Begleitmaterial Timm Thaler - von James Krüss - Staatstheater Mainz
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Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen von James Krüss Für alle ab 10 Jahren ab 16. November 2021 im Kleinen Haus
Inhaltsverzeichnis Einleitung/Zur Inszenierung Seite 3 Seite 5 Zum Stück Seite 5 Zum Autor: James Krüss Seite 6 Zur Regisseurin: Aslı Kışlal Besetzung Seite 7 Interview mit Aslı Kışlal Seite 8 Theatervermittlung Seite 9 I. VERTRÄGE/VERPFLICHTUNGEN Seite 9 II. GELD/MACHT Seite 11 III. LACHEN/FREIHEIT Seite 29 Weiterführendes Material Seite 16 Kontakte Seite 17 Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 2
Einleitung/Zur Inszenierung Liebe Lehrerinnen und Lehrer, Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen wird als Klassiker der Kinderbuchliteratur gehandelt, auf Grund des darin vorkommenden Teufelspaktes als „Faust für Kinder“ bezeichnet und ist nicht nur auf Bühnen, sondern auch im Kino und in Fernsehserien mehrfach modernisiert und adaptiert worden. Dabei sind seine Themen, die Macht des Geldes und des Kapitalismus sowie die Frage nach der Freiheit des Individuums innerhalb dieses Systems, auch für erwachsene Leser*innen gar nicht so einfach zu durchschauen. Wo also ansetzen bei einem Vorstellungsbesuch mit jungen Menschen ab 10 Jahren? Die große Faszination und Stärke des Stoffes geht heute, wie zu Beginn der 60er Jahre, als Krüss seinen Roman schrieb, von der jugendlichen Hauptfigur der Geschichte aus: Timm ist zu Beginn des Romans etwa 12 Jahre alt, wir begleiten ihn in seiner Entwicklung von einem Kind zu einem jungen Erwachsenen, dessen Werte und Haltungen einmal komplett durchgeschüttelt und auf den Prüfstand gestellt werden. Was bedeuten finanzieller Reichtum und Macht gegenüber innerer Freiheit und Unabhängigkeit? Und was ist eigentlich Glück? Der 12jährige Timm beschreibt sich als arm aber glücklich, als junger Erwachsener ist er reich und mächtig, fühlt sich aber unfrei. Der Regisseurin Aslı Kışlal war es wichtig, in ihrer Inszenierung für das Staatstheater Mainz keine leichten Antworten auf diese Fragen, mit denen sich junge Menschen sicher identifizieren können, zu stellen. Im globalen Kapitalismus gibt es keinen einzelnen bösen, teuflischen Verführer, sondern vielmehr ein System, in das wir alle eingespannt werden und sind und in dem es gilt, die eigene Position zu finden. Auf Ausstattungsebene erzählt die Inszenierung in klaren, heutigen Bildern, die Anspielungen auf Talentshows, Börsenstudios und ein Wettbüro erkennen lassen. Kostüm und Maske sind ebenfalls heutig und realistisch gehalten. Nur bei den Nebenfiguren, wie zum Beispiel der Konditorin Bebber oder den Matrosen, gehen die Kostüme in eine Überhöhung und Parodie und durch häufige Kostümwechsel werden unterschiedliche Rollen markiert. Hier sorgt die Inszenierung immer wieder für komödiantische Momente und unterhaltsame Einschübe. VERTRÄGE/DRUCK sowie GELD/MACHT und LACHEN/GLÜCK sind Themenkom- plexe, mit denen sich das Team und die Spieler*innen in den Vorgesprächen zu den Proben und auch bei Improvisationen beschäftigt haben, die textlich zum Teil in die Inszenierung mit eingeflossen sind. Sie stehen daher auch als Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 3
Überschriften über einzelnen Kapiteln dieses Begleitmaterials, unter denen sich unterschiedliche Anregungen zur spielerischen Vor- und Nachbereitung des Theaterbesuches versammeln. Außerdem finden Sie weiter unten Informationen zu Inhalt, Regie und Autor, sowie weiterführende Links und Textmaterial. Eine spezielle Videoeinführung für Jugendliche und den Trailer der Produktion finden Sie auf der Stückseite zu Timm Thaler auf unserer Homepage oder bei youtube unter: https://bit.ly/2UFVrko Für ein entspanntes Ankommen empfehlen wir Ihnen, bereits eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn im Theater zu sein. Über Rückmeldungen und Nachfragen zu diesem Material oder Anfragen für Workshops und Nachgespräche freue ich mich! Catharina Lecerf (Theatervermittlung) Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 4
Zum Stück aus dem Programmheft von Lucia Kramer Wenn endlich wieder Sonntag ist, kann Timm all seine Sorgen vergessen. Dann nimmt ihn sein Vater mit zum Wettbüro, um Pferdewetten abzuschließen und ganz egal, ob sie gewinnen oder nicht, Timm ist einfach nur glücklich. Dann lacht er lauthals und steckt alle damit an. Bis sein Vater eines Tages bei einem Unfall ums Leben kommt und er allein mit seiner launischen Stiefmutter, dem mürrischen Stiefbruder Erwin und deren Geldsorgen zurückbleibt. Da macht ihm die geheimnisvolle Madame Lefuet ein verlockendes Angebot: Im Tausch gegen sein Lachen soll Timm ab jetzt jede Wette gewinnen. Leichtfertig lässt sich Timm auf den Handel ein. Obwohl er beim Wetten bald große Gewinne einstreicht, muss er erkennen, wie viel er verloren hat. Er macht sich auf, um die teuflische Madame Lefuet zu finden und sein Lachen zurück zu fordern. Sein Weg führt ihn nach Hamburg, wo er auf einem Kreuzfahrtdampfer der Lefuet AG anheuern kann und einen Bekannten aus dem Wettbüro wiedertrifft. Kreschimir hat selbst schon eine unheilvolle Begegnung mit Madame Lefuet hinter sich und möchte Timm nun helfen. Durch einen klugen Wett-Einfall des neuen Freundes kommt Timm seinem Lachen ganz nah: Er wird zum Erben Madame Lefuets eingesetzt. An ihrer Seite lernt er ihre Welt des Geldes und der Macht kennen. Doch sein Lachen bleibt unerreichbar für ihn und der einzige, der ihm jetzt noch helfen könnte, wird von Lefuets Handlangern auf Abstand gehalten. James Krüss’ bekanntester Roman ist ein Klassiker der deutschen Kinderliteratur und seit seiner Entstehung Anfang der Sechzigerjahre vielfach adaptiert worden. 