Bekämpfung von sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz in den Sektoren Landwirtschaft, Lebensmittel, Tourismus und Hausangestellte - EFFAT
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Bekämpfung von sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz in den Sektoren Landwirtschaft, Lebensmittel, Tourismus und Hausangestellte Studie durchgeführt von Dr. Barbara Helfferich und Dr. Paula Franklin im Auftrag der Europäischen Föderation der Gewerkschaften in den Sektoren Lebensmittel, (EFFAT) im Rahmen eines von der Europäischen Union kofinanzierten Projekts Finanzhilfevereinbarung VS/2019/0035
2 Inhaltsverzeichnis Schlussfolgerungen und Empfehlungen Seite 5 1 2 3 4 Zweckbestimmung Methodik Rahmen der Studie Definition des der Studie Seite 14 Seite 15 Problems: Gewalt, Seite 13 geschlechtsspezifische 3.1 Gewalt, sexuelle Gleichstellung der Belästigung und Geschlechter und Gewalt durch Dritte EFFAT-Bemühungen am Arbeitsplatz zur Bekämpfung Seite 18 und Prävention von sexueller Belästigung 4.1 und Gewalt am Gewalt und Arbeitsplatz Belästigung am Seite 16 Arbeitsplatz Seite 20 4.1.1 Geschlechtsspezifische Gewalt (Gewalt gegen Frauen) Seite 22 4.1.2 Sexuelle Belästigung Seite 23 4.1.3 Gewalt durch Dritte Seite 24 4.2 Auswirkungen von sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz Seite 25 4.2.1. Ungleichheiten und geschlechtsspezifische Gewalt und Belästigung Seite 26
3 5 6 7 8 Vorkehrungen Gewerkschaften Umfang von Die Ergebnisse zur Bekämpfung im Kampf gegen sexueller der Umfrage von sexueller sexuelle Belästigung Belästigung Seite 41 Belästigung und Gewalt am und Gewalt am und Gewalt am Arbeitsplatz Arbeitsplatz 8.1 Arbeitsplatz Seite 32 Seite 39 Mechanismen zur Seite 27 Datenerfassung in den EFFAT-Sektoren 5.1 Seite 42 Der internationale Kontext 8.2 Seite 27 Politiken, Umsetzung und Weiterverfolgung 5.1.1 von Maßnahmen Das Übereinkommen zur Prävention und des Europarats zur Bekämpfung von Vorbeugung und sexueller Belästigung Bekämpfung von und Gewalt am Gewalt gegen Frauen Arbeitsplatz und häuslicher Gewalt Seite 45 (Istanbul-Konvention) Seite 28 8.3 Gemeldete Arten von 5.1.2 sexueller Belästigung Lang ersehnt: Ein IAO- und Gewalt Übereinkommen über die Seite 49 Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der 8.4 Arbeitswelt Bewertung der Seite 29 Auswirkungen von sexueller Belästigung 5.2 und Gewalt am Die Europäische Arbeitsplatz in den Ebene EFFAT-Sektoren Seite 30 Seite 55 ANHANG I Liste der teilnehmenden Gewerkschaften Seite 58 Quellennachweis Seite 60
4 Danksagungen Unser Dank gilt den vielen Menschen, die an diesem Bericht teilgenommen und mitgewirkt haben und sich ihrem vollen Terminkalender zum Trotz die Zeit genommen haben, den Fragebogen der Umfrage auszufüllen und die dringend benötigten Informationen für den Bericht bereitzustellen. Besonderer Dank gilt auch den engagierten Frauen und Männern des Projektlenkungsausschusses: Peter Traschkowitsch, VIDA Österreich Grace Papa / Myreine Kint, CSC-ACV Belgien Peter Lykke Nielsen, 3F Dänemark Loredana Pesoli, Confederdia Italien Elena-Maria Vanelli, FIST-CISL Italien Herrie Hoogenboom, FNV Niederlande Tove Rita Melgard, Fellesforbundet Norwegen Margot Sastre, CCOO Industria Spanien Juana Gregori, FeSMC-UGT Spanien Eda Guner / Aybuke Özmutaf, ÖZ GIDA IS Türkei Choi Giwon, EFFAT Julie Duchatel, IUL die ihre wertvollen Einblicke, ihr enormes Fachwissen und ihre Erfahrungen aus ihren jeweiligen Sektoren und Gewerkschaften zur Verfügung gestellt und damit die hohe Qualität des Berichts sichergestellt haben. Projekt durchgeführt mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Kommission. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung trägt allein der Verfasser; die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Veröffentlichung darf ohne die Genehmigung des Herausgebers in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln, ob elektronisch, mechanisch, durch Fotokopieren, Aufzeichnen oder auf andere Weise, reproduziert, in einem Abrufsystem gespeichert oder übertragen werden. Während die Informationen in der Publikation als richtig gelten, übernehmen weder der Herausgeber noch die Verfasser jegliche Haftung für aus dem Inhalt der vorliegenden Publikation entstehende Verluste, Schäden oder Haftungen aller Art seitens der Nutzer oder anderer Personen.
