BAUSTEINE zur Enzyklika Laudato Si' - Über die Sorge für das gemeinsame Haus von Papst Franziskus - Misereor
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BAUSTEINE zur Enzyklika Laudato Si’ Über die Sorge für das gemeinsame Haus von Papst Franziskus MISEREOR – Bausteine zur Enzyklika „Laudato Si‘ “ 1
Impressum 2., erweiterte und leicht überarbeitete Auflage Herausgeber Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e.V. Mozartstr. 9 52064 Aachen Deutschland www.misereor.de Redaktion Markus Büker Pädagogische Mitarbeit Anne Ulmen Layout VISUELL, Aachen Aachen, Dezember 2015 2 MISEREOR – Bausteine zur Enzyklika „Laudato Si‘ “
INHALT 1. Einführung in die Bausteine HERAUSFORDERUNGEN (SEHEN) Markus Büker, MISEREOR 3. Klima.Gerechtigkeit Stefan Tuschen, MISEREOR 2. Internationale Botschaften der Kirchen 4. Ernährung und Religionen zum Klimawandel – mit Blick Anja Mertineit, MISEREOR auf den Weltklimagipfel in Paris (COP 21), Dezember 2015 5. Lebensraum Stadt Almuth Schauber, MISEREOR KATHOLISCHE STIMMEN 1. Botschaft der katholischen Bischöfe Ozeaniens SPIRITUALITÄT UND THEOLOGIE (August 2015) DER SCHÖPFUNG (URTEILEN) 2. Aufruf der Kontinentalen Bischofskonferenzen 6. Ökologische Spiritualität – nicht nur der fünf Kontinente (26. Oktober 2015) für Ordensleute Wolfgang Schonecke, 3. Auszug aus der Stellungnahme der Katholischen Netzwerk Afrika-Deutschland, Berlin Hilfswerke (CIDSE), Bedeutung von Laudato Si’ für die 7. „herrschen“ oder „hüten“– Weltklimakonferenz und darüber hinaus Gen 1,28 und 2,15 in Diskussion (Oktober 2015) Klaus Bieberstein, Universität Bamberg 4. Mit Laudato Si´ angesichts von Umwelt- 8. Alles, was ist, ist Schöpfung katastrophen und Klimawandel in Asien Ulrich Lüke, RWTH Aachen arbeiten. PASTORALE INITIATIVEN (HANDELN) Oswald Kardinal Gracias, Erzbischof von Mumbai, Indien (30. November 2015) 9. Ökologische Umkehr Norbert Mette, Universität Dortmund STIMMEN AUS KIRCHEN UND RELIGIONEN 10. Fastenzeit 2016 5. Erklärung von Religions- und Glaubensvertretern Thomas Schmidt, MISEREOR (22. September 2015) 6. Auszüge aus jüdischen, islamischen, 4. Musterstunden für den Unterricht buddhistischen und interreligiösen Dokumenten 1. Sekundarstufe 1 ausgewählt und kommentiert Kim Hasebrink, MISEREOR von Kathrin Schroeder, Misereor 2. Sekundarstufe 2 Michaela Weitzenberg, MISEREOR AGENDA 2030 7. 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, SDGs 5. Gottesdienst (Vereinte Nationen, 25. September 2015) Petra Gaidetzka, MISEREOR 3. Impulse für Gruppen 6. Weiterführendes Material ZENTRALE AUSSAGEN 1. Gerechtigkeits- und Umweltenzyklika Markus Büker, MISEREOR 2. Dialog mit allen – zum Verstehen und Handeln angesichts der planetaren Krise Christoph Bals, Germanwatch Alle Bausteine stehen gebündelt und einzeln auf www.misereor.de/laudato-si zum Download bereit. MISEREOR – Bausteine zur Enzyklika „Laudato Si‘ “ 3
1 EINFÜHRUNG IN DIE BAUSTEINE Markus Büker, MISEREOR W ir von MISEREOR halten die Enzyklika an politische Verantwortungsträger gewandt. Ihre zehn Laudato Si’ von Papst Franziskus für Forderungen an den Gipfel in Paris untermauern sie in zentral. Er formuliert darin wesentli- Berufung auf Laudato Si’. che Einsichten, wie heute in globalen Zusammenhängen Papst Franziskus wendet sich mit seiner Enzyklika an gutes Leben, Gerechtigkeit, Respekt vor den natürlichen jeden Menschen, der auf der Erde wohnt (LS 3). Er tritt Grenzen, Fortschritt möglich sind. Mit ihrem ethisch-theo- damit auch in Dialog mit der internationalen Staaten- logischen Fundament wird sie die notwendigen Verände- gemeinschaft, die sich im September 2015 in New York rungen, um das Leben auf unserem Planeten für alle zu angesichts der weltweiten Nöte auf die Agenda 2030 ermöglichen, in den kommenden Jahren mitprägen. Wir geeinigt hat. Diese Agenda beschreibt 17 weltweite Ent- fühlen uns bei MISEREOR dazu aufgefordert, Laudato wicklungsziele (SDG), die in den kommenden 15 Jahren Si’ stark zu machen, weil viele unserer Partner in Afrika, erreicht werden sollen. Armut, Hunger, Unterdrückung Asien und Lateinamerika genau die Nöte, Sackgassen und vermeidbare Krankheiten sollen überwunden wer- und Hoffnungen schildern, von denen Papst Franziskus den, Bildung, Beteiligung und Sicherheit in einer intakten in Laudato Si’ spricht. Wir haben mit den Partnern und in Natur für alle gegeben sein. Der Clou: dieses Mal werden vielen Bündnissen in Deutschland bzw. Europa gelernt, Ziele für alle Länder formuliert. Nicht nur arme Länder und wie Verbesserung von konkreten Lebensbedingungen Schwellenländer, sondern auch wir, die industrialisierten Hand in Hand mit der Veränderung von politischen und Länder, müssen uns „entwickeln“. Die 17 Ziele zielen auf wirtschaftlichen Strukturen gehen müssen. Fragen zu eine „Transformation“, einen Wandel, der alle betrifft. Die Lebensstilen und Fragen zu machtvollen Strukturen kön- Frage liegt auf der Hand: Welche spezifischen Beiträge nen wir nicht trennen. Die vorliegenden Bausteine wollen leisten wir in unseren verschiedenen Rollen in Kirche und dazu beitragen, in der Bildungsarbeit mit Jugendlichen Gesellschaft zur Umsetzung der Ziele? und Erwachsenen, in Schulen und Gruppen die Enzyklika Die Ankunft Hunderttausender Flüchtlinge und Migran- zu erschließen. Sie enthalten zudem einen Vorschlag, um ten in Deutschland und in Österreich zeigt in eindrucks- im Gottesdienst die Schöpfung, das gemeinsame Haus voller Weise, wie unser Leben hier in Mitteleuropa mit aller, zu feiern. den politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen Laudato Si’ (= LS) wirkt innerhalb wie außerhalb der wie religiösen Verhältnissen weltweit verbunden ist. Kirche. Wir dokumentieren in Kapitel 2 internationale Flüchtlinge und Migrantinnen unter uns lehren uns, dass Botschaften zum Klimawandel aus der katholischen die Trennung zwischen „armem Süden“ und „reichem Kirche sowie aus anderen Kirchen und Religionen. Letz- Norden“ als geographische Beschreibung immer mehr an tere nehmen teils ausdrücklich Bezug auf Laudato Si’. Bedeutung verliert. „Süd“ und „Nord“ werden zu sozialen Angesichts der Weltklimaverhandlungen im Dezember Begriffen. Der „arme Süden“ existiert in Köln, Wien und 2015 in Paris haben sich Ende August 2015 die Bischöfe Luzern, wenn auch noch mit sozialen Mindeststandards Ozeaniens an die Teilnehmenden des Gipfels gewandt. abgefedert, doch vergleichbar der Situation in Johannes- Ihr Impuls wurde von den Bischofskonferenzen aller burg, Jakarta und San Salvador. In all diesen Städten Kontinente aufgenommen. Erstmals in der Geschichte leben wohlhabende Ober- und Mittelschichten, die mit der katholischen Kirche haben sich die Bischofskonfe- ihrem ressourcenintensiven Lebensstil das gemeinsame renzen aller Kontinente in einer gemeinsamen Erklärung Haus aller Menschen in den nächsten Jahrzehnten zer- 4 MISEREOR – Bausteine zur Enzyklika „Laudato Si‘ “
