Beitrag: Abzocke an der Tankstelle? - Wem nutzen die neuen Benzinpreis-Apps?

 
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Beitrag: Abzocke an der Tankstelle? – Wem
         nutzen die neuen Benzinpreis-Apps?

Sendung vom 14. Januar 2014

von Andreas Halbach und Christian Rohde

Anmoderation:
Tanken Sie - ganz egal, was Benzin gerade kostet? Oder suchen
Sie nach der billigsten Tankstelle? Dann können Sie es jetzt die
neuen Benzinpreis-Apps nutzen. Denn geänderte Preise müssen
seit kurzem sofort der sogenannten Markttransparenzstelle
gemeldet werden: Hat die vorige Regierung in Zeiten höchster
Spritpreise so verordnet. Und gab vor, Verbraucher nun endlich
vor Abzocke zu schützen. Was sich leider als Unfug erweist.
Denn in Wahrheit haben es Mineralölkonzerne jetzt noch leichter,
Profit zu machen - zeigen Andreas Halbach und Christian Rohde.

Text:
Der Shell-Autohof an der A93 im Fichtelgebirge. Seit gut 100
Tagen muss diese, wie alle deutschen Tankstellen, jede
Preisänderung sofort ans Kartellamt melden, an die sogenannte
„Markttransparenzstelle für Kraftstoffe“.

Auch Rolf Küstner liefert fleißig Daten. Der Tankstelleninhaber
aber hält den Aufwand für völlig übertrieben und nutzlos für den
Autofahrer.

O-Ton Rolf Küstner, Tankstellen-Inhaber:
Früher hatten wir einfach drei Änderungen am Tag. Das liegt
daran, dass wir halt dreimal am Tag gemeldet haben und
unser Marktgebiet beobachtet haben. Und heute haben wir
sieben bis acht Änderungen. Das zeigt eigentlich, dass die
Mineralölgesellschaften dieses Instrument
Markttransparenzstelle benutzen, um hier noch mehr Marge
herbeizuführen.

Seitdem alle Kraftstoffpreise dem Staat gemeldet werden
müssen, braucht Küstner ein neues Arbeitsmittel, eine
Tankstellen-App. Auf der beobachtet er andauernd die
Konkurrenz in näherer Umgebung und meldet deren Preise an die
Shell-Zentrale.
Der Effekt: Als eine Nachbartankstelle um einen Cent reduziert,
reagiert Shell nur wenige Minuten später - zieht mit der
Konkurrenz gleich. Was nach Wettbewerb aussieht, ist in
Wahrheit Preisanpassung auf möglichst hohem Niveau. Das führt
zu Preissprüngen - oft im Stundentakt.

O-Ton Rolf Küstner, Tankstellen-Inhaber:
15 Cent Preissprünge pro Tag. Das kann ich meinen Kunden
auch nicht mehr erklären. Die sind dann so stinksauer, dass
sie bei mir nichts mehr im Shop kaufen. Da verlier‘ ich auch
wieder dabei. Der Kunde muss es teuer an der Zapfsäule
bezahlen und die Gewinner sind einfach die
Mineralölgesellschaften - Verlierer der Autofahrer.

Dabei sollte die Transparenzstelle für mehr Wettbewerb, im
besten Fall für sinkende Preise sorgen.

Rückblick: Frühjahr 2012 - Spritpreise so hoch wie nie – mehr als
1,70 Euro der Liter Super. Dem Autovolk reicht´s, die Regierung
muss was tun, Schwarz-Gelb verkündet die Einführung der
Marktransparenzstelle.

O-Ton Phillip Rösler, FDP, ehemaliger
Bundeswirtschaftsminister, am 2.5.2012:
Wir wollen den Wettbewerb stärken. Das gelingt mit dieser
Markttransparenzstelle. Künftig wird das Kartellamt schneller
sein, effektiver sein, wenn es darum geht, Preismissbrauch
aufzudecken.

O-Ton Axel Graf Bülow, Bundesverband Freier Tankstellen:
Und bei dem, was rausgekommen ist, muss man sagen: Es
hat der Berg gekreißt und die Maus ist geboren worden, das
ist völlig klar. Allerdings hat man auch falsche Erwartungen
geschürt. Die Erwartungen, im Markt billigere Preise zu
sehen, sind von der Markttransparenzstelle nicht erfüllt
worden, konnten sie auch nicht.

Von Anfang an kritisieren Experten die Pläne der Politik. Die
Monopolkommission hält eine Markttransparenzstelle für „recht
wirkungslos“.

O-Ton Klaus Barthel, SPD, MdB:
Das war ja auch in den Debatten des Bundestags, aber auch
bei den Anhörungen vorher schon klar, der Populismus hat
sich hier durchgesetzt.

Ein Vorwurf, der sich auch gegen das Bundeskartellamt richtet.

O-Ton Frontal21:
Was entgegnen Sie diesem Argument des Populismus?
O-Ton Andreas Mundt, Präsident Bundeskartellamt:
Wir glauben, dass die Markttransparenzstelle schon in der
Lage ist, zwischen den Mineralölunternehmen auf der einen
Seite und den Autofahrern auf der anderen Seite mehr
Waffengleichheit herzustellen.

