POLYTECHNIK - Stiftung Polytechnische Gesellschaft
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POLYTECHNIK I N F O R M A T I O N E N A U S D E R S T I F T U N G P O LY T E C H N I S C H E G E S E L L S C H A F T F R A N K F U R T A M M A I N AUSGABE 2 / 2020 N G P O LY F TU TE TI 15 C S DI E H ER NI ST EN M AIN SCHE GESE JA H AM RE RT LL U SC KF HA F T FR AN Entwicklungen
Das Titelbild zeigt David Heun und Dr. Dirk-Hinnerk Fischer, die 2007 als Stadtteil-Botschafter für Nieder-Erlenbach die Idee hatten, einen Kletterturm zu errichten. Wie sich das Projekt und die beiden seitdem weiterentwickelt haben, erfahren Sie auf Seite 24. »Danke für diese großartige und lebensverändernde Möglichkeit! Vermutlich wären die darauf- folgenden Jahre ohne euch ganz anders verlaufen.« EINE TEILNEHMERIN DES DEUTSCHSOMMERS 2009 – D A M A L S Z E H N , H E U T E 1 9 J A H R E A LT. Z I TAT A U S D E R G E N E R AT I O N E N U M F R AG E D E S DEUTSCHSOMMERS 2020.
INHALT 5 15 P R O F. D R . R O L A N D K A E H L B R A N D T P R O F. D R . A N D R E A S G O L D UND JOHANN-PETER KROMMER KEINEN ZURÜCKLASSEN NEULAND AUF GUTEM Aktuelle Anforderungen an das FUNDAMENT Bildungswesen Zur jüngsten Entwicklung und zukünftigen Ausrichtung unserer Stiftungsarbeit 18 STIMMEN ZUM THEMA WIE KANN MAN SICH IN DER STIFTUNG POLY- TECHNISCHE GESELLSCHAFT WEITERENTWICKELN? Diese Frage beantworteten uns Menschen aus unserem Stiftungsumfeld 20 ALEXANDER JÜRGS WAS MACHT EIGENTLICH … ? Zwei polytechnische Karrieren im Porträt 9 FRIEDERIKE VON BÜNAU GEMEINSINN FÜR FRANKFURT Die Stiftung Polytechnische Gesellschaft als kooperative Stiftung 12 KAROLINE LEIBFRIED DAS SIND DIE NEUEN 24 Die jüngsten Projekte unserer Stiftung RÜCKBLICK NAMEN UND NACHRICHTEN Kurzinformationen aus der Stiftung
EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, wer hätte gedacht, mit welchen ungewöhnlichen Herausforderungen wir uns in unserem Jubiläumsjahr konfrontiert sehen? 2020 wird in unserer Rückschau nicht nur das Jahr des 15-jährigen Bestehens der Stiftung Polytechnische Gesellschaft sein. Es wird sicher auch als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem die Corona-Pandemie den Alltag von Menschen auf der ganzen Welt grundlegend verändert hat. Aller Veränderung zum Trotz: Die Arbeit von Stiftungen hat im Zuge der Krise eher an Bedeutung gewonnen. Denn gerade in herausfordernden und unsicheren Zeiten zeigt sich der wertvolle Beitrag gemeinnütziger Stiftungen für unsere Zivilgesellschaft. Wann, wenn nicht jetzt, gilt es, flexible und kurzfristige Hilfen auf die Beine zu stellen und mit Augenmaß und Empathie auf die veränderte Situation einzugehen? Die Stiftung Polytech- nische Gesellschaft ist in diesen turbulenten Zeiten ein verlässlicher Partner für die Frankfurter Stadtgesellschaft. Mit Engagement und Elastizität haben wir uns rasch auf die veränderte Situation eingestellt, neue Routinen entwickelt und innovative Wege des (digitalen) Arbeitens beschritten. Wir haben mit polytechnisch-optimistischer Unverzagtheit auf Entwicklungen reagiert und unsere Aktivitäten entsprechend weiterentwickelt. So, wie es die Stiftung nunmehr seit 15 Jahren macht. Darum steht diese Ausgabe und mit ihr das ganze Jubiläum auch unter dem Motto »Entwicklungen« – nach »Wirkungen« zum fünfjährigen und »Prägungen« zum zehnjährigen Bestehen. Und über Entwicklungen gibt es eine Menge zu berichten: Unter dem Titel »Neuland auf gutem Fundament« schreibt unser Stiftungsvorstand über die jüngste Entwicklung und auch die zukünftige Ausrichtung der Stiftungsarbeit. Unsere Gastautorin Friederike von Bünau richtet ihren geschulten Blick auf den essenziellen Wert von Kooperationen innerhalb des dritten Sektors, Prof. Dr. Andreas Gold schreibt über die aktuellen Anforderungen an das Bildungswesen und Karoline Leibfried stellt unsere neuesten Pro- jekte vor, mit denen die Stiftung auf drängende Themen unserer Zeit reagiert. Natür- lich wird es auch diesmal zwei lesenswerte polytechnische Porträts geben. Sie zeigen besonders schöne Entwicklungen aus 15 Jahren Stiftung Polytechnische Gesellschaft. Viel Spaß bei der Lektüre! AXEL BRAUN Bereichsleiter Information, Kommunikation und Veranstaltungen der Stiftung Polytechnische Gesellschaft
Polytechnik | Ausgabe 2 / 2020 NEULAND AUF GUTEM FUNDAMENT Zur jüngsten Entwicklung und zukünftigen Ausrichtung unserer Stiftungsarbeit. V O N P R O F. D R . R O L A N D K A E H L B R A N D T UND JOHANN-PETER KROMMER 5
Schwerpunkt »Aufstieg durch Bildung zu ermöglichen – ein Versprechen, das unsere Gesellschaft auch und gerade jetzt einlösen muss.« Mit ihrem neuen Projekt Junge Pauls- kirche leistet die Stiftung Polytechnische Gesellschaft einen Beitrag zur Vermitt- lung von Demokratiekompetenz. Wir erleben einschneidende Veränderungen, die tief in unsere alltäglichen Gewohn- heiten hineinreichen und unser ganzes gesellschaftliches Leben beeinflussen. Noch wis- sen wir nicht, welche langfristigen Folgen der Wandel mit sich bringen wird. Schon aber ist erkennbar, dass die in letzter Zeit viel besungenen, neuen Kompetenzen des Um- gangs mit Unsicherheit und Komplexität gewiss zum Bildungskanon unserer Zeit zählen müssen. Auch verschärfte soziale Konfliktlagen sind nicht auszuschließen. Für die Stiftung Polytechnische Gesellschaft, die nach 15 Jahren auf gutem Fundament steht, bedeutet dies zunächst, dass sie in ihrer Bildungs- und Engagementarbeit nicht nachlassen darf und wird. Gerade in unserer Zeit gesellschaftlicher Unsicherheit ist die Förderung besonders herausgeforderter Zielgruppen durch unsere Projekte der Familienbildung und der Sprachförderung vordringlich, um den Aufstieg durch Bil- dung zu ermöglichen – ein Versprechen, das unsere Gesellschaft auch und gerade jetzt einlösen muss. Kontakt halten, begleiten, stärken – das bleibt hier auf absehbare Zeit die dringliche Devise. Bislang konnten die »Klassiker« der Stiftung – die großen sozialen Bildungsprojekte – immer wieder auf verschiedene Bedarfslagen passende Antworten geben, ob auf Heraus- forderungen im Zusammenhang mit zunehmenden globalen Fluchtbewegungen, wie in den Jahren 2015 und 2016, oder derzeit, während der Corona-Krise. Mit ihrem Mix aus Projekten der Breiten- und Spitzenförderung sowie von sozial und genera- 6
