2012) Rz 117.

                                                                                              6
Produktbezogene Werbeprospekte jedoch, zum Beispiel auch Angaben über bestimmte
Eigenschaften eines Produkts, fallen in den Anwendungsbereich der Richtlinie.17

Die Richtlinie legt überdies fest, dass die Regeln zur Verhinderung unlauterer
Geschäftspraktiken lediglich dann anwendbar sein sollen, wenn ein sogenannter
„reglementierter Beruf“ im Sinne des Art 2 lit 1 UGP-RL vorliegt.                     Nach dem
Erwägungsgrund 7 der UGP-RL „bezieht sich die UGP-RL ausdrücklich nicht auf
Geschäftspraktiken, die vorrangig anderen Zielen als der Beeinflussung der geschäftlichen
Entscheidung von Verbrauchern dienen“.18 Daher fällt beispielsweise ein nationales Verbot,
dass ein Geschäft nicht an allen Wochentagen geöffnet haben darf, nicht in den
Anwendungsbereich der UGP-RL, da von dieser Regelung nur Unternehmer betroffen sind und
eben keine Verbraucherschutzinteressen.19

Unlautere Geschäftspraktiken, die sich ausschließlich gegen Unternehmer richten, sind daher
nicht vom Regelungsgegenstand der UGP-RL erfasst. Im Erwägungsgrund 8 der UGP-RL wird
jedoch    hervorgehoben,      dass   durch    den    Schutz   der   Verbraucher(-Interessen)   vor
wettbewerbswidrigem Verhalten auch mittelbar Unternehmer geschützt werden sollen, die sich
an die Vorgaben der UGP-RL halten. Andere als wirtschaftliche Verbraucherinteressen, wie
zum Beispiel Sicherheits- und Gesundheitsinteressen sind nicht vom Regelungsgegenstand der
UGP-RL umfasst.20

Die UGP-RL berührt gemäß Art 3 Abs 3 auch keine nationalen Vorschriften über Gesundheits-
und Sicherheitsaspekte von Produkten. Sie lässt gemäß ihrem Art 3 Abs 8 auch die spezifischen
nationalen Vorschriften für reglementierte Berufe, unter die sich auch Zahnärzte subsumieren
lassen, da diese gemäß der Definition des reglementierten Berufes im Art 2 lit l UGP-RL: „eine
berufliche Tätigkeit [ist], die direkt oder indirekt an das Vorhandensein bestimmter
Berufsqualifikationen gebunden ist“, nicht in ihren Anwendungsbereich fallen. Das bedeutet,
dass das Standesrecht der Zahnärzte sowie das Zahnärztegesetz nicht vom Anwendungsbereich
der UGP-RL erfasst sind.

17
   Enzinger, Lauterkeitsrecht Rz 81 mwN.
18
   Hetmank, Im Korsett der UGP-Richtlinie, GRUR 2015, 323.
19
   EuGH 4.12.2012, C-559/11 – Pelckmans Turnhout.
20
   OGH 18.11.2008, 4 Ob 186/08v, Online Fernsehen.

                                                                                                7
2.1.3 Verhältnis zum nationalen Recht

Das Verhältnis der Richtlinie zu nationalen lauterkeitsrechtlichen Regelungen war bereits
Gegenstand der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in der Rechtssache
Luc Vanderborght.21

Demnach steht die Richtlinie einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach Zahnärzten
jegliche Werbung für ihre zahnärztliche Tätigkeit verboten wird. Der Gerichtshof verwies dabei
auf Art 3 Abs 3 UGP-RL. Denn dieser nehme reglementierte Berufe aus Gesundheitsaspekten
von seinem Anwendungsbereich aus.22 Werbung für zahnärztliche Tätigkeiten (insoweit sie
medizinisch indiziert sind) gelten nach der Rechtsprechung des EuGH als Geschäftspraxis iSd
Art 2 lit d UGP-RL. Jedoch besteht bei einem absoluten und allgemeinen Werbeverbot für
zahnärztliche Leistungen ein Verstoß gegen andere Normen des Unionsrechts23, insbesondere
die Dienstleistungsfreiheit gem Art 56 AEUV.

2.2     Das UWG

Die nationalen Rechtsgrundlagen für das Lauterkeitsrecht der zahnärztlichen Tätigkeiten finden
sich vor allem im Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG)24. Die wesentlichen
Grundlagen und die Systematik dieses Gesetzes werden in der Folge überblicksmäßig
dargestellt.

