Bedarfe wahrnehmen als Herausforderung - Jugendämter unter den Einschränkungen von Corona - Deutsches Jugendinstitut
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Andreas Mairhofer Bedarfe wahrnehmen als Herausforderung - Deutsches Jugendinstitut e. V. Jugendämter unter den Einschränkungen von Corona Nockherstraße 2 D-81541 München Postfach 90 03 52 D-81503 München Telefon +49 89 62306-0 Fax +49 89 62306-162 Familie am Mittag | 9. März 2022 www.dji.de
Bedarfe wahrnehmen als Herausforderung - Jugendämter unter den Einschränkungen von Corona I. Das DJI-Jugendhilfeb@rometer: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die kommunale Kinder- und Jugendhilfe • Kontext und Ziele der Studie • Zentrale Ergebnisse II. Bedarfe wahrnehmen als doppelte Herausforderung • Bedarfe in der Kinder- und Jugendhilfe • Wahrnehmung als Herausforderung • Wahrnehmung von Bedarfen während der Pandemie • Empirische Hinweise aus dem Jugendhilfeb@rometer Andreas Mairhofer | FaM 9.3.2022 2
I. Das DJI-Jugendhilfeb@rometer: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die kommunale Kinder- und Jugendhilfe
Das DJI-Jugendhilfeb@rometer: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die kommunale Kinder- und Jugendhilfe Ausgangssituation im Fühjahr 2020 • Allgemeine Verunsicherung, auch in der Kinder- und Jugendhilfe • (Fach-)öffentliche Debatte: Sorge um Folgen der (Maßnahmen zur Eindämmung der) Pandemie für Kinder: national & international • Zentrales Narrativ: • Zunahme von Gefährdungen und damit von Interventions- und Hilfebedarfen • Einschränkung von Kontroll- und Unterstützungsstrukturen • Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Kinder- und Jugendhilfe, v.a. der Jugendämter • Diffuse “Datenlage” und viel Spekulation Andreas Mairhofer 4
Das DJI-Jugendhilfeb@rometer: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die kommunale Kinder- und Jugendhilfe Projekt Jugendhilfe und sozialer Wandel • Liane Pluto, Monika Gandlgruber, Christian Peucker, Eric van Santen & ich • Projektauftrag: • Strukturen, Angebote und Verfahren der Kinder- und Jugendhilfe und deren Veränderungen empirisch abzubilden • Aktuelle Entwicklungen zu beschreiben und Herausforderungen für die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe zu formulieren • seit Anfang der 1990er Erhebungen bei unterschiedlichen Feldern/Organisationen der Kinder- und Jugendhilfe (z.B. Jugendämter, stationäre Einrichtungen, Jugendzentren) • Bundesweite quantitative Erhebungen & qualitative Vertiefungsstudien Andreas Mairhofer 5
Das DJI-Jugendhilfeb@rometer: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die kommunale Kinder- und Jugendhilfe Studie (Jugendhilfeb@rometer): • Kurzbefragung der deutschen Jugendämter • Onlinebefragung von 23. April bis 12. Mai 2020 • Gegenstand: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die kommunale Kinder- und Jugendhilfe • Aufgabenwahrnehmung • Arbeitsweise und Kommunikation • Fallzahlen im Kinderschutz • Herausforderungen • Organisationsbefragung • Datengrundlage 373 Fragebögen (65%) Andreas Mairhofer 6
Das DJI-Jugendhilfeb@rometer: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die kommunale Kinder- und Jugendhilfe Zentrale Ergebnisse: Die meisten Jugendämter verzeichneten keine Hinweise auf eine Zunahme von Kindeswohlgefährdungen: Gefährdungsmeldungen: Inobhutnahmen: Einige Jugendämter äußerten Unsicherheit, ob die institutionelle Wahrnehmung der Situation in den Familien entspricht. Andreas Mairhofer 7
Das DJI-Jugendhilfeb@rometer: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die kommunale Kinder- und Jugendhilfe Kinderschutz steht im Zentrum der Arbeit der Jugendämter: • Aufgaben im Kinderschutz werden weiterhin von allen JÄ wahrgenommen. • 98% weiterhin Hausbesuche zur Verdachtsabklärung • 37% Hilfeplanung nur bei Fällen mit einem Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung • Vor allem intensive Hilfen / Interventionen werden weiterhin gewonnen: Inobhutnahmen: 99%; Stationäre Hilfen 95%; Ambulante Hilfen 91%. Jugendämter leisten aber mehr als Kinderschutz, wie viel mehr variiert: • 39% keine Einschränkung des Aufgabenspektrums • 67% halten persönlichen Kontakt zu den Adressat:innen • 45% Hilfeplanung wie bisher (6% vorübergehend eingestellt) • Breites Spektrum von Hilfen wird begonnen, u.a. Jugendwohnen 69%; Jugendhilfe im Strafverfahren 68% Andreas Mairhofer 8
