Rauchen oder nicht rauchen ? - Leitfaden für Gruppen Praxishilfe
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Praxishilfe Leitfaden für Gruppen Rauchen oder nicht rauchen ?
Herausgegeben vom BKK Bundesverband Kronprinzenstraße 6, 45128 Essen www.bkk.de Autoren: Thilo Baum M.A., Dr. med. Stefan Frädrich Redaktion: Walter Farke, Bettina Prothmann, Margot Wehmhöner Gestaltung: Typografischer Betrieb Lehmann GmbH, Essen Druck: N.N. ??? „BKK“ und das BKK Logo sind registrierte Schutzmarken des BKK Bundesverbandes Stand: März 2008
Vorwort Raucher oder Nichtraucher? Sicher haben Sie schon Viele heutige Nichtraucher haben früher geraucht. einmal erlebt, welch heftige Reaktionen dieses The- Umgekehrt war jeder Raucher früher einmal Nicht- ma auslösen kann. Nichtraucher fühlen sich durch raucher. Denn bevor wir mit dem Rauchen anfan- das Rauchen oft belästigt oder machen sich um die gen, sind wir alle Nichtraucher. Meist wollen wir Raucher Sorgen. Die Raucher wiederum wissen als Jugendliche zu Rauchern werden. Jugendliche selbst, dass das Rauchen nicht gesund ist. Doch halten die Zigaretten gerne für ein Symbol des sie wollen sich nicht bevormunden und sich nichts Erwachsenseins und müssen zunächst hart dafür wegnehmen lassen. Also gehen sie Diskussionen trainieren, dass sie den Zigarettenrauch überhaupt oft aus dem Weg. Und weil keiner Streit will – gerade einatmen können. Wenn sie das endlich geschafft in Gruppen –, wird lieber geschwiegen als konstruk- haben, rauchen sie in der Regel jahrelang weiter, tiv geredet. Das ist sehr schade. bis sie sich dazu entscheiden, wieder zu Nichtrau- chern zu werden. Diese Entscheidung sollte be- Mit diesem Leitfaden möchten wir es Ihnen und wusst und freiwillig sein. Und je mehr wir übers Ihrer Gruppe so leicht wie möglich machen, übers Rauchen wissen und je respektvoller man mit uns (Nicht)rauchen zu sprechen. Denn Raucher rauchen umgeht, desto leichter wird uns die Entscheidung nicht aus Unachtsamkeit, Leichtsinn oder weil sie fallen. Dann kann wirklich jeder Raucher wieder einen Fehler hätten, sondern aus ganz anderen Nichtraucher werden. Gründen, die Sie in Ihrer Gruppe nun erarbeiten können – seien Sie gespannt! Um den Text übrigens einfach und lesbar zu halten, verwenden wir im gesamten Manual meist das Dieser Leitfaden richtet sich aber nicht nur an Rau- grammatikalisch männliche Geschlecht. Selbst- cher. Er richtet sich auch an Nichtraucher. In vielen verständlich wollen wir damit Frauen und Männer Übungen der Selbsterfahrung sind die Ansichten gleichberechtigt ansprechen. der Nichtraucher wichtig. Außerdem wollen wir mit diesem Leitfaden anregen, mehr Verständnis für- Ihre Gruppe will eines der wichtigsten Themen un- einander zu entwickeln. Wenn Raucher und Nicht- serer Zeit besprechen. Wir wünschen Ihnen dabei raucher offen und freundlich miteinander umgehen viel Verständnis und Wohlwollen. Und auch immer und die Zusammenhänge des Rauchens verstehen eine gute Portion Neugier, Offenheit und Begeiste- wollen, hat Ihre Gruppe mit diesem Leitfaden eine rung an der Sache. Viel Spaß und Erfolg! echte Chance auf neue Erkenntnisse und Erfah- rungen. Ihre Autoren
Inhalt Impressum 2 Vorwort 3 Wie dieser Leitfaden funktioniert 5 A Die Biologie und die Psychologie A1 Warum rauchen wir eigentlich? 6 A2 Ist Rauchen eine Sucht? 8 A3 Wie wirkt Nikotin? 10 A4 In welchen Situationen rauchen wir? 12 B Die Tabakindustrie und ihre Werbung B1 Wie verfolgt die Tabakindustrie ihre Ziele? 14 B2 Warum und wie wirkt Werbung? 16 B3 Wie zementiert Zigarettenwerbung die psychische Abhängigkeit? 18 B4 Welches Selbstbild haben Raucher? 20 C Motivation: Die Macht von Entscheidungen C1 Wie erreicht man mit Leichtigkeit Erfolge? 22 C2 Was geschieht beim Nikotin-Entzug? 24 C3 Warum muss Ex-Rauchern gar nichts fehlen? 26 C4 Was bringt das Nichtrauchen? 28 Erfahrungen und Ergebnisse Ein tolles Ergebnis: Die Arbeit mit dem Leitfaden 30 Fragen und Antworten Die am häufigsten gestellten Fragen zum Thema Tabakentwöhnung 32 Anhang Anhang 1 Themenübersicht 36 Anhang 2 Rauchen und Gesundheit 37 Anhang 3 Beispiele für Werbeslogans 40 Anhang 4 So war's bei mir. Erfolge mit dem Ausstieg 41 Anhang 5 Ein kurzer Selbsttest. „Sollte ich mit dem Rauchen aufhören?” 42 Anhang 6 Check It! Teste Dein Wissen zum Rauchen. 44 Adressen, Buchtipps, Links Beratung zur Tabakentwöhnung 46 Weitere Informationen zum Rauchen 47 Broschüren zum Bestellen und Herunterladen 48 Buchtipps 50 Notizen 51
Wie dieser Leitfaden funktioniert Dieser Leitfaden will Ihnen und Ihrer Gruppe einen dustrie und ihre Werbung“ (Themenblock B) und möglichst einfachen Zugang zum Thema „Rau- schließlich „Motivation: Die Macht von Entschei- chen“ ermöglichen. Er richtet sich zunächst an die dungen“ (Themenblock C). Jeder Teil bietet Ihnen Person, die eine Gruppe leitet – den Moderator. vier Möglichkeiten, sich mit dem jeweiligen Thema Der Moderator kann dem Leitfaden viele wichtige auseinanderzusetzen – in der Reihenfolge, die Sie Informationen übers Rauchen entnehmen und so wünschen. Wo Sie beginnen – ob etwa mit einem die Gruppe in den Sitzungen begleiten. Der Leitfa- Kapitel zur Werbewirkung in Block B oder mit ei- den gibt dem Moderator und den Gruppenteilneh- nem Kapitel zur Motivation in Block C – entschei- mern zugleich die Freiheit, sich dem Thema so zu den Sie und Ihre Gruppe. nähern, dass es Spaß macht. Die Kapitel selbst haben die gleiche, schnell zu er- Im Inhaltsverzeichnis finden Sie drei Themenblöcke, kennende Struktur. Jedes Kapitel nimmt den Platz die jeweils in vier Kapitel unterteilt sind. Die Reihen- einer Doppelseite ein. Jede Doppelseite ist im We- folge der Themenblöcke und Kapitel dient lediglich sentlichen gleich aufgebaut. Auf der linken Seite A1 B1 C1 A2 A A3 B2 B B3 C2 C C3 A4 B4 C4 der besseren Übersicht – sie gliedert zusammen finden Sie drei Texte, die Sie durch die jeweilige gehörende Inhalte am besten. Für den Verlauf Ihrer Sitzung leiten: Sitzungen ist diese Reihenfolge nicht bedeutsam. Dieser Leitfaden ist vielmehr so angelegt, dass Sie n „So führen Sie zum Thema hin“: Damit starten mit jedem Kapitel beginnen können, das Ihnen oder Sie die Sitzung. der Gruppe gefällt. Von jedem Kapitel aus können Sie n „Praxis und Selbsterfahrung“: Hier könen die beliebig mit jedem der anderen Kapitel fortfahren. Teilnehmer Ihrer Gruppe die Inhalte des jewei- Keines der Kapitel ist Voraussetzung für ein anderes. ligen Kapitels ausprobieren. n „Diskussion“: Damit können Sie ein Fazit zie- Bitte stellen Sie sich die Struktur dieses Leitfadens hen und die Sitzung abschließen. wie drei Kreuze vor (siehe Abbildung). In Anhang 1 finden Sie eine Stichwort-Übersicht der Themen- Neben diesen Hilfestellungen für Ihre Moderation blöcke – so können Sie sich leichter ein Bild von findet sich der Kern der Kapitel jeweils auf der den einzelnen Kapiteln machen. rechten Seite. Dort steht ein längerer Text, der Ihnen die Hintergründe des Themas erklärt und Jedes Kreuz bündelt ein Thema: „Die Biologie und Ihnen die wesentlichen Fakten und Argumente die Psychologie“ (Themenblock A), „Die Tabakin- liefert.
