GRUNDLAGEN & PRAXISTIPPS - zur Fastenaktion 2019 - Misereor

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GRUNDLAGEN & PRAXISTIPPS - zur Fastenaktion 2019 - Misereor
GRUNDLAGEN
& PRAXISTIPPS
      zur Fastenaktion 2019
GRUNDLAGEN & PRAXISTIPPS - zur Fastenaktion 2019 - Misereor
Fastenaktion 2019
                                               Inhalt
                  &
     GRUNDLAGEN
              PRAXISTIPPS

                                           3   Vorwort

                                           4   MISEREOR stellt sich vor:
                                               Eine andere Welt ist möglich!

                                           6   Fastenaktion 2019:
                                               Mach was draus: Sei Zukunft!

                                           7   Zentrale Aktion zur Fastenaktion:
                                               Zukunfts-Zeitung gestalten

                                           8   El Salvador:
                            EL SALVADOR

                                               Zahlen & Fakten

                                           9   Länderporträt:
                                               Der gewalttätige Däumling

                                          13   MISEREOR-Partner Caritas San Salvador:
                                               Selbstbewusst in eine bessere Zukunft

                                          15   MISEREOR-Partner FUNDASAL:
                                               Gemeinsam bauen verbindet

                                          18   Jugend:
                                               Steh auf!

                                          21   Heiliger Oscar Romero:
                                               Prophet einer Kirche der Armen

                                          25   Einladung:
                                               Fasten für das Leben

                                          26   Materialien und Termine zur Fastenaktion 2019
                                               Kontakt

                                          28   Impressum
                                                                                                     E
                                                                                                OD
                                                                                        MET H

                                                                                                         Hinweis:
                                                                                        Dieses Symbol wird Ihnen auf
                                                                      den folgenden Seiten immer wieder begegnen.
                                                                            Hier finden Sie methodische Anregungen
                                                                              zur praktischen Umsetzung der Inhalte
                                                                                   in Gemeinde, Schule und Gruppen.

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GRUNDLAGEN & PRAXISTIPPS - zur Fastenaktion 2019 - Misereor
Vorwort

                             Pirmin Spiegel
                             Hauptgeschäftsführer von MISEREOR

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gemeinden, Gruppen, Netzwerken und Verbänden,
liebe Freundinnen und Freunde von MISEREOR!

I
    m Vorfeld der Jugendsynode 2018 ermutigte               „Mach was draus: Sei Zukunft!“ – mit diesem Leit-
    Papst Franziskus die Jugendlichen: „Eine bes-           wort laden wir Sie ein, damit Sie, Ihre Gemeinden,
    sere Welt wird auch dank euch, dank eures               Gemeinschaften, Schulen, Einrichtungen und Ver-
Willens zur Veränderung und dank eurer Groß-                bände selbst zu Handelnden werden und sich in
zügigkeit aufgebaut. […] Auch die Kirche möchte             Netzwerken engagieren. Dazu gibt Ihnen dieses
auf eure Stimme hören, auf eure Sensibilität,               Grundlagenheft sowohl Hintergrundinformationen
auf euren Glauben, ja auch auf eure Zweifel                 und Einblicke in die Arbeit der MISEREOR-Pro-
und eure Kritik.“1 Bereits 2007 forderte die Ge-            jektpartner wie auch praktische Anregungen zur
neralversammlung der lateinamerikanischen                   Umsetzung der Fastenaktion bei Ihnen vor Ort.
Bischofskonferenz in Aparecida mit der „Option
für die Jugend“ eine kirchliche Haltung, die sich           „Mach was draus: Sei Zukunft!“ Lesen Sie vom
der jungen Menschen annimmt und zum Handeln                 Mut und von den Herausforderungen unserer Part-
aufruft.                                                    ner und der Jugendlichen, nehmen Sie deren und
                                                            Ihre eigenen Potentiale wahr und unterstützen Sie
So freue ich mich, dass Sie unsere Grundlagen zur           MISEREOR im Engagement an der Seite von Men-
diesjährigen Fastenaktion in den Händen halten.             schen wie Ana, Juan, Carmen, Marcela und vielen
                                                            anderen.
Mit der Fastenaktion 2019 laden wir Sie ein zur
Begegnung mit Jugendlichen in El Salvador. Ler-             Für Ihren Einsatz, Ihre Solidarität und Unterstüt-
nen Sie Menschen wie die 22-jährige Ana Colocho             zung danke ich Ihnen von Herzen.
kennen, die auf dem Aktionsplakat zu sehen ist
und die sich für eine gerechtere Gesellschaft und
für ein friedliches Zusammenleben einsetzt. Sie
und andere Jugendliche stehen im Fokus der Fas-             Pirmin Spiegel
tenaktion. Sie stellen in El Salvador die Mehrheit          MISEREOR-Hauptgeschäftsführer
der Bevölkerung und zugleich sind sie beson-
ders gefährdet. Sie stehen oft im Abseits, werden
marginalisiert, haben keine Perspektiven für ihr
Leben. Sie sind wie Weggeworfene der Gesell-
schaft. Dabei sind sie Gegenwart und Zukunft!
Ihre Potenziale sind für eine friedlichere und
menschlichere Gesellschaft bedeutend! Das gilt
in El Salvador, das gilt in Deutschland.

                                                            1    Papst Franziskus: Brief an die Jugendlichen anlässlich der
                                                                 Vorstellung des Vorbereitungsdokumentes der XV. Ordentlichen
                                                                 Generalversammlung der Bischofssynode, Vatikan, 13. Januar
                                                                 2017.

                                                                                                                                3
GRUNDLAGEN & PRAXISTIPPS - zur Fastenaktion 2019 - Misereor
MISEREOR stellt sich vor:
                            Eine andere Welt ist möglich!

                            M
                                      ISEREOR ist das Werk für Ent-               Wegweisende Aktionen
                                      wicklungszusammenarbeit der                 MISEREOR hat in den vergangenen Jahrzehnten
                                                                                  viele wichtige Akzente gesetzt: Das Werk gehörte
                                      katholischen Kirche in Deutsch-
                                                                                  in den 1970er Jahren zu den Mitbegründern des
                            land. 1958 auf Initiative des damaligen
                                                                                  Fairen Handels. Gegen den Widerstand von Tei-
                            Kölner Kardinals Joseph Frings und einer              len der deutschen Politik setzte sich MISEREOR
                            starken Verbandsarbeit gegründet, steht               1983 gegen die Apartheid-Politik der Regierung
                            MISEREOR aus christlicher Solidarität                 Südafrikas ein. Nicht minder umstritten war die
                            an der Seite der Armen – unabhängig von               von MISEREOR 1996 mit herausgegebene Studie
                            Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht und                   „Zukunftsfähiges Deutschland“, in der die Orga-
                                                                                  nisation einen Kurswechsel hin zu einer global
                            Religion.
                                                                                  nachhaltigen Umwelt- , Agrar- und Wirtschaftspo-
                                                                                  litik forderte.

                            Von Mensch zu Mensch                                  Heute für morgen
                            Aktuell fördert MISEREOR knapp 3.000 Projek-          Mit der Enzyklika Laudato Si‘ (2015) spricht
                            te in mehr als 90 Ländern Asiens, Afrikas sowie       Papst Franziskus genau die Nöte und Hoffnungen
                            Lateinamerikas und arbeitet mit lokalen Partner-      an, die viele Partnerorganisationen schildern.
                            organisationen zusammen, denn sie kennen die          Die Kernaussage, dass der Kampf gegen welt-
                            Probleme vor Ort am besten und genießen das           weite Armut und Umweltzerstörung untrennbar
                            Vertrauen der Betroffenen. MISEREOR fördert z.B.      zusammengehören, ist für MISEREOR zentral. So
                            Kleinbauernfamilien, unterstützt Nothilfezentren      unterstützt MISEREOR die Umsetzung der globa-
                            für Flüchtlinge und hilft Menschen dabei, ihre        len Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen,
                            Lebensweise an die Folgen des Klimawandels            die alle Länder für die Entwicklung der Welt in
                            anzupassen. MISEREOR unterstützt die Menschen         die Pflicht nehmen: Niemand soll zurückgelas-
                            dabei, auf eigene Kräfte zu vertrauen, individuelle   sen werden. Aktuell fordert MISEREOR mit dem
                            Ideen und Fähigkeiten zu nutzen und – wenn mög-       Kohleausstieg eine globale Energiewende. Zur
                            lich – rasch von externer Förderung unabhängig zu     Bekämpfung von Hunger und Armut braucht es
                            werden. Diese wertschätzende Partnerschaft auf        Vielfalt vom Acker bis auf den Teller. Dafür setzt
                            Augenhöhe ist für MISEREOR Hilfe zur Selbsthilfe.     sich MISEREOR ein.