Foto: Schwarzbach / MISEREOR stören werden, wenn ihnen nicht Einhalt geboten wird die Erfahrungen, die sie dabei machen. Schreiben Sie oder sie selber ihre Gewohnheiten ändern. an: markus.bueker@MISEREOR.de. Es ist uns bewusst, dass viele Zeitgenossen Vorbehalte gegenüber päpstlichen Verlautbarungen haben. Das gilt Alle Bausteine stehen gebündelt und kaum weniger für Katholikinnen und Katholiken, aus einzeln auf www.misereor.de/laudato-si deren Tradition heraus Papst Franziskus formuliert. Aber zum Download bereit. Laudato Si’ steht nicht für sich allein. Vielmehr steht die Enzyklika in Bezug zu wesentlichen naturwissenschaft- Wir bei MISEREOR werden von unseren Schwerpunkten lichen, politischen und ethisch-theologischen Diskus- (Ernährung, Klima, Energie, Rohstoffe, Flucht, Stadtent- sionen der heute drängenden Fragen. Die zahlreichen wicklung, Menschenrechte, Gesundheit,…) an den glo- Kommentare aus den Wissenschaften, Umweltorganisa- balen Herausforderungen dran bleiben. Die Enzyklika tionen, Politik und Religionen belegen das. Wir nehmen fordert aber auch uns heraus: Gehen unsere Fragen tief wesentliche Aspekte daraus für diese Bausteine auf: So genug? Kommen wir an die Wurzel der Probleme? Haben besonders Baustein 3 ein erster Versuch, sowohl einzel- wir stichhaltige Argumente für unsere Hoffnung, dass nen als auch Gruppen Elemente in die Hand zu geben, um alle Menschen, die von heute und die in der Zukunft, in sich die Enzyklika zu erschließen. Das kann von verschie- einer intakten Natur werden leben können? – Die Latte, denen Seiten her geschehen: zu Beginn von Baustein 3 die Papst Franziskus legt, ist hoch: „Erkennen wir, dass stehen zwei Texte, die zentrale Aussagen von Laudato Si’ dieses System die Logik des Gewinns um jeden Preis herausarbeiten (3.1 und 3.2). Diese sind wiederum in ei- durchgesetzt hat, ohne an die soziale Ausschließung oder ner separat aufzurufenden Power-Point https://www.mi- die Zerstörung der Natur zu denken? Wenn es so ist, dann sereor.de/fileadmin/publikationen/praesentation-ein- beharre ich darauf – sagen wir es unerschrocken – : Wir fuehrung-enzyklika-laudato-si.pdf zusammen gefasst. wollen eine Veränderung, eine wirkliche Veränderung, Sie umfasst 46 Folien und steht zum Heruntergeladen eine Veränderung der Strukturen. Dieses System ist nicht bereit. Nach dem Dreischritt Sehen – Urteilen – Handeln mehr hinzunehmen; die Campesinos ertragen es nicht, kann man sich ein spezifisches Problem heraussuchen die Arbeiter ertragen es nicht, die Gemeinschaften ertra- (3.3 Klimawandel, 3.4 Ernährung, 3.5 Stadt), man kann gen es nicht, die Völker ertragen es nicht … Und ebenso die zentrale Grundlegung in der Schöpfungstheologie wenig erträgt es die Erde, »unsere Schwester, Mutter aus spiritueller (3.6) und fundamentaltheologischer (3.7) Erde«, wie der heilige Franziskus sagte.1“ Sicht diskutieren, eigene Beiträge zu Lösungen entwi- ckeln, die mit einer „integralen Ökologie“ erreicht werden 1 Papst Franziskus, Ansprache beim Welttreffen der Volksbewe- gungen, Santa Cruz de la Sierra, Bolivien, 9. Juli 2015, zitiert (3.8). Die jährliche Fastenzeit ist im Kirchenjahr der Ort, nach Papst Franziskus, Für eine Wirtschaft, die nicht tötet. um Prozesse der Veränderung in der Pfarrei oder Gruppe Wir brauchen und wir wollen eine Veränderung. besonders bewusst anzugehen (3.9). Uns interessieren Stuttgart, 2015, 37. MISEREOR – Bausteine zur Enzyklika „Laudato Si‘ “ 5
2 INTERNATIONALE BOTSCHAFTEN DER KIRCHEN UND RELIGIONEN ZUM KLIMAWANDEL – MIT BLICK AUF DEN WELTKLIMAGIPFEL IN PARIS (COP 21), DEZEMBER 2015 2.1 BOTSCHAFT DER KATHOLISCHEN BISCHÖFE OZEANIENS (August 2015) D as Exekutivkomitee der Föderation der Es macht uns Mut, dass auch international die Sorge Katholischen Bischofskonferenzen Oze- angesichts von Klimawandel und Erderwärmung wächst. aniens trifft sich gegenwärtig in Nouméa, Aufgeweckt vom vereinten Ruf der Bürger, reagieren Neukaledonien. Als Vertreter der Katholischen Bischofs- Regierungen und internationale Organisationen mit der konferenzen von Australien, des Pazifiks (CEPAC), von Umsetzung und Überwachung ergebnisorientierter po- Neuseeland, Papua-Neuguinea und den Salomonen litischer Strategien zur Bekämpfung von Praktiken und kommen wir aus einer Vielzahl an Inselstaaten, die sich Entscheidungen, die sich auf die Umwelt und unsere über den Pazifik verteilen. Völker schädlich auswirken. 6 MISEREOR – Bausteine zur Enzyklika „Laudato Si‘ “
KATHOLISCHE STIMMEN · STIMMEN AUS KIRCHEN UND RELIGIONEN · AGENDA Besondere Sorge bereiten uns der steigende Meeres- Gesehen und unterzeichnet von folgenden Mitgliedern: spiegel, die Ozeanversauerung und ungewöhnliche Niederschlagsmuster. Sie schaden vielen unserer Ge- –– Erzbischof John Ribat MSC: Vorsitzender des Exeku- meinwesen. In manchen Fällen sind ganze Regionen und tivkomitees der Föderation der Katholischen Bischofs- Staaten durch die unbestreitbare Tatsache des steigen- konferenzen Ozeaniens (FCBCO) und Erzbischof von den Meeresspiegels bedroht. Beispiele aus diesem Teil Port Moresby, Papua-Neuguinea; Vertreter der Katho- der Welt sind die Carteret-Inseln, Fead-Inseln, Kiribati, lischen Bischofskonferenz von Papua-Neuguinea und Marshallinseln, Mortlock Islands, Nukumanu-Inseln, der Salomonen (CBC-PNG/SI) Tokelau und Tuvalu. Die Bemühungen um den Deichbau –– Bischof Robert McGuckin: Stellvertretender Vorsit- sind angesichts der immer höheren Fluten weitgehend zender des Exekutivkomitees der FCBCO; Bischof der Foto: Ressel / MISEREOR wirkungslos und es wird in rascher Folge immer mehr Diözese Toowoomba und Vertreter der Australischen des ohnehin knappen fruchtbaren Bodens und der An- Katholischen Bischofskonferenz (ACBC). baufläche zerstört. Die Umsiedlungsangebote an sich –– Bischof John Bosco Baremes SM: Bischof von Port sind großzügig. Dennoch ist es immer eine schwierige Villa, Vanuatu, und als Vertreter der CEPAC (Bischofs- „Lösung“ – und nicht selten ein Zeichen der Missachtung konferenz des Pazifiks) im Exekutivkomitee der FCBCO. kultureller Identität und Traditionen – ein Volk und seine –– Erzbischof Michel Calvet SM: Erzbischof von Nouméa, Menschen an einem Ort zu entwurzeln und anderswo Neukaledonien, und als Vertreter der CEPAC (Bischofs- neu anzusiedeln. konferenz des Pazifiks) im Exekutivkomitee der FCBCO. In seiner jüngsten Enzyklika Laudato Si’ (über die –– Bischof Colin Campbell: Bischof von Dune- Sorge für das gemeinsame Haus) hat Papst Franziskus die