Die Biologie und die Psycho A1 Warum rauchen wir eigentlich? So führen Sie zum Thema hin Echte Raucher-Typen „Rauchen ist irgendwie etwas Besonderes“, „Nichtraucher sind langweilig“. Die Nichtraucher Bitten Sie die Teilnehmer Ihrer Gruppe, sich Grün- in Ihrer Gruppe werden möglicherweise antwor- de fürs Rauchen zu überlegen. Warum rauchen ten: „Das Rauchen muss eine tolle Sache für die Raucher eigentlich? Fragen Sie sowohl die Raucher Raucher sein, aber selbst bleibe ich lieber Nicht- als auch die Nichtraucher. Dann sammeln Sie die raucher.“ Fragen Sie die Raucher in Ihrer Gruppe, Antworten und schreiben sie auf eine Tafel oder ob sie hundertprozentig Raucher bleiben wollen. auf kleine Zettel, die Sie nun an die Wand pinnen Möglicherweise sagen einige, dass sie hin- und oder kleben. Die Raucher werden möglicherwei- hergerissen sind. Eine Stimme sagt: „Ich rauche se sagen: „Ich habe schon immer geraucht“, „Ich so gern“, und die andere sagt: „Ich sollte aufhö- bin Genussmensch“, „Rauchen gehört zu meinem ren.“ Das ist die für Raucher typische Zweiteilung Leben“, „Rauchen ist ein entspannendes Ritual“, im Kopf. Praxis und Selbsterfahrung Pro und Contra Raucher werden wollten – vermutlich werden sie keine Vorteile vermissen. Dann fragen Sie die Rau- Welche Vorteile hat das Rauchen? Welche Nachtei- cher, ob sie wegen der Vorteile des Nichtrauchens le hat das Rauchen? Welche Vorteile hat das Nicht- und wegen der Nachteile des Rauchens nicht lieber rauchen? Welche Nachteile hat das Nichtrauchen? Nichtraucher werden wollten – vermutlich sehnen Zeichnen Sie ein Kreuz an die Wand und ordnen Sie sich einige nach den Vorteilen des Nichtrauchens. jedem der vier Fragen ein Feld zu (siehe Grafik unten Möglicherweise zeigt sich in der Diskussion, dass rechts). Dann bitten Sie die Teilnehmer Ihrer Gruppe, nur Raucher das Rauchen als vorteilhaft empfinden. die Felder auszufüllen. Fragen Sie die Nichtraucher, Denn nur Raucher empfinden es als wohltuend, ob sie wegen der genannten Vorteile des Rauchens kurzfristig ihren Nikotinpegel zu heben. Diskussion Entweder oder aber auf damit.“ Trotzdem zündet sich der Raucher bald wieder eine Zigarette an. Manch einer fragt Bei vielen Dingen im Leben sind Menschen un- sich schon nach wenigen Zügen: „War diese Ziga- entschlossen: Soll man das neue Sofa kaufen oder rette jetzt nötig?“ Das Phänomen ist einfach zu er- nicht? Soll man die Wohnung wechseln oder nicht? klären, denn am Morgen spürt man zunächst noch Nun wägt man Vor- und Nachteile ab und gelangt zu die Nachwirkungen des Nikotins (Kopfschmerzen, einer definitiven Entscheidung. Viele Raucher hin- Schwindel, Übelkeit), und der Raucher will aufhö- gegen haben seit Jahren oder gar Jahrzehnten die ren (erste Stimme). Dann aber lässt die Giftwirkung Zweiteilung im Kopf zwischen „Ich bin und bleibe nach, und der Raucher will wieder rauchen (zweite Raucher“ und „Ich sollte aufhören“. Fragen Sie Ihre Stimme), weil sein Nikotinspiegel zu niedrig ist. Nun Gruppe, woran das liegen könnte. Zum Beispiel am raucht der Raucher eine Zigarette, sättigt seinen Ni- Morgen nach einer langen Party, wo viel geraucht kotinbedarf – und fragt sich, ob das denn nun nötig wurde, sagt sich mancher Raucher: „Jetzt hörst du war (erste Stimme). Ein sinnloses Hin und Her.
ologie Eine Reise ins Land der Widersprüche So viel giftiger Rauch eine Dosis giftiges Nikotin zugeführt, und die In Deutschland rauchen etwa 20 Millionen Men- Nerven gewöhnen sich daran. Sobald der Pegel schen. Die erste Zigarette rauchen Kinder mittler- nach dem Rauchen aber wieder sinkt, fehlt dem weile schon mit 13,6 Jahren (Quelle: Bundeszen- Raucher nun Nikotin! Erst die nächste Zigarette trale für gesundheitliche Aufklärung). Jeder zweite sorgt für Nikotinnachschub, und das scheint gut Raucher wird vom Rauchen schwer krank, und zu tun. Der Raucher fühlt sich also unwohl, wenn jeder vierte stirbt sogar daran. Jedes Jahr ster- ihm Nikotin fehlt, und fühlt sich wohl, wenn er ben bei uns mehr als 110.000 Menschen an den Nikotin nachfüllt. Ein sinnloses biologisches Auf Folgen der Zigarettensucht. Das sind jeden Tag und Ab, denn als Nichtraucher fehlt einem gar etwa 300 Tote (Quelle: Haustein). Es drängt sich nichts. eine wichtige Frage auf: Warum rauchen Raucher eigentlich? Der Raucher verknüpft nun die Zigaretten mit lau- ter Alltagssituationen wie Kaffeetrinken, Telefonie- Engelchen und Teufelchen ren oder Autofahren und übt die Verknüpfungen Kaum eine Verhaltensweise erscheint so wider- über viele Jahre ein. Bald erinnert er sich ständig sprüchlich wie das Rauchen. Einerseits wissen Rau- ans Rauchen und greift ganz automatisch zur Ziga- cher, dass das Rauchen nicht gut tut, ein Vermögen rette – vor allem, wenn der Nikotinpegel niedrig ist kostet und lästig ist. Andererseits erscheinen einige oder die Situation gut zu passen scheint. Der inne- Zigaretten so wertvoll, dass ein Leben ohne sie un- re Teufel sagt dann: „Rauch eine!“ Und hinterher denkbar erscheint. Viele Raucher schwanken inner- meldet sich der innere Engel wieder: „Hör endlich lich hin und her. Einerseits wissen sie, dass ihnen damit auf, du bringst dich um!“ Dass der Engel das Rauchen nichts bringt. Andererseits scheint nicht gewinnt, liegt an den angeblich guten Grün- es manchmal so schön zu entspannen. Einerseits den für das widersprüchliche Verhalten: Lebens- wissen sie, dass Rauchen eine alte Haut und gelbe freude, Entspannung oder Attraktivität – Rauchen Zähne macht. Doch andererseits fühlt man sich mit soll eine tolle Sache sein. Und wenn der Raucher Zigarette manchmal so sicher und attraktiv. War- versucht, das Rauchen aufzuhören, tyrannisiert ihn um nur dieses Hin und Her? Der Raucher scheinen der Teufel so lange, bis bald die nächste Zigaret- zwei Stimmen im Kopf zu haben – wie Engelchen te im Mund steckt. Aufhören? Vielleicht nächstes und Teufelchen. Die eine Stimme rät ständig, das Jahr. Rauchen aufzuhören, und die andere Stimme rät ständig, weiterzurauchen. Dabei kann jeder Raucher wieder zum Nichtrau- cher werden – schließlich schaffen das jedes Biologie und Psychologie Jahr viele Millionen Menschen. Und es hilft, Wie funktioniert das Rauchen eigentlich? Mit den wenn man weiß, wie das Rauchen wirklich Zigaretten bekommt der Körper immer wieder funktioniert. Vorteile Vorteile Rauchen Nichtrauchen Nachteile Nachteile Rauchen Nichtrauchen
