Begleitheft zur Jubiläumsausstellung - frankonzept
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Das Eiszeit-Puzzle Paläontologen haben bei Ausgrabungen Knochen entdeckt! Doch von welchem Tier stammen sie? Schneide die Knochen aus und versuche sie richtig zusammenzusetzen. Du wirst ein Tier erkennen, das Du aus der Ausstellung kennst, oder erfinde Dein eigenes Eiszeittier! Auf Seite 37 findest Du eine kleine Puzzle-Hilfe!
14. September bis 26. Oktober 2008 Texte Abbildungsnachweis Dr. Klaus R. Dietz: S. 9 (unten), 12 (oben links) Historisches Museum Hanau Schloss Philippsruhe Dr. Günter Seidenschwann Wolfgang Günzel: S. 2, 4, 8, 10, 16, 20, 32 FranKonzept - Jochen Ramming, M.A. Dr. Brigitte Hilpert: S. 33 (oben Mitte und rechts) Begleitheft zur Jubiläumsausstellung und Dagmar Stonus, M.A. Dr. Jürgen Jung: S.33 (oben links) Ulrich Sandkühler: S. 36 (unten) der Wetterauischen Gesellschaft für die gesamte Naturkunde zu Hanau 1808 e.V. Unterstützt durch: Dr. Günter Seidenschwann: S. 5, 9, 11, 12, 14, 15 (unten), 18, 21 (unten), 28, 29, 30, 31, Umschlag außen Dr. Marliese Wagner: S. 36 (oben) Herausgegeben von der Wetterauischen Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung: S. 33 (Heiko Gericke: unten links / Hans Oerter: unten rechts) Gesellschaft, Hanau 2008 FranKonzept: S. 5 (unten links), 12 (unten rechts), 13, 15, 19, 21, 23, 24, 26, 27 Geografisches Institut Universität Würzburg: S. 6 (unten rechts), 7 Museen der Stadt Hanau: S. 27 (unten rechts) Stadtarchiv Alzenau: S. 5 (oben Mitte) Verein Homo heidelbergensis von Mauer e.V.: S. 26 (oben links) Wetterauische Gesellschaft: S. 1, 3, 6, 12, Umschlag innen NASA (Collage): S. 34/35
Vignette einer Mitgliedsurkunde 1808 Eiswüsten, Schneestürme und zottelige Mammuther- Ihr Jubiläum begeht die Wetterauische Gesellschaft den – unsere Vorstellungen von der Eiszeit sind voller daher auch mit einer naturwissenschaftlichen Ausstel- Klischees. Dabei können die Naturwissenschaften lung, die sich ganz bewusst der „gesamten Natur- mittlerweile ein weitaus differenzierteres Bild jener kunde“ verschrieben hat: Sie beleuchtet die Eiszeit aus erdgeschichtlichen Epoche entwerfen. Geologen und dem Blickwinkel verschiedener Fachwissenschaften. Geomorphologen untersuchen die Hinterlassenschaf- Schließlich hat diese Epoche wirklich mehr zu bieten ten der Kaltklimate und des Dauerbodenfrostes jen- als Eiswüsten, Schneestürme und zottelige Mammuts … seits der vergletscherten Gebiete; Klimatologen teilen die Eiszeit immer präziser in eine Folge von Kalt- und Ohne die bereitwillige Unterstützung vieler unter- Warmphasen ein und Paläontologen rekonstruieren schiedlicher Wissenschaftler aus verschiedensten neben dem bekannten kaltzeitlichen Tierbestand der Forschungsinstitutionen wäre die Realisierung einer Mammutsteppe auch die Tier- und Pflanzenwelt der derartigen Ausstellung undenkbar gewesen. Für Leih- wärmeren Abschnitte. gaben, Bildrechte und zahllose inhaltliche Anregun- gen sei allen beteiligten Wissenschaftlern herzlichst Die Wurzeln solcher hochspezialisierten Fachwissen- gedankt. Ein zweiter Dank gilt den Geldgebern und schaften reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück, als im Förderern des Ausstellungsprojektes, die mindestens Zuge der Aufklärung das Interesse an einer rationellen ebenso unentbehrlich waren. Hervorgehoben sei da- „Naturkunde“ wuchs. Ein Kind dieser Zeit ist auch die bei besonders die Stadt Hanau, die nicht nur einen „Wetterauische Gesellschaft für die gesamte Natur- Großteil der Finanzierung bereitstellte, sondern der kunde zu Hanau“: 1808 gegründet feiert sie in die- Wetterauischen Gesellschaft überdies auch die Aus- sem Jahr ihr 200-jähriges Bestehen. Von Beginn an lag stellungsräume in Schloss Philippsruhe überließ. ihr satzungsgemäßes Ziel in der „Beförderung und Verbreitung der naturwissenschaftlichen Kenntnisse im Allgemeinen und vorzüglich in unserer Gegend, der Wetterau“. Dieses Ziel sucht sie noch heute zu erreichen. Der Vorstand der Wetterauischen Gesellschaft
„Beförderung und Verbreitung der naturwissenschaft- lichen Gesellschaften war sie zudem Vorbild für an- lichen Kenntnisse im Allgemeinen und vorzüglich in dere Vereine mit ähnlicher Zielsetzung – nicht zuletzt unserer Gegend, der Wetterau.“ etwa für die „Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft“ in Frankfurt am Main. Bereits 1809 erschien erstmals die Fachzeitschrift 2 „Annalen der Wetterauischen Gesellschaft“ und zeit- Die „Wetterauische Gesellschaft“ besteht noch heute! gleich begannen die Vereinsmitglieder, eine umfang- Und sie versteht sich noch immer als eine Institution, reiche naturwissenschaftliche Sammlung sowie eine die naturwissenschaftliche Forschung bündeln und Vor 200 Jahren – genau am 10. August 1808 – stattliche Bibliothek zusammen zu tragen. Bald schon den Forschern ein Diskussionsforum bieten will. So trafen sich in Hanau elf anerkannte Wissenschaftler genoss die „Wetterauische Gesellschaft“ in Wissen- bildet sie ein lebendiges Bindeglied zwischen den und gründeten die „Wetterauische Gesellschaft“. Ziel schaftskreisen einen außerordentlichen Ruf. Als eine ersten Anfängen der modernen Naturwissenschaft des neuen naturwissenschaftlichen Vereins war die der ersten bürgerlich getragenen naturwissenschaft- und dem heutigen Stand der Forschung.