din, Neuseeland, und als Vertreter der Neusee- gesamte Menschheitsfamilie eingeladen – ja gedrängt –, ländischen Katholischen Bischofskonferenz unseren Planeten und seine Völker als unser gemeinsa- (NZCBC) Mitglied im Exekutivkomitee der FCBCO. mes Haus zu begreifen. Ein Haus braucht Pflege und sollte –– Bischof Charles Drennan: Bischof von Palmerston ein sicherer Hafen sein, in dem die nächste Generation North, Neuseeland, und als Vertreter der Neusee- heranwachsen kann. Was einzelnen – besonders auch ländischen Katholischen Bischofskonferenz (NZCBC) wirtschaftlich armen – Familien gut tut, dient auch der Mitglied im Exekutivkomitee der FCBCO. weltweiten Familie, und was für die weltweite Mensch- –– Bischof Vincent Long OFMConv: Weihbischof von heitsfamilie gut ist, sollte auch für die verwundbarsten Melbourne und als Vertreter der Australischen Ka- einzelnen Familien in der Welt gut sein. tholischen Bischofskonferenz (ACBC) Mitglied im Der Schutz der Atmosphäre und der Ozeane sind Exekutivkomitee der FCBCO. eindrucksvolle Beispiele dafür, dass die politischen Vertreter und Anführer der Nationen Verantwortung für Ansprechpartner: Pater Victor Roche, SVD: das Wohlergehen von Menschen über ihre eigenen Küsten Generalsekretär, FCBCO, oder Grenzen hinweg übernehmen müssen. Das erfordert P. O. Box 398, Wigani, NCD, eine mutige, selbstlose und weitsichtige Regierungsfüh- Port Moresby, rung, basierend auf den Prinzipien von Gerechtigkeit und Papua-Neuguinea. Fairness, die das Beste im Menschen widerspiegeln und Telefon: +675-7220-2828; gleichzeitig schützen. E-Mail: cbcgensec@catholic.org.pg Wir verpflichten uns, unsere eigenen Völker – einge- schlossen jene, die zivile Verantwortung tragen –, dazu anzuhalten, ihren Anteil zur Förderung einer nachhaltigen und gerechten Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik in unserer Region zu leisten. Und wir bitten die in Paris Ver- sammelten inständig, beharrlich an einer verbindlichen Übereinkunft zu arbeiten, die die Pflege und den Schutz unseres Planeten – verstanden als das Haus der Bürger und Bürgerinnen dieser Welt – stärkt. Nouméa, im August 2015 MISEREOR – Bausteine zur Enzyklika „Laudato Si‘ “ 7
KATHOLISCHE STIMMEN · STIMMEN AUS KIRCHEN UND RELIGIONEN · AGENDA 2.2 AUFRUF DER KONTINENTALEN BISCHOFSKONFERENZEN AN DIE VERHANDLUNGSPARTEIEN DER COP 21 Den folgenden Aufruf veröffentlichen Kardinäle, Pa- sich an die Verhandlungsparteien der COP 21 in Paris triarchen und Bischöfe aus der ganzen Welt, die die und fordert sie auf, sich aktiv für das Zustandekom- kontinentalen Zusammenschlüsse der nationalen ka- men eines gerechten, verbindlichen und wahrlich tholischen Bischofskonferenzen vertreten. Er richtet transformativen Klimaabkommens einzusetzen. W ir, Kardinäle, Patriarchen und Bischö- Schäden an Klima und Natur ziehen dramatische Wirkun- fe, die die katholische Kirche auf den gen nach sich. Die gravierenden Auswirkungen, welche fünf Kontinenten vertreten, möchten die drastische Beschleunigung des Klimawandels mit gemeinsam, in unserem eigenen Namen und im Interesse sich bringt, betreffen den gesamten Globus. Sie fordern der Menschen, deren Wohlergehen unser Anliegen ist, die uns heraus, unsere Vorstellung von Wachstum und Fort- große Hoffnung vieler ausdrücken, dass die Verhandlun- schritt neu zu bestimmen. Sie stellen unseren Lebensstil gen im Rahmen der COP 21 in Paris zu einem gerechten in Frage. und verbindlichen Klimaabkommen führen. Es ist unumgänglich, dass wir eine einvernehmli- Wir schlagen einen Zehn-Punkte-Maßnahmenplan vor, che Lösung finden,, denn der Umfang und das globa- der auf den konkreten Erfahrungen von Menschen aller le Ausmaß von Klimafolgen bedürfen einer weltum- Kontinente beruht und zwischen dem Klimawandel, der spannende, inter- und intragenerationellen Solidarität sozialen Ungerechtigkeit und der sozialen Ausgrenzung (LS 13, 14, 162). der Ärmsten und Gefährdetsten unserer Mitmenschen Der Papst bezeichnet unsere Erde als „unser ge- einen Zusammenhang herstellt. meinsames Haus“. Demnach müssen wir, um unserer Verpflichtung als Verwalter gerecht zu werden, auch den KLIMAWANDEL: HERAUSFORDERUNGEN möglichen menschlichen und sozialen Verfall im Auge UND CHANCEN behalten, der die Folge einer zerstörten Umwelt ist. Wir fordern einen ganzheitlichen ökologischen Ansatz; In seiner Enzyklika „Lautato Si“ (LS), die sich an „jeden wir rufen dazu auf, soziale Gerechtigkeit in den Mittel- Menschen, der auf diesem Planeten wohnt’ (LS 3) richtet, punkt zu stellen, um „die Klage der Armen ebenso zu erinnert Papst Franziskus daran, dass der Klimawandel hören wie die Klage der Erde“ (LS 49). „eine der wichtigsten aktuellen Herausforderungen an die Menschheit“ darstellt (LS 25). „Das Klima ist ein gemein- NACHHALTIGE ENTWICKLUNG MUSS DIE ARMEN schaftliches Gut von allen und für alle“ (LS 23). Auch die MIT EINBEZIEHEN „Umwelt ist ein kollektives Gut, ein Erbe der gesamten Menschheit und eine Verantwortung für alle“ (LS 95). Während die Kirche die enormen Auswirkungen eines Ob Gläubige oder Nicht-Gläubige – wir sind uns heute rapiden Klimawandels auf den Meeresspiegel, auf ex- im Wesentlichen darin einig, dass die Erde ein gemein- treme Wetterereignisse sowie auf die Verschlechterung sames Erbe ist, von deren Erträgen alle gleichermaßen der Ökosysteme und den Verlust an Biodiversität be- Nutzen ziehen sollen. Für Gläubige ist dies eine Frage dauert, sieht die Kirche auch, wie sich der Klimawandel der Treue gegenüber ihrem Schöpfer, da Gott die Erde höchst nachteilig auf verwundbare Gemeinschaften und für alle, die auf ihr leben, erschaffen hat. Infolgedessen Einzelpersonen auswirkt. Papst Franziskus lenkt unsere muss jeder ökologische Ansatz auch eine soziale Dimen- Aufmerksamkeit auf die irreparablen Folgen, die ein sion beinhalten, in der die Grundrechte der Armen und ungebremster Klimawandel für viele Entwicklungsländer Benachteiligten berücksichtigt werden (LS 93). dieser Erde, verursacht. In seiner Ansprache vor den 8 MISEREOR – Bausteine zur Enzyklika „Laudato Si‘ “