1979 entstand eine berühmte Fernsehserie mit Thomas Ohrner in der Hauptrolle. Sie wurde zur Weihnachtszeit erstmals im ZDF ausgestrahlt und begeisterte ein Millionenpublikum. 2002 wurde eine gleichnamige deutsche Zeichentrickserie produziert und 2017 eine Kinoneuverfilmung mit vielen bekannten deutschen Filmschauspieler*innen. Zum Autor: James Krüss aus dem Programmheft von Lucia Kramer James Krüss wird 1926 auf der Nordseeinsel Helgoland geboren. Obwohl er während des zweiten Weltkrieges von der Insel evakuiert werden muss und nicht wieder zurückkehrt, fühlt er sich seiner Heimat sein Leben lang eng verbunden und setzt ihr in vielen seiner Kinder- und Jugendromane ein literarisches Denkmal. „Auf kleinen Inseln mit wenig Auslauf, da muss man sich die Zeit vertreiben, da kommt man von selber ins Geschichten erzählen“, soll er einmal gesagt haben. Nach dem Krieg absolviert Krüss eine Lehrerausbildung, arbeitet aber nie in diesem Beruf. 1949 zieht er in die Nähe von München, wo er Beiträge für Zeitschriften und Rundfunk schreibt und seinen Mentor Erich Kästner kennenlernt, der ihn zum Schreiben für junge Leser*innen ermuntert – mit Erfolg. Krüss entwickelt sich in den kommenden Jahren zu einem der bekanntesten deutschen Jugendbuchautoren und verfasst unzählige Geschichten, Gedichte, Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 5
Hörspiele und Theaterstücke. Mit dem Kinderbuch Der Leuchtturm auf den Hummerklippen gelingt ihm 1956 der literarische Durchbruch. Vier Jahre später wird er sogar in die Tagesschau eingeladen, um aus seinem preisgekrönten Buch Mein Urgroßvater und ich vorzulesen. Und sein gereimtes Bilderbuch Henriette Bimmelbahn dürfte auch heute noch in vielen Kinderzimmern zu finden sein. Im Laufe seiner Karriere wird Krüss vielfach für seine Arbeit ausgezeichnet. Unter anderem erhält er 1968 die Hans-Christian-Andersen-Medaille für sein Gesamtwerk, eine der wichtigsten internationalen Auszeichnungen für Kinder- und Jugendliteratur. Zur selben Zeit siedelt er mit seinem Lebensgefährten nach Gran Canaria über, wo er bis zum Ende seines Lebens lebt. Nach seinem Tod 1997 wird er vor der Insel Helgoland seebestattet. Die Regisseurin: Aslı Kışlal Geboren 1970 in Ankara, lebt Aslı Kışlal seit 1990 in Wien. Dort studierte sie Soziologie an der Universität in Wien und Schauspiel am Schubert Konservatorium, das sie 1995 abschloss. Im selben Jahr erhielt sie für ihre Echo-Theatergruppe bereits den Preis für die „Beste Jugendtheatergruppe Österreichs“. Nach ihrer Schauspielausbildung war Aslı Kışlal langjähriges Ensemblemitglied des Theaterhauses Stuttgart. Sie übernahm dort außerdem Regieassistenzen und Ensembletraining. 2004 gründete sie den Kunst- und Kulturverein daskunst in Wien, dessen künstlerische Leiterin sie seither ist und mit dem sie 2007 Gewinner des Theaterfestivals Spectrum „best of(f) Austria“ wurde. Seitdem inszeniert sie in der freien Szene und auch als Gast- Regisseurin, unter anderem am Landestheater Linz sowie am Staatstheater Mainz. 2011 bis 2012 zeichnete sie als Initiatorin und Kuratorin der Wiener Projektreihe Postmigrantische Positionen PIMP MY INTEGRATION verantwortlich. 2013 gründete sie das Performance- und Theaterlabor diverCITYLAB. In einer Synthese aus Kunstprojekt und praxisorientierter Ausbildungsstätte setzt sich diverCITYLAB zum Ziel, die Theaterszene für alle Mitglieder unserer postmigrantischen Gesellschaft zu öffnen. 2014 erhielt sie den „Mia Award“ in der Kategorie Kunst und Kultur für Ihre Arbeit. Am Staatstheater Mainz hat sie bereits Als mein Vater ein Busch wurde und ich meinen Namen verlor, Die Sprache des Wassers und Ronja Räubertochter in Szene gesetzt. Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 6
Besetzung TIMM THALER ODER DAS VERKAUFTE LACHEN Nach dem Roman von James Krüss Für die Bühne bearbeitet von Aslı Kışlal Aufführungsrechte: Verlag für Kindertheater Weitendorf, Hamburg Ab 10 Jahren Timm Thaler Mark Ortel Baron Lefuet Andrea Quirbach Vater, Kreschimir Henner Momann Stiefmutter, Kapitän u.a. Johannes Schmidt Journalistin Tiedemann u.a. Elena Bertold Experte Sockel u.a. Julian von Hansemann Inszenierung Aslı Kışlal Bühne und Kostüme Birgit Kellner, Christian Schlechter Musik Uwe Felchl Video Christoph Schödel Licht Dieter Wutzke Dramaturgie Lucia Kramer Theatervermittlung Catharina Lecerf Premiere am 03.06.2021 im Kleinen Haus Aufführungsdauer: ca. 1 Stunde 45 Minuten – keine Pause Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 7
