Balanced Scorecard als Management-Instrument im Spital am Beispiel der Spital Thun-Simmental AG
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Balanced Scorecard als Management-Instrument im Spital am Beispiel der Spital Thun-Simmental AG PROJEKTARBEIT der Universität St. Gallen Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung des Titels Executive MBA HSG vorgelegt von RA Romeo Minini / Arogno TI Dr. Markus Naef / Brunnadern SG Dr. Marcel Ottiger / Rothenburg LU Genehmigt auf Antrag von Prof. Dr. Johannes Rüegg-Stürm
Balanced Scorecard als Management-Instrument im Spital 2 Management Summary Die Führung eines modernen Spitals verlangt wie jede Unternehmensführung Kenn- zahlen. Allerdings erfüllen die heute im Spitalbereich mehrheitlich eingesetzten Sys- teme die Anforderungen einer strategieorientierten Spitalführung höchstens bedingt. Dies gilt sowohl für die wenig zielorientierten Messkriterien als auch für die unzurei- chende Erfassung immaterieller Leistungen und Werte. Abhilfe kann die Einführung der Balanced Scorecard (BSC) schaffen, die die Soll-Ist-Werte für die Kriterien Fi- nanzen, Kunden, Prozesse und Innovationen vergleicht und damit auch zukunftsge- richtete Kennzahlen bereitstellt. Die Befragung von verschiedenen Anspruchsgruppen aus dem Spitalbereich ergibt ein klares Bild: Die BSC ist ein geeignetes Instrument für ein Spital, eine Unterneh- mensstrategie in verschiedenen Perspektiven zu definieren, welche in massgebli- cher Weise den Erfolg eines Spitals beeinflussen können. Der Umschreibung der strategischen Zielsetzungen sowie der Festlegung der Kennzahlen ist gleichermas- sen Beachtung zu schenken wie der stufengerechten Kommunikation und Informati- on von Strategie und Teilzielen für die betroffenen Mitarbeiter. Werden bei der Umsetzung Chancen und Möglichkeiten ausgeschöpft sowie die Risiken realistisch eingeschätzt und nach Möglichkeit begrenzt, steht einer erfolgrei- chen Einführung und Umsetzung einer BSC im Spital nichts im Wege. Für das Ma- nagement und die einzelnen Mitarbeiter bedeutet die BSC nicht nur eine besondere Herausforderung bei der Einführung, sondern ebenso sehr bei der Umsetzung. Da- bei darf der Faktor Zeit in diesen Prozessen nicht unterschätzt werden. Zudem kann auch eine massgeschneiderte Implementierung einer BSC keine absolute Garantie für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit eines Spitals darstellen, solange die dazu notwendigen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen von der Politik, den Re- gierungen auf den Stufen Bund, Kantone und Gemeinden sowie dem Stimmvolk nicht geschaffen werden. © Sanascope 2004
Balanced Scorecard als Management-Instrument im Spital 3 Ausgangslage Die Führung eines Spitals in der heutigen Zeit wird anspruchsvoller und komplexer. Zum einen entwickeln sich die Spitäler zu modernen Dienstleistungsunternehmun- gen, die in einem gewandelten Umfeld wirtschaftlich überleben müssen und zugleich dem stets zunehmenden Anforderungskatalog an medizinisch-technischen Leistun- gen zu entsprechen haben. Zum andern haben sich die Rahmenbedingungen für die Führung eines Spitalbetriebs in radikaler Weise verändert. Noch vor wenigen Jahren konnte ein öffentliches Spital von einer gesicherten Finanzierung für den Betrieb ausgehen und zugleich erwarten, dass die regelmässig erwirtschafteten Defizite mit öffentlichen Geldern abgegolten werden. Eine eigentliche „Verwaltungsmentalität“ beherrschte das öffentliche Gesundheitswesen und namentlich die Spitalführung. Kostenführerschaft, Transparenz im Kosten- und Leistungsbereich, Massnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, allenfalls