5 Schlussfolgerungen und Empfehlungen Sexuelle Belästigung und Gewalt sind hartnäckige Probleme in der Arbeitswelt. Je mehr wir darüber wissen und die Ursachen verstehen, desto besser sind wir in der Lage zu handeln und praktikable, angemessene und effiziente Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung zu ergreifen. Umfragen spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, das Ausmaß von sexueller Gewalt und Belästigung, unter denen Beschäftigte leiden, ans Licht zu bringen. Um es mit den Worten einer Gewerkschafterin zu sagen: „Sexuelle Belästigung und Gewalt sind Probleme, von denen wir wissen, dass es sie gibt, aber bisher hatten wir kaum Daten, um konkrete Maßnahmen zu treffen.“ Umfragen, wie diese, bieten auch einzigartige Möglichkeiten, voneinander zu lernen, was funktioniert und was nicht, und dienen den Gewerkschaften als Inspirationsquelle und praktische Orientierungshilfe für ihre Arbeit in diesem Bereich. Frauen erleben häufiger Gewalt Wir brauchen einen und sexuelle Belästigung am ganzheitlicheren Ansatz, um Arbeitsplatz als Männer Gewalt und sexuelle Belästigung Es war keine Überraschung, dass unsere Umfrage die am Arbeitsplatz zu bekämpfen Tatsache bestätigte, wonach Frauen häufiger Gewalt Damit Sozialpartner und politische Verantwortliche und sexuelle Belästigung erleben als Männer. Die angemessen auf die Erfahrungen von Beschäftigten mit Umfrage spiegelte auch die Tatsache wider, dass sich sexueller Belästigung und Gewalt reagieren können, Männer häufiger als Frauen sexueller Belästigung müssen sie anerkennen, dass die Erscheinungsformen schuldig machen, und dass KollegInnen und von Gewalt gegen Frauen (und Männer) unter Gleichgestellte häufiger sexuelle Belästigung begehen Berücksichtigung ihrer gesamten Komplexität und als Vorgesetzte. Sexuelle Belästigung aufgrund des durch einen ganzheitlichen Ansatz angegangen Geschlechts (z.B. Ansichten und Verhaltensweisen, werden sollten. Bislang gibt es in Europa kaum die vermitteln, dass Frauen nicht dazugehören oder Anzeichen dafür, dass ein solcher Ansatz greift. Bis zur keinen Respekt verdienen) ist bei weitem die häufigste MeToo-Bewegung wurden sexuelle Belästigung und Art der sexuellen Belästigung. Wenn ein Umfeld von Gewalt - sowohl von den Gewerkschaften als auch geschlechtsspezifischer Belästigung durchdrungen von den Arbeitgebern in der EU - eher als Ausnahme ist, werden unerwünschte sexuelle Annäherungen denn als Norm angesehen. Mit einer wachsenden Zahl und sexuelle Nötigung wahrscheinlicher. Eine von Umfragen, Studien und zunehmend wachsamen wichtige Lehre aus dieser Umfrage ist auch, dass Frauenausschüssen in den Gewerkschaften können Männer und männliche Kollegen zu wichtigen Akteuren das Ausmaß und die Auswirkungen von Gewalt im Kampf gegen Gewalt und sexuelle Belästigung und sexueller Belästigung nicht mehr ignoriert werden können. Es ist nicht nur ein Frauenproblem, werden. Dennoch verfügt nur ein geringer Teil der sondern eines, mit dem alle Beschäftigten früher Unternehmen über Verfahren oder Maßnahmen oder später konfrontiert werden. In dieser Hinsicht zur Bekämpfung von Gewalt und Belästigung. Eine erinnert die Umfrage auch an die Verantwortung Studie von Eurofound (2015) ergab, dass Länder, in der Arbeitgeber, einen sicheren und qualitativ denen mehr Unternehmen über Richtlinien verfügen, hochwertigen Arbeitsplatz bereitzustellen. diejenigen sind, in denen Gewalt und Belästigung deutlicher in Tarifverträgen oder Arbeitsschutz- und Beschäftigungsgesetzen verankert sind.
6 Wir wissen immer noch nicht Die Gesetzgebung spielt eine genug über die Auswirkungen zentrale Rolle bei der Bekämpfung der Politik auf das Ausmaß des von sexueller Belästigung und Problems Gewalt am Arbeitsplatz Es gibt nur begrenzte Erkenntnisse über die Jüngste europäische Erhebungen zu Gewalt und Auswirkungen bestehender Maßnahmen auf den sexueller Belästigung sowie die einschlägige Umfang von Gewalt und sexueller Belästigung am Fachliteratur bestätigen, dass die Gesetzgebung Arbeitsplatz. Während die Gründe für die hohe eine zentrale Rolle bei der wirksamen Bekämpfung Dunkelziffer von sexueller Belästigung und Gewalt von sexueller Belästigung und Gewalt am am Arbeitsplatz komplex sind, spielt die Art der Arbeitsplatz spielt, indem sie diese definiert und bestehenden Meldemechanismen eine wichtige den Arbeitgebern Verpflichtungen (einschließlich Rolle bei der Vereinfachung oder Erschwerung von Geldstrafen) auferlegt. Es war daher überraschend, Meldungen. Vergleichsmöglichkeiten bezüglich des dass die Mehrheit der Antworten in dieser Umfrage Umfangs und der Politiken über Sektoren und Länder der Gesetzgebung nur eine geringe Rolle zuschrieb. hinweg bleiben schwierig, nicht zuletzt wegen des Obwohl für eine vollständige Erklärung weitere Mangels an gemeinsamen Indikatoren. Es konnten Untersuchungen erforderlich wären, ist es richtig, jedoch Unterschiede zwischen den EFFAT-Sektoren dass die Gesetzgebung ohne ordnungsgemäße festgestellt werden, die darauf hindeuten, dass der Umsetzung über einen ganzheitlichen Ansatz nicht Hausangestelltensektor viele Fälle von sexueller das gewünschte Ergebnis liefern wird. Belästigung und Gewalt vermeldet, während es an angemessenen und effizienten politischen Maßnahmen mangelt. Die Umfrage zeigt ein wachsendes Bewusstsein für die Auswirkungen von sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz insgesamt Die Umfrage ergab, dass es einen breiten Konsens über die negativen Auswirkungen von sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz auf die psychische Gesundheit gibt. Im Gegensatz dazu herrscht ein geringeres Bewusstsein über die Art und Weise, wie sich Gewalt und sexuelle Belästigung auf die gesamte Organisation bzw. das gesamte Unternehmen auswirken. Intuitives Wissen um die negativen Folgen in Verbindung mit mangelnden Daten zu sexueller Belästigung und Gewalt sowie fehlenden Informationen über Strategien und Gegenmaßnahmen erklärt die wiederholten Forderungen nach Sensibilisierungskampagnen, die von den Befragten in dieser Umfrage als notwendig erachtet wurden.