Die Biologie und die Psycho A2 Ist Rauchen eine Sucht? So führen Sie zum Thema hin Starke Verführer was alle diese Beispiele gemeinsam haben. Was ist es, was eine Sucht ausmacht? Alle Süchte, gleich Fragen Sie die Teilnehmer, welche Süchte sie ken- ob körperlich oder psychisch, haben ein Merkmal: nen, und sammeln Sie deren Namen. Denkbar sind Sobald der Abhängige kurz gesättigt ist, kommt körperliche Süchte wie die Abhängigkeit von He- das Bedürfnis nach seinem Suchtmittel schon bald roin, Kokain, Morphium, von Medikamenten wie wieder. Außerdem haben alle Süchte einen Ge- Beruhigungs- oder Schlafmitteln, von Haschisch, wöhnungsmechanismus: Anfänger bedienen sich Marihuana, LSD, Alkohol und Nikotin – aber auch des Suchtmittels erst vorsichtig und selten, dann psychische Süchte wie Spiel-, Sex- oder Arbeits- immer häufiger. Schließlich kann sich der Süchtige sucht. Fragen Sie die Mitglieder Ihrer Gruppe nun, ohne sein Suchtmittel nicht mehr „normal” fühlen. Praxis und Selbsterfahrung Sucht oder Angewohnheit? sie würden weiterrauchen wollen. Fragen Sie nun diese Raucher, was sie für ihr Leben gern essen, Ist Rauchen eine Sucht – oder nur eine Angewohn- und dann machen Sie den gleichen Vorschlag: Sie heit wie Pizza essen? Fragen Sie Ihre Gruppenmit- servieren den Rauchern bis zum Lebensende kos- glieder. Möglicherweise vertreten mehr Raucher tenlos jeden Tag drei Portionen ihres Leibgerichts als Nichtraucher die Meinung, Rauchen sei eine – wer würde das wollen? Vermutlich niemand. So Angewohnheit. Ein Hinweis darauf, dass Raucher haben Sie den Unterschied zwischen Sucht und ihre eigene Situation anders sehen als Nichtrau- Angewohnheit hergeleitet: Nach drei Tagen Lieb- cher. Nun machen Sie ein Gedanken-Experiment: lingsessen ist das Lieblingsessen kein Lieblingses- Angenommen, Rauchen mache nicht krank und sen mehr – denn man hat schnell genug davon. führe nicht zum Tod, Raucher würden nicht stinken, Ein Süchtiger hingegen hat von seinem Suchtstoff Rauchen würde nichts kosten – würden die Rau- nie genug: Die Raucher wollen weiterhin Zigaret- cher dann weiterrauchen oder aufhören wollen? ten haben, weil ihnen ohne die Zigaretten etwas Die meisten Raucher werden vermutlich sagen, zu fehlen scheint. Diskussion Wer (b)raucht Tabak? Gruppe, ob sie ohne Tabak auskommen würden. Viele werden möglicherweise sagen, sie würden Was brauchen Menschen? Menschen brauchen es schaffen, aber wollten es nicht probieren. Oder Wasser, Nahrung, ein Dach über dem Kopf. Das sie sagen, sie hätten schon einmal aufgehört und sind die Grundbedürfnisse des Menschen. Darüber könnten daher beruhigt weiterrauchen. Fragen Sie, hinaus gibt es Dinge, die wir zwar nicht brauchen, wer von diesen Rauchern noch nie Panik hatte, weil aber die wir uns ab und zu mit Genuss gönnen – wie die Zigarettenschachtel leer war. Sind die Raucher Restaurantbesuche, Urlaube oder teure Klamot- ehrlich, wird jeder das schon erlebt haben. Ein Zei- ten. Aber wo endet der Luxus, und wo beginnt eine chen dafür, dass Rauchen kein Luxus ist, sondern Sucht? Dort, wo der Mensch ohne sein Extra nicht eine Sucht. Fazit: Es ist leichter, auf einen Luxus zu mehr klarkommt! Fragen Sie die Raucher in Ihrer verzichten als auf einen Suchtstoff.
ologie Unabhängig ist, wer nicht von etwas abhängig ist Was ist eine Drogensucht? es zu Entzugserscheinungen. Ohne Droge fehlt Manche Raucher denken, Rauchen sei nur eine ihm etwas. Der Süchtige ist auf den Suchtstoff dumme Angewohnheit. Das ist falsch, denn Rau- angewiesen. Er ist abhängig. Das Gegenteil von chen ist eine Sucht. Was aber ist eine Sucht? Um „abhängig“ ist „unabhängig“: Wer nicht süchtig die Mechanismen besonders deutlich zu erklären, ist, braucht keinen Suchtstoff. betrachten wir nun ein sehr drastisches Beispiel: Heroin. Die Droge Nikotin Ist Nikotin auch eine Droge? Natürlich! Bevor man Nach den ersten paar Heroinspritzen erlebt der mit dem Rauchen anfängt, braucht man kein Niko- Süchtige eine Art Rausch. Je öfter er Heroin spritzt, tin, um sich gut zu fühlen. Und wenn man mit dem desto mehr gewöhnen sich seine Nerven daran, Rauchen wieder aufhört, auch nicht. Nur als Rau- und der Rausch wird immer schwächer. Sobald der cher braucht man ständig Nikotin. Raucher werden Körper aber das Heroin nach einer Spritze wieder nervös, wenn sie keine Zigaretten haben. abbaut, zeigen die Nerven des Heroinsüchtigen, dass ihnen etwas fehlt. Er bekommt körperliche Um ein Raucher zu werden, muss man das und psychische Entzugserscheinungen wie Übel- Rauchen intensiv üben – die Nikotin-Dosis ist keit und Schmerzen oder Depressionen und Angst. zunächst noch zu stark. Mit der Zeit gewöhnt Diese Entzugserscheinungen verschwinden wie- man sich ans Rauchen und integriert es in den der mit der nächsten Spritze. Der Fixer spritzt sich Tagesablauf: Man raucht nach dem Essen, beim das Heroin also bald nicht mehr, weil es ihm mit Fernsehen oder während man sich mit jemandem dem Heroin so gut geht, sondern weil ihm ohne unterhält. Im Laufe der Jahre steigt der Zigaret- Heroin etwas fehlt. Er muss sich Heroin spritzen, tenkonsum in der Regel an – man braucht also damit er sich einigermaßen normal fühlen kann. eine immer höhere Dosis. Weil man das Rauchen nun in seinen Tagesablauf integriert hat und der Bei jeder Sucht laufen gleiche Mechanismen ab. Körper immer Nikotin verlangt, bekommt man Zunächst wird der Drogenkonsum zur Gewohnheit sofort ein schlechtes Gefühl, wenn man keine oder gar zum Ritual, und der Körper gewöhnt sich Zigaretten hat oder nicht rauchen darf. Ohne die an die süchtig machende Substanz. Doch schon Droge scheint dem Raucher nun etwas Wichti- bald scheint der Süchtige mit dem Konsum nicht ges zu fehlen. Er spürt eine seltsame Leere in mehr aufhören zu können: Er braucht seine Droge der Brust und wird innerlich unruhig. Das sind immer häufiger und in einer immer höheren Dosis. die Entzugserscheinungen! Erst die nächste Zi- Und von Zeit zu Zeit überfällt ihn ein regelrechter garette füllt die Leere in der Brust kurzzeitig und Zwang, den Suchtstoff zu konsumieren – teilwei- beseitigt die Unruhe. Raucher können sich nur se bis zum totalen Kontrollverlust. Und wenn er mit Zigaretten normal fühlen. Traurig, aber wahr: die Droge mal reduziert oder gar absetzt, kommt Das Rauchen ist eine echte Sucht. rette rette rette rette rette rette Nikotinpegel Ziga Ziga Ziga Ziga Ziga Ziga rste Die e Zeit