Das ehemalige Kanzleigebäude – Sitz der Wetterauischen Gesellschaft 1934 Das zerstörte Kanzleigebäude 1945 Die Mitglieder Die Bibliothek Das Museum „Wirkliche Mitglieder können nur praktische Natur- „…die auswärtigen aktiven Mitglieder sollen freund- „Wer nach Verlauf von drei Jahren weder die Samm- forscher sein, die ihren eigenen Herd in der Wet- schaftlichst gebeten werden, der Gesellschaft (…) lungen vermehrt, noch Aufsätze einsendet, noch der terau haben“. (Satzung von 1808) Das betraf nach freiwillige Beiträge an Büchern, Naturalien und (…) Bibliothek etwas gestiftet hat, wird aus der Liste der damaligem Verständnis die gesamte Rhein-Main- auch an barem Geld zu übersenden“. So lautete der Mitglieder gestrichen.“ (Satzung von 1808). Die Samm- Ebene. Natürlich erfüllten auch die zehn Gründungs- zweite Tagesordnungspunkt der Sitzung am lung wuchs schnell: Im Juni 1809 verkündete der Vor- mitglieder diese Bedingung. Sie waren zudem fast 28.9.1808. Für den Aufbau einer Bibliothek wurde stand, dass „jetzt ein Museum vorhanden ist mit einem 3 alle überregional anerkannte Naturforscher, die sich demnach keine Zeit verloren. Vereinssitz, Sammlun- wahren Schatz“! Zugänglich war dieses Museum im besonders mit Mineralogie, Zoologie und Botanik be- gen und Bibliothek waren damals im Hanauer 3. Obergeschoss des Stadtschlosses anfangs jedoch schäftigten. Die Mitgliederzahl wuchs schnell. Man Schloss untergebracht. 1824 jedoch kündigte Kurfürst nur Mitgliedern und ausgewiesenen Wissenschaftlern. ernannte Ehrenmitglieder, wählte korrespondierende Wilhelm II. (1777-1847) das „Local“; überstürzt be- Erst nach dem erzwungenen Umzug in die Hohe Lan- Mitglieder und warb aktive Mitglieder. Schon zum zog man beengte Räume in der Hohen Landesschule. desschule diente die Sammlung dann auch Unterrichts- Jahresbeginn 1809 wurden über 300 Mitglieder ver- Erst 1868 konnte das Kanzleigebäude am Schloss- zwecken. Der Allgemeinheit stand sie seit 1859 offen: zeichnet – darunter Johann Wolfgang von Goethe, platz bezogen werden, in dem die Gesellschaft mit Jeden Mittwoch von 15 bis 16 Uhr. Ihre endgültige Alexander von Humboldt und der Fürstprimas des ihrer Bibliothek bis heute residiert. Die Bibliothek ge- Aufstellung fand die weithin bekannte Sammlung nach Rheinbundes Karl Theodor von Dalberg, der sich mit langte ins Erdgeschoss des Gebäudes: Ein Glücksfall! 1868 und 1874 im Ober- und Dachgeschoss des einer jährlichen Spende von 1.200 Gulden erkennt- Hier überstand sie den verheerenden Bombenangriff Kanzleigebäudes, wo sie weiter wuchs, bis Bomben lich zeigte. vom 19. März 1945. sie im März 1945 völlig zerstörten. Heute baut die „Wetterauische Gesellschaft“ einen neuen Bestand auf. Innenansicht der Bibliothek „Säugetiere“ im Museum 1934 1934
Die Eiszeit … … und die Gegenwart Der jüngste Abschnitt der Erdgeschichte, das ca. des oberflächennahen Untergrundes sowie das Land- eine besondere Vielfalt eiszeitlicher „Produkte“. 4 2 - 2,5 Millionen Jahre andauernde Quartär, das schaftsbild in unserem Raum in ganz spezifischer Wir begegnen solchen Eiszeit-Zeugen fast täglich, auch als „Eiszeitalter“ bezeichnet wird, hat das Weise. Ohne diese Epoche wäre unsere heutige ohne allerdings von ihnen bewusst Notiz zu nehmen. Erscheinungsbild des Rhein-Main-Gebietes in natur- Landschaft in vielerlei Hinsicht anders strukturiert! Die Eiszeit ist Teil unseres Alltags! räumlicher Hinsicht maßgeblich geprägt. Für Hanau und Umgebung besitzt diese Klimaepoche Verwitterungs- und Abtragungsvorgänge formten nicht zuletzt in wirtschaftsgeografischer Hinsicht eine während der verschiedenen Kaltzeiten den Aufbau ganz besondere Bedeutung, findet sich hier doch
Spargelanbau im östlichen Rhein-Main-Tiefland Sandabbau bei Alzenau Badesee bei Kleinkrotzenburg Mai 2008 1950er Jahre 2008 Die Landwirtschaft Die Bauindustrie Trink- und Badewasser Den Großteil der Flächen des Rhein-Main-Tieflandes Seit langer Zeit werden im Rhein-Main-Gebiet Produk- Ohne die Hinterlassenschaften kaltzeitlicher Klima- stattete die Natur mit Eigenschaften aus, die eine er- te der Eiszeiten intensiv zu Bauzwecken genutzt. So perioden wäre die Trinkwasserversorgung vieler tragreiche und vielfältige landwirtschaftliche Nutzung brannten schon die Römer eiszeitlichen Lehm zu Zie- Städte und Gemeinden im Rhein-Main-Gebiet kaum erlauben. Beträchtliche Anteile nehmen Areale mit geln. Ab dem Mittelalter bildeten der Lösslehm oder denkbar. Das damals in reichlichem Maße fließende guten bis sehr guten Böden ein, auf denen intensiver der Hochflutlehm, wie er während der letzen Kaltzeit Wasser der kaltzeitlichen Flüsse transportierte jedes 5 Ackerbau mit anspruchsvollen Kulturpflanzen betrie- abgelagert wurde, das Füllmaterial in den Gefachen Jahr enorme Mengen an Sand, Kies und Geröll über ben wird. Daneben gibt es auch Bodenverhältnisse, ortstypischer Fachwerkgebäude. Die Herstellung von große Entfernungen, um sie dann in der Region um die Sonderkulturen ermöglichen. Während der Ziegelsteinen und Dachziegeln beruht bis heute auf Hanau abzuladen! Oft entstanden im Lauf der Zeit trocken-kalten Klimaperioden der Kaltzeiten wurden dem Abbau von Lösslehm. Der in Flussnähe abgela- mehr als 10 m mächtige Schotterschichten mit sehr aus den Schotterbetten der Flüsse Rhein und Main gerte Hochflutlehm der letzten Kaltzeit wurde auch vielen Hohlräumen. Es gibt daher viel Platz für Sicker- enorme Mengen an Sand und Staub ausgeweht. Im zur Herstellung von Backsteinen („Russen“) verwen- wasser, das die Hohlräume füllt. Wenn man nun engeren Untermaingebiet blieb der Sand als Flugsand- det. Der eiszeitliche Dünensand findet heute Verwen- dieses Grundwasser abpumpt, ist bereits für einen decke oder in Form von Dünen liegen; der leichtere dung bei der Herstellung von Gasbetonsteinen, und großen Teil des benötigten Trinkwassers gesorgt. Staub wurde in der Wetterau als Löss abgelagert. auch der Innenputz von Häusern enthält häufig kalt- Aber nicht nur das: In vielen Sand- und Kiesgruben Der Sand bildet heute zum Beispiel die Grundlage für zeitliche Sande. Schließlich finden die Kiese und wird das Wasser nicht dauerhaft abgepumpt. Nach den Spargelanbau. Der Löss ermöglicht die intensive Sande der eiszeitlichen Flussbetten Verwendung bei dem Kiesabbau verwandeln sich die Gruben daher ackerbauliche Nutzung, etwa für den Zuckerrübenan- der Betonherstellung, als Schotter beim Straßenbau oft in Grundwasserseen. Erholungssuchende schätzen bau, der besonders wertvolle Böden braucht. oder als Waschbetonsteine. Große, im Kies einge- diese Badeseen mit ihrem sauberen Wasser während lagerte Blöcke dienen zur Gestaltung von Außenan- der warmen Jahreszeit sehr. lagen und zur Vorgartenverschönerung. Ziegelsteine im Baumarkt 2008
