Studierendenentwicklung weniger studierende aufgrund von studiengebühren?
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stu di e re n de n e ntwic k lu n g weniger studierende aufgrund von studiengebühren? stu di e nge bü h re n u n d stu - Indikatoren und Gewichtung di e re n de nzah le n: n egative I.1 Studierendenzahl, 2005–2009 (20 %) e ffe kte n icht nachwe isbar I.2 Studienanfängerquoten, 2005–2008 (20 %) I.3 Übergangsquoten, 2005–2008 (20 %) Im Jahr 2009 begannen in Deutschland I.4 Wanderungsbewegungen, 2005–2008 (20 %) I.5 Ausländische Studierende, 2005–2008 (20 %) über 420.000 Studierende ein Studium. Das waren etwa 66.000 mehr als 2005, dem Jahr, in dem durch das Urteil des vorn, gefolgt von den Gebührenländern Bundesverfassungsgerichts die länder- Hamburg und dem Saarland sowie Ber- weise Einführung allgemeiner Studien- lin, Hessen und Thüringen. Sachsen- gebühren ermöglicht wurde. Die relati- Anhalt und Schleswig-Holstein entwi- ve Zunahme ist in den Ländern, die ak- ckelten sich unterdurchschnittlich. tuell Gebühren erheben, ähnlich hoch Schlusslicht ist das Gebührenland Nie- wie in den Nicht-Gebührenländern, dersachsen. Die drei großen Gebühren- nämlich 11% und 12%. Auch die Zahl länder Baden-Württemberg, Bayern der Studierenden insgesamt hat sich na- und Nordrhein-Westfalen befinden sich hezu gleich entwickelt. Im Vergleich der im Mittelfeld. Gebührenländer und Bundesländer mit und ohne Gebühren Nicht-Gebührenländer verteilen sich lassen sich also auf den ersten Blick kei- also in ähnlicher Weise auf die einzel- ne Unterschiede bei der Studierenden- nen Bewertungskategorien. Ein klarer entwicklung feststellen. Zusammenhang zwischen Studieren- Dennoch gilt: Zwischen den einzel- denentwicklung und Studiengebühren nen Ländern gibt es große Unterschiede. ist nicht erkennbar. Deshalb untersucht der Ländercheck die Indikatoren Studierendenzahlen, Studienanfänger- und Übergangsquo- ten sowie Wanderungsbewegungen zwischen den Bundesländern und Zu- zug aus dem Ausland. Die Teilbetrach- tung dient dem Ziel festzustellen, ob sich die Gebührenländer doch mehr- heitlich anders entwickeln als die Mehr- zahl der Nicht-Gebührenländer. In einer Gesamtbetrachtung der fünf ge- nannten Indikatoren liegt Brandenburg St i f t e rv e r ba n d Seite 4 L ändercheck St u d i e r e n d e n e n t w i c k l u n g
me h r stu di e nan fänge r Demografie und bildungspolitische auch i n ge bü h re n län de rn Rahmenbedingungen wie Studienplatz- In den meisten Bundesländern hat die angebote und der Anteil derjenigen eines Zahl der Studierenden zwischen 2005 Jahrgangs, der überhaupt eine Hoch- und 2008 zugenommen, nur in zwei schulzugangsberechtigung erwirbt, be- Ländern ist sie gesunken. Die Unter- stimmen ganz wesentlich die Entwick- schiede zwischen den Ländern sind da- lung der Studierendenzahlen. Ein weite- bei groß. Während in Brandenburg die rer Faktor ist die individuelle Studien Zahl der Immatrikulierten seit 2005 um entscheidung, die von persönlichen Le- fast 20 % gestiegen ist, verzeichnet Bre- benszielen, dem sozialen Umfeld, der men einen Rückgang von knapp 12 %. Attraktivität der Studiengänge, späteren Sehr positiv hat sich die Zahl der Studie- Berufsaussichten, aber auch den Kosten renden auch in den Gebührenländern eines Studiums – einschließlich der Stu- Saarland (+17 %) und Baden-Württem- diengebühren – abhängt. berg (+13 %) entwickelt. Zu den Schluss Ein Maß für die Studierendenent- lichtern zählt aber auch Niedersachsen wicklung, das demografische Verände- (-5 %), das ebenfalls Studiengebühren rungen bei dieser Entwicklung weitge- erhebt. hend herausrechnet, ist die Studienan- Wie sich die Studierendenzahlen in fängerquote. Sie misst, wie hoch der An- einem Bundesland verändern, hängt teil der Studienanfänger an dem entspre- insbesondere von vier Faktoren ab: chenden Altersjahrgang der Bevölkerung durchweg niedriger als im Süden. (1) Wie verläuft die demografische Ent- ist. Die Studienanfängerquote variiert je Zeitgleich mit Einführung der Stu- wicklung, also sind nachfolgende nach Studienort deutlich. In den Stadt- diengebühren ließ sich in den meisten Jahrgänge stärker oder schwächer staaten