Rauchen oder nicht rauchen ? - Leitfaden für Gruppen Praxishilfe

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Praxishilfe

Leitfaden für Gruppen

Rauchen oder nicht rauchen ?
Herausgegeben vom BKK Bundesverband
Kronprinzenstraße 6, 45128 Essen
www.bkk.de

Autoren:
Thilo Baum M.A., Dr. med. Stefan Frädrich

Redaktion:
Walter Farke, Bettina Prothmann, Margot Wehmhöner

Gestaltung: Typografischer Betrieb Lehmann GmbH, Essen

Druck: N.N. ???

„BKK“ und das BKK Logo sind registrierte Schutzmarken des BKK Bundesverbandes

Stand: März 2008


Vorwort
Raucher oder Nichtraucher? Sicher haben Sie schon       Viele heutige Nichtraucher haben früher geraucht.
einmal erlebt, welch heftige Reaktionen dieses The-     Umgekehrt war jeder Raucher früher einmal Nicht-
ma auslösen kann. Nichtraucher fühlen sich durch        raucher. Denn bevor wir mit dem Rauchen anfan-
das Rauchen oft belästigt oder machen sich um die       gen, sind wir alle Nichtraucher. Meist wollen wir
Raucher Sorgen. Die Raucher wiederum wissen             als Jugendliche zu Rauchern werden. Jugendliche
selbst, dass das Rauchen nicht gesund ist. Doch         halten die Zigaretten gerne für ein Symbol des
sie wollen sich nicht bevormunden und sich nichts       Erwachsenseins und müssen zunächst hart dafür
wegnehmen lassen. Also gehen sie Diskussionen           trainieren, dass sie den Zigarettenrauch überhaupt
oft aus dem Weg. Und weil keiner Streit will – gerade   einatmen können. Wenn sie das endlich geschafft
in Gruppen –, wird lieber geschwiegen als konstruk-     haben, rauchen sie in der Regel jahrelang weiter,
tiv geredet. Das ist sehr schade.                       bis sie sich dazu entscheiden, wieder zu Nichtrau-
                                                        chern zu werden. Diese Entscheidung sollte be-
Mit diesem Leitfaden möchten wir es Ihnen und           wusst und freiwillig sein. Und je mehr wir übers
Ihrer Gruppe so leicht wie möglich machen, übers        Rauchen wissen und je respektvoller man mit uns
(Nicht)rauchen zu sprechen. Denn Raucher rauchen        umgeht, desto leichter wird uns die Entscheidung
nicht aus Unachtsamkeit, Leichtsinn oder weil sie       fallen. Dann kann wirklich jeder Raucher wieder
einen Fehler hätten, sondern aus ganz anderen           Nichtraucher werden.
Gründen, die Sie in Ihrer Gruppe nun erarbeiten
können – seien Sie gespannt!                            Um den Text übrigens einfach und lesbar zu halten,
                                                        verwenden wir im gesamten Manual meist das
Dieser Leitfaden richtet sich aber nicht nur an Rau-    grammatikalisch männliche Geschlecht. Selbst-
cher. Er richtet sich auch an Nichtraucher. In vielen   verständlich wollen wir damit Frauen und Männer
Übungen der Selbsterfahrung sind die Ansichten          gleichberechtigt ansprechen.
der Nichtraucher wichtig. Außerdem wollen wir mit
diesem Leitfaden anregen, mehr Verständnis für-         Ihre Gruppe will eines der wichtigsten Themen un-
einander zu entwickeln. Wenn Raucher und Nicht-         serer Zeit besprechen. Wir wünschen Ihnen dabei
raucher offen und freundlich miteinander umgehen        viel Verständnis und Wohlwollen. Und auch immer
und die Zusammenhänge des Rauchens verstehen            eine gute Portion Neugier, Offenheit und Begeiste-
wollen, hat Ihre Gruppe mit diesem Leitfaden eine       rung an der Sache. Viel Spaß und Erfolg!
echte Chance auf neue Erkenntnisse und Erfah-
rungen.                                                 Ihre Autoren

                                                                                                        
Inhalt
Impressum                                                                    2
Vorwort                                                                      3
Wie dieser Leitfaden funktioniert                                            5

A     Die Biologie und die Psychologie
A1    Warum rauchen wir eigentlich?                                          6
A2	   Ist Rauchen eine Sucht?                                                8
A3	   Wie wirkt Nikotin?                                                    10
A4    In welchen Situationen rauchen wir?                                   12

B     Die Tabakindustrie und ihre Werbung
B1    Wie verfolgt die Tabakindustrie ihre Ziele?                           14
B2	   Warum und wie wirkt Werbung?                                          16
B3	   Wie zementiert Zigarettenwerbung die psychische Abhängigkeit?         18
B4    Welches Selbstbild haben Raucher?                                     20

C     Motivation: Die Macht von Entscheidungen
C1    Wie erreicht man mit Leichtigkeit Erfolge?                            22
C2	   Was geschieht beim Nikotin-Entzug?                                    24
C3	   Warum muss Ex-Rauchern gar nichts fehlen?                             26
C4    Was bringt das Nichtrauchen?                                          28

Erfahrungen und Ergebnisse
Ein tolles Ergebnis: Die Arbeit mit dem Leitfaden                           30

Fragen und Antworten
Die am häufigsten gestellten Fragen zum Thema Tabakentwöhnung               32

Anhang
Anhang 1    Themenübersicht                                                 36
Anhang 2	   Rauchen und Gesundheit                                          37
Anhang 3	   Beispiele für Werbeslogans                                      40
Anhang 4    So war's bei mir. Erfolge mit dem Ausstieg                      41
Anhang 5    Ein kurzer Selbsttest. „Sollte ich mit dem Rauchen aufhören?”   42
Anhang 6    Check It! Teste Dein Wissen zum Rauchen.                        44

Adressen, Buchtipps, Links
Beratung zur Tabakentwöhnung                                                46
Weitere Informationen zum Rauchen                                           47
Broschüren zum Bestellen und Herunterladen                                  48
Buchtipps		                                                                 50
Notizen		                                                                   51


Wie dieser Leitfaden funktioniert
Dieser Leitfaden will Ihnen und Ihrer Gruppe einen             dustrie und ihre Werbung“ (Themenblock B) und
möglichst einfachen Zugang zum Thema „Rau-                     schließlich „Motivation: Die Macht von Entschei-
chen“ ermöglichen. Er richtet sich zunächst an die             dungen“ (Themenblock C). Jeder Teil bietet Ihnen
Person, die eine Gruppe leitet – den Moderator.                vier Möglichkeiten, sich mit dem jeweiligen Thema
Der Moderator kann dem Leitfaden viele wichtige                auseinanderzusetzen – in der Reihenfolge, die Sie
Informationen übers Rauchen entnehmen und so                   wünschen. Wo Sie beginnen – ob etwa mit einem
die Gruppe in den Sitzungen begleiten. Der Leitfa-             Kapitel zur Werbewirkung in Block B oder mit ei-
den gibt dem Moderator und den Gruppenteilneh-                 nem Kapitel zur Motivation in Block C – entschei-
mern zugleich die Freiheit, sich dem Thema so zu               den Sie und Ihre Gruppe.
nähern, dass es Spaß macht.
                                                               Die Kapitel selbst haben die gleiche, schnell zu er-
Im Inhaltsverzeichnis finden Sie drei Themenblöcke,            kennende Struktur. Jedes Kapitel nimmt den Platz
die jeweils in vier Kapitel unterteilt sind. Die Reihen-       einer Doppelseite ein. Jede Doppelseite ist im We-
folge der Themenblöcke und Kapitel dient lediglich             sentlichen gleich aufgebaut. Auf der linken Seite

               A1                                          B1                                    C1

 A2            A             A3           B2               B             B3         C2           C            C3

               A4                                          B4                                    C4

der besseren Übersicht – sie gliedert zusammen                 finden Sie drei Texte, die Sie durch die jeweilige
gehörende Inhalte am besten. Für den Verlauf Ihrer             Sitzung leiten:
Sitzungen ist diese Reihenfolge nicht bedeutsam.
Dieser Leitfaden ist vielmehr so angelegt, dass Sie            n   „So führen Sie zum Thema hin“: Damit starten
mit jedem Kapitel beginnen können, das Ihnen oder                  Sie die Sitzung.
der Gruppe gefällt. Von jedem Kapitel aus können Sie           n   „Praxis und Selbsterfahrung“: Hier könen die
beliebig mit jedem der anderen Kapitel fortfahren.                 Teilnehmer Ihrer Gruppe die Inhalte des jewei-
Keines der Kapitel ist Voraussetzung für ein anderes.              ligen Kapitels ausprobieren.
                                                               n   „Diskussion“: Damit können Sie ein Fazit zie-
Bitte stellen Sie sich die Struktur dieses Leitfadens              hen und die Sitzung abschließen.
wie drei Kreuze vor (siehe Abbildung). In Anhang 1
finden Sie eine Stichwort-Übersicht der Themen-                Neben diesen Hilfestellungen für Ihre Moderation
blöcke – so können Sie sich leichter ein Bild von              findet sich der Kern der Kapitel jeweils auf der
den einzelnen Kapiteln machen.                                 rechten Seite. Dort steht ein längerer Text, der
                                                               Ihnen die Hintergründe des Themas erklärt und
Jedes Kreuz bündelt ein Thema: „Die Biologie und               Ihnen die wesentlichen Fakten und Argumente
die Psychologie“ (Themenblock A), „Die Tabakin-                liefert.

