Begleitmaterial Timm Thaler - von James Krüss - Staatstheater Mainz

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Begleitmaterial Timm Thaler - von James Krüss - Staatstheater Mainz
Begleitmaterial
            Timm Thaler
       oder Das verkaufte Lachen
            von James Krüss

          Für alle ab 10 Jahren
  ab 16. November 2021 im Kleinen Haus
Begleitmaterial Timm Thaler - von James Krüss - Staatstheater Mainz
Inhaltsverzeichnis

   Einleitung/Zur Inszenierung                        Seite   3
                                                      Seite   5
         Zum Stück                                    Seite   5
         Zum Autor: James Krüss                       Seite   6
         Zur Regisseurin: Aslı Kışlal

   Besetzung                                          Seite 7

   Interview mit Aslı Kışlal                          Seite 8

   Theatervermittlung                                 Seite 9

               I.    VERTRÄGE/VERPFLICHTUNGEN         Seite 9

               II.   GELD/MACHT                      Seite 11

               III. LACHEN/FREIHEIT                  Seite 29

   Weiterführendes Material                          Seite 16

   Kontakte                                          Seite 17

    Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen     2
Begleitmaterial Timm Thaler - von James Krüss - Staatstheater Mainz
Einleitung/Zur Inszenierung

Liebe Lehrerinnen und Lehrer,
Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen wird als Klassiker der
Kinderbuchliteratur gehandelt, auf Grund des darin vorkommenden
Teufelspaktes als „Faust für Kinder“ bezeichnet und ist nicht nur auf
Bühnen, sondern auch im Kino und in Fernsehserien mehrfach
modernisiert und adaptiert worden. Dabei sind seine Themen, die Macht
des Geldes und des Kapitalismus sowie die Frage nach der Freiheit des
Individuums innerhalb dieses Systems, auch für erwachsene Leser*innen
gar nicht so einfach zu durchschauen. Wo also ansetzen bei einem
Vorstellungsbesuch mit jungen Menschen ab 10 Jahren? Die große
Faszination und Stärke des Stoffes geht heute, wie zu Beginn der 60er
Jahre, als Krüss seinen Roman schrieb, von der jugendlichen Hauptfigur
der Geschichte aus: Timm ist zu Beginn des Romans etwa 12 Jahre alt,
wir begleiten ihn in seiner Entwicklung von einem Kind zu einem jungen
Erwachsenen,    dessen   Werte    und   Haltungen    einmal   komplett
durchgeschüttelt und auf den Prüfstand gestellt werden. Was bedeuten
finanzieller Reichtum und Macht gegenüber innerer Freiheit und
Unabhängigkeit? Und was ist eigentlich Glück? Der 12jährige Timm
beschreibt sich als arm aber glücklich, als junger Erwachsener ist er
reich und mächtig, fühlt sich aber unfrei. Der Regisseurin Aslı Kışlal
war es wichtig, in ihrer Inszenierung für das Staatstheater Mainz
keine leichten Antworten auf diese Fragen, mit denen sich junge
Menschen sicher identifizieren können, zu stellen. Im globalen
Kapitalismus gibt es keinen einzelnen bösen, teuflischen Verführer,
sondern vielmehr ein System, in das wir alle eingespannt werden und
sind und in dem es gilt, die eigene Position zu finden.
Auf Ausstattungsebene erzählt die Inszenierung in klaren, heutigen
Bildern, die Anspielungen auf Talentshows, Börsenstudios und ein
Wettbüro erkennen lassen. Kostüm und Maske sind ebenfalls heutig und
realistisch gehalten. Nur bei den Nebenfiguren, wie zum Beispiel der
                                    Konditorin   Bebber    oder   den
                                    Matrosen, gehen die Kostüme in
                                    eine Überhöhung und Parodie und
                                    durch    häufige    Kostümwechsel
                                    werden unterschiedliche Rollen
                                    markiert.    Hier    sorgt    die
                                    Inszenierung immer wieder für
                                    komödiantische    Momente     und
                                    unterhaltsame Einschübe.
                                    VERTRÄGE/DRUCK sowie GELD/MACHT
                                    und LACHEN/GLÜCK sind Themenkom-
                                    plexe, mit denen sich das Team
und die Spieler*innen in den Vorgesprächen zu den Proben und auch bei
Improvisationen beschäftigt haben, die textlich zum Teil in die
Inszenierung mit eingeflossen sind. Sie stehen daher auch als

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Begleitmaterial Timm Thaler - von James Krüss - Staatstheater Mainz
Überschriften über einzelnen Kapiteln dieses Begleitmaterials, unter
denen sich unterschiedliche Anregungen zur spielerischen Vor- und
Nachbereitung des Theaterbesuches versammeln.
Außerdem finden Sie weiter unten Informationen zu Inhalt, Regie und
Autor, sowie weiterführende Links und Textmaterial.

Eine spezielle Videoeinführung für Jugendliche und den Trailer der
Produktion finden Sie auf der Stückseite zu Timm Thaler auf unserer
Homepage oder bei youtube unter: https://bit.ly/2UFVrko
Für ein entspanntes Ankommen empfehlen wir Ihnen, bereits eine halbe
Stunde vor Vorstellungsbeginn im Theater zu sein.
Über Rückmeldungen und Nachfragen zu diesem Material oder Anfragen
für Workshops und Nachgespräche freue ich mich!

Catharina Lecerf (Theatervermittlung)

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Begleitmaterial Timm Thaler - von James Krüss - Staatstheater Mainz
Zum Stück     aus dem Programmheft von Lucia Kramer