Das UWG hat zum Ziel, zu verhindern, dass sich Unternehmer ungerechtfertigt
Wettbewerbsvorteile verschaffen, da dies aus moralischen und ethischen Überlegungen sowie
im Sinne einer funktionierenden Marktwirtschaft keinen wünschenswerten Vorgang darstellt.
Es geht somit um die Durchsetzung gleicher rechtlicher Rahmenbedingungen aller
Konkurrenten für ein (faires) Handeln im Wettbewerb.25

21
   EuGH, 04.05.2017, C-339/15, Luc Vanderborght.
22
   EuGH, 04.05.2017, C-339/15, Luc Vanderborght Rn 27 f.
23
   Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht (1997) 143.
24
   Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG, BGBl 1984/448 idF BGBl I 2019/104.
25
   Wiebe et al, Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht 341.

                                                                                                 8
2.2.1 Die Systematik des UWG

Auf nationaler Ebene ist das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)26 die
zentrale Rechtsquelle des Lauterkeitsrechts. Vor Einführung des UWG im Jahr 1924 konnte
gegen unlauteres Wettbewerbsverhalten nur mithilfe der handels- und gewerberechtlichen
Normen      über    den    Schutz     von    Firma,    Wappen       und    Etablissementbezeichnung,
gewerberechtlicher Preiskennzeichnungspflichten, markenrechtlicher Vorschriften sowie der
allgemeinen Schadenersatzvorschriften (§ 1295 ABGB sowie in bestimmten Fällen auch
§ 1330 ABGB – Verletzung der Ehre) vorgegangen werden. Seit dem Inkrafttreten des UWG
im Jahr 1923, welches sich an das deutsche UWG 1909 anlehnte, wurde das UWG mehrere
Male novelliert.

Schließlich wurde das UWG im Jahr 2007 zuletzt umfassend novelliert, um die bereits erwähnte
UGP-Richtlinie ins nationale Recht umzusetzen.27 Durch diese Novelle wurde unter anderem
auch die Systematik der „großen Generalklausel“ des § 1 UWG neu geregelt, die im speziellen
für das Lauterkeitsrecht der zahnärztlichen Tätigkeiten von einer besonderen Relevanz ist.

Ursprünglich wurde das UWG nur als reines Schutzgesetz für und gegen Mitbewerber
konzipiert. Der entscheidende Wandel in der Gesetzgebung vollzog sich schließlich mit der
Schaffung eines eigenen Klagerechts des Österreichischen Arbeiterkammertages (nunmehr:
Bundesarbeiterkammer) mit der UWG-Novelle 1971, die mit der Wahrung von wichtigen
Konsumenteninteressen begründet wurde.28

Unlautere Geschäftspraktiken sind nach der sogenannten „Schutzzwecktrias“ zu beurteilen.
Danach misst sich ein Verhalten an den Interessen der Wettbewerber, der Abnehmer, sprich der
Verbraucher und der Allgemeinheit. Wird durch ein bestimmtes Wettbewerbsverhalten der
Leistungswettbewerb verfälscht oder verhindert, ist eine Unlauterkeit anzunehmen. Dieser
Aspekt wird auch durch den Erwägungsgrund 8 der UGP-RL betont, wo festgehalten wird, dass
die Richtlinie ebenso auch mittelbar den rechtstreuen Mitbewerber schützen soll.29

26
   Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG, BGBl 1984/448.
27
    Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 geändert wird, BGBl I
2007/79; Fehringer /Freund, Die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in das UWG. Was
bringt die UWG-Novelle 2007 Neues? MR 2007, 115 (117); Wiebe et al, Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht
304.
28
   Enzinger, Lauterkeitsrecht Rz 117.
29
   Heidinger in Wiebe/Kodek, Kommentar zum UWG2 (2020) § 1 Rz 5.

                                                                                                        9
Weiters manifestiert sich der Schutz aller Marktteilnehmer auch in der Aktivlegitimation (das
ist das aktive und selbstständige Klagerecht) der Verbraucherschutzverbände (zum Beispiel des
Vereins für Konsumenteninformation – VKI), der Amtsparteien sowie auf der anderen Seite
auch durch das Klagerecht der selbständigen Interessensvertretungen der freien Berufe. Für
Zahnärzte ist diese die Österreichische Zahnärztekammer (ÖZÄK). Ihr kommt auch ein
selbstständiges Klagerecht bei Wettbewerbsverstößen zu.