Interview mit Aslı Kışlal Was hat dich an dem vielfach bearbeiteten und verfilmten Roman Timm Thaler interessiert? Ich finde den Roman in vielerlei Hinsicht spannend. Er ist ein Roadmovie, er ist systemkritisch und verliert dabei trotzdem nie den Fokus auf den Protagonisten, der auf der Suche zu sich selbst ist. Dieser Stoff bietet deshalb viele Interpretationsmöglichkeiten und lässt einem Raum. Deshalb war es für mich interessant, nach dem Lesen zu entdecken, was der Roman mit mir gemacht hat, da rein zu spüren und zu versuchen, das umzusetzen. Warum hast du mit den Gehilfen Lefuets der Geschichte zwei neue Figuren hinzugefügt? Das personifizierte Böse war für mich zu leicht gedacht. Das Böse kann nur dann existieren, wenn wir ihm den Raum geben, „teuflisch“ zu werden. Das heißt, wie viel spielen wir mit in diesem Spiel? Wie viele von uns lassen sich von „Lefuet“ verführen und haben dabei vergessen, wem sie dienen? Da „Lefuet“ für mich für ein System steht, waren die Gehilfen dieses Systems notwendig, um seine Macht zu unterstreichen. Wenn du dich an die 12jährige Aslı zurückerinnerst: Hätte sie Lefuets Vertrag zugestimmt und ihr Lachen verkauft? Puh... ich war schon ein kritisch denkender Mensch, auch als Kind, aber ich weiß nicht, auf wie viele Verführungen ich schon reingefallen bin... aber genau diese Erfahrungen haben mich ja auch zu dem gemacht, wer ich bin. Genauso wie bei Timm. Er musste schneller erwachsen werden, hat vieles durchmachen müssen, hat gelernt, was „Verlust“ ist, und das hat ihn gestärkt, so wie viele Kinder heute auf der ganzen Welt, die mit traurigen und schwierigen Situationen kämpfen, wachsen müssen, die eigentlich nicht für Kinder bestimmt sind. Was ist deine persönliche Superkraft gegen die Lefuets und Teufelspakte dieser Welt? Vielleicht meine Lust, die Dinge zu hinterfragen. Und ich fühle mich nicht allein, ich glaub, das schützt einen ungemein vor „Teufelspakten“, die mir die Liebe und die Menschen um mich herum nicht ersetzen können. Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 8
Theatervermittlung Spielpraktische Übungen zur Vor- und Nachbereitung Folgende Übungen sind als Anregung gedacht, mit den Schüler*innen zu Themen des Stückes ins Gespräch und ins Spiel zu kommen. Sie können entweder im Klassenverbund, mit Abstand oder bei Bedarf auch im Distanzunterricht, während einer Videokonferenz, angewendet werden. I. VERTRÄGE/VERPFLICHTUNGEN TEUFELSPAKTE Themengebiete: Vergleich Romanvorlage/Stücktext, literarische Versionen anderer „Teufelspakte“, Vor- oder Nachbearbeitung des Theaterbesuchs Input: Die Vertragsszene zwischen Timm und Lefuet eignet sich hervorragend, um mit Schüler*innen anzuschauen, wie das Motiv des „Teufelspaktes“ vielfach in der Literatur verwendet und von der Romanvorlage zum Theatertext adaptiert wurde. Dauer: ca. 45 Minuten Material: Textausschnitte TEUFELSPAKTE aus dem Materialteil weiter hinten so oft kopieren wie benötigt Wenn die Klasse das Stück bereits gesehen hat, erinnern Sie sich gemeinsam vorab an die Szene: Was erinnern sie aus der Szene des Vertragsschlusses? Wo spielt sie und welche Figuren sind beteiligt? Was verändert sich im Laufe der Szene? Wenn Sie möchten, können Sie dazu das Bild weiter unten als Impuls verwenden. Nun können die Schüler*innen zunächst die Romanvorlage des Teufelspaktes und dann den Theatertext lesen. Sammeln Sie gemeinsam Unterschiede/Gemeinsamkeiten der beiden Vertragsschließungen. Impulse: Was wird im Roman erzählt, was nicht im Theatertext vorkommt? Und umgekehrt? Wo hat der Theatertext Veränderungen vorgenommen? Warum ist dies wohl so? Was macht das mit Euch? Wenn die Schüler*innen die Szene bereits gesehen haben: Erzählt die Inszenierung Details der Geschichte auch ohne Worte? Fügt Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 9
sie ihr eigene Details hinzu? Wenn ja, wie? (Welche Mittel stehen einem Theaterstück zur Verfügung außer Text?) Nun können Sie die Klasse in drei Gruppen aufteilen und jeweils eine Gruppe zu drei unterschiedlichen „Teufelspakten“ arbeiten lassen. Besprechen Sie vorab, dass das Thema „Handel mit dem Teufel“, bzw. „Was sind Menschen bereit, für Macht, Reichtum oder anderes zu verkaufen?“ Inhalt vieler, auch bereits sehr alter Romantexte ist. Anschließend liest jede Schüler*innengruppe ihren Pakt und arbeitet heraus, was der Inhalt des jeweiligen Tauschgeschäftes ist. Dazu soll jede Arbeitsgruppe ein Standbild eigenständig inszenieren, in dem der Tauschhandel wie ein Foto abgebildet wird. Welchen Moment oder Schwerpunkt sie bei ihrem Standbild in Szene setzen, ist jeder Gruppe selbst überlassen. Hinterher zeigen sich die Gruppen gegenseitig ihre Standbilder (ohne vorab zu verraten, worum es in den Texten ging). Schaffen Sie dazu eine „Bühnen- und Publikumssituation“. Das Publikum darf einen Titel oder Überschrift zu jedem Standbild erfinden. Erst danach erklärt jede Gruppe den Inhalt ihres Textes und das dargestellte Bild. VERPFLICHTUNGEN Themengebiete: Spielerische Annäherung an Themen des Stückes: Verführbarkeit, Verpflichtung, Freiheit Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 10