sogar verknüpft mit Kosteneinspa- rungen und Optimierungsmöglichkeiten in der Organisation und der Festlegung der Abläufe, wurden nicht näher untersucht, zumal diese Themen weder von der Politik noch der öffentlichen Hand kaum jemals aufgegriffen wurden. Diese Zeiten sind heute vorbei. Das stetige Wachstum der Gesundheitskosten wird zum prioritären politischen Diskussionspunkt. Bislang hat die Politik allerdings ihre Aufgaben nur in sehr begrenztem Masse erfüllt, zumal durchgreifende Massnahmen bisher nicht gefunden wurden oder die erforderliche politische Akzeptanz für einzel- ne Schritte fehlte. Die Spitäler werden sich daher in einem sich stets wandelnden Umfeld neu positio- nieren und wirtschaftlich behaupten müssen. Dabei prägen verschiedene Faktoren die Ausrichtung der Strategie sowie die operative Geschäftsführung eines Spitals. Zu erwähnen sind einmal die allseits bekannten Kriterien wie demographische Entwick- lung und Ausdehnung des medizinischen Leistungsangebots. Daneben hat sich das Management vermehrt mit den knapper werdenden finanziellen Ressourcen, den komplexer und auch unberechenbarer gewordenen politischen Meinungsbildungs- prozessen, der zunehmenden Regulierungsdichte im Gesundheitswesen und mit den gesteigerten Anforderungen der Patienten an die gesamten Dienstleistungen © Sanascope 2004
Balanced Scorecard als Management-Instrument im Spital 4 eines Spitals auseinander zu setzen. Kommt hinzu, dass im Zusammenhang mit verstärktem Wettbewerbsdruck auch im Spitalbereich die Beachtung wirtschaftlicher Kriterien und eine Ausrichtung auf eine effiziente sowie effektive Betriebsführung für ein Spital lebenswichtig werden. Allerdings darf das „Produkt Gesundheit“ nie aus den Augen verloren werden. Die humanitären, gesellschaftlichen und letztlich auch ethischen Grundwerte sind bei der Führung eines Spitals in einem von der Allgemeinheit verlangten Masse stets mit zu berücksichtigen. Daher kann nicht erwartet werden, dass eine ausschliesslich nach betriebswirtschaftlichen Kriterien ausgerichtete Spitalführung im Umgang mit dem höchsten Gut eines Menschen, mithin seiner Gesundheit, vom einzelnen Patienten wie von der Gesellschaft jemals akzeptiert wird. Verlangt wird somit eine Maximie- rung des Gutes „Gesundheit“ für den Einzelnen unter gleichzeitiger Berücksichtigung der begrenzten Ressourcen, welche die Gesellschaft bereitstellen kann. Ein Spitalmanagement hat sich mit diesen Rahmenbedingungen, namentlich dem Druck der Politik, der Gesellschaft und dem Wettbewerb sowie den drohenden Inte- ressenkonflikten zwischen einer leistungsorientierten Gesundheits- und tragbaren Wirtschaftspolitik in zunehmendem Masse zu befassen. Für die Leitung eines Spitals stellt sich daher auch die Frage nach der Auswahl von geeigneten Instrumenten und Systemen, um die eigenen Leistungen in einem kom- plexen Umfeld zu erfassen und zu bewerten, ohne dass allerdings der Fokus aus- schliesslich auf interne Kosten- und Finanzkennzahlen gerichtet wird. Die Führung eines Spitals wird auf ein ausgewogenes Managementsystem wie der BSC kaum mehr verzichten können, wenn die Aufgaben eines Spitals weiterhin im von der Ge- sellschaft erwarteten Masse wahrgenommen und die Position im wirtschaftlichen und politischen Umfeld gehalten oder verbessert werden sollen. © Sanascope 2004