KATHOLISCHE STIMMEN · STIMMEN AUS KIRCHEN UND RELIGIONEN · AGENDA Vereinten Nationen betonte der Papst darüber hinaus, UNSERE ZEHN APPELLE: dass mit dem Missbrauch und der Zerstörung unserer Umwelt ein Prozess einer erbarmungslosen Ausgrenzung 1. nicht nur die technische, sondern besonders auch die einhergeht. 1 ethische und moralische Dimension des Klimawandels zu berücksichtigen, wie es auch der Artikel 3 der United MUTIGE FÜHRUNGSPERSÖNLICHKEITEN Nations Framework Convention on Climate Change UND IHR STREBEN NACH UMSETZBAREN (UNFCCC) vorsieht. VEREINBARUNGEN 2. zu akzeptieren, dass das Klima und die Atmosphäre globale Gemeingüter sind, die allen gemeinsam ge- Der Bau und die Instandhaltung eines gemeinsamen, hören und auch für alle geschaffen sind. nachhaltigen Hauses braucht eine mutige und ideenrei- 3. ein gerechtes, transformierendes und verbindliches che politische Führung. Es bedarf rechtlicher Regelun- globales Abkommen zu verabschieden, welches auf gen, die klare Grenzen setzen und den Schutz unseres unserer Vorstellung einer Welt basiert, die die Notwen- Ökosystems sicherstellen (LS 53). digkeit erkennt, im Einklang mit der Natur zu leben Verlässliche wissenschaftliche Belege machen deut- und die Durchsetzung der Menschenrechte für alle zu lich, dass der beschleunigte Klimawandel vor allem die garantieren, einschließlich derer der indigenen Völker, Folge ungebremster menschlicher Aktivität ist, die nach Frauen, Jugendlichen und Arbeiter. dem bekannten Fortschritts- und Entwicklungsmodell 4. die Erderwärmung nachhaltig einzugrenzen und das vorgeht und ein übermäßiges Vertrauen in fossile Brenn- Ziel einer kompletten Entkarbonisierung bis zur Mitte stoffe setzt. Der Papst und die katholischen Bischöfe von des Jahrhunderts zu fixieren, um höchst klimasensible fünf Kontinenten, berührt von dem bereits entstandenen Völker, wie die auf den pazifischen Inseln und in Küs- Schaden, rufen nachdrücklich zu einer deutlichen Reduk- tenregionen zu schützen. tion des Ausstoßes von Treibhausgasen und anderen –– sicherzustellen, dass die Temperaturschwelle in ei- schädlichen Gasen auf. nem gesetzlich verbindlichen Abkommen verankert Wir schließen uns dem Heiligen Vater an in seinem in- ist, welches darüber hinaus bestimmte ambitionier- ständigen Bemühen um einen bedeutenden Durchbruch te Mitigationsbestrebungen und -verpflichtungen in Paris, mit dem Ziel eines umfassenden und transfor- aller Länder festhält, unter Anerkennung der ge- mierenden Abkommens, welches von allen Beteiligten meinsamen aber unterschiedlichen Verantwortung unterstützt wird und auf den Prinzipien der Solidarität, und den jeweiligen Leistungsfähigkeiten (CBDRRC) der Gerechtigkeit und der Teilhabe gründet 2. Dieses Ab- als auch des Prinzips der Billigkeit, der historischen kommen muss das Gemeinwohl vor nationale Interessen Verantwortung und des Rechts auf nachhaltige stellen. Ebenso ist es wichtig, dass die Verhandlungen zu Entwicklung. einem durchsetzbaren Übereinkommen führen, das unser –– zu gewährleisten, dass das Emissionsverhalten gemeinsames Haus und all seine Bewohner schützt. mit dem Ziel der Entkarbonisierung in Überein- Wir, Kardinäle, Patriarchen und Bischöfe veröffentli- stimmung steht; mit einer verpflichtenden regel- chen einen allgemeinen Aufruf und legen zehn konkrete mäßigen Überprüfung der Verpflichtungen und Vorschläge an die Politik vor. Wir appellieren an die COP der Vorhaben auf der Grundlage von Wissenschaft 21 ein internationales Abkommen zu erarbeiten, um die und Billigkeit. globale Erderwärmung innerhalb jener Größenordnung zu 5. neue Entwicklungs- und Lebensstilmodelle zu ent- halten, mit der laut der internationalen Wissenschaftsge- wickeln, die klimafreundlich sind, Ungerechtigkeit meinschaft katastrophale Klimafolgen vermieden werden überwinden können und es schaffen, Menschen vor können, welche wiederum besonders die Ärmsten und Armut zu bewahren. Das Bedeutendste an diesem am meisten gefährdeten Gemeinschaften treffen würden. Punkt ist jedoch die Notwendigkeit, das fossile Zeit- Wir stimmen darin überein, dass es eine gemeinsame alter zu beenden. Dies beinhaltet, den Ausstoß an aber gleichzeitig unterschiedliche Verantwortlichkeit fossilen Brennstoffen inkl. dem durch Militär, Flug- aller Nationen gibt, da Länder unterschiedliche Enwick- und Schiffsverkehr sukzessive abzubauen und den lungsniveaus aufweisen. Die Notwendigkeit, in diesem Zugriff auf erschwingliche, verlässliche und sichere gemeinsamen Unterfangen zusammenzuarbeiten, ist erneuerbare Energiequellen für alle zu ermöglichen. unerlässlich. 6. den Zugang der Menschen zu Wasser und Land zu sichern, um klima-widerstandsfähige, nachhaltige 1 Ansprache von Papst Franziskus vor den Vereinten Nationen, 25. September 2015 Nahrungssysteme aufzubauen, die solche Lösungen 2 Ansprache von Papst Franziskus an die Umweltminister der bevorzugen, die sich an den Menschen statt an Pro- Europäischen Union, 16. September 2015 fiten orientieren. MISEREOR – Bausteine zur Enzyklika „Laudato Si‘ “ 9
KATHOLISCHE STIMMEN · STIMMEN AUS KIRCHEN UND RELIGIONEN · AGENDA 7. die Einbeziehung und Teilhabe der Ärmsten, Ge- Die Unterschriften der Bischöfe dieser Erklärung: fährdetsten und Betroffensten auf allen Ebenen des Entscheidungsprozesses sicherzustellen. –– Seine Eminenz Oswald Kardinal Gracias, 8. sicherzustellen, dass das Abkommen von 2015 ei- Erzbischof von Bombay, Indien, nen Anpassungsansatz beinhaltet, der angemessen Präsident der FABC (Asien) auf die akuten Bedürfnisse der gefährdetsten Völker –– Seine Eminenz Peter Kardinal Erdo, reagiert und auf lokalen Alternativen aufbauen kann. Erzbischof von Esztergom, Budapest, 9. ins Bewusstsein zu rufen, dass die Anpassungsnot- Präsident der CCEE (Europa) wendigkeiten von der Effektivität der unternomme- –– Seine Eminenz Reinhard Kardinal Marx, nen Mitigationsbestrebungen abhängig sind. Die Erzbischof von München, Deutschland, Hauptverantwortlichen für den Klimawandel haben Präsident der COMECE (Europa) die Verpflichtung, die Gefährdeteren bei ihren An- –– Seine Eminenz Ruben Kardinal Salazar Gomez, passungsstrategien und dem Umgang mit Verlust und Erzbischof von Bogota, Kolumbien, Schaden zu unterstützen sowie ihnen die benötigte Präsident des CELAM (Latein Amerika) Technik zur Verfügung zu stellen und mit ihnen das –– Seine Exzellenz Erzbischof Gabriel Mbilingi, entsprechende Know-How zu teilen. Erzbischof von Lubango, Angola, 10. einen klaren Fahrplan zu entwickeln, der zeigt, wie Präsident des SECAM (Afrika) die Länder vorhersehbaren und gleichbleibenden, –– Seine Exzellenz Erzbischof Joseph Kurtz, wie auch zusätzlichen finanziellen Verpflichtungen Erzbischof von Louisville, nachkommen werden, durch die eine ausgewogene Präsident der USCCB (USA) Finanzierung von Mitigationsbemühungen und Adap- –– Seine Exzellenz Erzbischof John Ribat, tionsbedürfnissen abgesichert ist. Erzbischof von Port Moresby, PNG, Präsident der FCBCO (Ozeanien) All diese Punkte erfordern ein aufrichtiges ökologisches –– Seine Exzellenz Bischof David Douglas Crosby omi, Bewusstsein und eine ihm entsprechende Umweltbildung Bischof von Hamilton, Kanada, (LS 202-215). Präsident der CCCB-CECC (Kanada) –– Seine Seligkeit Bechara Boutros Kardinal Rai, Patriarch von Antiochien (Maronitische Kirche), Präsident des CCPO (Council of Catholic Patriarchs of the Orient) GEBET FÜR UNSERE ERDE Entstanden in Zusammenarbeit mit den katholischen Netzwerken CIDSE und Caritas Internationalis und ge- Gott der Liebe, lehre uns auf diese Welt, unser fördert durch den Päpstlichen Rat „Justitia et Pax“. gemeinsames Haus, Acht zu geben. Schenke den Regierenden bei ihrem Zusammenkommen in Paris ein offenes Ohr für die Klage unserer Erde und die Klage der Armen; vereint im Herzen und im Geiste soll tapfer das gemeinsame Wohl gesucht und der bezaubernde irdische Garten geschützt wer- den, den du für uns erschaffen hast, für uns und all unsere Schwestern und Brüder und für all die nachfolgenden Generationen. Amen. 10 MISEREOR – Bausteine zur Enzyklika „Laudato Si‘ “
