ENTWICKLUNG IN DER KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRISCHEN VERSORGUNG - BEISPIELE AUS DEN ERGEBNISSE DES APK-PROJEKTS KIJU (GEFÖRDERT VOM BMG) 4.7.2018 ...
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Entwicklung in der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung Beispiele aus den Ergebnisse des APK-Projekts KiJu (gefördert vom BMG) 4.7.2018 – ZfP Weissenau Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane Prof. Dr. Michael Kölch
coi Forschungsunterstützung: BMBF, BMFFSJ, BMG, Schweizer Bundesamt für Justiz, EU, Eli Lilly International Foundation, Boehringer Ingelheim, Servier Klinische Studien (letzte 5 Jahre): Servier, Lundbeck, Pascoe Vortragstätigkeit Industrie : keine in den letzten 5 Jahren Beratertätigkeit Industrie: keine in den letzten 5 Jahren Mitgliedschaften: Kinderarzneimittelkommission BfArM, SAG Psychiatry EMA ECNP, AACAP, DGKJP, BAG Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane - www.mhb-fontane.de
Forschung in der KJP • Grundlagenforschung (genetisch, neurobiologisch) • Therapieforschung (psychotherapeutisch, pharmakotherapeutisch) • Epidemiologische und Risikoforschung (Kohorten, repräsentative Stichproben) • Versorgungsforschung (Daten aus der Routineversorgung, GKV-Daten, KBV- Daten etc.) Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane - www.mhb-fontane.de
Bedeutung der Versorgungsforschung • ADHS: Thema Überversorgung mit „Pillen“ ? • Suizide durch Antidepressiva ? • Regionale Versorgung ? • Was geschieht in der Versorgung ? • Leitliniengerechte Therapie findet nicht statt ? Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane - www.mhb-fontane.de
Gliederung • Projekt der APK – Projektgruppe & Ablauf • Versorgungsdaten zu stationärer KJP Versorgung • Versorgungsdaten zu ambulanter Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen • Pharmakotherapie in der KJP in D • Versorgung von Kindern mit ADHS in der Routineversorgung • Zwangsmaßnahmen in der KJP Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane - www.mhb-fontane.de
Projektleitung und Mitarbeitende Projektleitung Prof. Dr. Jörg M. Fegert Prof. Dr. Michael Kölch Ulrich Krüger Projektmitarbeitende Mitarbeitende in der Berichterstellung Silke Rabe Dr. Anja Baumann Ivonne Hein Dr. Maik Herbehold Stephanie Kamann Dr. Tina Wessels Dr. Ute Mendes Dr. Ulrich Raub
Projektziele • Durchführung einer Bestands- und Bedarfsanalyse der Hilfs- und Versorgungsangebote für psychisch kranke Kinder und Jugendliche in Deutschland als erster Projektteil Beschreibung der ambulanten und stationären psychiatrisch- psychotherapeutischen Behandlung und Rehabilitation sowie sonstiger Leistungen für psychisch kranke Kinder und Jugendliche nach SGB V Verzahnung zu weiteren Leistungsbereichen wie z. B. der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) war ein Schwerpunkt der Bestandsanalyse Untersuchung der Transitionsproblematik in die Erwachsenensysteme und die Übergänge in Arbeit Abgleich von Unterschieden des regionalen Versorgungsangebotes Nach erfolgreichem Abschluss und der Diskussion der Ergebnisse zweiter Projektteil mit Entwicklung von Empfehlungen geplant
Projektablauf 2015 2016 2017 Expertenkommission 1 2 3 4 Workshop I Workshop II Workshop III Workshop IV Stationäre und Inklusion, teilstationäre Kinder- Vernetzung und und Kinder- und Teilhabe Jugendpsychiatrie Subjekt oder Objekt jugendpsychiatrische Unterstützung der Behandlung Versorgung im bestimmter Bedarfe in Strukturqualität, der kinder- und regionale Versorgungs- ambulanten Setting jugendpsychiatr. und erfordernisse und psychotherapeutischen Leistungserbringung Versorgung Daten-Workshop Experten Robert-Koch-Institut (Epidemiologie), Gesundheitsberichterstattung, Statistisches Bundesamt, Deutsches Jugendinstitut, Krankenkassen