Das DJI-Jugendhilfeb@rometer: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die kommunale Kinder- und Jugendhilfe Die Jugendämter reagieren (flexibel) auf veränderte Situation: • Nutzung digitaler Medien • 13% im Kinderschutz (Gefährdungseinschätzung) • 25% bildgestützte Kommunikation mit Adressat:innen im ASD 64% bildgestützte Kommunikation mit Adressat:innen in ambulanten Hilfen • 46% zusätzliche Kapazitäten für Online-, Telefon- und Chatberatung • 89% weisen in Pandemie (verstärkt) auf Beratungs- und Kriseninterventionsangebote hin Jugendämter sehen Herausforderungen, schätzen diese aber als bewältigbar ein… Andreas Mairhofer 9
Herausforderungen Aktuelle Hilfebedarfe zu erkennen und zu priorisieren 5,7 Partizipationsmöglichkeiten von Adressaten aufrechtzuerhalten 5,1 An Infektionsschutzmaterial zu kommen 4,9 Technische Herausforderungen zu meistern 4,6 Kinderschutz aufrechtzuerhalten 4,0 Finanzielles Überleben von Trägern ambulanter HzE sichern 3,8 Kooperation mit dem Gesundheitsbereich zu organisieren 3,4 Verständnis für den ASD in der Kommunalverwaltung erreichen 2,8 Kompensation von Personalausfällen (Erkrankung, Quarantäne etc.) 2,2 Finanzielles Überleben von Trägern stationärer HzE sichern 1,8 Notdienste sicherstellen/einrichten 1,7 Das Fachkräftegebot einzuhalten 1,3 Mittelwert einer Skala von 0 "gar nicht problematisch" bis 10 "höchst problematisch" 10 Andreas Mairhofer
Das DJI-Jugendhilfeb@rometer: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die kommunale Kinder- und Jugendhilfe Studie steht zum Download unter www.dji.de/jhsw > Publikationen Oder direkt unter: https://www.dji.de/veroeffentlichungen/ literatursuche/detailansicht/literatur/29 015-kinder-und-jugendhilfe-in-zeiten- der-corona-pandemie.html Andreas Mairhofer 11
II. Bedarfe wahrnehmen als doppelte Herausforderung
Bedarfe wahrnehmen als doppelte Herausforderung Bedarfe in der Kinder- und Jugendhilfe • Bedarfe als relationales Konstrukt: Auseinanderfallen von • sozialen Verhältnissen / konkreten Lebenssituationen und • Erwartungen bzw. Normalitätsvorstellungen • Bedarfe in der Kinder- und Jugendhilfe häufig komplex (materielle, psychosoziale, bildungsbezogene etc. Schwierigkeiten) • Einfluss der Corona-Pandemie • auf Normalitätserwartungen • auf Lebensverhältnisse Andreas Mairhofer 13
Bedarfe wahrnehmen als doppelte Herausforderung Bedarfe in der Kinder- und Jugendhilfe • Folgen der Corona-Pandemie für Kinder, Jugendliche und Familien. Besonders betroffen u.a. • Mütter (z.B. Huebener et al. 2020a, b; Kohlrausch/Zucco 2020) • sozial benachteiligte Menschen / Familien (z.B. Schröder et al. 2020; Hövermann 2020; Zinn/Beyer 2020) • Kinder und Jugendliche • Studien für Deutschland zeigen u.a. eine Zunahme von psychischen Belastungen, Einsamkeit, Depressivität, Zukunftsangst, problematischem Medienkonsum (z.B. Andresen et al. 2020a,b, c, 2021, 2022; Langmeyer et al. 2020; Ravens- Sieberer et al. 2020, 2021, 2022; zur Übersicht & Kritik Hafeneger 2022) • Internationale Studien zeigen, dass v.a. Mädchen und sozial benachteiligte junge Menschen betroffen sind (vgl. z.B. ILO 2020, Eurofuond 2020; OECD 2020; Ritz et al. 2020; zur Übersicht Rottach et al. 2021) Andreas Mairhofer 14
Bedarfe wahrnehmen als doppelte Herausforderung Bedarfe in der Kinder- und Jugendhilfe • Hinweise auf quantitative Ausweitung von Bedarfen (vgl. z.B. Müller et al. 2021) • Hinweise auf veränderte Bedarfe, z.B. Zunahme von • psycho-sozialen Belastungen und Problemen • bildungsbezogenen Bedarfen/Bildungsproblemen • Bedarfe rund um digitale Medien • Bedarfe nach politischer Bildung • Spezifische Bedarfe bei Adressat:innen, z.B. in Heimerziehung (vgl. z.B. Montserrat et al. 2021; Jenkel et al. 2020) Andreas Mairhofer 15