Wenn endlich wieder Sonntag ist, kann Timm all seine Sorgen vergessen.
Dann nimmt ihn sein Vater mit zum Wettbüro, um Pferdewetten
abzuschließen und ganz egal, ob sie gewinnen oder nicht, Timm ist
einfach nur glücklich. Dann lacht er lauthals und steckt alle damit
an. Bis sein Vater eines Tages bei einem Unfall ums Leben kommt und
er allein mit seiner launischen Stiefmutter, dem mürrischen
Stiefbruder Erwin und deren Geldsorgen zurückbleibt. Da macht ihm die
geheimnisvolle Madame Lefuet ein verlockendes Angebot: Im Tausch gegen
sein Lachen soll Timm ab jetzt jede Wette gewinnen.
Leichtfertig lässt sich Timm auf den Handel ein. Obwohl er beim Wetten
bald große Gewinne einstreicht, muss er erkennen, wie viel er verloren
hat. Er macht sich auf, um die teuflische Madame Lefuet zu finden und
sein Lachen zurück zu fordern. Sein Weg führt ihn nach Hamburg, wo er
auf einem Kreuzfahrtdampfer der Lefuet AG anheuern kann und einen
Bekannten aus dem Wettbüro wiedertrifft. Kreschimir hat selbst schon
eine unheilvolle Begegnung mit Madame Lefuet hinter sich und möchte
Timm nun helfen. Durch einen klugen Wett-Einfall des neuen Freundes
kommt Timm seinem Lachen ganz nah: Er wird zum Erben Madame Lefuets
eingesetzt. An ihrer Seite lernt er ihre Welt des Geldes und der Macht
kennen. Doch sein Lachen bleibt unerreichbar für ihn und der einzige,
der ihm jetzt noch helfen könnte, wird von Lefuets Handlangern auf
Abstand gehalten. James Krüss’ bekanntester Roman ist ein Klassiker
der deutschen Kinderliteratur und seit seiner Entstehung Anfang der
Sechzigerjahre vielfach adaptiert worden. 1979 entstand eine berühmte
Fernsehserie mit Thomas Ohrner in der Hauptrolle. Sie wurde zur
Weihnachtszeit erstmals im ZDF ausgestrahlt und begeisterte ein
Millionenpublikum.    2002    wurde   eine    gleichnamige    deutsche
Zeichentrickserie produziert und 2017 eine Kinoneuverfilmung mit
vielen bekannten deutschen Filmschauspieler*innen.

Zum Autor: James Krüss       aus dem Programmheft von Lucia Kramer

                       James Krüss wird 1926 auf der Nordseeinsel
                       Helgoland geboren. Obwohl er während des
                       zweiten Weltkrieges von der Insel evakuiert
                       werden muss und nicht wieder zurückkehrt,
                       fühlt er sich seiner Heimat sein Leben lang
                       eng verbunden und setzt ihr in vielen seiner
                       Kinder- und Jugendromane ein literarisches
                       Denkmal. „Auf kleinen Inseln mit wenig
                       Auslauf, da muss man sich die Zeit
                       vertreiben, da kommt man von selber ins
                       Geschichten erzählen“, soll er einmal gesagt
                       haben. Nach dem Krieg absolviert Krüss eine
                       Lehrerausbildung, arbeitet aber nie in diesem
                       Beruf. 1949 zieht er in die Nähe von München,
                       wo er Beiträge für Zeitschriften und Rundfunk
                       schreibt und seinen Mentor Erich Kästner
                       kennenlernt, der ihn zum Schreiben für junge
Leser*innen ermuntert – mit Erfolg. Krüss entwickelt sich in den
kommenden Jahren zu einem der bekanntesten deutschen
Jugendbuchautoren und verfasst unzählige Geschichten, Gedichte,

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Hörspiele und Theaterstücke. Mit dem Kinderbuch Der Leuchtturm auf
den Hummerklippen gelingt ihm 1956 der literarische Durchbruch. Vier
Jahre später wird er sogar in die Tagesschau eingeladen, um aus
seinem preisgekrönten Buch Mein Urgroßvater und ich vorzulesen. Und
sein gereimtes Bilderbuch Henriette Bimmelbahn dürfte auch heute
noch in vielen Kinderzimmern zu finden sein. Im Laufe seiner
Karriere wird Krüss vielfach für seine Arbeit ausgezeichnet. Unter
anderem erhält er 1968 die Hans-Christian-Andersen-Medaille für sein
Gesamtwerk, eine der wichtigsten internationalen Auszeichnungen für
Kinder- und Jugendliteratur. Zur selben Zeit siedelt er mit seinem
Lebensgefährten nach Gran Canaria über, wo er bis zum Ende seines
Lebens lebt. Nach seinem Tod 1997 wird er vor der Insel Helgoland
seebestattet.

Die Regisseurin: Aslı Kışlal
Geboren 1970 in Ankara, lebt Aslı Kışlal
seit 1990 in Wien. Dort studierte sie
Soziologie an der Universität in Wien und
Schauspiel am Schubert Konservatorium, das
sie 1995 abschloss. Im selben Jahr erhielt
sie für ihre Echo-Theatergruppe bereits den
Preis für die „Beste Jugendtheatergruppe
Österreichs“.

Nach ihrer Schauspielausbildung war Aslı
Kışlal langjähriges Ensemblemitglied des Theaterhauses Stuttgart. Sie
übernahm dort außerdem Regieassistenzen und Ensembletraining.

2004 gründete sie den Kunst- und Kulturverein daskunst in Wien,
dessen künstlerische Leiterin sie seither ist und mit dem sie 2007
Gewinner des Theaterfestivals Spectrum „best of(f) Austria“ wurde.
Seitdem inszeniert sie in der freien Szene und auch als Gast-
Regisseurin, unter anderem am Landestheater Linz sowie am
Staatstheater Mainz.

2011 bis 2012 zeichnete sie als Initiatorin und Kuratorin der Wiener
Projektreihe Postmigrantische Positionen PIMP MY INTEGRATION
verantwortlich.
2013 gründete sie das Performance- und Theaterlabor diverCITYLAB. In
einer Synthese aus Kunstprojekt und praxisorientierter
Ausbildungsstätte setzt sich diverCITYLAB zum Ziel, die Theaterszene
für alle Mitglieder unserer postmigrantischen Gesellschaft zu
öffnen.
2014 erhielt sie den „Mia Award“ in der Kategorie Kunst und Kultur
für Ihre Arbeit. Am Staatstheater Mainz hat sie bereits Als mein
Vater ein Busch wurde und ich meinen Namen verlor, Die Sprache des
Wassers und Ronja Räubertochter in Szene gesetzt.