KATHOLISCHE STIMMEN · STIMMEN AUS KIRCHEN UND RELIGIONEN · AGENDA 2.3 AUSZUG AUS DER STELLUNGNAHME DER KATHOLISCHEN HILFSWERKE (CIDSE), BEDEUTUNG VON LAUDATO SI’ FÜR DIE WELTKLIMAKONFERENZ UND DARÜBER HINAUS (OKTOBER 2015) D ie nachfolgenden Texte sind Auszüge aus wir eine Vision für die Weltklimakonferenz der Vereinten einem Dokument, das im Oktober 2015 Nationen in Paris, von der wir eine erste Einigung auf auf Initiative der CIDSE-Arbeitsgruppe durchgreifende weltweite Maßnahmen erwarten. Die „Armut und Klimagerechtigkeit“ entstand. Es wurde aufgestellten Forderungen basieren auf den Berichten verfasst von Meera Ghani, Giulia Bondi, Rob Eslworth, unserer Partner, die erleben, wie sich der Klimawandel Sarah Wykes, Maureen Jorand, Jerry Mac Evilly, Geneviève in den armen Ländern auswirkt. Sie basieren auf einem Talbot, Stefan Tuschen und Joanne O’Neill, mit Beiträgen ethischen Ansatz, der an von Anne Laure Sablé und François Delvaux. die Enzyklika Laudato Si’ In der Arbeitsgruppe sind die folgenden Organisa- von Papst Franziskus Über tionen vertreten: Broederlijk Delen (Belgien), CAFOD die Sorge für das gemein- (England und Wales), CCFD-Terre Solidaire (Frankreich), same Haus2 angelehnt ist. Paris, für die Cordaid (Niederlande), Development & Peace (Kanada), Der Papst fordert die Regie- Menschen und für KOO/DKA (Österreich), MISEREOR (Deutschland), SCIAF rungen auf, bei ihren po- den Planeten Was die Enzyklika Laudato Si’ (Schottland) und Trócaire (Irland). litischen Entscheidungen für die Weltklimakonferenz und darüber hinaus bedeutet die moralischen Aspekte Inspiriert durch die Enzyklika Laudato Si’ von Papst stärker zu berücksichtigen Franziskus Über die Sorge für das gemeinsame Haus und die Ärmsten, die am wird in diesem Dokument für die Weltklimakonferenz der stärksten unter den Folgen Vereinten Nationen (COP 21), die vom 30. November bis des Klimawandels leiden, zum 11. Dezember 2015 in Paris stattfindet, und darüber in den Mittelpunkt der De- hinaus eine Vision formuliert. Die Regierungen werden batte zu stellen. In dem darin aufgerufen, bei ihren politischen Entscheidungen vorliegenden Dokument die moralischen Aspekte stärker zu berücksichtigen umreißt die CIDSE, was die und die Ärmsten, die am stärksten unter den Folgen Enzyklika nach ihren Vor- des Klimawandels leiden, in den Mittelpunkt zu stellen. stellungen für die Verein- Die Verfasser richten grundlegende Forderungen an die barung von Paris bedeutet. internationale Gemeinschaft und nehmen auch Bezug In Kopenhagen einigten sich die Vertragsstaaten 2009 auf die Kampagne „Change for the Planet – Care for the darauf, die Erderwärmung auf weniger als 2 Grad im People“, die am 1. Juli 2015 von CIDSE gestartet wurde Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen.3 und auf drei Jahre angelegt ist. Mit ihr soll darauf aufmerk- Ein aktuelles Gutachten4 kommt aber zu dem Schluss, sam gemacht werden, dass gerade Initiativen, die von dass für einige Regionen und empfindliche Ökosysteme den Menschen ausgehen, einen grundlegenden Wandel bereits bei einer Erwärmung von mehr als 1,5 Grad hohe hin zu einer gerechten, nachhaltigen Welt herbeiführen Risiken bestehen.5 Die Welt muss sich zur Bewältigung können. Weitere Informationen sind auf der Website zur der Klimakrise daher ehrgeizigere Ziele setzen. Kampagne1 zu finden. Reichere Länder, die schon seit längerer Zeit industria- Das vollständige Dokument ist in deutscher, eng- lisiert sind und die aktuelle Klimakrise verursacht haben, lischer, französischer und spanischer Sprache auf sollten als Erste handeln. Sie stehen in der vorrangigen www.cidse.org/resources erhältlich. Die deutsche Über- historischen Verantwortung, die Gefahren des Klimawan- setzung wurde durch Elke Wertz angefertigt. dels abzuwenden. Sie sollten die ärmeren Länder bei der Anpassung an den Klimawandel und der Umsetzung ZUSAMMENFASSUNG UND HAUPTFORDERUNGEN 2 http://w2.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/ Herausgeberin des vorliegenden Dokuments ist CIDSE, documents/papa-francesco_20150524_enciclica-laudato- si.html eine internationale Vereinigung von 17 katholischen Ent- 3 http://unfccc.int/resource/docs/2009/cop15/eng/l07.pdf wicklungsorganisationen. In diesem Papier formulieren 4 http://unfccc.int/documentation/documents/advanced_ search/items/6911.php?priref=600008454 1 www.cidse.org/rethinking-development/change-for-the-pla- 5 Structured Expert Dialogue of the 2013-2015 Review (SEDR). net-care-for-the-people.html Siehe: MISEREOR – Bausteine zur Enzyklika „Laudato Si‘ “ 11
KATHOLISCHE STIMMEN · STIMMEN AUS KIRCHEN UND RELIGIONEN · AGENDA alternativer, umweltfreundlicherer Entwicklungsmodelle Land und Wasser) im Einklang steht und Menschen- unterstützen. Daher müssen die Industrieländer ihre rechtsverletzungen ausschließt. Treibhausgasemissionen drastisch reduzieren, um die „ökologische Schuld“ gegenüber den ärmeren Ländern Klimafinanzierung: zu begleichen, und eine angemessene, kalkulierbare –– Die Industrieländer müssen Maßnahmen- und Zeitplä- und zeitnahe Klimafinanzierung in den ärmeren Länder ne vorlegen, aus denen hervorgeht, wie sie die Entwick- sicherstellen. lungsländer unterstützen und das 100-Mrd.