Wo versteckt sich die Eiszeit? gebieten. Das gilt auch für das Untermaingebiet, zu Schotterflächen teilweise oder sogar ganz aus. Klei- dem nicht zuletzt Hanau zählt. Hier war die eiszeitli- nere Wärmeschwankungen während der Kaltzeiten Unsere Vorstellung vom Eiszeitalter im Allgemeinen che Landschaft durch die breiten Flusstäler von Main, spielten dabei eine wichtige Rolle, denn in den etwas und von der eiszeitlichen Landschaft in Deutschland Kahl und Kinzig sowie durch großflächige Dünenland- wärmeren Abschnitten ließ die Schuttzufuhr von den im Besonderen ist vornehmlich geprägt von den ein- schaften vor dem Spessartanstieg gekennzeichnet. Hängen nach. Im Wechsel von Aufschotterung – „Ak- drucksvollen Bildern der vergletscherten Gebiete Frost, Hochwasser und Verwehung ließen dabei genau kumulation“ – und Eintiefung – „Erosion“ – entstand 6 Norddeutschlands und des Alpenvorlandes. jene Ablagerungen entstehen, die sich heute als Segen eine vielfach gestufte Flusslandschaft, die als „Terras- für die Landwirtschaft, die Trinkwasserversorgung und sentreppe“ bezeichnet wird. Sie liegt nur knapp unter Die damals nicht vom Eis bedeckten Gebiete Mitteleu- die Bauindustrie erweisen. unserer heutigen Erdoberfläche und ist auf der geo- ropas – zu denen fast der gesamte Mittelgebirgsbe- Ausgangspunkt waren die eiszeitlichen Flusstäler. morphologischen Karte zu erkennen. reich gehört – bleiben weitestgehend außer Acht. Dies Während der Kaltzeiten bildeten sich immer wieder überrascht besonders, weil gerade hier die eiszeitliche neue Flussbetten auf Kosten der vorherigen aus. In Zei- Politische Karte des Main-Kinzig-Gebiets Formung der Landschaft weitaus differenziertere Spu- ten starker Tiefenerosion gruben sich die Flüsse in ihr 2008 ren hinterlassen hat, als in den ehemaligen Vereisungs- zuvor aufgeschüttetes Bett ein und räumten die älteren
Die Eiszeit … … und ihre versteckten Zeugen Das während der Eiszeiten herrschende Klima hinter- liegen die Zeugen früheren Kaltklimas nicht selten in häufige Frostwechsel aus. Die Spuren, die dieser sehr 8 ließ zahlreiche Spuren in unserer Region. Doch blei- beeindruckender Weise vor uns – wie eine bunt be- strenge Frost hinterlassen hat, prägen auf vielfältige ben solche Zeugnisse extrem kalter Umweltbedingun- bilderte Seite im Buch der eiszeitlichen Erdgeschichte. Weise den oberflächennahen Untergrund und damit gen in unserer Umgebung meistens verborgen. die für die wirtschaftliche Nutzung so bedeutenden Eiszeitliches Klima – besonders während der kältesten Bodenverhältnisse. Sichtbar nachweisen lassen sie sich oft erst dann, Perioden – zeichnete sich durch besonders tiefe Tem- wenn der Mensch künstliche Einschnitte in den ober- peraturen, das Vorhandensein von Dauer- oder bes- flächennahen Untergrund herbeiführt. Dann jedoch ser Permafrostboden im Untergrund und durch sehr
Lebender Eiskeil Fossiler Eiskeil Brentskardet auf Spitzbergen Sandgrube in Alzenau 1973 1998 Woran erkennt man eiszeitliche Klimaverhältnisse und Vorgänge im Boden? Eiskeile Auf tiefgefrorenen Böden eiszeitlicher Landschaften Fossile Eiskeile in unseren Breitengraden tauten selbst- die heute im Grenzbereich von der Tundra zur Taiga bildete sich oft ein auffallendes Muster, das große verständlich im Laufe der nacheiszeitlichen Erwär- und in Zentralasien bis Sibirien vorkommen. Auch sie Areale bedeckte und von „Eiskeilen“ verursacht wurde. mung ab. Die entstehenden Hohlräume verfüllten sich sind somit Indikatoren für die Klimaverhältnisse in 9 Eiskeile entstehen, wenn in Tauphasen Wasser in mit Sedimenten. Die keilartige Form des getauten Eis- gletscherfreien Gebieten während der Eiszeiten. Bodenspalten dringt, um dann dort keilförmig wieder keils (Eiskeilpseudomorphose) bleibt so dauerhaft er- zu gefrieren. An der Oberfläche bilden diese Eiskeile kennbar und liefert einen eindrucksvollen Beweis für vieleckige Vertiefungen, die „Eiskeilpolygone“. das Vorhandensein von Dauerfrostboden während der Solche Netzmuster werden in heutigen Dauerfrostge- Eiszeiten bei uns. Gelegentlich finden sich in den bieten häufig ausgebildet. Schichten mit Eiskeilfüllungen Gehäuse von Schnecken, Eiskeilnetz an der Erdoberfläche Nordwestterritorium von Kanada
Würge- und Tropfenböden Auch Verwürgungen oder „Kryoturbationen“ sind nicht widerstehen und musste ausweichen! typische Frostbodenerscheinungen. Der Wechsel von Grundlage für die Entstehung von Tropfenböden ist Tauwetter und Frost führten dabei zur sichtbaren Ver- die Ablagerung von Flug- und Schwemmsand sowie bis mengung verschiedener oberflächennaher Sand- und dünnen Lehmlagen während einer sehr kalten Phase 1,2 m Lehmschichten. Im eiszeitlichen Sommer tauten die der Eiszeit. Wenn dann im Sommer der Boden ober- 10 oberen Dezimeter des Dauerfrostbodens auf. Aus flächlich auftaute, sank der noch gefrorene Lehm in sandigen Ablagerungen floss das Schmelzwasser ab, die aufgetauten Sandschichten ein – er war aufgrund Schema eines Tropfenbodens im Lehm hingegen blieb Wasser an den feinkörnige- des enthaltenen Eises schwerer als der lockere Sand. Grafik nach: Eißmann, Lothar: ren Teilchen haften. Beim Wiedergefrieren im eiszeit- Beim Einsinken hinterließ der Lehm dann eine charak- Das Quartär Mitteldeutschlands. lichen Herbst dehnte sich das im Lehm gefrierende teristische Tropfenform. Würge- und Tropfenböden Altenburg 1994 Wasser stärker aus als der Sand und drückte – sind unfehlbare Belege für das Vorhandensein von „würgte“ – ihn mit einem Druck von mehreren tau- Permafrostboden in der Region um Hanau während send Bar zur Seite. Der Sand konnte diesem Druck der Eiszeiten.