kommen auf 100 Jugendliche der betroffenen Ländern ein Rückgang der besetzt? entsprechenden Altersgruppe zwischen Studienanfängerquoten beobachten. Be- (2) Wie viele Jugendliche erwerben eine 54 (Berlin) und 70 (Bremen) Personen, sonders auffällig war diese Entwicklung Studienberechtigung? die an einer Hochschule eingeschrieben in Nordrhein-Westfalen, wo die Quote (3) Wie viele davon beginnen ein Studi- sind. Diese hohe Quote hat auch damit innerhalb eines Jahres um über drei Pro- um? zu tun, dass viele Jugendliche aus ländli- zentpunkte zurückging. Allerdings (4) Wie viele Studienanfänger kommen chen Gebieten in die Städte ziehen, um scheinen diese Effekte eher Einmaleffek- aus anderen Ländern (national und dort ein Studium aufzunehmen. Im übri- te zu sein, die nicht den Trend zu höhe- international) bzw. wählen einen gen Bundesgebiet fällt ein Nord-Süd Ge- ren Studierendenzahlen insgesamt bre- Studienort außerhalb des Heimat- fälle auf. In den nördlichen Bundeslän- chen. Zwei Jahre nach Einführung der landes? dern sind die Studienanfängerquoten Gebühren lagen die Quoten in allen St i f t e rv e r ba n d Seite 5 L ändercheck St u d i e r e n d e n e n t w i c k l u n g
stu di e re n de n e ntwic k lu n g bran de n bu rg, hambu rg Ländern wieder über dem alten Stand (s. u n d be rli n ste ige rn ü be r- Abb.). So zählen im Zeitraum 2005 bis gangsquote am me iste n 2008 zwei Gebührenländer zu den Ge- winnern bei der Studienanfängerquote. Gut 40% eines Jahrgangs beginnen ak- In Hamburg stieg die Quote um fast tuell ein Studium. Doch nur ein Teil ei- zehn Prozentpunkte auf 63,8 %, in Ba- nes Jahrgangs ist überhaupt berechtigt, den-Württemberg um knapp acht Punk- ein Studium zu beginnen. Die so ge- te auf 47,2%. Dort ist allerdings mit der nannte Übergangsquote misst deshalb, Umwandlung der ehemaligen Berufs- wie gut das Potential der Studienberech- akademien in die Duale Hochschule ein tigten ausgeschöpft wird. Ein veränder- Sondereffekt zu berücksichtigen. Aller- tes Verhalten, etwa Studienverzicht we- dings zählen auch drei Gebührenländer gen Studiengebühren, lässt sich an die- zu der Gruppe mit der schlechtesten sem Indikator sehr rasch ablesen. Im Entwicklung. Bayern, Niedersachsen Jahr 2008 lag diese Quote (Studienbe- und Nordrhein-Westfalen konnten ihre ginn im Jahr des Erwerbs der Studienbe- Studienanfängerquote kaum steigern. rechtigung) wieder auf dem Wert von Die Wachstumsfaktoren in Mecklen- 2005, nämlich bei rund 36%. Im Laufe burg-Vorpommern (+4,5 Prozentpunk- der Jahre nach Erwerb der Studienbe- te) und Sachsen-Anhalt (+1,8) beruhen rechtigung steigt dieser Wert noch deut- auf doppelten Abiturjahrgängen, die von lich an, etwa auf rund zwei Drittel drei der Verkürzung auf 12 Schuljahre her- Jahre später. Am meisten gesteigert ha- rühren. Beide Länder landen trotz dieses ben die Quote Brandenburg, Hamburg Extraeffekts nur im Mittelfeld bei der Be- und Berlin. Die Quote verbesserte sich wertung der Studienanfängerquote. in diesen drei Ländern jeweils um zwei bis drei Prozentpunkte. Länder mit Stu- diengebühren schneiden nicht besser oder schlechter ab, als Länder ohne Stu- diengebühren. Ein Knick nach Einfüh- rung der Gebühren wurde wie bei den Studienanfängerquoten in den Folgejah- ren rasch ausgeglichen. St i f t e rv e r ba n d Seite 6 L ändercheck St u d i e r e n d e n e n t w i c k l u n g
ke i n e flucht aus ge bü h re n län de rn Zum Zeitpunkt der Datenerhebung 2008 hatten zehn von sechzehn Bundes- ländern keine allgemeinen Studienge- bühren erhoben. Um Studiengebühren zu vermeiden, war es also möglich, an eine Hochschule in einem gebührenfrei- en Land zu wechseln oder einen Wech- sel in ein Gebührenland zu vermeiden. Wenn Studiengebühren eine stark ab- schreckende Wirkung entfalten, müsste zumindest der Zuzug in die Gebühren- länder abgenommen haben. Bisher vorliegende Daten zu den Wanderungsbewegungen der Studieren- den lassen diesen Schluss nicht zu. Denn in vier der sechs Gebührenländer hat sich der Wanderungssaldo zwischen 2005 und 2008 verbessert. Der Wande- rungssaldo oder der »Nettoimport« von Nordrhein-Westfalen haben ihr Wande- rungssaldo beschreibt die Differenz zwi- Studierenden, die