Waffengleichheit? Was nutzt dem Verbraucher all die
Transparenz, wenn das nicht zu mehr Wettbewerb, sondern zur
Gleichmacherei von Preisen führt?
Die Shell-Tankstelle von Rolf Küstner im Fichtelgebirge. Ihr
Tagestiefpreis für Diesel: 1,379 Euro. Die Konkurrenz zur selben
Zeit - alle gleich, auf den Zehntel Cent genau.

Marketingexperte Holger Haedrich hat das kommen sehen. In
einer Studie mit der Universität St. Gallen sagte er voraus: Die
Mineralölkonzerne werden die staatlich verordnete
Preisbeobachtung ausnutzen.

So sieht es gerade in Berlin aus: nahe beieinander liegende
Tankstellen mit fast identischen Preisen.

O-Ton Holger Haedrich, Studienleiter und Marketingexperte:
Ich würde jetzt bewerten, dass die Markttransparenzstelle
den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben hat. Das heißt,
wir haben ein Instrument geschaffen, was gut gemeint ist,
aber was eben in der Realität dazu führt, dass sich die
Konzerne stärker abstimmen können und der Verbraucher
am Schluss nachher in die Röhre schaut, weil er eben nur
ganz minimale Preisdifferenzen hat, zwischen denen er
entscheiden kann.

Der ADAC hat herausgefunden, dass die Preise neuerdings
täglich gleichen Mustern folgen. Benzin und Diesel sind den
Nachtstunden am teuersten. Erst vom frühen Morgen an sinken
die Preise schrittweise. Den tiefsten Stand erreichen sie zwischen
17 und 19 Uhr. Dann kann der Liter Kraftstoff rund fünf Cent
preiswerter sein. Danach steigen die Preise wieder steil an -
überall.

Früher sorgten freie Tankstellen mit Kampfpreisen für
Wettbewerb. Auch das fiel der staatlich verordneten
Markttransparenz zum Opfer.

O-Ton Axel Graf Bülow, Bundesverband Freier Tankstellen:
Die Zeitspanne, in der freie Tankstellen günstiger waren als
große Tankstellenmarken, sind kürzer geworden, weil
natürlich die größeren Marken sich in der
Markttransparenzstelle informieren können, wie der
Wettbewerb die freien Tankstellen im Markt dastehen.

Kein Wunder, dass der Verband der großen Mineralölkonzerne
nach anfänglicher Skepsis die Transparenzstelle jetzt lobt.
O-Ton Alexander von Gersdorff, Sprecher
Mineralölwirtschaftsverband:
Wir bewerten die Markttransparenzstelle positiv. Der
Verbraucher hat jetzt ein wirkungsvolles, effizientes
Instrument an der Hand, um ganz schnell die günstigsten
Benzin- und Dieselpreise in seiner Umgebung zu finden.

An der Marktbeherrschung der fünf großen
Mineralölgesellschaften ändert die Transparenzstelle gar nichts.
Die Großen haben alles in der Hand: von der Erdölforderung über
die Raffinerien bis zu den Tankstellen.

Beispiel: der BP-Konzern mit seiner deutschen Tochter Aral.
Frontal21 liegt ein brancheninternes Papier vor. Darin beklagen
Aral-Pächter die Preispolitik und die hohen Gewinnerwartung der
Muttergesellschaft BP in London,

Zitat:
„Es sieht für uns derzeit so aus, dass die hohen
Tankstellenmargen das Not leidende Raffineriegeschäft
subventionieren müssen, damit die vorgegebene Marge im
Gesamtgeschäft erreicht werden kann.“

O-Ton Achim Hirsch, Unternehmensberater für
Tankstellenpächter:
Grundsätzlich kann man sagen, dass die
Tochtergesellschaften der großen Mineralölkonzerne, die alle
ihren Sitz im Ausland haben, eine Gesamtmarge vorgegeben
bekommen. Diese Gesamtmarge müssen sie am Jahresende
erreichen. Schaffen sie es nicht, weil die Transportkosten
steigen und den Gewinn schmälern, die Rohölpreise steigen
und den Gewinn schmälern, dann kommt der Benzinpreis ins
Spiel, dann werden die Preise angehoben und der
Autofahrer, der hat die Zeche zu bezahlen, damit am Ende
des Jahres die Gesamtmarge für den Konzern stimmt.

Aral bestreitet das auf Nachfrage.

Wirtschaftspolitiker von Opposition und Regierung halten die
Transparenzstelle für gescheitert. Helfen könne nur die
Entflechtung der marktbeherrschenden Konzerne.

O-Ton Kerstin Andreae, B´90/Grüne, MdB, stellvertretende
Fraktionsvorsitzende:
Das Kartellamt muss die Möglichkeit haben,
marktbeherrschende Anbieter zum Verkauf von
Unternehmensteilen zwingen, Regelungen die es in den USA
schon gibt.

O-Ton Klaus Barthel, SPD, MdB:
Das Kartellamt schaut mit großem Aufwand auf die falsche
Stelle, auf die unwichtigste Stelle, und kapituliert vor den
wirklichen Machtstrukturen auf den Rohstoffmärkten.

Und so machen die Konzerne weiter, was sie wollen. Auch an der
Station im Fichtelgebirge. Dort beginnt um Punkt 20 Uhr die
Preisspirale aufs Neue: Satte sieben Cent pro Liter geht’s nach
oben. - Alles schön transparent.

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