Input: Timm ist auch deswegen verführbar durch Lefuets Angebot, weil er sich dadurch erhofft, seinen zahlreichen Verpflichtungen und Zwängen zu entkommen. In folgendem Spiel kann sich die Gruppe zu eigenen Verpflichtungen/Verführbarkeiten positionieren. Dauer: ca. 30 Minuten Material: Zettel beschriften von 1-10 Wenn die Klasse das Stück oder den Roman kennt, erinnern Sie sich gemeinsam, welche Verpflichtungen Timm hat. Wer übt alles Druck auf ihn aus? Womit? Warum glauben die Schüler*innen, stimmt er dem Pakt von Lefuet zu? Bitten Sie die Schüler*innen anschließend, jede*r für sich auf einem Zettel mindestens 2 Aussagen festzuhalten, die auf ihn*sie persönlich zutreffen. Mögliche Satzanfänge sind: Eine Pflicht, die ich gerne loswerden würde ist… Druck bedeutet, dass… Ich wäre freier, wenn… Oder andere zu dem Thema Pflicht/Verpflichtung/Freiheit… Legen Sie nun mit den Blättern am Boden eine Skala von 1-10 und markieren Sie davor einen Redepunkt. Bitten Sie die Schüler*innen nacheinander vorzutreten und ihren Aussagesatz an dem Redepunkt vor der Gruppe vorzustellen. Die restliche Gruppe positioniert sich nun zu dieser Aussage (ohne mündliche Kommentare!) auf der Skala von 1- 10. (1= trifft auf mich persönlich gar nicht zu, 10= trifft auf mich auch voll zu) Der*die Sprecher*in bekommt Zeit, sich die Positionierungen zu ihrer*seiner Aussage anzusehen und darf zwei Mitschüler*innen, deren Position ihn*sie interessiert nach Erklärung fragen. („Warum hast du dich dort positioniert?“) Danach werden die Positionen aufgelöst, ein*e neue*r Sprecher*in tritt vor. II. GELD/MACHT TAUSCHGESCHÄFTE Themengebiete: Motiv des „Teufelspakt“, Vor- und Nachbereitung des Theaterbesuchs Input: Spielerisch kann hier die Gruppe in Verhandlung über ihre eigenen Werte und Verführbarkeiten gehen Dauer: ca. 20 Minuten Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 11
Material: Vertragsvorlagen im Material kopieren Jede*r Schüler*in notiert sich jeweils fünf Dinge, die sie sehr gut können, an sich mögen oder andere an ihnen schätzen, auf die ausgeteilten Vertragsvorlagen. Schaffen Sie Platz im Klassenraum, so dass sich nun alle frei umherbewegen können, mit dem Ziel mit anderen in Verhandlung zu kommen. Jede*r sollte ihre eigenen „Schätze“ anpreisen und gleichzeitig schauen, was andere anbieten und sie interessiert. Wenn sich zwei Händler*innen einig geworden sind, wird der Vertrag auf der Vorlage eingetragen. Nach einiger Zeit verändern Sie die Ausgangssituation, indem Sie behaupten, dass nun nicht mehr Tausch, sondern Geld Grundlage der Handel ist. Jede*r verfügt über ein Kapital von 100 Euro. Besprechen Sie anschließend mit der Gruppe im Kreis, wie die Verhandlungen abgelaufen sind. Impulse: Welche „Schätze“ waren besonders begehrt? Wovon wollte man sich auf keinen Fall trennen? Wie haben sich die Verhandlungen verändert, als Geld ins Spiel kam? Wer hat sein ganzes Geld ausgegeben? Wer fast nichts gekauft? Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 12
MACHT MINDMAP Themengebiete: Macht, Machtverknüpfungen, Lefuet als „System“ Input: Bei einem „stummen Gespräch“ erstellt die Gruppe gemeinsam ein großes Mindmap zum Thema Macht und stellt Verbindungen her. Dauer: ca. 20 Minuten Material: unbeschriebene Blätter, ausreichend Tape oder Klebeband Als Input oder Ausgangspunkt können Sie mit der Klasse das Interview mit der Regisseurin Aslı Kışlal lesen und speziell den Satz „Da „Lefuet“ für mich für ein System steht, waren die Gehilfen dieses Systems notwendig, um seine Macht zu unterstreichen.“ besprechen. Zusätzlich kann das Bild weiter unten als Erinnerung an die Gehilfen aus der Inszenierung herangezogen werden. Anschließend wird im Raum Platz geschaffen und unbeschriebene Blätter, Stifte, sowie Klebeband oder Tape an verschiedenen Punkten im Raum verteilt. In der Mitte liegt ein beschriebenes Blatt mit dem Wort MACHT. Die Schüler*innen werden gebeten (stumm!), gemeinsam auf dem Boden ein großes Mindmap zu erstellen, in dem sie Dinge aufschreiben, die ihnen zu dem Wort Macht einfallen. Mit dem Klebeband und neuen Blättern können sie Verbindungslinien von einem geschriebenen Blatt zu einem anderen ziehen, Blätter neu verbinden, Fragen aufschreiben, einzelne Begriffe. Alles ist richtig, was ihnen einfällt und/oder sich auf Worte und Gedanken im Mindmap bezieht. Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 13