Die Biologie und die Psycho A3 Wie wirkt Nikotin? So führen Sie zum Thema hin Was wissen Sie? kotinabhängigen verleiht es dagegen kurzzeitig ein angenehmes Gefühl. Nikotin ist benannt nach dem Es steht auf jeder Zigarettenschachtel: „Nikotin“ französischen Diplomaten J. Nicot (1530 -1600), der – dazu eine Milligramm-Angabe. Fragen Sie die Teil- den Tabak nach Frankreich brachte. Bitten Sie Ihre nehmer Ihrer Gruppe, was sie über Nikotin wissen. Teilnehmer, mögliche Wirkungsweisen des Niko- Bei der Frage, ob Rauchen eine Sucht sei, spielt das tins zu sammeln. Wie wirkt Nikotin? Sammeln Sie Nikotin eine zentrale Rolle, denn es ist der Haupt- die Antworten an der Wand. Ziel ist, die Teilnehmer wirkstoff und das Suchtmittel der Tabakpflanze. Ihrer Gruppe dafür zu sensibilisieren, dass Nikotin Bei nicht abhängigen Menschen bewirkt Nikotin der zentrale Wirkstoff beim Rauchen ist und zu- meist Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel. Ni- gleich spürbare Giftwirkungen entfaltet. Praxis und Selbsterfahrung Geschmack und Stärke neszellen haben – um herauszufinden, wie Ziga- rettenrauch schmeckt, muss man ihn also nicht Bitten Sie die Raucher aus Ihrer Gruppe, ihre in die Lunge ziehen. Doch wie schmeckt Rauch Zigarettenmarken vorzustellen. Notieren Sie an im Mundraum und in der Nase? Möglicherweise der Wand, wer welche Marke raucht und ob es können sich Raucher daran erinnern, dass nicht eine mildere oder stärkere Marke ist (Nikotinwert inhalierter Zigarettenrauch fad schmeckt. Bitten unter 0,6 mg = mild, 0,6 bis 1,0 mg = mittel, Sie die Raucher, beim nächsten Rauchen nicht ab 1,0 mg = stark). Fragen Sie die Raucher, wie gleich zu inhalieren, sondern zu paffen und dabei Rauchen „schmeckt“. Vermutlich erhalten Sie auf den angeblichen „Geschmack“ zu achten. Antworten wie „stark“, „leicht“, „würzig“ oder Könnte es sein, dass die Raucher die nervliche „gut“. Machen Sie nun deutlich, dass Menschen Wirkung des Nikotins mit „Geschmack“ ver- in der Lunge keine Geschmacks- und Geruchssin- wechseln? Diskussion Wer redet uns was ein? die Nikotinwirkung mit dem „Geschmack“? Wo ha- ben die Teilnehmer Ihrer Gruppe – auch die Nichtrau- Wie kommt das: Millionen von Rauchern sprechen cher – gehört, dass Zigaretten „schmecken“? Wer von „Geschmack“. „Diese Zigarette schmeckt hat das gesagt? Eine Quelle für die Legende des schwächer, jene stärker“. Wer über mehrere Stun- „Geschmacks“ ist die Tabakindustrie mit ihrer Wer- den nicht geraucht hat, etwa nach dem Kino, dem bung – bitten Sie die Teilnehmer, bei Tabakwerbung „schmeckt“ eine Zigarette ein- und derselben Mar- auf die Wörter „schmeckt“ oder „Geschmack“ zu ke besser als sie zwei Minuten nach der vorigen Zi- achten. Der „Geschmack“ ist in jedem Fall eine garette „geschmeckt“ hätte. Dabei wirkt das Niko- Ausrede: Beim Rauchen geht es um das Nikotin, tin nur stärker, weil inzwischen der Nikotinpegel des und nur ein Süchtiger empfindet die Zufuhr seines Rauchers gefallen ist. Warum verwechseln Raucher Suchtstoffes als angenehm. 10
ologie Das Nervengift, das uns den Kopf verdreht Nikotin und unsere Nerven Durch diesen Mechanismus sind Raucher ständig Nikotin ist das Gift der Tabakpflanze. Sobald man auf Nikotinentzug – das gilt für etwa 85 Prozent an der glühenden Zigarette zieht, löst sich das Gift der Tabakkonsumenten, denn sie gelten als Sucht- aus den chemisch behandelten Tabakbröseln. Es Raucher (Quelle: DHS). Erst das Ende der Sucht gelangt mit dem Rauch in die Lungen und geht ins beendet die Macht des Nikotins. Die verbleiben- Blut über. Nun schwemmt der Blutstrom das Ner- den 15 Prozent der Tabakkonsumenten gelten vengift durch unseren ganzen Körper, und das Ni- zwar als nicht süchtig, doch damit leben sie nicht kotin irritiert alle Nerven, die es erreicht: Das Herz minder gefährlich: Auch wer nur gelegentlich Gifte schlägt schneller, der Darm rumort, die Hände zit- zu sich nimmt, setzt sich enormen Gesundheits- tern, die Knie werden weich und Übelkeit kommt risiken aus. Eine kurze Schilderung der gesundheit- auf. All das sind Erscheinungen einer Nikotin-Ver- lichen Folgen finden Sie im Anhang 2. giftung. Besonders stark sind diese Vergiftungser- scheinungen, wenn man noch jung ist und gerade Das sinnlose Auf und Ab mit dem Rauchen anfängt. Man muss lange üben, Sobald ein Raucher an einer Zigarette zieht, füllt bis man den giftigen Rauch ertragen kann. sich sein Nikotinpegel wieder auf. Er scheint sich nun ein wenig besser zu fühlen als vorher, denn Die meisten Raucher führen sich regelmäßig Ni- seine Entzugserscheinungen konnten nachlassen. kotin zu. Die Folge ist: Ihre Nerven stumpfen ab Ein Nichtraucher dagegen hat überhaupt keine Ent- gegen den Stoff. Die Nerven lernen, sich mit dem zugserscheinungen. Wenn er an einer Zigarette starken Gift im Blut normal zu fühlen – die Ver- zieht, wird ihm vom starken Gift nur schwindelig giftungserscheinungen werden schwächer. Und und übel. Also raucht ein Raucher nur, um sich so weil Nikotin so giftig ist, transportiert es der Körper zu fühlen, wie sich ein Nichtraucher immer fühlen schnell wieder nach draußen, sobald eine Zigarette kann: nämlich normal und ohne Entzugserschei- für Nachschub gesorgt hat. nungen. Die Zigaretten scheinen dem Raucher gut zu tun, weil sie das schlechte Gefühl ohne Zigaret- Suchtraucher oder Gelegenheitsraucher? ten abstellen. Und je länger Raucher nicht rauchen, Sobald aber der Nikotin-Pegel wieder sinkt, tre- desto wertvoller erscheinen ihnen die einzelnen ten nun ganz leichte Entzugserscheinungen auf: Zigaretten: Wenn man kurz hintereinander raucht, Die Raucher spüren eine seltsame, flaue Leere kommen einem Zigaretten meist widerlich vor in Brust und Oberbauch, und ihre Hände wissen – man vergiftet sich ständig mit Nikotin. Wenn nicht mehr, wohin! Dieses seltsame Gefühl ver- man aber längere Zeit aufs Rauchen warten muss, schwindet erst wieder mit einer neuen Zigarette. kann sich der Nikotinpegel in der Zwischenzeit Nun fühlen die stumpfen Nerven wieder das Gift, ein wenig senken. Die Nerven rufen nun wieder und das Loch in der Brust scheint verschwunden laut nach einer Portion Gift, und der vermeintliche zu sein: Der Raucher hat seinen Entzug gestillt. „Geschmack“ einer Zigarette erscheint besser. Weil der Körper jetzt aber wieder Nikotin abbauen Klar: Schließlich kann die Zigarette nun stärkere muss, kommen schon bald wieder neue Entzugs- Entzugserscheinungen abstellen. Dabei ist der erscheinungen. Und gegen die hilft nur eine Ziga- „Geschmack“ letztlich eine Illusion: Einem Rau- rette – denkt der Raucher. Also raucht er wieder. cher „schmecken“ Zigaretten nur dann, wenn er Folge: Das Rauchen ist eine Kettenreaktion! Ziga- sie inhaliert – doch in der Lunge haben Menschen retten bewirken ein Leeregefühl, das sie mit der keine Geruchs- oder Geschmackssinneszellen. nächsten Zigarette erst kurz beseitigen und dann Raucher verwechseln den „Geschmack“ mit der wieder hervorrufen. körperlichen Wirkung des Nervengiftes Nikotin. 11