7 Die Reaktionen auf sexuelle Gewerkschaften stehen im Gewalt und Belästigung müssen Zentrum des Kampfes gegen auf die sektoralen Besonderheiten sexuelle Belästigung und Gewalt zugeschnitten sein am Arbeitsplatz Alle Sektoren sollten einen Null-Toleranz-Ansatz Die verschiedenen Akteure - Staat und Sozialpartner bezüglich sexueller Belästigung und Gewalt anstreben. - sind in ihren Aktivitäten gegen sexuelle Belästigung Ebenso sollte die Einbeziehung von Männern in und Gewalt am Arbeitsplatz nicht strategisch den Kampf gegen Gewalt und sexuelle Belästigung aufeinander abgestimmt; eine Situation, die im Bereich am Arbeitsplatz eine Politik sein, die horizontal in der Hausangestellte besonders ausgeprägt ist. Die allen Sektoren angewendet wird. Wie die sektoralen EFFAT-Umfrage bestätigt, dass die Gewerkschaften Ergebnisse der Umfrage zeigen, müssen jedoch die insgesamt bei der Entwicklung von Strategien sektoralen Besonderheiten bei der Entwicklung von und Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt und politischen Ansätzen gegen sexuelle Belästigung und sexueller Belästigung ein größeres Engagement Gewalt berücksichtigt werden. So ist beispielsweise zeigen als die Arbeitgeber. In den skandinavischen im Hausangestelltensektor der Arbeitsplatz Ländern, den Niederlanden und Spanien zum Beispiel, häufig ein Privathaushalt, und im Tourismus- oder wo die Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet sind, Gastronomiesektor sind lange Arbeitszeiten, Strategien zur Bekämpfung von sexueller Belästigung Schichtarbeit und Alkoholkonsum der Gäste üblich. und Gewalt einzuführen, spielen die Gewerkschaften Daher müssen die Maßnahmen den Anforderungen die Hauptrolle bei der Bekämpfung dieser Problematik. der Arbeitsbedingungen angepasst werden. In diesem Aus der Umfrage geht klar hervor, dass die treibende Zusammenhang weist die Studie auf die Bedeutung von Kraft oft ein Frauenausschuss oder eine andere Informations- und Sensibilisierungskampagnen hin, Gleichstellungsstruktur ist, wo die Probleme aufgezeigt die branchenspezifisch sind, wie z.B. die Kampagne und Maßnahmen gefordert werden. „Wir stehen nicht auf der Speisekarte“. Ebenso haben Verbände wie EFFAT die spezifischen Bedürfnisse des Hausangestelltensektors und den Kampf gegen sexuelle Belästigung und Gewalt aufgegriffen.
8 EFFAT EMPFEHLUNGEN ZUM SCHUTZ VON AR- BEITNEHMERINNEN VOR SEXUELLER BELÄSTI- GUNG UND GEWALT Diese Aktionspunkte basieren auf den Beispielen erfolgreicher Initiativen zur Bekämpfung von sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz, die von EFFAT- Mitgliedsorganisationen berichtet wurden, und sollten allen Mitgliedsorganisationen als Anregung dienen, um in dieser Angelegenheit tätig zu werden. Sensibilisierung • Informationen für Gewerkschaftsmitglieder über Verpflichtungen, die in Gesetzen, • Organisation nationaler Tarifverhandlungen, Politiken und Leitlinien Sensibilisierungskampagnen. eingegangen wurden, und Förderung und − Solche Kampagnen sollten sich Verbreitung dieser insbesondere mit geschlechterspezifischer Informationen auf breiter Basis. Gewalt befassen und sicherstellen, • Sammlung und Verbreitung bewährte dass der strukturelle Charakter Praktiken. geschlechterspezifischer Gewalt anerkannt wird und Diskriminierung bekämpft wird, da die Bekämpfung struktureller Ungleichheiten geschlechterspezifische Daten und Statistiken Gewalt verringern wird. • Durchführung von Umfragen, z.B. auf nationaler, sektorieller und betrieblicher • Organisation allgemeiner Kampagnen zu Ebene, und Sammlung von Daten und Diskriminierung aufgrund des Geschlechts Beweisen zu sexueller Belästigung und Gewalt. und Chancengleichheit. • Durchführung von und / oder Forderung nach • Nutzung sozialer Medien und moderner mehr Untersuchungen zur Feststellung von Kommunikationstechnologien, um die breite Belästigung und Gewalt in verschiedenen Öffentlichkeit über sexuelle Belästigung und Sektoren und von Faktoren, die das Gewalt am Arbeitsplatz zu informieren. Risiko erhöhen, Belästigung und Gewalt • Organisation von nationalen und regionalen ausgesetzt zu sein, z.B. ArbeitnehmerInnen Konferenzen, Seminaren usw., um mit einem atypischen Arbeitsvertrag ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen oder Hausangestellte zu sein, prekäre über sexuelle Belästigung und Gewalt Arbeitsbedingungen zu haben oder am Arbeitsplatz zu informieren. Solche wirtschaftlich anfällig zu sein. Veranstaltungen sollten auch umfassende Informationen über bestehende Übereinkommen (z. B. UN, Europarat, IAO), nationale Rechtsvorschriften sowie Strategien und Programme gegen sexuelle Belästigung und Gewalt enthalten.