                            Den Mächtigen ins Gewissen reden                      Mit Blick auf die Zukunft fordert MISEREOR-Haupt-
                            Schon Kardinal Frings legte fest, dass MISEREOR       geschäftsführer Pirmin Spiegel: „Wir leben in
                            „den Mächtigen der Erde, den Reichen und Regie-       herausfordernden Zeiten; viele sagen, inmitten
                            renden vom Evangelium her ins Gewissen reden“         eines Epochenwechsels. Wir benötigen einen
Fastenaktion 2019           solle. Dies ist die Grundlage für die entwicklungs-   grundlegenden sozialen und ökologischen Wan-

                  &
                            politische Bildungs- und Lobbyarbeit MISEREORs.       del, sonst setzt die Menschheit ihre eigenen
     GRUNDLAGEN

                            Als politische Lobby der Benachteiligten hinter-      Lebensgrundlagen aufs Spiel. Eine andere Welt
                            fragt MISEREOR die Politik auf ihre Folgen für die    ist möglich! Lassen Sie uns dafür mit Mut und Zu-
              PRAXISTIPPS

                            Armen und prangert ungerechte Gesellschafts-          versicht, mit Zorn und Zärtlichkeit an der Seite der
                            strukturen an. Aufgabe ist dabei auch, Zusam-         Armgemachten dieser Erde eintreten.“
                            menhänge und Auswirkungen von Lebensstilen
                            weltweit ins Bewusstsein zu rücken. In der jährli-
                            chen Fastenaktion ruft MISEREOR zu Umkehr und
                            Veränderung auf.

                  4
GRUNDLAGEN & PRAXISTIPPS - zur Fastenaktion 2019 - Misereor
Die MISEREOR-
                                                                Aktionsplakate
                                                                aus den Jahren
                                                                2017, 2010, 1983
                                                                und 1959

          E
     OD
M ET H

 Methodische Anregung
 Erzählen Sie von der Arbeit und den
 Anliegen MISEREORs. Nutzen Sie dafür             Hintergründe und Bilder von
 Aktionsplakate der Fastenaktionen                diesen vier Plakaten finden Sie
 und geben Sie so Einblick in die Arbeit          im Grundlagenvortrag unter
 und Geschichte des Hilfswerks.                   www.fastenaktion.de/projekte

94,1 %
                Spenden kommen an –                         Weiterführende Informationen
                das bestätigt uns auch das                  •    Mehr Infos zur Geschichte MISEREORs finden
                Deutsche Zentralinstitut für soziale             Sie unter www.misereor.de/ueber-uns
                Fragen (DZI), das MISEREOR einen                 und www.misereor.de/60jahre
                sorgfältigen und wirtschaftlichen
                                                            •    Dossiers zu den MISEREOR-Themen-
                Umgang mit den anvertrauten
                                                                 schwerpunkten finden Sie hier:
                Mitteln bescheinigt.
                                                                 www.misereor.de/informieren
                Von jedem gespendeten Euro an
                MISEREOR dienen                             •    Alle MISEREOR-Materialien zur Enzyklika
                • 94,1 % der Projektarbeit                       Laudato Si´ von Papst Franziskus:
                • 5,9% der notwendigen Verwal-                   www.misereor.de/laudato-si
                    tung und Werbung.
                                                            •    MISEREOR-Positionspapier: Globale Nachhal-
                                                                 tigkeitsziele: Auch Deutschland ist gefordert!,
                      Siehe auch den aktuellen
                                                                 Aachen, 2015.
                      MISEREOR-Jahresbericht 2017
                      www.misereor.de/ueber-uns/            •    Schulmaterial: Leseposter „Kennst du
                      jahresbericht                              schon MISEREOR?“ für 3. - 6. Klasse, 2012.
                                                                 Bestellbar unter www.misereor-medien.de

              5,9 %

                                                                                                                   5
GRUNDLAGEN & PRAXISTIPPS - zur Fastenaktion 2019 - Misereor
Fastenaktion 2019:
                                „Mach was draus: Sei Zukunft!“
                                J   unge Menschen in El Salvador stehen mit ihren
                                    Ideen, Hoffnungen und Plänen für die Zukunft
                                    im Mittelpunkt der Fastenaktion. Ausgehend
                                von ihren eigenen Stärken und Fähigkeiten gestal-
                                                                                          ist: Dies zeigen uns junge Menschen in El Salvador.
                                                                                          „Wir wollen den Mechanismus durchbrechen, dass
                                                                                          man hier um weiterzukommen, Bandenmitglied,
                                                                                          Mörder oder Drogenhändler werden muss. Es ist
                                ten sie ihr Leben und ihr soziales Umfeld so, dass        so wichtig, hier mit Empathie und Hingabe zu le-
                                sich ihre Lebenssituation verbessert.                     ben“, erklärt der 27-jährige Juan Carlos Ramos,
                                                                                          der sich bei der MISEREOR-Partnerorganisation
                                  Und dies in einem Land, von dem die Nachrichten         FUNDASAL in einer Jugendgruppe engagiert. Die
                                  ein erschreckendes Bild zeichnen: Armut, Gewalt         jungen Menschen machen sich stark für ihr Umfeld
                                  und Kriminalität schränken das öffentliche Leben        und ein friedliches soziales Miteinander. Sie bau-
                                  stark ein. Jugendbanden erpressen Schutzgeld,           en sich gemeinsam ein Zuhause auf; einen Ort,
                                                               rauben und morden.         an dem sie bleiben können. So auch Carmen Lina-
                                                               Der Staat reagiert oft     res: „In unserer Gesellschaft, in der Gewalt so sehr
                                                               mit Repression und         vorherrscht, wollen wir einen Wandel und sichere
                                                               Gegengewalt. Ein Teu-      Orte schaffen. Diese Arbeit gibt uns persönlich viel
                                                               felskreis, weil viele      und hat mich selber auch verändert.“
                                                               Jugendliche keine Aus-
                                                               bildung, keine Arbeit      Zu vertrauen, zuzuhören, etwas zu wagen – all
                                                                und keine Perspektive     das haben viele der Jugendlichen in ihren Fami-
                                                                haben. Jugend wird mit    lien nie gelernt. „Durch das Programm lernen die
                                                                Gewalt gleichgesetzt.     Jugendlichen, wieder zu träumen. Es ermöglicht
                                                               Gewalt ist im Alltag zur   ihnen kleine Erfolge, wo sonst nur Verzweiflung
                                                               Normalität geworden.       herrscht“, erklärt Daysi Rodríguez, Leiterin des
                                                               Angst und Unsicherheit     Programms „Mein Lebensplan“ der Caritas San
                                                               sind ständige Beglei-      Salvador, das von MISEREOR unterstützt wird. Die
                                                               ter. Misstrauen zerstört   jungen Menschen erarbeiten ausgehend von ihren
                                                               die soziale und ge-        Kompetenzen und Interessen persönliche Lebens-
                      Jugendliche in El Salvador setzen ein    sellschaftliche Brücke     pläne. Oftmals erfahren sie zum ersten Mal in
                      Zeichen gegen Gewalt.                    zwischen den Gene-         ihrem Leben das Gefühl, dass sie etwas wert sind.
                                                               rationen. Die jungen       „Mein Leben hat sich verändert. Im Kurs fühlte ich
                                  Menschen fühlen sich stigmatisiert, vertrieben und      zum ersten Mal, dass auch ich Würde habe“, sagt
                                  entwurzelt. Viele verlassen das Land auf der Suche      Margarita Hernández.
                                  nach einer besseren Zukunft in Richtung USA.
                                                                                          Die Jugendlichen in El Salvador zeigen uns, dass
                                Hoffnung, Träume und Leben - wie ist das in einem         Leben möglich ist. Sie sprechen von ihren Träu-
                                solchen Kontext möglich? Wie Perspektiven für             men und setzen sich mit ihren Ideen für eine
                                sein Leben sehen und schaffen? Und mehr noch:             friedlichere Gesellschaft ein. Sie sind Hoffnungs-
                                Wie können eine menschlichere Gesellschaft und            trägerinnen und Hoffnungsträger für eine bessere
Fastenaktion 2019               Frieden gelingen?                                         Zukunft in Würde und Sicherheit.

                  &
     GRUNDLAGEN

                                „Mach was draus: Sei Zukunft!“ lautet das Motto           Mit der prophetischen Botschaft der Jugendlichen
                                der Fastenaktion. Es ist Aufforderung und Zu-             lädt die Fastenaktion dazu ein, Zukunft zu gestal-
              PRAXISTIPPS

                                spruch zugleich. Zuspruch für mehr Hoffnung als           ten und Zeichen von Veränderung zu setzen – hier
                                Resignation, mehr Zuneigung als Kälte, mehr Zu-           bei uns, in El Salvador und weltweit. Zukunft be-
                                versicht als Angst. Aufforderung, etwas zu riskie-        ginnt im Jetzt und Hier. Wir alle sind gefragt.
                                ren und für seine Überzeugungen und Träume
                                einzustehen. Mutig aufzustehen für eine fried-            Annika Sophie Duhn
                                lichere und menschlichere Welt. Beeindruckend             MISEREOR