III. LACHEN/FREIHEIT TEACH ME LAUGHTER, SAVE MY SOUL Themengebiete: Lachen/Freiheit, Improvisation Input: „Lehre mich lachen, rette meine Seele“ zitiert Timm ein Sprichwort, nachdem er begonnen hat, den verlorenen Wert seines Lachens zu begreifen. Diese Übung ist eine Einladung, sich mit der Klasse über die Bedeutung des Lachens auszutauschen. Dauer: ca. 45 Minuten Material: Material WARUM WIR LACHEN im Anhang ausdrucken Bitten Sie die Schüler*innen, sich jeweils zu dritt zu Arbeitsgruppen zusammenzufinden. Jede Gruppe liest gemeinsam den Text WARUM WIR LACHEN aus dem Material und bespricht untereinander, welche Formen des Lachens ihnen persönlich bekannt sind. Impulse für die Gruppenarbeit: Besprecht untereinander: In welchen Situationen lacht ihr? Was bewirkt das Lachen in dieser Situation/was verändert es? War euch euer Lachen schon einmal peinlich? Gibt es jemanden, dessen Lachen ihr (nicht) mögt? Warum? Habt ihr schon mal jemanden ausgelacht oder jemand euch? Was meint ihr, bedeutet der Satz „Teach me laughter, save my soul“? Was bedeutet er für euch persönlich? Bitten Sie jede Gruppe, sich einen „Lachanlass“ auszusuchen (aus dem Material oder eigene Erfahrungen) und dazu zu dritt eine kleine Szene zu erfinden. Die Szene sollte einen klaren Anfang/Ende haben, mit einem Auf- und Abtritt beginnen und deutlich machen, warum eine Person oder mehrere lachen, bzw. wie die anderen darauf reagieren. Installieren Sie eine Bühnen/Zuschauer*innensituation und lassen Sie die Gruppen sich gegenseitig ihre Szenen zeigen. Im Anschluss geben die Zuschauer*innen jeweils Feedback: Welche Funktion hatte das Lachen in der Szene? Was war der Anlass? Variante: Lassen Sie die Gruppen ihre Szenen 5 Minuten neu erproben mit der Aufgabenstellung, die Szene exakt zu wiederholen. Der einzige Unterschied ist, dass keine der Figuren mehr lachen kann – es ist ihnen genommen. Lassen Sie nach dem neuerlichen Zeigen der Szenen das Publikum beschreiben, wie sich die Szene dadurch verändert hat. Die Spieler*innen dürfen sagen, wie es sich angefühlt hat, dies zu spielen. Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 14
WARMER RÜCKEN Themengebiete: persönliches Feedback, Gruppendynamik, Wertschätzung Input: Diese Übung ist ein schöner Abschluss einer Stunde für eine Gruppe. Dauer: ca. 10 Minuten Material: Pappteller oder dickes Papier, Klebeband, Stifte in Klassenstärke Besprechen Sie kurz mit der Klasse, dass es bei dieser Übung darum geht, sich gegenseitig eine positive Rückmeldung zu geben. (Nur das ist gefragt!) So wie Timm Thaler von seiner Umgebung das Feedback erhält, dass sein Lachen überall beliebt ist, gibt es für jede*n von uns etwas, dass unsere Mitmenschen an uns mögen. Jede*r Schüler*in erhält nun einen Stift und einen Pappteller oder Karton, der mit Klebeband auf seinen*ihren Rücken befestigt wird. Schaffen Sie Platz im Raum. Die Schüler*innen dürfen frei, aber stumm! Durch den Raum gehen und anderen Schüler*innen eine von ihm oder ihr wertgeschätzte Eigenschaft auf den Pappteller schreiben. Jede*r muss mindestens eine Sache auf den Rücken von jedem*r Mitschüler*in geschrieben haben. Impulse: *Was mögt ihr an der anderen Person? * es kann eine Eigenschaft sein oder etwas, was diese Person tut oder gut kann etc. Nach ca. 10 Minuten dürfen die Pappteller abgenommen und gelesen werden. Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 15
Weiterführendes Material/Links Material und weiterführende Links: Trickfilmserie Timm Thaler (Regie: Hans Glauert) https://www.youtube.com/watch?v=P3NJQcM96UM Fernsehserie Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen. 1979 (Regie: Sigi Rothemund) https://www.youtube.com/watch?v=1f-T6c7D5cE https://www.youtube.com/watch?v=jHvtxDB6ThE&list=PL0CgNcbcxiM- knepUWHV5PQGbo6XDZNLe&index=170 https://www.youtube.com/watch?v=67pEgtlEoCY&list=PLF4YShPzsFJgdF2pHT 5_x19P5BOck1KB6&index=5 Kritik zum Kinofilm Timm Thaler 2017 (Regie: Andreas Dresen) https://www.sueddeutsche.de/kultur/timm-thaler-im-kino-hol-s-der- teufel-1.3358888 Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 16
MATERIAL ZU VETRÄGE/VERPFLICHTUNGEN: TEUFELSPAKTE James Krüss: Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen (Romanausschnitt) Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 17
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James Krüss: Timm Thaler oder Das Verkaufte Lachen (Ausschnitt aus der Spielfassung des Staatstheater Mainz 2021) LEFUET Lieber Timm, du wünschst dir, dass dein Vater einen Grabstein und einen riesigen Rosenstrauß auf sein Grab bekommt und dass deine Mutter, was sag ich denn, Stiefmutter, genug Bienenstich essen kann bis sie platzt, damit sie dich in Ruhe lässt, weil ihre Nerven ja beruhigt sind, und ... was wünschst du dir noch? TIMM Eine größere Wohnung. LEFUET Quatsch, sei nicht so bescheiden, du wünscht dir ein ganzes Haus, und vielleicht sogar ein so großes Haus,(geht um Timm herum, schiebt das kleinere Sofa zu Timm) dass Erwins Zimmer so weit entfernt ist, dass, wenn er in dein Zimmer kommen will, auf halbem Weg wieder umkehrt, weil eure Zimmer so weit voneinander entfernt liegen und er müde wird. Na, was wünschst du dir noch? TIMM Einen Süßigkeitenautomaten? Eine Hose? Was zu essen? LEFUET Mein lieber Timm. Ich kann dich reich machen. So unfassbar reich. Indem ich dir die Fähigkeit verleihe, jede Wette zu gewinnen. So viel du willst. Jede. Nicht nur um Geld. Ich mach das nicht geschenkt, wir machen ein Geschäft. TIMM Ein richtiges Geschäft .. und .. was verlangen Sie dafür? LEFUET Was kann ich dafür verlangen? Och, ich verlange ... Ich verlange dein ... Lachen ... dafür. TIMM Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 19