Prävalenz psychischer Erkrankungen D Epidemiologische Kohorte KIGGS Prävalenz nach KIGGS-Survey (Basiserhebung 2003-2006, veröffentlicht 2012) und der ersten Welle KIGGS (2017) • Ca. 1/5 der Kindern und Jugendlichen sind von psychischen und/oder Verhaltensproblemen betroffen • Ca. 6 % aller Kinder unter 18 Jahren sind behandlungsbedürftig psychisch krank und erfüllen entsprechende Diagnosekriterien • 50 % der behandlungsbedürftigen Kinder bekommen keine Behandlung
Erhöhtes Risiko für psychische Störungen • Niedriger sozioökonomischer Status der Familie • Alleinerziehender Elternteil • Psychische Erkrankung eines Elternteils (Kölch et al. 2008) • Niedriger Bildungsabschluss der Eltern (Meltzer et al., 2000; Hölling et al., 2014) • Fremduntergebrachte Kinder (Fegert & Besier 2009; Dölitzsch et al., 2014) • Kinder in Schulen für Erziehungshilfe (Schmid & Kölch, 2007) • Adverse Childhood Experiences v.a. schwer (Teicher & Samson 2013): – Vernachlässigung (körperlich, emotional) – Misshandlung (körperlich, emotional) – sexueller Missbrauch
Wer stellt psychische Auffälligkeiten fest? Erstfeststellung im niedergelassenen Bereich (Mehrfachnennungen möglich) • Kinderärztinnen/-ärzte: 63,1 % • Hausärztinnen/-ärzte: 59,1 % • Kinder- und Jugendpsychiater/-innen: 21 % • Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/-innen: 11,3 % • Psychologische Psychotherapeut/-innen: 2,3 %
Steigende Zahl niedergelassener Ärztinnen und Ärzte
SPV und Behandlungsfälle in der Praxis Quelle: Vortrag von Frau D. Kurch-Bek (KBV) am 4. Februar 2016
Berufsgruppen mit denen nur außerhalb der Praxis kooperiert werden kann • Jugendamt: 95,1 % • Lehrkräfte: 94,9 % • Beratungsstelle: 92,2 % • Vorschuleinrichtungen: 89,9 % • Erzieher/-innen: 87,5 % • Sozialamt: 76 % Quelle Hagen B: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung: Evaluation der Sozialpsychiatrie- Vereinbarung - Abschlussbericht 2014. Köln, 2015.
Inzidenz-Kohorten-Analyse der KBV bezogen auf KBV-Daten Im Jahr 2012 • 2 % der gesetzlich krankenversicherten Kinder und Jugendlichen bis 20 Jahre erhielten in diesem Jahr erstmals eine F-Diagnose • Typisch ist die Alters- und Geschlechtsverteilung in Bezug auf die größte Inzidenz von Störungen Beim männlichen Geschlecht zwischen 5 und 15 Jahren Beim weiblichen Geschlecht zwischen 15 und unter 20 Jahren Quelle: Vortrag von Hr. Tenckhoff am 14.06.2016
Inzidenz-Kohorten-Analyse der KBV bezogen auf KBV- Daten Quelle: Vortrag von Hr. Tenckhoff am 14.06.2016
"Top 10“ der ICD-Diagnosen: Differenzierung nach F-Diagnose und Geschlecht: Auswertung der KBV (zur Verfügung gestellt von Frau D. Kurch-Bek (eigene Darstellung) 23,3 F90: Hyperkinetische Störungen 20,4 47,7 F93: Emotionale Störungen des Kindesalters 17,1 F43: Reaktionen auf schw. Belastungen u. Anpassungsstör. 22,7 15,5 13,4 F81: Umschrieb. Entwicklungsstör. schulischer Fertigkeiten 15,4 F32: Depressive Episode 9,8 8,5 F98: And. Verhalt.- u. emot. Stör. mit Beginn i.d. Kindheit u. Jug. 10,5 4,8 F80: Umschrieb. Entwickl.stör. des Sprechens u. der Sprache 7,9 F82: Umschrieb. Entwickl.stör. der motor. Funktionen 7,5 4,4 F92: Komb. Stör. des Sozialverhaltens u. der Emotionen 6,0 F41: Andere Angststörungen 4,0 3,8 F83: Komb. umschriebene Entwicklungsstörungen 6,0 F91: Störungen des Sozialverhaltens 5,3 0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 Anteil in % Weibliche Pat. Männliche Pat.