Welche Produkte sind während der Eiszeit entstanden? Frostsprengung Durch das lange Andauern extrem kalten Klimas ent- Doch die Frostverwitterung geht noch viel weiter: Korngröße von weniger als 2 mm Durchmesser und standen bei uns Produkte, die ohne die Wirkung des In den kurzen eiszeitlichen Sommern am Ende der schließlich feinster „Schluff“, dessen kleinste Körn- Frostes nicht denkbar sind. In erster Linie ist dafür die Schneeschmelze ebbte der gewaltige Wasserdurch- chen nicht größer als 0,06 mm sind. 11 „Frostsprengung“ verantwortlich, die auch als „Frost- fluss in den breiten Flusstälern ab. Die Schotterbecken verwitterung“ bezeichnet wird. Diese bewirkte, dass der Flüsse fallen zum Teil trocken und sind dem Frost Während die Sandkörner vom Wind in trocken-kalten der oberflächennahe Untergrund an den Hängen der ausgesetzt. Tagsüber zieht Feuchtigkeit in die Spalten Zeiten verweht und in Form von Flugsanddecken und Mittelgebirge in der Gegenwart nicht unmittelbar aus und Klüfte der Steine und Gerölle und nachts sprengt Dünen wieder abgelagert worden sind, wurde der kompaktem Festgestein besteht, sondern von Frost- der Frost die Brocken auf. Tag um Tag werden sie so Schluff als Staub weiter verfrachtet und bildete oft schutt gebildet wird. zerkleinert. Aus Kiesen entstehen Sande mit einer mächtige Lössdecken. Frostsprengung und Vergrusung an Kiesen (Fotoserie) Adventstal in Spitzbergen, 1973
Fließerde im Polarsommer Rezente Fließerde im Auftauboden Nordwestterritorium von Kanada über Dauerfrostboden Adventstal auf Spitzbergen 1973 Fließerden und Schuttdecken Eiszeitliche Fließerden entstanden als Auftauböden übereinander liegende Fließerden voneinander unter- Es stammt von einer Eruption vor etwa 12.900 Jahren über gefrorenem Untergrund, die als Gesteinsbrei scheiden: Die unterste der insgesamt drei Schuttde- in der Osteifel. Demnach ist der Deckschutt ein Pro- 12 hangabwärts „wanderten“; oft mehrere Hundert cken – in der Eiszeitforschung als „Basisschutt“ oder dukt der letzten Klimaphase mit Dauerfrostboden am Meter weit! Dieses Bodenfließen heißt in der Fach- „Basislage“ bezeichnet – besteht ausschließlich aus Ende der jüngsten Eiszeit. sprache „Solifluktion“. Bei einem hohen Anteil an Schuttmaterial des anstehenden Gesteins. Die mittlere Frostschutt werden Fließerden auch als Schuttdecken Fließerde – der „Mittelschutt“ oder die „Mittellage“ – Die Bedeutung der Schuttdecken liegt darin, dass sie bezeichnet. enthält verbreitet starke Beimengungen von Lösslehm die Bodeneigenschaften in den Mittelgebirgen gegen- und die obere Schuttdecke – als „Deckschutt“ oder über den vorher bestehenden Verhältnissen sehr ver- Anhand ihrer Eigenschaften lassen sich beispiels- „Hauptlage“ bezeichnet – weist neben Lösslehman- bessert haben. weise im Bereich des Spessartanstiegs verschiedene teilen auch Bestandteile vulkanischen Materials auf. Fossile Fließerdedecken über Buntsandstein Flussschotter von Main und Kinzig Wald bei Alsberg im Spessart Sammlung Wetterauische Gesellschaft
Lydit – Leitgeröll des Mains Buntsandsteinbrocken mit starker Rundung Sammlung Wetterauische Gesellschaft Sammlung Wetterauische Gesellschaft Flussschotter und Geröll Die Zusammensetzung von Flussschottern gibt Aus- wieder kleine Stücke an den Kanten. Zusätzlich wur- rungen aus der Kinzig unterscheidet sich deutlich von kunft darüber, woher die einzelnen Gesteine stam- den sie vom Wasser in rollendem Transport bewegt den Mainkiesen. Hier ist viel weniger Vielfalt zu er- men und welche Flüsse sie in die Hanauer Region und dabei ebenfalls an den Rändern abgerundet. kennen; es fehlen Gesteine, die in Mainschottern vor- 13 transportierten. Dabei zeigen die Gerölle und Blöcke kommen, andere sind dagegen im Kinzigkies öfter deutliche Spuren des Flusstransports, denn alle sind Im Geröll des Mains finden sich quarzgeäderte Kie- vorhanden. Auch die Kahl und ihre Nebenbäche zumindest an den Kanten abgerundet. Die ursprüng- selschiefer, so genannte Lydite. Sie stammen aus dem räumten auf ihrem Weg aus allen Teilen des Flussge- lich kantigen Schuttbrocken erfuhren diese Zurundung Frankenwald oder dem Fichtelgebirge. Die Kanten- bietes Steine ab. Dabei ist an den Kiesen und Geröl- auf ihrem Weg vom Herkunftsgebiet zum weit entfern- rundung des mechanisch sehr widerständigen Gerölls len deutlich zu erkennen, welche Gesteine von den ten Ablagerungsort. Dabei stießen sie häufig mit an- zeigt, dass es vom Main hierher transportiert wurde. Bachquellen stammen und welche erst im Verlauf der deren Steinen zusammen und verloren dabei immer Die Zusammensetzung der eiszeitlichen Flussablage- Bachstrecke mitgenommen wurden.
Driftblöcke Bei Driftblöcken handelt es sich um auffallend große Heute werden die großen Blöcke beim Sand- oder Gesteinsblöcke innerhalb der Sand- und Schotter- Kiesabbau entdeckt und nicht selten für die Gestal- 14 bänke großer Flussbetten. Zumeist bestehen diese tung von Vorgärten und Freiflächen verwendet. Blöcke aus Gesteinen, wie sie im weiten Umkreis des Fundortes nicht vorkommen. Im Gegensatz zu den kleineren, abgerundeten Flussgeröllen wurden Drift- blöcke nicht im Wasser transportiert, sondern trieben während der Schneeschmelze auf großen Eisschollen nicht selten viele Kilometer flussabwärts, bis sie von den Schollen abglitten und im Flussbett liegen blieben. Driftblöcke aus eiszeitlichen Sedimenten des Rhein-Main-Gebiets
Windkanter aus der Umgebung von Hanau Sammlung Wetterauische Gesellschaft Windkanter Die von Bächen transportierten Schuttbrocken und Kiese zeigen oft auch deutliche Merkmale kräftiger Windwirkung, den so genannten „Windschliff“. 15 Dieser Windschliff macht sich in einer Politur und der Umformung der Gerölle zu so genannten „Windkantern“ bemerkbar. Man unterscheidet „Zweikanter“, „Dreikanter“ und „Vierkanter“. Verursacht wird der Windschliff durch den Sand, der bei starken Winden mitgeführt wird: Wie ein Sandstrahlgebläse schleift und poliert er die Ober- flächen fester Gesteinsbrocken. Großer Windkanter Zentralisland 1979
Die Eiszeit … … und ihr Erscheinungsbild im Rhein-Main-Gebiet Im Gegensatz zu den Vereisungsgebieten in Nord- Dauerfrostboden war zeitweise sehr verbreitet. In schwemmten große Mengen an Verwitterungsmaterial 16 und Süddeutschland gab es im Rhein-Main-Gebiet den kältesten Zeiten hat nur Tundrenvegetation an in die größeren Flussbetten. Rhein, Main und ihre und den angrenzenden Mittelgebirgen nie Gletscher. geschützten Stellen des Tieflandes existiert. Intensive Nebenflüsse „ertranken“ in dieser Schuttfracht und Stattdessen erlebte diese Region Klimabedingungen, Prozesse der Verwitterung und Abtragung prägten bildeten große Schotterbetten. Die Wirkung des die zeitweise denen in heutigen Kältesteppen und unsere damalige Landschaft. An Hängen fand Windes war in trockenen Zeiten enorm. Frostschuttzonen in Gletschernähe sehr ähneln. flächenhaftes Bodenfließen statt, selbst kleine Bäche
Temperaturschema 1 Temperaturschema 2 Globale Temperaturänderungen der letzten 5,3 Millionen Jahre Temperaturänderungen in der Antarktis der letzten 420.000 Jahre auf der Basis von Tiefseesedimenten auf der Basis von Bohrkern Vostok Wann ließ die Eiszeit das Rhein-Main-Gebiet gefrieren? Gegen Ende der Tertiärzeit, vor mehr als 3 Millionen im Verlauf der letzten Million Jahre. In dieser Zeit wie- vor allem auf der Nordhalbkugel. Die Inlandverei- Jahren, kam es auf der Erde zu einer merklichen Ab- derholte sich der Klimawechsel mehrmals in einem sung Skandinaviens erreichte zum Beispiel mehrfach kühlung: Das bei uns herrschende warme Subtropen- nahezu regelmäßigen Rhythmus: Die Eiszeiten – Norddeutschland; aus den Alpen rückten Gletscher klima änderte sich und näherte sich unserem heutigen „Glaziale“ – dauerten etwa 90.000 bis 100.000 ins Alpenvorland vor. Man spricht daher in diesem gemäßigten Klima an. Jahre, die dazwischen liegenden Warmzeiten – „In- Zusammenhang von „Eiszeiten“. Im Verlauf dieser 17 terglaziale“ – dagegen nur jeweils etwa 10.000 bis kältesten Klimaabschnitte kam es bei uns – im damals Vor etwa 2,6 Millionen Jahren setzte dann eine Peri- 20.000 Jahre. nicht vergletscherten Gebiet – zur Bildung von Dauer- ode ein, in der ein starker Temperaturrückgang immer oder Permafrostböden. wieder mit Zeiten der Wiedererwärmung wechselte. Die Temperaturen während der Kaltzeiten sanken Dieser Umschwung zu einem vielfachen Wechsel von stärker als zuvor. Die Folge davon war eine weltweite Kaltzeiten und Warmzeiten verstärkte sich besonders Vergletscherung von Gebieten beträchtlicher Größe, Temperaturschema 3 Alle Grafiken nach: Temperaturänderungen in Grönland der letzten 50.000 Jahre Bubenzer/Radke: Natürliche Klimaänderung, in: auf der Basis von Eisbohrkernen Endlicher/Gerstengabe (Hg.): Klimawandel, Potsdam 2007