9 Tarifverhandlungen − Arbeitgeber und Gewerkschaften müssen • Aushandlung von Tarifverträgen auf nationaler verpflichtet werden, Schulungen zum und betrieblicher Ebene, die spezifische Umgang mit sexueller Belästigung und Bestimmungen zu Prävention und zu Gewalt am Arbeitsplatz zu absolvieren. Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung • Sicherstellung einer regelmäßigen und Gewalt am Arbeitsplatz enthalten. Überprüfung der Tarifverträge. • Entwicklung und Einarbeitung von Artikeln − Bewertung bestehender Tarifverträge, zu ‚Risikoanalyse‘ und ‚Wohlbefinden Politiken und Richtlinien unter dem bei der Arbeit‘ in Tarifverträge, die es Gesichtspunkt von Gesundheit und ArbeitnehmerInnen ermöglichen, informelle Sicherheit (sexuelle Belästigung und Gewalt) und formelle Beschwerdeverfahren zu befolgen. und Forderung / Vornahme von Änderungen, • Entwurf - auf der Grundlage von IAO Ü190 falls erforderlich. und E206 - von Mustertarifverträgen und Tarifvertragsklauseln gegen sexuelle • Auf europäischer Ebene, Diskussion von Belästigung und Gewalt, z.B. sexueller Belästigung und Gewalt in den sektoriellen sozialen Dialogen und Festlegung − alle Arbeitsplätze, einschließlich einer ausdrücklichen Politik als Sozialpartner, kleiner und mittlerer Unternehmen, die z.B. Prävention, Beschwerdeverfahren, sollten Strategien gegen Belästigung und Schutz der Beschwerdeführer, Gewalt entwickeln, unter umfassender Wiedergutmachung, Rechenschaftspflicht Einbeziehung der Gewerkschaften usw. beinhaltet. (Ausarbeitung und Umsetzung • Unterstützung der von der IUL mit von Verfahren zu Vorbeugung, TNKs unterzeichneten internationalen Beschwerdeführung, und Angehen der Rahmenvereinbarungen zur Bekämpfung Folgen von sexueller Belästigung und sexueller Belästigung und Gewalt wie Gewalt am Arbeitsplatz); Unilever, Sodexo, Melia, Accor und Arla, und Verpflichtung, diese auf nationaler Ebene umzusetzen.
10 Politiken, Leitlinien Unternehmenspolitiken und Richtlinien • Alle Unternehmen, einschließlich kleiner und mittlerer Unternehmen, müssen eine Politik • Entwicklung und Herausgabe von Leitlinien gegen sexuelle Belästigung und Gewalt haben, für GewerkschaftsvertreterInnen, und sollten zu folgendem verpflichtet sein: BetriebsrätInnen, sowie Gesundheits- und SicherheitsvertreterInnen, die ein − Beurteilung des Arbeitsplatzes und des sicheres Umfeld für die Meldung sexueller Arbeitsumfeldes auf Risikofaktoren in Bezug Belästigung und Gewalt bieten sollen und auf sexuelle Belästigung und Gewalt; auch die Verbesserung der Kommunikation − Entwicklung einer maßgeschneiderten Politik und der Kommunikationskanäle zum gegen sexuelle Belästigung und Gewalt Gegenstand haben. unter Einbeziehung von ArbeitnehmerInnen/ • Entwicklung eines Leitfadens für jeden Sektor, ArbeitnehmervertreterInnen, Gewerkschaften was zu tun ist und an wen sich Beschäftigte und spezialisierten NRO; wenden können, wenn es zu sexueller − Einen klaren Verhaltenskodex, Belästigung und Gewalt kommt. den jeder kennt und versteht; • Beobachtung, Bewertung und − Ausarbeitung einer Politik zusammen mit den Berichterstattung über die Wirksamkeit von ArbeitnehmerInnen Politiken und Leitlinien. und / oder deren VertreterInnen; • Einbeziehung sexueller Belästigung und Gewalt − Einholung externer Hilfe, um Probleme mit in die Sicherheit und den Gesundheitsschutz sexueller Belästigung und Gewalt zu lösen. bei der Arbeit, einschließlich psychologischer Risiken und arbeitsbedingter Belastungen, und Einbeziehung von Arbeitnehmerinnen in die Arbeitsplatzpolitiken Risikoanalyse. • Überprüfung bestehender Politiken auf ihre Wirksamkeit, um sexuelle Belästigung und Gesetzgebung Gewalt am Arbeitsplatz zu verhindern / zu bekämpfen. • Streben nach einer besseren nationalen Gesetzgebung gegen sexuelle Belästigung • Bewertung des Arbeitsumfelds, um sexuelle und Gewalt. Belästigung und Gewalt zu verhindern. • Fürsprache bei nationalen Regierungen für • Entwicklung klarer und zugänglicher eine Ratifizierung von IAO Ü190, und Streben Mechanismen zur Information der nach einer Verbesserung der Gesetzgebung, ArbeitnehmerInnen. falls die Regierungen nicht bereit sind, das • Stärkung der Rolle gewerkschaftlicher Übereinkommen zu ratifizieren. Frauenausschüsse bei der Formulierung und • Lobbyarbeit für eine EU-Richtlinie gegen Umsetzung von Maßnahmen gegen sexuelle sexuelle Belästigung und Gewalt, auch im Belästigung und Gewalt. Hinblick auf eine stärkere Umsetzung der • Förderung eines Klimas des Respekts und der Istanbuler Konvention und der Ü190. Zusammenarbeit am Arbeitsplatz.