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Besetzung

TIMM THALER ODER DAS VERKAUFTE LACHEN

Nach dem Roman von James Krüss

Für die Bühne bearbeitet von Aslı Kışlal

Aufführungsrechte: Verlag für Kindertheater Weitendorf, Hamburg

Ab 10 Jahren

Timm Thaler                      Mark Ortel

Baron Lefuet                     Andrea Quirbach

Vater, Kreschimir                Henner Momann

Stiefmutter, Kapitän u.a.        Johannes Schmidt

Journalistin Tiedemann u.a.      Elena Bertold

Experte Sockel u.a.              Julian von Hansemann

Inszenierung                     Aslı Kışlal

Bühne und Kostüme                Birgit Kellner, Christian Schlechter

Musik                            Uwe Felchl

Video                            Christoph Schödel

Licht                            Dieter Wutzke

Dramaturgie                      Lucia Kramer

Theatervermittlung               Catharina Lecerf

Premiere am 03.06.2021 im Kleinen Haus
Aufführungsdauer: ca. 1 Stunde 45 Minuten – keine Pause

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Interview mit Aslı Kışlal
Was hat dich an dem vielfach bearbeiteten und verfilmten
Roman Timm Thaler interessiert?
Ich finde den Roman in vielerlei Hinsicht spannend. Er ist ein
Roadmovie, er ist systemkritisch und verliert dabei trotzdem nie den
Fokus auf den Protagonisten, der auf der Suche zu sich selbst ist.
Dieser Stoff bietet deshalb viele Interpretationsmöglichkeiten und
lässt einem Raum. Deshalb war es für mich interessant, nach dem
Lesen zu entdecken, was der Roman mit mir gemacht hat, da rein zu
spüren und zu versuchen, das umzusetzen.

Warum hast du mit den Gehilfen Lefuets der Geschichte zwei neue
Figuren hinzugefügt?
Das personifizierte Böse war für mich zu leicht gedacht. Das Böse
kann nur dann existieren, wenn wir ihm den Raum geben, „teuflisch“
zu werden. Das heißt, wie viel spielen wir mit in diesem Spiel? Wie
viele von uns lassen sich von „Lefuet“ verführen und haben dabei
vergessen, wem sie dienen? Da „Lefuet“ für mich für ein System
steht, waren die Gehilfen dieses Systems notwendig, um seine Macht
zu unterstreichen.

Wenn du dich an die 12jährige Aslı zurückerinnerst: Hätte sie
Lefuets Vertrag zugestimmt und ihr Lachen verkauft?
Puh... ich war schon ein kritisch denkender Mensch, auch als Kind,
aber ich weiß nicht, auf wie viele Verführungen ich schon
reingefallen bin... aber genau diese Erfahrungen haben mich ja auch
zu dem gemacht, wer ich bin. Genauso wie bei Timm. Er musste
schneller erwachsen werden, hat vieles durchmachen müssen, hat
gelernt, was „Verlust“ ist, und das hat ihn gestärkt, so wie viele
Kinder heute auf der ganzen Welt, die mit traurigen und schwierigen
Situationen kämpfen, wachsen müssen, die eigentlich nicht für Kinder
bestimmt sind.

Was ist deine persönliche Superkraft gegen die Lefuets und
Teufelspakte dieser Welt?
Vielleicht meine Lust, die Dinge zu hinterfragen. Und ich fühle mich
nicht allein, ich glaub, das schützt einen ungemein vor
„Teufelspakten“, die mir die Liebe und die Menschen um mich herum
nicht ersetzen können.

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Theatervermittlung

Spielpraktische Übungen zur Vor- und Nachbereitung
Folgende Übungen sind als Anregung gedacht, mit den Schüler*innen zu
Themen des Stückes ins Gespräch und ins Spiel zu kommen. Sie können
entweder im Klassenverbund, mit Abstand oder bei Bedarf auch im
Distanzunterricht, während einer Videokonferenz, angewendet werden.

     I.    VERTRÄGE/VERPFLICHTUNGEN

TEUFELSPAKTE

Themengebiete:    Vergleich Romanvorlage/Stücktext, literarische
                  Versionen anderer „Teufelspakte“, Vor- oder
                  Nachbearbeitung des Theaterbesuchs

Input:            Die Vertragsszene zwischen Timm und Lefuet eignet
                  sich hervorragend, um mit Schüler*innen anzuschauen,
                  wie das Motiv des „Teufelspaktes“ vielfach in der
                  Literatur verwendet und von der Romanvorlage zum
                  Theatertext adaptiert wurde.

Dauer:            ca. 45 Minuten

Material:         Textausschnitte TEUFELSPAKTE aus dem Materialteil
                  weiter hinten so oft kopieren wie benötigt

Wenn die Klasse das Stück bereits gesehen hat, erinnern Sie sich
gemeinsam vorab an die Szene: Was erinnern sie aus der Szene des
Vertragsschlusses? Wo spielt sie und welche Figuren sind beteiligt?
Was verändert sich im Laufe der Szene? Wenn Sie möchten, können Sie
dazu das Bild weiter unten als Impuls verwenden.
Nun können die Schüler*innen zunächst die Romanvorlage des
Teufelspaktes und dann den Theatertext lesen. Sammeln Sie gemeinsam
Unterschiede/Gemeinsamkeiten der beiden Vertragsschließungen.
Impulse:

    Was wird im Roman erzählt, was nicht im Theatertext vorkommt?
    Und umgekehrt? Wo hat der Theatertext Veränderungen vorgenommen?
    Warum ist dies wohl so? Was macht das mit Euch?
    Wenn die Schüler*innen die Szene bereits gesehen haben: Erzählt
     die Inszenierung Details der Geschichte auch ohne Worte? Fügt

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sie ihr eigene Details hinzu? Wenn ja, wie? (Welche Mittel
   stehen einem Theaterstück zur Verfügung außer Text?)

Nun können Sie die Klasse in drei Gruppen aufteilen und jeweils eine
Gruppe zu drei unterschiedlichen „Teufelspakten“ arbeiten lassen.
Besprechen Sie vorab, dass das Thema „Handel mit dem Teufel“, bzw.
„Was sind Menschen bereit, für Macht, Reichtum oder anderes zu
verkaufen?“ Inhalt vieler, auch bereits sehr alter Romantexte ist.
Anschließend liest jede Schüler*innengruppe ihren Pakt und arbeitet
heraus, was der Inhalt des jeweiligen Tauschgeschäftes ist. Dazu
soll jede Arbeitsgruppe ein Standbild eigenständig inszenieren, in
dem der Tauschhandel wie ein Foto abgebildet wird. Welchen Moment
oder Schwerpunkt sie bei ihrem Standbild in Szene setzen, ist jeder
Gruppe selbst überlassen.
Hinterher zeigen sich die Gruppen gegenseitig ihre Standbilder (ohne
vorab zu verraten, worum es in den Texten ging). Schaffen Sie dazu
eine „Bühnen- und Publikumssituation“. Das Publikum darf einen Titel
oder Überschrift zu jedem Standbild erfinden. Erst danach erklärt
jede Gruppe den Inhalt ihres Textes und das dargestellte Bild.