Polytechnik | Ausgabe 2 / 2020 tionell unterschiedlich ansetzenden Projekten hat die Stiftung bislang geeignete Aus- gangspunkte für neue Lagen zu bieten. Aber sie muss wachsam sein und auch gege- benenfalls schnell, am besten vor der Zeit, handeln, wenn sich Dinge nicht temporär, sondern tiefgreifend und auf lange Sicht ändern. Mit ihren neuen Projekten Nachhaltigkeitspraktiker und Junge Paulskirche – Schüler- forum zu Demokratie und Verfassung ist die Stiftung nah an zwei wichtigen Themen: nachhaltige Entwicklung und Demokratieerziehung. »Bildung für nachhaltige Entwick- lung« ist ja erklärtes Ziel des »Nationalen Aktionsplans« der Bundesregierung infolge der sogenannten Sustainable Development Goals der UNO. Insbesondere die letzten Jahrgänge der Stadtteil-Botschafter und derzeit die Nachhaltigkeitspraktiker schärfen das Bewusstsein im Sinne von Verantwortung, Bildung und Nachhaltigkeit. Mit der Jungen Paulskirche setzt die Stiftung in der Folge der großen Jubiläumsfeier zum Grund- gesetz aus dem Jahr 2019 ihr Engagement zum Thema »Demokratiekompetenz« bzw. »Erziehung und Bildung zur Demokratie« oder auch »Demokratie als Lebensform« fort. Hier werden moderne Bildungsziele wie Perspektivwechsel, Umgang mit Komplexität und Ambivalenztoleranz verfolgt. Auch die Förderung besonderer Gruppen von Menschen mit Potenzial bleibt aktuell: besonders vielseitig Begabte, besonders technisch Interessierte, besonders wissen- schaftlich Befähigte, besonders Engagierte; also die Kollegiaten, die Digitechniker, die Nachwuchswissenschaftler, die begabten Handwerker, die Stadtteil-Botschafter, die Stadtteil-Historiker, die Bürger-Akademiker. Wir wollen sie gestärkt an die Stadtgesell- schaft abgeben. Die Förderung VON MENSCHEN MIT POTENZIAL ist und bleibt ein zentrales Anliegen der Stiftung Polytechnische Gesellschaft. Maisaa Al-Dubai war – mit ihrem Gebärdensprachkursprojekt »Wir wollen gehört werden« – eine von 15 Stadtteil-Botschafterin- nen und -Botschaftern, die von 2019 bis 2020 mit ihren Ideen zur Weiterentwicklung ihres Stadtteils beitrugen. 7
Schwerpunkt Denn eines der Ziele ist es, Multiplikatoren aus diesen spezifischen Programmen zu gewinnen, die unentbehrlich sind, weil sie zeigen, was möglich ist. Sollte sich die ge- sellschaftliche Lage materiell verschlechtern und sollten wir auf neue Konflikte zu- steuern, sind bei deren Lösung zivilisatorische Beiträge von Vorbildern unentbehrlich. Vorbilder sollen nicht nur im Stillen wirken, denn ihr Beispiel soll Schule machen. Das betrifft auch die Stiftungsprojekte. Die Online-Kommunikation wird immer wichtiger. Sie ist in Corona-Zeiten die beherrschende Kommunikationsform geworden. Ziel ist, die darin liegenden Chancen zu nutzen. Das kann die Breitenwirkung der Stiftungs- projekte noch einmal deutlich vergrößern. »Vorbilder sollen nicht nur im Stillen wirken, denn ihr Beispiel soll Schule machen.« Die Stiftung stellt sich auf eine längere Zeit hybrider Formen von Begegnung und Austausch ein. Zwar ist bekannt, dass digitale Austauschplattformen nicht dieselbe kommunikative Differenziertheit und Plastizität wie Präsenzbegegnungen ermöglichen. Jedoch hat die Stiftung die Erfahrung machen können, dass bei gegebener Motiva- tion vieles auch auf diesen Plattformen möglich ist. All diese Möglichkeiten wird die Stiftung auch in Zukunft nicht versiegen lassen. Das bedeutet, dass Digitalität in den Leitprojekten der Stiftung entsprechend ihrer praktischen Nützlichkeit eine Rolle spie- len wird. Gegenwärtig verläuft beispielsweise das Projekt Nachhaltigkeitspraktiker bereits fast vollständig online. Ähnlich war es zuletzt im Digitechnikum. Dazu passt, dass der nächste Polytechnik-Preis zum Thema »Digitalität in der MINT-Bildung« aus- geschrieben werden wird. Von ihm sind Wegweisungen für Digitalität im Unterricht zu erwarten. Eine zukunftsträchtige Weiterentwicklung zeichnet sich mit der Aufnahme besonders engagierter und polytechnisch denkender junger Alumni und Alumnae in die Poly- technische Gesellschaft e. V. ab. Hier schließt sich nach 15 Jahren Stiftungsaufbau ein Kreis, und zwar im Laufe der kommenden Jahre ein großer Kreis. Dies zeigt, dass in der polytechnischen Familie junge Leute nicht nur Rat geben, sondern auch in die von den Polytechnikern gebildete Stifterversammlung, die letztlich über die Zukunft der Stiftung entscheiden kann, aufgenommen werden. Das Stiftungsvermögen hat aufgrund der vom Vermögensmanagement verfolgten Stra- tegie der ruhigen Hand und der Diversifikation schon mehreren Krisen erfolgreich standgehalten. Kapitalerhalt und Ertragssicherung bleiben auch in unsicherer Zeit un- verändert die beiden Zielstränge, deren Erreichung allerdings angesichts immer wie- der entstehender plötzlicher Krisen und entsprechender Volatilität der Finanzmärkte eine große Herausforderung ist. Die ersten beiden Jubiläumsschriften der Stiftung trugen die Titel »Wirkungen« (2010) und »Prägungen« (2015). Nun, 2020, wird es um »Entwicklungen« gehen: in neuer Zeit, auf neuen Wegen – und auf gutem Fundament. Prof. Dr. Roland Kaehlbrandt und Johann-Peter Krommer leiten die Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main. 8
GEMEINSINN FÜR FRANKFURT Die Bedeutung von Kooperationen im Stiftungssektor wächst: Stiftungen begreifen sich immer mehr als Impulsgeber, die in Netzwerken denken. Auch die Stiftung Polytechnische Gesellschaft steht als kooperative Stiftung im ständigen Austausch. VON FRIEDERIKE VON BÜNAU 9
Eine Momentaufnahme aus dem Frankfurter Deutschsommer 2020. »Alles wirkliche Leben ist Begegnung.« M A RT I N B U B E R , P H I LO S O P H Vom Philosophen Martin Buber stammt der Satz über Jahre – und bringen ihre Kräfte und Kompe- »Alles wirkliche Leben ist Begegnung«. In seinem tenzen in eine überzeugende Initiative oder ein Denken entwickelt sich das eigene Ich erst in der gemeinsames Vorhaben ein. Und all dies wirkt in- Begegnung mit dem Anderen, dem Du. Diese Er- und miteinander. fahrung kennen wir wohl alle aus unserem Alltag. Im Zusammensein mit anderen Menschen und In allen vier Themenbereichen wird die Zusammen- Kulturen werden wir uns des Eigenen oft umso mehr arbeit mit Stiftungen gesucht und darüber hinaus bewusst, schärfen den Blick darauf, wer wir sind auch mit anderen Einrichtungen wie der Stadt Frank- und nicht sind – vielleicht auch darauf, wer wir ein- furt und dem Land Hessen. Der Deutschsommer, mal sein wollen. Dies kann durch Einigkeit und der seit mehr als zehn Jahren in den Sommerferien Unterstützung ebenso befördert werden wie durch stattfindet, ist ein Beispiel dafür. Das Projekt rich- Reibung oder Abgrenzung – im Gegenüber spie- tet sich an Drittklässlerinnen und Drittklässler mit geln und entwickeln wir uns. erhöhtem Sprachförderbedarf. Das Ziel ist, die Kinder vor dem Übergang in die wegweisende Kann, was für Menschen und Kulturen gilt, auch vierte Klasse in ihrer Sprach- und