Berlin über seine Lan- rungsplus ausgebaut, in Schleswig-Hol- schen Studierenden eines Landes (ohne deskinder hinaus ausbildet. Die Import- stein und Baden-Württemberg ist das zugewanderte Bildungsausländer) und quote betrug damit 17,7%. Typischer- Wanderungsminus gesunken. Kaum denjenigen, die in diesem Land die weise wandern Studierende eher in die Veränderungen gab es in Bayern, eine Hochschulzugangsberechtigung erwor- Städte, deshalb haben die drei Stadtstaa- Verstärkung des negativen Saldos dage- ben haben und in Deutschland studie- ten das größte Wanderungsplus, wäh- gen nur in Niedersachsen. Eine Flucht ren. Dieser Saldo kann groß sein. Im rend die sie umgebenden Flächenländer aus den Gebührenländern oder ein Jahr 2008 waren beispielsweise über Brandenburg, Schleswig-Holstein und Rückgang der Zuwanderung dorthin ist 117.000 Studierende aus Deutschland Niedersachen das größte Wanderungs- also nicht festzustellen. an Berliner Hochschulen eingeschrie- minus aufweisen. Vor Einführung der ben. Doch nur 93.000 junge Berliner Studiengebühren lag der Wanderungs- studierten in Berlin oder einer Hoch- saldo aller heutigen Gebührenländer bei schule eines anderen Bundeslandes. Die rund -9.000. Bis 2008 hat es sich auf Differenz von 24.000 ist der Wande- etwa -5.000 reduziert. Hamburg und St i f t e rv e r ba n d Seite 7 L ändercheck St u d i e r e n d e n e n t w i c k l u n g
stu di e re n de n e ntwic k lu n g ausländer kommen seltener Dass Studiengebühren in Deutsch- – auch i n ge bü h re n län de r land keinen deutlichen Effekt auf aus- Lange galt die Gebührenfreiheit als ländische Studieninteressenten haben, Standortvorteil der deutschen Hoch- dürfte damit zu tun haben, dass alterna- schulen im Wettbewerb um gute auslän- tive Zielländer oft ebenfalls Studienge- dische Studierende, die sich keine ho- bühren erheben. Lediglich in Skandina- hen Gebühren leisten können oder wol- vien verlangen die Hochschulen in der len, wie sie an vielen Universitäten an- Regel keine Studiengebühren. In den derer Länder anfallen. Tatsächlich ist wichtigsten Zielländern für angehende der Anteil von Studienanfängern, die Akademiker, Großbritannien und den aus dem Ausland für ein Studium nach USA, liegen die Gebühren dagegen oft Deutschland kommen, zwischen 2006 im fünfstelligen Bereich und damit um und 2009 bundesweit leicht zurückge- ein Vielfaches über den Gebühren in gangen – von 15,6 % auf 14,7 % aller Deutschland. Studienanfänger. Dies ist jedoch kein Trend, der die Gebührenländer in be- sonderem Maße trifft. So konnte Ham- burg sogar mehr Ausländer an die hei- mischen Hochschulen locken, Nord- rhein-Westfalen konnte den Anteil im- merhin konstant halten. Die anderen Gebührenländer entwickelten sich hier unterdurchschnittlich. St i f t e rv e r ba n d Seite 8 L ändercheck St u d i e r e n d e n e n t w i c k l u n g
meinung stu d i e nve rzicht wege n stu di e nge bü h re n? Die HIS Hochschul-Informations-System GmbH hat 2006 Studienberechtigte aus allen Bundesländern zu möglichen persönlichen Konsequenzen aus der Einführung von Studiengebühren befragt. Die Befragten äußerten sich ein halbes Jahr, nachdem sie die Hochschulzugangsberechtigung, in den meisten Fällen das Abitur, erworben hatten. Rund 5% sagten aus, bei Studiengebühren ganz auf ein Studium zu verzichten oder den Verzicht zu erwägen, obwohl sie gerne studieren würden. Auf der Basis dieser Zahlen schätzt HIS, dass 6.000 bis 18.000 Studienberechtigte durch Studiengebühren tatsäch- lich von einem Studium abgehalten werden. Weitere 6% im Durchschnitt gaben an, sich auf jeden Fall eine Hochschule ohne Gebühren zu suchen. Im Ländervergleich ist auffällig, dass Befragte aus Ländern, die keine Studiengebühren einführen wollten, viel häufiger angaben, Konsequenzen aus einer Einführung von Studiengebühren zu ziehen, als in Ländern, in denen Gebühren konkret geplant waren. Konkret vor die Entscheidung gestellt, scheinen also letztendlich andere Gründe die Studien(ort)wahl stärker zu be- einflussen als mögliche Gebühren. St i f t e rv e r ba n d Seite 9 L ändercheck St u d i e r e n d e n e n t w i c k l u n g
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