Das UWG ist in drei Abschnitte gegliedert: der erste Abschnitt (§§ 1–26) enthält zivilrechtliche
und strafrechtliche Bestimmungen. Im zweiten Abschnitt (§§ 26–37) finden sich
verwaltungsrechtliche Bestimmungen und im dritten Abschnitt (§§ 38–43) sind gemeinsame
und Schlussbestimmungen enthalten.              Diese grundsätzliche Aufteilung wird an manchen
Stellen      durchbrochen       und      wird     auch      nicht     sehr     streng      durchgehalten.
Der Anhang des UWG enthält eine Liste von irreführenden und aggressiven
Geschäftspraktiken, die jedenfalls als unlauter gelten. Dieser Anhang wird daher auch als sog
„Schwarze Liste“ bezeichnet.

§ 1 UWG enthält in der – zweigeteilten – Generalklausel ein umfassendes Verbot unlauterer
Handlungen. In den „kleinen Generalklauseln“ ist das Verbot aggressiver (§ 1a UWG) und
irreführender (§ 2 UWG) Geschäftspraktiken normiert. Weiters sind im UWG auch etliche
Sondertatbestände enthalten, die an dieser Stelle keiner weiteren Erläuterung bedürfen.
Die Systematik des UWG bedingt, dass bei der Fallprüfung in einer bestimmten, sinnvollen
Reihenfolge wie folgt vorzugehen ist:30

     •    Zunächst kann es sein, dass gewisse Sondertatbestände des UWG erfüllt sind. Diese
          sind daher vorab zu prüfen. In Frage kommen hier beispielsweise § 7 UWG
          (Herabsetzung eines Mitbewerbers) oder § 9 UWG (Missbrauch eines Kennzeichens).31
          Diese Sondertatbestände seien deshalb immer als erstes zu prüfen, da sie als leges
          speciales zur Generalklausel aufzufassen sind. Eine Alternative ist, die Fallprüfung mit
          der „Schwarzen Liste“ zu beginnen, und sodann auf die Sondertatbestände
          einzugehen.32

30
   Wiebe et al, Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht 304 ff.
31
   Wiebe et al, Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht 304.
32
   Gamerith, Zum Verhältnis der „Schwarzen Liste“ zum sonstigen unlauteren Verhalten iSd
§ 1 Abs 1 Z 1 Fall 2 UWG, ÖBl 2009/21.
                                                                                                      10
•   Treffen die oben genannten Sondertatbestände auf den Sachverhalt nicht zu, sind die
           Bestimmungen des Anhangs des UWG bzw der UGP-RL („Schwarze Liste“) zu prüfen.
           Die Tatbestände gelten per se als irreführende oder aggressive Geschäftspraktiken und
           sind taxativ aufgelistet. Eine weitere und eingehende Prüfung dieser angeführten
           Geschäftspraktiken ist daher für den jeweiligen Rechtsanwender nicht erforderlich, da
           das Verhalten an sich schon einen Wettbewerbsverstoß darstellt. Die Erheblichkeit der
           Wettbewerbsverletzung muss hier im Einzelfall dann nicht mehr geprüft werden.

       •   Unterfällt der zu beurteilende Sachverhalt auch keiner Geschäftspraktik der schwarzen
           Liste, so ist das Vorliegen von Unlauterkeit nach den „kleinen Generalklauseln“ zu
           prüfen. Gemäß § 1 Abs 3 UWG gilt nämlich eine Geschäftspraktik insbesondere dann
           als unlauter, wenn diese gemäß § 1a UWG aggressiv, oder gemäß § 2 UWG irreführend
           ist.

       •   Sind weder die §§ 1a und noch der 2 UWG anwendbar, ist die Lauterkeit einer
           Geschäftspraktik anhand von § 1 Abs 1 UWG zu prüfen. Der Großteil der bisherigen
           ergangenen lauterkeitsrechtlichen Rechtsprechung der zahnärztlichen Tätigkeiten
           wurde anhand von § 1 Abs 1 UWG geprüft.