VERPFLICHTUNGEN
Themengebiete:    Spielerische Annäherung an Themen des Stückes:
                  Verführbarkeit, Verpflichtung, Freiheit

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Input:            Timm ist auch deswegen verführbar durch Lefuets
                  Angebot, weil er sich dadurch erhofft, seinen
                  zahlreichen Verpflichtungen und Zwängen zu
                  entkommen. In folgendem Spiel kann sich die Gruppe
                  zu eigenen Verpflichtungen/Verführbarkeiten
                  positionieren.

Dauer:            ca. 30 Minuten

Material:         Zettel beschriften von 1-10

Wenn die Klasse das Stück oder den Roman kennt, erinnern Sie sich
gemeinsam, welche Verpflichtungen Timm hat. Wer übt alles Druck auf
ihn aus? Womit? Warum glauben die Schüler*innen, stimmt er dem Pakt
von Lefuet zu? Bitten Sie die Schüler*innen anschließend, jede*r für
sich auf einem Zettel mindestens 2 Aussagen festzuhalten, die auf
ihn*sie persönlich zutreffen. Mögliche Satzanfänge sind:

    Eine Pflicht, die ich gerne loswerden würde ist…
    Druck bedeutet, dass…
    Ich wäre freier, wenn…
    Oder andere zu dem Thema Pflicht/Verpflichtung/Freiheit…

Legen Sie nun mit den Blättern am Boden eine Skala von 1-10 und
markieren Sie davor einen Redepunkt. Bitten Sie die Schüler*innen
nacheinander vorzutreten und ihren Aussagesatz an dem Redepunkt vor
der Gruppe vorzustellen. Die restliche Gruppe positioniert sich nun
zu dieser Aussage (ohne mündliche Kommentare!) auf der Skala von 1-
10. (1= trifft auf mich persönlich gar nicht zu, 10= trifft auf mich
auch voll zu) Der*die Sprecher*in bekommt Zeit, sich die
Positionierungen zu ihrer*seiner Aussage anzusehen und darf zwei
Mitschüler*innen, deren Position ihn*sie interessiert nach Erklärung
fragen. („Warum hast du dich dort positioniert?“) Danach werden die
Positionen aufgelöst, ein*e neue*r Sprecher*in tritt vor.

     II.   GELD/MACHT

TAUSCHGESCHÄFTE
Themengebiete:    Motiv des „Teufelspakt“, Vor- und Nachbereitung des
                  Theaterbesuchs

Input:            Spielerisch kann hier die Gruppe in Verhandlung über
                  ihre eigenen Werte und Verführbarkeiten gehen

Dauer:            ca. 20 Minuten

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Material:         Vertragsvorlagen im Material kopieren

Jede*r Schüler*in notiert sich jeweils fünf Dinge, die sie sehr gut
können, an sich mögen oder andere an ihnen schätzen, auf die
ausgeteilten Vertragsvorlagen. Schaffen Sie Platz im Klassenraum, so
dass sich nun alle frei umherbewegen können, mit dem Ziel mit
anderen in Verhandlung zu kommen. Jede*r sollte ihre eigenen
„Schätze“ anpreisen und gleichzeitig schauen, was andere anbieten
und sie interessiert. Wenn sich zwei Händler*innen einig geworden
sind, wird der Vertrag auf der Vorlage eingetragen.
Nach einiger Zeit verändern Sie die Ausgangssituation, indem Sie
behaupten, dass nun nicht mehr Tausch, sondern Geld Grundlage der
Handel ist. Jede*r verfügt über ein Kapital von 100 Euro.
Besprechen Sie anschließend mit der Gruppe im Kreis, wie die
Verhandlungen abgelaufen sind.
Impulse:

    Welche „Schätze“ waren besonders begehrt?
    Wovon wollte man sich auf keinen Fall trennen?
    Wie haben sich die Verhandlungen verändert, als Geld ins Spiel
     kam?
    Wer hat sein ganzes Geld ausgegeben? Wer fast nichts gekauft?

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MACHT MINDMAP
Themengebiete:    Macht, Machtverknüpfungen, Lefuet als „System“

Input:            Bei einem „stummen Gespräch“ erstellt die Gruppe
                  gemeinsam ein großes Mindmap zum Thema Macht und
                  stellt Verbindungen her.

Dauer:            ca. 20 Minuten

Material:         unbeschriebene Blätter, ausreichend Tape oder
                  Klebeband

Als Input oder Ausgangspunkt können Sie mit der Klasse das Interview
mit der Regisseurin Aslı Kışlal lesen und speziell den Satz „Da
„Lefuet“ für mich für ein System steht, waren die Gehilfen dieses
Systems notwendig, um seine Macht zu unterstreichen.“ besprechen.
Zusätzlich kann das Bild weiter unten als Erinnerung an die Gehilfen
aus der Inszenierung herangezogen werden. Anschließend wird im Raum
Platz geschaffen und unbeschriebene Blätter, Stifte, sowie Klebeband
oder Tape an verschiedenen Punkten im Raum verteilt. In der Mitte
liegt ein beschriebenes Blatt mit dem Wort MACHT. Die Schüler*innen
werden gebeten (stumm!), gemeinsam auf dem Boden ein großes Mindmap
zu erstellen, in dem sie Dinge aufschreiben, die ihnen zu dem Wort
Macht einfallen. Mit dem Klebeband und neuen Blättern können sie
Verbindungslinien von einem geschriebenen Blatt zu einem anderen
ziehen, Blätter neu verbinden, Fragen aufschreiben, einzelne
Begriffe. Alles ist richtig, was ihnen einfällt und/oder sich auf
Worte und Gedanken im Mindmap bezieht.

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III. LACHEN/FREIHEIT

TEACH ME LAUGHTER, SAVE MY SOUL
Themengebiete:    Lachen/Freiheit, Improvisation

Input:            „Lehre mich lachen, rette meine Seele“ zitiert Timm
                  ein Sprichwort, nachdem er begonnen hat, den
                  verlorenen Wert seines Lachens zu begreifen. Diese
                  Übung ist eine Einladung, sich mit der Klasse über
                  die Bedeutung des Lachens auszutauschen.