Verteilung externalisierende/internalisierende Störungen nach Geschlecht (Mehrfachnennungen) Bei allen Bei allen Patientinnen und Jeweils bezogen auf KJPP weiblichen männlichen Patienten gesamt Patientinnen Patienten %-Anteil externalisierende 51,7% 36,1% 61,5% Störungen %-Anteil internalisierende 54,0% 65,5% 46,8% Störungen Internalisierende Störungen: F32.- bis F51.- (außer F44), F54.-, F63.3, F93.-, F94.0 Externalisierende Störungen: F63.1, F63.2, F90.- bis F92.-
Geschlechterverteilung von Patientinnen und Patienten in ambulanter Psychotherapie nach Altersgruppen 80,0 69,3 70,0 60,0 55,3 53,0 53,5 50,0 47,0 47,5 Anetil in % 44,7 40,0 30,7 30,0 20,0 10,0 0,0 0-6 Jahre 7-13 Jahre 14-17 Jahre Gesamt Mädchen Jungen Quelle: BPtK-Studie “Ambulante psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen”
Diagnosespektrum von Patientinnen und Patienten in ambulanter Psychotherapie Entw.stör. (F80; F82-89) Einf. Aktivitäts- u. Aufmerksamkeitsstör. (F90.0) Somatoforme Störung (F45) Sonstige Verhaltens- u. emot. Störung (F98.8) Emot. Stör. des Kindesalters (F93) Anpassungsstör. (F. 43.0; F43.2-43.9) Stör. des Sozialverhaltens (F91) Hyperkinet. Stör. des Sozialverhaltens (F90.1) Komb. Stör. des Sozialverhaltens (F92) Depress. Stör. nicht näher bezeichnet (F32.9; F33.9) Essstör. nnb (F50.9) Generalis. Zwangsstörung (F41.1) Spezif. Phobie (F40.2) Depress. Stör. mittelgradig (F32.0; F33.0) Angst u. Depression gemischt (F41.2) Zwangsstörung (F42) Depress. Stör. leicht (F32.0; F33.0) PTBS (F43.1) Panikstör./Agoraphobie (F40.0; F41.0) Anorexie (F50.0; F50.1) Soziale Phobie (F40.1) Depress. Stör. schwer (F32.2; F32.3; F33.2; F33.3) Bulimie (F50.2; F50.3) 0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 60,0 Quelle: BPtK-Studie “Ambulante Anteil in % psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen” Psychother. in 2010 Keine Psychother. in 2010 20
Stationäre Versorgung Bettenmesszahlen Betten Verän- Einwohner/ Zu- oder BMZ 2015 BMZ 2005 Bundesland KJPP derung gü. -innen Abnahme seit (Betten/ 10.000 (GMK-Bericht 2015 2010 T < 18 J Vorjahr EW < 18) 2007) Baden-Württemb. 630 +63 1.843,2 + 3,41 2,62 Bayern 667 +178 2.110,7 + 3,16 1,74 Berlin 197 +32 556,6 - 3,53 2,85 Brandenburg 245 + 34 373,0 = 6,57 5,61 Bremen 50 = 108,8 = 4,60 4,51 Hamburg 159 +32 288,8 + 5,51 3,57 Hessen 549 +89 1.022,2 + 5,37 3,63 Mecklenb.-Vorp. 184 +10 236,3 + 7,79 6,89 Niedersachsen 690 +69 1.322,3 + 5,22 3,92 Nordrhein-Westf. 1.171 +43 2.963,4 + 4,35 3,06 Rheinland-Pfalz 264 +64 651,3 + 4,05 2,27 Saarland 51 +5 143,4 + 3,56 2,50 Sachsen 405 +44 612,2 = 6,62 5,88 Sachsen-Anhalt 333 = 313,9 = 10,61 8,74 Schleswig-Holst. 256 +7 465,9 = 5,49 4,31 Thüringen 297 +28 316,7 + 9,38 7,07 Bund 6.148 13.325,7 + 4,61 4,32 21
Studie: Behandlung psychischer Erkrankungen von Kindern in deutschen Krankenhäusern • Untersucht wurden Daten der Krankenhäuser im Bundesgebiet • Zeitraum: 2003-2012 • Statistische Mittel: Regressionsanalyse und t-Test • Daten wurden nach Altersgruppen getrennt - 0- bis 15-Jährige (Kinder) - 15- bis 20-Jährige - 20- bis 25-Jährige Deutliche Zunahme der F-Diagnosen in den Altersgruppen der 0- bis 15-Jährigen sowie der 15- bis unter 25-Jährigen bei Jungen und Mädchen Plener PL, Straub J, Fegert JM & Keller F (2015): Behandlung psychischer Erkrankungen von Kindern in deutschen Krankenhäuser. In: Nervenheilkunde, Vol.34(1), pp.18-23.