Persönlichkeits- für Organisationen gelten? Als die Stiftung Poly- bildung zu unterstützen. Dazu werden sie für drei technische Gesellschaft vor 15 Jahren gegründet Wochen zu einem besonderen Programm einge- wurde, waren da ein stattliches Vermögen und laden, bei dem sie spielerisch ihre Deutschkennt- eine großartige Idee, die in eine Satzung gegossen nisse verbessern, ein Theaterstück entwickeln und wurde. Wie der Zweck gelebt und umgesetzt die Rhein-Main-Region in einem Freizeitpro- werden würde, war anfangs unklar. Schaut man gramm entdecken. heute in den Tätigkeitsbericht, erfährt man von Projektketten und -transfers, zählt auf den letzten Der Erfolg dieser Idee und ihre regionale Verortung Seiten mehr als 100 Partner und bekommt eine sind beeindruckend. Das zeigt die Liste der Koope- Ahnung davon, was in den Jahren seit der Gründung rationspartner ebenso wie der Weg über die Gren- gedacht, bewegt, geschaffen wurde. zen der Stadt Frankfurt hinaus. Das Hessische Kultusministerium, das Dezernat für Integration und Die Arbeit der Stiftung zeugt von vielerlei Begeg- Bildung, das Amt für multikulturelle Angelegen- nung. Da treffen im Haus in der Untermainanlage heiten, die Schulämter sowie das Deutsche Jugend- kreative und engagierte Mitarbeiterinnen und Mit- herbergswerk unterstützen den Deutschsommer arbeiter zusammen, in den Projekten werden Men- ebenso wie einige Stiftungen durch die Übernahme schen aus verschiedenen Disziplinen, Milieus und von Stipendienplätzen. Und mittlerweile sind Generationen gefördert, anschließend in einem mehrere Städte in der Rhein-Main-Region eben- Alumni-Netzwerk verbunden. Und dann arbeiten falls Gastgeber und Organisator. unterschiedliche Institutionen zusammen – oft 10
Polytechnik | Ausgabe 2 / 2020 Ähnlich eingebettet in eine breite Beteiligungs- struktur ist das Diesterweg-Stipendium für Kinder und ihre Eltern, das erste Bildungsstipendium für Familien in Deutschland. Seit 2008 wird alle zwei Jahre eine neue Generation Viertklässler aus Frankfurter Grundschulen gefördert. Das Be- sondere ist, dass nicht nur die Grundschüler, sondern auch deren Eltern und Geschwister im Fo- kus des Programms stehen. Mittlerweile wurde das Diesterweg-Stipendium von neun weiteren Kom- munen zwischen Hamburg, Dortmund und Berlin- Spandau aufgegriffen und umgesetzt. Die Liste ließe sich fortsetzen und zeigt, wie sich kluge Vorhaben ihren Weg bahnen und sogar einen bleibenden Platz in den Institutionen finden können. Sie sind auch ein Beispiel dafür, was die Arbeit von Stiftungen dieser Größe und Professiona- Regelmäßig finden Treffen aller Diesterweg- lität für eine Stadt und damit für die Gesellschaft Standorte zum gegenseitigen Austausch statt. leisten. Solche Stiftungen begreifen sich immer we- niger als einsame, mäzenatische Wölfe, sondern als agile, philanthropische Impulsgeber, die in Netz- werken denken. Sie können und wollen viel mehr sich nicht vereinnahmen lässt, liegen Formen des als reine Projektförderer und Geldgeber sein. Im Produktiven. Wenn die Zusammenarbeit gelingt, besten Fall agieren sie als soziale Entwickler, er- können Lösungen entstehen, die im Alleingang proben neue Formate, bringen Akteure aus verschie- nicht möglich gewesen wären. denen Sektoren an einen Tisch, sammeln Mit- denker und Förderer. Ihre Unabhängigkeit und lang- So geschehen bei der Stiftung Polytechnische fristige Orientierung erlauben es ihnen, die Sache Gesellschaft, die durch ihre Arbeit in den letzten und die Lösung in den Vordergrund zu stellen. 15 Jahren nicht nur viele Menschen unterstützt hat, die eigenen Potenziale zu entfalten, sondern Mit diesem veränderten Selbstverständnis steigt mit ihrem integrierenden Ideenreichtum auch ihr auch die Bedeutung von Kooperationen. Das zei- Profil und ihre Identität zu einer kooperativen Stif- gen nicht nur die Statistik und verschiedene Um- tung entwickelt hat. Ein Glücksfall für Frankfurt! fragen im dritten Sektor, die beispielsweise der Bundesverband Deutscher Stiftungen regelmäßig durchführt. Auch in den Wirtschaftswissenschaf- ten wird das Thema »Kooperation« im Unterschied zum »Wettbewerb« zunehmend als eine sinnvolle (und im Übrigen auch glücklicher machende) Stra- tegie bewertet. Die Vorteile liegen auf der Hand. Die Partner erschließen sich gegenseitig zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen sowie er- gänzende Kompetenzen mit fachlichem oder loka- lem Wissen. Dadurch werden Kosten eingespart und Synergieeffekte genutzt, Wirkung und Bekannt- heit erhöht. Über den offenkundigen Nutzen und die für beide FRIEDERIKE VON BÜNAU Seiten gewinnbringende Situation hinaus geht ist Geschäftsführerin der EKHN Stiftung, es bei Kooperationen meines Erachtens noch um Vorstandsmitglied der Initiative Frank- mehr. Sie berühren und verändern die Menschen furter Stiftungen und Vorstandsvorsit- sowie die Organisation mit ihrer jeweiligen Kultur. zende des Bundesverbands Deutscher Gerade in der Unterschiedlichkeit der Partner aus Stiftungen. verschiedenen Sektoren, mancher Fremdheit, die 11
Bericht DAS SIND DIE NEUEN Die operativen Projekte der Stiftung Polytechnische Gesellschaft verfolgen von jeher das Ziel, gute Antworten auf verschiedene Bedarfslagen zu bieten und flexibel und dynamisch auf gesellschaftliche Herausforderungen zu reagieren. Seit Kurzem finden sich im Projektmix der Stiftung auch einige neue Projekte, mit deren Angebot sie ganz praktisch und angewandt auf aktuelle Entwicklungen und relevante Themen unserer Zeit reagiert. VON KAROLINE LEIBFRIED Mitte August 2020 startete die Generation des neuen Projekts Nachhaltigkeitspraktiker mit der Entwicklung ihrer Visionen für mehr gelebte Nachhaltigkeit. 12