Wie sah die Landschaft in der Eiszeit aus? Beispiel: Flusslandschaft Wassermassen. Dieses Hochwasser transportiert Während der vorletzten Eiszeit erreichte das Flussbett Um eine genauere Vorstellung von den kältesten Ab- riesige Mengen Gesteinsschutt. Größere Flussbetten des Mains 5 km Breite! Der Rekord im Rhein-Main- schnitten der Eiszeiten zu entwerfen, hilft zum Beispiel sind jetzt meist mehrere Kilometer breit. Erst wenn Tiefland liegt in einer früheren Eiszeit sogar bei etwa 18 ein Vergleich mit heutigen arktischen Regionen, mit das Hochwasser allmählich zurückweicht, gibt es 20 km zwischen dem Vorspessart und dem Sprendlin- der dortigen Tundrenlandschaft, der lang anhalten- den Blick auf den zuvor überfluteten Talboden frei: ger Horst. Während der kältesten Phase der letzten den Schneebedeckung, mit dauerhafter Bodenge- Dieser zeigt sich als enorm breite Schotterebene, Kaltzeit pendelte der Fluss immerhin über ein bis zu frornis und sehr, sehr kurzen Sommern. in der sich nur noch vereinzelte Flussarme in Rinnen 2,5 km breites Schotterbett, das er zu großen Teilen zwischen Unmengen von Blöcken, Geröllen, Kiesen selbst herangeschafft und abgelagert hatte. Unüberseh- Wenn dort die Schneeschmelze beginnt und die und Sanden langsam verlieren. bar ist aber auch der Einfluss der Nebenflüsse Kinzig Eisdecke aufbricht, führen Bäche und Flüsse enorme und Kahl; sie lieferten ebenfalls einen beachtlichen Schwemmfächer der Nebenbäche des Adventsflusses Spitzbergen 1973 Die im Sommer entstandene Aufnahme zeigt eine ähnliche Situation, wie wir sie uns für die Flusslandschaft während der vorletzten Kaltzeit vorstellen müssen. Der Hauptfluss Main würde dementsprechend mit reichlich Sedimentfracht von Nebenflüssen versorgt, die bei der Einmündung in das Haupttal ausgedehnte Schwemmfächer ausbilden.
Anteil an eigener Geröllfracht. Beim Austritt aus den tern die oberste, rund 50 cm mächtige Schicht, das eisenbändern als „Bänderbraunerde“ bezeichnet engen Tälern in die Untermainebene bildeten beide „Decksediment“. Damals war der Untergrund erneut wird. Er ist die Grundlage heutiger landwirtschaft- Flüsse breite Schwemmfächer aus und reicherten das dauerhaft gefroren. Nur der oberste halbe Meter taute licher Nutzung. Gesteinsspektrum der Mainkiese beträchtlich an. während des kurzen Sommers auf. Lückenhaft bedeck- 19 te Tundrenvegetation die Bodenoberfläche, während Vor ca. 20.000 Jahren begann der Main, sich erneut der Wind feinen Lösslehm verwehte. Der Lösslehm einzuschneiden. Weite Teile des Schotterbetts fielen da- wurde durch Frostvorgänge in den Boden eingearbei- bei trocken. In der Jüngeren Tundrenzeit, der letzten tet. In der Nacheiszeit, dem Holozän, bildete sich auf Kaltphase am Ende der Eiszeit vor etwa 12.700 bis dieser Schicht der heutige Oberflächenboden, der 11.600 Jahren, bildete sich schließlich auf den Schot- wegen seiner Braunfärbung und den enthaltenen Ton- T6-Terrasse des Mains bei Karlstein-Dettingen Lackprofil, 1997 In der letzten Kaltzeit war das Flussbett des Mains bei Hanau immerhin bis zu 2,5 Kilometer breit. Während der vorletzten Eiszeit erreichte das Flussbett des Mains sogar 5 Kilometer Breite.
Wie sah die Landschaft in der Eiszeit aus? Beispiel: Dünenlandschaft In der Arktis lässt nach dem Ende der Schneeschmelze An trockenen Tagen fegt dann der Wind über den Während der kältesten Abschnitte der letzten Eiszeit im kurzen Sommer die Wasserführung in den einzel- Talboden. Er bläst feinkörniges Material – den Sand wurden im Hanauer Raum helle Flugsande verweht 20 nen Flussrinnen stark nach. Nur noch einige wenige und den Staub – aus und schleift und poliert damit zu- und besonders vor dem Anstieg des Vorspessarts zu Flussrinnen führen Wasser, die breiten Schotterbetten gleich größere Steine. So entstehen Windkanter. Der mächtigen Dünen aufgetürmt. Der Wind wehte wäh- liegen zum größten Teil trocken. schwerere (Flug-)Sand wird auf nahe gelegenen, hö- rend der extrem trocken-kalten Phasen vornehmlich heren Geländeteilen bald wieder abgesetzt. Er bildet aus ganz bestimmten Richtungen: Sowohl die zahlrei- Der ständige Wechsel zwischen Tauen am Tag und dort Flugsanddecken und Dünen. Der feinere Löss- chen in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Querdünen Gefrieren in der Nacht lässt den Frost die nun frei lie- staub wird vom Wind jedoch weiter verfrachtet und als auch die nach Westen offene flache Seite der Pa- genden Gesteinsbrocken sprengen. Er zerkleinert sie bedeckt oft flächenhaft den Untergrund entfernterer rabeldünen belegen, dass vornehmlich westliche so lange, bis lediglich Staub und Sand übrig bleiben. Gebiete. Winde die Flugsande im Hanauer Raum verfrachteten. Naturschutzgebiet Alzenauer Dünen 2008
Seltener finden sich Dünen mit einer Südwest-Nordost- Gegen Ende der letzten Kaltzeit vor ca. 12.900 Jah- ckelte sich in der Nacheiszeit ein Boden aus Bänder- Erstreckung, für deren Aufhäufung südwestliche ren wurden die Sande dann von vulkanischen Aschen braunerde. Flächenhafte Abholzung nach dem Drei- Winde in Frage kommen. Im Alzenauer Dünenfeld aus der Osteifel bedeckt, die von einem gewaltigen ßigjährigen Krieg ermöglichte in jüngster Vergangen- 21 lässt sich die Hauptwindrichtung zudem durch das Ausbruch im Laacher Kessel stammen. Der Wind ver- heit wieder die Verwehung von Flugsanden, so dass Vorhandensein von Flugkiesen belegen. Diese unge- wehte die Vulkanaschen während der folgenden Kalt- die Braunerde bedeckt wurde. Mittlerweile liegt auf wöhnlich großen, von Winden in Orkanstärke trans- phase in der Jüngere Tundrenzeit vor ca. 12.700 bis diesem fast reinen Quarz-Flugsand erneut ein dünner, portierten und geschliffenen Körner mit einem Durch- 11.600 Jahren zusammen mit Lösslehm und Sand. nährstoffarmer Boden, der nur anspruchslosen Pflan- messer von bis zu 2 cm kommen nur bei den westli- Diese Ablagerungen wurden in den damals vorhan- zen Nahrung bietet. chen Dünen auf den höchsten Geländepositionen vor. denen Auftauboden eingearbeitet und bildeten das Dagegen fehlen sie auf den östlichsten Sandhügeln. etwa 50 cm mächtige Decksediment. Auf ihm entwi- Arktische Sanddüne, Flugsande mit Decksediment und jungen Decksanden Zentralisland Lackprofil aus einer Sandgrube in Alzenau, 2002 Sammlung Wetterauische Gesellschaft
Die Eiszeit … … und das Leben Vor etwa 3,5 Milliarden Jahren entstand das Leben. Unsere heutige Vorstellung vom Leben in der Eiszeit Das bei weitem erfolgreichste Lebewesen, das aus Wie der jüngste Wimpernschlag der Erdgeschichte ist geprägt vom Großwild der Mammutsteppe, wie dem letzten Eiszeitalter hervorging, war der Mensch – 22 mutet dagegen das letzte Eiszeitalter an, das erst vor es Mitteleuropa in den Kaltzeiten bewohnte. Die er ist ein Kind der Eiszeit! rund 2,5 Millionen Jahren begann. Zu keiner Zeit ge- zwischenzeitlichen Warmphasen ermöglichten – fährdeten Klimaveränderungen das Leben auf der vor allem in Europa – jedoch auch das Entstehen Erde in seiner Existenz – jedoch veränderte jeder Kli- von Tier- und Pflanzengesellschaften, die so gar mawechsel massiv die Zusammensetzung von Floren nicht in unser Bild der Eiszeit passen. und Faunen.