Dauer:            ca. 45 Minuten

Material:         Material WARUM WIR LACHEN im Anhang ausdrucken

Bitten Sie die Schüler*innen, sich jeweils zu dritt zu
Arbeitsgruppen zusammenzufinden. Jede Gruppe liest gemeinsam den
Text WARUM WIR LACHEN aus dem Material und bespricht untereinander,
welche Formen des Lachens ihnen persönlich bekannt sind.
Impulse für die Gruppenarbeit:
Besprecht untereinander:

    In welchen Situationen lacht ihr?
    Was bewirkt das Lachen in dieser Situation/was verändert es?
    War euch euer Lachen schon einmal peinlich?
    Gibt es jemanden, dessen Lachen ihr (nicht) mögt? Warum?
    Habt ihr schon mal jemanden ausgelacht oder jemand euch?
    Was meint ihr, bedeutet der Satz „Teach me laughter, save my
     soul“? Was bedeutet er für euch persönlich?
Bitten Sie jede Gruppe, sich einen „Lachanlass“ auszusuchen (aus dem
Material oder eigene Erfahrungen) und dazu zu dritt eine kleine
Szene zu erfinden. Die Szene sollte einen klaren Anfang/Ende haben,
mit einem Auf- und Abtritt beginnen und deutlich machen, warum eine
Person oder mehrere lachen, bzw. wie die anderen darauf reagieren.
Installieren Sie eine Bühnen/Zuschauer*innensituation und lassen Sie
die Gruppen sich gegenseitig ihre Szenen zeigen. Im Anschluss geben
die Zuschauer*innen jeweils Feedback: Welche Funktion hatte das
Lachen in der Szene? Was war der Anlass?
Variante:
Lassen Sie die Gruppen ihre Szenen 5 Minuten neu erproben mit der
Aufgabenstellung, die Szene exakt zu wiederholen. Der einzige
Unterschied ist, dass keine der Figuren mehr lachen kann – es ist
ihnen genommen. Lassen Sie nach dem neuerlichen Zeigen der Szenen
das Publikum beschreiben, wie sich die Szene dadurch verändert hat.
Die Spieler*innen dürfen sagen, wie es sich angefühlt hat, dies zu
spielen.

            Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen   14
WARMER RÜCKEN
Themengebiete:    persönliches Feedback, Gruppendynamik, Wertschätzung

Input:            Diese Übung ist ein schöner Abschluss einer Stunde
                  für eine Gruppe.

Dauer:            ca. 10 Minuten

Material:         Pappteller oder dickes Papier, Klebeband, Stifte in
                  Klassenstärke

Besprechen Sie kurz mit der Klasse, dass es bei dieser Übung darum
geht, sich gegenseitig eine positive Rückmeldung zu geben. (Nur das
ist gefragt!) So wie Timm Thaler von seiner Umgebung das Feedback
erhält, dass sein Lachen überall beliebt ist, gibt es für jede*n von
                                            uns etwas, dass unsere
                                            Mitmenschen an uns
                                            mögen. Jede*r Schüler*in
                                            erhält nun einen Stift
                                            und einen Pappteller
                                            oder Karton, der mit
                                            Klebeband auf
                                            seinen*ihren Rücken
                                            befestigt wird.
                                              Schaffen Sie Platz im
                                              Raum. Die Schüler*innen
                                              dürfen frei, aber stumm!
                                              Durch den Raum gehen und
                                              anderen Schüler*innen
                                              eine von ihm oder ihr
                                              wertgeschätzte
                                              Eigenschaft auf den
                                              Pappteller schreiben.
                                              Jede*r muss mindestens
                                              eine Sache auf den
                                              Rücken von jedem*r
                                              Mitschüler*in
                                              geschrieben haben.
                                              Impulse:
                                              *Was mögt ihr an der
                                              anderen Person?
                                              * es kann eine
                                              Eigenschaft sein oder
                                              etwas, was diese Person
                                              tut oder gut kann etc.
Nach ca. 10 Minuten dürfen die Pappteller abgenommen und gelesen
werden.

            Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen      15
Weiterführendes Material/Links

Material und weiterführende Links:
Trickfilmserie Timm Thaler (Regie: Hans Glauert)
https://www.youtube.com/watch?v=P3NJQcM96UM

Fernsehserie Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen. 1979 (Regie:
Sigi Rothemund)
https://www.youtube.com/watch?v=1f-T6c7D5cE
https://www.youtube.com/watch?v=jHvtxDB6ThE&list=PL0CgNcbcxiM-
knepUWHV5PQGbo6XDZNLe&index=170
https://www.youtube.com/watch?v=67pEgtlEoCY&list=PLF4YShPzsFJgdF2pHT
5_x19P5BOck1KB6&index=5

Kritik zum Kinofilm Timm Thaler 2017 (Regie: Andreas Dresen)
https://www.sueddeutsche.de/kultur/timm-thaler-im-kino-hol-s-der-
teufel-1.3358888

         Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen      16
MATERIAL ZU VETRÄGE/VERPFLICHTUNGEN: TEUFELSPAKTE

James Krüss: Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen (Romanausschnitt)

         Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen    17
Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen   18
James Krüss: Timm Thaler oder Das Verkaufte Lachen (Ausschnitt
aus der Spielfassung des Staatstheater Mainz 2021)

LEFUET

Lieber Timm, du wünschst dir, dass dein Vater einen Grabstein und
einen riesigen Rosenstrauß auf sein Grab bekommt und dass deine
Mutter, was sag ich denn, Stiefmutter, genug Bienenstich essen kann
bis sie platzt, damit sie dich in Ruhe lässt, weil ihre Nerven ja
beruhigt sind, und ... was wünschst du dir noch?

TIMM

Eine größere Wohnung.

LEFUET

Quatsch, sei nicht so bescheiden, du wünscht dir ein ganzes Haus,
und vielleicht sogar ein so großes Haus,(geht um Timm herum, schiebt
das kleinere Sofa zu Timm) dass Erwins Zimmer so weit entfernt ist,
dass, wenn er in dein Zimmer kommen will, auf halbem Weg wieder
umkehrt, weil eure Zimmer so weit voneinander entfernt liegen und er
müde wird. Na, was wünschst du dir noch?

TIMM

Einen Süßigkeitenautomaten? Eine Hose? Was zu essen?

LEFUET

Mein lieber Timm. Ich kann dich reich machen. So unfassbar reich.
Indem ich dir die Fähigkeit verleihe, jede Wette zu gewinnen. So
viel du willst. Jede. Nicht nur um Geld. Ich mach das nicht
geschenkt, wir machen ein Geschäft.

