AUSWIRKUNGEN DES ZUNEH-MENDEN TOURISMUS IM ALPINEN RAUM AUF NATUR UND UMWELT

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AUSWIRKUNGEN DES ZUNEH-MENDEN TOURISMUS IM ALPINEN RAUM AUF NATUR UND UMWELT
ANHANG ZUR BN-STUDIE:
„VON DER TRAUMLANDSCHAFT ZUM ÜBERNUTZTEN BERGGEBIET“
…………………………………………………………….………........
AUSWIRKUNGEN DES ZUNEH-
MENDEN TOURISMUS IM
ALPINEN RAUM AUF NATUR UND
UMWELT
„In großen Teilen der bayerischen Alpen finden sich noch intakte Naturräume mit hö-
herer Biodiversität und geringerer Nutzungsintensität als in anderen Regionen des
Landes. Diesen Reichtum gilt es zu bewahren. Allerdings ist er durch einen immer in-
tensiveren Tourismus in Gefahr.“ (BN informiert: Tourismus in den bayerischen
Alpen – Von der Traumlandschaft zum übernutzten Berggebiet, 2020)
Durch die höhere Mobilität der Menschen, ihrem zunehmenden Bedürfnis nach ei-
nem Naturerlebnis in spektakulären und von Natur dominierten Landschaften und
dem damit verbundenen Ausbau der Infrastruktur nehmen die Belastungen durch
den Tourismus im alpinen Raum zu.
Somit steigen die direkten Belastungen für Fauna, Flora, Boden und Wasserhaushalt
durch Störungen, Schädigungen oder sogar Zerstörungen von Lebensräumen. Diese
Eingriffe durch den Menschen führen mittel- und langfristig zu einem Rückgang der
Biodiversität eines Lebensraumes und zur Instabilität der Ökosysteme.

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Das Bedürfnis nach Ruhe und Stille – sowohl für den erholungssuchenden Menschen
als auch für die Tiere – wird weiter eingeschränkt, ebenso wie das Bedürfnis nach
einem intakten natürlichen Landschaftsbild.
Hinzu kommen die indirekten Auswirkungen. Das erhöhte Verkehrsaufkommen, die
touristisch induzierte Bautätigkeit, der Flächenverbrauch und der damit verbundene
erhöhte Energiebedarf verstärken die Belastung der Ökosysteme durch klimawirk-
same Gase, Feinstaub und andere Schadstoffe.

WELCHE DIREKTEN SCHÄDEN/                                 − durch Veränderung oder Zerstö-
                                                           rung alpiner Abflusssysteme (Um-
BELASTUNGEN ENTSTEHEN
                                                           leitung von Bächen, Entnahme von
DURCH DIE GESTIEGENE NATUR-                                Wasser aus Gewässern für die An-
NUTZUNG FÜR                                                lage oder Vergrößerung von Trink-
Landschaft                                                 wasserspeichern/Beschneiungs-
 Irreversible Zerstörung terrestrischer,                  becken und den Bau von Kleinst-
   semiaquatischer und aquatischer Öko-                    wasserkraftanlagen)
   systeme                                            Zerstörung eines naturdominierten
   − durch den Bau von Infrastruktur-                  Landschaftsbildes und damit Vermin-
     einrichtungen wie Straßen, Park-                  derung des Erholungswertes der Land-
     plätze, Hotels, Kläranlagen, Trink-               schaft durch Bauten aller Art
     wasserspeicher, Beschneiungs-                      Lärmbelastung und damit Verminde-
     anlagen, Freizeiteinrichtungen,                     rung des Erholungswertes der Land-
     Wege aller Größenordnung, künst-                    schaft v. a. durch Straßenverkehr, so-
     liche Verbauungen zur Hang- bzw.                    wie Bau, Betrieb und Durchführung
     Lawinensicherung u. a.                              künstlicher Attraktionen wie Lifte,
                                                         Fun-Areas, Events etc.

