Beitrag: Die Flutkatastrophe-Manuskript
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Manuskript Beitrag: Die Flutkatastrophe – Lektionen des Hochwassers Sendung vom 20. Juli 2021 von Arndt Ginzel, Anne Herzlieb und Martina Morawietz Anmoderation: Wir müssen jetzt dieses und jenes tun – und zwar sofort. Forderungen und viele Worte – das gab's genauso nach der sogenannten Jahrhundertflut, dem Elbhochwasser 2002. Danach wurde zwar tatsächlich das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gegründet, kurz: BBK. Aber sonst? "Wir haben alles richtig gemacht", tönte damals in Sachsen die Talsperrenverwaltung. „Der Katastrophenschutz ist bei den Kommunen richtig angesiedelt", hieß es aus der Landesregierung. Man müsse aber über ein bundeseinheitliches Gefahrenkataster und Warnsystem nachdenken, bemängelten die Kritiker. Noch mal: alles Zitate von 2002, also vor 19 Jahren. Lektion gelernt? Ein frontal-Team schaut sich in Sachsen und in Bayern um. Text: Handy-Aufnahmen aus dem Ort Krippen in der Sächsischen Schweiz, vergangenen Samstag. Der Krippenbach, ein Nebenfluss der Elbe, ist zu einem reißenden Strom angeschwollen. Sicherungsarbeiten, drei Tage danach. Am Ortsrand versucht das Technische Hilfswerk, das Wasser in das alte Bachbett zurückzuleiten - ein mühsames Unterfangen. O-Ton Ralf Steuber, Technisches Hilfswerk Pirna: Na ja, wir haben hier kleine Bäche, die relativ schnell sehr steil mit viel Wasser ankommen. Hier ist es innerhalb von zwei Stunden ist es quasi von null auf zwei Meter hoch. Die Menschen in der Sächsischen Schweiz kennen Hochwasser: die sogenannte Jahrhundertflut, August 2002.
Damals erreichte die Elbe nach extremen Regenfällen Rekordpegelstände. Gebirgsbäche verwandelten sich in reißende Ströme, walzten sich durch die Ortschaften. Heute, fast 20 Jahre später, sehen sich die Katastrophenhelfer besser aufgestellt. O-Ton Ralf Mancke, Technisches Hilfswerk Dresden: Bei uns, die Sirenen funktionieren sehr zuverlässig. Und wenn jemand alarmiert, dann nehmen die Leute das auch ernst. Der Katastrophenschutz, da ist auch sehr viel Geld reingesteckt worden. Wir haben auch neue Technik, neue Fahrzeuge, die Alarmierungswege funktionieren besser. Doch Uta und Ulrich Wünsche fühlen sich im Stich gelassen - Aufräumarbeiten mit Helfern bei ihrem Getränkehandel. Das Katastrophenmanagement hat überhaupt nicht funktioniert, sagen sie uns. O-Ton Ulrich Wünsche, Krippen: Obwohl wir am Samstag 17.31 Uhr die 112 angerufen haben. Bis heute ist noch gar keiner von der Feuerwehr hier gewesen. Der Feuerwehrhauptmann ist bis dort drüben gewesen und hat gefragt, ob die Brücke noch hält. O-Ton frontal: Und sind Sie vorher mal gewarnt worden, oder? O-Ton Ulrich Wünsche, Krippen: Von wem? O-Ton frontal: Ich weiß nicht, das wäre ja meine Frage. Also, es hieß ja eigentlich - Sirene oder irgendwas? O-Ton Uta Wünsche, Krippen: Wir haben angerufen, 17.02 Uhr, und dann ging eigentlich danach die Sirene. Für sie kam die Warnung zu spät, wie für viele Nachbarn – die Zerstörungen an ihren Häusern und Straßen immens. Auch im benachbarten Reinhardtsdorf beklagt der Bürgermeister Millionenschäden. O-Ton Andreas Heine Bürgermeister Reinhardtsdorf-Schöna: Wir sind sehr hart betroffen. Das habe ich in den letzten Hochwassern nicht erlebt, den Schaden, den es hier angerichtet hat. Mitten im Interview unterbricht uns ein Anwohner:
O-Ton Andreas Heine, Bürgermeister von Reinhardtsdorf- Schöna: Kannst du nicht später noch mal zu mir in die Gemeinde kommen? Ich bin dann verfügbar, in den Gemeinderäumen. O-Ton Christoph Büttner, Reinhardtsdorf-Schöna: Geht schlecht, weil unsere Mühle hier unten am schlimmsten mit betroffen ist - werden Sie ja wissen. O-Ton Andreas Heine, Bürgermeister Reinhardtsdorf-Schöna: Ja. O-Ton Christoph Büttner, Reinhardtsdorf-Schöna: Millionenschaden. O-Ton Andreas Heine, Bürgermeister Reinhardtsdorf-Schöna: Das glaube ich. O-Ton Christoph Büttner, Reinhardtsdorf-Schöna: Mehrere Millionen. Christoph Büttner und sein Bruder sind verzweifelt, wollen uns die Schäden zeigen. Sie führen uns in den Hirschgrund, ein Tal in der Nähe des Orts. Dort hat das Unwetter ganze Abhänge zum Einsturz gebracht: umgestürzte Bäume, unpassierbare Straße, lebensgefährlich. Wir kommen nur noch zu Fuß weiter. Die alte Mühle, 1857 erbaut, ein Baudenkmal, seit Generationen im Familienbesitz. Das Hochwasser hat Teile des Grundstücks weggerissen. O-Ton Jürgen Büttner, Reinhardtsdorf-Schöna: Hier ist alles fort. Die Riesenmauern, die hier waren, die Anschluss hatten an die Mauer hier - ist alles fort. Der Bach hat das Fundament der Mühle freigelegt. Sie droht einzustürzen. Das Unwetter in der Sächsischen Schweiz hat Millionenschäden verursacht. Es reicht wohl nicht, wenn am Tag der Katastrophe die Sirenen heulen. Es sind Bilder der Verwüstung an Tag eins nach der Flutwelle. Das Wasser riss die Bobbahn am bayerischen Königssee einfach mit sich. Die Wassermassen spülten Geröll aus den Bergen hinunter ins Tal – mit ungeheurer Wucht.