TIMM

Ein richtiges Geschäft .. und .. was verlangen Sie dafür?

LEFUET

Was kann ich dafür verlangen? Och, ich verlange ... Ich verlange
dein ... Lachen ... dafür.

TIMM

         Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen      19
lacht Mehr nicht?

LEFUET

Mehr nicht. Einverstanden?

TIMM

Ich bin einverstanden. Und Sie sind sich sicher, dass Sie auch
einverstanden sind?

LEFUET

Ja klar. Aber wir machen einen Vertrag.

TIMM

„Dieser Vertrag wird zwischen Madame L. Lefuet einerseits und Herrn
Timm Thaler andererseits geschlossen und in zwei Exemplaren von
beiden Parteien unterschrieben.“ – Wieso Parteien? So wie die CDU?

LEFUET

So werden die beiden Partner in Verträgen genannt.

TIMM nickt.

„Zweitens. Herr Timm Thaler vermacht hiermit Madame L. Lefuet sein
Lachen zu beliebigem Gebrauch. Drittens. Als Entgelt für das Lachen
verpflichtet sich Madame L. Lefuet dafür zu sorgen, dass Herr Timm
Thaler jede Wette gewinnt. Dies gilt ohne Einschränkung.“

LEFUET lockend

Jede Wette, Timm, ohne Einschränkung

LEFUET

„Viertens. Beide Parteien sind verpflichtet, über diese Abmachung
vollstes Stillschweigen zu bewahren.“

„Fünftens. Für den Fall, dass eine der beiden Parteien Dritten
gegenüber diese Abmachung erwähnt und die in Punkt vier festgelegte
Verpflichtung zum Stillschweigen bricht, bleibt die andere Partei im
Genuss der Fähigkeit, zu lachen und Wetten zu gewinnen, während die

         Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen       20
schuldige Partei die Fähigkeit, zu lachen und Wetten zu gewinnen, in
vollem Umfang verliert.“

TIMM

Ich verstehe. Schweigen heißt, nein, reden … doch jetzt hab ichs
verstanden: Schweigen heißt reich sein ohne Lachen. Reden heißt: Arm
sein, aber auch ohne Lachen.

LEFUET

Genau das. Lies weiter.

TIMM

„Sechstens. Sollte der Fall eintreten, dass Herr Timm Thaler eine
Wette verliert, so verpflichtet sich Madame L. Lefuet, Herrn Timm
Thaler sein Lachen zurückzugeben. Allerdings verliert Herr Timm
Thaler damit auch die Fähigkeit, weiterhin Wetten zu gewinnen.

Siebtens. Diese Vereinbarung gilt von dem Augenblick an, in dem
beide Parteien unter die zwei Exemplare ihre Unterschrift gesetzt
haben.“

LEFUET

Ich habe schon unterschrieben. Jetzt du, Timm.

TIMM

Und falls ich eine Wette verliere, kriege ich mein Lachen zurück?

LEFUET

So ist es

TIMM

Gut(unterschreibt) Der schreibt ja rot.

LEFUET

Rot wie Blut. Ja. Beginnt zu lachen. Danke schön. Sehr schön.
Hahahaha.

TIMM

Bitte schön.

            Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen   21
LEFUET

Versteck es gut. Wenn irgendjemand den Vertrag sieht, dann hahahah…
hast du die Schweigepflicht gebrochen. Dann hast du gar nichts mehr.

         Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen        22
Adelbert von Chamisso: Peter Schlemihls wundersame Geschichte (1813)

 »Möge der Herr meine Zudringlichkeit entschuldigen, wenn ich es wage,
ihn so unbekannter Weise aufzusuchen, ich habe eine Bitte an ihn.
Vergönnen Sie gnädigst –« – »Aber um Gotteswillen, mein Herr!« brach
ich in meiner Angst aus, »was kann ich für einen Mann tun, der –« wir
stutzten beide, und wurden, wie mir däucht, rot.
 Er nahm nach einem Augenblick des Schweigens wieder das Wort:
»Während der kurzen Zeit, wo ich das Glück genoß, mich in Ihrer Nähe
zu befinden, hab ich, mein Herr, einige Mal – erlauben Sie, daß ich
es Ihnen sage – wirklich mit unaussprechlicher Bewunderung den
schönen, schönen Schatten betrachten können, den Sie in der Sonne, und
gleichsam mit einer gewissen edlen Verachtung, ohne selbst darauf zu
merken, von sich werfen, den herrlichen Schatten da zu Ihren Füßen.
Verzeihen Sie mir die freilich kühne Zumutung. Sollten Sie sich wohl
nicht abgeneigt finden, mir diesen Ihren Schatten zu überlassen?«
 Er schwieg, und mir gings wie ein Mühlrad im Kopfe herum. Was sollt
ich aus dem seltsamen Antrag machen, mir meinen Schatten abzukaufen?
Er muß verrückt sein, dacht ich, und mit verändertem Tone, der zu der
Demut des seinigen besser paßte, erwiderte ich also:
 »Ei, ei! guter Freund, habt Ihr denn nicht an Eurem eignen Schatten
genug? das heiß ich mir einen Handel von einer ganz absonderlichen
Sorte.« Er fiel sogleich wieder ein: »Ich hab in meiner Tasche manches,
was dem Herrn nicht ganz unwert scheinen möchte; für diesen
unschätzbaren Schatten halt ich den höchsten Preis zu gering.«
 Nun überfiel es mich wieder kalt, da ich an die Tasche erinnert ward,
und ich wußte nicht, wie ich ihn hatte guter Freund nennen können. Ich
nahm wieder das Wort, und suchte es, wo möglich, mit unendlicher
Höflichkeit wieder gut zu machen.
 »Aber, mein Herr, verzeihen Sie Ihrem untertänigsten Knecht. Ich
verstehe wohl Ihre Meinung nicht ganz gut, wie könnt ich nur meinen
Schatten – –« Er unterbrach mich: »Ich erbitte mir nur Dero Erlaubnis,
hier auf der Stelle diesen edlen Schatten aufheben zu dürfen und zu
mir zu stecken; wie ich das mache, sei meine Sorge. Dagegen als Beweis
meiner Erkenntlichkeit gegen den Herrn, überlasse ich ihm die Wahl
unter allen Kleinodien, die ich in der Tasche bei mir führe: die ächte
Springwurzel, die Alraunwurzel, Wechselpfennige, Raubtaler, das
Tellertuch von Rolands Knappen, ein Galgenmännlein zu beliebigem
Preis; doch, das wird wohl nichts für Sie sein: besser, Fortunati
Wünschhütlein, neu und haltbar wieder restauriert; auch ein
Glücksseckel, wie der seine gewesen.« – »Fortunati Glücksseckel«, fiel
ich ihm in die Rede, und wie groß meine Angst auch war, hatte er mit
dem einen Wort meinen ganzen Sinn gefangen. Ich bekam einen Schwindel,
und es flimmerte mir wie doppelte Dukaten vor den Augen.
 »Belieben gnädigst der Herr diesen Seckel zu besichtigen und zu
erproben.« Er steckte die Hand in die Tasche und zog einen mäßig
großen, festgenähten Beutel, von starkem Korduanleder, an zwei
tüchtigen ledernen Schnüren heraus und händigte mir selbigen ein. Ich
griff hinein, und zog zehn Goldstücke daraus, und wieder zehn, und
wieder zehn, und wieder zehn; ich hielt ihm schnell die Hand hin:
»Topp! der Handel gilt, für den Beutel haben Sie meinen Schatten.« Er
schlug ein, kniete dann ungesäumt vor mir nieder, und mit einer

          Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen     23
bewundernswürdigen Geschicklichkeit sah ich ihn meinen Schatten, vom
Kopf bis zu meinen Füßen, leise von dem Grase lösen, aufheben,
zusammenrollen und falten, und zuletzt einstecken. Er stand auf,
verbeugte sich noch einmal vor mir, und zog sich dann nach dem
Rosengebüsche zurück. Mich dünkt', ich hörte ihn da leise für sich
lachen. Ich aber hielt den Beutel bei den Schnüren fest, rund um mich
her war die Erde sonnenhell, und in mir war noch keine Besinnung.

Aus: Projekt Gutenberg
https://www.projekt-gutenberg.org/chamisso/schlemil/schlemil.html

         Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen      24
Wilhelm Hauff: Das kalte Herz.(1828)

 Was, sag an, was hat dir wehe getan?«
 »Mein Herz«, sprach Peter, indem er die Hand auf die pochende Brust
preßte, denn es war ihm, als ob sein Herz sich ängstlich hin und her
wendete.
 »Du hast, nimm mir es nicht übel, du hast viele hundert Gulden an
schlechte Bettler und anderes Gesindel weggeworfen; was hat es dich
genützt? Sie haben dir dafür Segen und einen gesunden Leib gewünscht;
ja, bist du deswegen gesünder geworden? Um die Hälfte des
verschleuderten Geldes hättest du einen Arzt gehalten. Segen, ja ein
schöner Segen, wenn man ausgepfändet und ausgestoßen wird! Und was war
es, das dich getrieben, in die Tasche zu fahren, sooft ein Bettelmann
seinen zerlumpten Hut hinstreckte? – Dein Herz, auch wieder dein Herz,
und weder deine Augen noch deine Zunge, deine Arme noch deine Beine,
sondern dein Herz; du hast dir es, wie man richtig sagt, zu sehr zu
Herzen genommen.«
 »Aber wie kann man sich denn angewöhnen, daß es nicht mehr so ist?
Ich gebe mir jetzt alle Mühe, es zu unterdrücken, und dennoch pocht
mein Herz und tut mir wehe.«
 »Du freilich,« rief jener mit Lachen, »du armer Schelm, kannst nichts
dagegen tun; aber gib mir das kaum pochende Ding, und du wirst sehen,
wie gut du es dann hast.«
 »Euch, mein Herz?« schrie Peter mit Entsetzen, »da müßte ich ja
sterben auf der Stelle! Nimmermehr!«
 »Ja, wenn dir einer eurer Herren Chirurgen das Herz aus dem Leib
operieren wollte, da müßtest du wohl sterben; bei mir ist dies ein
anderes Ding; doch komm herein und überzeuge dich selbst!« Er stand
bei diesen Worten auf, öffnete eine Kammertüre und führte Peter hinein.
Sein Herz zog sich krampfhaft zusammen, als er über die Schwelle trat,
aber er achtete es nicht, denn der Anblick, der sich ihm bot, war
sonderbar und überraschend. Auf mehreren Gesimsen von Holz standen
Gläser, mit durchsichtiger Flüssigkeit gefüllt, und in jedem dieser
Gläser lag ein Herz; auch waren an den Gläsern Zettel angeklebt und
Namen darauf geschrieben, die Peter neugierig las; da war das Herz des
Amtmanns in F., das Herz des dicken Ezechiel, das Herz des
Tanzbodenkönigs, das Herz des Oberförsters; da waren sechs Herzen von
Kornwucherern, acht von Werbeoffizieren, drei von Geldmäklern – kurz,
es war eine Sammlung der angesehensten Herzen in der Umgegend von
zwanzig Stunden.
 »Schau!« sprach Holländer-Michel, »diese alle haben des Lebens
Ängsten und Sorgen weggeworfen; keines dieser Herzen schlägt mehr
ängstlich und besorgt, und ihre ehemaligen Besitzer befinden sich wohl
dabei, daß sie den unruhigen Gast aus dem Hause haben.«
 »Aber was tragen sie denn jetzt dafür in der Brust?« fragte Peter,
den dies alles, was er gesehen, beinahe schwindeln machte.
 »Dies«, antwortete jener und reichte ihm aus einem Schubfach – ein
steinernes Herz.
 »So?« erwiderte er und konnte sich eines Schauers, der ihm über die
Haut ging, nicht erwehren. »Ein Herz von Marmelstein? Aber, horch

          Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen     25
einmal, Herr Holländer-Michel, das muß doch gar kalt sein in der
Brust.«
 »Freilich, aber ganz angenehm kühl. Warum soll denn ein Herz warm
sein? Im Winter nützt dir die Wärme nichts, da hilft ein guter
Kirschgeist mehr als ein warmes Herz, und im Sommer, wenn alles schwül
und heiß ist, – du glaubst nicht, wie dann ein solches Herz abkühlt.
Und wie gesagt, weder Angst noch Schrecken, weder törichtes Mitleiden
noch anderer Jammer pocht an solch ein Herz.«
 »Und das ist alles, was Ihr mir geben könnet?« fragte Peter unmutig;
»ich hoff auf Geld, und Ihr wollet mir einen Stein geben!«
 »Nun, ich denke, an hunderttausend Gulden hättest du fürs erste
genug. Wenn du es geschickt umtreibst, kannst du bald ein Millionär
werden.«
 »Hunderttausend?« rief der arme Köhler freudig. »Nun, so poche doch
nicht so ungestüm in meiner Brust, wir werden bald fertig sein
miteinander. Gut, Michel; gebt mir den Stein und das Geld, und die
Unruh könnet Ihr aus dem Gehäuse nehmen!«
 »Ich dachte es doch, daß du ein vernünftiger Bursche seist,«
antwortete der Holländer freundlich lächelnd; »komm, laß uns noch eins
trinken, und dann will ich das Geld auszahlen.«
 So setzten sie sich wieder in die Stube zum Wein, tranken und tranken
wieder, bis Peter in einen tiefen Schlaf verfiel.