Mittelstation und Beschneiungsbecken am Jenner; Foto: Rita Poser

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Fauna                                                       eines erhöhten Energieverbrauches
 Schlechtere Ernährung sowie Sinken                        verhungern
   der Reproduktionsrate und damit Ge-                  − da sie, um dem Lärm auszuwei-
   fahr des Aussterbens von Auer-, Birk-,                 chen, ihre Wanderrouten zu den
   Hasel-, Alpenschneehuhn, Alpen-                        Futter- oder Einstandsplätzen ver-
   schneehase                                             legen müssen
   − infolge zunehmender Störungen                   Schlechtere Ernährung sowie Sinken
     durch Wanderer und Radfahrer ab-                 der Reproduktionsrate von Greifvö-
     seits der Wege (Sensitivierung) und              geln
     durch freilaufende Hunde insbe-
                                                        − da die Greifvögel durch Aktivitäten
     sondere in der Balz-/Paarungs- und
                                                          wie Ziplining (Flying Fox) und Gleit-
     Brut-/Setzzeit,
                                                          schirmfliegen oder durch Drohnen
   − zunehmend durch Aktivitäten von                      (Gefahr von oben) im Umfeld der
     Wanderern, Radfahrern und                            Horste bei der Aufzucht der Jungen
     Skitourengehern in den Dämme-                        gestört werden
     rungs- und Nachtzeiten und dem
                                                        − weil die Beutetiere durch die ge-
     damit verbundenen Einsatz starker
                                                          nannten Aktivitäten und den Lärm
     Lampen (Lichtverschmutzung)
                                                          vertrieben werden und damit

Das Auerhuhn ist in Bayern vom Aussterben bedroht; Foto: Wolfgang Willner

   − durch die häufigen Störungen wer-                      der Jagd durch die Greifvögel ent-
     den die Tiere in ihrem Äsungsver-                      zogen werden
     halten behindert und damit leich-               Rückgang des Bestandes von Vögeln,
     ter Opfer von Fuchs und Marder                   da sie an Balz- und Brutplätzen durch
   − da sie im Winter durch Touren- und               Lärm bei der Kommunikation gestört
     Variantengeher (Ski, Snowboard                   werden und diese aufgeben, oder weil
     und Schneeschuh) aus ihren Win-                  sie auf ihren Wanderrouten zu diesen
     terunterständen aufgeschreckt                    Plätzen Lärmquellen ausweichen
     werden, auskühlen und infolge                    müssen

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 Rückgang des Bestandes an Amphi-                durch die Infrastruktur (Hotellerie,
  bien (Frösche, Kröten und Molche)               Gastronomie u. a.) und Baumaßnah-
  und Reptilien (Bergeidechse,                    men
  Schlingnatter und Kreuzotter) durch
  die Zerstörung ihrer Lebensräume             Flora
  infolge von Baumaßnahmen und das              Gefährdung des Bergwaldes als
  Überfahrenwerden durch Fahrzeuge                Schutzwald, Ökosystem, Erholungs-
  aller Art                                       raum und Rohstofflieferant durch ver-
                                                  mehrten Verbiss der Bäume und Kräu-
                                                  ter. Schalenwild meidet infolge der
                                                  häufigen Störungen die Freiflächen
                                                  und hält sich vermehrt im Wald auf,
                                                  um dort zu äsen.
                                                Großräumige Zerstörung der Vegeta-
                                                 tion durch Baumaßnahmen für Infra-
                                                 struktur und Sicherungsbauten (siehe
                                                 Lebensräume)
Überfahrene Körte; Foto: Margarete Siering
                                                Kleinräumige Zerstörung der Vegeta-
 Rückgang des Bestandes der Insekten            tion durch Trittbelastung beim Entste-
  durch Lichtverschmutzung (Hotels,              hen neuer Wege und Trampelpfade
  Straßenbeleuchtung, Ausleuchtung               durch Wanderinnen und Wanderer
  von abendlichen Veranstaltungen, Ak-           sowie Radfahrerinnen und Radfahrer
  tivitäten)                                     und die dadurch erforderlichen Wege-
                                                 sanierungen (Baumaßnahmen)
 Gefährdung der Tiergesundheit
  (Fische, Vögel) durch vermehrtes Müll-        Erhöhte Waldbrandgefahr durch Out-
  aufkommen (Anreicherung von Mikro-             dooraktivitäten wie Lagerfeuer, Feuer-
  plastik u. a.) in der Natur durch Wan-         werk, u. ä.
  derer, Radfahrer u. a., aber auch