Polytechnik | Ausgabe 2 / 2020 Aufbruch zu neuen Gewohnheiten rausforderungen ihnen auf ihrem ganz persönlichen Jeder Deutsche produziert rund 72 Kilogramm Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Alltag begegnen Plastikmüll pro Jahr.1 Pro Kopf werden circa 80 Kilo- und welche Erfahrungen sie machen, teilen die gramm Lebensmittel jährlich weggeworfen.2 Eine Nachhaltigkeitspraktiker anschließend mit ihrem E-Mail ohne Anhang verursacht etwa 10 Gramm Umfeld. An ihrem eigenen Beispiel zeigen sie so CO2 , was der Klimabilanz einer Plastiktüte ent- auf, wie es gelingen kann, an der Entwicklung einer spricht.3 Zahlen wie diese machen deutlich: Das nachhaltigeren Stadtgesellschaft mitzuwirken. Bewusstsein für mehr Nachhaltigkeit mit Blick auf Umweltschutz, Konsum und Klimawandel zu Botschafter gelebter Demokratie schärfen ist ein Thema, das uns alle angeht – oder Neben Bildung zu nachhaltiger Entwicklung ist zumindest angehen sollte. Doch: Welchen Beitrag auch Demokratiebildung ein Thema, zu dem die kann jeder Einzelne leisten, um Verpackungsmüll Stiftung ein neues Projekt ins Leben gerufen hat. einzusparen, das Wegwerfen von Lebensmitteln Bereits 2019 hatte die Stiftung Polytechnische zu vermeiden oder eine bessere CO2-Bilanz zu er- reichen? Viele fühlen sich angesichts der Kom- plexität dieser Themen überfragt. Mit ihrem neuen Projekt Nachhaltigkeitspraktiker will die Stiftung Polytechnische Gesellschaft genau hier ansetzen »Das Bewusstsein für mehr Nachhaltigkeit mit Blick auf Umweltschutz, Konsum und Klimawandel zu schärfen ist ein Thema, das uns alle angeht.« und ihren Beitrag zum Thema nachhaltige Bildung leisten. Junge Menschen zwischen 18 und 35 Jah- ren werden ganz konkret dabei unterstützt, ihren 72 kg eigenen Einflussbereich auf diese Themenfelder zu identifizieren und sich im Selbstversuch eigene Ziele zu setzen, um ihren Alltag nachhaltiger zu gestalten. Das neue, viermonatige Projekt startete für die erste Generation im August 2020 mit einem digitalen Auftaktseminar. Dort lernte sich die Grup- PLASTIKMÜLL pe kennen, recherchierte eigene Interessenfelder, tauschte sich untereinander aus und erweiterte ihr produziert jeder Deutsche Wissen durch einen Vortrag des Instituts für sozial- pro Jahr. ökologische Forschung zum Thema »Nachhaltiger leben im Alltag: Wie geht das?«. Am Ende wurden die eigenen Vorhaben konkretisiert: Einige Nach- haltigkeitspraktiker widmen sich im Projekt dem Gesellschaft eine Festveranstaltung für rund 600 Thema Verpackungsreduktion durch nachhaltigen Frankfurter Schülerinnern und Schüler anlässlich Einkauf, andere beschäftigen sich mit der Frage, des 70. Jahrestags der Verkündung des deutschen wie sie ihren Stromverbrauch dauerhaft senken Grundgesetzes in der Frankfurter Paulskirche können, oder setzen sich mit der Auswirkung ihrer initiiert. Ziel der Veranstaltung war es, dass sich Ernährung auf ihren CO2-Fußabdruck auseinan- Schülerinnen und Schüler intensiv mit unserer der. Durch regelmäßige Treffen und in Workshops Verfassung auseinandersetzen, die Bedeutung des unterstützen sich die Projektteilnehmer gegen- Grundgesetzes für die staatliche und gesellschaft- seitig dabei, ihre persönlichen Nachhaltigkeitsziele liche Ordnung reflektieren und über Werte wie De- zu erreichen. Auf dem Weg dorthin bieten ihnen mokratie, Freiheit und Grundrechte miteinander Expertenvorträge zusätzliche Impulse. Welche He- ins Gespräch kommen. »Mir war natürlich klar, 13
Bericht dass ich meine Meinung frei äußern darf. Aber ich gehen die Jugendlichen gemeinsam mit Experten wusste gar nicht, dass das in der Verfassung steht. auf den Grund – und üben sich dabei im politischen Ich bin hier aufgewachsen und habe Meinungsfrei- Debattieren und in der Konsensfindung ebenso heit bisher immer als Selbstverständlichkeit be- wie im Perspektivwechsel und im Umgang mit kom- griffen, nicht als Privileg«, erinnert sich die Schülerin plexen Themen. Dem Auftaktabend im Spätherbst, Elif Gültekin, die als eine von vielen Schülerin- an dem sich die Jugendlichen kennenlernten, fol- nen und Schülern damals an der inhaltlichen Vorbe- gen sechs »Paulskirchendebatten« als Workshops reitung der Festveranstaltung mitwirkte. Erkennt- zu verschiedenen Fragestellungen. Parallel dazu nisse wie diese sind es, auf die die Veranstaltung soll ein Memorandum erstellt werden, das die abzielte. An den Erfolg dieser Jubiläumsfeier knüpft Überlegungen der Jugendlichen und ihre Anliegen die Stiftung nun mit ihrem neuen Programm an die Politik zusammenfasst. Rund um den Jah- Junge Paulskirche an und setzt so ihr Engagement restag der Verkündung des Grundgesetzes am zum Thema Demokratiebildung fort. Die Junge 23. Mai richten die Jugendlichen der Jungen Pauls- Paulskirche richtet sich an Frankfurter Oberstufen- kirche dann eine Abschlussveranstaltung aus, bei schülerinnen und -schüler, die politisch und his- der sie ihre Ergebnisse vorstellen. Abschließend torisch besonders interessiert sind. Mitte November steht eine Exkursion zu einem wichtigen »Demo- kratieort« auf dem Programm, das in Zusammen- arbeit mit dem Verein die politiksprecher e. V. entwickelt wurde. Zusammen mit ihrem erst 2019 ins Leben gerufenen Projekt Digitechnikum, der Zukunftswerkstatt für digitale Talente (www.digitechnikum.de), das IT-interessierten Jugendlichen eine Plattform für gegenseitigen Austausch und die gemeinsame Ent- wicklung neuer technischer Ideen bietet, reagiert die Stiftung mit ihren in 2020 gestarteten Projekten auf drei zentrale, aktuelle Themen unserer Zeit: Digitalisierung, nachhaltige Bildung und Demokra- tiebildung. Nun blicken die Stiftung und ihr Team gespannt der Arbeit und den Erkenntnissen der »neuen Generationen« entgegen, über die wir in einer der nächsten Ausgaben der Polytechnik be- richten werden. Weitere Informationen zu den beiden jüngsten Projekten der Stiftung Polytechnische Gesellschaft gibt es unter www.nachhaltigkeitspraktiker.de und www.junge-paulskirche.de. Jugendliche bei der Festveranstaltung »70 Jahre Grundgesetz« am 23. Mai 2019 in der Paulskirche. 2020 startete das Programm. Ein halbes Jahr lang werden die Teilnehmer nun offen über die Werte, Errungenschaften und Zukunftsvisionen der Re- publik diskutieren. Ausgangspunkt der Debatten ist immer die Verfassung unserer freien und de- Karoline Leibfried arbeitet in der Abteilung Information, Kommunikation und Veranstaltungen der Stiftung mokratischen Gesellschaft. Wird das Grundgesetz Polytechnische Gesellschaft. den Anforderungen und Bedürfnissen der moder- nen Gesellschaft gerecht? Brauchen wir mehr Quellen Elemente direkter Demokratie? Fragen wie diesen 1 Consultic-Studie, 2 Umweltbundesamt, 3 ADEME 14
KEINEN ZURÜCKLASSEN Aktuelle Anforderungen an das Bildungswesen. V O N P R O F. D R . A N D R E A S G O L D Der in vielerlei Hinsicht zu Recht kritisierte ameri- Amerika ist überall. Man mag von verordneten kanische Präsident G. W. Bush hat zu Beginn der Worthülsen wie »Keinen Zurücklassen« halten, was Nullerjahre bildungspolitisch etwas richtig gemacht. man will. Man mag das bemüht positive Wording Mit dem NCLB-Gesetz (No Child Left Behind) wies der deutschen Familienministerin belächeln: das er den Schulen eine größere Verantwortlichkeit für »Gute-Kita-Gesetz«, das »Starke-Familien-Gesetz«. die Gewährleistung von Teilhabe und Inklusion zu. Dass damit jenseits des euphemistischen Politik- Und verordnete verbindliche Schulleistungstests sprechs auf höchst relevante Problemfelder ver- zur Qualitätssicherung. Sein Nachfolger Barack wiesen wird, ist allerdings kaum zu bestreiten. Zu Obama blieb mit dem ESS-Gesetz (Every Student alarmierend sind die periodischen Statistiken des Succeeds) in der Spur. Bildungsversagens. Zu sehr fallen die Disparitäten 15