-Dollar-Ziel Die Verhandlungen in Paris sollten noch eine Reihe erreichen wollen. Sie sollten die Finanzierung aus weiterer Themen einschließen, wie den Zusammenhang öffentlichen Mitteln erhöhen (insbesondere für Anpas- zwischen Klimawandel und Hunger beziehungsweise sungsmaßnahmen bis 2020 und darüber hinaus) und Ernährungssicherheit, die Notwendigkeit, Milliarden von die Klimafinanzierung alle fünf Jahre überprüfen, um Menschen, die noch nicht an ein Stromnetz angeschlos- eine doppelte Anrechnung bestehender Verpflichtun- sen sind, mit Elektrizität zu versorgen, sowie die Hinter- gen der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit zu fragung des wachstumsorientierten Wirtschaftsmodells verhindern. Die Ausgaben für den Klimaschutz und für und der ausschließlichen Konzentration auf marktbasierte die Anpassung an den Klimawandel müssen in einem Lösungen. ausgewogeneren Verhältnis erfolgen und für beides An der Umweltkrise zeigen sich die systemischen sind getrennte Ziele festzulegen; Mängel einer politischen und ökonomischen Ordnung, die –– Einstellung der Subventionierung der umweltschädli- durch einflussreiche Interessengruppen geprägt wird, und chen fossilen Energieträger. Anhand robuster, trans- einer ausschließlichen Konzentration auf marktbasierte parenter Regeln zur Rechenschaftspflicht ist zu ge- Lösungen, die nicht das Gemeinwohl in den Mittelpunkt währleisten, dass Klimafinanzierung keinen Schaden des wirtschaftlichen Handelns stellen. Das geltende anrichtet, sozial ausgewogen und genderorientiert ist. Wachstums- und Entwicklungsparadigma beruht auf ungerechten Wirtschafts-, Sozial- und Politiksystemen Klima und Landwirtschaft: und auf der ungleichen Verteilung von und Zugang zu –– Einen ausdrücklichen Verweis auf die Folgen des Kli- Ressourcen wie Wasser und Land, die Menschenrechts- mawandels für die Ernährungssicherheit im operativen verletzungen, Umweltschäden, soziale Missstände und Teil des Paris-Abkommens; und die Gewährleistung, Konflikte nach sich zieht. Diese Themen müssen auch über dass die Ernährungssicherheit durch Klimaschutzmaß- die Verhandlungen in Paris hinaus angegangen werden. nahmen nicht beeinträchtigt wird; Schließlich ist die Umweltkrise auch eine moralische –– Die Senkung von Emissionen im Bereich Landnutzung, Krise. Im Geiste der katholischen Soziallehre hat die einschließlich der Landwirtschaft, darf nicht zu einer CIDSE Fragen wie den Klimawandel schon immer aus der Aufweichung der Ziele in anderen Bereichen führen; Perspektive der gesamten Menschheit betrachtet, um –– Unterstützung und Förderung agrarökologischer Me- einen moralischen Kompass zu bieten und Menschen thoden (unter anderem durch öffentliche Mittel) und allerorts zu motivieren, darüber nachzudenken, wie sich nachhaltiger, klimaresilienter Ernährungssysteme. ihre Entscheidungen auf die Ärmsten und Schwächsten Festlegung von Rahmenbedingungen für die Unter- auswirken. stützung von Kleinerzeugern; Aus diesem Grund richtet die CIDSE im Hinblick auf die –– Stärkung der land- und ressourcenbezogenen Gewohn- Weltklimakonferenz in Paris die folgenden grundlegenden heitsrechte zum Schutz indigener Gruppen; Forderungen an die internationale Gemeinschaft: –– Keine Anerkennung der Global Alliance for Climate –– Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger und Smart Agriculture als Lösung für den Klimawandel. eine möglichst rasche Umstellung auf 100 % erneu- erbare Energien einschließlich der Anbindung aller an Zugang zu Energie: eine nachhaltige Energieversorgung (bis spätestens –– Die Verpflichtung zum Ausstieg aus der Nutzung fossi- 2050); ler Brennstoffe und zur Umstellung auf 100 % erneu- –– Verankerung der Obergrenze von 1,5 Grad in einem erbare Energien bis spätestens 2050 sollte auch die rechtsverbindlichen globalen Abkommen; Anbindung aller an eine nachhaltige Energieversorgung –– Vereinbarung eines Ziels zur vollständigen Dekarbo- umfassen, inklusive einer konsistenten politischen und nisierung bis 2050; finanziellen Unterstützung durch die Industrieländer; –– Einrichtung einer fünfjährlichen Überprüfung der Zu- –– Rasche Umsetzung des neuen Nachhaltigkeitsziels sagen und deren Zielvorgaben; (SDG) Nr. 7 ab 2016 zur Gewährleistung einer be- –– Gewährleistung einer an Rechten orientierten Vorge- zahlbaren, zuverlässigen, sicheren und nachhaltigen hensweise, die mit allen relevanten internationalen Energieversorgung für alle. Konventionen (vor allem mit dem Recht auf Ernährung, 12 MISEREOR – Bausteine zur Enzyklika „Laudato Si‘ “
KATHOLISCHE STIMMEN · STIMMEN AUS KIRCHEN UND RELIGIONEN · AGENDA Menschenrechte: der weiteren Zivilgesellschaft aktiv die Verhandlungen –– Ausdrückliche Anerkennung der Tatsache, dass die und hat zentrale Themenkomplexe identifiziert, die in Folgen des Klimawandels die Menschenrechte be- Paris unbedingt geklärt werden müssen. Dabei geht es drohen können; um Fragen der langfristigen Zielsetzung, der Klimafinan- –– Einrichtung eines Sicherungssystems für alle Klima- zierung, der Landwirtschaft, der Menschenrechte und schutzmaßnahmen zur Vermeidung von sozialen der Energiewende. Nachteilen und Umweltschäden, einschließlich eines Der Papst ruft in seiner Enzyklika die Regierungen auf, Beschwerde- und Monitoringystems für betroffene bei allen politischen Entscheidungen die moralischen und Gemeinschaften oder Einzelpersonen. Die Formulie- ethischen Aspekte zu berücksichtigen und die Ärmsten, rungen zum Schutz und zur Durchsetzung der Men- die am stärksten unter den Folgen des Klimawandels schenrechte müssen rechtsverbindlich sein; leiden, in den Mittelpunkt zu stellen. Die CIDSE fordert zu –– Gewährleistung der Geschlechtergleichstellung und einer angemessenen, gerechten und nachhaltigen Nut- einer umfassenden, wirksamen und genderorien- zung und Verteilung der weltweiten Ressourcen auf. Die tierten Beteiligung, der Ernährungssicherheit, der übermäßige Ausbeutung der begrenzten Naturressourcen Widerstandsfähigkeit natürlicher Ökosysteme und muss durch eine Beschränkung des Gesamtverbrauchs einer gerechten Transformation, die menschenwürdige, gestoppt werden. Wirtschaftliche Paradigmen müssen hochwertige Arbeitsplätze schafft; überdacht werden, um die menschliche Schaffenskraft, –– Maßnahmen zur Ermöglichung einer radikalen Ände- soziale Beteiligung, Geschlechtergleichstellung und eine rung der Lebensweise, die einfacher ist und sich durch demokratisch-politische Kultur zu erhalten. Neue Entwick- einen geringen Gesamtenergieverbrauch und die Aus- lungsmodelle würden den Zugang zu Energie, Wasser und richtung auf umweltfreundliche Produkte auszeichnet. Nahrungsmitteln, die sauber und sicher sind, sowie zu Gesundheit und Bildung sicherstellen. EINFÜHRUNG Wir sind eine Menschheitsfamilie, Teil der gesamten Schöpfung, mit der wir in ständiger Wechselbeziehung „Das Klima ist ein gemeinschaftliches Gut von allen stehen. Papst Franziskus schreibt: „Es gibt nicht zwei und für alle. Es ist auf globaler Ebene ein kompliziertes Krisen nebeneinander, eine der Umwelt und eine der Ge- System, das mit vielen wesentlichen Bedingungen für sellschaft, sondern eine einzige und komplexe sozio-öko- das menschliche Leben verbunden ist. Es besteht eine logische Krise. Die Wege zur Lösung erfordern einen sehr starke wissenschaftliche Übereinstimmung darüber, ganzheitlichen Zugang, um die Armut zu bekämpfen, den dass wir uns in einer besorgniserregenden Erwärmung Ausgeschlossenen ihre Würde zurückzugeben und sich des Klimasystems befinden [...] Die Menschheit ist auf- zugleich um die Natur zu kümmern.