                                                                                                                   
Die Biologie und die Psycho
A1 Warum rauchen wir eigentlich?

                 So führen Sie zum Thema hin
Echte Raucher-Typen                                     „Rauchen ist irgendwie etwas Besonderes“,
                                                        „Nichtraucher sind langweilig“. Die Nichtraucher
Bitten Sie die Teilnehmer Ihrer Gruppe, sich Grün-      in Ihrer Gruppe werden möglicherweise antwor-
de fürs Rauchen zu überlegen. Warum rauchen             ten: „Das Rauchen muss eine tolle Sache für die
Raucher eigentlich? Fragen Sie sowohl die Raucher       Raucher sein, aber selbst bleibe ich lieber Nicht-
als auch die Nichtraucher. Dann sammeln Sie die         raucher.“ Fragen Sie die Raucher in Ihrer Gruppe,
Antworten und schreiben sie auf eine Tafel oder         ob sie hundertprozentig Raucher bleiben wollen.
auf kleine Zettel, die Sie nun an die Wand pinnen       Möglicherweise sagen einige, dass sie hin- und
oder kleben. Die Raucher werden möglicherwei-           hergerissen sind. Eine Stimme sagt: „Ich rauche
se sagen: „Ich habe schon immer geraucht“, „Ich         so gern“, und die andere sagt: „Ich sollte aufhö-
bin Genussmensch“, „Rauchen gehört zu meinem            ren.“ Das ist die für Raucher typische Zweiteilung
Leben“, „Rauchen ist ein entspannendes Ritual“,         im Kopf.

                 Praxis und Selbsterfahrung
Pro und Contra                                          Raucher werden wollten – vermutlich werden sie
                                                        keine Vorteile vermissen. Dann fragen Sie die Rau-
Welche Vorteile hat das Rauchen? Welche Nachtei-        cher, ob sie wegen der Vorteile des Nichtrauchens
le hat das Rauchen? Welche Vorteile hat das Nicht-      und wegen der Nachteile des Rauchens nicht lieber
rauchen? Welche Nachteile hat das Nichtrauchen?         Nichtraucher werden wollten – vermutlich sehnen
Zeichnen Sie ein Kreuz an die Wand und ordnen Sie       sich einige nach den Vorteilen des Nichtrauchens.
jedem der vier Fragen ein Feld zu (siehe Grafik unten   Möglicherweise zeigt sich in der Diskussion, dass
rechts). Dann bitten Sie die Teilnehmer Ihrer Gruppe,   nur Raucher das Rauchen als vorteilhaft empfinden.
die Felder auszufüllen. Fragen Sie die Nichtraucher,    Denn nur Raucher empfinden es als wohltuend,
ob sie wegen der genannten Vorteile des Rauchens        kurzfristig ihren Nikotinpegel zu heben.

                 Diskussion
Entweder oder                                           aber auf damit.“ Trotzdem zündet sich der Raucher
                                                        bald wieder eine Zigarette an. Manch einer fragt
Bei vielen Dingen im Leben sind Menschen un-            sich schon nach wenigen Zügen: „War diese Ziga-
entschlossen: Soll man das neue Sofa kaufen oder        rette jetzt nötig?“ Das Phänomen ist einfach zu er-
nicht? Soll man die Wohnung wechseln oder nicht?        klären, denn am Morgen spürt man zunächst noch
Nun wägt man Vor- und Nachteile ab und gelangt zu       die Nachwirkungen des Nikotins (Kopfschmerzen,
einer definitiven Entscheidung. Viele Raucher hin-      Schwindel, Übelkeit), und der Raucher will aufhö-
gegen haben seit Jahren oder gar Jahrzehnten die        ren (erste Stimme). Dann aber lässt die Giftwirkung
Zweiteilung im Kopf zwischen „Ich bin und bleibe        nach, und der Raucher will wieder rauchen (zweite
Raucher“ und „Ich sollte aufhören“. Fragen Sie Ihre     Stimme), weil sein Nikotinspiegel zu niedrig ist. Nun
Gruppe, woran das liegen könnte. Zum Beispiel am        raucht der Raucher eine Zigarette, sättigt seinen Ni-
Morgen nach einer langen Party, wo viel geraucht        kotinbedarf – und fragt sich, ob das denn nun nötig
wurde, sagt sich mancher Raucher: „Jetzt hörst du       war (erste Stimme). Ein sinnloses Hin und Her.


ologie

  Eine Reise ins Land der Widersprüche
  So viel giftiger Rauch                                  eine Dosis giftiges Nikotin zugeführt, und die
  In Deutschland rauchen etwa 20 Millionen Men-           Nerven gewöhnen sich daran. Sobald der Pegel
  schen. Die erste Zigarette rauchen Kinder mittler-      nach dem Rauchen aber wieder sinkt, fehlt dem
   weile schon mit 13,6 Jahren (Quelle: Bundeszen-        Raucher nun Nikotin! Erst die nächste Zigarette
  trale für gesundheitliche Aufklärung). Jeder zweite     sorgt für Nikotinnachschub, und das scheint gut
  Raucher wird vom Rauchen schwer krank, und              zu tun. Der Raucher fühlt sich also unwohl, wenn
  jeder vierte stirbt sogar daran. Jedes Jahr ster-       ihm Nikotin fehlt, und fühlt sich wohl, wenn er
  ben bei uns mehr als 110.000 Menschen an den            Nikotin nachfüllt. Ein sinnloses biologisches Auf
  Folgen der Zigarettensucht. Das sind jeden Tag          und Ab, denn als Nichtraucher fehlt einem gar
  etwa 300 Tote (Quelle: Haustein). Es drängt sich        nichts.
  eine wichtige ­Frage auf: Warum rauchen Raucher
  ­eigentlich?                                            Der Raucher verknüpft nun die Zigaretten mit lau-
                                                          ter Alltagssituationen wie Kaffeetrinken, Telefonie-
  Engelchen und Teufelchen                                ren oder Autofahren und übt die Verknüpfungen
  Kaum eine Verhaltensweise erscheint so wider-           über viele Jahre ein. Bald erinnert er sich ständig
  sprüchlich wie das Rauchen. Einerseits wissen Rau-      ans Rauchen und greift ganz automatisch zur Ziga-
  cher, dass das Rauchen nicht gut tut, ein Vermögen      rette – vor allem, wenn der Nikotinpegel niedrig ist
  kostet und lästig ist. Andererseits erscheinen einige   oder die Situation gut zu passen scheint. Der inne-
  Zigaretten so wertvoll, dass ein Leben ohne sie un-     re Teufel sagt dann: „Rauch eine!“ Und hinterher
  denkbar erscheint. Viele Raucher schwanken inner-       meldet sich der innere Engel wieder: „Hör endlich
  lich hin und her. Einerseits wissen sie, dass ihnen     damit auf, du bringst dich um!“ Dass der Engel
  das Rauchen nichts bringt. Andererseits scheint         nicht gewinnt, liegt an den angeblich guten Grün-
  es manchmal so schön zu entspannen. Einerseits          den für das widersprüchliche Verhalten: Lebens-
  wissen sie, dass Rauchen eine alte Haut und gelbe       freude, Entspannung oder Attraktivität – Rauchen
  Zähne macht. Doch andererseits fühlt man sich mit       soll eine tolle Sache sein. Und wenn der Raucher
  Zigarette manchmal so sicher und attraktiv. War-        versucht, das Rauchen aufzuhören, tyrannisiert ihn
  um nur dieses Hin und Her? Der Raucher scheinen         der Teufel so lange, bis bald die nächste Zigaret-
  zwei Stimmen im Kopf zu haben – wie Engelchen           te im Mund steckt. Aufhören? Vielleicht nächstes
  und Teufelchen. Die eine Stimme rät ständig, das        Jahr.
  Rauchen aufzuhören, und die andere Stimme rät
  ständig, weiterzurauchen.                               Dabei kann jeder Raucher wieder zum Nichtrau-
                                                          cher werden – schließlich schaffen das jedes
  Biologie und Psychologie                                Jahr viele Millionen Menschen. Und es hilft,
  Wie funktioniert das Rauchen eigentlich? Mit den        wenn man weiß, wie das Rauchen wirklich
  Zigaretten bekommt der Körper immer wieder              funktioniert.