11 Schulung Für EFFAT insbesondere • Schulung von ArbeitnehmerInnen und • Lobby für EU-Rechtsvorschriften gegen Führungskräften, und insbesondere von sexuelle Belästigung und Gewalt gegen ArbeitnehmervertreterInnen, zu sexueller Frauen und für die ordnungsgemäße Belästigung und Gewalt. Umsetzung der Istanbuler Konvention. • Durchführung von Schulungen • Lobby für die Ratifizierung zu Durchsetzungsvermögen für des IAO-Übereinkommens 190. schutzbedürftige ArbeitnehmerInnen. • Bereitstellung von Leitlinien und Beispielen bewährter Praktiken, um Gewerkschaften bei der Entwicklung und Umsetzung von Hausangestellte - ein Arbeitsplatzpolitiken und -verfahren zu besonderer Sektor, der unterstützen, einschließlich einer Modell-Arbeitsplatzpolitik. spezifische Empfehlungen • Da sexuelle Belästigung und Gewalt häufig benötigt geschlechterspezifisch sind: Bereitstellung • Gewährleistung, dass bei allen Politiken von Leitlinien für die Einbeziehung der und Maßnahmen zur Verhinderung Geschlechtergleichstellung und der sexueller Belästigung und Gewalt gegen Bekämpfung von Gewalt gegen Hausangestellte eine angemessene Frauen in Initiativen für Sicherheit und geschlechterspezifische Perspektive Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, und angewendet wird. Sensibilisierung für die geschlechterspezifische Natur von Gewalt gegen Frauen und die • Schaffung und weite Verbreitung von Kontakten Folgen einer Kultur sexueller Belästigung und zu vertraulichen, voll besetzten und gebühren- Einschüchterung bei der Arbeit. freien Hotlines, um Berichte über Missbräuche gegen Hausangestellte zu erhalten. • Sammlung und weite Verbreitung von mehr bewährten Praktiken bzgl. Tarifverträgen und • Entwicklung von Richtlinien und Schulung / oder Politiken, die von Gewerkschaften und von Strafverfolgungsbeamten, wie auf Arbeitgebern vereinbart wurden. Beschwerden von Hausangestellten angemessen zu reagieren ist, und wie in • Aufforderung an Mitgliedsorganisationen, sich solchen Fällen Nachforschungen anzustellen an nationalen und europäischen Schulungen und Beweise zu sammeln sind. zu beteiligen, und das Bewusstsein für die geschlechterspezifische Natur von sexueller • Verfolgung von Tätern psychischer, Belästigung und Gewalt zu schärfen, und physischer und sexueller Gewalt. Sicherstellung, dass dies in Schulungen • Abschaffung oder Reform von zu Sicherheit und Gesundheitsschutz am Einwanderungspolitik, damit die Visa Arbeitsplatz einbezogen wird. für Hausangestellte nicht mehr an einen • Ausarbeitung europaweiter Leitlinien zur bestimmten Arbeitgeber gebunden sind. Bekämpfung von sexueller Belästigung und • Beschleunigung der Bearbeitung von Gewalt am Arbeitsplatz, mit Schwerpunkt Strafsachen, bei denen Hausangestellte mit auf Belästigung und Gewalt gegen Frauen, Migrationshintergrund betroffen sind, da die sich von anderen europäischen diese häufig mehrere Monate oder Jahre auf Gewerkschaftsverbänden in anderen eine Lösung warten müssen, während sie Sektoren Inspiration holen. sich in einer Notunterkunft befinden, und • Entwicklung eines ehrgeizigen neuen Projekts Sicherstellung, dass sie in der Zwischenzeit über und Beantragung von Finanzmitteln für ein eine gesetzliche Arbeitserlaubnis verfügen. EFFAT Folgeprojekt zu sexueller Belästigung • Schaffung umfassender Beratungs- und und Gewalt gegen Frauen in 2020, um das Unterstützungsdienste, einschließlich Bewusstsein der Mitglieder zu schärfen, Gesundheitsfürsorge, Beratung, Unterkunft, bewährte Verfahren weiter zu sammeln und zu konsularische Dienste und Rechtshilfe. verbreiten, und die Empfehlungen umzusetzen.