Gastbeitrag ins Auge, die schon den Sprachstand bei den Schul- Wie es dazu kommt? Am ersten Schultag bringen anfängern, aber im Weiteren auch die schulischen die Kinder günstige Startvoraussetzungen für den Fertigkeiten unserer Kinder und Jugendlichen Schriftspracherwerb mit – oder auch nicht. Eltern betreffen. mit einem niedrigen oder gar keinem Bildungs- abschluss praktizieren mit ihren Kindern weniger Kita und Schule sind tatsächlich in der Pflicht. Die anregende und weniger umfängliche Formen der meiste Zeit verbringen Kinder aber in ihren Fami- sprachlichen Interaktion. Sie unterlassen kulturelle lien – und wachsen dort in sehr unterschiedlichen Praktiken, die der frühen Lesesozialisation förder- Lebenslagen auf. Der aktuelle Bildungsbericht lich wären – wie etwa das gemeinsame (Vor-)Lesen. nennt drei familiale Risikolagen, die mit den Bil- Da ist es kein Wunder, dass bis zu 30 Prozent der dungschancen von Kindern negativ assoziiert Kinder ohne Zuwanderungshintergrund und mehr sind. Erstens: Eltern mit geringer Schulbildung; als 50 Prozent der Kinder mit einer anderen als zweitens: Eltern unterhalb der Armutsgefährdungs- der deutschen Muttersprache sich zu Schulbeginn grenze; und drittens: Eltern ohne Erwerbstätig- schwertun mit der korrekten Verwendung von keit.1 Liegen solche Risikolagen vor, sind die Kin- Präpositionen und Artikeln, bei der Pluralbildung der und Jugendlichen in ihrer Lernentwicklung und mit dem Formulieren und Verstehen voll- benachteiligt. Gravierend ist vor allem die bildungs- ständiger Sätze. Viele von ihnen werden Probleme bezogene Risikolage, weil die betroffenen Kinder beim Schriftspracherwerb haben. von ihren Eltern kaum Unterstützung in schulischen Belangen erfahren. Gut zwölf Prozent aller Kinder Die daraus resultierenden Anforderungen an das in Deutschland wachsen so auf. Etwa jedes fünfte Bildungswesen sind gewaltig. Allen Digitalpaktfan- Kind wächst in einer armutsgefährdeten Familie tasien zum Trotz wird es mit der Anschaffung von auf und jedes zehnte Kind in einer sozialen Risiko- Tablets für die Klassenzimmer nicht getan sein. In lage. Bei 29 Prozent der unter 18-Jährigen liegt unseren Schulen und Kindergärten muss mehr ge- mindestens eine der drei genannte Risikolagen vor. schehen, um die sozialen Disparitäten anzugehen. Kinder mit Migrationshintergrund sind viermal Gerade in Bezug auf die Leseförderung gibt es häufiger von allen drei Risikolagen betroffen. mittlerweile eine ganze Reihe nachweislich wirk- samer Programme.3 Hier kommt es – wie bei Die späteren Kompetenzen im Lesen und Schrei- der notwendigen vorschulischen Sprachförderung – ben oder im Rechnen spiegeln die familialen Be- vor allem darauf an, dass einer passgenauen För- nachteiligungen wider. Beispiel Lesen: Die jüngste derung eine sorgfältige Diagnostik vorausgeht. Und PISA-Studie hat gezeigt, dass die Lesekompeten- dass die personellen Ressourcen für eine qua- zen der 15-Jährigen so eng wie kaum anderswo auf lifizierte individuelle Förderung bereitgestellt wer- der Welt mit ihrer sozialen Herkunft assoziiert den. Umsonst ist das alles nicht zu haben. sind.2 Jugendliche aus sozial bessergestellten Elternhäusern sind den anderen um etwa ein Schul- jahr voraus. Auch mit dem Zuwanderungsstatus sind erhebliche Disparitäten verknüpft. Unter den Zuwanderern der ersten Generation kommen 55 Prozent über ein basales Leseverständnis nicht hinaus. Sie können allenfalls die wörtliche Be- 28 % deutung von Sätzen oder kurzen Textabschnitten verstehen. Selbst unter den Zuwanderern der zweiten Generation – die Eltern sind im Ausland geboren, die Jugendlichen selbst aber schon in Deutschland – gibt es noch 28 Prozent sehr schwache Leser. Diese Jugendlichen haben immerhin fast neun Schuljahre an Schulen in Deutschland hinter sich! Und selbst unter den Jugendlichen ohne Mi- SEHR SCHWACHE LESER grationshintergrund liegt der Anteil sehr schwacher Leser bei knapp 13 Prozent. gibt es selbst noch unter den Zuwanderern der zweiten Generation. 16
Polytechnik | Ausgabe 2 / 2020 »Ungünstige familiale Lern- umwelten lassen sich nur verän- dern, wenn man die Eltern mit ins Boot nimmt. « Leseförderung nur in der Schule greift jedoch zu kurz. Um den sozialen Disparitäten nachhaltig zu begegnen, wird man an den Familien nicht vorbei- kommen. Das ist komplex, weil das Bildungs- wesen einen direkten Zugriff auf die Familie zu Recht nicht zulässt. Also wird man auf Angebote und auf Freiwilligkeit setzen müssen, aber auch Eigenbeteiligung und Verlässlichkeit einfordern. Ungünstige familiale Lernumwelten lassen sich nur verändern, wenn man die Eltern mit ins Boot nimmt. Wer nicht warten will, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, muss früh und bei den Eltern ansetzen – und aufsuchend-präventiv arbeiten. So wie es bei dem Projekt Babylotse oder bei den Willkommenstagen in der frühen Elternzeit ge- schieht. Beides wegweisende Projekte der Stiftung Polytechnische Gesellschaft und ihrer Partner, die ein ganz grundlegendes entwicklungspsycho- logisches Prinzip beherzigen: dass nämlich eine sichere sozial-emotionale Bindung des Kleinkinds an seine Bezugspersonen spätere Bildungspro- zesse entscheidend erleichtert. Auch im Diesterweg- Stipendium für Kinder und ihre Eltern, dem ersten Familien-Bildungsprogramm in Deutschland, ist der Einbezug der Eltern und Geschwister der Viert- bzw. Fünftklässler der Erfolgsgarant. So muss man es machen, wenn keiner zurückbleiben soll! Prof. Dr. Andreas Gold ist Psychologe und Seniorprofessor für Pädagogische Psychologie an der Goethe-Universität Frankfurt. Quellen 1 Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.). (2020). Bildung in Deutschland 2018. Bielefeld: wbv. 2 Reiss, K., Weis, M., Klieme, E. und Köller, O. (Hrsg.). (2019). PISA 2018. Grundbildung im internationalen Vergleich. Münster: Waxmann. 3 Gold, A. (2018). Lesen kann man lernen (3. Aufl.). Göttingen: V & R. Die Willkommenstage in der frühen Elternzeit bieten jungen Familien im ersten Lebensjahr ihres Kindes niedrigschwellige, nachhaltige Unterstützung und führen an Angebote der Familienbildung heran. 17