Die Biologie und die Psycho A4 In welchen Situationen rauchen wir? So führen Sie zum Thema hin Essen und Stau tieren, auf Partys, bei besonderen Aufgaben und zur Belohnung. Je mehr Raucher in Ihrer Grup- Wann rauchen Raucher? Fragen Sie die Nichtrau- pe sind, desto mehr solcher Situationen werden cher und die Raucher in Ihrer Gruppe, in welchen Sie sammeln. Hier können Sie bereits bemerken, Situationen Raucher zur Zigarette greifen. Sam- dass diese Situationen sehr widersprüchlich sind: meln Sie die Antworten an der Wand. Die Nicht- Raucher rauchen etwa bei Langeweile und bei raucher werden möglicherweise sagen: „Raucher Stress. Fragen Sie, wie es sein kann, dass Rau- rauchen, wenn sie etwas nicht mehr aushalten cher solch unterschiedliche Situationen mit dem oder unter Druck stehen.“ Raucher werden mög- Rauchen verbinden. Möglicherweise antworten licherweise sagen, sie rauchen bei Stress, Lan- die Raucher, dass das Rauchen in diesen Situati- geweile, Problemen, Ärger, Freude, zum Kaffee, onen besonders gut tue. Fragen Sie die Raucher, nach dem Essen, nach dem Sex, im Stau, in warum Nichtraucher in all diesen Situationen kei- besonders romantischen Situationen, beim Disku- ne Zigaretten brauchen. Praxis und Selbsterfahrung Die kleine Belohnung geben Sie der Gruppe eine Konzentrationsaufga- be: „Wie viele Buchstaben hat das Wort ,Fahr- Suchen Sie für den Praxisteil einen Zeitpunkt aus, rad‘?“ Die Teilnehmer werden sich konzentrieren, an dem die Raucher in Ihrer Gruppe schon einige und wer die Lösung hat, soll es laut sagen (Lö- Zeit nicht geraucht haben. Dann sagen Sie: „Wir sung: sieben Buchstaben). Lassen Sie noch zwei machen gleich eine Pause. Doch vorher lese ich Beispiele folgen (Fernsehen: neun; Parkbank: Ihnen noch einen Text vor.“ Dann lesen Sie lang- acht; Nichtraucher: zwölf) und sagen Sie nun: sam und deutlich den Haupttext dieses Kapitels „Jetzt habe ich Sie mit diesen Konzentrations- auf der rechten Seite vor. Danach sagen Sie: aufgaben gequält, zur Belohnung dürfen Sie jetzt „Jetzt habe ich Sie so lange gequält, wir machen eine Pause machen und rauchen.“ Vermutlich eine Pause.“ Die meisten Raucher werden die werden die wenigsten Raucher die Gelegenheit Gelegenheit nutzen. Nach der Zigarettenpause nutzen. Warum? Diskussion Eine seltsame Sache ... lohnung für etwas, sondern ein Vorwand dafür, den Nikotinpegel wieder zu heben. Die „Beloh- Regen Sie an zu überlegen: Warum belohnt man nung“ ist eine Verknüpfung im Kopf in Folge sich für das einfache Zuhören, nicht aber für der körperlichen Nikotinabhängigkeit. Regen Sie die Lösung kniffliger Aufgaben? Die Antwort ist die Diskussion an, was sich gegen solche Ver- einfach: Raucher belohnen sich dann mit einer knüpfungen tun lässt: Sind sie unabänderlich? Zigarette, wenn seit der letzten Zigarette Zeit Oder können Menschen diese Verknüpfungen vergangen ist. Die „Belohnung“ ist keine Be- auflösen? 12
ologie Was Rauchen mit Kaffee zu tun hat Die Kettenreaktion sich entspannen möchte. Oder auch wenn man Die Nerven eines Rauchers verlangen immer nach auf etwas wartet. In all diesen Situationen grei- Nikotin. Und nur beim Rauchen einer Zigarette fen Raucher zur Zigarette, um so eine Art Juckreiz wird dieses Verlangen gestillt. Nach dem Rauchen abzustellen. Die Zigarette schaltet für kurze Zeit transportiert der Körper das Nikotin wieder nach eine innere Störquelle aus, die ein Nichtraucher draußen, und der Raucher bekommt ein flaues gar nicht hat: den Nikotinentzug. Leeregefühl in Brust und Oberbauch – die Ent- zugserscheinungen, die im Vergleich zu anderen In angenehmen Situationen scheint das Auffüllen Drogen sehr leicht sind. Dieses Leeregefühl wird des Nikotinpegels besonders gut zu tun: Nach bald stärker, und der Raucher fühlt sich unwohl dem Mittagessen, beim Kaffee, bei einem schö- – ihm fehlt Nikotin. Erst die nächste Zigarette füllt nen Sonnenuntergang oder nach dem Sex. Damit die flaue Leere in der Brust wieder für kurze Zeit. der Moment so richtig schön sein kann, brauchen Doch weil der Körper das Nikotin schnell wieder Raucher eine Zigarette, denn ohne Zigarette stört abbaut, kommt der Entzug bald zurück. Und schon sie das Leeregefühl in der Brust. Und wer will sich wieder muss der Raucher rauchen. Weil nach jeder schon von einem lästigen Loch ablenken lassen, Zigarette der Nikotinpegel sinkt, schafft also jede während einem das Leben besondere Momente Zigarette die Voraussetzung für das Bedürfnis nach bietet? Also verknüpfen Raucher ihre Zigaretten der nächsten Zigarette. Eine sinnlose Kettenreak- mit bestimmten Situationen und greifen bald völlig tion. automatisch zur Zigarette: beim Feiern, beim Trau- ern, im Auto und auf der Toilette. Über die Jahre Ohne Entzugserscheinungen fühlt sich ein Rau- werden diese Verknüpfungen immer häufiger und cher am besten: also immer dann, wenn er eine fester. Schließlich rauchen Raucher in allen mögli- Zigarette raucht. Ohne Zigaretten hat der Raucher chen Alltagssituationen ganz automatisch: Spazier- dagegen das Gefühl, dass ihm etwas fehlt. Es engehen? Nur mit Zigarette! Fernsehen? Nur mit ist so, als müsse man sich ständig kratzen, weil Zigarette! Telefonieren? Nur mit Zigarette! Dabei etwas juckt. Je stärker der Juckreiz stört, desto ist der grundsätzliche Mechanismus immer gleich: angenehmer ist dann die Entspannung durch das Es juckt, und man kratzt sich. Und die meisten Kratzen. So funktioniert auch das Rauchen: Es ist Menschen auf der Welt brauchen keine Zigaretten, schön, wenn der Juckreiz nachlässt – Raucher um spazieren zu gehen oder zu telefonieren. kratzen sich sozusagen ständig und fördern damit das Jucken. Wenn man sich aber immer wieder kratzt, erinnern einen auch bald alle möglichen Situationen ans Die Verknüpfungen Kratzen. Wäre das Kratzen nun plötzlich verboten, In welchen Situationen wäre so ein Juckreiz denn fiele das Nicht-Kratzen sehr schwer. So meint auch besonders störend? Immer dann, wenn er von et- der Raucher bald, dass er seinen Alltag nicht mehr was Wichtigem ablenkt: zum Beispiel wenn man ohne Zigaretten überstehen kann. Denn er raucht Stress hat und sich beruhigen will. Schnell eine bei allen Gelegenheiten, und alle Gelegenheiten Zigarette, und der Juckreiz lässt nach. Oder wenn erinnern ihn ans Rauchen. Ohne Zigaretten wird man sich konzentrieren muss. Schnell eine Ziga- der Raucher unkonzentriert, leistungsschwach und rette, und der Juckreiz lässt nach. Oder wenn man nervös. Er ist bereits süchtig. 13