                  6
GRUNDLAGEN & PRAXISTIPPS - zur Fastenaktion 2019 - Misereor
Zentrale Aktion zur Fastenaktion:
Zukunfts-Zeitung gestalten
Zielgruppe
Schulen, Gemeinden, Gruppen und Verbände. Es             Der 1980 ermordete Erzbischof Oscar Romero analysierte
ist eine Aktion für Groß und Klein, gleich welchen       in seinen Predigten, die im Radio übertragen wurden, die
Alters. Mit unseren Potenzialen gestalten wir eine       Situation des Landes und kritisierte deutlich die herrschende
lebenswerte Zukunft. Das ist der Leitgedanke der         Unterdrückung. Mit der Botschaft des Evangeliums zeigte er
Aktion. Lassen Sie sich von jungen Menschen in           alternative Wege auf und verbreitete Hoffnung.
El Salvador inspirieren, die mit ihren Stärken und
Ideen ihre eigene und die Zukunft ihres Landes in
die Hand nehmen.                                      Die Collage zeigt: Wir erkennen die Probleme, aber
                                                      auch unsere Potenziale. Es liegt in unserer Hand,
Anleitung                                             die Zukunft so zu gestalten, dass sie für alle Men-
Mit welchen Schwierigkeiten und Herausforderun-       schen lebenswert ist!
gen haben (junge) Menschen zu kämpfen? Welche         In El Salvador ist Wandmalerei eine ver-
Probleme gibt es in der Gesellschaft? Wo besteht      breitete Form, um Botschaften zu trans-
Veränderungsbedarf? Dies wird alltäglich in Schlag-   portieren. Gestalten Sie mit den Collagen
zeilen und Artikeln unserer Zeitungen deutlich.       kleine und große Wände und machen Sie
                                                      Ihre Botschaften so sichtbar und öffentlich.
Sammeln Sie Ausschnitte mit Schlagzeilen zu
Themen, die die Gegenwart widerspiegeln und die
                                                      Wir freuen uns, wenn Sie uns Fotos Ihrer Zu-
einer Veränderung bedürfen – regional, national
                                                      kunfts-Zeitung für unsere Online-Galerie an
oder international.
                                                      fastenaktion@misereor.de schicken. Anregungen
Was können wir tun? Was können wir einbringen,        finden Sie unter www.fastenaktion.de/aktionen
um Gegenwart und Gesellschaft zu verändern?
                                                      Hinweis: Bei einer Veröffentlichung achten Sie
Nehmen Sie bunte Farbe (Finger- oder Wasser-
                                                      bitte darauf, dass keine Namen, Logos oder ande-
farbe) und platzieren Sie Ihre Hände auf die
                                                      re typische Layoutmerkmale der Zeitungen sowie
Zeitungsauschnitte. Schreiben Sie nun Ihre Ideen
                                                      Fotos erkennbar sind, um das Urheberrecht zu
und Fähigkeiten in die Handabdrucke.
                                                      schützen.
Auf bunten Papierstreifen formulieren Sie dann
Ihre Schlagzeilen, die von der Zukunft berichten,     Tipp: In den Liturgischen Bausteinen finden Sie
die wir mit unseren Potenzialen gestalten. Eröff-     zum 5. Fastensonntag einen Gottesdienstvorschlag,
nen Sie Möglichkeiten zur Veränderung.                der die zentrale Aktion aufnimmt.

                                                                                                                 7
GRUNDLAGEN & PRAXISTIPPS - zur Fastenaktion 2019 - Misereor
NORDAMERIKA

                                                     El Salvador:
                                                     Zahlen & Fakten
                                                                                                     Ländername: Republik El Salvador

                                                                                                     Landesfläche: 21.040 km2 (entspricht etwa der
                                     SÜDAMERIKA                                                      Fläche Hessens); es ist das kleinste und dicht
                                                                                                     besiedelste Land Zentralamerikas und wird im
                                                                                                     Volksmund „Däumling“ genannt.

                                                                                                     Bevölkerung: 6,4 Mio., darüber hinaus leben mehr
                                                                                                     als 3 Mio. Salvadorianer und Salvadorianerinnen
                                                                                                     im Ausland, vor allem in den USA, Mexiko und zen-
                                                                                                     tralamerikanischen Staaten
                                  MEXIKO
                                                         BELIZE                                      Hauptstadt: San Salvador
                                                                                                     Einwohnerzahl: ca. 1,1 Mio.
                                     GUATEMALA           HONDURAS
                                                                                                     Regierungsform: Parlamentarische Demokratie,
                                                                                                     Präsidialsystem

Fastenaktion 2019                       EL SALVADOR                                                  Präsident: Salvador Sánchez Cerén, Amtszeit bis
                                                                     NICARAGUA

                  &
                                                                                                     31.05.2019; Wiederwahl ist verfassungsrechtlich
     GRUNDLAGEN

                                                                                                     nicht möglich

                                                                                                     Sprachen: Spanisch, Nawat (indigene Sprache der
              PRAXISTIPPS

                                                                        COSTA RICA
                                                                                                     Pipil, die vom Aussterben bedroht sind)
                            El Salvador, der „Däumling“ in Mittelamerika.
                                                                                                     Religionen: 50 % römisch-katholisch, 36 % protes-
                                                                                                     tantisch, 12 % ohne Religionszugehörigkeit,
                                                                                                     2 % andere

                                                                Jung ist die Bevölkerung in El Salvador. Beinahe jeder
                                                                zweite Salvadorianer ist jünger als 25 Jahre.

                  8
GRUNDLAGEN & PRAXISTIPPS - zur Fastenaktion 2019 - Misereor
GUATEMALA
                                                                 HONDURAS

                       Santa Ana
                                          MISEREOR-
                                          Projekt
                                   Tacachico
               Sonsonate                 San Salvador
                        Teotepeque                     Cojutepeque
                             MISEREOR-
                             Projekt
                                                                                                San Miguel

                                                                                 Usulután
                     EL SALVADOR

    20 km
                                Pazifischer Ozean

Altersstruktur:                                            allem in die USA. Die Finanztransfers der Migran-
0-14 Jahre:           25,92 %                              ten (Rücküberweisungen) machen rund 16 % des
15-24 Jahre:          20,23 %                              Bruttoinlandsprodukts (BIP) El Salvadors aus.
25-54 Jahre:          39,23 %                              Rund ein Drittel aller Haushalte erhält Zahlungen
55-64 Jahre:          7,14 %                               von Migranten im Ausland.
65 Jahre und mehr:    7,48 %                               Quellen: Auswärtiges Amt, Stand 2018; CIA The World Fact-
                                                           book, Stand 2017; DIGESTYC, Statistisches Amt El Salvador 2017;
Arbeitslosigkeit von 15 - 24-Jährigen: 26,6 %              Zentralbank El Salvador 2018; Forschungsinstitut der Sozialwissen-
                                                           schaften, Universität Costa Rica: Studie “Centroamerica desgarrada.
Migration: 76 % der jungen Menschen unter
                                                           Demandas y expectativas de jóvenes residentes en comunidades
24 Jahren wünschen sich, das Land zu verlassen.            empobrecidas”, 2017; Ombudsstelle für Menschenrechte El Sal-
Rund 100.000 Menschen emigrieren jährlich, vor             vador 2013.

Länderporträt:
Der gewalttätige „Däumling“

E
      l Salvador ist eines der gewalttätigsten             hohen Mauern und Stacheldraht, beschützt von
      Länder der Welt mit jährlich 64 Morden               privaten Wachdiensten.
      auf 100.000 Einwohner.2 Ganze Stadtviertel
und Regionen sind unter Kontrolle verbrecherischer         Teufelskreis der Gewalt
Jugendbanden, den sogenannten Maras, die die               Die Jugend der Armenviertel steht besonders unter
Bevölkerung ihrem Diktat unterwerfen, Schutz-              Druck. Zusätzlich zu den sehr prekären Wohnbedin-
geld kassieren, mit Drogen und Waffen handeln              gungen, nicht vorhandenen Spiel- und Sportplätzen
und vermeintlichen Verrat mit Kugeln ahnden. Die           und zur minderen Qualität staatlicher Schulen
Bewegungsfreiheit ist stark eingeschränkt.                 muss sie um ihr Leben fürchten. Jungen und Mäd-
                                                           chen werden von den Maras zwangsrekrutiert, die
Sowohl die privaten Kleinbus-Linien werden                 Jungen als Killer, die Mädchen als Geliebte.
von den Jugendbanden kontrolliert als auch die
Zufahrtsstraßen zu den Stadtvierteln. Dort kon-            Die Politik setzt auf eine harte Hand und zieht
trollieren Wachposten die Passanten und lassen             das Militär zur Wahrung der inneren Sicherheit
aus Furcht vor Infiltration nur diejenigen durch,          heran, was zu einer Eskalation der Gewalt führt.
die ihnen bekannt sind oder deren Wohnadres-               Jugendliche stehen bei Polizei und Militär unter
se in diesem oder einem von derselben Bande
kontrollierten Viertel liegt. Einzig die salvadoria-       2   Laut Aussagen der Nationalpolizei El Salvadors 2018. Zum Ver-
nische Oberschicht lebt verbarrikadiert hinter                 gleich: In Deutschland sind es laut Statista 2,9.

                                                                                                                                 9
GRUNDLAGEN & PRAXISTIPPS - zur Fastenaktion 2019 - Misereor
Bürgerkrieg 1980 - 1992

                                                                                         E   ine extrem ungerechte Landverteilung und
                                                                                             die Ausbeutung der Kleinbauern durch
                                                                                         Großgrundbesitzer sowie ein permanenter
                                                                                         Wahlbetrug führten 1980 zum Bürgerkrieg in
                                                                                         El Salvador.