Studie: Behandlung psychischer Erkrankungen von Kindern in deutschen Krankenhäusern Steigungs- Kategorie p koeffizient Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in Kindheit F9 und Jugend 492,25
Studie: Krankenhaushäufigkeiten Jugendliche Kategorie Steigungskoeffizient P F3 Affektive Störungen 2525,28
Studie: Behandlung psychischer Erkrankungen von Kindern in deutschen Krankenhäusern Bundesland Steigungskoeffizient p Baden-Württemberg 90,12
Studie: Behandlung psychischer Erkrankungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in deutschen Krankenhäusern 15- bis < 20-Jährige 20-25-Jährige Kategorie df T p M (SD) M (SD) Gesamt 68322,3 (7192,95) 76961,7 (5658,52) 18 -2,985 ,008 F0 321,0 (46,42) 512,9 (26,45) 18 -11,358
Regionale Versorgung im stationären Sektor: alle Diagnosengruppen exkl. F1 Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane - www.mhb-fontane.de
Jugendsuchtbehandlung im Bereich des SGB V • Aktuell stehen 300 Behandlungsplätze in kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken mit dem Schwerpunkt Sucht an 20 Kliniken bundesweit zur Verfügung, die sehr unterschiedlich auf die Bundesländer verteilt sind (MELCHERS, unveröffentlicht). VIPP-Datensatz Analyse: • F1: 1.181 Patientinnen und Patienten bzw. 1.755 Fälle (weiblich = 569, männlich = 1.186) • Hauptsächlich: – psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide (F12), – durch Alkohol (F10) – multipler Substanzmissbrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen (F19) • Multipler Substanzmissbrauch: Vergleich mit Erwachsenenpsychiatrie (> 18 Jahre), Anteil Kindern und Jugendlichen: 22,34 % vs. 16,4 %
VIPP-Datensatz Analyse Diagnosegruppe Fallzahl Anteil F12 Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide 786 44,79 % F10 Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol 430 24,50 % F19 Psychische und Verhaltensstörungen durch multiplen 392 22,34 % Substanzmissbrauch F15 Psychische und Verhaltensstörungen durch andere 104 5,93 % Stimulanzien F16 Psychische und Verhaltensstörungen durch Halluzinogene 13 0,74 % F11 Psychische und Verhaltensstörungen durch Opioide 10 0,57 % F18 Psychische und Verhaltensstörungen durch flüchtige 10 0,57 % Lösungsmittel F13 Psychische und Verhaltensstörungen durch Sedativa oder 6 0,34 % Hypnotika F14 Psychische und Verhaltensstörungen durch Kokain 2 0,11 % F17 Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak 2 0,11 % F1 1.755 100 % Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane
Entfernungsanalyse Diagnosegruppe F1. Eigene Darstellung auf Grundlage des VIPP-Datensatzes Vor allem in Ostdeutschland und dem ländlichen Bereich zeigen sich hier Defizite, und die Behandlungsstrukturen sind insgesamt für Kinder und Jugendliche nicht ausreichend (Vgl. auch zu Fegert & Schepker 2009) Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane - www.mhb-fontane.de