Die Tabakindustrie und ihre B1 Wie verfolgt die Tabakindustrie ihre Ziele? So führen Sie zum Thema hin Wir sind die Tabak-Bosse! einmal von der Seite der Tabakindustrie zu betrach- ten: Den Weltmarkt teilen sich wenige Konzerne; Verändern wir einmal die Perspektive, und betrach- das verdiente Geld landet in den Händen relativ ten die Zigarette als Produkt: Zigaretten sind klein weniger Menschen. Regen Sie an, dass die Teil- und lassen sich in Unmengen herstellen. Ihre Pro- nehmer nach den Interessen der Tabakindustrie duktion ist günstig und ihr Verkaufswert im Ver- suchen: Wie leicht lässt sich mit Zigaretten Geld gleich dazu viel höher. Weltweit rauchen Millionen verdienen? Welche Ziele hätten Ihre Teilnehmer, Menschen, die ihre Zigaretten jeden Tag aufs Neue wenn sie die Tabak-Bosse wären? Welche stra- kaufen. Darüber hinaus dürfen Zigaretten in vielen tegischen Mittel würden sie einsetzen, um noch Ländern beworben werden, obwohl sie süchtig mehr Geld zu verdienen? Welche Wege könnte und krank machen. Bewegen Sie die Teilnehmer es geben, um die „Kunden“ möglichst lange zu Ihrer Gruppe dazu, das ganze Thema „Rauchen“ binden? Praxis und Selbsterfahrung Im Widerstreit der Interessen ein billiges Produkt, das massenhaft hergestellt und teuer vertrieben werden soll. Wie würden die Verteilen Sie in Ihrer Gruppe Rollen: einen Tabak- Teilnehmer Marketing und Vertrieb gestalten? Mit boss, der möglichst viel Geld verdienen will. Einen welchen Werbeideen würden sie versuchen, den bis drei Marketing-Chefs, die Verkaufsstrategien Menschen Zigaretten schmackhaft zu machen? entwickeln sollen und unter Druck stehen. Einen Würden sie Nichtraucher anders ansprechen als Finanzminister, der mehr Steuern einnehmen will. Raucher? Vielleicht unterscheiden sich beide Her- Und einen Gesundheitsminister, der die Men- angehensweisen: Für Anfänger, meistens sind das schen gesund machen will. Einige Verbraucher- Jugendliche, stellt man das Rauchen als „cool“ schützer, die die Konsumenten schützen wollen. und erstrebenswert dar. Langjährigen Rauchern Die Marketing-Leute stehen unter Druck, geeig- liefert man Argumente für ihre Selbstrechtferti- nete Kampagnen zu entwerfen, und die Minister gung. Welche Strategien würden die Nichtraucher reden dem Tabakboss drein. Dabei geht es um in Ihrer Gruppe entwickeln, welche die Raucher? Diskussion Fazit des Blickpunktwechsels Spielball von Wirtschaftinteressen wahrnehmen? Wie betrachten Nichtraucher diese Zusammen- Wie verändert der Perspektivenwechsel die Mei- hänge im Unterschied zu Rauchern? Lassen Sie nungen übers Rauchen? Wie haben die Teilnehmer Ihre Gruppe über die wirtschaftlichen Aspekte die Haltungen von Tabakindustrie, Staat und Ver- diskutieren. Es wird sich womöglich zeigen, dass braucherschützern nachvollzogen? Welche Anzei- Raucher durch ihre Nikotinsucht zu idealen Kunden chen sehen sie dafür, dass Verbraucher die Inter- für ein völlig sinnloses und teures Produkt gewor- essen einer Industrie bedienen sollen? Werden die den sind. Aber bitte achten Sie darauf, dass die wirtschaftlichen Zusammenhänge erkannt? Wel- Raucher in der Diskussion nicht zu sehr in die Ecke ches Gefühl bekommen Raucher, wenn sie sich als gedrängt werden. 14
Werbung Süchtige: Drogenhändlers Goldesel Rauchen macht reich und arm erkennt sie die abhängig machende Wirkung ihrer Diskussionen übers Rauchen drehen sich meist Produkte an. Es ist klar: Rauchen macht süchtig um die ruinierte Gesundheit von Rauchern oder und krank zugleich. Raucher rauchen wegen des um das Geld, das Raucher zum Fenster rauswer- Zusammenspiels von Nikotin, Biologie und Psy- fen. Doch das Thema Rauchen reicht weiter. Wer chologie. Sie bezeichnen das Rauchen als wohltu- bekommt zum Beispiel das viele Geld? Einen Teil end, obwohl es bekanntermaßen krank macht. Sie bekommt der Staat in Form von Steuern. Einen an- sagen, sie rauchen gerne, möchten aber dennoch deren Teil, und das ist der Löwenanteil, bekommt häufig mit dem Rauchen aufhören. Hier zeigt sich die Tabakindustrie, die die Zigaretten herstellt und ein Zwiespalt, der typisch ist für eine Sucht: Wer vertreibt. ihn löst, hört auf zu rauchen, und wer aufhört zu rauchen, löst den Zwiespalt. Aus Sicht eines Unternehmers sind Zigaretten ein perfektes Produkt. Fragen wir einen Marketing-Ex- Wo bleibt die Wahrheit? perten nach der Kundenbindung von Zigaretten, In ihrer Werbung verschweigt die Tabakindust- wird er antworten: „Fast 100 Prozent.“ Denn die rie die Wahrheit über das Rauchen: Wir sehen Kunden sind abhängig – sie können sich nur noch junge, erfolgreiche, schöne Menschen anstelle mit dem Suchtstoff wohl fühlen. Wenn der Niko- von Herzinfarkt-, Schlaganfall- und Lungenkrebs- tinpegel sinkt, verlangt der Raucher nach Nikotin patienten. Die Tabakindustrie behauptet, es sei – eine Kettenreaktion beginnt. Über die Jahre und die freie Entscheidung eines jeden zu rauchen. Jahrzehnte verbrennen Raucher oft Hunderttau- Doch warum rauchen dann so viele Menschen, sende von Euro. Wer mit Suchtmitteln handelt, obwohl sie lieber Nichtraucher wären? Die Ta- wird reich. Das ist nicht nur bei Kokain und Heroin bakindustrie behauptet in ihrer Werbung, dass so. Auch legale Drogen sind ein riesiger Markt. Die Rauchen entspannt, dass es zu einem interes- Tabakindustrie, ihre Händler und Werbeagenturen santen Leben gehört und schöne Situationen streichen Milliarden mit einem Produkt ein, das noch schöner macht. Doch all das scheint nur zugleich süchtig und krank macht. Und selbstver- für Raucher zu gelten. Nichtraucher brauchen ständlich will die Tabakindustrie auch weiterhin mit keine Zigaretten – weder in typischen Raucher- den Rauchern Geld verdienen! situationen noch um ein abwechslungsreiches Leben zu führen. Würden sie an einer Zigarette Süchtige bringen Geld ziehen, bekämen sie weiche Knie und es würde Die Tabakindustrie hat lange Zeit die Mechanismen ihnen übel. Nichtraucher empfinden das Rau- der Nikotinabhängigkeit verschleiert. Mittlerweile chen meist nur als störend. 15
Die Tabakindustrie und ihre B2 Warum und wie wirkt Werbung? So führen Sie zum Thema hin Kunden oder Opfer? ten die Teilnehmer mit bekannten Marken oder Produkten verbinden. Welche Automarke ist bei- Zunächst fragen Sie die Teilnehmer Ihrer Gruppe spielsweise sportlicher: BMW oder Opel? War- nach Meinungen, ob Werbung auf sie eine Wir- um? Oder wie schmeckt eine Marke wie Nutel- kung hat. Zählen Sie die Ja- und die Nein-Antwor- la im Vergleich zur Discount-Nussnugat-Creme? ten. Jetzt sensibilisieren Sie die Teilnehmer der Dann fragen Sie die Raucher in der Gruppe, wa- Gruppe für Werbewirkung und Imagebildung. Die rum sie ihre Zigarettenmarke rauchen. Welche Teilnehmer haben möglicherweise schon Vorstel- Eigenschaften verbinden die Raucher mit ihrer lungen über Werbung und ihre Wirkung. Fragen Marke? Geschmack? Genuss? Entspannung? Le- Sie nach diesen Vorstellungen und sammeln Sie bensfreude? Fallen dabei Muster auf? Sammeln sie. Da jeder Erfahrung mit Werbung gemacht Sie die Antworten über diese Images, ohne sie hat, können Sie auch fragen, welche Eigenschaf- zu bewerten. Praxis und Selbsterfahrung Verkaufen Sie! das die Teilnehmer seine Kunden werden. Achten Sie nun darauf, welche Argumente er beim Ver- Bieten Sie Ihrer Gruppe ein Rollenspiel an: Ein kaufen verwendet. Möglicherweise führt er die Raucher aus der Gruppe wird zum Zigarettenver- Gefühlsargumente der psychischen Abhängigkeit käufer. Er