Achtblumenblättrige Silberwurz Kraut-Weide Beifuß Schwingel „Dryas octopetala“ „Salix herbacea“ „Artemisia borealis“ „Festuca sibirica“ Welche Pflanzen gediehen während der Eiszeit? Mit dem Wechsel der eiszeitlichen Kalt- und Warm- Mit dem Anstieg der Temperaturen zu Beginn jeder der Pollenanalyse: Jahr für Jahr lagerten sich Pollen phasen wandelte sich auch die Zusammensetzung Warmphase verdichtete sich stufenweise auch der der regionalen Pflanzenwelt am Boden ab. An ge- der Flora. Charakteristisch für die kältesten Phasen Baumbewuchs: Den Birken folgten in der Regel Kie- schützten Stellen – etwa in Seen – blieben diese jähr- war eine Pflanzengesellschaft, die als Kälte- oder fern, später dann Ulmen, Eichen und andere Gehölz- lich entstehenden Schichten erhalten. In Bodenproben Mammutsteppe bezeichnet wird. Sie wurde geprägt arten. Ganz Mitteleuropa war waldbedeckt, bis er- lassen sich die Pollen aufspüren, bestimmen und zäh- 23 von niedrigen kraut- und strauchartigen Gewächsen, neute Abkühlung wieder zeitweise Kältesteppen ent- len, so dass ein recht präzises Bild der örtlichen Ve- wie Krautweide, Silberwurz, Steinkraut oder stehen ließ. getation zu einer bestimmten Zeit entsteht. Anhand arktischem Mohn. An geschützten Stellen hielt sich der Schichtung lassen sich auch Veränderungen in schütterer und niedriger Birkenwald und an sumpfi- Paläontologen und Klimaforscher nutzen unterschiedli- der Pflanzengesellschaft feststellen, die Aussagen gen Standorten, die im Rhein-Main-Gebiet häufig che Methoden, um eiszeitliche Pflanzengesellschaften über den Klimaverlauf erlauben. waren, gediehen Moose, Seggen und Sumpfgräser. zu rekonstruieren. Vor allem bedienen sie sich dabei Arktische Pflanzen aus Gärtnereien für Stein- und Ziergärten Roter Steinbrech Arktische Binse Schnabel-Segge Sandkraut „Saxifraga oppositifolia“ „Juncus arcticus“ „Carex rostrata“ „Arenaria norvegica“
Welche Tiere lebten im Rhein-Main-Gebiet? Der Wandel der Tierwelt zwischen den Kalt- und drangen Tiere aus dem Süden vor: Waldelefanten, kalkhaltigen Quellen gefunden werden. Für das Warmzeiten war in Europa stärker ausgeprägt als in Waldnashörner, Bisons und sogar Flusspferde! Die Rhein-Main-Gebiet spielen jedoch die Ablagerungen anderen Teilen der Erde. Temperaturveränderungen Pflanzenfresser folgten dabei stets ihrem Nahrungsan- der beiden großen Flüsse als Fundorte eine beson- führten hier stets auch zu massiven Schwankungen gebot, das besonders stark von klimatischen Verände- dere Rolle. Dazu zählen auch die „Mosbacher 24 der Niederschlagsmengen. Es wechselten trocken- rungen abhing. Raubtiere waren weniger klimaab- Sande“ bei Wiesbaden, die vor rund 600.000 Jah- kalte mit feucht-warmen Klimaverhältnissen. Mit jeder hängig – sie fanden fast immer Beute und kamen da- ren im einstigen riesigen Schwemmfächer des Ur- hereinbrechenden Kaltphase wanderte aus dem her oft gleichermaßen in Kalt- und Warmzeiten vor. mains entstanden. In ihnen wurden einerseits Nordosten das Großwild der Mammutfauna in Mittel- Kadaver abgelagert, die der Fluss heranschaffte, und europa ein: Neben Steppenelefant und Mammut ge- Paläontologen schöpfen ihr Wissen aus Fossilien, die andererseits kamen zahlreiche Tiere direkt vor Ort – hörten dazu Wollnashörner, Rentiere, Moschusochsen vor allem in Höhlen, kleineren Seebecken, angeweh- vor allem durch Beutegreifer – ums Leben. 65 Säuge- und Pferde. Während der Warmzeiten hingegen ten Lössschichten oder den Travertinablagerungen an tierarten wurden bislang entdeckt! Fossilien aus den Mosbacher Sanden Unterkiefer eines Steppenelefanten „Mammuthus trogontherii“ Unterkiefer eines Altbibers „Trogontherium cuvieri“ Unterkiefer eines Wildpferds „Equus mosbachensis“ Eckzahn eines Flusspferds „Hippopotamus antiquus“ Schädel und Oberkiefer einer Hyäne „Hyaena spec.“ Museum Wiesbaden
Mammut Waldwisent „Mammuthus primigenius“ „Bison schoetensacki“ Höhlenlöwe „Panthera leo spelaea“ Tiere der Kaltzeiten Tiere der Warmzeiten Raubtiere im Rhein-Main-Gebiet Im Rhein-Main-Gebiet lebte das Großwild der letzten Das Artenspektrum der letzten, so genannten Eem- Im Vergleich zu den Pflanzenfressern waren Raubtiere Kaltzeit auf weiten, ebenen und von Flussläufen durch- Warmzeit vor rund 120.000 Jahren ähnelte in Teilen eher selten. Ihre eiszeitliche Verbreitung belegen ein- zogenen Steppenflächen, deren Kräuter- und Grasbe- heutigen Verhältnissen. Mitteleuropa war von Wäldern zelne verstreute Fundstellen, wobei zahlreiche Raub- stände ausreichend Nahrung boten. Aus der Zeit des bedeckt, in denen Rehe und Elche, Wildschweine tierreste in Höhlen entdeckt wurden. Viele Großräuber letzten Hochglazials vor etwa 20.000 Jahren, als die und Wisente lebten. Einige charakteristische Arten tragen daher den entsprechenden Namenszusatz, 25 Temperaturen ihren niedrigsten Stand erreichten, feh- der Warmzeiten überlebten allerdings die folgende wie etwa der Höhlenbär, der Höhlenlöwe oder die len allerdings fossile Funde: Scheinbar trotzten keine Kaltzeit nicht: Waldelefanten und Waldnashörner Höhlenhyäne. Einen Hinweis auf deren Lebensweise oder nur wenige Lebewesen den widrigen Umweltbe- starben endgültig aus. Andere Tiere kehrten zu Be- gibt die Benennung nicht! So sind auch in der Rhein- dingungen. Mit der folgenden Erwärmung kehrten ginn des Holozäns (Nacheiszeit) nicht mehr zurück, Main-Ebene große Beutegreifer durch einzelne fossile die Tiere zurück; ihre Artenvielfalt hatte sich jedoch wie etwa der Wasserbüffel oder das Flusspferd. Im Knochenfunde nachweisbar, obwohl die flache Fluss- reduziert: Charakteristische Eiszeitbewohner, wie der Gegensatz zum Großwild der Kältesteppen durch- landschaft zu keiner Zeit Höhlen aufwies. Höhlenbär, fehlten völlig; Mammut und Wollnashorn streifte das warmzeitliche Wild die Waldlandschaft waren selten und starben bald aus. Andere eiszeitli- nicht in großen Herden, sondern allein oder allenfalls che Wildarten, wie Rentiere oder Saigaantilopen, in kleineren Verbänden. zogen in den Norden und überlebten bis heute. Steppennashorn Flusspferd Hyäne „Stephanorhinus etruscus“ „Hippopotamus antiquus“ „Hyaena spec.“