Bedarfe wahrnehmen als doppelte Herausforderung Wahrnehmung von Bedarfen als Herausforderung • Komplexe Bedarfe nicht expertokratisch und/oder sozialtechnologisch diagnostizierbar • Erkennen von Bedarfen als multiperspektivischer und interaktiv-dialogischer Prozess (vgl. z.B. schon Richmond 1917; für die Hilfeplanung z.B. Jordan 1994, Merchel 1999; für den Kinderschutz z.B. Klees/Wiesner 2014) • Bedarfsfeststellung ist strukturell von Unsicherheiten geprägt – z.B. wegen großer Falldynamik oder unvollständigen und widersprüchlichen Informationen (vgl. z.B. Parton 1998; Schone 2012) • Beziehung und Kommunikation / Interaktion sind wesentliche Technologien der Dienstleistungsarbeit, auch der Bedarfsermittlung (vgl. z.B. IASSW/ICFW/IFSW 2020; Hasenfeld 2010a, b; Howe 1998) Andreas Mairhofer 16
Bedarfe wahrnehmen als doppelte Herausforderung Wahrnehmung von Bedarfen als Herausforderung • Kommunikations- und Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung der Pandemie treffen Kinder- und Jugendhilfe als Beziehungs- und Interaktionsarbeit in ihrem Kern (vgl. z.B. Banks et al. 2020; Nordesjö et al. 2021; Conrad/Magsamen-Conrad 2022) • Empirische Hinweise aus Onlinebefragungen von Fachkräften der KJH: • 75% Schutzmaßnahmen wirken sich negativ auf eigene Arbeit aus (Meyer/Alsago 2021). • 58% Qualität der Interaktionsarbeit mit den Adressat:innen ist im Homeoffice schlechter als am üblichen Arbeitsort (Völz/Evans 2021). • Diverse „Lösungsversuche“: Digitale Medien, Walk and Talk, etc. (vgl. z.B. Ferguson et al. 2021; Pink et al. 2022; Global Social Service Workforce Alliance 2021). mit positiven und negativen „Nebenwirkungen“ Andreas Mairhofer 17
Bedarfe wahrnehmen als doppelte Herausforderung Wahrnehmung von Bedarfen während der Pandemie als doppelte Herausforderung • Wahrnehmung von Bedarfen schon unter „normalen“ Bedingungen herausfordernd • Herausforderungen werden durch Corona verstärkt (Brennglas): • Veränderte Bedarfe • Eingeschränkte Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeiten • Allgemeine Unsicherheit bei allen Beteiligten Bedarfe erkennen und priorisieren größte Herausforderung in Pandemie Andreas Mairhofer 18
Bedarfe wahrnehmen als doppelte Herausforderung Empirische Hinweise aus dem Jugendhilfeb@rometer 2020: • Bedeutung persönlichen Kontakts für Bedarfsfeststellung, Kinderschutz und Beteiligung: Alle drei weniger problematisch wenn … • persönliche Kontakte der Mitarbeitenden des ASD mit Adressat:innen bestehen, • Hilfeplanung nicht ausgesetzt ist bzw. wie bisher (in Präsenz) stattfindet, • Aufgabenspektrum des ASD nicht eingeschränkt wurde. • Chancen und Grenzen digitaler Kommunikation: • Keine Gefährdungseinschätzung ausschließlich über digitale Medien. • Nutzung digitaler Medien (VT/VK) hat keinen Einfluss auf die Problemeinschätzung. Andreas Mairhofer 19
Bedarfe wahrnehmen als Herausforderung - Jugendämter unter den Einschränkungen von Corona Danke für Ihre Aufmerksamkeit ! Kontakt: mairhofer@dji.de www.dji.de/jhsw 20
Literatur 21
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Andreas Mairhofer, Christian Peucker, Liane Pluto, Eric van Santen Herausforderungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Empirische Erkenntnisse Beltz Juventa 2022, 270 Seiten, ISBN 978-3-7799-6871-9 (Print: 29,95) ISBN 978-3-7799-6872-6 (PDF: Open Access) Die Offene Kinder- und Jugendarbeit ist in einer sich stetig wandelnden Gesellschaft mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Im vorliegenden Band werden diese auf der Grundlage der zweiten bundesweiten DJI-Befragung von Jugendzentren analysiert. Empirische Befunde zu Herausforderungen, wie z.B. der Inklusion von jungen Menschen mit Behinderung oder der Mitwirkung an Angeboten der Ganztagesbetreuung von Schulkindern, werden ergänzt durch eine umfassende Beschreibung der Strukturen des Arbeitsfeldes. 27
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