soll die anderen davon überzeugen, an („Rauchen entspannt“), oder er bemüht Mar- seine Marke zu kaufen – und dabei Verstand und ken-Images („Raucher dieser Marke sind aben- Gefühl ansprechen. Der Verkäufer hat nun zwei teuerlustig“). Notieren Sie die Verkaufsargumente Aufgaben: Einerseits will er die Nichtraucher in des Verkäufers als Grundlage für die Abschluss- der Gruppe dazu bewegen, mit dem Rauchen diskussion. Wiederholen Sie das Rollenspiel nun anzufangen. Andererseits will er die Raucher in mit weiteren Verkäufern, um zu prüfen, ob sich die der Gruppe dazu bewegen, ihre Marke aufzuge- „Kunden“ durch Wiederholungen der Argumente ben und zu seiner Marke zu wechseln. Er will, weichkochen lassen. Diskussion Wer lässt sich wie überzeugen? Raucher erwogen haben, die Marke zu wech- seln? Haben Raucher möglicherweise ihre Marke In der Abschlussdiskussion lassen Sie die Ver- verteidigt? Mit welchen Argumenten? Hat sich käufer zu Wort kommen. Welche Schwierigkei- gezeigt, ob Raucher freie oder unfreie Kunden ten hatten sie, ihr Produkt zu verkaufen? Auf sind? Schließlich können Sie in der Diskussion welche Widerstände sind sie bei ihren „Kunden“ ein Fazit ziehen: Fragen Sie erneut, ob Werbung gestoßen? Worin unterscheiden sich die Reakti- wirkt. Zählen Sie wieder die Ja- und Nein-Ant- onen der Raucher von jenen der Nichtraucher? worten. Besprechen Sie in der Runde, welche Haben Nichtraucher möglicherweise gesagt, sie Konsequenzen das Ergebnis für die Teilnehmer brauchen Zigaretten grundsätzlich nicht, während haben könnte. 16
Werbung So hält uns die Industrie bei der Stange Wie wirkt Werbung? schönen Bildern. Sie zeigen schöne Menschen, Viele Menschen denken, Werbung wirke nicht auf traumhafte Landschaften, erotische Situationen, sie. Sie sagen: „Ich weiß, wie Werbung funktio- romantische Blicke, Abenteuer und Spaß. Durch an- niert, also wirkt sie nicht auf mich.“ Doch Vorsicht! sprechende Bilder nehmen Menschen die versteck- So einfach ist es oft nicht. Manche Menschen kau- te absurde Werbebotschaft ungeprüft über das Ge- fen süße Kokoskugeln, weil sie nicht so dick ma- fühl auf, und der Verstand reagiert nicht so leicht mit chen sollen wie Schokolade: Werbewirkung! Man- Widerspruch („Joghurt soll gesund sein?“). che Menschen kaufen Kleidung einer bestimmten Marke mit dem Gedanken, die Marke sei schick: Werbung wirkt langfristig und kurzfristig Werbewirkung! Werbung wirkt also. Sie wirkt un- Werbung wirkt auch durch Wiederholung und ihre abhängig davon, wie gebildet oder intelligent je- Dauer: Je öfter man eine Werbung sieht oder hört, mand ist. desto eingängiger wird die Werbebotschaft. Dar- um finden sich dieselben Motive in den gleichen Der Kern von Werbung ist die Werbebotschaft. Zeitschriften immer wieder. Wie beim Lernen Werbebotschaften sind zum Beispiel „Diese Auto- in der Schule sind Wiederholungen nötig, damit marke ist besonders sicher“, „Dieser Joghurt hält Menschen eine Werbebotschaft als Wahrheit ak- gesund“ oder „Kleider dieser Marke sind schick“. zeptieren. Das Ziel von Werbung ist es, dass Menschen 1. der Werbebotschaft begegnen, Werbung wirkt oft kurzfristig – und dann reagiert 2. diese Werbebotschaft aufnehmen und akzep- man sofort auf sie: Beispielsweise beim sponta- tieren, nen Kauf an der Supermarktkasse. Auch wenn je- 3. der Werbebotschaft folgen und das beworbene mand nachts auf der Landstraße ein Schild sieht: Produkt kaufen. „Doppelzimmer 40 Euro“ und eincheckt, ist das kurzfristige Werbewirkung. Wenn Werbeleute Werbung machen, bringen sie die Werbebotschaft oft nicht wörtlich unter – meist Werbung wirkt aber auch langfristig – und dann genügt es, die Aussage durch Bilder zu transpor- kauft man später: Wenn jemand endlich einen tieren. So bringen Werbeleute die Werbebotschaft Elektromarkt besucht, nachdem er zehn Mal die versteckt unter, hinter schönen Geschichten, lusti- bunte Beilage in der Zeitung gesehen hat. Lang- gen Szenen oder anderen Bildern. fristige Werbung festigt auch Images oder Vorstel- lungen über Marken und Produkte. Das ist dann Werbung wirkt auf Verstand und Gefühl der Fall, wenn jemand nach zehn Beilagen in der Mit Argumenten spricht Werbung den Verstand Zeitung glaubt, der Elektromarkt sei besonders an – der Aquastopp der Waschmaschine, das Au- günstig – obwohl der Elektromarkt das nur über toreifen-Testergebnis vom ADAC. Mit schönen sich selbst behauptet. Stimmungen spricht Werbung das Gefühl an – der Rasierer für Gewinnertypen, die Zeitschrift für die Besonders intensiv und langfristig wirkt Werbung, moderne Frau. die auf das Gefühl zielt. Zuerst setzt ein Unterneh- men einen Trend, meist eine absurde Aussage („Gu- Auf das Gefühl zielt Werbung auch dann, wenn es te Sportschuhe haben eine bestimmte Anzahl von für ein Produkt keine sinnvollen Argumente gibt Streifen“). Über Jahre hinweg festigt die Werbung oder wenn die Werbebotschaft absurd ist. Dann diese Vorstellung. Und irgendwann kaufen Men- verstecken Werbeleute die Werbebotschaft hinter schen vorwiegend Sportschuhe dieser Marke. 17
Die Tabakindustrie und ihre B3 Wie zementiert Zigarettenwerbung die psychische Abhängigkeit? So führen Sie zum Thema hin Wofür ist das Rauchen gut? Nichtraucher, ob sie diese Argumente nachvoll- ziehen können. Bitte achten Sie darauf, dass es Bitten Sie die rauchenden Teilnehmer Ihrer Grup- nicht zu einer trennenden Gegenüberstellung pe, die Vorteile des Rauchens zusammenzutra- zweier Positionen kommt – die Raucher sollen gen. Sie werden Antworten erhalten wie „Rau- nicht „an den Pranger gestellt“ werden, denn chen entspannt“, „Rauchen hilft beim Konzent- wenn das geschieht, blocken Raucher innerlich rieren“, „Rauchen gehört zum Feiern“, „Rauchen meist ab. Fragen Sie die Nichtraucher nun, wie ist gesellig“, „Rauchen hilft gegen Langeweile“, sie sich entspannen und wie sie Feste feiern. Es „Rauchen gehört zum Pausemachen“, „Ich rau- wird sich vermutlich zeigen, dass Nichtraucher che gerne“, „Zigaretten schmecken gut“. Sam- in typischen Rauchersituationen weder rauchen meln Sie diese Aussagen auf einer Tafel oder wollen noch Zigaretten brauchen. Nichtraucher pinnen Sie sie an die Wand. Fragen Sie nun die sind unabhängig. Praxis und Selbsterfahrung Eine Reise ins Reich der Reklame tieren Sie, wie die Werbsprüche das Image der Marken oder Produkte beeinflussen. Bitten Sie Bitten Sie die Teilnehmer, sich an Werbesprüche die Teilnehmer nun, sich an Tabakwerbung zu zu erinnern. Sammeln Sie die Sprüche an der erinnern, und notieren Sie stichwortartig, was Wand. Suchen Sie nicht nur nach Werbesprüchen Werbeplakate und Kinospots darstellen. Fragen für Tabakprodukte, sondern auch für Lebensmittel, Sie nun: Inwiefern fühlen sich die Teilnehmer Waschmittel, Autos etc. Eine