                                                                  Vorteile                  Vorteile
                                                                  Rauchen                Nichtrauchen

                                                                 Nachteile                 Nachteile
                                                                 Rauchen                 Nichtrauchen

                                                                                                            
Die Biologie und die Psycho
A2 Ist Rauchen eine Sucht?

               So führen Sie zum Thema hin
Starke Verführer                                     was alle diese Beispiele gemeinsam haben. Was ist
                                                     es, was eine Sucht ausmacht? Alle Süchte, gleich
Fragen Sie die Teilnehmer, welche Süchte sie ken-    ob körperlich oder psychisch, haben ein Merkmal:
nen, und sammeln Sie deren Namen. Denkbar sind       Sobald der Abhängige kurz gesättigt ist, kommt
körperliche Süchte wie die Abhängigkeit von He-      das Bedürfnis nach seinem Suchtmittel schon bald
roin, Kokain, Morphium, von Medikamenten wie         wieder. Außerdem haben alle Süchte einen Ge-
Beruhigungs- oder Schlafmitteln, von Haschisch,      wöhnungsmechanismus: Anfänger bedienen sich
Marihuana, LSD, Alkohol und Nikotin – aber auch      des Suchtmittels erst vorsichtig und selten, dann
psychische Süchte wie Spiel-, Sex- oder Arbeits-     immer häufiger. Schließlich kann sich der Süchtige
sucht. Fragen Sie die Mitglieder Ihrer Gruppe nun,   ohne sein Suchtmittel nicht mehr „normal” fühlen.

               Praxis und Selbsterfahrung
Sucht oder Angewohnheit?                             sie würden weiterrauchen wollen. Fragen Sie nun
                                                     diese Raucher, was sie für ihr Leben gern essen,
Ist Rauchen eine Sucht – oder nur eine Angewohn-     und dann machen Sie den gleichen Vorschlag: Sie
heit wie Pizza essen? Fragen Sie Ihre Gruppenmit-    servieren den Rauchern bis zum Lebensende kos-
glieder. Möglicherweise vertreten mehr Raucher       tenlos jeden Tag drei Portionen ihres Leibgerichts
als Nichtraucher die Meinung, Rauchen sei eine       – wer würde das wollen? Vermutlich niemand. So
Angewohnheit. Ein Hinweis darauf, dass Raucher       haben Sie den Unterschied zwischen Sucht und
ihre eigene Situation anders sehen als Nichtrau-     Angewohnheit hergeleitet: Nach drei Tagen Lieb-
cher. Nun machen Sie ein Gedanken-Experiment:        lingsessen ist das Lieblingsessen kein Lieblingses-
Angenommen, Rauchen mache nicht krank und            sen mehr – denn man hat schnell genug davon.
führe nicht zum Tod, Raucher würden nicht stinken,   Ein Süchtiger hingegen hat von seinem Suchtstoff
Rauchen würde nichts kosten – würden die Rau-        nie genug: Die Raucher wollen weiterhin Zigaret-
cher dann weiterrauchen oder aufhören wollen?        ten haben, weil ihnen ohne die Zigaretten etwas
Die meisten Raucher werden vermutlich sagen,         zu fehlen scheint.

               Diskussion
Wer (b)raucht Tabak?                                 Gruppe, ob sie ohne Tabak auskommen würden.
                                                     Viele werden möglicherweise sagen, sie würden
Was brauchen Menschen? Menschen brauchen             es schaffen, aber wollten es nicht probieren. Oder
Wasser, Nahrung, ein Dach über dem Kopf. Das         sie sagen, sie hätten schon einmal aufgehört und
sind die Grundbedürfnisse des Menschen. Darüber      könnten daher beruhigt weiterrauchen. Fragen Sie,
hinaus gibt es Dinge, die wir zwar nicht brauchen,   wer von diesen Rauchern noch nie Panik hatte, weil
aber die wir uns ab und zu mit Genuss gönnen – wie   die Zigarettenschachtel leer war. Sind die Raucher
Restaurantbesuche, Urlaube oder teure Klamot-        ehrlich, wird jeder das schon erlebt haben. Ein Zei-
ten. Aber wo endet der Luxus, und wo beginnt eine    chen dafür, dass Rauchen kein Luxus ist, sondern
Sucht? Dort, wo der Mensch ohne sein Extra nicht     eine Sucht. Fazit: Es ist leichter, auf einen Luxus zu
mehr klarkommt! Fragen Sie die Raucher in Ihrer      verzichten als auf einen Suchtstoff.


ologie

  Unabhängig ist, wer nicht von etwas abhängig ist
  Was ist eine Drogensucht?                                es zu Entzugserscheinungen. Ohne Droge fehlt
  Manche Raucher denken, Rauchen sei nur eine              ihm etwas. Der Süchtige ist auf den Suchtstoff
  dumme Angewohnheit. Das ist falsch, denn Rau-            angewiesen. Er ist abhängig. Das Gegenteil von
  chen ist eine Sucht. Was aber ist eine Sucht? Um         „abhängig“ ist „unabhängig“: Wer nicht süchtig
  die Mechanismen besonders deutlich zu erklären,          ist, braucht keinen Suchtstoff.
  betrachten wir nun ein sehr drastisches Beispiel:
  Heroin.                                                  Die Droge Nikotin
                                                           Ist Nikotin auch eine Droge? Natürlich! Bevor man
  Nach den ersten paar Heroinspritzen erlebt der           mit dem Rauchen anfängt, braucht man kein Niko-
  Süchtige eine Art Rausch. Je öfter er Heroin spritzt,    tin, um sich gut zu fühlen. Und wenn man mit dem
  desto mehr gewöhnen sich seine Nerven daran,             Rauchen wieder aufhört, auch nicht. Nur als Rau-
  und der Rausch wird immer schwächer. Sobald der          cher braucht man ständig Nikotin. Raucher werden
  Körper aber das Heroin nach einer Spritze wieder         nervös, wenn sie keine Zigaretten haben.
  abbaut, zeigen die Nerven des Heroinsüchtigen,
  dass ihnen etwas fehlt. Er bekommt körperliche           Um ein Raucher zu werden, muss man das
  und psychische Entzugserscheinungen wie Übel-            Rauchen intensiv üben – die Nikotin-Dosis ist
  keit und Schmerzen oder Depressionen und Angst.          zunächst noch zu stark. Mit der Zeit gewöhnt
  Diese Entzugserscheinungen verschwinden wie-             man sich ans Rauchen und integriert es in den
  der mit der nächsten Spritze. Der Fixer spritzt sich     Tagesablauf: Man raucht nach dem Essen, beim
  das Heroin also bald nicht mehr, weil es ihm mit         Fernsehen oder während man sich mit jemandem
  dem Heroin so gut geht, sondern weil ihm ohne            unterhält. Im Laufe der Jahre steigt der Zigaret-
  Heroin etwas fehlt. Er muss sich Heroin spritzen,        tenkonsum in der Regel an – man braucht also
  damit er sich einigermaßen normal fühlen kann.           eine immer höhere Dosis. Weil man das Rauchen
                                                           nun in seinen Tagesablauf integriert hat und der
  Bei jeder Sucht laufen gleiche Mechanismen ab.           Körper immer Nikotin verlangt, bekommt man
  Zunächst wird der Drogenkonsum zur Gewohnheit            sofort ein schlechtes Gefühl, wenn man keine
  oder gar zum Ritual, und der Körper gewöhnt sich         Zigaretten hat oder nicht rauchen darf. Ohne die
  an die süchtig machende Substanz. Doch schon             Droge scheint dem Raucher nun etwas Wichti-
  bald scheint der Süchtige mit dem Konsum nicht           ges zu fehlen. Er spürt eine seltsame Leere in
  mehr aufhören zu können: Er braucht seine Droge          der Brust und wird innerlich unruhig. Das sind
  immer häufiger und in einer immer höheren Dosis.         die Entzugserscheinungen! Erst die nächste Zi-
  Und von Zeit zu Zeit überfällt ihn ein regelrechter      garette füllt die Leere in der Brust kurzzeitig und
  Zwang, den Suchtstoff zu konsumieren – teilwei-          beseitigt die Unruhe. Raucher können sich nur
  se bis zum totalen Kontrollverlust. Und wenn er          mit Zigaretten normal fühlen. Traurig, aber wahr:
  die Droge mal reduziert oder gar absetzt, kommt          Das Rauchen ist eine echte Sucht.
                                                                                 rette

                                                                                          rette

                                                                                                      rette

                                                                                                                  rette

                                                                                                                              rette

                                                                                                                                          rette
                                                          Nikotinpegel

                                                                            Ziga

                                                                                         Ziga

                                                                                                  Ziga

                                                                                                              Ziga

                                                                                                                          Ziga

                                                                                                                                      Ziga
                                                                          rste
                                                                         Die e

                                                                                                                                        Zeit

                                                                                                                                                  
Die Biologie und die Psycho
A3 Wie wirkt Nikotin?