Stimmen zum Thema WIE KANN MAN SICH IN DER STIFTUNG POLYTECHNISCHE GESELLSCHAFT WEITERENTWICKELN? Diese Frage beantworteten uns Menschen aus unserem Stiftungsumfeld. »Als Programmteilnehmerin spürte ich, wie das, was ich sagte, die Stimmung der Zu- hörer bewegte. Ich lernte, die Arbeit, die hinter einem Projekt steckt, zu schätzen. Am allerwichtigsten aber: Ich lernte, an mich selbst zu glauben.« »Der freie Gedankenaustausch LO R I A N N A K Ö N N E K E R ( 2 7 ) und die Zusammenarbeit mit Sommerstipendiatin 2008 aus Toronto, inspirierenden Köpfen aus den Stadtteil-Botschafterin der fünften Generation (2015/2016), heute Ärztin verschiedensten Kulturen so- wie fachlichen Disziplinen ebnen den Weg für einen kreativeren, differenzierteren und selbstbe- wussteren Umgang mit neuen Herausforderungen.« SARAH OELSNER (31) Main-Campus-doctus-Stipendiatin der vierten Generation (2013) und Geschäftsführerin der pharmazeutischen F&E Strategieberatung Scitaris GmbH 18
Polytechnik | Ausgabe 2 / 2020 »Im persönlichen Austausch und engen Kontakt mit aktiven Frankfurterin- nen und Frankfurtern während einer wertschätzenden Qualifizierung zu relevanten Inhalten und unterstützen- den Methoden der Ehrenamtsarbeit als Teilnehmer der Bürger-Akademie – bei stets bester Versorgung.« RAINER MOHR-HERLITZ (69) Bürger-Akademiker der sechsten Generation (2018/2019), zuletzt Leiter einer Förderschule, nun im Ruhestand »Aus dem Stadtteil-Botschafter- Programm haben wir mega- viel mitgenommen: Wir sind rhetorisch besser geworden, selbstbewusster, können argu- mentieren und präsentieren. Außerdem ist ein wertvolles Netzwerk entstanden.« R AQ U E L Z E N S ( 1 7 ) U N D M AT I L DA M Ü H L ( 1 8 ) Projektpartnerinnen im Stadtteil-Botschafter-Programm der siebten Generation (2019/2020) und Schülerinnen an der Wöhlerschule »Die Stiftung Polytechnische Gesell- schaft ist eine Begegnungsstiftung. Du begegnest Menschen, die alle etwas anderes machen – und sie machen es gut! Es ist der Umgang mit diesen Menschen, der dich weiterentwickelt.« ERHAN DENIZ (31) Main-Campus-doctus-Stipendiat der siebten Generation (2017), inzwischen Mitglied der Polytechnischen Gesellschaft, pro- moviert derzeit in Biophysik an der Goethe-Universität Frankfurt 19
Porträt Als Teilnehmerin der zweiten Generation des Programms Stadtteil-Botschafter hatte Esa Böttcher zusammen mit einer Pfadfindergruppe in Preungesheim ein Outdoor-Freizeitangebot für Kinder und Jugendliche geschaffen. Nun erprobt sie im Rahmen des Projekts Nachhaltigkeitspraktiker, wie man ein ressourcenschonendes Leben führt. WAS MACHT EIGENTLICH … ESA BÖTTCHER? VON ALEXANDER JÜRGS BIOGRAFIE Esa Böttcher ist 32 Jahre alt. Seit 2017 arbeitet sie an der Frankfurt University of Applied Sciences, wo sie sich um den Hochschulsport kümmert. Sie studierte Jura in Frankfurt und schloss das Studium mit Staatsexamen ab. Im Stadtteil-Botschafter-Jahrgang 2010/2011 hat sie ein Pfadfinderprojekt in Frankfurt-Preungesheim initiiert. Zurzeit engagiert sie sich bei dem Stiftungsprojekt Nachhaltigkeitspraktiker. Als freiberufliche Klettertrainerin gibt sie gelegentlich noch immer Kletterkurse. 20
Polytechnik | Ausgabe 2 / 2020 Wo bekommt man Quark ohne Verpackung? Das ist eine Frage, die Esa Böttcher gerade umtreibt. In den Unverpackt-Läden, von denen in letzter Zeit immer mehr eröffnen, kann man mittlerweile vieles ohne Extraverpackung kaufen: Gemüse, Getreide, Nudeln, Öl, Spülmittel. Aber Quark hat die Frank- furterin dort noch nicht entdeckt. Deshalb darauf verzichten will sie aber auch nicht. »Das ist schon eine echte Herausforderung, wenn man komplett Esa Böttcher im Oktober 2010 bei der Präsenta- plastikfrei leben will«, sagt die 32-Jährige. tion ihres Stadtteil-Bot- schafter-Projekts. Esa Böttcher ist »Nachhaltigkeitspraktikerin«. Ins Leben gerufen hat das Projekt die Stiftung Poly- technische Gesellschaft gemeinsam mit der Innova- tionsagentur Journey 2 Creation. Die Idee dahinter: In einer Gruppe sammeln sich Gleichgesinnte, die ein nachhaltigeres Leben führen wollen; die aus- Generation des Stadtteil-Botschafter-Programms, probieren wollen, was man selbst schaffen kann, um in dem sich junge Menschen zwischen 15 und 27 die Umwelt besser zu schonen und weniger Res- Jahren mit einer eigenen Idee in einem Frank- sourcen zu verbrauchen. Alle zwei Wochen treffen furter Stadtteil engagieren. Ein Freund von Esa sie sich und tauschen sich aus, sprechen über Böttcher war dabei. In Nieder-Erlenbach initiierte Erfolge und Hindernisse. Esa Böttcher fühlt sich in er den Bau und Betrieb eines Kletterturms. Esa dem Projekt gut aufgehoben. »Der Ansatz ent- Böttcher half dabei mit, später leitete sie die Kin- spricht mir, weil wir versuchen, mit kleinen Schritten der- und Jugendabteilung am Kletterturm. etwas zu bewegen«, sagt sie. »Das große Ganze – Gesetze zu ändern, um eine Klimawende zu schaf- fen – ist natürlich genauso wichtig, aber ich fühle »Was die Stiftung richtig mich wohler, wo Menschen für sich an Veränderun- gen arbeiten.« Als Nachhaltigkeitspraktikerin will sie nicht nur ihren Plastikkonsum eindämmen, son- gut macht, ist, Leute für eine dern bald auch verwaiste Flächen in dem Viertel begrünen, in dem sie lebt. »Solche Aktionen helfen, Sache zu begeistern.« die Biodiversität auch in der Stadt zu erhöhen«, sagt sie. Aber könnte sie ihre Projekte nicht auch Bei der zweiten Generation der Stadtteil-Botschafter einfach ohne Gleichgesinnte im Hintergrund um- setzte sie dann im Jahr darauf ein eigenes Projekt setzen? »Ein bisschen ist unsere Gruppe wie ein um. In Preungesheim rief Esa Böttcher, die schon Lauftreff: Wenn man weiß, dass die anderen etwas länger im Bund der Pfadfinderinnen und Pfad- unternehmen, rafft man sich leichter auf.« finder e. V. aktiv war, ein Pfadfinderprojekt ins Leben. Rund 30 Kinder und Jugendliche, die vorher nichts Studiert hat Esa Böttcher Jura an der Frankfurter mit der Pfadfinderei zu tun hatten, beteiligten sich. Goethe-Universität. Eine Zeit lang hat sie in einer »Bei den Pfadfindern lernt man so viel Wichtiges Kanzlei gearbeitet. Nebenbei hat sie als freiberuf- fürs Leben: im Team etwas erarbeiten, sich vor einer liche Klettertrainerin ihr Hobby zum Beruf ge- Gruppe präsentieren, Verantwortung übernehmen«, macht, bis sie schließlich ganz in den Bereich erzählt sie. Was ihr besonders gut an dem Projekt Kletterhallenmanagement umsattelte. Heute arbei- gefallen hat: Die neu entstandene Gruppe war tet sie an der Frankfurt University of Applied bunt gemischt. Kinder, die schon lange im Stadtteil Sciences im Bereich Sport- und Gesundheitsmanage- lebten, kamen mit solchen zusammen, die gerade ment. Die Begeisterung für Outdoor-Sport und erst ins Neubaugebiet »Frankfurter Bogen« gezo- Nachhaltigkeit bringt sie dort in ihre Arbeit beim gen waren. »So konnten wir Brücken bauen«, Campus-Sport ein: in Form von Outdoor-Frei- sagt sie. zeiten, Gesundheitskursen, grünen Erholungsflä- chen auf dem Campus und einigem mehr. Was gefällt ihr an der Stiftung? Was macht die Stif- tung, was machen ihre Projekte für sie aus? »Was die Über die Leidenschaft fürs Klettern kam Esa Stiftung richtig gut macht, ist, Leute für eine Sa- Böttcher 2009 auch mit der Stiftung Polytechnische che zu begeistern, sie dazu bringen, sich zu engagie- Gesellschaft in Kontakt. Damals lief die erste ren, das motiviert auch mich«, sagt Esa Böttcher. 21