Versorgungssituation Kinder mit IM und psychischen Störungen • Kinder und Jugendliche mit einer Intelligenzminderung haben besondere Behandlungsbedürfnisse, was die Toleranz von Gruppengrößen, Geschwindigkeit und Art der Therapieschritte etc. angeht • Diagnostik und Therapie erfordern spezielle Methoden und Verfahren • Spezialisierte Einrichtungen können die notwendigen Settings und die entsprechende Expertise für die Diagnostik und Behandlung vorhalten. • Anzahl der Schwerpunktkliniken in den letzten 13 Jahren kaum verändert (HENNICKE & KLAUTH (2014)) • Ergebnisse zeigen heterogene Versorgungslage in D: im Vergleich zu anderen Bundesländern scheint in BW und BY das Angebot am stärksten ausgebaut zu sein (z.B. B und BB kein Angebot, NRW Überlegungen Abbau der Plätze). • Parallel Ausbau der SPZ und Diagnoseverteilung dort: großer Teil der Behandlung intelligenzgeminderter Kinder und Jugendlicher mit psychischer Störung findet ambulant auch in Sozialpädiatrischen Zentren statt Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane - www.mhb-fontane.de
Verweildauer bei Kindern und Jugendlichen mit Intelligenzminderung: extrem niedrig Quelle: VIPP-Datensatz Anzahl Diagnose Geschlecht Durchschnittliche Verweildauer Patientin bzw. -gruppe w/m (Angabe in Tagen; inkl. Abwesenheit) Patient/Fall 2011 2012 2013 2014 Patientin Patientin Patientin Patientin Gesamt: 33.390/47.944 23.415/24.524 bzw. bzw. bzw. bzw. Patient/Fall Patient/Fall Patient/Fall Patient/Fall (SD) (SD) (SD) (SD) 48,88/40,40 44,33/36,63 40,38/35,11 41,20/38,11 F7 403/529 158/371 (39,3) (34,8) (39,6) (36,7) Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane - www.mhb-fontane.de
Transitionsalter: Veränderung der Diagnosen? Die eigentliche Bedeutung der Früherkennung – VIPP Datensatz Kinder- und Jugendpsychiatrie, Anzahl Häufigste Allgemeine Psychiatrie, Häufigste Alter: Fälle Diagnosen: Anzahl Fälle Diagnosen: . (insgesamt): (insgesamt): F9 (52,8 %) 13 Jahre 4.738 F4 (21,5 %) (-) (-) F3 (14,3 %) F9 (43,7 %) F4 (23,5 %) 14 Jahre 6.104 F4 (21,5 %) 17 G4 (23,5 %) F3 (20,4 %) F1 (17,7 %) F9 (36,8 %) F4 (35,5 %) 15 Jahre 6.927 F3 (24,4 %) 31 F1 (29 %) F4 (21,7 %) F2 (9,7 %) F9 (27,2 %) F1 (58,1 %) 16 Jahre 6.727 F3 (26,7 %) 174 F4 (14,4 %) F4 (22,6 %) F9 (8,6 %) F3 (28,0 %) F1 (42,2 %) 17 Jahre 6.239 F4 (23,2 %) 713 F4 (18,5 %) F9 (19,5 %) F3 (13,6 %) F1 (27,0 %) F3 (25,9 %) 18 Jahre 437 F3 (23,3 %) 8.569 F4 (24,8 %) F4 (21,7 %) F1 (18,1 %) F1 (44,6 %) F3 (24,3 %) 19 Jahre 92 F4 (17,4 %) 9.571 F1 (22,3 %) F3 (14,1 %) F4 (21,1 %) F4 (33,3 %) F3 (25,0 %) [1] 20 Jahre 9 F3 (22,2 %) 9.896 F1 (23,4 %) Wenn die Anzahl der Krankenhäuser < 4 ist, F6 (22,2 %) F4 (19,3 %) können keine Ergebnisse F3 (25,5 %) mehr ermittelt werden 21 Jahre (-) (-) 10.630 F1 (24,7 %) F4 (17,8 %)