Die eben dargestellte Prüfungsreihenfolge gilt allerdings nicht für die „sonstigen unlauteren
Handlungen“ gem § 1 Abs 1 Z 1 UWG, da sowohl § 1a UWG als auch § 2 UWG – sowie die
darauf basierenden Bestimmungen des Anhangs – eine Geschäftspraktik im Sinne des
§ 1 Abs. 4 Z 2 UWG voraussetzen. Die Unlauterkeit einer sonstigen Handlung kann sich daher
immer nur aus der Generalklausel, und zwar aus § 1 Abs 1 Z 1 UWG ergeben.33

2.2.2 Anwendungsvoraussetzungen des UWG

Da das UWG nur den wirtschaftlichen Wettbewerb regelt, unterfallen private Handlungen und
rein politische Auseinandersetzungen keiner wettbewerbsrechtlichen Beurteilung. Nahezu alle
Tatbestände des UWG setzen daher ein Handeln „im geschäftlichen Verkehr“ voraus. Wer rein
privat oder amtlich handelt, handelt daher nicht im geschäftlichen Verkehr im Sinne des UWG.

33
     Burgstaller/Frauenberger/Handig/Heidinger/Wiebe in Wiebe/Kodek, UWG2 § 1 UWG Rz 17.

                                                                                             11
Eine Gewinnabsicht bei der Handlung „im geschäftlichen Verkehr“ ist nicht erforderlich,
weshalb auch gemeinnützige Vereine und Organisationen einer Beurteilung durch das
Wettbewerbsrecht des UWG unterliegen. In welchem Bereich die wirtschaftliche Tätigkeit
erfolgt, ist ebenfalls nicht ausschlaggebend. Neben Gewerbetreibenden fallen auch die
Angehörigen der freien Berufe (zu welchen auch Zahnärzte zu zählen sind), freiberufliche
Künstler sowie auch Landwirte in den Anwendungsbereich des UWG. Ebenso im
geschäftlichen Verkehr steht – völlig ungeachtet ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung – auch
eine Sozialversicherungsanstalt, die ein Zahnambulatorium betreibt.34

Zusammenfassend kann zum Erörterten jedenfalls festgehalten werden, dass zum
geschäftlichen Verkehr somit jede wirtschaftliche Betätigung im weiteren Sinne zählt.35 Das
Kriterium des Handelns im geschäftlichen Verkehr entspricht daher im Wesentlichen dem –
ebenfalls weit gefassten – Unternehmensbegriff des § 1 KSchG36 und dem des
§ 1 Abs. 2 UGB.37 Handlungen, die sich rein unternehmensintern abspielen und keine
Außenwirkung haben, sind mangels eines Marktbezuges, also Einwirkung auf das
Wettbewerbsgeschehen, allerdings keine Handlungen im geschäftlichen Verkehr.

Auch die Förderung von fremdem Wettbewerb erfolgt folglich im geschäftlichen Verkehr. Ein
eigener Geschäftsbetrieb der handelnden Person ist dazu nicht erforderlich. So kann also auch
eine unselbständig tätige Person bestimmte Handlungen setzen, die das Geschäft einer anderen
Person (eines Unternehmers) fördern und daher folglich einer wettbewerbsrechtlichen
Beurteilung unterliegen.

Beispiel: Eine Prophylaxe-Assistentin macht in einer Radiosendung rechtswidrige
(standeswidrige) Werbung für eine bestimmte Zahnarztordination, nämlich dezidiert für jene
ihres Arbeitgebers. Hier liegt ein Handeln im geschäftlichen Verkehr vor, §1 UWG ist daher
anwendbar. Einschlägig ist hier die objektive Eignung, nicht die Handlungsabsicht.38

34
   OGH 17.2.2015, 4 Ob 234/14m, Gesundheitsplattform; RIS-Justiz RS107003.
35
   Wiebe et al, Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht 307.
36
   Bundesgesetz vom 8. März 1979, mit dem Bestimmungen zum Schutz der Verbraucher getroffen werden
(Konsumentenschutzgesetz – KSchG), BGBl I 140/1979.
37
   Bundesgesetz über besondere zivilrechtliche Vorschriften für Unternehmen (Unternehmensgesetzbuch – UGB),
BGBl I 106/1997.
38
   Wiebe et al, Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht 307.

                                                                                                        12
Beispiel: Wenn nur rein sachliche Informationen über eine bestimmte Behandlungsmethode
erteilt werden, ohne konkrete Nennung einer bestimmten Ordination, stellt dies keine
zurechenbare Werbung durch einen Nichtarzt dar.39 Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr
liegt hierbei nicht vor.