 Kohlenmunk-Peter    erwachte   beim   fröhlichen   Schmettern   eines
Posthorns, und siehe da, er saß in einem schönen Wagen, fuhr auf einer
breiten Straße dahin, und als er sich aus dem Wagen bog, sah er in
blauer Ferne hinter sich den Schwarzwald liegen. Anfänglich wollte er
gar nicht glauben, daß er es selbst sei, der in diesem Wagen sitze.
Denn auch seine Kleider waren gar nicht mehr dieselben, die er gestern
getragen; aber er erinnerte sich doch an alles so deutlich, daß er
endlich sein Nachsinnen aufgab und rief: »Der Kohlenmunk-Peter bin
ich, das ist ausgemacht, und kein anderer.« Er wunderte sich über sich
selbst, daß er gar nicht wehmütig werden konnte, als er jetzt zum
erstenmal aus der stillen Heimat, aus den Wäldern, wo er so lange
gelebt, auszog; selbst nicht, als er an seine Mutter dachte, die jetzt
wohl hilflos und im Elend saß, konnte er eine Träne aus dem Auge
pressen oder nur seufzen, denn es war ihm alles so gleichgültig. »Ach
freilich,« sagte er dann, »Tränen und Seufzer, Heimweh und Wehmut
kommen ja aus dem Herzen, und dank dem Holländer-Michel, – das meine
ist kalt und von Stein.«

Projekt Gutenberg
https://www.projekt-gutenberg.org/hauff/maerchen/chap023.html

         Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen     26
MATERIAL ZU MACHT/GELD: TAUSCHGESCHÄFTE

  Vertrag
  Zwischen:                   und

  Wir tauschen hiermit:

  Unterschriften:

  Vertrag
  Zwischen:                   und

  Wir tauschen hiermit:

  Unterschriften:

  Vertrag
  Zwischen:                   und

  Wir tauschen hiermit:

  Unterschriften:

              Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen   27
WARUM WIR LACHEN Aus dem Programmheft von Lucia Kramer

Wer schon einmal versucht hat, ein passendes Lach-Emoji per
Messenger zu versenden, stößt schnell an die Grenzen dieser
Kommunikation – obwohl gar nicht wenige Emojis zur Auswahl stehen:
mit blitzenden Zähnen, aufgerissenen oder zusammengekniffenen Augen,
Schweißperle auf der Stirn oder Tränen in den Augenwinkeln. Aber wie
sieht ein Emoji aus, das ein Lachen aus Dankbarkeit darstellt oder
ein trauriges Lächeln? Im ersten Moment assoziieren wir Lachen
schlicht mit Freude, Glück und Leichtigkeit. Dabei kann es in
Verbindung mit sehr unterschiedlichen Gefühlen vorkommen.
Wir lachen viele Male am Tag. Wir lachen mit anderen, um uns mit
ihnen zu verbinden, oder über sie, um uns abzugrenzen. Im besten
Falle lachen wir auch über uns selbst.
Wir lachen unwillkürlich, ohne es zu wollen. Wir lachen aus
Höflichkeit, ohne es zu meinen. Wir lachen, weil andere es von uns
erwarten. Wir lachen für die Kamera, weil wir uns und anderen
gefallen wollen. Wir lachen lauthals oder hinter vorgehaltener Hand.
Wir lachen uns ins Fäustchen.
Wir lassen uns vom Lachen anderer anstecken. Wir lachen
kopfschüttelnd, zähneknirschend und augenverdrehend. Wir lachen
schallend, brüllend, herzlich, kieksend oder glucksend. Wir kugeln
und biegen uns vor Lachen.
Wir lachen uns einen Ast ab. Wir lachen, weil wir uns an etwas
erinnern oder weil wir etwas beobachten. Wir lachen aus Unsicherheit
oder voll Selbstvertrauen. Wir lachen spöttisch, höhnisch,
herablassend, traurig oder zynisch. Wir lachen, um zu provozieren
und um andere auf ihren Platz zu verweisen.
Wir lachen, um unsere Traurigkeit zu verbergen. Wir lachen gegen die
Schwermut an, gegen die Angst oder gegen die Ohnmacht. Wir lachen
voll Bitterkeit oder voll Wärme. Wir lachen aus Erleichterung, nach
überstandener Gefahr. Wir lachen trotz der Krise. Wir lachen uns
gesund.

          Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen      28
Kontakte

Ansprechpartnerin                   Ticketbuchung und Termine:
Timm Thaler
oder das verkaufte Lachen           Stefanie Bigge / Barbara Walter
                                    Gruppenbetreuung
Catharina Lecerf                    T 06131 2851-226
Theatervermittlerin                 gruppenbetreuung@staatstheater-
T 06131 2851-256                    mainz.de
clecerf@staatstheater-
mainz.de

Weitere Ansprechpartner*innen Theatervermittlung:

Annika Rink
Leitung der Theatervermittlung
T 06131 2851-151
arink@staatstheater-mainz.de

Rebekka Gebert
Musiktheatervermittlerin
T 06131 2851-174
rgebert@staatstheater-mainz.de

Marina Grün
Tanzvermittlerin/tanzmainz schule
T 06131 2851-153
mgruen@staatstheater-mainz.de

Anna Stoß
Theatervermittlerin Schauspiel
T 06131 2851-257
astoss@staatstheater-mainz.de

Lucia Kramer
Schauspieldramaturgin mit Schwerpunkt justmainz
T 06131 2851-156
lkramer@staatstheater-mainz.de

Ates Yilmaz
Konzertpädagoge
ayilmaz@staatstheater-mainz.de

Staatstheater Mainz
Gutenbergplatz 7
55116 Mainz
T 06131 2851-0
www.staatheater-mainz.com

        Begleitmaterial Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen     29
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