Sammlung von Wer- durch die Werbung angesprochen? Wie wirkt besprüchen für unterschiedliche Produkte finden die Werbung auf Raucher, wie auf Nichtraucher? Sie in Anhang 3. Ordnen Sie die Werbesprüche Wie, meinen die Teilnehmer, wirkt die Werbung bestimmten Marken und Produkten zu. Disku- auf Jugendliche? Diskussion Kritisch sein! der Realität überein? Welche Rechtfertigungen fürs Rauchen bietet die Werbung? Wie beurteilen Welche Produkte bieten den Kunden kaum Vor- Nichtraucher die Zigarettenwerbung? Wie blicken teile, aber dafür ein gutes Image? Wie beeinflusst die Raucher Ihrer Gruppe jetzt auf die gesammel- Werbung also das Image eines Produktes? Die ten Vorteile des Rauchens? Sind diese Vorteile des Verknüpfung mehrerer Dinge, die nichts mitein- Rauchens nun etwas fragwürdiger geworden? ander zu tun haben, findet sich also nicht nur bei Sensibilisieren Sie die Teilnehmer Ihrer Gruppe, Zigarettenwerbung, sondern auch bei Werbung für künftig vermehrt auf Werbung zu achten und sie andere Produkte. Nun zu den Zigaretten: Welche zu untersuchen. Regen Sie bei den Rauchern an, Images werden den unterschiedlichen Zigaretten- dass sie künftig kritisch auf Tabakwerbung reagie- marken angedichtet? Stimmen diese Images mit ren und sie hinterfragen. 18
Werbung Lügen, Legenden, Selbstbetrug Werbung konditioniert uns tun haben, und die Konsumenten übernehmen Die Werbung verknüpft Dinge, die nichts miteinan- diese Verknüpfungen. An sich ist eine Zigarette der zu tun haben. Zu einem x-beliebigen Produkt nur ein Röllchen aus getrocknetem Kraut, das dichtet die Werbung noch etwas hinzu. Das kann beim Verbrennen etwa 4000 giftige Chemikalien sie einfach tun, auch wenn es nicht die Wahrheit freisetzt. ist. Je öfter sie das tut, desto weniger hinterfragen Verbraucher diese Verknüpfungen. In der Folge Wo bleibt die Wahrheit? verknüpfen auch die Verbraucher Dinge, die nichts Natürlich wirbt die Tabakindustrie nicht mit der miteinander zu tun haben, und pflegen Legenden. Wahrheit des Rauchens. Die Wahrheit des Rau- Zum Beispiel: chens ist: n einen Joghurt und Gesundheitsbewusstsein, n Rauchen macht krank und tötet. n eine Automarke und Sportlichkeit, n Rauchen macht impotent. n eine Kleidungsmarke und Selbstbewusstsein. n Rauchen schadet Babys bereits im Mutterleib. n Raucher stinken. Grundlage für diese Verknüpfungen sind die so n Raucher haben ohne Zigaretten Stress. genannten Pawlowschen Konditionierungen. Der n Rauchen ist eine Sucht und eine Geldfalle. russische Verhaltensforscher Iwan Petrowitsch Pawlow (1849-1936) betätigte eine Klingel, bevor Weil das Rauchen so schädlich ist, gibt es für das er seine Hunde fütterte. Und irgendwann began- Rauchen keine sinnvollen Argumente. Darum zielt nen die Hunde schon beim Klingeln zu sabbern, die Tabakwerbung nicht auf unseren Verstand, ohne dass es etwas zu fressen gab! Die Hunde sondern auf unser Gefühl. Auf diesem Weg kann hatten zwei Dinge verknüpft, die nichts miteinan- die Tabakindustrie dem Rauchen Eigenschaften der zu tun hatten: ein Geräusch und Appetit. Die andichten, die es nicht hat. Mit der Zeit werden Hunde glaubten an einen absurden Zusammen- wir konditioniert. Und was verbinden Raucher mit hang, an eine Lüge. Sie waren konditioniert. dem Rauchen? Sie verbinden genau das mit dem Rauchen, was die Tabakindustrie in ihrer Werbung Auch Menschen lassen sich konditionieren. Auch über das Rauchen behauptet: Menschen glauben an Lügen. Doch im Unterschied zu Hunden können Menschen gelernte Konditio- n Rauchen entspannt und hilft gegen Stress. nierungen verstehen, sie ablegen und sich von den n Rauchen gehört zum Pausemachen. Lügen befreien. n Rauchen gehört zum Arbeiten und zum Kreativ- sein. Wie ist das beim Rauchen? Auch hier verknüpft n Rauchen gehört zum Kaffee. die Werbung Dinge, die nichts miteinander zu n Raucher sehen jung und gut aus. 19
Die Tabakindustrie und ihre B4 Welches Selbstbild haben Raucher? So führen Sie zum Thema hin Wer denkt was über wen? die Teilnehmer, ihre Vorstellungen über Raucher und Nichtraucher zu nennen. Sammeln Sie die An- Bitten Sie die Teilnehmer der Gruppe, sich in die regungen an der Wand. Lassen Sie beim Brainstor- Gruppe der Raucher beziehungsweise Nichtrau- ming auch extreme Ideen, Träume und offenkundi- cher einzuordnen. Haben Sie Ex-Raucher in der ge Lügen zu. Bitten Sie die Teilnehmer außerdem Gruppe, so können sich diese Ex-Raucher einord- zu nennen, welches Bild die Tabakwerbung über nen, wo sie wollen, und sie dürfen von vornherein Raucher und Nichtraucher vermittelt. Bitten Sie die Seite wechseln. Der Vorteil der Ex-Raucher: Sie dann die Raucher zu prüfen, ob die Bilder über sie kennen beide Seiten sehr gut und können beide zutreffen. Bitten Sie die Nichtraucher zu prüfen, ob Seiten verstehen und vertreten. Bitten Sie dann ihrerseits die Bilder über sie zutreffen. Praxis und Selbsterfahrung Tauschen wir doch mal Seite zu wechseln. Die Raucher versetzen sich in die Position der Nichtraucher, und die Nichtrau- Sie haben alle Vorstellungen der Gruppen über- cher versetzen sich in die Position der Raucher. einander gesammelt. Sie haben die Aussagen Die Nichtraucher sollen rauchen, und die Raucher gesammelt, die die Tabakwerbung über Raucher dürfen nicht rauchen. Die Reaktion beider Seiten und Nichtraucher trifft. Fragen Sie nun zunächst wird vermutlich Ablehnung sein. Bitten Sie die die Nichtraucher, was sie unter Suchtverhalten Teilnehmer, ihre Gefühle zu beschreiben. Sagt ein verstehen und wie sie es einschätzen. Stellen Sie Raucher, er könne auf seine Zigaretten verzichten, die gleiche Frage den Rauchern. Nun ein gedank- dann bitten Sie ihn, das eine Weile zur Selbster- liches Experiment: Bitten Sie die Teilnehmer, die fahrung zu tun. Diskussion Reden über Angst und Stress entspannend, weil die Nikotin-Zufuhr kurzfristig den Stress beseitigt, den das Rauchen langfris- Fragen Sie nach dem Rollentausch die Nichtrau- tig in den Rauchern erzeugt. Sie können auch cher, ob sie die vermutlich ablehnende Reaktion auf den Gedanken des Drängens eingehen: Wird der Raucher auf den Rollentausch verstehen. Au- ein Raucher gedrängt aufzuhören, empfindet er ßerdem können Sie auf die Sorgen der Raucher Stress und wird noch viel eher an den Zigaretten noch weiter eingehen: Wovor haben die Raucher festhalten. Weisen Sie darauf hin, dass Nichtrau- Angst? Vermutlich davor, dass sie Stress ohne cher – und auch Ex-Raucher – diesen für Raucher Zigaretten haben werden. Sie können hier den typischen Stress nicht haben. Es wird für die Stress-Mechanismus des Rauchens beleuchten: Raucher herrlich sein, endlich nicht mehr rauchen Raucher empfinden das Rauchen deswegen als zu müssen. 20
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