Feuerschaden im Wald; Foto: Wolfgang Schödel

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Boden (als Lebensraum für Tiere, Pflan-               Luft
zen, Pilze, Mikroorganismen)                           Verschlechterung der Luftqualität: Zu-
 Verlust des Bodens durch Erosion in-                   nahme von Feinstaub, Stickoxid- und
   folge Trittbelastung und Befahren aller               CO2-Ausstoß durch Hausbrand, Kfz-
   Art                                                   Verkehr, Baumaschinen oder Pisten-
 Bodenverdichtung durch Trittbelas-                     raupen
  tung und das Befahren mit schweren                   Freisetzung von CO2, Methan und
  Baumaschinen (beim Bau von Be-                        Lachgas durch die Mineralisation des
  schneiungsanlagen)                                    Torfkörpers (durch Entwässerung von
 Irreversible Zerstörung des Bodenöko-                 Mooren und Feuchtgebieten), durch
  systems durch Flächenversiegelung                     touristische Infrastruktur und Straßen-
  und Baumaßnahmen für Infrastruktur                    bau

Erosion durch Trittbelastungen und Befahren aller Art; Foto: Thomas Frey

Wasserhaushalt
 Belastung aquatischer Ökosysteme
  durch mehr Abwasser an Berghütten,
  Hotels, Gastronomie u. a. Versor-
  gungseinrichtungen (Belastung der
  Vorfluter)
 Rückgang der Artenvielfalt durch Ver-
  siegen von Quellen, Austrocknung von
  Gewässern, Mooren und Feuchtgebie-
  ten durch Baumaßnahmen und sons-
  tige Trockenlegungen

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INDIREKTE/NACHFRAGE-                               − Zunehmendes Problem der Versor-
INDUZIERTE BELASTUNGEN                               gung von Berghütten mit Wasser
                                                     und Wasserkraft durch schwin-
INFOLGE DER GESTIEGENEN
                                                     dende Wasserreserven
NATURNUTZUNG UND DEREN
                                                   − Auftauen des Permafrostes: ver-
FOLGEN:                                              mehrter Steinschlag, mehr Muren-
 Verstärkung des Treibhauseffektes                  abgänge und Instabilität der Infra-
  durch erhöhte Belastung der Luft mit               struktureinrichtungen in den Hoch-
  CO2 und damit verbundener Anstieg                  lagen. Dadurch Gefährdung der
  der Jahresmitteltemperatur (durch er-              Infrastruktur und vermehrte Ein-
  höhtes Verkehrsaufkommen, ver-                     griffe in die Natur durch Baumaß-
  mehrte Herstellung von Beton (1 m³                 nahmen zur Sicherung der Infra-
  Beton verursacht rund 400 kg CO2)                  struktur.
   − Veränderung der jährlichen Nieder-            − steigende Gefahr von Murenabgän-
     schlagsverteilung mit trockeneren               gen und Hochwässern durch Ver-
     Sommern und regenreicheren Win-                 änderung von Niederschlagsinten-
     tern und die damit verbundenen                  sität und Niederschlagsmenge
     Auswirkungen auf den alpinen                  − durch zunehmende Dürreperioden,
     Wasserhaushalt, Flora und Fauna                 Stürme und Borkenkäferbefall
   − Steigende Waldbrandgefahr durch                 Schwächung der Bäume und damit
     Zunahme sommerlicher und win-                   Schwächung der Resilienz des Öko-
     terlicher Dürreperioden                         systems Wald; damit steigende Ge-
   − beschleunigtes Abschmelzen der                  fahr des langfristigen Zusammen-
     Gletscher mit großen Auswirkun-                 brechens von Au- und Bergwäldern
     gen auf die alpine Hydrologie                   sowie damit Verlust der Funktion
     (Trinkwasserspeicher, Energie-                  als Schutzwald, CO2-Speicher, Le-
     gewinnung)                                      bensraum, Rohstofflieferant, Erho-
                                                     lungsraum u. a.