                                                                                         Die linksgerichtete, von Kuba inspirierte und
                                                                                         unterstützte Guerrilla FMLN kämpfte für soziale
                                                                                         Gerechtigkeit und Demokratie. Für die USA, die
                                                                                         Mittelamerika als ihren Hinterhof betrachteten,
                                                                                         war dies im Kontext des Kalten Krieges ein in-
                                                                                         akzeptabler Versuch einer kommunistischen
                                                                                         Übernahme. Die US-Regierung unterstützte
                                                                                         deshalb die Machthaber und das Militär finan-
                                                                                         ziell, politisch und mit Ausrüstung.
                            Polizei und Militär sind in der Haupt-
                            stadt San Salvador omnipräsent.                              Nachdem sich die eher konservativ aus-
                                                                                         gerichtete Kirche angesichts der brutalen
                            Generalverdacht. Menschenrechtsorganisationen                Kriegsführung zunehmend kritisch gegenüber
                            beklagen ungerechtfertigte und willkürliche Fest-            der Elite zeigte, wurde auch sie zur Zielscheibe
                            nahmen, Schikanen, Folter und außergerichtliche              der von den USA ausgebildeten paramilitä-
                            Hinrichtungen. Es ist eine Spirale von Gewalt und            rischen Todesschwadronen. Das Zerwürfnis
                            Gegengewalt. Ein Kernproblem ist die Straffreiheit:          gipfelte in den Morden an Erzbischof Oscar
                            Nur ein Bruchteil der Straftaten wird geahndet.3             Romero (1980) und an der Leitungsebene der
                            Politiker und Teile der Polizei sind mit der Drogen-         Zentralamerikanischen Jesuitenuniversität
                            und Waffenmafia verfilzt und paktieren mit den               (1989), die sich zuvor für eine Verhandlungslö-
                            Maras.                                                       sung stark gemacht hatte.

                            Gewalt ist in der salvadorianischen Gesellschaft             Unter Vermittlung der Nachbarländer und
                            omnipräsent. Jeder kennt jemanden, der Mitglied              der UNO schlossen die Kriegsparteien 1992
                            der Maras oder Opfer von Willkür, Rache und Ver-             Frieden. Die Mittel der Auseinandersetzung
                            geltung geworden ist. Niemand traut niemandem.               wurden nun demokratisch, die Polarisierung
                            Rund 100.000 Salvadorianer und Salvadorianer-                blieb, ebenso wie die Akteure: Die FMLN wurde
                            innen, vor allem junge Menschen, flüchten daher              zur Partei und konfrontierte fortan die rechte
                            jedes Jahr vor Gewalt und fehlenden Perspektiven             Arena-Partei. Deren Gründer Roberto D’Aubui-
                            vor allem in die USA;4 drei Millionen Salvadoria-            sson hatte als Chef der Todesschwadronen
                            ner leben im Ausland.5 Ihre Rücküberweisungen                zahlreiche Massaker und vermutlich den Mord
                            aus dem Ausland halten die Wirtschaft am Laufen              an Romero auf dem Gewissen.
                            und sichern vielen Familien ein Einkommen.

                            Perspektivlosigkeit und Armut
                            Die Gewalt ist auch ein Erbe des Bürgerkriegs
Fastenaktion 2019
                            von 1980 bis 1992. Dabei kamen rund 75.000             kriegszeit fuhren einen harten neoliberalen Kurs
                            Menschen ums Leben, viele Überlebende sind             und investierten kaum in Soziales. Die Armut

                  &         bis heute traumatisiert. Entschädigungen gab es        bleibt mit 33 Prozent hoch.6 Es gibt bis heute
     GRUNDLAGEN

                            keine. Bis heute gibt es keine Erinnerungs- und        weder genügend Studienplätze noch Ausbil-
              PRAXISTIPPS

                            Versöhnungskultur. Der Friedensvertrag erfüllte        dungsberufe. Mit 15 Jahren beenden die meisten
                            viele Hoffnungen nicht. Eine juristische Aufar-
                            beitung der Bürgerkriegsverbrechen blieb wegen         3   World Justice Project: Rule of Law Index 2017-2018, Washing-
                            einer Generalamnestie völlig aus. Eine ganze Ge-       4
                                                                                       ton, 2018.
                                                                                       Ombudsstelle für Menschenrechte El Salvador, 2013.
                            neration, die im Krieg aufgewachsen ist, wurde         5   Auswärtiges Amt, 2018.
                            alleine gelassen. Die Regierungen der Nach-            6   DIGESTYC, Statistisches Amt El Salvador, 2017.

                  10
Stacheldraht und Zäune – in El Salvador ein alltägliches Bild.

Salvadorianer und Salvadorianerinnen ihre
Schulbildung. Gut ein Viertel der Jugendlichen        Das von MISEREOR unterstützte Projekt der Ca-
zwischen 15 und 24 Jahren geht weder arbeiten         ritas San Salvador setzt bei den Jugendlichen
noch studieren.7 Ohne Perspektiven schließen          an, die von der Gesellschaft stigmatisiert wer-
sich viele den Jugendbanden an, die ursprünglich      den und kaum Aufstiegschancen haben. Ihnen
in Migrantengruppen der US-Vorstädte entstan-         wird eine Möglichkeit zur gesellschaftlichen In-
den waren. Deren Anführer wurden verhaftet und        tegration und eine Perspektive jenseits von
deportiert und etablierten das kriminelle Modell      Marginalisierung und Gewalt eröffnet. Auch die
in ihrer Heimat. Leicht verfügbare Waffen, eine       Partnerorganisation FUNDASAL unterstützt jun-
korrupte Polizei und dass der internationale Dro-     ge Menschen dabei, sich ein Zuhause und damit
genhandel Zentralamerika zu einer Drehscheibe         eine Perspektive aufzubauen. Gemeinsam enga-
auserkor, vervollständigen einen gefährlichen         gieren sie sich für ein friedliches Umfeld und ein
Cocktail.                                             soziales Miteinander.
                                                                                            Sandra Weiss
Brücken in die Zukunft
Die verfeindeten Banden Mara 18 und Mara
Salvatrucha bekämpfen sich untereinander und
führen einen Krieg gegen den Staat. Und der                 Rückführungen von Migranten
Staat gegen sie. Sowohl Unternehmer als auch                aus den USA
die Polizei und ganze Dörfer schaffen Selbstver-
teidigungsgruppen, um sich gegen die Maras zu
wehren, was die Gewaltspirale weiter anheizt.
Die Banden breiten sich in ganz Zentralameri-
                                                            R    und 200.000 Menschen aus El Salvador müssen die
                                                                 USA bis September 2019 verlassen, wenn sich die
                                                            Gesetzeslage nicht noch ändert. Viele von ihnen leben und
ka aus. Heute gehören ihnen schätzungsweise                 arbeiten seit Jahrzehnten in den USA. Nach den Erdbeben in
100.000 Mitglieder an.8 Territoriale Kontrolle ist          El Salvador im Jahr 2001 war ihnen ein Schutzstatus mit Ar-
ein wichtiger Bestandteil ihrer kriminellen Strate-         beits- und Aufenthaltsgenehmigung garantiert worden.
gie, was zu massiven internen Fluchtbewegungen              Die US-Regierung hob diesen im Januar 2018 auf. Durch die
führt. Allein in El Salvador sind rund 296.000              Ausweisungen werden auch die für viele Familien wichtigen
Menschen intern vertrieben.9 Die Regierung                  Rücküberweisungen wegfallen.
spielte das Phänomen bisher als „temporäre
Wohnungswechsel“ herunter. Doch im Juli 2018
verurteilte ein Grundsatzurteil des Obersten          7   DIGESTYC, Statistisches Amt El Salvador, 2017.
Gerichts den Staat dazu, das Phänomen anzu-           8   Ministerium für Justiz und öffentliche Sicherheit El Salvador,
                                                          Polizeistatistik, August 2016.
erkennen und mit entsprechenden Maßnahmen             9   Globaler Report über interne Vertreibungen, Norwegischer Flücht-
und Gesetzen darauf zu reagieren.                         lingsrat und Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) 2018.

                                                                                                                              11
DE
                                                                                                                HO

                                                                                                           MET
                                                                              Methodische Anregung

                                                                              Idee: Annäherung an das Thema der Fastenaktion
                                                                              und El Salvador und/oder Reflexionsmethode

                                                                              Zeit: 10 bis 15 min

                                                                              Material: Fotos, Papier, Stifte

                                                                              Legen Sie Bilder, die die Situation und Herausfor-
                                                                              derungen des Landes abbilden, in die Mitte.
                                                                              Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer sucht sich
                                                                              ein Bild aus. Anschließend stellen alle ihre Assozi-
                                                                              ationen und Empfindungen zu dem ausgewählten
                                                                              Foto vor. Die Methode können Sie im Plenum oder
                                                                              in Kleingruppen anwenden.

                                                                              Die Methode kann auch zum Abschluss für eine
                                                                              Reflexion genutzt werden. Die unterschiedlichen
                                                                              Bilder werden in der Mitte ausgelegt. Alle wählen
                                                                              sich ein Bild aus, das für sie einen Aspekt zeigt,
                                                                              der besonders beeindruckend, ermutigend ist oder
                                                                              nachdenklich macht. Die Eindrücke werden an-
                                                                              schließend in der Runde vorgestellt.