                So führen Sie zum Thema hin
Was wissen Sie?                                         kotinabhängigen verleiht es dagegen kurzzeitig ein
                                                        angenehmes Gefühl. Nikotin ist benannt nach dem
Es steht auf jeder Zigarettenschachtel: „Nikotin“       französischen Diplomaten J. Nicot (1530 -1600), der
– dazu eine Milligramm-Angabe. Fragen Sie die Teil-     den Tabak nach Frankreich brachte. Bitten Sie Ihre
nehmer Ihrer Gruppe, was sie über Nikotin wissen.       Teilnehmer, mögliche Wirkungsweisen des Niko-
Bei der Frage, ob Rauchen eine Sucht sei, spielt das    tins zu sammeln. Wie wirkt Nikotin? Sammeln Sie
Nikotin eine zentrale Rolle, denn es ist der Haupt-     die Antworten an der Wand. Ziel ist, die Teilnehmer
wirkstoff und das Suchtmittel der Tabakpflanze.         Ihrer Gruppe dafür zu sensibilisieren, dass Nikotin
Bei nicht abhängigen Menschen bewirkt Nikotin           der zentrale Wirkstoff beim Rauchen ist und zu-
meist Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel. Ni-        gleich spürbare Giftwirkungen entfaltet.

                Praxis und Selbsterfahrung
Geschmack und Stärke                                    neszellen haben – um herauszufinden, wie Ziga-
                                                        rettenrauch schmeckt, muss man ihn also nicht
Bitten Sie die Raucher aus Ihrer Gruppe, ihre           in die Lunge ziehen. Doch wie schmeckt Rauch
Zigarettenmarken vorzustellen. Notieren Sie an          im Mundraum und in der Nase? Möglicherweise
der Wand, wer welche Marke raucht und ob es             können sich Raucher daran erinnern, dass nicht
eine mildere oder stärkere Marke ist (Nikotinwert       inhalierter Zigarettenrauch fad schmeckt. Bitten
unter 0,6 mg = mild, 0,6 bis 1,0 mg = mittel,           Sie die Raucher, beim nächsten Rauchen nicht
ab 1,0 mg = stark). Fragen Sie die Raucher, wie         gleich zu inhalieren, sondern zu paffen und dabei
Rauchen „schmeckt“. Vermutlich erhalten Sie             auf den angeblichen „Geschmack“ zu achten.
Antworten wie „stark“, „leicht“, „würzig“ oder          Könnte es sein, dass die Raucher die nervliche
„gut“. Machen Sie nun deutlich, dass Menschen           Wirkung des Nikotins mit „Geschmack“ ver-
in der Lunge keine Geschmacks- und Geruchssin-          wechseln?

                Diskussion
Wer redet uns was ein?                                  die Nikotinwirkung mit dem „Geschmack“? Wo ha-
                                                        ben die Teilnehmer Ihrer Gruppe – auch die Nichtrau-
Wie kommt das: Millionen von Rauchern sprechen          cher – gehört, dass Zigaretten „schmecken“? Wer
von „Geschmack“. „Diese Zigarette schmeckt              hat das gesagt? Eine Quelle für die Legende des
schwächer, jene stärker“. Wer über mehrere Stun-        „Geschmacks“ ist die Tabakindustrie mit ihrer Wer-
den nicht geraucht hat, etwa nach dem Kino, dem         bung – bitten Sie die Teilnehmer, bei Tabakwerbung
„schmeckt“ eine Zigarette ein- und derselben Mar-       auf die Wörter „schmeckt“ oder „Geschmack“ zu
ke besser als sie zwei Minuten nach der vorigen Zi-     achten. Der „Geschmack“ ist in jedem Fall eine
garette „geschmeckt“ hätte. Dabei wirkt das Niko-       Ausrede: Beim Rauchen geht es um das Nikotin,
tin nur stärker, weil inzwischen der Nikotinpegel des   und nur ein Süchtiger empfindet die Zufuhr seines
Rauchers gefallen ist. Warum verwechseln Raucher        Suchtstoffes als angenehm.

10
ologie

  Das Nervengift, das uns den Kopf verdreht
  Nikotin und unsere Nerven                                 Durch diesen Mechanismus sind Raucher ständig
  Nikotin ist das Gift der Tabakpflanze. Sobald man         auf Nikotinentzug – das gilt für etwa 85 Prozent
  an der glühenden Zigarette zieht, löst sich das Gift      der Tabakkonsumenten, denn sie gelten als Sucht-
  aus den chemisch behandelten Tabakbröseln. Es             Raucher (Quelle: DHS). Erst das Ende der Sucht
  gelangt mit dem Rauch in die Lungen und geht ins          beendet die Macht des Nikotins. Die verbleiben-
  Blut über. Nun schwemmt der Blutstrom das Ner-            den 15 Prozent der Tabakkonsumenten gelten
  vengift durch unseren ganzen Körper, und das Ni-          zwar als nicht süchtig, doch damit leben sie nicht
  kotin irritiert alle Nerven, die es erreicht: Das Herz    minder gefährlich: Auch wer nur gelegentlich Gifte
  schlägt schneller, der Darm rumort, die Hände zit-        zu sich nimmt, setzt sich enormen Gesundheits-
  tern, die Knie werden weich und Übelkeit kommt            risiken aus. Eine kurze Schilderung der gesundheit-
  auf. All das sind Erscheinungen einer Nikotin-Ver-        lichen Folgen finden Sie im Anhang 2.
  giftung. Besonders stark sind diese Vergiftungser-
  scheinungen, wenn man noch jung ist und gerade            Das sinnlose Auf und Ab
  mit dem Rauchen anfängt. Man muss lange üben,             Sobald ein Raucher an einer Zigarette zieht, füllt
  bis man den giftigen Rauch ertragen kann.                 sich sein Nikotinpegel wieder auf. Er scheint sich
                                                            nun ein wenig besser zu fühlen als vorher, denn
  Die meisten Raucher führen sich regelmäßig Ni-            seine Entzugserscheinungen konnten nachlassen.
  kotin zu. Die Folge ist: Ihre Nerven stumpfen ab          Ein Nichtraucher dagegen hat überhaupt keine Ent-
  gegen den Stoff. Die Nerven lernen, sich mit dem          zugserscheinungen. Wenn er an einer Zigarette
  starken Gift im Blut normal zu fühlen – die Ver-          zieht, wird ihm vom starken Gift nur schwindelig
  giftungserscheinungen werden schwächer. Und               und übel. Also raucht ein Raucher nur, um sich so
  weil Nikotin so giftig ist, transportiert es der Körper   zu fühlen, wie sich ein Nichtraucher immer fühlen
  schnell wieder nach draußen, sobald eine Zigarette        kann: nämlich normal und ohne Entzugserschei-
  für Nachschub gesorgt hat.                                nungen. Die Zigaretten scheinen dem Raucher gut
                                                            zu tun, weil sie das schlechte Gefühl ohne Zigaret-
  Suchtraucher oder Gelegenheitsraucher?                    ten abstellen. Und je länger Raucher nicht rauchen,
  Sobald aber der Nikotin-Pegel wieder sinkt, tre-          desto wertvoller erscheinen ihnen die einzelnen
  ten nun ganz leichte Entzugserscheinungen auf:            Zigaretten: Wenn man kurz hintereinander raucht,
  Die Raucher spüren eine seltsame, flaue Leere             kommen einem Zigaretten meist widerlich vor
  in Brust und Oberbauch, und ihre Hände wissen             – man vergiftet sich ständig mit Nikotin. Wenn
  nicht mehr, wohin! Dieses seltsame Gefühl ver-            man aber längere Zeit aufs Rauchen warten muss,
  schwindet erst wieder mit einer neuen Zigarette.          kann sich der Nikotinpegel in der Zwischenzeit
  Nun fühlen die stumpfen Nerven wieder das Gift,           ein wenig senken. Die Nerven rufen nun wieder
  und das Loch in der Brust scheint verschwunden            laut nach einer Portion Gift, und der vermeintliche
  zu sein: Der Raucher hat seinen Entzug gestillt.          „Geschmack“ einer Zigarette erscheint besser.
  Weil der Körper jetzt aber wieder Nikotin abbauen         Klar: Schließlich kann die Zigarette nun stärkere
  muss, kommen schon bald wieder neue Entzugs-              Entzugserscheinungen abstellen. Dabei ist der
  erscheinungen. Und gegen die hilft nur eine Ziga-         „Geschmack“ letztlich eine Illusion: Einem Rau-
  rette – denkt der Raucher. Also raucht er wieder.         cher „schmecken“ Zigaretten nur dann, wenn er
  Folge: Das Rauchen ist eine Kettenreaktion! Ziga-         sie inhaliert – doch in der Lunge haben Menschen
  retten bewirken ein Leeregefühl, das sie mit der          keine Geruchs- oder Geschmackssinneszellen.
  nächsten Zigarette erst kurz beseitigen und dann          Raucher verwechseln den „Geschmack“ mit der
  wieder hervorrufen.                                       körperlichen Wirkung des Nervengiftes Nikotin.