lacht Mehr nicht? LEFUET Mehr nicht. Einverstanden? TIMM Ich bin einverstanden. Und Sie sind sich sicher, dass Sie auch einverstanden sind? LEFUET Ja klar. Aber wir machen einen Vertrag. TIMM „Dieser Vertrag wird zwischen Madame L. Lefuet einerseits und Herrn Timm Thaler andererseits geschlossen und in zwei Exemplaren von beiden Parteien unterschrieben.“ – Wieso Parteien? So wie die CDU? LEFUET So werden die beiden Partner in Verträgen genannt. TIMM nickt. „Zweitens. Herr Timm Thaler vermacht hiermit Madame L. Lefuet sein Lachen zu beliebigem Gebrauch. Drittens. Als Entgelt für das Lachen verpflichtet sich Madame L. Lefuet dafür zu sorgen, dass Herr Timm Thaler jede Wette gewinnt. Dies gilt ohne Einschränkung.“ LEFUET lockend Jede Wette, Timm, ohne Einschränkung LEFUET „Viertens. Beide Parteien sind verpflichtet, über diese Abmachung vollstes Stillschweigen zu bewahren.“ „Fünftens. Für den Fall, dass eine der beiden Parteien Dritten gegenüber diese Abmachung erwähnt und die in Punkt vier festgelegte Verpflichtung zum Stillschweigen bricht, bleibt die andere Partei im Genuss der Fähigkeit, zu lachen und Wetten zu gewinnen, während die Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 20
schuldige Partei die Fähigkeit, zu lachen und Wetten zu gewinnen, in vollem Umfang verliert.“ TIMM Ich verstehe. Schweigen heißt, nein, reden … doch jetzt hab ichs verstanden: Schweigen heißt reich sein ohne Lachen. Reden heißt: Arm sein, aber auch ohne Lachen. LEFUET Genau das. Lies weiter. TIMM „Sechstens. Sollte der Fall eintreten, dass Herr Timm Thaler eine Wette verliert, so verpflichtet sich Madame L. Lefuet, Herrn Timm Thaler sein Lachen zurückzugeben. Allerdings verliert Herr Timm Thaler damit auch die Fähigkeit, weiterhin Wetten zu gewinnen. Siebtens. Diese Vereinbarung gilt von dem Augenblick an, in dem beide Parteien unter die zwei Exemplare ihre Unterschrift gesetzt haben.“ LEFUET Ich habe schon unterschrieben. Jetzt du, Timm. TIMM Und falls ich eine Wette verliere, kriege ich mein Lachen zurück? LEFUET So ist es TIMM Gut(unterschreibt) Der schreibt ja rot. LEFUET Rot wie Blut. Ja. Beginnt zu lachen. Danke schön. Sehr schön. Hahahaha. TIMM Bitte schön. Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 21
LEFUET Versteck es gut. Wenn irgendjemand den Vertrag sieht, dann hahahah… hast du die Schweigepflicht gebrochen. Dann hast du gar nichts mehr. Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 22
Adelbert von Chamisso: Peter Schlemihls wundersame Geschichte (1813) »Möge der Herr meine Zudringlichkeit entschuldigen, wenn ich es wage, ihn so unbekannter Weise aufzusuchen, ich habe eine Bitte an ihn. Vergönnen Sie gnädigst –« – »Aber um Gotteswillen, mein Herr!« brach ich in meiner Angst aus, »was kann ich für einen Mann tun, der –« wir stutzten beide, und wurden, wie mir däucht, rot. Er nahm nach einem Augenblick des Schweigens wieder das Wort: »Während der kurzen Zeit, wo ich das Glück genoß, mich in Ihrer Nähe zu befinden, hab ich, mein Herr, einige Mal – erlauben Sie, daß ich es Ihnen sage – wirklich mit unaussprechlicher Bewunderung den schönen, schönen Schatten betrachten können, den Sie in der Sonne, und gleichsam mit einer gewissen edlen Verachtung, ohne selbst darauf zu merken, von sich werfen, den herrlichen Schatten da zu Ihren Füßen. Verzeihen Sie mir die freilich kühne Zumutung. Sollten Sie sich wohl nicht abgeneigt finden, mir diesen Ihren Schatten zu überlassen?« Er schwieg, und mir gings wie ein Mühlrad im Kopfe herum. Was sollt ich aus dem seltsamen Antrag machen, mir meinen Schatten abzukaufen? Er muß verrückt sein, dacht ich, und mit verändertem Tone, der zu der Demut des seinigen besser paßte, erwiderte ich also: »Ei, ei! guter Freund, habt Ihr denn nicht an Eurem eignen Schatten genug? das heiß ich mir einen Handel von einer ganz absonderlichen Sorte.« Er fiel sogleich wieder ein: »Ich hab in meiner Tasche manches, was dem Herrn nicht ganz unwert scheinen möchte; für diesen unschätzbaren Schatten halt ich den höchsten Preis zu gering.« Nun überfiel es mich wieder kalt, da ich an die Tasche erinnert ward, und ich wußte nicht, wie ich ihn hatte guter Freund nennen können. Ich nahm wieder das Wort, und suchte es, wo möglich, mit unendlicher Höflichkeit wieder gut zu machen. »Aber, mein Herr, verzeihen Sie Ihrem untertänigsten Knecht. Ich verstehe wohl Ihre Meinung nicht ganz gut, wie könnt ich nur meinen Schatten – –« Er unterbrach mich: »Ich erbitte mir nur Dero Erlaubnis, hier auf der Stelle diesen edlen Schatten aufheben zu dürfen und zu mir zu stecken; wie ich das mache, sei meine Sorge. Dagegen als Beweis meiner Erkenntlichkeit gegen den Herrn, überlasse ich ihm die Wahl unter allen Kleinodien, die ich in der Tasche bei mir führe: die ächte Springwurzel, die Alraunwurzel, Wechselpfennige, Raubtaler, das Tellertuch von Rolands Knappen, ein Galgenmännlein zu beliebigem Preis; doch, das wird wohl nichts für Sie sein: besser, Fortunati Wünschhütlein, neu und haltbar wieder restauriert; auch ein Glücksseckel, wie der seine gewesen.