                                                                              Fotos finden Sie in der Präsentation zur Fastenak-
                                                                              tion sowie bei den Bildern zu den Projekten auf
                                                                              www.fastenaktion.de/projekte

                                                                              Weiterführende Literatur
                                                                              • Leonhard, Ralf: Zentralamerika. Porträt einer
                                                                                Region, Schriftenreihe der Bundeszentrale für
                                                                                politische Bildung, Band 10034, Bonn, 2017.
Fastenaktion 2019
                            Filmtipps

                  &         • ARD Weltspiegel-Reportage: Höllentrip nach      • Martínez, Óscar: Eine Geschichte der Gewalt.
     GRUNDLAGEN

                              Tijuana von Peter Sonnenberg, Sendetermin         Leben und Sterben in Zentralamerika, Schrif-
                              3.9.2016.                                         tenreihe der Bundeszentrale für politische
              PRAXISTIPPS

                                                                                Bildung, Band 1772, Bonn, 2016.
                            • ARTE-Reportage: El Salvador: Die Maras wollen
                              die Macht von Hugo von Offel, Grégory Roudier   • Papst Franziskus: Gott ist jung, Ein Gespräch
                              und Jacques Santiago Avalos, Sendetermin:         mit Thomas Leoncini, Verlag Herder, Freiburg,
                              30.1.2016.                                        2018.

                  12
MISEREOR-Partner Caritas San Salvador:
Selbstbewusst in eine
bessere Zukunft
P
       olitiker meinen, wenn sie einen Sportplatz
       bauen, sei das Prävention“, sagt Pfarrer
       Octavio Cruz, Leiter der MISEREOR-Partner-
organisation Caritas San Salvador. „Aber dann
vereinnahmen die Gangs den Sportplatz und kas-
sieren für seine Benutzung oder verwandeln ihn
in eine Hinrichtungsstätte.“ Als 2012 das Kon-
zept der „Lebenspläne“ auf seinem Schreibtisch
landete, war er sofort angetan: „Sie sind nicht
nur praxisorientiert, sondern persönlichkeitsbil-
dend. Die Methodik ist abwechslungsreich und
partizipativ.“ Das von der Gewalt zerstörte sozia-
le Gefüge wiederherzustellen, ist eines der Ziele.
Es geht um Vertrauen, Motivation, Teamgeist und
Durchhaltevermögen. Viele erfahren zum ersten
Mal im Leben Aufmerksamkeit und Wertschätzung.

In dem dreimonatigen, kostenlosen und für
alle interessierten Jugendlichen offenen Kurs
erarbeiten sie ausgehend von ihren Potenzia-
len einen Plan für das eigene Leben. Außerdem
gibt es Unterstützung bei der Jobsuche. Es wird
                                                                                  Marcela Vides kann nun Dank Caritas San
zum Beispiel besprochen, wie man sich beim
                                                                                  Salvador ein Studium absolvieren
Vorstellungsgespräch präsentiert oder eine ein-
fache Buchhaltung gestaltet. Die Jugendlichen
arbeiten einen Geschäftsplan aus und bekom-            aufgestockt werden kann. „Ich fand Unterstüt-
men zur Probe ein kleines Startkapital von fünf        zung, Gleichgesinnte und neuen Lebensmut“,
US-Dollar, das dann bei Erfolg auf 150 US-Dollar       sagt Marcela Vides. Die 21-Jährige studiert inzwi-

                           „Unser Dorf hat von dem Projekt
                           immens profitiert. Es gibt jetzt viel
                           mehr Geschäfte und die Jugendlichen
                           sehen im Auswandern nicht mehr
                            die einzige Chance auf ein besseres
                           Leben.“
                            Jorge Castro, 20 Jahre alt, webt jetzt Hängematten
                            und hat einen Forellenteich gebaut, der ihm ein zusätzliches
                            Einkommen beschert.

                                                                                                                            13
Fastenaktion 2019           schen Sozialarbeit und finanziert das mit einem      stolze Quote in diesem Land. Derzeit laufen in

                  &
                            mobilen Nagelstudio. Die Utensilien dafür kaufte     drei Pfarrgemeinden des Landes Kurse. Rund 300
     GRUNDLAGEN

                            sie mit dem kleinen Startkapital des Programms.      Jugendliche haben mittlerweile ein Diplom der
                            Die „Lebenspläne“ unterstützt sie weiterhin als      „Lebenspläne“ und tragen stolz das T-Shirt mit
              PRAXISTIPPS

                            Freiwillige. Viele engagieren sich nach dem Ab-      der Aufschrift „Ich bin ein Sozial-Transformer“.
                            schluss weiter in dem Projekt.                       „Das Projekt schafft für die Jugendlichen einen
                                                                                 geschützten Raum. Sie gewinnen die Fähigkeit
                            75 Prozent der Jugendlichen finden danach ei-        zu träumen, sich zu organisieren und sich selbst
                            nen Ausbildungs-, Arbeits- oder Studienplatz         etwas zuzutrauen“, sagt Mitarbeiterin Ligia del
                            oder machen sich selbstständig. Das ist eine         Pilar Ardón.
  INGRID GANUZA

                            Portrait

                            I
                                ngrid Ganuza stammt aus einem Viertel in der     Ingrid Ganuza wegen des Zusammenhalts und
                                Hauptstadt San Salvador, das als Hochburg        der abwechslungsreichen Aktivitäten sehr gut.
                                der berüchtigten Jugendbande Mara 18 gilt.       Sie schloss die neunte Klasse ab, aber einen wei-
                            Von klein auf wuchs sie mit dem Anblick von To-      teren Schulbesuch konnten ihr die Eltern nicht
                            ten auf. Spielen auf der Straße war tabu, weil es    finanzieren. Die Schule lag drei Kilometer ent-
                            jederzeit zu Schießereien kommen konnte.             fernt. Doch weil jeden Kilometer eine andere
                                                                                 Bande über das Territorium herrschte, hätte sie
                            Die heute 25-Jährige ist eine Kämpferin, die nicht   nicht zu Fuß gehen können, sondern den Bus
                            so schnell aufgibt. Die junge Frau versprüht Ener-   nehmen müssen, der eine längere, aber siche-
                            gie und gute Laune.                                  rere Strecke fährt. Doch die Fahrt kostet täglich
                                                                                 0,50 Cent. Der Pfarrer besorgte ihr ein Teilstipen-
                                                In ihrem Viertel gab es für      dium. Sie machte das Abitur.
                                                     Jugendliche kaum Frei-
                                                        zeitmöglichkeiten.       Ein Studium – von dem sie träumte – war finanzi-
                                                          Sonntags nahm ihre     ell unmöglich. Sie fand einen Job als Sekretärin,
                                                            Großmutter sie       war aber unglücklich: „Ich wusste nicht, wie es
                                                             mit in die Kir-     in meinem Leben weitergehen sollte und wurde
                                                              che, wo sie der    depressiv.“ Just zu dem Zeitpunkt erfuhr sie von
                                                              Jugendgruppe       dem Programm „Mein Lebensplan“ der Caritas
                                                               beitrat. Dort     San Salvador und schrieb sich sofort ein. „Wir
                                                               gefiel es         waren eine tolle Gruppe, die fantastisch zusam-
                                                                                 menhielt“, erzählt sie. Die spielerische Methode
                                                                                 der Selbsterkenntnis und die vielen praktischen
                                                                                 Tipps gefielen ihr besonders. Dank der guten Vor-
                                                                                 bereitung durch das Programm schaffte sie es,
                                                                                 ein Stipendium für das erträumte Studium zu be-
                                                                                 kommen. „Ich bin die erste in der Familie, die
                                                                                 studiert“, sagt sie mit Tränen der Rührung in den
                                                                                 Augen. Heute arbeitet sie für das Programm und
                                                                                 studiert nebenher Psychologie.

                                                                                 In ihrem Stadtviertel ist sie eine respektierte Für-
                                                                                 sprecherin der Jugendlichen. Sie wird um Rat
                                                                                  gefragt, und protestiert mit anderen Jugendli-
                                                                                     chen lautstark, wenn die Polizei wieder einmal
                                                                                       jemanden ungerechtfertigt festgenommen
                                                                                        oder misshandelt hat. „Wir haben Rechte,
                                                                                        und die müssen wir einfordern.“
MISEREOR-Partner FUNDASAL:
Gemeinsam bauen
verbindet
F
     ür junge Menschen ist der Ansatz des
     MISEREOR-Partners FUNDASAL ein Katalysator:
     gemeinsames Bauen für gemeinschaftliches
Leben. Dadurch erfahren sie Zusammenhalt und
Solidarität. Es ist ein langer Prozess. Gruppen von
jungen Menschen und Familien bauen ihr eigenes
Zuhause. Jeder kann seine Bedürfnisse einbrin-
gen, jeder packt beim Bau mit an. FUNDASAL steht
mit seinen Experten beratend zur Seite. So ent-
steht würdiger Wohnraum und etwas, das über das
Projekt hinaus anhält: Gemeinschaft und eine funk-
tionierende, organisierte Nachbarschaft. Für die
Jugendlichen ergeben sich Perspektiven: Sie kön-
nen ihr Wissen im Lehmziegelbau weiter nutzen
und eine Erwerbstätigkeit finden.

                                                                       Während eines von FUNDASAL organisierten Workshops
                                                                       lernen Jugendliche, Lehmziegel herzustellen.