                                                                                                            11
Die Biologie und die Psycho
A4 In welchen Situationen rauchen wir?

               So führen Sie zum Thema hin
Essen und Stau                                       tieren, auf Partys, bei besonderen Aufgaben und
                                                     zur Belohnung. Je mehr Raucher in Ihrer Grup-
Wann rauchen Raucher? Fragen Sie die Nichtrau-       pe sind, desto mehr solcher Situationen werden
cher und die Raucher in Ihrer Gruppe, in welchen     Sie sammeln. Hier können Sie bereits bemerken,
Situationen Raucher zur Zigarette greifen. Sam-      dass diese Situationen sehr widersprüchlich sind:
meln Sie die Antworten an der Wand. Die Nicht-       Raucher rauchen etwa bei Langeweile und bei
raucher werden möglicherweise sagen: „Raucher        Stress. Fragen Sie, wie es sein kann, dass Rau-
rauchen, wenn sie etwas nicht mehr aushalten         cher solch unterschiedliche Situationen mit dem
oder unter Druck stehen.“ Raucher werden mög-        Rauchen verbinden. Möglicherweise antworten
licherweise sagen, sie rauchen bei Stress, Lan-      die Raucher, dass das Rauchen in diesen Situati-
geweile, Problemen, Ärger, Freude, zum Kaffee,       onen besonders gut tue. Fragen Sie die Raucher,
nach dem Essen, nach dem Sex, im Stau, in            warum Nichtraucher in all diesen Situationen kei-
besonders romantischen Situationen, beim Disku-      ne Zigaretten brauchen.

               Praxis und Selbsterfahrung
Die kleine Belohnung                                 geben Sie der Gruppe eine Konzentrationsaufga-
                                                     be: „Wie viele Buchstaben hat das Wort ,Fahr-
Suchen Sie für den Praxisteil einen Zeitpunkt aus,   rad‘?“ Die Teilnehmer werden sich konzentrieren,
an dem die Raucher in Ihrer Gruppe schon einige      und wer die Lösung hat, soll es laut sagen (Lö-
Zeit nicht geraucht haben. Dann sagen Sie: „Wir      sung: sieben Buchstaben). Lassen Sie noch zwei
machen gleich eine Pause. Doch vorher lese ich       Beispiele folgen (Fernsehen: neun; Parkbank:
Ihnen noch einen Text vor.“ Dann lesen Sie lang-     acht; Nichtraucher: zwölf) und sagen Sie nun:
sam und deutlich den Haupttext dieses Kapitels       „Jetzt habe ich Sie mit diesen Konzentrations-
auf der rechten Seite vor. Danach sagen Sie:         aufgaben gequält, zur Belohnung dürfen Sie jetzt
„Jetzt habe ich Sie so lange gequält, wir machen     eine Pause machen und rauchen.“ Vermutlich
eine Pause.“ Die meisten Raucher werden die          werden die wenigsten Raucher die Gelegenheit
Gelegenheit nutzen. Nach der Zigarettenpause         nutzen. Warum?

               Diskussion
Eine seltsame Sache ...                              lohnung für etwas, sondern ein Vorwand dafür,
                                                     den Nikotinpegel wieder zu heben. Die „Beloh-
Regen Sie an zu überlegen: Warum belohnt man         nung“ ist eine Verknüpfung im Kopf in Folge
sich für das einfache Zuhören, nicht aber für        der körperlichen Nikotinabhängigkeit. Regen Sie
die Lösung kniffliger Aufgaben? Die Antwort ist      die Diskussion an, was sich gegen solche Ver-
einfach: Raucher belohnen sich dann mit einer        knüpfungen tun lässt: Sind sie unabänderlich?
Zigarette, wenn seit der letzten Zigarette Zeit      Oder können Menschen diese Verknüpfungen
vergangen ist. Die „Belohnung“ ist keine Be-         auflösen?

12
ologie

  Was Rauchen mit Kaffee zu tun hat
  Die Kettenreaktion                                      sich entspannen möchte. Oder auch wenn man
  Die Nerven eines Rauchers verlangen immer nach          auf etwas wartet. In all diesen Situationen grei-
  Nikotin. Und nur beim Rauchen einer Zigarette           fen Raucher zur Zigarette, um so eine Art Juckreiz
  wird dieses Verlangen gestillt. Nach dem Rauchen        abzustellen. Die Zigarette schaltet für kurze Zeit
  transportiert der Körper das Nikotin wieder nach        eine innere Störquelle aus, die ein Nichtraucher
  draußen, und der Raucher bekommt ein flaues             gar nicht hat: den Nikotinentzug.
  Leeregefühl in Brust und Oberbauch – die Ent-
  zugserscheinungen, die im Vergleich zu anderen          In angenehmen Situationen scheint das Auffüllen
  Drogen sehr leicht sind. Dieses Leeregefühl wird        des Nikotinpegels besonders gut zu tun: Nach
  bald stärker, und der Raucher fühlt sich unwohl         dem Mittagessen, beim Kaffee, bei einem schö-
  – ihm fehlt Nikotin. Erst die nächste Zigarette füllt   nen Sonnenuntergang oder nach dem Sex. Damit
  die flaue Leere in der Brust wieder für kurze Zeit.     der Moment so richtig schön sein kann, brauchen
  Doch weil der Körper das Nikotin schnell wieder         Raucher eine Zigarette, denn ohne Zigarette stört
  abbaut, kommt der Entzug bald zurück. Und schon         sie das Leeregefühl in der Brust. Und wer will sich
  wieder muss der Raucher rauchen. Weil nach jeder        schon von einem lästigen Loch ablenken lassen,
  Zigarette der Nikotinpegel sinkt, schafft also jede     während einem das Leben besondere Momente
  Zigarette die Voraussetzung für das Bedürfnis nach      bietet? Also verknüpfen Raucher ihre Zigaretten
  der nächsten Zigarette. Eine sinnlose Kettenreak-       mit bestimmten Situationen und greifen bald völlig
  tion.                                                   automatisch zur Zigarette: beim Feiern, beim Trau-
                                                          ern, im Auto und auf der Toilette. Über die Jahre
  Ohne Entzugserscheinungen fühlt sich ein Rau-           werden diese Verknüpfungen immer häufiger und
  cher am besten: also immer dann, wenn er eine           fester. Schließlich rauchen Raucher in allen mögli-
  Zigarette raucht. Ohne Zigaretten hat der Raucher       chen Alltagssituationen ganz automatisch: Spazier-
  dagegen das Gefühl, dass ihm etwas fehlt. Es            engehen? Nur mit Zigarette! Fernsehen? Nur mit
  ist so, als müsse man sich ständig kratzen, weil        Zigarette! Telefonieren? Nur mit Zigarette! Dabei
  etwas juckt. Je stärker der Juckreiz stört, desto       ist der grundsätzliche Mechanismus immer gleich:
  angenehmer ist dann die Entspannung durch das           Es juckt, und man kratzt sich. Und die meisten
  Kratzen. So funktioniert auch das Rauchen: Es ist       Menschen auf der Welt brauchen keine Zigaretten,
  schön, wenn der Juckreiz nachlässt – Raucher            um spazieren zu gehen oder zu telefonieren.
  kratzen sich sozusagen ständig und fördern damit
  das Jucken.                                             Wenn man sich aber immer wieder kratzt, erinnern
                                                          einen auch bald alle möglichen Situationen ans
  Die Verknüpfungen                                       Kratzen. Wäre das Kratzen nun plötzlich verboten,
  In welchen Situationen wäre so ein Juckreiz denn        fiele das Nicht-Kratzen sehr schwer. So meint auch
  besonders störend? Immer dann, wenn er von et-          der Raucher bald, dass er seinen Alltag nicht mehr
  was Wichtigem ablenkt: zum Beispiel wenn man            ohne Zigaretten überstehen kann. Denn er raucht
  Stress hat und sich beruhigen will. Schnell eine        bei allen Gelegenheiten, und alle Gelegenheiten
  Zigarette, und der Juckreiz lässt nach. Oder wenn       erinnern ihn ans Rauchen. Ohne Zigaretten wird
  man sich konzentrieren muss. Schnell eine Ziga-         der Raucher unkonzentriert, leistungsschwach und
  rette, und der Juckreiz lässt nach. Oder wenn man       nervös. Er ist bereits süchtig.