12 Liste der Abkürzungen BPfA Beijing Platform for Action CEDAW Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau CESCR UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte EBR Europäischer Betriebsrat EFFAT Europäische Föderation von Gewerkschaften in den Sektoren Landwirtschaft, Lebensmittel und Tourismus EGB Europäischer Gewerkschaftsbund EIGE Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen ETF Europäische Transportarbeiter-Föderation EU-OSHA Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz Eurofound Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen EWCS Europäische Umfrage zu Arbeitsbedingungen FRA Agentur für Grundrechte HORECA Hotels, Restaurant und Gastronomiebetriebe IAO Internationale Arbeitsorganisation ICESCR Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte IUL Internationale Union der Lebensmittel-, Landwirtschafts-, Hotel-, Restaurant-, Café- und Genussmittelarbeiter-Gewerkschaften und verwandter Berufe SSDA Sektorieller Sozialdialogausschuss
13 1. ZWECKBESTIMMUNG DER STUDIE Die Studie befasst sich mit Politiken und Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz in den Sektoren Landwirtschaft, Lebensmittel & Getränke, Hotels & Restaurants (Gastgewerbe), Gemeinschaftsverpflegung und Hausangestellte. Das Ziel besteht darin, die Kenntnisse über das Ausmaß von sexueller Belästigung und Gewalt an den Arbeitsplätzen in den EFFAT-Sektoren zu vertiefen und Informationen über Politiken und Aktivitäten der nationalen Mitgliedsorganisationen zur Bekämpfung von sexueller Belästigung und Gewalt zu sammeln. Auch Praktiken aus anderen Sektoren und Unternehmen werden einbezogen. Letztlich dient die Studie auch dazu, das gegenseitige und interaktive Lernen zu fördern. Die aus der Studie resultierenden Schlussfolgerungen, Empfehlungen und Hinweise auf bewährte Praktiken sollten den Gewerkschaften als Ansporn und Wegweiser zu einem tieferen Verständnis der Problematik und der möglichen Lösungsansätze dienen. Auf der Grundlage der Ergebnisse und der Auswertung der Umfragedaten liefert die Studie konkrete Empfehlungen, wie Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz besser bekämpft werden können, um sie in die Diskussion in den Ausschüssen für den sektoralen sozialen Dialog (ASSD), mit Arbeitgeberverbänden und den Europäischen Betriebsräten (EBR) transnationaler Unternehmen einzubringen.
14 2. METHODIK Im Rahmen der Untersuchung wurden Fachpublikationen und Erkenntnisse zu sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz ausgewertet, darunter Studien des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB), der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) und EFFAT-Ergebnisse aus dem Gastgewerbe und der Gemeinschaftsverpflegung. Ein besonderes Augenmerk liegt auf spezifischen Problemen in den vier von der Umfrage erfassten Sektoren. Es wird auf die Erhebung über geschlechtsspezifische Gewalt der EU- Grundrechteagentur (EU-FRA)1 und Informationen des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE)2 verwiesen. Bei der Überprüfung der Fachliteratur werden auch die internationalen3 und europäischen politischen Rahmenbedingungen (z.B. die Richtlinie über die Rechte von Opfern4) zu sexueller Belästigung und Gewalt berücksichtigt, insbesondere das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (d.h. die Istanbul-Konvention)5 und das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) von 2019 zur Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt.6 Es wurde eine Umfrage unter Organisationen durchgeführt, um Daten von Frauenausschüssen der Gewerkschaften und/oder anderen relevanten Gremien der Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Vertretung (z.B. Gesundheit und Sicherheit, Betriebsräte in Unternehmen usw.) in den vier Sektoren zu sammeln. In der Online-Umfrage wurden Informationen über das Vorhandensein von Richtlinien zur Bekämpfung von sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz, Informationen über Maßnahmen im Rahmen verschiedener Arten von Prozessen (z.B. öffentliche Kampagnen, Informationsmaterialien, Richtlinien usw.) und Strukturen (z.B. Mechanismen zur Sammlung von Daten/Meldung von Vorfällen usw.) sowie Hinweise auf weitere Informationsquellen abgefragt. Im vorliegenden Bericht werden die Ergebnisse zu den in der Umfrage untersuchten Bereichen, das Ausmaß von sexueller Belästigung und Gewalt in den Sektoren, Aktivitäten zur Bewältigung der Situationen und Informationen über Vorfälle von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz in den Sektoren dargestellt. Es gibt einen Überblick über die Gesetzgebung im Bereich sexuelle Belästigung und Gewalt (z. B. Istanbul-Konvention; IAO; usw.), verfügbare Daten (z.B. von EU-FRA; Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz EU-OSHA; EU-Mitgliedstaaten; EGB) und aktuelle graue Literatur zu sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz. Der Bericht rückt sexuelle Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz in den Rahmen der Menschenrechte und in den von Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und thematisiert die negativen gesundheitlichen Folgen, die mit sexueller Belästigung und Gewalt auf individueller Ebene verbunden sind. Auch die Auswirkungen auf die Gesellschaft als Ganzes werden beleuchtet (Eurofound 20167). Ein Kompendium guter Praktiken in anderen Branchen und relevanten Unternehmen ist ebenfalls Teil des Berichts. Das Kompendium basiert auf einer soliden Auswertung von Fakten und Materialien aus europäischen und globalen Berichten, institutionellen Veröffentlichungen und relevanten Initiativen bzw. Kampagnen. Die Daten stammen u.a. aus dem EGB-Bericht „Safe at Home - Safe at Work“ von 2018 (hier abrufbar).