Abgestorbene Fichten; Foto: Eberhard/Adobe Stock

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AUSWIRKUNGEN DES ZUNEH-MENDEN TOURISMUS IM ALPINEN RAUM AUF NATUR UND UMWELT
 Zunehmende Feinstaubbelastung der                   Vermehrte Stickstoffemissionen
  Atmosphäre                                             − Verringerung der Biodiversität alpi-
   − Beschleunigtes Abschmelzen der                        ner Matten und sonstiger Mager-
     Gletscher- und Firnflächen durch                      biotoptypen durch zunehmende
     Ablagerung von dunklem Feinstaub                      Eutrophierung der Böden (Stick-
     mit Auswirkungen auf den alpinen                      stoffeintrag aus der Luft u. a. durch
     Wasserhaushalt:                                       erhöhtes Verkehrsaufkommen und
        dadurch langfristiger Schwund                     Hausbrand). Konkurrenzschwache
         an Trinkwasserreserven im Ge-                     Pflanzen, zu denen viele der selte-
         birge und zunehmender Was-                        nen Arten gehören, werden ver-
         sermangel in den Hochlagen                        drängt.
        Veränderung der naturräum-                      − Veränderung der Bodenchemie
         lichen Bedingungen für Tiere                      und damit der natürlichen Wachs-
         und Pflanzen durch die ver-                       tumsbedingungen der Pflanzen und
         änderte Niederschlagsverteilung                   Bodenorganismen
         und Niederschlagsmenge durch
         Feinstaub (Wirkung der Aero-
         sole als Kondensationskerne)

Alle diese direkten und indirekten Belastungen schwächen die Widerstandskraft
(Resilienz) unserer alpinen Ökosysteme.

Eine artenreiche Blumenwiese: Ein immer seltener werdender Anblick; Foto: Axel Doering

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QUELLENVERZEICHNIS
Die oben zusammengestellten Aussagen, basieren auf einer umfangreichen
Literaturrecherche (siehe unten) und auf vielen Gesprächen mit Sachverständigen
aus den Bereichen, Umweltschutz, Forst, Klima usw.
Literatur:

https://natur-freizeit.ch/wildtiere-im-winter

https://www.fr.ch/de/energie-landwirtschaft-und-umwelt/fauna-und-
biodiversitaet/stoerung-der-wildtiere

https://www.bmu.de/themen/bildung-beteiligung/bildungsservice/aus-der-
wissenschaft/temperaturanstieg-in-den-alpen-huftiere-wandern-in-hoehere-lagen/

https://www.br.de/klimawandel/co2-emissionen-steigende-kohlendioxid-100.html

Bobbink R., Hicks K. et al. (2010): Globalassessment of nitrogen deposition effects on
terrestrial plant diversity: a synthesis. Ecol. Appl. 20: 30-59

Verlust von Bergmatten; Bühlmann T., Hiltbrunner E., Körner C. (2014): Ainus viridis
expansion contributes to excess reactive nitrogen release, reduces biodiversity and
constrains forest succession in the Alps. Alpine Botany 124: 187-191

https://www.eea.europa.eu/de/signale/signale-2013/artikel/klimawandel-und-luft

Eva M. Spehn und Christian Körner, Auswirkungen des Klimawandels auf die Natur in
den Alpen, Natur UND Landschaft-92. Jahrgang (2017) - Heft 9/10,
https://wuecampus2.uni-
wuerzburg.de/moodle/pluginfile.php/2255267/mod_resource/content/7/03_Spehn_K
örner_2017_Auswirkungen_des_Klimawandels_auf_die_Natur_in_den_Alpen.pdf

Alpenkonvention (2009): Aktionsplan zum Klimawandel in den Alpen.
http://www.alpconv.org/de/ClimatePortal/Documents
/20120220_AC_X_B6_fin_fin_de.pdf

Landesverband Bayern des                  Pettenkoferstr. 10 a                           Stand: Juni 2021
Bundes für Umwelt- und Naturschutz        80336 München                                  Impressum:
                                                                                         Herausgeber: Bund
Ansprechpartner zum Thema:                Tel. 089 54 82 98‐63
                                                                                         Naturschutz in Bayern e.V.
Thomas Frey                               Fax 089 54 82 98‐18
                                                                                         Redaktion und Text:
thomas.frey@bund-naturschutz.de           fa@bund‐naturschutz.de                         Margret Hütt, Axel Doering
                                          www.bund‐naturschutz.de                        Titelbild: BN-Kreisgruppe
                                                                                         München                  8
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