                                                                                                          13
Die Tabakindustrie und ihre
B1 Wie verfolgt die Tabakindustrie ihre Ziele?

                So führen Sie zum Thema hin
Wir sind die Tabak-Bosse!                              einmal von der Seite der Tabakindustrie zu betrach-
                                                       ten: Den Weltmarkt teilen sich wenige Konzerne;
Verändern wir einmal die Perspektive, und betrach-     das verdiente Geld landet in den Händen relativ
ten die Zigarette als Produkt: Zigaretten sind klein   weniger Menschen. Regen Sie an, dass die Teil-
und lassen sich in Unmengen herstellen. Ihre Pro-      nehmer nach den Interessen der Tabakindustrie
duktion ist günstig und ihr Verkaufswert im Ver-       suchen: Wie leicht lässt sich mit Zigaretten Geld
gleich dazu viel höher. Weltweit rauchen Millionen     verdienen? Welche Ziele hätten Ihre Teilnehmer,
Menschen, die ihre Zigaretten jeden Tag aufs Neue      wenn sie die Tabak-Bosse wären? Welche stra-
kaufen. Darüber hinaus dürfen Zigaretten in vielen     tegischen Mittel würden sie einsetzen, um noch
Ländern beworben werden, obwohl sie süchtig            mehr Geld zu verdienen? Welche Wege könnte
und krank machen. Bewegen Sie die Teilnehmer           es geben, um die „Kunden“ möglichst lange zu
Ihrer Gruppe dazu, das ganze Thema „Rauchen“           binden?

                Praxis und Selbsterfahrung
Im Widerstreit der Interessen                          ein billiges Produkt, das massenhaft hergestellt
                                                       und teuer vertrieben werden soll. Wie würden die
Verteilen Sie in Ihrer Gruppe Rollen: einen Tabak-     Teilnehmer Marketing und Vertrieb gestalten? Mit
boss, der möglichst viel Geld verdienen will. Einen    welchen Werbeideen würden sie versuchen, den
bis drei Marketing-Chefs, die Verkaufsstrategien       Menschen Zigaretten schmackhaft zu machen?
entwickeln sollen und unter Druck stehen. Einen        Würden sie Nichtraucher anders ansprechen als
Finanzminister, der mehr Steuern einnehmen will.       Raucher? Vielleicht unterscheiden sich beide Her-
Und einen Gesundheitsminister, der die Men-            angehensweisen: Für Anfänger, meistens sind das
schen gesund machen will. Einige Verbraucher-          Jugendliche, stellt man das Rauchen als „cool“
schützer, die die Konsumenten schützen wollen.         und erstrebenswert dar. Langjährigen Rauchern
Die Marketing-Leute stehen unter Druck, geeig-         liefert man Argumente für ihre Selbstrechtferti-
nete Kampagnen zu entwerfen, und die Minister          gung. Welche Strategien würden die Nichtraucher
reden dem Tabakboss drein. Dabei geht es um            in Ihrer Gruppe entwickeln, welche die Raucher?

                Diskussion
Fazit des Blickpunktwechsels                           Spielball von Wirtschaftinteressen wahrnehmen?
                                                       Wie betrachten Nichtraucher diese Zusammen-
Wie verändert der Perspektivenwechsel die Mei-         hänge im Unterschied zu Rauchern? Lassen Sie
nungen übers Rauchen? Wie haben die Teilnehmer         Ihre Gruppe über die wirtschaftlichen Aspekte
die Haltungen von Tabakindustrie, Staat und Ver-       diskutieren. Es wird sich womöglich zeigen, dass
braucherschützern nachvollzogen? Welche Anzei-         Raucher durch ihre Nikotinsucht zu idealen Kunden
chen sehen sie dafür, dass Verbraucher die Inter-      für ein völlig sinnloses und teures Produkt gewor-
essen einer Industrie bedienen sollen? Werden die      den sind. Aber bitte achten Sie darauf, dass die
wirtschaftlichen Zusammenhänge erkannt? Wel-           Raucher in der Diskussion nicht zu sehr in die Ecke
ches Gefühl bekommen Raucher, wenn sie sich als        gedrängt werden.

14
Werbung

 Süchtige: Drogenhändlers Goldesel
 Rauchen macht reich und arm                            erkennt sie die abhängig machende Wirkung ihrer
 Diskussionen übers Rauchen drehen sich meist           Produkte an. Es ist klar: Rauchen macht süchtig
 um die ruinierte Gesundheit von Rauchern oder          und krank zugleich. Raucher rauchen wegen des
 um das Geld, das Raucher zum Fenster rauswer-          Zusammenspiels von Nikotin, Biologie und Psy-
 fen. Doch das Thema Rauchen reicht weiter. Wer         chologie. Sie bezeichnen das Rauchen als wohltu-
 bekommt zum Beispiel das viele Geld? Einen Teil        end, obwohl es bekanntermaßen krank macht. Sie
 bekommt der Staat in Form von Steuern. Einen an-       sagen, sie rauchen gerne, möchten aber dennoch
 deren Teil, und das ist der Löwenanteil, bekommt       häufig mit dem Rauchen aufhören. Hier zeigt sich
 die Tabakindustrie, die die Zigaretten herstellt und   ein Zwiespalt, der typisch ist für eine Sucht: Wer
 vertreibt.                                             ihn löst, hört auf zu rauchen, und wer aufhört zu
                                                        rauchen, löst den Zwiespalt.
 Aus Sicht eines Unternehmers sind Zigaretten ein
 perfektes Produkt. Fragen wir einen Marketing-Ex-      Wo bleibt die Wahrheit?
 perten nach der Kundenbindung von Zigaretten,          In ihrer Werbung verschweigt die Tabakindust-
 wird er antworten: „Fast 100 Prozent.“ Denn die        rie die Wahrheit über das Rauchen: Wir sehen
 Kunden sind abhängig – sie können sich nur noch        junge, erfolgreiche, schöne Menschen anstelle
 mit dem Suchtstoff wohl fühlen. Wenn der Niko-         von Herzinfarkt-, Schlaganfall- und Lungenkrebs-
 tinpegel sinkt, verlangt der Raucher nach Nikotin      patienten. Die Tabakindustrie behauptet, es sei
 – eine Kettenreaktion beginnt. Über die Jahre und      die freie Entscheidung eines jeden zu rauchen.
 Jahrzehnte verbrennen Raucher oft Hunderttau-          Doch warum rauchen dann so viele Menschen,
 sende von Euro. Wer mit Suchtmitteln handelt,          obwohl sie lieber Nichtraucher wären? Die Ta-
 wird reich. Das ist nicht nur bei Kokain und Heroin    bakindustrie behauptet in ihrer Werbung, dass
 so. Auch legale Drogen sind ein riesiger Markt. Die    Rauchen entspannt, dass es zu einem interes-
 Tabakindustrie, ihre Händler und Werbeagenturen        santen Leben gehört und schöne Situationen
 streichen Milliarden mit einem Produkt ein, das        noch schöner macht. Doch all das scheint nur
 zugleich süchtig und krank macht. Und selbstver-       für Raucher zu gelten. Nichtraucher brauchen
 ständlich will die Tabakindustrie auch weiterhin mit   keine Zigaretten – weder in typischen Raucher-
 den Rauchern Geld verdienen!                           situationen noch um ein abwechslungsreiches
                                                        Leben zu führen. Würden sie an einer Zigarette
 Süchtige bringen Geld                                  ziehen, bekämen sie weiche Knie und es würde
 Die Tabakindustrie hat lange Zeit die Mechanismen      ihnen übel. Nichtraucher empfinden das Rau-
 der Nikotinabhängigkeit verschleiert. Mittlerweile     chen meist nur als störend.

                                                                                                       15
Die Tabakindustrie und ihre
B2 Warum und wie wirkt Werbung?

                 So führen Sie zum Thema hin
Kunden oder Opfer?                                  ten die Teilnehmer mit bekannten Marken oder
                                                    Produkten verbinden. Welche Automarke ist bei-
Zunächst fragen Sie die Teilnehmer Ihrer Gruppe     spielsweise sportlicher: BMW oder Opel? War-
nach Meinungen, ob Werbung auf sie eine Wir-        um? Oder wie schmeckt eine Marke wie Nutel-
kung hat. Zählen Sie die Ja- und die Nein-Antwor-   la im Vergleich zur Discount-Nussnugat-Creme?
ten. Jetzt sensibilisieren Sie die Teilnehmer der   Dann fragen Sie die Raucher in der Gruppe, wa-
Gruppe für Werbewirkung und Imagebildung. Die       rum sie ihre Zigarettenmarke rauchen. Welche
Teilnehmer haben möglicherweise schon Vorstel-      Eigenschaften verbinden die Raucher mit ihrer
lungen über Werbung und ihre Wirkung. Fragen        Marke? Geschmack? Genuss? Entspannung? Le-
Sie nach diesen Vorstellungen und sammeln Sie       bensfreude? Fallen dabei Muster auf? Sammeln
sie. Da jeder Erfahrung mit Werbung gemacht         Sie die Antworten über diese Images, ohne sie
hat, können Sie auch fragen, welche Eigenschaf-     zu bewerten.