Balanced Scorecard als Management-Instrument im Spital 5 Balanced Scorecard als taugliches Instrument Die BSC beschreibt die Strategie eines Unternehmens in vier verschiedenen Per- spektiven (Finanzen, Kunden, interne Prozesse und Innovation/Entwicklung). Für diese Perspektiven werden strategische Ziele definiert. Zudem werden Massnah- men, Projekte, Programme usw. festgelegt, die zur Umsetzung der einzelnen strate- gischen Ziele erforderlich sind. Der Stand der Erfüllung der definierten Ziele wird mit Hilfe von Kennzahlen überprüft; diese stellen Messgrössen dar, die vom Spital sel- ber ausgewählt und konkretisiert werden. In dieser Arbeit wird gezeigt, dass Wettbewerbsvorteile eines Spitals in Bereichen liegen können, die nicht ausschliesslich mit Finanzkennzahlen zu begründen sind, sondern beispielsweise mit der Qualität der medizinischen Leistungen, dem übrigen Dienstleistungsangebot oder der generellen Patientenzufriedenheit zusammenhän- gen. Werden strategische Zielsetzungen in diesen Bereichen festgelegt, müssen Kennzahlen für die Überprüfung der Zielerreichung bestimmt werden, die den ver- schiedenen Perspektiven einer BSC zugeschrieben werden können. Einer BSC liegt somit eine umfassende Bewertung der unterschiedlichen, zum Teil allenfalls diver- gierenden Zielsetzungen eines Spitals zugrunde. Insbesondere eignet sich eine BSC auch dazu, mit Blick auf die verschiedenen Perspektiven ausgewogene Zielsetzun- gen zu formulieren. Diese können ausserdem den komplexen Rahmenbedingungen und breit gefächerten Bedürfnissen der von den Dienstleistungen eines Spitals be- troffenen Personen Rechnung tragen. Eine Beurteilung aller Spitalleistungen in sämtlichen Perspektiven wird daher erst mit einer BSC (oder einem vergleichbaren System) ermöglicht. Zugleich werden die unterschiedlichen Anliegen der Mitarbeiter eines Spitals breiter erfasst. Dieser Aspekt gewinnt an Bedeutung, wenn davon ausgegangen wird, dass eine erfolgreiche Umsetzung einer BSC motiviertes Personal auf allen Stufen vor- aussetzt. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die konkretisierten und auf abtei- lungs- wie personenbezogene Teilziele heruntergebrochene Strategie als „Papierti- ger“ betrachtet wird und der angestrebte Nutzen mit der Einführung und Umsetzung einer BSC ausbleibt. © Sanascope 2004
Balanced Scorecard als Management-Instrument im Spital 6 Eine erfolgreiche Umsetzung einer BSC hängt mithin von verschiedenen Faktoren ab. Vorab steht die erfolgreiche Kommunikation der Strategie, welche gleichsam den unternehmerischen Funken auf jeden einzelnen Mitarbeiter eines Spitals springen lässt. Sodann sind realistische und mit Blick auf vorhandene Ressourcen lösbare Zielvorgaben für Abteilungen und Einzelpersonen festzulegen. Unerlässlich ist zu- dem die Einführung einer transparenten und als gerecht empfundenen Beurteilung, allenfalls verknüpft mit einem Anreizsystem. Ausserdem sind ein Lernprozess zu starten und eine Unternehmenskultur zu leben, welche diese Prozesse nicht er- schwert oder sogar verhindert. Mit der vorliegenden Arbeit wird aufgezeigt, dass eine BSC als ein taugliches In- strument im Spital zu betrachten ist, um ein umfassendes Bewertungssystem aus verschiedenen Perspektiven aufzubauen und zur Umsetzung von strategischen Zielen zu nutzen. Von der Präsentation eines Standardkonzepts im Sinne einer Mus- terlösung ist allerdings abzusehen. Nicht nur die hohe Komplexität mit sich stets ändernden Rahmenbedingungen des Umfeldes, sondern ebenfalls die Entwick- lungsschritte im medizinischen Leistungsangebot sowie die gesteigerten Patienten- bedürfnisse verlangen eine auf die permanente Überprüfung der gewählten Zielvor- gaben und Kennzahlen ausgerichtete Vorgehensweise. Somit stehen Einführung und Umsetzung einer BSC in einem dynamischen Prozess. © Sanascope 2004
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