Porträt WAS MACHT EIGENTLICH … NORBERT REHNER? Junior-Ingenieur-Akademie, Polytechnik-Preis, Stadtteil-Historiker: Die Wege von Norbert Rehner und der Stiftung Polytechnische Gesellschaft haben sich schon oft gekreuzt. VON ALEXANDER JÜRGS Auch Norbert Rehner gehört zu jenen, denen die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rech- nung gemacht hat. Zum 150-jährigen Jubiläum der Frankfurter Wöhlerschule, deren Direktor er acht Jahre lang war, hat Rehner gemeinsam mit Martin Hilgenfeld, seinem Vorgänger in diesem Amt, eine Ausstellung auf die Beine gestellt, die tief in die Ge- schichte der, wie sie sie nennen, »Schule des Bür- gersinns« eintaucht. Außerdem ist ein Begleitband zu der Ausstellung entstanden. Nur eröffnen konn- ten Rehner und Hilgenfeld ihre Schau nicht, der Ausbruch der Pandemie kam dazwischen. Nun hofft der 74-Jährige, die Ausstellung im kommen- den Jahr zeigen zu können. Entstanden ist sie im Rahmen des von der Stiftung Polytechnische Ge- sellschaft initiierten Projekts Stadtteil-Historiker. Norbert Rehner im September 2014, im Seit 2007 erforschen Bürgerinnen und Bürger im Gespräch anlässlich einer Zwischenbilanz zum Transferprozess des Polytechnik- Rahmen dieses Projekts die Geschichte unter- Preises 2013. schiedlicher Stadtteile Frankfurts. Norbert Rehner ist Pensionär, aber trotzdem enorm aktiv. Nicht nur seine Forschungen zur Historie des Gymnasiums Wöhlerschule beschäftigen ihn: »Die Begeisterung In der Flüchtlingsunterkunft am Alten Flughafen in Bonames organisiert er obendrein den Deutsch- unterricht für die dort lebenden Erwachsenen. für die Natur- Dass er auch nach dem Ende des Berufslebens wei- ter Verantwortung übernehmen und etwas auf die wissenschaften Beine stellen kann, tue ihm gut, sagt der frühere Schulleiter. Zu seinem Beruf war Rehner über weiterzugeben, das Umwege gekommen, eine klassische Karriere hat er nicht durchlaufen. Angefangen hat sein Berufs- erfüllt mich.« leben in Fulda mit einer Ausbildung zum Hotelkauf- mann. Später zog es ihn für ein halbes Jahr in ein 22
Polytechnik | Ausgabe 2 / 2020 BIOGRAFIE Norbert Rehner ist 74 Jahre alt. Als Stadtteil- Historiker hat er die 150-jährige Geschichte der Frankfurter Wöhlerschule erforscht. Doch Rehner, der zunächst als Hotelkaufmann und Flugbegleiter arbeitete, bevor er sich in Rich- tung Schuldienst weiterentwickelte, stand auch schon früher im Austausch mit der Stif- tung. Mit der Frankfurter Wöhlerschule, die er acht Jahre lang leitete, beteiligte er sich an dem Projekt Junior-Ingenieur-Akademie. Als pädagogischer Berater war er an der Um- setzung der ersten beiden Polytechnik-Preise beteiligt. Hotel in Lugano im Tessin. Auf dem Rückweg von dort in seine Heimat blieb er dann am Frankfurter Hauptbahnhof hängen, den letzten Zug in Rich- tung Gießen hatte Rehner verpasst. Während er die Nacht am Bahnhof überbrückte, blätterte er in der Zeitung und entdeckte eine Anzeige der Lufthansa, die auf der Suche nach männlichen Flugbegleitern war. Rehner bewarb sich und flog schon wenig später um den ganzen Globus – zunächst zwei Jahre lang als Flugbegleiter, dann zwei weitere zwei Jahre lang als dienstjüngster Kabinenchef. Er moch- te das Leben der Stewards, das Unterwegssein, die fernen Länder, die Nächte in Hotels. Doch an einem Abend in Beirut im Jahr 1971 geriet er ins Grübeln. »›Das kann doch nicht alles sein, das kannst du doch nicht noch ein Leben lang so weiter- machen‹, kam es mir da in den Sinn«, erzählt ganz neuen 3D-Drucker, von den Rennen am Römer- Rehner heute. Auf dem dritten Bildungsweg holte berg, bei denen die solarbetriebenen Fahrzeuge er das Abitur nach. Dann studierte er Biologie zum Einsatz kamen. und Chemie, wurde Lehrer. »Die Begeisterung für die Naturwissenschaften weiterzugeben, das hat Eine große Rolle für die Stiftung spielte Rehner mich erfüllt«, erinnert er sich. Von 2003 bis zu sei- später – kurz nachdem er in Rente gegangen war – ner Pensionierung im Jahr 2011 war er schließlich auch bei den ersten beiden Polytechnik-Preisen, Leiter der Wöhlerschule. die 2011 und 2013 vergeben wurden. Mit dem mit 70.000 Euro dotierten Preis werden Lehr-Lern- In dieser Funktion kam Rehner auch erstmals mit Forscher und Fachdidaktiker geehrt, die in den der Stiftung in Kontakt. Denn die Wöhlerschule MINT-Fächern herausragende Unterrichtskon- beteiligte sich an der Junior-Ingenieur-Akademie, zepte und Lernangebote entwickelt und umgesetzt die 2009 ins Leben gerufen wurde. Das Programm haben. Rehner kümmerte sich als pädagogischer soll helfen, bei Schülern und Schülerinnen frühzeitig Berater der Stiftung darum, dass die Preisträger- das Interesse an einem naturwissenschaftlichen konzepte an Frankfurter Pilotschulen umgesetzt Studium zu wecken. Besucht werden dabei auch wurden, und organisierte dafür unter anderem Fort- Labors der Hochschulen und Betriebe. Die Aka- bildungsveranstaltungen und Austauschtreffen. demie macht deutlich, wie spannend die praktische Sich zu engagieren, so Rehner, mache ihm bis heute Forschungsarbeit eines Naturwissenschaftlers ist. große Freude: »Ich bin immer wieder begeistert Norbert Rehner schwärmt von den Projekten, die davon, mit welchen interessanten und inspirieren- an seiner früheren Schule in der Junior-Ingenieur- den Menschen man durch die Stiftung in Kontakt Akademie umgesetzt wurden: vom Bau von Solar- kommt.« fahrzeugen, von der Arbeit mit dem damals noch Alexander Jürgs ist Redakteur der Rhein-Main-Zeitung der F.A.Z. 23