Ganz generell lässt sich festhalten, dass ein Unterlassungsanspruch nach dem UWG auch bei
Wettbewerbsverletzungen durch Dritte bestehen kann, wenn dem Haftenden die rechtliche
Möglichkeit offenstand, für die Abstellung oder Verhinderung des Wettbewerbsverstoßes zu
sorgen. Behält sich die im Beispiel oben genannte Ordinationsassistentin die Freigabe des
Radiobeitrages vor und wird ihr aber eine Prüfung auf allfällige Verletzungen von
standesrechtlichen Werbebeschränkungen der Zahnärzte durch den Radiosender verwehrt,
kann ihr keine Verletzung einer derartigen Prüfpflicht vorgeworfen werden.

Eine allfällige Absicht der Ordinationsassistentin, mit dem Radiointerview die Nachfrage nach
zahnärztlichen Behandlungsmethoden auch zum Vorteil ihres Arbeitgebers zu erhöhen, ist für
die Erlassung eines Unterlassungsgebots nach dem UWG unerheblich.40

39
   Leitner, Radiointerview zu zahnärztlichen Hausbesuchen durch Zahnarzthelferin keine zurechenbare Werbung
durch Nichtarzt, ZfG 2016, 23.
40
   Leitner, Radiointerview 23.

                                                                                                        13
2.2.3 Die Generalklausel des § 1 UWG

§ 1 UWG ist die grundlegendste Norm für das Lauterkeitsrecht der zahnärztlichen Tätigkeiten.
Die Bestimmung verbietet einerseits unlautere Geschäftspraktiken und andererseits sonstige
unlautere Handlungen. Ein derart allgemein gehaltenes Verbot ist deshalb notwendig und auch
sinnvoll, da der Gesetzgeber nicht stets alle denkmöglichen Fälle eines unlauteren Handelns im
Einzelnen regeln kann und auch nicht ständig auf jeden neu aufkommenden unlauteren
Sachverhalt sofort und angemessen reagieren kann.

§ 1 UWG bestimmt, dass „derjenige auf Unterlassung und bei Verschulden auch auf
Schadenersatz in Anspruch genommen werden kann, wer entweder im geschäftlichen Verkehr
eine unlautere Geschäftspraktik oder sonstige unlautere Handlung anwendet, die geeignet ist,
den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht nur unerheblich zu beeinflussen“ (Z 1),
oder „eine unlautere Geschäftspraktik anwendet, die den Erfordernissen der beruflichen
Sorgfalt widerspricht und in Bezug auf das jeweilige Produkt geeignet ist, das wirtschaftliche
Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreicht oder an den sie sich richtet,
wesentlich zu beeinflussen“ (Z 2).

Die Anwendungsvoraussetzungen der Generalklausel sind einerseits das „Handeln im
geschäftlichen Verkehr“, sowie die „Erheblichkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung“.41 Nur
wenn diese Tatbestandsmerkmale ebenso erfüllt sind, fällt eine unlautere Geschäftspraktik oder
sonstige unlautere Handlung in den Verbotsbereich der Generalklausel des § 1 UWG. Die
zentralen Begriffe des „Verbrauchers“ beziehungsweise des „Gewerbetreibenden“ sind nach
Auskunft der Gesetzesmaterialien42 „im Sinne des § 1 KSchG und des § 1 UGB auszulegen“.

2.2.3.1 Handeln im geschäftlichen Verkehr

§ 1 UWG erfordert eine Handlung eines Unternehmers im geschäftlichen Verkehr. Hierzu sind
die Definitionen des Unternehmensgesetzbuches43 heranzuziehen. Hierzu sind alle Handlungen
zu subsumieren, die den Geschäftszweck fördern und mit der der Unternehmer am
Erwerbsleben teilnimmt. „Unternehmensbezogene Geschäfte“ sind alle „Geschäfte eines
Unternehmers, die zum Betrieb seines Unternehmens gehören“ (vgl § 343 Abs 2 UGB). Der

41
   Heidinger in Wiebe/Kodek, UWG2 § UWG 1 Rz 10.
42
   Enzinger, Lauterkeitsrecht Rz 117; 144 BlgNR 13. GP, Besonderer Teil zu Z 1.
43
   Unternehmensgesetzbuch (UGB), BGBl I 2005/120.
                                                                                           14
Begriff des geschäftlichen Verkehrs wird von den Gerichten regelmäßig weit ausgelegt.44
Eine Gewinnerzielung ist hierbei nicht erforderlich, sogar nicht einmal ein Handeln gegen (ein
bestimmtes oder bestimmbares) Entgelt ist nötig, um ein unternehmensbezogenes Geschäft
getätigt zu haben.