Unterkiefer des „Homo heidelbergensis“ Lebten hier Menschen während der Eiszeit? Vor etwa 6 Millionen Jahren lebten in Afrika die frü- Aus ihr entwickelte sich schließlich vor 200.000 – Die Rekonstruktion der menschlichen Evolutionsge- hesten Hominiden, aus denen sich vor rund 2,6 Mil- 300.000 Jahren der Neanderthaler als eine auf schichte ist schwierig, weil die zur Verfügung stehen- lionen Jahren der Mensch entwickelte. Zu genau der- Europa beschränkte Menschenform. Nachweislich den Quellen sehr spärlich fließen. Nur einige wenige, selben Zeit brach das Pleistozän – das Eiszeitalter – durchzog er auch Hessen und das Rhein-Main-Ge- meist zufällig gemachten Einzelfunde müssen den Pa- 26 an! Nach Mitteleuropa gelangte die Gattung Mensch biet. Als dann der moderne Mensch – der „homo läoanthropologen genügen. Zudem ist die Altersbe- erst viel später. Ihren Auftritt nördlich der Alpen mar- sapiens sapiens“ – aus Afrika kommend Mitteleuropa stimmung außerordentlich mühsam. Erst mit dem Ende kiert der Fund eines Unterkiefers in Mauer bei Heidel- erreichte, wich der Neanderthaler der Konkurrenz. der Eiszeit und mehr noch mit der neolithischen Revo- berg mit einem Alter von rund 560.000 Jahren. Der Vor etwa 30.000 Jahren verschwand er vollständig. lution, als die Menschen begannen, Landwirtschaft zu Zuzug dieser „homo heidelbergensis“ genannten Der moderne Mensch aber blieb. Nach dem Ende betreiben, ändert sich die Fundsituation. Spezies erfolgte im Lauf einer Warmphase und war des letzten Hochglazials wuchs seine Population zunächst nicht dauerhaft. Alle Knochenfunde der stetig: 5,5 Millionen Menschen leben heute im folgenden 350.000 Jahre zählen zur selben Art. Ballungsgebiet Rhein-Main. Alzenauer Faustkeil Alter ca. 100.000 Jahre Museen der Stadt Aschaffenburg
Gravierte Schieferplatte aus Neuwied-Gönnersdorf (Replik) Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz Direktion Archäologie, Außenstelle Koblenz Geröllgeräte aus Münzenberg Die Gönnersdorfer Schiefertafeln Paläolithische Werkzeuge aus Bruchköbel In den 1950er Jahren wurden bei Münzenberg zahl- 1968 wurden in einer Lössschicht in Neuwied-Gön- 1980/81 wurde im Bruchköbler Wald eine stattliche reiche Geröllgeräte, so genannte „Pebbletools“, ge- nersdorf Knochen, Steinwerkzeuge und Schiefertafeln Anzahl späteiszeitlicher Steinartefakte entdeckt. Sie funden. Grabungen förderten 4.400 Fundstücke – entdeckt. Den Löss überdeckte eine Bimsschicht, die entstanden 11.000 bis 12.000 Jahre vor Christi Ge- durchweg einfach behauene Steinbrocken – zu Tage. sich beim Ausbruch des Laacher-See-Vulkans vor rund burt. Die eiszeitlichen Jäger hielten sich damals be- Man sprach von der „Münzenberger Geröllgeräte- 12.900 Jahren abgelagert hatte: Die Funde stammen wusst in der Gegend auf, fanden sie hier doch geeig- Industrie“. Mehrmals musste die Datierung des Fund- aus der Eiszeit! Es wurden drei größere Bauten und nete Steine für die Werkzeugherstellung. Vor Ort kam 27 komplexes korrigiert werden; mittlerweile wird eine vier Stangenzelte ergraben, die eine wiederholt be- vor allem Quarzit massenhaft vor. Er ließ sich leicht Warmphase der Cromer-Folge vor etwa 550.000 wohnte und verlassene Siedlung anzeigen. Feuerstel- bearbeiten, und seine glasähnlichen Eigenschaften Jahren bevorzugt. Dennoch ist die Funddeutung um- len, Kochgruben, Tierknochen und Werkzeuge geben erlaubten die Herstellung scharfer Schneidekanten. stritten: Sind es wirklich Artefakte? Oder sind die Ab- Einblicke in den Alltag einer Menschengruppe, die Seltener wurden Chalzedon, Quarz und Kieselschie- schläge vielmehr natürlich oder zufällig entstanden? vornehmlich von der Jagd lebte. Neben der Jagd fer verwendet. Windschliff an den Steingeräten zeigt, Mikroskopische Untersuchungen der Universität Müns- selbst und der anschließenden Verarbeitung der Beute dass die Menschen das Material einfach an der Erd- ter lieferten 1991 gewichtige Argumente: An einigen nahm vor allem die Werkzeugherstellung viel Zeit in oberfläche auflasen. Die Beschaffung war unproble- Stücken wurden Arbeitsspuren – Polituren der Kristall- Anspruch. Die Archäologen fanden insgesamt etwa matisch. Entsprechend sorglos verfuhren sie daher struktur – entdeckt. Sie belegen, dass die behauenen 70.000 Steinartefakte! Von ganz besonderer Bedeu- auch bei der Bearbeitung. Die Waffen und Werk- Steine weiter benutzt wurden. tung waren die zahlreichen Bildwerke, die vor allem zeuge wurden schnell gefertigt und waren funktional. in Schiefer geritzte Tiere und Frauen darstellen. (Text: Dr. S. Loew) Pebbletool aus Münzenberg Oberhessisches Museum, Gießen Kratzer aus Bruchköbel Museen der Stadt Hanau
Die Eiszeit … … und wo sie heute zu finden ist Heutige „Eiszeitgebiete“ können nur beschränkte Mo- herrscht dort kein Eiszeit-, sondern ein Polarklima! Dennoch können solche Gebiete uns in ihrer Vielfalt 28 mentaufnahmen von Merkmalen liefern, wie sie in der Und in Sibirien kommt zwar Dauerfrostboden vor – einen Gesamteindruck von Eiszeit-Landschaften bieten. „echten“ Eiszeit global und über längere Zeiträume doch verbreitet sogar unter ausgedehnten Wäldern, hinweg auftraten. statt unter eiszeitähnlicher Tundrenvegetation! Daher spiegeln die rezenten „Eiszeitgebiete“ die Be- Nicht alle Fragen nach den Eiszeiten können daher dingungen der Eiszeit nur zum Teil wider: In der Ark- durch die Betrachtung eines einzelnen Gebietes mit tis bedecken zwar Gletscher viele Gebiete – dennoch eiszeitähnlichen Verhältnissen beantwortet werden. Rentiere in der Tundra Spitzbergens 1973