SGB VIII • 2014: 1.037.728 Kinder, Jugendliche und junge Volljährige Hilfen zur Erziehung • 7 % der unter 21-jährigen Bevölkerung erhielten eine HzE-Leistung (KOMDAT, 2015) • Durchschnittsalter der jungen Menschen bei Hilfebeginn: 10,3 Jahre • Dauer der Hilfen durchschnittlich zehn Monate • Anteil der alleinerziehenden Familien bei Hilfebeginn: 41,5 %. • Gros der Familien Bezug von Transferleistungen (32,3 %). Abb. 2.2: Junge Menschen in den Hilfen zur Erziehung (einschl. der Hilfen für junge • Familien, in denen vorrangig nicht Volljährige) nach Leistungssegmenten (Deutschland; 2010 bis 2016; Aufsummierung der zum 31.12. eines Jahres andauernden und der innerhalb eines Jahres beendeten Deutsch gesprochen wird: 12,3 % der Leistungen; Angaben absolut, Inanspruchnahme pro 10.000 der unter 21-Jährigen1) (HZE Monitor) Fälle HzE
Gründe für Fremdunterbringungen Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane - www.mhb-fontane.de
Jugendhilfeentwicklung : Zahlen • Laut JULE-Studie (Bauer, 1998) verlaufen lediglich 57% aller stationären und teilstationären Hilfen positiv • Ca. 1/3 der Care Leaver bei Beendigung der Hilfe: weder Schule, Ausbildung noch Berufsförderung - verzögerte Bildungs- und Erwerbsintegration (Zeller 2012) • 79.500 junge Menschen im Alter von 14 bis 27 Jahren: ausgegrenzte Jugendliche, die nicht oder nur sporadisch am Bildungs-, Erwerbs- und Sozialsystem teilnehmen und oft wohnungslos sind (DJI, Tillmann et al. 2012) • 37.000 Straßenjugendliche (29,3% weiblich, 70,7% männlich), hoher Anteil von ca. 64% der Altersgruppe unter 18 Jahren, der zumindest sporadisch im Kontakt mit der Jugendhilfe steht (DJI, Hoch, 2017) • Schnittmenge KJP: hoher Anteil stationär behandelter Patienten in KJH: • Vor KJP: 38% Jugendhilfe, nach KJP 33 % neu in Jugendhilfe (Beck 2015) Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane - www.mhb-fontane.de
Psychopharmakotherapie bei Minderjährigen in Deutschland (Franke, Fegert, Kölch 2016) • Keine generelle Überversorgung • „Risiko“ für Pharmakotherpie von Diagnose abhängig • Anstieg Einsatz zur Verhaltenssteuerung („behavioural use“) • Wahrscheinlichkeit für komplexe Medikation im stationären Sektor höher • Regionale Unterschiede hinsichtlich der Verordnungspraxis • Einsatz von Psychopharmaka erfolgt nach epidemiologischen Studien in Deutschland an den vorhandenen Leitlinien und dem Wissen aufgrund der wissenschaftlichen Evidenz ausgerichtet • Problem „off-lable-use“ – Großer Anteil der Psychopharmaka ist nicht für Minderjährige zugelassen – Daten und Untersuchungen fehlen häufig • Gesetzliche Initiativen zur Verbesserung der Zulassungslage von Arzneimitteln haben für den Bereich der Psychopharmakotherapie bisher keine tiefgreifenden Verbesserungen erbracht
Altersverteilung Medikation bei AHDS
AP Verordnungen Bachmann et al., Dt. Ärzteblatt Int.; 2014
AD: Pharmakoepidemiologie • BARMER GEK Daten: 2005-2012 • N=1,4-1,6 Millionen Kinder und Jugendliche • Anstieg: 49,2% (von 0,32 auf 0,48) • Signifikanter Anstieg nur in Altersgruppe 15-19 • Anstieg der SSRIs, Abnahme der TCAs 2005 % 2012 % 1 Fluoxetin 12,2 Fluoxetin 24,3 2 Johanniskraut 11,0 Citalopram 15,7 3 Opipramol 10,0 Opipramol 7,6 Hoffmann et al., 4 Citalopram 9,4 Mirtazapin 7,3 Pharmacoepidemiol 5 Imipramin 8,1 Amitryptilin 5,5 Drug Saf, 2014