                 Praxis und Selbsterfahrung
Verkaufen Sie!                                      das die Teilnehmer seine Kunden werden. Achten
                                                    Sie nun darauf, welche Argumente er beim Ver-
Bieten Sie Ihrer Gruppe ein Rollenspiel an: Ein     kaufen verwendet. Möglicherweise führt er die
Raucher aus der Gruppe wird zum Zigarettenver-      Gefühlsargumente der psychischen Abhängigkeit
käufer. Er soll die anderen davon überzeugen,       an („Rauchen entspannt“), oder er bemüht Mar-
seine Marke zu kaufen – und dabei Verstand und      ken-Images („Raucher dieser Marke sind aben-
Gefühl ansprechen. Der Verkäufer hat nun zwei       teuerlustig“). Notieren Sie die Verkaufsargumente
Aufgaben: Einerseits will er die Nichtraucher in    des Verkäufers als Grundlage für die Abschluss-
der Gruppe dazu bewegen, mit dem Rauchen            diskussion. Wiederholen Sie das Rollenspiel nun
anzufangen. Andererseits will er die Raucher in     mit weiteren Verkäufern, um zu prüfen, ob sich die
der Gruppe dazu bewegen, ihre Marke aufzuge-        „Kunden“ durch Wiederholungen der Argumente
ben und zu seiner Marke zu wechseln. Er will,       weichkochen lassen.

                 Diskussion
Wer lässt sich wie überzeugen?                      Raucher erwogen haben, die Marke zu wech-
                                                    seln? Haben Raucher möglicherweise ihre Marke
In der Abschlussdiskussion lassen Sie die Ver-      verteidigt? Mit welchen Argumenten? Hat sich
käufer zu Wort kommen. Welche Schwierigkei-         gezeigt, ob Raucher freie oder unfreie Kunden
ten hatten sie, ihr Produkt zu verkaufen? Auf       sind? Schließlich können Sie in der Diskussion
welche Widerstände sind sie bei ihren „Kunden“      ein Fazit ziehen: Fragen Sie erneut, ob Werbung
gestoßen? Worin unterscheiden sich die Reakti-      wirkt. Zählen Sie wieder die Ja- und Nein-Ant-
onen der Raucher von jenen der Nichtraucher?        worten. Besprechen Sie in der Runde, welche
Haben Nichtraucher möglicherweise gesagt, sie       Konsequenzen das Ergebnis für die Teilnehmer
brauchen Zigaretten grundsätzlich nicht, während    haben könnte.

16
Werbung

 So hält uns die Industrie bei der Stange
 Wie wirkt Werbung?                                      schönen Bildern. Sie zeigen schöne Menschen,
 Viele Menschen denken, Werbung wirke nicht auf          traumhafte Landschaften, erotische Situationen,
 sie. Sie sagen: „Ich weiß, wie Werbung funktio-         romantische Blicke, Abenteuer und Spaß. Durch an-
 niert, also wirkt sie nicht auf mich.“ Doch Vorsicht!   sprechende Bilder nehmen Menschen die versteck-
 So einfach ist es oft nicht. Manche Menschen kau-       te absurde Werbebotschaft ungeprüft über das Ge-
 fen süße Kokoskugeln, weil sie nicht so dick ma-        fühl auf, und der Verstand reagiert nicht so leicht mit
 chen sollen wie Schokolade: Werbewirkung! Man-          Widerspruch („Joghurt soll gesund sein?“).
 che Menschen kaufen Kleidung einer bestimmten
 Marke mit dem Gedanken, die Marke sei schick:           Werbung wirkt langfristig und kurzfristig
 Werbewirkung! Werbung wirkt also. Sie wirkt un-         Werbung wirkt auch durch Wiederholung und ihre
 abhängig davon, wie gebildet oder intelligent je-       Dauer: Je öfter man eine Werbung sieht oder hört,
 mand ist.                                               desto eingängiger wird die Werbebotschaft. Dar-
                                                         um finden sich dieselben Motive in den gleichen
 Der Kern von Werbung ist die Werbebotschaft.            Zeitschriften immer wieder. Wie beim Lernen
 Werbebotschaften sind zum Beispiel „Diese Auto-         in der Schule sind Wiederholungen nötig, damit
 marke ist besonders sicher“, „Dieser Joghurt hält       Menschen eine Werbebotschaft als Wahrheit ak-
 gesund“ oder „Kleider dieser Marke sind schick“.        zeptieren.
 Das Ziel von Werbung ist es, dass Menschen
 1. der Werbebotschaft begegnen,                         Werbung wirkt oft kurzfristig – und dann reagiert
 2. diese Werbebotschaft aufnehmen und akzep-            man sofort auf sie: Beispielsweise beim sponta-
    tieren,                                              nen Kauf an der Supermarktkasse. Auch wenn je-
 3. der Werbebotschaft folgen und das beworbene          mand nachts auf der Landstraße ein Schild sieht:
    Produkt kaufen.                                      „Doppelzimmer 40 Euro“ und eincheckt, ist das
                                                         kurzfristige Werbewirkung.
 Wenn Werbeleute Werbung machen, bringen sie
 die Werbebotschaft oft nicht wörtlich unter – meist     Werbung wirkt aber auch langfristig – und dann
 genügt es, die Aussage durch Bilder zu transpor-        kauft man später: Wenn jemand endlich einen
 tieren. So bringen Werbeleute die Werbebotschaft        Elektromarkt besucht, nachdem er zehn Mal die
 versteckt unter, hinter schönen Geschichten, lusti-     bunte Beilage in der Zeitung gesehen hat. Lang-
 gen Szenen oder anderen Bildern.                        fristige Werbung festigt auch Images oder Vorstel-
                                                         lungen über Marken und Produkte. Das ist dann
 Werbung wirkt auf Verstand und Gefühl                   der Fall, wenn jemand nach zehn Beilagen in der
 Mit Argumenten spricht Werbung den Verstand             Zeitung glaubt, der Elektromarkt sei besonders
 an – der Aquastopp der Waschmaschine, das Au-           günstig – obwohl der Elektromarkt das nur über
 toreifen-Testergebnis vom ADAC. Mit schönen             sich selbst behauptet.
 Stimmungen spricht Werbung das Gefühl an – der
 Rasierer für Gewinnertypen, die Zeitschrift für die     Besonders intensiv und langfristig wirkt Werbung,
 moderne Frau.                                           die auf das Gefühl zielt. Zuerst setzt ein Unterneh-
                                                         men einen Trend, meist eine absurde Aussage („Gu-
 Auf das Gefühl zielt Werbung auch dann, wenn es         te Sportschuhe haben eine bestimmte Anzahl von
 für ein Produkt keine sinnvollen Argumente gibt         Streifen“). Über Jahre hinweg festigt die Werbung
 oder wenn die Werbebotschaft absurd ist. Dann           diese Vorstellung. Und irgendwann kaufen Men-
 verstecken Werbeleute die Werbebotschaft hinter         schen vorwiegend Sportschuhe dieser Marke.

                                                                                                             17
Die Tabakindustrie und ihre
B3 Wie zementiert Zigarettenwerbung die psychische Abhängigkeit?

                 So führen Sie zum Thema hin
Wofür ist das Rauchen gut?                           Nichtraucher, ob sie diese Argumente nachvoll-
                                                     ziehen können. Bitte achten Sie darauf, dass es
Bitten Sie die rauchenden Teilnehmer Ihrer Grup-     nicht zu einer trennenden Gegenüberstellung
pe, die Vorteile des Rauchens zusammenzutra-         zweier Positionen kommt – die Raucher sollen
gen. Sie werden Antworten erhalten wie „Rau-         nicht „an den Pranger gestellt“ werden, denn
chen entspannt“, „Rauchen hilft beim Konzent-        wenn das geschieht, blocken Raucher innerlich
rieren“, „Rauchen gehört zum Feiern“, „Rauchen       meist ab. Fragen Sie die Nichtraucher nun, wie
ist gesellig“, „Rauchen hilft gegen Langeweile“,     sie sich entspannen und wie sie Feste feiern. Es
„Rauchen gehört zum Pausemachen“, „Ich rau-          wird sich vermutlich zeigen, dass Nichtraucher
che gerne“, „Zigaretten schmecken gut“. Sam-         in typischen Rauchersituationen weder rauchen
meln Sie diese Aussagen auf einer Tafel oder         wollen noch Zigaretten brauchen. Nichtraucher
pinnen Sie sie an die Wand. Fragen Sie nun die       sind unabhängig.