                                                      Der 19-jährige Jaime Diaz aus dem Dorf El
                                                      Tránsito nutzt seine neu erworbenen Mau-
                                                      rer-Kenntnisse, um ab und zu bei Bauarbeiten
                                                      auszuhelfen. Außerdem engagiert er sich mit an-
„Mit unserer                                          deren jungen Menschen in der Jugendgruppe
                                                      des Dorfes. Gemeinsam haben sie Klassenräume
Arbeit zeigen wir                                     und den Vorplatz der Schule repariert. Außer-
                                                      dem fordern die Jugendlichen in einer Petition
den Erwachsenen,                                      ans Bildungsministerium, dass ein aufgegebenes
                                                      Schulgebäude zur weiterführenden Oberstufe
dass die Jugend                                       ausgebaut wird. Denn nur sehr wenige können
                                                      sich den Bus zur weiterführenden Schule leisten.
viel schafft und
                                                      Die jungen Menschen profitieren von der ver-
ein großes                                            besserten Wohnsituation und stärken auch die
                                                      Gemeinschaft. So wie die Jugendgruppe in El
Potential hat.“                                       Sauce, einem Stadtteil von Sonsonate im Wes-
                                                      ten El Salvadors. Seit 1999 entstanden hier
Willian Osorio, 19 Jahre alt,                         mithilfe von FUNDASAL 1.700 Wohnungen für Fa-
Jugendgruppe El Tránsito                              milien. Die Jugendlichen trafen sich, um Pläne
                                                      zu schmieden und auf die Kinder in der Nach-

                                                                                                                       15
Fastenaktion 2019           barschaft aufzupassen. Unter ihnen wuchs der       etwas zusammen zu machen, in geteilter Arbeit,

                  &
                            Wunsch, ihre Zukunft in die Hand zu nehmen         Schulter an Schulter, anstatt dass ein Unterneh-
     GRUNDLAGEN

                            und „Akteure des Wandels“ zu werden, wie die       men die Arbeit bequem für uns erledigt hätte“,
                            18-jährige Hassell Pinto sagt. Heute gibt es       sagt Fernando Renderos.
              PRAXISTIPPS

                            ein Jugendzentrum, in dem sich Kinder und Ju-
                            gendliche treffen. Es gibt Theateraufführungen,    Im ganzen Land sind seit der Gründung von
                            Kunstprojekte und Straßenfeste. „Wir haben         FUNDASAL rund 51.000 neue Häuer entstanden
                            dieses Jugendzentrum mit unseren Tränen und        und 273.000 Menschen haben von den Aktivitä-
                            unserem Schweiß gebaut. Es war viel wichtiger,     ten des Projektpartners profitiert.
   YOVANI MEDARDO

                            Portrait

                            Y
                                    ovani Medardo wuchs als eines von          Heute ist er 25 Jahre alt. Stets hat der Kleinbauer
                                    sieben Geschwistern in einer Kleinbau-     und Maurergehilfe einen Witz parat und ein Lä-
                                    ernfamilie auf. Oft gab es nur gefüllte    cheln auf den Lippen.
                            Maisfladen oder Reis mit Bohnen zum Essen. Er
                            bekam die zerschlissenen Klamotten seiner grö-     Als sich seine Eltern trennten, ging er als einzi-
                            ßeren Geschwister zum Anziehen. Schuhe trug        ger zum Vater. Gemeinsam bauten die beiden
                            er erstmals, als er in die Schule kam. Mit zwölf   auf einem Stückchen Land eine kleine Hütte aus
                            Jahren hatte er nach Ansicht seiner Eltern genug   Bambusrohren, Wellblech und einem Boden aus
                            gelernt und musste fortan auf dem Feld helfen.     Lehm. Yovani Medardo hielt es dort nicht lan-
                                                                               ge aus und versuchte mit 16 sein Glück in der
                                                                               Hauptstadt. Dort schleppte er Kisten im Super-
                                                                               markt und arbeitete als Maurergehilfe auf dem
                                                                               Bau. Doch auch die Stadt brachte ihm nicht die
                                                                               erhoffte Zukunftsperspektive.

                                                                               Sein ganzer Stolz ist, dass er ins Programm für
                                                                               den Hausbau von FUNDASAL aufgenommen wur-
                                                                               de und bald ein eigenes, verputztes Haus haben
                                                                               wird. Vom Bauen hatte er zwar schon eine Ahnung,
                                                                               aber die Technik der Lehmziegel war ihm neu. „Die
                                                                               Ziegel sind super, zum einen isolierend und zum
                                                                               anderen viel erdbebensicherer“, sagt er begeis-
                                                                               tert. Und billiger als herkömmliche Steinhäuser ist
                                                                               die Bauweise auch noch. Nach dem Ausbildungs-
                                                                               kurs von FUNDASAL trat er der Baugruppe bei.

                                                                               Mehr Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche auf
                                                                               dem Land und die Chance auf ein würdiges Le-
                                                                               ben sind seiner Meinung nach nötig, um seine
                                                                               Generation davon abzuhalten, ihr Glück in der
                                                                               Migration zu suchen. Kinder, die ohne Vater oder
                                                                               Mutter aufwachsen, seien eine leichte Beute für
                                                                               die Jugendbanden, so Yovani Medardo. Dass er
                                                                               bald ein ordentliches Haus haben wird, ohne
                                                                                auswandern zu müssen, ist für ihn ein Traum:
                                                                                    „Dann kann ich meine Freundin heiraten,
                                                                                    und wir können eine Familie gründen.“

                  16
Eine starke Gemeinschaft: Die Jugend-
                                                                    gruppe in El Sauce. Sie gestaltet das
                                                                    Dorfleben aktiv mit.

                                                                    Tipp
                                                                    Jedes Jahr lädt MISEREOR zur
                                                                    Fastenaktion Gäste aus dem Part-
                                                                    nerland nach Deutschland ein, die
                                                                    Sie gerne in Ihrer Gemeinde, Grup-
                                                                    pe oder Schule besuchen kommen.
                                                                    Ihre Diözesanstelle Weltkirche ist
                                                                    dafür Ihre Ansprechpartnerin.

                                                                    Dieser Rahmen ermöglicht Begeg-
                                                                    nung zwischen salvadorianischen
                                                                    Jugendlichen und Jugendlichen aus
                                                                    Deutschland bzw. zwischen Mitar-
                                                                    beiterinnen und Mitarbeitern von
                                                                    MISEREOR-Projekten und Menschen
Hinweis                                                             aus Projekten in Ihrem Umfeld.
Auf www.fastenaktion.de/projekte                                    Schaffen Sie Raum für Dialog und
finden Sie einen Film, Bilder zu                                    Austausch über Chancen, Potenzia-
den Projekten sowie weitere                                         le und Ideen junger Menschen in
Informationen zu den beiden                                         El Salvador und in Deutschland.
Projekten.                               E
                                    OD
                               M ET H

                                                       Probleme und Hindernisse treffen sie vielleicht?
                                                       Wo stehen sie jetzt?

Methodische Anregung                                   Anschließend gibt es einen Austausch (je nach
                                                       Gruppengröße in Kleingruppen); mehrere TN
Zeit: ca. 45 min                                       stellen ihr fiktives Porträt vor. Welche Gemein-
                                                       samkeiten gibt es in den vorgestellten fiktiven
Material: Kopien mit den ersten Absätzen aus den       Geschichten? Halten Sie die gesammelten Begriffe
Porträts der Jugendlichen                              auf Kärtchen fest.

Die Porträts der Jugendlichen aus El Salvador ge-      Eine Präsentation der realen Porträts der Jugendli-
ben einen kleinen Einblick in ihre Lebensrealitäten.   chen folgt. Nun kann Bezug auf die vorab notierten
Sie zeigen in sehr verkürzter Form, was Ingrid Ga-     Gemeinsamkeiten in den fiktiven Geschichten ge-
nuza und Yovani Medardo bewegt, wo sie jetzt           nommen werden: Haben wir etwas nicht beachtet?
stehen und wie sie dahin gekommen sind.                Welche Begriffe müssen ergänzt werden?

Lesen Sie den ersten Absatz des Porträts laut vor.     Dabei ist es möglich, dass zwischen den Assozi-
Je nach Gruppengröße können auch beide Porträts        ationen der TN und den realen Porträts eine hohe
genutzt werden. Auch ein Foto der Jugendlichen         Übereinstimmung oder eine Differenz besteht.
kann gezeigt werden. Teilen Sie nun diesen ersten      Es folgt eine kurze Reflexion als Blitzlicht: Was
Abschnitt an alle Teilnehmerinnen und Teilneh-         macht das mit uns? Was löst es bei uns aus?
mer (TN) aus. In Einzelarbeit schreiben die TN den
Anfang des Porträts weiter (ca. 5 min). Mögliche       Bilder der Jugendlichen finden Sie in der Präsen-
Leitfragen: Was passiert? Welche Träume haben          tation zur Fastenaktion auf
Ingrid Ganuza und Yovani Medardo? Auf welche           www.fastenaktion.de/projekte

                                                                                                             17
Jugend:

                       Steh auf!
                    „In euch Jugendlichen erneuert                               die Jugendbanden, die ganze Stadtteile terro-
                                                                                 risieren. Heute sind es immer mehr auch die

                     sich die Kirche, in euch ist der                            staatlichen Sicherheitskräfte, die, anstatt die
                                                                                 Menschenrechte zu schützen, willkürlich Jugend-

                    Geist Gottes wie erfrischendes                               liche verschleppen, foltern und ermorden als Teil
                                                                                 eines blinden und absurden Krieges gegen die

                        Wasser für die Menschheit.                               Bandenkriminalität. Aus Angst verlassen Ana und
                                                                                 ihre Altersgenossen das Haus nur noch, wenn

                      Mögt ihr Zeichen eines neuen                               es unbedingt notwendig ist. Viele andere sind
                                                                                 bereits geflohen und haben sich auf den gefährli-

                                  Aufblühens sein.“                              chen Weg in die USA gemacht.