Tal in Nordisland während des Sommers Tundra in Südwestisland bei Hveravellir 1979 1979 29 Talaue in Südisland Unteres Adventstal in Spitzbergen 1979 1973
Wo herrschen heute eiszeitliche Bedingungen? Gebiete mit Gletscherbedeckung oder in Gletscher- im Umkreis heutiger Gletscher finden sich solche vegetation, das Bodenfließen an den Hängen, die nähe finden wir heute bevorzugt auf der Nordhalb- Dauerfrostgebiete. tägliche intensive Frostverwitterung, die Bildung kugel in allen höheren Breitenlagen: So etwa in Grön- hoher Schneedecken in langen Wintern, die jähr- land, in der kanadischen Arktis, auf Spitzbergen, Auf der Südhemisphäre kommen vergleichbare lichen extremen Hochwässer und großflächigen 30 auf den russischen Inselgruppen im Eismeer oder auf Gebiete vor allem auf dem antarktischen Kontinent Überschwemmungen bei der Schneeschmelze, die Island. Kleinräumlichere Areale sind in den Hochge- sowie in kleinem Maße im Süden Südamerikas vor. enorme Schuttfracht der Flüsse, die Sand- und Staub- birgen Asiens verbreitet, aber auch in den europäi- verwehungen sowie der Wechsel feucht-kalter und schen Hochgebirgen: In den Alpen, den Pyrenäen, Heutige „Eiszeitgebiete“ können niemals sämtliche trocken-kalter Perioden. den Karpaten und dem Skandinavischen Gebirge. Bedingungen der Eiszeit zugleich erfüllen. Einzelne Niedriger gelegene Gebiete mit Dauerfrostboden wesentliche Elemente eiszeitlicher Verhältnisse lassen nehmen große Teile von Nordrussland und Sibirien sich dort jedoch beobachten. Hierzu zählen etwa ein sowie das Nordwestterritorium Kanadas. Auch der tiefreichende Dauerfrostboden, die Tundren- Talaue des Adventstals in Spitzbergen 1973
„Lebender“ Blockstrom in der Schottersohle eines Nebentälchens Frostschuttzone in Spitzbergen des Adventstals in Spitzbergen 1973 1973 Permafrostverbreitung auf der Nordhemisphäre 31 Karte nach: Péwé, Troy L. in: The heritage of engineering geology. Boulder/Colorado 1991 Schwemmfächer eines Seitenbaches Talboden des Jansonstals des Adventsflusses in Spitzbergen 1973 1973
Die Eiszeit … … und ihre Erforschung Der Beginn der Erforschung der Eiszeiten reicht bis während einer Eiszeit transportiert worden waren, auch, dass die Kaltklimaperioden selbst kein gleich- 32 in das 19. Jahrhundert zurück. Im Mittelpunkt standen muss seinerzeit als Sensation empfunden worden mäßiges Klima aufwiesen: Wie auch in den Warm- damals die eindrucksvollen Spuren der ehemaligen sein. Noch lange Zeit danach haben Generationen zeiten gab es wiederholte Klimaschwankungen. Inlandvereisung Norddeutschlands und die Verglet- von Schülern vier nach süddeutschen Flüssen be- scherung der Alpen und ihrer Vorländer. nannte Eiszeiten auswendig gelernt. Solche Erkenntnisse verdanken wir einer Fülle von Forschungen sehr verschiedener Fachrichtungen, So gaben die bis zu hausgroßen eiszeitlichen Find- Heute wissen wir, dass es während der letzen ca. die weltweit ihre Untersuchungen durchführen und linge Rätsel auf. Die Erkenntnis, dass diese riesigen 2,6 Millionen Jahre viel häufiger zu einem Wechsel häufig miteinander kooperieren. Blöcke in der jüngsten Erdgeschichte von Gletschern zwischen Kalt- und Warmzeiten kam. Wir wissen
Geologe bei Grabun- gen in den Mittelter- Archäologische Grabung Paläontologinnen beim rassen der Kahl in Ruffenhofen, Mittelfranken Schlämmen von Erdsaushub Januar 2005 August 2005 August 2008 Wer erforscht heute die Eiszeit? Geologie und Bodenkunde Archäologie Paläontologie Die Geologie beschäftigt sich mit der Erforschung Die „Altertumskunde“ interessiert sich für sämtliche Die Paläontologie erforscht die Lebewesen vergan- der Erde, mit ihrem Aufbau, ihrer Zusammensetzung, Hinterlassenschaften der Menschen früherer Kulturen gener Erdzeitalter, indem sie fossile Organismenreste ihrer Struktur und mit allen Prozessen, die sie bis weltweit! Für die Eiszeitforschung ist nur die prähisto- und andere Hinterlassenschaften vorzeitlicher Lebe- 33 heute formen. Das Eiszeitalter ist das Forschungsfeld rische Archäologie von Bedeutung. Ihr Arbeitsgebiet wesen untersucht. Mit ihren Forschungsergebnissen der Quartärgeologie, die in den letzten Jahrzehnten betrifft die ältesten kulturellen Überlieferungen der zum Floren- und Faunenwandel während der Klima- an Bedeutung gewonnen hat. Menschheitsgeschichte, von den frühesten Werkzeu- veränderungen im Laufe des Eiszeitalters leistet die gen vor rund 2,6 Millionen Jahren bis zu den Anfän- Paläontologie einen bedeutenden Beitrag zum Ver- Klimatologie gen der Schriftlichkeit in Europa zur Zeitenwende. ständnis der Wechselwirkungen zwischen Umwelt- Die Paläoklimatologie rekonstruiert die Klimate vergan- bedingungen und Biosphäre. gener Zeiten. Doch gibt es Messinstrumente für klima- Glaziologie relevante Daten erst seit Kurzem. Zuvor mussten For- Die Glaziologie befasst sich mit dem Auftreten von Eis Paläoanthropologie scher Erkenntnisse zu früheren Klimaverhältnissen indi- und Schnee in den verschiedenen Ausbildungsformen. Auch die Paläoanthropologie befasst sich, wie die Ur- rekt aus so genannten „Klimazeugen“ ableiten. Dazu Dabei erforschen die Wissenschaftler auch die Klima- geschichtsforschung, mit der Entwicklung der Mensch- zählen fossile Pflanzen und Tiere ebenso wie Ver witte- geschichte. Sie entnehmen mit Hohlbohrern Eiskerne heit. Sie versucht jedoch anhand fossiler Reste den rungsvorgänge und Sedimentationserscheinungen. aus Gletschern der Polregionen. Ein solcher Bohrkern Verlauf der menschlichen Evolution zu rekonstruieren. aus der Antarktis ist etwa 3.270 Meter lang und an Damit steht sie auch der Paläontologie nahe. seinem unteren Ende rund 900.000 Jahre alt. Er ent- hält wichtige Informationen über die Zyklen der Eiszeit. Klimatologe Glaziologe Foto: H. Gericke Foto: H. Oerter Quelle: Alfred-Wegener-Institut Quelle: Alfred-Wegener-Institut
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