                 Praxis und Selbsterfahrung
Eine Reise ins Reich der Reklame                     tieren Sie, wie die Werbsprüche das Image der
                                                     Marken oder Produkte beeinflussen. Bitten Sie
Bitten Sie die Teilnehmer, sich an Werbesprüche      die Teilnehmer nun, sich an Tabakwerbung zu
zu erinnern. Sammeln Sie die Sprüche an der          erinnern, und notieren Sie stichwortartig, was
Wand. Suchen Sie nicht nur nach Werbesprüchen        Werbeplakate und Kinospots darstellen. Fragen
für Tabakprodukte, sondern auch für Lebensmittel,    Sie nun: Inwiefern fühlen sich die Teilnehmer
Waschmittel, Autos etc. Eine Sammlung von Wer-       durch die Werbung angesprochen? Wie wirkt
besprüchen für unterschiedliche Produkte finden      die Werbung auf Raucher, wie auf Nichtraucher?
Sie in Anhang 3. Ordnen Sie die Werbesprüche         Wie, meinen die Teilnehmer, wirkt die Werbung
bestimmten Marken und Produkten zu. Disku-           auf Jugendliche?

                 Diskussion
Kritisch sein!                                       der Realität überein? Welche Rechtfertigungen
                                                     fürs Rauchen bietet die Werbung? Wie beurteilen
Welche Produkte bieten den Kunden kaum Vor-          Nichtraucher die Zigarettenwerbung? Wie blicken
teile, aber dafür ein gutes Image? Wie beeinflusst   die Raucher Ihrer Gruppe jetzt auf die gesammel-
Werbung also das Image eines Produktes? Die          ten Vorteile des Rauchens? Sind diese Vorteile des
Verknüpfung mehrerer Dinge, die nichts mitein-       Rauchens nun etwas fragwürdiger geworden?
ander zu tun haben, findet sich also nicht nur bei   Sensibilisieren Sie die Teilnehmer Ihrer Gruppe,
Zigarettenwerbung, sondern auch bei Werbung für      künftig vermehrt auf Werbung zu achten und sie
andere Produkte. Nun zu den Zigaretten: Welche       zu untersuchen. Regen Sie bei den Rauchern an,
Images werden den unterschiedlichen Zigaretten-      dass sie künftig kritisch auf Tabakwerbung reagie-
marken angedichtet? Stimmen diese Images mit         ren und sie hinterfragen.

18
Werbung

 Lügen, Legenden, Selbstbetrug
 Werbung konditioniert uns                               tun haben, und die Konsumenten übernehmen
 Die Werbung verknüpft Dinge, die nichts miteinan-       diese Verknüpfungen. An sich ist eine Zigarette
 der zu tun haben. Zu einem x-beliebigen Produkt         nur ein Röllchen aus getrocknetem Kraut, das
 dichtet die Werbung noch etwas hinzu. Das kann          beim Verbrennen etwa 4000 giftige Chemikalien
 sie einfach tun, auch wenn es nicht die Wahrheit        freisetzt.
 ist. Je öfter sie das tut, desto weniger hinterfragen
 Verbraucher diese Verknüpfungen. In der Folge           Wo bleibt die Wahrheit?
 verknüpfen auch die Verbraucher Dinge, die nichts       Natürlich wirbt die Tabakindustrie nicht mit der
 miteinander zu tun haben, und pflegen Legenden.         Wahrheit des Rauchens. Die Wahrheit des Rau-
 Zum Beispiel:                                           chens ist:

 n   einen Joghurt und Gesundheitsbewusstsein,           n   Rauchen macht krank und tötet.
 n   eine Automarke und Sportlichkeit,                   n   Rauchen macht impotent.
 n   eine Kleidungsmarke und Selbstbewusstsein.          n   Rauchen schadet Babys bereits im Mutterleib.
                                                         n   Raucher stinken.
 Grundlage für diese Verknüpfungen sind die so           n   Raucher haben ohne Zigaretten Stress.
 genannten Pawlowschen Konditionierungen. Der            n   Rauchen ist eine Sucht und eine Geldfalle.
 russische Verhaltensforscher Iwan Petrowitsch
 Pawlow (1849-1936) betätigte eine Klingel, bevor        Weil das Rauchen so schädlich ist, gibt es für das
 er seine Hunde fütterte. Und irgendwann began-          Rauchen keine sinnvollen Argumente. Darum zielt
 nen die Hunde schon beim Klingeln zu sabbern,           die Tabakwerbung nicht auf unseren Verstand,
 ohne dass es etwas zu fressen gab! Die Hunde            sondern auf unser Gefühl. Auf diesem Weg kann
 hatten zwei Dinge verknüpft, die nichts miteinan-       die Tabakindustrie dem Rauchen Eigenschaften
 der zu tun hatten: ein Geräusch und Appetit. Die        andichten, die es nicht hat. Mit der Zeit werden
 Hunde glaubten an einen absurden Zusammen-              wir konditioniert. Und was verbinden Raucher mit
 hang, an eine Lüge. Sie waren konditioniert.            dem Rauchen? Sie verbinden genau das mit dem
                                                         Rauchen, was die Tabakindustrie in ihrer Werbung
 Auch Menschen lassen sich konditionieren. Auch          über das Rauchen behauptet:
 Menschen glauben an Lügen. Doch im Unterschied
 zu Hunden können Menschen gelernte Konditio-            n   Rauchen entspannt und hilft gegen Stress.
 nierungen verstehen, sie ablegen und sich von den       n   Rauchen gehört zum Pausemachen.
 Lügen befreien.                                         n   Rauchen gehört zum Arbeiten und zum Kreativ-
                                                             sein.
 Wie ist das beim Rauchen? Auch hier verknüpft           n   Rauchen gehört zum Kaffee.
 die Werbung Dinge, die nichts miteinander zu            n   Raucher sehen jung und gut aus.

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Die Tabakindustrie und ihre
B4 Welches Selbstbild haben Raucher?

                So führen Sie zum Thema hin
Wer denkt was über wen?                               die Teilnehmer, ihre Vorstellungen über Raucher
                                                      und Nichtraucher zu nennen. Sammeln Sie die An-
Bitten Sie die Teilnehmer der Gruppe, sich in die     regungen an der Wand. Lassen Sie beim Brainstor-
Gruppe der Raucher beziehungsweise Nichtrau-          ming auch extreme Ideen, Träume und offenkundi-
cher einzuordnen. Haben Sie Ex-Raucher in der         ge Lügen zu. Bitten Sie die Teilnehmer außerdem
Gruppe, so können sich diese Ex-Raucher einord-       zu nennen, welches Bild die Tabakwerbung über
nen, wo sie wollen, und sie dürfen von vornherein     Raucher und Nichtraucher vermittelt. Bitten Sie
die Seite wechseln. Der Vorteil der Ex-Raucher: Sie   dann die Raucher zu prüfen, ob die Bilder über sie
kennen beide Seiten sehr gut und können beide         zutreffen. Bitten Sie die Nichtraucher zu prüfen, ob
Seiten verstehen und vertreten. Bitten Sie dann       ihrerseits die Bilder über sie zutreffen.

                Praxis und Selbsterfahrung
Tauschen wir doch mal                                 Seite zu wechseln. Die Raucher versetzen sich in
                                                      die Position der Nichtraucher, und die Nichtrau-
Sie haben alle Vorstellungen der Gruppen über-        cher versetzen sich in die Position der Raucher.
einander gesammelt. Sie haben die Aussagen            Die Nichtraucher sollen rauchen, und die Raucher
gesammelt, die die Tabakwerbung über Raucher          dürfen nicht rauchen. Die Reaktion beider Seiten
und Nichtraucher trifft. Fragen Sie nun zunächst      wird vermutlich Ablehnung sein. Bitten Sie die
die Nichtraucher, was sie unter Suchtverhalten        Teilnehmer, ihre Gefühle zu beschreiben. Sagt ein
verstehen und wie sie es einschätzen. Stellen Sie     Raucher, er könne auf seine Zigaretten verzichten,
die gleiche Frage den Rauchern. Nun ein gedank-       dann bitten Sie ihn, das eine Weile zur Selbster-
liches Experiment: Bitten Sie die Teilnehmer, die     fahrung zu tun.

                Diskussion
Reden über Angst und Stress                           entspannend, weil die Nikotin-Zufuhr kurzfristig
                                                      den Stress beseitigt, den das Rauchen langfris-
Fragen Sie nach dem Rollentausch die Nichtrau-        tig in den Rauchern erzeugt. Sie können auch
cher, ob sie die vermutlich ablehnende Reaktion       auf den Gedanken des Drängens eingehen: Wird
der Raucher auf den Rollentausch verstehen. Au-       ein Raucher gedrängt aufzuhören, empfindet er
ßerdem können Sie auf die Sorgen der Raucher          Stress und wird noch viel eher an den Zigaretten
noch weiter eingehen: Wovor haben die Raucher         festhalten. Weisen Sie darauf hin, dass Nichtrau-
Angst? Vermutlich davor, dass sie Stress ohne         cher – und auch Ex-Raucher – diesen für Raucher
Zigaretten haben werden. Sie können hier den          typischen Stress nicht haben. Es wird für die
Stress-Mechanismus des Rauchens beleuchten:           Raucher herrlich sein, endlich nicht mehr rauchen
Raucher empfinden das Rauchen deswegen als            zu müssen.

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