                                                                                 Wo einst ein aktives Gemeindeleben und Ju-
                            Diese Worte sprach Erzbischof Oscar Romero im        gendorganisationen florierten, ist heute
                            Jahr 1978 zu den Jugendlichen seiner Diözese San     gähnende Leere. Angesichts dieser Situation ver-
                            Salvador. Vier Jahrzehnte nach der Ermordung Ro-     sinken selbst Christinnen und Christen, die zur
                            meros scheint von einem Aufblühen keine Spur         Hoffnung berufen sind, leicht in Hoffnungslosig-
                            mehr zu sein. Wer heute durch die ärmeren Stadt-     keit und Resignation oder schauen schlicht weg
                            teile der Hauptstadt San Salvador geht, wird kaum    und machen weiter, so gut es eben geht.
                            Jugendliche antreffen und das gewiss nicht, weil
Fastenaktion 2019
                            es keine gibt. Nahezu jeder zweite Salvadorianer     Im Einklang mit dem Evangelium mahnt uns
                            ist jünger als 25 Jahre.                             der salvadorianische Befreiungstheologe Jon

                  &                                                              Sobrino11 zur „Aufrichtigkeit gegenüber der
     GRUNDLAGEN

                            Das Problem ist ein anderes. „Jugendlich zu sein,
              PRAXISTIPPS

                            ist ein Verbrechen in diesem Land”, versichert mir
                                                                                 10   Die Namen der Jugendlichen in diesem Text wurden alle anony-
                            die 18-Jährige Ana.10 Obwohl das Land seit 1992           misiert, um sie nicht in Gefahr zu bringen.
                            formal im Frieden lebt, hat El Salvador eine der     11   Sobrino, Jon: Fuera de los pobres no hay salvación, San Sal-
                                                                                      vador, UCA Editores, 2009, S. 40.
                            höchsten Mordraten weltweit. Besonders junge              Der Jesuit Jon Sobrino war enger Vertrauter von Oscar Romero
                            Männer und Frauen fallen diesem blutigen Kon-             und überlebte das Massaker von 1989 an der Jesuitenkommu-
                                                                                      nität der Zentralamerikanischen Universität San Salvador, da er
                            flikt zum Opfer. Längst sind es nicht mehr allein         auf einer Auslandsreise war.

                                                        „In unserer Gesellschaft, in der Gewalt
                                                        so sehr vorherrscht, wollen wir einen
                                                        Wandel und sichere Orte schaffen.
                                                        Diese Arbeit gibt uns persönlich viel
                                                        und hat mich selber auch verändert.“
                                                        Carmen Linares
                                                        Jugendgruppe El Sauce, die FUNDASAL begleitet

                  18
Wirklichkeit“. Das bedeutet, die Augen nicht
vor dem Leid der Welt zu verschließen, sondern
hinzuschauen und uns auf die Seite der Notlei-
denden zu stellen.

Wer Scham und Abscheu angesichts der Ge-
walt zurücklässt und hinschaut, wer nachfragt
und glaubt, der stellt fest, dass das Totgeglaub-
te häufig nur tief schlummert, und dass gerade
die Jugendlichen inmitten von Gewalt und Tod
Keimzellen des Lebens sind. All den Widrigkei-
ten ihres Lebens zum Trotz stehen die jungen
Menschen in El Salvador auf für eine gerech-
tere, menschlichere Welt. Diego, dessen Vater
vor zwei Jahren von Bandenmitgliedern ermor-
det wurde, ruft zur Vernunft: „Wir müssen den
Teufelskreis der Gewalt stoppen. Wir haben alle
eine zweite Chance verdient, auch die Mörder.
Wir müssen ihnen helfen, ihnen Perspektiven
aufzeigen, damit sie so etwas nicht wieder tun.
Klar, das ist nicht leicht. Aber wenn es Menschen
gibt, die an diese Jugendlichen glauben und
sagen, ‚Wir sind da. Wir werden euch unterstüt-
zen‘, können wir viel bewegen.“ Auch Jonathan
weiß, was es bedeutet, im Kreuzfeuer zwischen
Jugendbanden und Polizei zu überleben. Vor ei-       Wie Jonathan feststellt, ist das keineswegs
nigen Jahren hat er beschlossen, der Gewalt und      der große Befreiungsschlag mit Pauken und
Perspektivlosigkeit die Stirn zu bieten. Gemein-     Trompeten. Es ist vielmehr ein kleines Senfkorn
sam mit Freunden macht er heute Zirkus- und          Hoffnung, ein Prozess, der im Kleinen und Alltäg-
Straßenkunst und richtet damit auch eine Bot-        lichen minimale Freiräume schafft. Das ist, in den
schaft an die Gesellschaft. „Durch unsere Kunst      Worten Jon Sobrinos, die wahre Erlösung, die von
versuchen wir, auf die Ungerechtigkeit und die       unten, von den Armen und Ausgegrenzten, selbst
Stigmatisierung unserer Generation aufmerksam        kommt.12 Erlösung geschieht, wenn Leben möglich
zu machen. Wenn es auch nur ein kleiner Beitrag
ist, so ist es doch ein Schritt zu einer gerechte-   12   Sobrino, Jon: Fuera de los pobres no hay salvación, San Sal-
ren Gesellschaft.“                                        vador, UCA Editores, 2009, S. 22.

„Viele Jugendliche haben die Hoffnung
verloren und versuchen gar nicht mehr,
für sich einen Ausweg zu finden.
Doch wir merken: Oft braucht es dafür nur
einen kleinen Funken.“
Daysi Rodríguez
Leiterin des Programms „Lebenspläne“ der Caritas San Salvador

                                                                                                                         19
Zum Autor:
                                                                                        Benjamin Jonathan Schwab ist Theologe und
                                                                                         Sozialwissenschaftler und lebt in El Salvador.
                                                                                          Er lehrt an der Zentralamerikanischen Universi-
                                                                                          tät der Jesuiten in San Salvador und ist Teil eines
                                                                                         Forschungsprojekts zu Jugend, Gewalt und Frie-
                                                                                        den. Im Rahmen des Projekts sprach er mit vielen
                                                                                        jungen Menschen über ihre Situation, ihre Ängste
                                                                                        und Hoffnungen.

                                  wird, wo es unmöglich scheint. Wenn eine Stimme       Hinweis
                                  die Totgeglaubten zu neuem Leben erweckt und          Einen Artikel von Prof. Sr. Martha Zechmeister
                                  sagt: „Talita kum! - Steh auf!“ (vgl. Mk 5, 35-43).   über das Forschungsprojekt „Gewalt und Erlö-
                                  Bereits der heilige Oscar Romero glaubte an seine     sung“ finden Sie unter
                                  Jugendlichen und die sind auch heute noch „Zei-       www.congregatiojesu.de/sr-martha-
                                  chen eines neuen Aufblühens“.                         zechmeister-und-ihre-arbeit-el-salvador

                                                         Benjamin Jonathan Schwab

                              E
                            OD
                     H
                  MET

                                               Anregung zu einer Bibelarbeit

                                  Ich sage dir, steh auf! (Mk 5, 41)
                                                                                        Laden Sie dann ein, Platz zu nehmen. Verteilen
                                  Zeit: ca. 30 min                                      Sie die Textkopien/Bibeln und lesen Sie den Text
                                                                                        ein zweites Mal vor.
                                  Material: Kopien mit Bibelstelle/Bibeln
                                                                                        Nun kann sich ein Austausch in der Gruppe (oder
                                                                                        in Kleingruppen) anschließen: Was spricht mich
                                  Einstieg:                                             persönlich an? Welche Fragen habe ich? Welche
                                  Sie können mit einem Gebet oder auch einem            Bedeutung hat der Text für mich, für mein Leben?
                                  Lied beginnen. Laden Sie die Teilnehmerinnen          Welche Verbindung sehe ich zwischen der bibli-
                                  und Teilnehmer (TN) ein, aufzustehen, sich gera-      schen Erzählung und der Situation von jungen
                                  de und aufrecht hinzustellen und die Augen zu         Menschen in El Salvador? Zu meinem Leben in
                                  schließen. Lassen Sie einen Moment der Stille         Deutschland?
                                  und laden Sie dann ein, ganz bewusst nachzu-
Fastenaktion 2019                 spüren: Wie fühlt es sich an, aufrecht zu stehen?     Anschließend können im Plenum noch einzelne

                  &
                                                                                        Erfahrungen ausgetauscht werden. Zum Ab-
     GRUNDLAGEN

                                  Bibelarbeit:                                          schluss kann ein Gebet/Segen gesprochen oder
                                  Noch während alle stehen, lesen Sie den Bibel-        ein Lied gesungen werden.
              PRAXISTIPPS

                                  text aus dem Evangelium vor (Mk 5, 21-43).
                                  Anschließend benennen die TN Worte/Satzteile,         Das Lied zur Fastenaktion finden Sie unter
                                  die sie in besonderer Weise ansprechen. Alle          www.fastenaktion.de/liturgie
                                  hören zu und lassen die Aussagen auf sich wir-
                                  ken. Sie werden nicht kommentiert.