“ (139) gerufen, sich der Notwendigkeit bewusst zu werden, Wir müssen uns gemeinsam an die Politik wenden Änderungen im Leben, in der Produktion und im Konsum und bei uns selbst mit dem Wandel anfangen. Dieser vorzunehmen, um diese Erwärmung oder zumindest die Aufruf zu einem Paradigmenwechsel findet Gestalt in menschlichen Ursachen, die sie hervorrufen und ver- der CIDSE-Kampagne Care for the Planet – Change for schärfen, zu bekämpfen.“ the People. Ziel der Initiative ist es, bei den Menschen Papst Franziskus, Laudato Si’, ein Umdenken auszulösen, so dass sie ihr Leben radikal Über die Sorge für das gemeinsame Haus (23) auf eine einfachere Lebensweise mit geringerem Gesam- tenergieverbrauch und umweltbewusstem Lebensmittel- Herausgeberin des vorliegenden Dokuments ist CIDSE, konsum umstellen. Weltweit entstehen Initiativen, die eine internationale Allianz von 17 katholischen Entwick- von den Menschen selbst ausgehen. Sie zeigen, dass die lungsorganisationen. Sie formuliert in diesem Papier Menschen längst zu Veränderungen bereit sind, an die eine Vision für die Weltklimakonferenz der Vereinten sich die Politiker immer noch nicht herantrauen7. Nationen in Paris6 und darüber hinaus und nimmt Bezug Der Klimawandel, die anschwellende Umweltkrise, Armut auf die Enzyklika Laudato Si’ von Papst Franziskus Über und Ungleichheit sind zentrale Herausforderungen unse- die Sorge für das gemeinsame Haus. Sechs Jahre nach rer Zeit. Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen dem Weltklimagipfel in Kopenhagen – der weithin als sozialer und ökologischer Gerechtigkeit. An der Umweltkri- gescheitert gilt – haben die Staats- und Regierungschefs se zeigen sich die systemischen Mängel einer politischen erneut die historische Chance, konkrete, ehrgeizige und und ökonomischen Ordnung, die durch einflussreiche gerechte Lösungen zur Bewältigung der Herausforderun- Interessengruppen geprägt wird, und einer ausschließli- gen zu vereinbaren. Die CIDSE verfolgt gemeinsam mit 7 Die CIDSE unterstützt die Aktion People’s Test on Climate, mit 6 Vom 30. November bis zum 11. Dezember 2015 findet die der gemeinsame Erwartungen an die Verhandlungen in Paris 21. Vertragsstaatenkonferenz (COP 21) der Klimarahmenkon- formuliert werden: sofortige und drastische Reduzierung der vention der Vereinten Nationen (UNFCCC) in Paris statt. Sie Treibhausgasemissionen; angemessene Unterstützung für bildet den Abschluss einer einjährigen Verhandlungsrunde, einen gesellschaftlichen Wandel; Gerechtigkeit für die vom in der die Länder aufgefordert waren, Vereinbarungen zu ver- Klimawandel Betroffenen; Fokus auf Maßnahmen, die den schiedenen Aspekten des Klimawandels zu treffen. Wandel fördern. MISEREOR – Bausteine zur Enzyklika „Laudato Si‘ “ 13
KATHOLISCHE STIMMEN · STIMMEN AUS KIRCHEN UND RELIGIONEN · AGENDA chen Konzentration auf marktbasierte, gewinnorientierte nicht nur auf den Schultern derjenigen liegen, die schon Lösungen, die nicht den Menschen und das Gemeinwohl immer mittellos waren. in den Mittelpunkt des wirtschaftlichen Handelns stel- Es bleibt keine Zeit zu verlieren. Es geht nicht um len. Wir müssen von dem geltenden Wachstums- und „mehr“, sondern um bessere, gerechtere und fairere Entwicklungsparadigma abkehren, das auf ungerechten Bedingungen für alle. Es geht um Gerechtigkeit! Wirtschafts-, Sozial- und Politiksystemen und auf der ungleichen Verteilung von und Zugang zu Ressourcen wie FAZIT Wasser und Land beruht und Menschenrechtsverletzun- gen, Umweltschäden, soziale Missstände und Konflikte Schon oft in der Geschichte hat die internationale Gemein- nach sie zieht. schaft gezeigt, dass sie in der Lage ist, in einer gemein- Geleitet von den Grundgedanken der päpstlichen Enzy- samen Anstrengung Differenzen zu überwinden, großen klika hegen wir die Hoffnung, dass die UN-Klimakonferenz Bedrohungen zu begegnen und den Weg des Friedens, in Paris zur Einleitung eines Prozesses beitragen wird, um: der Umwelt- und Klimagerechtigkeit, der ökonomischen –– grundlegende, systemische Änderungen herbeizufüh- und sozialen Gerechtigkeit und der Gleichstellung der ren und die Ursachen der sozialen und ökologischen Geschlechter einzuschlagen. Jetzt ist wieder ein solcher Krise unserer Zeit zu bekämpfen. Das schließt eine Augenblick gekommen.8 In den vergangenen vier Jahren Abkehr von fossilen Energieträgern und extraktiven haben wir bei der Erarbeitung der weltweiten Nachhaltig- Entwicklungsmodellen ein und die Begrenzung der Er- keitsziele (Sustainable Development Goals, SDG) ein nie derwärmung auf unter 1,5 Grad, die das Überleben des dagewesenes Ausmaß an Diskussionen, Beratungen und Planeten und der Menschheit sicherstellt. Wir brauchen Engagement erlebt. Sie geben eine weltweite Agenda für Entwicklungsmodelle, die Gleichheit und Gerechtigkeit die Bekämpfung der Armut und des Klimawandels vor. fördern und die Teilhabe derjenigen sicherstellen, die Doch in der Vereinbarung von Paris drohen diese Dis- am schwersten betroffen sind; kussionen nur lückenhaft und in widersprüchlicher Weise –– andere und uns selbst zu einer radikalen Änderung Niederschlag zu finden. Zum Beispiel die Fortsetzung des unserer Lebensweisen und Werte und zu einem ökolo- Wettbewerbs um die begrenzten Naturressourcen, der gischen Umdenken zu bewegen und so den Gesamte- zu einem weiteren Anstieg der Treibhausgasemissionen nergieverbrauch zu senken; das schließt die Förderung führen kann, ohne dass die damit verbundene Armut der Nutzung erneuerbarer Energiequellen und eines und Ungleichheit bekämpft wird. Die aktuell vereinbarten umweltbewussten Lebensmittelkonsums ein, der den Nachhaltigkeitsziele beziehen sich nicht auf Fragen der Erzeugern ein angemessenes Auskommen sichert; ungerechten weltweiten Finanz-, Steuer-, Handels- und In- –– bereits existierende und bewährte Konzepte zu unter- vestmentvorschriften, deren strukturelle Reformierung für stützen: Kleinerzeuger, die ökologische Landwirtschaft die Bekämpfung der Ursachen von Armut und Ungleichheit betreiben und ihre Ernährungssouveränität sichern; unabdingbar ist. Die Klimaschutzvereinbarung von Paris die dezentrale Energiegewinnung aus erneuerbaren läuft außerdem Gefahr, durch zahlreiche Unzulänglich- Energiequellen, die einen fairen Zugang zu sauberer keiten und Widersprüche in Bezug auf Klimafinanzierung, Energie sicherstellt; lokale Projekte, die eine Kultur der Menschenrechte und das Recht auf Ernährung verwässert Achtsamkeit und globalen Solidarität fördern; zu werden. –– eine faire, ehrgeizige, verbindliche und