In § 1 Abs 1 Z 1 UWG wird neben der unlauteren Geschäftspraktik auch auf die „sonstige
unlautere Handlung“ Bezug genommen, unter der unter anderem auch direkte Angriffe gegen
den Mitbewerber zu verstehen sind. Der Handlungsbegriff umfasst nicht nur ein aktives Tun,
sondern auch ein Unterlassen sowie Verhaltensweisen oder Erklärungen und kommerzielle
Mitteilungen, einschließlich der Werbung und des Marketings eines Unternehmens.45

2.2.3.2 Zwei Tatbestände

Die Generalklausel ist in Bezug auf die Beeinträchtigung von Unternehmen einerseits und
Verbrauchern andererseits alternativ formuliert. Da sich die beiden Tatbestände an
unterschiedliche Adressaten richten, ist in der Literatur des Öfteren von einer „zweigeteilten
Generalklausel“ zu lesen. § 1 Abs 1 Z 1 UWG schützt primär die Marktteilnehmer und daher
den B2B-Bereich. § 1 Abs 1 Z 2 UWG bezieht sich hingegen auf Geschäftshandlungen
gegenüber Verbrauchern. Bei der Abgrenzung zwischen dem B2B- und B2C-Bereich sind die
Vorgaben der UGP-RL im Rahmen der richtlinienkonformen Interpretation stets zu
berücksichtigen, da sich der Anwendungsbereich der Richtlinie lediglich auf den B2C-Bereich
beschränkt. Eine „Geschäftspraktik“ wird als „jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise
oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines
Unternehmens, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines
Produkts zusammenhängt“, definiert (siehe § 1 Abs 4 Z 2 UWG).46

2.2.3.3 Das Verbraucherleitbild

Das Verbraucherleitbild des UWG ist ein „normatives Menschenmodell, das alle Personen
umschreibt, die unter den Verbraucherbegriff fallen“.47 Ein solches Modell ist erforderlich, um

44
   Siehe zB OGH 22.3.2018, 4 Ob 43/18d oder auch OGH 13.6.2019, 4 Ob 59/19h; OGH 11.8.2015, 4 Ob
247/14y.
45
   Enzinger, Lauterkeitsrecht Rz 80.
46
   Enzinger, Lauterkeitsrecht Rz 78.
47
   Lurger/Melcher, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht (2020) Rz 307.

                                                                                             15
Verbraucherschutzvorschriften und Bestimmungen auszulegen und anzuwenden. Die
grundlegende Frage dahinter ist stets, wie wohl der Modell-Verbraucher auf eine bestimmte
Geschäfts- oder Verkaufssituation reagieren würde oder wie dieser ein Verhalten oder eine
Äußerung eines Unternehmers verstehen würde oder könnte und was diesen dann in weiterer
Folge auch beispielsweise in die Irre führen würde.

Von einer konkreten Definition des Durchschnittsverbrauchers wurde aus Überlegungen der
ständigen Weiterentwicklung des Begriffs bei der Normgebung der UGP-RL abgesehen.48
Auch das UWG enthält keine entsprechende (Legal-)Definition des Verbrauchers.
Eine nähere Erläuterung des Begriffs des Durchschnittsverbrauchers findet sich aber im
Erwägungsgrund 18 der UGP-RL, wonach als Durchschnittsverbraucher ein Verbraucher
anzusehen ist, der „unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren in
der Auslegung des Gerichtshofs angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und
kritisch ist.“ Diese Formulierung weicht im Wortlaut leicht von der Definition des
Durchschnittsverbrauchers in der Rechtsprechung des EuGH ab, der auf den „durchschnittlich
informierten aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher“ abstellt.