Schlammlawinen brechen durch Fenster und Türen, schieben sich durchs Wohnzimmer dieses Hauses - bis unten in den Ort Schönau. Monika und Mexhid Sllamniku müssen die nächste Nacht bei Verwandten verbringen. Der Ort Schönau wird evakuiert. O-Ton Monika Sllamniku, Schönau am Königssee: Wir sind froh, dass alle hier überlebt haben, dass keiner zu Schaden gekommen ist, jetzt körperlich - das Materielle natürlich, man hat Angst, wir wissen noch nicht, was uns morgen erwartet, wenn das weiter so regnet. Heftige Unwetter und Überschwemmungen, die seien sie im Berchtesgadener Land gewohnt, nicht aber in dieser Heftigkeit. O-Ton Anton Brandner, Einsatzleiter Hochwassergeschehen Berchtesgadener Land: Extreme Wetter mit Einsatz-Szenarien, die einen Katastrophenfall erfordern, habe ich selbst jetzt schon viermal miterlebt, insofern ist das Routine. Aber es kommt gefühlt immer öfter, die Abstände zwischen solchen Ereignissen werden kürzer und die Heftigkeit nimmt zu. Am Tag danach traut sich Monika Sllamniku zurück. Die Gerölllawine hat das Erdgeschoss ihres Hauses mit Schutt und Schlamm unter sich begraben. Die Bundeswehr hilft vor Ort. O-Ton Monika Sllamniku, Schönau am Königssee: Das muss halt alles abgetragen werden, weil einfach - uns wurde gesagt - der Druck zu groß ist aufs Haus. Feuerwehrkommandant Sebastian Walch auf dem Weg zu der Stelle, an der die Gerölllawine runterkam - zum ersten Mal in diesem heftigen Ausmaß. Nun wird am Fuße des Berges ein riesiges Loch in die Erde gebuddelt. Kommt die nächste Lawine, soll sie so aufgehalten werden – ein Provisorium, denn das geht schnell. O-Ton Sebastian Walch, Kommandant, Freiwillige Feuerwehr Schönau: Ich gehe davon aus, dass das eigentlich Ende der Woche zum Großteil erledigt ist, das provisorische Auffangbecken. Also alles, was – ich sage mal - Ingenieurbau ist, geht nicht. O-Ton frontal: Ingenieurbau, das kommt anschließend?
O-Ton Sebastian Walch, Kommandant, Freiwillige Feuerwehr Schönau: Das kommt dann anschließend. Das dauert halt. Das muss geplant werden, da braucht es eine Statik dazu. O-Ton frontal: Das braucht Zeit? O-Ton Sebastian Walch, Kommandant, Freiwillige Feuerwehr Schönau: Das braucht Zeit! Schon seit Jahren will Bürgermeister Hannes Rasp den Hochwasserschutz in seiner Gemeinde verstärken. Diese leer stehenden Hotels liegen direkt am Königssee und sollen einem neuen Hotelkomplex weichen. Bedingung: Der neue Hotelbetreiber soll die Hochwasserschutzmaßnahmen finanzieren. O-Ton Hannes Rasp, CSU, Bürgermeister Schönau am Königssee: Wenn sich der Freistaat Bayern nicht bewegt, dann muss der Hotelbetreiber das bezahlen. Mein Wunsch wäre eine Zusammenarbeit zwischen Freistaat Bayern, Gemeinde und Hotelbetreiber, dass man eine Kompromisslösung findet, weil dieser Hochwasserschutz nicht nur einem Objekt dient, sondern einem Ortsgebiet, einem Ortsteil dient. Und das kann eigentlich nicht Aufgabe eines Hotelbetreibers sein. Die bayerische Landesregierung stellt bis zu 50 Millionen Euro Soforthilfe für die Flutopfer bereit, will mehr in den Hochwasserschutz investieren - denn klar ist: Auch in Schönau am Königssee wird dieses Hochwasser nicht das letzte gewesen sein. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.
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