15 3. RAHMEN DER STUDIE Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz betreffen viele Beschäftigte, in allen Ländern und Branchen. „Sie sind oft das Ergebnis einer Gemengelage von Umständen und Risikofaktoren, die eng mit geschlechtsspezifischen Ungleichheiten verbunden sind und in geschlechtsspezifischen Formen von Macht und Kontrolle verwurzelt sind.“ Sowohl Gewalt als auch Belästigung stellen eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit und das Wohlergehen von ArbeitnehmerInnen dar und werden nur allzu oft nicht gemeldet. Gewalt, verbale Aggression oder Drohungen, die Beschäftigte durch Vorgesetzte, ArbeitskollegInnen, KundenInnen oder Lieferanten erfahren, sind kritische Probleme von Gesundheitsschutz- und Arbeitssicherheit. Sie können schwerwiegende psychologische Folgen haben und zu Stress, langfristigen Krankheitsausfällen und sogar Selbstmord führen. Mögliche wirtschaftliche Folgen sind höhere Personalfluktuation, vermehrte Krankheitsausfälle, Frühverrentung, verringerte Produktivität und Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Sexuelle Belästigung und Gewalt betreffen Menschen unabhängig von Geschlecht, Alter, Beziehung, Fähigkeiten, körperlichem Aussehen, Herkunft oder beruflichem Status. Nicht nur Frauen, sondern auch Männer können zur Zielscheibe werden, insbesondere wenn sie nicht den gesellschaftlichen Erwartungen bezüglich der Geschlechternormen entsprechen. Es sollte auch beachtet werden, dass der Belästiger das gleiche Geschlecht haben kann wie das Opfer. Frauen sind jedoch aufgrund ihrer Position auf dem Arbeitsmarkt stärker gefährdet und sehen Belästigung als größere Bedrohung an als Männer. Obwohl Gewalt und Belästigung an europäischen Arbeitsplätzen häufig vorkommen, wird die Reaktion von Organisationen und Regierungen oft als unzureichend empfunden. Außerdem scheint es auf EU-Ebene an aktuellen Statistiken zu mangeln, die Vergleiche zwischen Ländern, Branchen und Arbeitsplätzen ermöglichen. Alle ArbeitnehmerInnen haben das Recht auf Arbeit, ohne sexueller Belästigung und Gewalt ausgesetzt zu sein, aber zu viele Beschäftigte profitieren nicht von dieser grundlegenden Freiheit, dem Menschenrecht und der Menschenwürde. Die Hauptverantwortung für die Verhinderung jeglicher Form von Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz liegt bei den Arbeitgebern, die verpflichtet sind, eine sichere Arbeitsumgebung zu schaffen und die Gesundheit und Sicherheit ihrer Beschäftigten zu gewährleisten. Dennoch kommt den ArbeitnehmerInnen und ihren VertreterInnen eine wichtige Rolle zu, da sie in vielen Ländern in Gremien eingebunden sind, die sich mit Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz befassen. Dies ist einer der Gründe, warum Gewerkschaften und Beschäftigte im Rahmen des sozialen Dialogs in dieses Thema einbezogen werden müssen.
16 3.1 Gleichstellung der Geschlechter und EFFAT- Bemühungen zur Bekämpfung und Prävention von sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz EFFAT sieht die Gleichstellung der Geschlechter als ein wesentliches Element der Demokratie am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft an. Seit den Gründungstagen bemüht sich EFFAT um die Chancengleichheit von Frauen und Männern, durch die Aufnahme von Gleichstellungsprinzipien in die EFFAT-Satzung, durch die Umsetzung des EFFAT-Arbeitsprogramms zur Gleichstellung der Geschlechter, durch die weitere Einbeziehung der Dimension der Chancengleichheit und der Geschlechterperspektive in die EFFAT-Politikfelder, durch die Stärkung der Beteiligung von Frauen in den EFFAT-Entscheidungsgremien und durch die Organisation regelmäßiger Sitzungen des EFFAT- Frauenausschusses. EFFAT hat einen Aktionsplan zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter in den EBR verabschiedet, die Geschlechterperspektive in den Kampf gegen prekäre Arbeit einbezogen und die IAO-Konvention über Hausangestellte (2011) unterstützt. EFFAT und die Mitgliedsorganisationen haben sich verpflichtet, die Gleichstellung der Geschlechter als Teil ihrer breiteren Agenda für soziale Gerechtigkeit, sozialen Fortschritt und Nachhaltigkeit in Europa zu verfolgen. Im Sinne einer praktischen Maßnahme haben sie im Rahmen ihres Gleichstellungsplans (2011-2014)9 einen Gender-Mainstreaming-Ansatz als Bestandteil all ihrer Aktionen und Aktivitäten angenommen, der mit einem begleitenden Aktionsplan für die Umsetzung des EFFAT-Gleichstellungsplans (2012) einhergeht. Es ist ein klares Bekenntnis, die Dimension der Chancengleichheit und der Geschlechterperspektive in alle Bereiche der politischen Planung und Tätigkeit einzubeziehen und anzuerkennen, dass dies die Entwicklung und Annahme von Instrumenten, Mechanismen und Richtlinien erfordert. EFFAT geht mit gutem Beispiel voran und besitzt eine Politik des gegenseitigen Respekts (2016) (hier abrufbar), die besagt, dass man „jegliches Verhalten, das die Würde und das Selbstwertgefühl anderer untergräbt oder ein einschüchterndes, feindseliges, missbräuchliches oder beleidigendes Umfeld schafft, weder duldet noch toleriert. Dies gilt für alle TeilnehmerInnen von EFFAT-Sitzungen, Aktivitäten und gesellschaftlichen Zusammenkünften, wo auch immer sie stattfinden.“10