Die Abweichung im Wortlaut führt in der Praxis nicht zu einem anderen Verständnis, da der
Erwägungsgrund 18 der UGP-RL ausdrücklich auf die Rechtsprechung des EuGH Bezug
nimmt und zudem der englische und französische Text der Richtlinie wörtlich mit der
Rechtsprechung des EuGH übereinstimmen. Der OGH bezeichnet diese konstruierte Maßfigur
in seiner Rechtsprechung auch als „mündigen Konsumenten“.49

Durch das Modell des „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbrauchers“ führt das EU-Verbraucherrecht einen relativ hohen normativen
Schutzstandard ein. Dies führt in weiterer Folge dazu, dass weniger informierte oder
verständige Verbraucher nicht so gut geschützt sind.50

Die UWG-Novelle 2007 dehnt das Leitbild des Durchschnittsverbrauchers nunmehr auf das
gesamte     Lauterkeitsrecht     aus.    Im     Rahmen      der    Generalklausel      wird   der

48
   Burgstaller/Frauenberger/Handig/Heidinger/Wiebe in Wiebe/Kodek, UWG2 § 1 UWG Rz 60 mwN.
49
   OGH 15.02.2011, 4 Ob 228/10y, Waldbeeren Fruchtschnitte, MR 2011, 148.
50
   Lurger/Melcher, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht Rz 311.

                                                                                              16
Durchschnittsverbraucher als konstruierte Maßfigur zur Beurteilung einer gegenüber
Verbrauchern angewendeten Geschäftspraktik festgelegt.

Die Definition des Verbrauchers in Art 2 lit a UGP-RL umfasst „jede natürliche Person, die im
Geschäftsverkehr zu Zwecken handelt“, die nicht ihrer „gewerblichen, handwerklichen oder
beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann“. Unter den Begriff des Unternehmers fallen
gemäß Art 2 lit b UGP-RL alle natürlichen oder juristischen Personen, die im Geschäftsverkehr
im Rahmen ihrer „gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handeln, und jede
Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden“ handelt. Der Unternehmer- und
Verbraucherbegriff deckt sich somit im Wesentlichen mit den – schon erwähnten –
entsprechenden Definitionen in § 1 KSchG beziehungsweise § 1 Abs 2 UGB.

Teilweise wird auch vertreten, dass jede Geschäftspraktik, die geeignet ist, die wirtschaftlichen
Interessen der Verbraucher tatsächlich zu beeinträchtigen, in den B2C-Bereich fällt, auch wenn
sich diese (nur) als indirekte Folge der Beeinträchtigung von Unternehmerinteressen darstellt.51
Aus den Bestimmungen der UGP-RL kann jedoch abgeleitet werden, dass nicht jede
Werbemaßnahme, die sich nur oder auch an Verbraucher richtet, in den B2C-Bereich fällt. Die
Erwägungsgründe 6 und 8 der Richtlinie weisen darauf hin, dass zwischen der Geschäftspraktik
und der Kaufentscheidung des Verbrauchers in weiterer Folge ein direkter Zusammenhang
bestehen muss. Ein „Umweg“ über die Beeinträchtigung der Interessen anderer Mitbewerber
reicht dazu nicht aus.52

2.2.3.4 Erheblichkeitsschwelle

Gegen die Generalklausel des § 1 UWG verstoßen nur solche unlauteren Handlungen, die in
irgendeiner Weise auch dazu geeignet sind, den Wettbewerb oder das Verhalten der
Verbraucher zu beeinflussen. Im Einzelfall können Wettbewerbsverstöße nämlich auch so
unbedeutend sein (sogenannte Bagatellverstöße), dass eine Inanspruchnahme des Schädigers
und der zuständigen Gerichte nicht gerechtfertigt erscheint, da an der Verfolgung von reinen
Bagatellfällen generell kein nennenswert schutzwürdiges Interesse besteht.

51
   Wiebe, Umsetzung der Geschäftspraktikenrichtlinie und Perspektiven für eine UWG-Reform,
JBl 2007, 69 (70 f).
52
   Glöckner/Henning-Bodewig, Ist die Union reif für die Kontrolle an der Quelle? WRP 2005, 1311 (1320).
                                                                                                          17
Dadurch soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Beeinflussung der Marktverhältnisse
eine gewisse (tatsächliche) Mindestintensität erreichen muss.53 Das Abstellen auf die Eignung
bedeutet, dass die unlautere Wettbewerbshandlung nicht zwingend eine faktische
Wettbewerbsbeeinträchtigung nach sich zieht. Im Rahmen einer Prognoseentscheidung gilt es
daher zu beurteilen, in welchem Ausmaß das beanstandete Verhalten geeignet ist, eine
Nachfrageverlagerung zu bewirken.