transforma- Wenn es an die weltweite Umsetzung der Nachhaltig- tive Vereinbarung zu treffen, die sich gründlich mit keitsziele und der Vereinbarung von Paris geht, müssen der ökologischen Schuld gegenüber den heutigen die grundlegenden Widersprüche, die diese Prozesse und nachfolgenden Generationen befasst; die eine bergen, noch ausgeräumt werden. Die Vorschläge der deutliche Reduzierung des CO2-Ausstoßes in unseren CIDSE, die auf der wegweisenden Enzyklika von Papst Gesellschaften herbeiführt, um sichere, faire und sau- Franziskus beruhen, können hoffentlich einen zweckdien- bere Lebensbedingungen für die Zukunft zu schaffen; lichen Fahrplan für ein grundlegendes Umdenken bei den die Maßnahmen für den Klimaschutz und die Anpas- Verhandlungen in Paris und in der Zeit danach bieten. sung an den Klimawandel vorgibt; die die Achtung der Menschenrechte über Partikularinteressen stellt. Das gesamte Dokumente können Sie hier herunterladen. Wir brauchen verbindliche Zusagen, die soziale und ökologische Gerechtigkeit für alle gewährleisten und dem Planeten und den Menschen, die auf ihm leben, 8 Öffentlicher Aufruf an die Staats- und Regierungschefs Vorrang geben. anlässlich des UN-Gipfels für nachhaltige Entwicklung, September 2015, www.cidse.org/sectors/rethinking-develop- Wir können die eklatanten historisch bedingten Ungleich- ment/public-call-to-world-leaders-on-the-occasion-of-the- heiten nicht ignorieren und müssen dem Ungleichgewicht united-nations-summit-on-sustainable-development- zwischen Nord und Süd entgegensteuern. Die Last darf september-2015.html 14 MISEREOR – Bausteine zur Enzyklika „Laudato Si‘ “
2.4 MIT LAUDATO SI´ ANGESICHTS VON UMWELTKATASTROPHEN UND KLIMAWANDEL IN ASIEN ARBEITEN Oswald Kardinal Gracias, Erzbischof von Mumbai, Indien D ie Umweltproblematik ist in den letzten In dieser Situation heißen wir die Enzyklika Laudato Si’ Jahren durch Naturkatastrophen in ver- sehr willkommen, die am 24. Mai, dem Hochfest Pfingsten schiedenen Teilen Asien verstärkt auf die im Jahr 2015, dem dritten Jahr des Pontifikats von Papst Weltbühne gekommen. Ins Bewusstsein kam sie insbe- Franziskus, veröffentlicht wurde. sondere durch die in Japan am 11. März 2011 verursachte gigantische Umweltkatastrophe: ein starkes Erdbeben LAUDATO SI’ LEBEN löste einen Tsunami aus und in dessen Folge kam es zum Super-GAU mehrerer Blöcke eines Atomkraftwerks In der Enzyklika heißt es: „Diese Schwester schreit auf in Fukushima. wegen des Schadens, den wir ihr aufgrund des unver- Zuvor bestand die Herausforderung für die Bewahrung antwortlichen Gebrauchs und des Missbrauchs der Güter der Schöpfung mehr im schnellen, unterschiedslosen und zufügen, die Gott in sie hineingelegt hat. Wir sind in dem unverantwortlichen Abholzen von Wäldern. Denn diese Gedanken aufgewachsen, dass wir ihre Eigentümer und führte zu Überschwemmungen, Dürreperioden, Bode- Herrscher seien, berechtigt, sie auszuplündern. Die Ge- nerosion und dem Verlust lebenserhaltender Systeme. walt des von der Sünde verletzten menschlichen Herzens Heute hängt die ökologische Frage mit einem noch drin- wird auch in den Krankheitssymptomen deutlich, die wir genderen und in höherem Maß zerstörerischen Problem im Boden, im Wasser, in der Luft und in den Lebewesen zusammen: der Erderwärmung und dem Klimawandel. bemerken.“ (LS 2) Die ganze Welt erlebt bereits heute die katastrophalen Die Enzyklika hat auch jenseits der Mauern des Vati- Auswirkungen des Klimawandels. Unsere Erde erwärmt kans Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sie wurde nicht sich durch die unkontrollierte Abgabe von Kohlendio- nur von Katholiken positiv aufgenommen, sondern auch xid in die Atmosphäre aufgrund des Einsatzes fossiler von Menschen anderer Glaubensrichtungen und Wel- Brennstoffe, und zwar besonders in den Industrieländern. tanschauungen, Umweltaktivisten, Wissenschaftlern, Dadurch entsteht ein Treibhauseffekt, der Meerestem- Atheisten und anderen mit weitem Herzen, wozu Papst peraturen und Wasserspiegel steigen lässt, Gletscher Franziskus ermutigt hat. Laudato Si’ ist ein zeitgemäßes aufbricht und das Polareis zum Schmelzen bringt. Er führt Dokument, das „einen neuen Dialog … über die Art und zu außergewöhnlich starken Regenfällen, Überschwem- Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten“ mungen sowie extremen Wetteränderungen und sogar (LS 14) eröffnet und ihn unterstreicht, in diesem Sinne zum Aussterben von Tier- und Pflanzenarten. Schon genauso wertvoll wie alles andere Informationsmaterial heute gibt es tausende ökologischer Flüchtlinge, die und jeder wissenschaftliche Artikel über die Klimakrise. einen sichereren Ort abseits von Überschwemmungen In seiner Enzyklika spricht Papst Franziskus aus sei- und steigenden Meeresspiegeln suchen. Der Klima- nem Herzen in einer Sprache, die den Menschen an den wandel zerstört ihre landwirtschaftliche Produktion und Rändern der Gesellschaft nahe ist. „Otto Normalver- Einkommensquellen. braucher“ genauso wie eine Wissenschaftlerin können Hier in Asien werden wir uns der Umweltproblematik sie lesen wie einen Roman, ein Handbuch oder klare und ihrer ethischen Folgen immer mehr bewusst und Handlungsanweisungen. Es sind einfache Worte der sind zunehmend besorgt. Die Kirchen vor Ort arbeiten Weisheit von einem Menschen, der mit beiden Beinen mit der Zivilgesellschaft zusammen für die Bewahrung auf dem Boden steht, ein Pastoralbrief, der hinweisen der Schöpfung. Die lokale Sorge um die Verschmutzung will auf „die enge Beziehung zwischen den Armen und der Atmosphäre, unverantwortlichen Bergbau und Hol- der Anfälligkeit des Planeten; die Überzeugung, dass in zeinschlag, zerstörerische Fischereipraktiken, unter- der Welt alles miteinander verbunden ist; die Kritik am schiedslosen Einsatz von Pestiziden, das Wegwerfen neuen Machtmodell und den Formen der Macht, die aus von Elektroschrott usw. in der Natur, erweitert sich auf der Technik abgeleitet sind; die Einladung nach einem das riesengroße Problem der globalen Erwärmung und anderen Verständnis von Wirtschaft und Fortschritt zu su- des Klimawandels sowie die Notwendigkeit, Gerechtig- chen; der Eigenwert eines jeden Geschöpfes, der mensch- keit zwischen den Generationen herzustellen. Bewusst- liche Sinn der Ökologie; die Notwendigkeit aufrichtiger sein, Sorge und Handeln in Bezug auf die ökologische und ehrlicher Debatten; die schwere Verantwortung der Herausforderung sind so längst auf Ebene der Basis internationalen und lokalen Politik; die Wegwerfkultur angekommen. und der Vorschlag eines neuen Lebensstils.“ (LS 16). MISEREOR – Bausteine zur Enzyklika „Laudato Si‘ “ 15
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