Pharmakoepidemiologie: ADHS Behandlung in Deutschland • Prädiktoren für Behandlung in der Regelversorgung von neu diagnostizierten Kindern mit ADHS: wer bekommt was wann in den fünf Folgejahren nach Erstdiagnose? • Pharmakotherapie und Psychotherapie in Routineversorgung verfügbar • Kohortenstudie GePaRD- Daten(German Pharmacoepidemiological Research Database): 12,250 behandlungsnaive Kinder und Jugendliche 5–12 J. mit einer inzidenten ADHS Diagnose (ICD-10 codes F90/F98.8) in 2010 und mind 5 Jahre follow-up • 72% Jungen; Alter — 5–6 J: 20%, 7–9 J: 52%, 10–12 J: 28%; • Diagnose “mit Hyperaktivität”: 78%; Time since first ADHD diagnosis (n = 12,250) Treatment received ≤1 year ≤2 years ≤3 years ≤4 years ≤5 years Medicationa (%) 24.5 30.7 33.8 35.8 36.8 Medication and 2.9 5.1 7.1 8.7 10.1 psychotherapy (%) Only psychotherapyb (%) 6.4 7.9 9.1 9.8 10.9
Ergebnisse • Facharztgruppe: • Kinderarzt 55%, • KJP 23%, • Hausarzt 13%, • KH Arzt 2.6%, • Psychotherapeut 2%, • andere/unbekannt: 4.4%. • Häufigste Komorbiditäten: • Entwicklungsstörungen (48%), • SSV (18%), • emotionale Störungen (11%), • Depression (8%) • “Patients with externalizing symptoms were more prone to receive any of the studied treatments than the average child diagnosed with ADHD; internalizing symptoms were predictors for PT” Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane - www.mhb-fontane.de
Zwangsmaßnahmen Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane - www.mhb-fontane.de
Arten von Zwangsmaßnahmen Zwangsmaßnahmen Unterbringungsähnliche Freiheitsentziehende Maßnahmen mit freiheits- Zwangsbehandlungen Maßnahmen entziehender Wirkung Festhalten Zwangsmedikation (Behandlung der Fixierung Freiheitsentziehende Grunderkrankung) Unterbringung Isolierung Zwangsernährung Einschluss Videoüberwachung, 1:1 Diagnostik unter Zwang Sedierung („chemische Körperhygiene unter Zwangsjacke“) Zwang
Anzahl der Verfahren nach § 1631b BGB (deutschlandweit) 18000 15534 16000 14304 13470 13662 14000 13024 11791 12000 10969 10000 8000 6000 4000 2000 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 • Erfasst ist die Anzahl der Verfahren, nicht der Ausgang. • Unterbringungen im Rahmen der Jugendhilfe sind eingerechnet. Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.2
Umfrage zum Thema Zwangsmaßnahmen und Freiheitsentziehung bei Kindern und Jugendlichen (Brünger & Schepker) • Angeschrieben wurden 178 Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärztinnen und -ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (BAG) • Rücklaufquote 39 % Zentrales Ergebnis: • Hinsichtlich der Unterscheidung von Unterbringung und unterbringungsähnlichen Maßnahmen gibt es eine große Verunsicherung sowie ein heterogenes Vorgehen von Kliniken und Familiengerichten
Beschwerdeverfahren 80 68 70 60 Anzahl der Nennungen 50 43 41 41 39 40 35 30 20 16 9 10 6 2 0
Freiheitsbeschränkungen und freiheitsentziehende Maßnahmen 80 70 68 65 70 61 60 51 49 Anzahl der Nennungen 50 41 40 30 20 12 10 0 70 60 60 51 50 48 50 Anzahl der Nennungen 38 36 40 30 19 20 10 2 0