Die Generalklausel sieht unterschiedliche Erheblichkeitsschwellen der Wettbewerbsverletzung
im B2B- und im B2C-Bereich vor. Im Verhältnis zwischen den Mitbewerbern geht es um die
Beeinflussung der Marktverhältnisse der Konkurrenten untereinander. Im Verhältnis zu den
Verbrauchern geht es hingegen um die Eignung der wettbewerbseingreifenden Handlung zur
de facto-Beeinflussung des Verhaltens des Durchschnittsverbrauchers.54 Fällt eine
Geschäftspraktik unter eine der angeführten Praktiken der Schwarzen Liste, ist hier im
Einzelfall nicht mehr zu prüfen, ob das Verhalten die Erheblichkeitsschwelle der
Generalklausel überschreitet.

Ebenso ist die Erheblichkeitsschwelle der Generalklausel des § 1 UWG bei den „kleinen
Generalklauseln“ nicht anwendbar. Ist daher der Tatbestand des §§ 1a oder 2 UWG erfüllt,
bedarf es keiner weiteren Prüfung der Auswirkungen der Geschäftspraktik auf den Markt nach
§ 1 Abs 1 Z 1 UWG oder § 1 Abs 1 Z 2 UWG.

Im B2C-Bereich sind nicht die Auswirkungen auf die Marktverhältnisse, sondern stets der Grad
der Beeinflussung des Durchschnittsverbrauchers maßgeblich. Der Durchschnittsverbraucher
im Sinne der UGP-RL ist „angemessen gut unterrichtet, angemessen aufmerksam und
kritisch“.55 Bei dieser Beurteilung sind jedoch auch kulturelle und soziale Faktoren mit
einzubeziehen.

Ein durchschnittliches Volksschulkind wird beispielsweise einer Werbung in der Regel nur
„blickfangartig herausgestellte Vorteile entnehmen können“, nicht aber die damit auch
verbundenen Verbindlichkeiten (Belastungen).56 § 1 Abs 1 Z 2 UWG erfordert das
Überschreiten einer bestimmten „Erheblichkeitsschwelle“. Insofern muss das wirtschaftliche

53
   Wiebe et al, Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht 316.
54
   Wiebe et al, Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht 316.
55
   EuGH 12.5.2011, C-122/10, „ab“-Preis.
56
   OGH 8.7.2008, 4 Ob 57/08y, PonyClub.

                                                                                          18
Verhalten des jeweiligen Verbrauchers durch die Geschäftspraktik „wesentlich“ beeinflusst
werden. Eine wesentliche Beeinflussung liegt insbesondere dann vor, wenn seine
Entscheidungsfreiheit „spürbar beeinträchtigt wird“. An dieser Stelle ist vor allem zu prüfen,
ob der Verbraucher anders entschieden hätte, wenn er gut aufgeklärt und informiert worden
wäre.57

Im Unterschied zur Erheblichkeitsschwelle im B2B-Bereich kommt es beim B2C-Bereich auf
das quantitative Gewicht im Sinne einer spürbaren Beeinflussung der Marktverhältnisse jedoch
nicht an. Die wesentliche Beeinflussung bezieht sich ausschließlich und rein nur auf den
individuellen Marktteilnehmer, nämlich auf jenen für die Handlung wesentlichen
Durchschnittsverbraucher. Die Spürbarkeitsgrenze wird somit schon dann überschritten, wenn
die zu beurteilende Geschäftspraktik nur gegenüber einem einzelnen (!) Verbraucher
(beispielsweise in einem persönlichen Gespräch) angewandt wurde, wobei die von ihr
auszugehende Beeinflussung allerdings wesentlich sein muss.58 Dies ist zum Beispiel bei
Zahnarzt-Patienten-Gesprächen von einer besonderen Relevanz.

2.2.3.5 Rechtswidrige und schuldhafte Handlung

Darüber hinaus ist Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch nach § 1 UWG, dass der
Schädiger rechtswidrig und schuldhaft handelt. Hier sind die allgemeinen Regeln des
Schadenersatzrechts anzuwenden. Schuldhaft handelt der Schädiger immer dann, wenn er
zumindest fahrlässig handelt. Fahrlässigkeit liegt bei Außerachtlassung der notwendigen
Sorgfalt vor. Leicht fahrlässig handelt, „wer mit der nicht fern liegenden Möglichkeit einer
Rechtsverletzung bereits schon rechnen musste“.59

57
   Wiebe et al, Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht 318.
58
   Heidinger in Wiebe/Kodek, UWG2 § 1 Rz 145.
59
   RIS-Justiz RS0107085.

                                                                                           19
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