« – »Fortunati Glücksseckel«, fiel ich ihm in die Rede, und wie groß meine Angst auch war, hatte er mit dem einen Wort meinen ganzen Sinn gefangen. Ich bekam einen Schwindel, und es flimmerte mir wie doppelte Dukaten vor den Augen. »Belieben gnädigst der Herr diesen Seckel zu besichtigen und zu erproben.« Er steckte die Hand in die Tasche und zog einen mäßig großen, festgenähten Beutel, von starkem Korduanleder, an zwei tüchtigen ledernen Schnüren heraus und händigte mir selbigen ein. Ich griff hinein, und zog zehn Goldstücke daraus, und wieder zehn, und wieder zehn, und wieder zehn; ich hielt ihm schnell die Hand hin: »Topp! der Handel gilt, für den Beutel haben Sie meinen Schatten.« Er schlug ein, kniete dann ungesäumt vor mir nieder, und mit einer Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 23
bewundernswürdigen Geschicklichkeit sah ich ihn meinen Schatten, vom Kopf bis zu meinen Füßen, leise von dem Grase lösen, aufheben, zusammenrollen und falten, und zuletzt einstecken. Er stand auf, verbeugte sich noch einmal vor mir, und zog sich dann nach dem Rosengebüsche zurück. Mich dünkt', ich hörte ihn da leise für sich lachen. Ich aber hielt den Beutel bei den Schnüren fest, rund um mich her war die Erde sonnenhell, und in mir war noch keine Besinnung. Aus: Projekt Gutenberg https://www.projekt-gutenberg.org/chamisso/schlemil/schlemil.html Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 24
Wilhelm Hauff: Das kalte Herz.(1828) Was, sag an, was hat dir wehe getan?« »Mein Herz«, sprach Peter, indem er die Hand auf die pochende Brust preßte, denn es war ihm, als ob sein Herz sich ängstlich hin und her wendete. »Du hast, nimm mir es nicht übel, du hast viele hundert Gulden an schlechte Bettler und anderes Gesindel weggeworfen; was hat es dich genützt? Sie haben dir dafür Segen und einen gesunden Leib gewünscht; ja, bist du deswegen gesünder geworden? Um die Hälfte des verschleuderten Geldes hättest du einen Arzt gehalten. Segen, ja ein schöner Segen, wenn man ausgepfändet und ausgestoßen wird! Und was war es, das dich getrieben, in die Tasche zu fahren, sooft ein Bettelmann seinen zerlumpten Hut hinstreckte? – Dein Herz, auch wieder dein Herz, und weder deine Augen noch deine Zunge, deine Arme noch deine Beine, sondern dein Herz; du hast dir es, wie man richtig sagt, zu sehr zu Herzen genommen.« »Aber wie kann man sich denn angewöhnen, daß es nicht mehr so ist? Ich gebe mir jetzt alle Mühe, es zu unterdrücken, und dennoch pocht mein Herz und tut mir wehe.« »Du freilich,« rief jener mit Lachen, »du armer Schelm, kannst nichts dagegen tun; aber gib mir das kaum pochende Ding, und du wirst sehen, wie gut du es dann hast.« »Euch, mein Herz?« schrie Peter mit Entsetzen, »da müßte ich ja sterben auf der Stelle! Nimmermehr!« »Ja, wenn dir einer eurer Herren Chirurgen das Herz aus dem Leib operieren wollte, da müßtest du wohl sterben; bei mir ist dies ein anderes Ding; doch komm herein und überzeuge dich selbst!« Er stand bei diesen Worten auf, öffnete eine Kammertüre und führte Peter hinein. Sein Herz zog sich krampfhaft zusammen, als er über die Schwelle trat, aber er achtete es nicht, denn der Anblick, der sich ihm bot, war sonderbar und überraschend. Auf mehreren Gesimsen von Holz standen Gläser, mit durchsichtiger Flüssigkeit gefüllt, und in jedem dieser Gläser lag ein Herz; auch waren an den Gläsern Zettel angeklebt und Namen darauf geschrieben, die Peter neugierig las; da war das Herz des Amtmanns in F., das Herz des dicken Ezechiel, das Herz des Tanzbodenkönigs, das Herz des Oberförsters; da waren sechs Herzen von Kornwucherern, acht von Werbeoffizieren, drei von Geldmäklern – kurz, es war eine Sammlung der angesehensten Herzen in der Umgegend von zwanzig Stunden. »Schau!« sprach Holländer-Michel, »diese alle haben des Lebens Ängsten und Sorgen weggeworfen; keines dieser Herzen schlägt mehr ängstlich und besorgt, und ihre ehemaligen Besitzer befinden sich wohl dabei, daß sie den unruhigen Gast aus dem Hause haben.« »Aber was tragen sie denn jetzt dafür in der Brust?« fragte Peter, den dies alles, was er gesehen, beinahe schwindeln machte. »Dies«, antwortete jener und reichte ihm aus einem Schubfach – ein steinernes Herz. »So?« erwiderte er und konnte sich eines Schauers, der ihm über die Haut ging, nicht erwehren. »Ein Herz von Marmelstein? Aber, horch Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 25