Rückblick NAMEN UND NACHRICHTEN BOTSCHAFTER FÜR DIE Kurzinformationen aus der Stiftung. DUALE AUSBILDUNG 1 Erfahrungen mit der eigenen Be- rufsausbildung und dem Arbeits- alltag Jugendlichen weitergeben und ihnen so wertvolle Unter- UNSER TITELBILD: stützung für die Berufswahl bie- BEISPIELHAFTE ten: Das taten auch 2020 wieder (WEITER-)ENTWICKLUNG ehrenamtlich tätige junge Aus- zubildende und Berufstätige Was vor 13 Jahren im Rahmen als Ausbildungsbotschafter im 2 eines Stadtteil-Botschafter-Projekts gleichnamigen Projekt, das durch begann, hat sich inzwischen zu die Förderung der Stiftung Poly- einer eigenen Sportabteilung der technische Gesellschaft seit 2013 TSG 1888 Nieder-Erlenbach entwi- fester Bestandteil im Programm ckelt: David Heun und Dirk-Hinnerk DEUTSCHSOMMER IM HERBST der Gesellschaft für Jugendbe- Fischer hatten 2007 die Idee, einen A L S Z U S AT Z A N G E B OT 2 0 2 0 schäftigung e. V. (gjb) ist. Seit 2018 Kletterturm zu errichten. Seit 2009 werden die Ausbildungsbot- steht er nun auf dem Sportplatz In Frankfurt und an zehn weite- schafter zusätzlich finanziell und konnte 2018 durch einen Boul- ren hessischen Standorten konn- durch die Industrie- und Handels- derblock erweitert werden. ten bereits in den Sommerferien kammer Frankfurt am Main 2020 hessenweit insgesamt 342 (IHK) und die Handwerkskammer Grundschüler den Deutschsom- Frankfurt-Rhein-Main (HWK) mer erleben, jeweils mit einem unterstützt. Im November 2020 an die aktuelle Situation infolge wurden alle Ausbildungsbot- der Corona-Pandemie angepass- schafter des vergangenen Jah- ten Konzept und in reduzierter res und ihre Betriebe für ihr Gruppengröße. Da der Bedarf an Engagement im Projekt geehrt. Bildungsangeboten in diesem In diesem Jahr wurden die Ur- Jahr aufgrund der zeitweiligen kunden im Rahmen eines persön- Schulschließungen im Jahr 2020 lichen Besuchs in den Betrieben besonders hoch ist, hat die Stif- von einem Vertreter der zustän- tung Polytechnische Gesellschaft digen IHK, HWK oder der gjb di- 2020 erstmals einen zusätzli- rekt überreicht. Im Herbst 2020 wurde zusätzlich chen Durchlauf des Programms noch eine Parkour-Anlage geschaf- 3 in Frankfurt für die Herbstferien fen. Diese Erweiterungen wurden organisiert: 75 Frankfurter Kin- von Menschen umgesetzt, die we- der erlebten an insgesamt fünf gen des Kletterturms in den Ver- Schulen in der Stadt einen Mix ein eingetreten waren. Die ehema- aus Deutsch- und Theatereinhei- ligen Stadtteil-Botschafter selbst ten und verbesserten dabei haben seit 2007 ganz unterschiedli- spielerisch ihre Deutschkennt- che Wege beschritten: der eine nisse. Hessenweit wurden 2020 als Inklusionsbeauftragter und leiden- mit den beiden Projektdurch- schaftlicher Bauernhof-Betreiber, läufen in Sommer und Herbst der andere als Unternehmensberater. an allen insgesamt elf Stand- Der Stiftung sind sie aber bis heute orten 537 Deutschsommer- eng verbunden. Plätze ermöglicht. 24
Polytechnik | Ausgabe 2 / 2020 Ü B E R 1. 0 0 0 M A L »WILLKOMMEN« 4 Ein besonderes Jubiläum beging 2020 das Präventionsprojekt Willkommenstage in der frühen Elternzeit: Seit seinem Start im I M P ROV I S AT I O N I N Jahr 2008 wurden bereits über BESONDEREN ZEITEN 1.000 – bis Ende Juli 2020 exakt 5 1.040 – Personen aus 312 Familien Besonders produktiv haben Sascha intensiv begleitet und unter- Wild und das Team von Jazz und stützt. Das entspricht 6.122 Eins- Improvisierte Musik in die Schule! zu-Eins-Treffen; darunter Haus- die zeitweiligen Schulschließun- besuche und das gemeinsame gen in diesem Sommer und die KURZFRISTIGE UND Aufsuchen von Anlaufstellen, damit verbundene Absage meh- FLEXIBLE HILFEN 732 Gruppenveranstaltungen so- rerer Schulkonzerte genutzt: Die wie rund 33.350 Kontakte per Musiker und Musikvermittler Die Stiftung Polytechnische Ge- Telefon, Mail, SMS oder Messen- haben sich kurzerhand selbst in sellschaft ist nicht nur operativ ger. Die Willkommenstage bie- Video- und Audioproduktion mit eigenen Projekten tätig. Von ten jungen Familien im ersten geschult und mit Unterstützung Beginn an fördert sie zudem Lebensjahr ihres Kindes niedrig- der Stiftung Polytechnische Ge- herausragende Projekte Dritter, schwellige, nachhaltige Unter- sellschaft zahlreiche Jazz-Video- die einen hohen Nutzen für die stützung und führen sie an die tutorials und Podcasts aufge- Allgemeinheit versprechen. In den Angebote der Familienbildung nommen, die nun als Bausteine vergangenen 15 Jahren wurden heran. Die soziale Isolation wird des Projekts auf der neuen Pro- so bereits 1.210 Projekte Dritter aufgebrochen und die elterliche jektwebsite www.schuljazz- mit rund 18 Millionen Euro ge- Erziehungskompetenz dauerhaft frankfurt.de frei zugänglich sind. fördert. Während der Corona-Pan- gestärkt. demie war der Förderbereich 6 Sowohl für Jazzanfänger als auch für fortgeschrittene Jazzer besonders gefragt. Gleich nach lohnt sich ein Besuch. Ausbruch der Krise konnten spezielle Förderungen für beson- ders hart getroffene Zielgrup- pen kurzfristig auf den Weg ge- bracht werden; unter anderem wurden der Goethe-Corona-Fonds der Goethe Universität, der Härte- und Notfallfonds des Kulturde- zernates Frankfurt oder Initiativen wie die Malteser Einkaufsengel unterstützt. Nicht nur in Krisen- zeiten ist die Stiftung Polytech- nische Gesellschaft damit ein starker Partner der Frankfurter Stadtgesellschaft. 25
Die Stiftung ÜBER UNS Eine » Werkbank « für die Frankfurter Stadtge- sellschaft – das ist die Stiftung Polytechnische Gesellschaft. 2005 wurde sie mit einem Kapital von 397 Millionen Euro von der Polytechnischen Gesellschaft e. V., einer über 200 Jahre alten Frankfurter Bürgervereinigung, errichtet. Heute machen 19 sogenannte Leitprojekte den Kern ihrer Arbeit aus. Die Projekte verteilen sich auf fol- gende Arbeitsschwerpunkte: Familienbildung, Sprachbildung, kulturelle Bildung, Hinführung zu Naturwissenschaft und Technik sowie Förderung des Bürgerengagements. Immer steht dabei die Schulung der vielfältigen Fähigkeiten des Men- schen im Mittelpunkt, die Förderung seiner fach- lichen und persönlichen Bildung zum Nutzen des Gemeinwesens – genau wie es der Begriff » polytechnisch « seit dem Zeitalter der Aufklärung ausdrückt. STIFTUNG INTERN Annika Löffler-Djahani Annika Löffler-Djahani ist Naturwissenschaftlerin durch und durch. Schon früh begeisterte sich die gebürtige Frankfurterin für die Natur und ihre Phänomene, was sie letztlich zum Studium der Chemie an der Goethe-Universität Frankfurt beweg- te. Ideale Voraussetzungen für die Betreuung des Stiftungsprojekts KEMIE®, bei dem Kinder zu- sammen mit ihren Eltern im Labor experimen- tieren. Zudem betreut Annika Löffler-Djahani das Digitechnikum, das neue Leitprojekt der Stiftung, und den Polytechnik-Preis. In ihrer Freizeit spielt sie gern Doppelkopf, fotografiert, bereist mit Be- geisterung fremde Länder und ist in und um Frank- furt am liebsten mit dem Fahrrad unterwegs. KO N TA KT Annika Löffler-Djahani Projektleiterin Wissenschaft und Technik Telefon 069 - 789 889 - 26 loeffler@sptg.de 26
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