                  20
Heiliger Oscar Romero:
Prophet einer Kirche der Armen
„Mich könnt ihr töten,                                 möglichte ihm ein Theologiestudium in Rom, wo
                                                       er 1942 zum Priester geweiht wurde. Zurück in

nicht aber die Stimme                                  El Salvador wurde er zu einem geschätzten Seel-
                                                       sorger. Doch er galt eher als konservativ und

der Gerechtigkeit“,                                    wollte die Kirche aus den wachsenden sozialen
                                                       Konflikten seines Landes heraushalten. Seine
                                                       kirchliche Karriere ging nach oben: 1970 wurde
hatte Oscar Arnulfo Romero in seiner letzten Pre-      er zum Weihbischof ernannt, dann zum Bischof
digt ahnungsvoll vorausgesagt. Der Erzbischof          der Diözese Santiago de Maria und schließlich
wurde am 24. März 1980 während der Feier der           1977 zum Erzbischof der Hauptstadt San Salvador.
heiligen Messe von einem bezahlten Scharfschüt-        Von seiner Ernennung zum Erzbischof waren all
zen erschossen. Papst Franziskus hat ihn am 14.        jene enttäuscht, die sich eine Fortsetzung der so-
Oktober 2018 in Rom heiliggesprochen. Er ist das       zial engagierten Linie seines Vorgängers erhofften.
Vorbild eines Bischofs der Armen; ein Hirte, der
nach seinen Schafen riecht. Für die Menschen in        Doch die Ermordung des Jesuitenpaters Ruti-
El Salvador galt Romero schon kurz nach seiner Er-     lio Grande und zwei seiner Begleiter im Auftrag
mordung als Heiliger.                                  von Großgrundbesitzern erschütterte ihn zutiefst.
                                                       Grande hatte in dem Dorf Aguilares als Pfarrer die
Die Geschichte von Romero ist die Geschichte           Kleinbauern ermutigt, sich zu organisieren und
einer großen persönlichen Veränderung, die man-        eine gerechtere Landverteilung zu fordern.
che sogar eine Bekehrung nennen. In einer armen        Romero war zwar mit ihm befreun-
Familie geboren, erwachte in ihm mit zwölf Jahren      det, doch er stand seiner
der Wunsch, Priester zu werden. Ein Freiplatz er-      pastoralen Arbeit

        „Ihr Regierenden, Reichen
und Mächtigen, wenn ihr euch nicht
       selbst arm macht, wenn ihr
        euch nicht um die Armut
       unseres Volkes kümmert,
  als wäre es eure eigene Familie,
         könnt ihr die Gesellschaft
                       nicht retten.“
                                             Oscar Romero             -
                                          Predigt 15. 7. 1979
reserviert gegenüber. Als er vor den drei noch blu-    Dreischritt Sehen-Urteilen-Handeln. Vor seiner Be-
                            tenden Körpern stand, spürte er, dass er nun den       kehrung war Romero ein Gegner der Theologie der
                            Weg Grandes gehen musste. Innerhalb weniger            Befreiung. Ihm erschien es gefährlich, wenn sich
                            Wochen wurde Romero zu einem prophetischen             Kirche und Theologie in soziale und politische
                            Verteidiger der Armen. Er prangerte die ungerechten    Fragen einmischen. Doch jetzt machte er mit den
                            Verhältnisse an und stellte sich gegen die Militär-    Jesuiten Ignacio Ellacuría und Jon Sobrino zwei Be-
                            diktatur. Einige sprachen vom „Wunder Romero“,         freiungstheologen zu seinen engsten Beratern.
                            das durch den Tod Rutilio Grandes ausgelöst wurde.
                                                                                   Ein bildlicher Ausdruck für eine Heiligsprechung
                            Die offizielle kirchliche Selig- und Heiligsprechung   ist, jemanden „zur Ehre der Altäre zu erheben“.
                            Romeros zog sich auch deswegen so lange hin,           Dies kann sich mit der Gefahr verbinden, ihn zu
                            weil man ihn mit der auch innerkirchlich lange         entrücken, zu idealisieren. Jesus selbst hat auf die
                            umstrittenen “Theologie der Befreiung“ identifi-       Ambivalenz der Prophetendenkmäler hingewie-
                            zierte. Das ist eine Theologie, die vor 50 Jahren      sen. Wir verehren den heiligen Oscar Romero nur
Fastenaktion 2019           in Lateinamerika entstanden ist. Theologie der         dann angemessen, wenn wir seinen Weg gehen:

                  &
                            Befreiung möchte eine christliche Antwort auf          Wenn wir die Wahrheit über diese Welt sagen, die
     GRUNDLAGEN

                            Ungerechtigkeit und Unterdrückung geben. In ih-        eine Welt von Menschen ist, denen ein Leben in
                            rem Mittelpunkt steht die Option für die Armen,        Fülle verweigert wurde; wenn wir die Frage nach
              PRAXISTIPPS

                            die die lateinamerikanischen Bischöfe auf ihren        den Gründen von Armut und Ungerechtigkeit stel-
                            Versammlungen in Medellín (1968) und Puebla            len; wenn wir die Götzen unserer Zeit beim Namen
                            (1979) getroffen hatten. Ein weiteres Merkmal der      nennen und bekämpfen; wenn wir Risiken und
                            Theologie der Befreiung ist die gläubige Überzeu-      Konflikte in Kauf nehmen; wenn wir vom Glauben
                            gung, dass Gott durch die Zeichen der Zeit auch        getragen sind, dass die Hingabe stärker als der
                            in der Geschichte wirkt. Methodisch folgt sie dem      Egoismus und die Liebe stärker als der Tod sind.

                                         „Ein Verzicht auf jegliche Form von Gewalt
                               ist notwendig, vor allem auf die strukturelle Gewalt,
                                       die mit am schwierigsten zu überwinden ist.
                                 Die Gesellschaft muss anders strukturiert werden.
                                         So wie die Verhältnisse jetzt im Land sind,
                            widersprechen sie vollständig der menschlichen Würde,
                                                           denn die große Mehrheit
                                                     der Bevölkerung ist verarmt…“
                                                                                                     Kardinal Gregorio Rosa Chávez
                                                                                                       Weihbischof von San Salvador
                                                                                                                      Predigt 30.1.1990

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Das entscheidende Kriterium für die Mensch-
lichkeit einer Gesellschaft ist ihr Umgang mit
den Schwächsten. Papst Paul VI., der zusammen
mit Oscar Romero heiliggesprochen wurde, hat
die Kirche in seiner Ansprache vor den Verein-
ten Nationen 1965 in New York als „Expertin für
Menschlichkeit“ bezeichnet. Darin liegt die Be-
deutung und die Aufgabe der Kirche in der Welt
von heute, der Anspruch, an dem sie sich auch
messen lassen muss: in den Ländern des glo-
balen Südens ebenso wie in den Ländern des
globalen Nordens. Sie muss überall Partei ergrei-
fen für die Schwächsten. Das sind ganz konkret
zum Beispiel Flüchtlinge, Arbeitslose, Obdachlose,
Opfer von sexueller Gewalt und Ausbeutung, ein-                              Oscar Romero, umgeben von
same und verlassene Alte sowie junge Menschen,                               der Jugend seines Landes.
die vernachlässigt werden und keine Zukunftsper-
spektiven haben. Romero zur „Ehre der Altäre zu
erheben“, muss damit einhergehen, arme und              Literaturtipp
ausgegrenzte Menschen auf dieser Welt zur „Ehre         Maier, Martin: Oscar Romero. Prophet einer
eines menschenwürdigen Lebens zu erheben“.              Kirche der Armen. Die Biographie, Verlag
Denn mit Romeros Worten: „Die Ehre Gottes ist           Herder, 2015.
der Arme, der lebt.“
                                      Martin Maier SJ
                                                        Filmtipp
Zum Autor:                                              John Duigan: Romero. Seine Waffe war die Wahr-
Der Jesuitenpater Martin Maier SJ war von 1989 bis      heit, Paulist Picture Film, 1989.
1991 Pfarrer einer Landgemeinde in El Salvador.         Die DVD ist erhältlich bei: Verbo Filmes-D, Münster.
Er übernahm die Gemeinde von seinem Ordensbru-          www.konzilsvaeter.de
der Ignacio Martín Baró, der beim Massaker 1989
an den Jesuiten auf dem Campus der Jesuitenuni-
versität in San Salvador ums Leben kam. Maier ar-       Hinweis
beitet seit 2014 als Beauftragter seines Ordens für     In den Liturgischen Bausteinen finden Sie
europäische Angelegenheiten in Brüssel und ist re-      Bausteine „Begegnung mit Oscar Romero“
gelmäßig als Dozent an der Zentralamerikanischen        für Früh- oder Spätschichten.
Universität der Jesuiten in San Salvador tätig.         www.fastenaktion.de/liturgie

                             „Wir sind die Akteure des Wandels.
                             Wir wollen unser Engagement im ganzen
                             Land verbreiten und weitergeben.“
                              Hassell Pinto
                              Die 18-Jährige engagiert sich in der Jugendgruppe El Sauce,
                              die FUNDASAL begleitet.

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