Untersuchung der gerichtlichen Praxis bezüglich Maßnahmen nach § 1631 b BGB (Kölch & Vogel 2016) • Überwiegender Teil der freiheitsentziehenden Unterbringungen nach § 1631 b BGB ist auf medizinische Maßnahmen aufgrund psychiatrischer Diagnosen zurückzuführen, die in Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt werden • Maßnahmen sind in den meisten Fällen von begrenzter Dauer (meist nicht länger als sechs Wochen). • Freiwilligkeit stellt sich im Rahmen der Behandlung oft innerhalb von Tagen her, so dass freiheitsentziehende Maßnahmen nicht mehr notwendig sind. • Typische Störungsbilder bzw. Symptome: Substanzabusus/Suchtstörungen, Schuldistanz, Störung des Sozialverhaltens, akute Suizidalität Kölch M, Vogel H (2016). Unterbringung von Kindern und Jugendlichen mit freiheitsentziehenden Maßnahmen. Eine rechtstatsächliche Untersuchung zur familiengerichtlichen Genehmigung der Unterbringung bei Minderjährigen in der Jugendhilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Justiz nach § 1631 b BGB. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. 44:39-50. Tagung der APK; Prof. Dr. Jörg M. Fegert 49
Probleme bei Zwangsmaßnahmen • In Deutschland regional sehr unterschiedliche Erfassungssysteme bezüglich Zwangsmaßnahmen und freiheitsentziehenden Maßnahmen bei Minderjährigen • Bundeseinheitliche Statistiken zu Anzahl, Dauer, Art und Indikation von Zwangsmaßnahmen fehlen weitgehend • Besuchskommissionen, die Kliniken hinsichtlich der eingesetzten Maßnahmen monitorieren, sind in den Psychisch-Kranken-Gesetzen der Länder unterschiedlich niedergelegt und nicht bundesweit vorhanden
Diskussion der Ergebnisse • Deutschland hat ein breites und in mehreren Sozialgesetzbüchern verortetes Versorgungssystem für Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen sowie emotionalen und Verhaltensproblemen • Es gibt vielfältige und differenzierte heilberufliche und gesundheitsbezogene Versorgungsangebote • Schnittstellenproblematik – z.B. zum wichtigen Bereich Schule – z.B. bei der Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit (drohender) seelischer Behinderung
Diskussion der Ergebnisse • Sozialpsychiatrische Komponente bei Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen – Ansetzen der Versorgungsangebote sowohl beim Kind/Jugendlichen als auch bei den Systemen der Lebenswelt (Familie, Schule) – Behandlung möglichst nah an ihrer Lebenswirklichkeit • Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher vermehrt ambulant – ein Teil der früher stationär behandelten Patient/-innen wird ambulant versorgt • stationär: Verdichtung Abnahme der vollstationären Plätze über die vergangenen Jahrzehnte bei gleichzeitigem Anstieg stationärer Behandlungen (hohe Notfallquoten), Selektionseffekt (höherer Schweregrad und Komplexität)
Diskussion der Ergebnisse • Umfeldfaktoren beeinflussen die durch die psychische Erkrankung bedingte Teilhabebeeinträchtigung individuell unterschiedlich • Hilfesuchverhalten und die Inanspruchnahme von Diensten der Versorgung verändern sich – Ziele und Strukturen der Versorgung müssen angepasst werden (z.B. Transition) – Verbesserte Versorgung im Vorfeld von Krisen gestalten – Beachtung der besonderen Bedarfe von Hochrisikogruppen (z.B. Kinder und Jugendliche in stationären Jugendhilfemaßnahmen) und Kindern psychisch kranker Eltern
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit XXXX XXXX michael.koelch@mhb-fontane.de
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