einmal, Herr Holländer-Michel, das muß doch gar kalt sein in der Brust.« »Freilich, aber ganz angenehm kühl. Warum soll denn ein Herz warm sein? Im Winter nützt dir die Wärme nichts, da hilft ein guter Kirschgeist mehr als ein warmes Herz, und im Sommer, wenn alles schwül und heiß ist, – du glaubst nicht, wie dann ein solches Herz abkühlt. Und wie gesagt, weder Angst noch Schrecken, weder törichtes Mitleiden noch anderer Jammer pocht an solch ein Herz.« »Und das ist alles, was Ihr mir geben könnet?« fragte Peter unmutig; »ich hoff auf Geld, und Ihr wollet mir einen Stein geben!« »Nun, ich denke, an hunderttausend Gulden hättest du fürs erste genug. Wenn du es geschickt umtreibst, kannst du bald ein Millionär werden.« »Hunderttausend?« rief der arme Köhler freudig. »Nun, so poche doch nicht so ungestüm in meiner Brust, wir werden bald fertig sein miteinander. Gut, Michel; gebt mir den Stein und das Geld, und die Unruh könnet Ihr aus dem Gehäuse nehmen!« »Ich dachte es doch, daß du ein vernünftiger Bursche seist,« antwortete der Holländer freundlich lächelnd; »komm, laß uns noch eins trinken, und dann will ich das Geld auszahlen.« So setzten sie sich wieder in die Stube zum Wein, tranken und tranken wieder, bis Peter in einen tiefen Schlaf verfiel. Kohlenmunk-Peter erwachte beim fröhlichen Schmettern eines Posthorns, und siehe da, er saß in einem schönen Wagen, fuhr auf einer breiten Straße dahin, und als er sich aus dem Wagen bog, sah er in blauer Ferne hinter sich den Schwarzwald liegen. Anfänglich wollte er gar nicht glauben, daß er es selbst sei, der in diesem Wagen sitze. Denn auch seine Kleider waren gar nicht mehr dieselben, die er gestern getragen; aber er erinnerte sich doch an alles so deutlich, daß er endlich sein Nachsinnen aufgab und rief: »Der Kohlenmunk-Peter bin ich, das ist ausgemacht, und kein anderer.« Er wunderte sich über sich selbst, daß er gar nicht wehmütig werden konnte, als er jetzt zum erstenmal aus der stillen Heimat, aus den Wäldern, wo er so lange gelebt, auszog; selbst nicht, als er an seine Mutter dachte, die jetzt wohl hilflos und im Elend saß, konnte er eine Träne aus dem Auge pressen oder nur seufzen, denn es war ihm alles so gleichgültig. »Ach freilich,« sagte er dann, »Tränen und Seufzer, Heimweh und Wehmut kommen ja aus dem Herzen, und dank dem Holländer-Michel, – das meine ist kalt und von Stein.« Projekt Gutenberg https://www.projekt-gutenberg.org/hauff/maerchen/chap023.html Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 26
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WARUM WIR LACHEN Aus dem Programmheft von Lucia Kramer Wer schon einmal versucht hat, ein passendes Lach-Emoji per Messenger zu versenden, stößt schnell an die Grenzen dieser Kommunikation – obwohl gar nicht wenige Emojis zur Auswahl stehen: mit blitzenden Zähnen, aufgerissenen oder zusammengekniffenen Augen, Schweißperle auf der Stirn oder Tränen in den Augenwinkeln. Aber wie sieht ein Emoji aus, das ein Lachen aus Dankbarkeit darstellt oder ein trauriges Lächeln? Im ersten Moment assoziieren wir Lachen schlicht mit Freude, Glück und Leichtigkeit. Dabei kann es in Verbindung mit sehr unterschiedlichen Gefühlen vorkommen. Wir lachen viele Male am Tag. Wir lachen mit anderen, um uns mit ihnen zu verbinden, oder über sie, um uns abzugrenzen. Im besten Falle lachen wir auch über uns selbst. Wir lachen unwillkürlich, ohne es zu wollen. Wir lachen aus Höflichkeit, ohne es zu meinen. Wir lachen, weil andere es von uns erwarten. Wir lachen für die Kamera, weil wir uns und anderen gefallen wollen. Wir lachen lauthals oder hinter vorgehaltener Hand. Wir lachen uns ins Fäustchen. Wir lassen uns vom Lachen anderer anstecken. Wir lachen kopfschüttelnd, zähneknirschend und augenverdrehend. Wir lachen schallend, brüllend, herzlich, kieksend oder glucksend. Wir kugeln und biegen uns vor Lachen. Wir lachen uns einen Ast ab. Wir lachen, weil wir uns an etwas erinnern oder weil wir etwas beobachten. Wir lachen aus Unsicherheit oder voll Selbstvertrauen. Wir lachen spöttisch, höhnisch, herablassend, traurig oder zynisch. Wir lachen, um zu provozieren und um andere auf ihren Platz zu verweisen. Wir lachen, um unsere Traurigkeit zu verbergen. Wir lachen gegen die Schwermut an, gegen die Angst oder gegen die Ohnmacht. Wir lachen voll Bitterkeit oder voll Wärme. Wir lachen aus Erleichterung, nach überstandener Gefahr. Wir lachen trotz der Krise. Wir lachen uns gesund. Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 28
Kontakte Ansprechpartnerin Ticketbuchung und Termine: Timm Thaler oder das verkaufte Lachen Stefanie Bigge / Barbara Walter Gruppenbetreuung Catharina Lecerf T 06131 2851-226 Theatervermittlerin gruppenbetreuung@staatstheater- T 06131 2851-256 mainz.de clecerf@staatstheater- mainz.de Weitere Ansprechpartner*innen Theatervermittlung: Annika Rink Leitung der Theatervermittlung T 06131 2851-151 arink@staatstheater-mainz.de Rebekka Gebert Musiktheatervermittlerin T 06131 2851-174 rgebert@staatstheater-mainz.de Marina Grün Tanzvermittlerin/tanzmainz schule T 06131 2851-153 mgruen@staatstheater-mainz.de Anna Stoß Theatervermittlerin Schauspiel T 06131 2851-257 astoss@staatstheater-mainz.de Lucia Kramer Schauspieldramaturgin mit Schwerpunkt justmainz T 06131 2851-156 lkramer@staatstheater-mainz.de Ates Yilmaz Konzertpädagoge ayilmaz@staatstheater-mainz.de Staatstheater Mainz Gutenbergplatz 7 55116 Mainz T 06131 2851-0 www.staatheater-mainz.com Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen 29
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