17 Gewalt gegen Frauen am Arbeitsplatz ist ein bekanntes Phänomen in allen EFFAT-Sektoren. Sexuelle Belästigung im Gastgewerbe ist an der Tagesordnung, ausgelöst durch übermäßigen Alkoholkonsum, unregelmäßige Arbeitszeiten und Trinkgelder. Da sie isoliert und oft unsichtbar sind, werden auch Hausangestellte und LandarbeiterInnen oft Opfer von sexueller Belästigung und Diskriminierung11. EFFAT war zu diesem Thema an mehreren Fronten aktiv, u.a. durch die jüngsten Kampagnen #wetoo (Nov. 2018), die auf die Beendigung geschlechtsspezifischer Gewalt am Arbeitsplatz drängten und auf eine IAO-Konvention abzielten; dazu gehört auch die Globale Aktionswoche zur Forderung nach #Fairhousekeeping! (Okt. 2018), bei der EFFAT einen Brief an Marriott-CEO Arne Sorensen richtete, in dem die Besorgnis über den Zustand der Arbeitsbeziehungen bei Marriott in vielen Ländern zum Ausdruck gebracht und vorgeschlagen wurde, dass nur durch mehr Dialog positive Lösungen gefunden werden können, wobei das Unternehmen nachdrücklich aufgefordert wurde, diesen Weg einzuschlagen.12 Darüber hinaus hat EFFAT sexuelle Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz in den sozialen Dialogen der Sektoren Gastgewerbe und Gemeinschaftsverpflegung angesprochen. Für das Gastgewerbe haben einige Gewerkschaften über die Situation bezüglich sexueller Belästigung und Gewalt in ihren Ländern berichtet; in der Gemeinschaftsverpflegung haben sich die Sozialpartner mit den Erfahrungen des transnationalen Unternehmens Sodexo befasst, das eine gemeinsame Verpflichtung mit der globalen Gewerkschaftsföderation IUL zur Verhinderung sexueller Belästigung eingegangen ist. Das Thema ist nun Teil der Arbeitsprogramme dieser beiden SSDA, obwohl die Arbeit noch am Anfang steht und mehr systematische Nachweise erforderlich sind, bevor konkrete gemeinsame Schritte von den Sozialpartnern unternommen werden können. Im SSDA für Landwirtschaft und Lebensmittel & Getränke und in der Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeberverband im Bereich der Hausangestellten wurden die Fragen der sexuellen Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz noch nicht explizit angesprochen, aber verschiedene Interventionen von EFFAT-Mitgliedsorganisationen zeigen, dass auch diese Sektoren betroffen sind. Die Aktion ‘Bekämpfung von sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz in den Sektoren Landwirtschaft, Lebensmittel, Tourismus und Hausangestellte’ (VS/2019/0035) ist daher zeitgemäß und notwendig, um die Wissenslücke zu Politiken und Maßnahmen zu schließen.
18 4. DEFINITION DES PROBLEMS: GEWALT, GESCHLECHTSSPEZIFISCHE GEWALT, SEXUELLE BELÄSTIGUNG UND GEWALT DURCH DRITTE AM ARBEITSPLATZ Internationale Gremien wie die Vereinten Nationen (CEDAW), UN WOMEN, die Internationale Arbeitsorganisation (IAO), der Europarat (Istanbul-Konvention) sowie die Europäische Union haben sich sehr darum bemüht, die Bandbreite und die Auswirkungen von Gewalt, geschlechtsspezifischer Gewalt und sexueller Belästigung in ihren rechtlichen und konzeptionellen Ansätzen zu erfassen, was sich wiederum auf die Vielfalt der politischen Ansätze ausgewirkt hat. Diese Verweise sind jedoch recht unterschiedlich und können sehr allgemein sein, insbesondere wenn es um das Thema Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz geht.13 Die Europäische Kommission definiert arbeitsplatzbezogene Gewalt so, dass sie sowohl physische als auch psychische Gewalt umfasst: Vorfälle, bei denen Beschäftigte unter Umständen beschimpft, bedroht oder angegriffen werden, die mit ihrer Arbeit zusammenhängen, einschließlich des Weges zur und von der Arbeit, und die eine explizite oder implizite Herausforderung für ihre Sicherheit, ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit darstellen.14 Die Definition konzentriert sich auf drei wichtige Aspekte, die es zu berücksichtigen gilt: − verschiedene Formen von Gewalt, Beschimpfungen, Bedrohungen und körperlichen Angriffen; − Gewalttaten müssen nicht ausschließlich am Arbeitsplatz stattfinden, sondern unter Umständen, die mit der Arbeit zusammenhängen, einschließlich des Weges zum Arbeitsplatz oder sogar zu Hause, wenn der Angriff auf eine Person dort wegen ihrer Arbeit erfolgt; − Gewalt bedeutet eine Herausforderung für die Sicherheit, das Wohlbefinden und die Gesundheit der Beschäftigten.
19 Nach Angaben von EU-OSHA umfasst der Begriff Gewalt: Missbrauch: Drohungen: Tätlicher Angriff: Verhaltensweisen, die Die Androhung des Todes Jeder Versuch, eine Person von einem angemessenen oder die Ankündigung der körperlich zu verletzen oder Verhalten abweichen Absicht, einer Person zu anzugreifen, einschließlich und den Missbrauch schaden oder ihr Eigentum zu tatsächlicher körperlicher von physischer oder beschädigen. Schäden.15 psychologischer Kraft beinhalten. Missbrauch umfasst alle Formen von Belästigung, einschließlich sexueller und rassistischer Belästigung, Schikane und Mobbing. Die Rahmenvereinbarung der Europäischen Sozialpartner über Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz (2007 )16 bezieht sich sowohl auf Belästigung als auch auf Gewalt am Arbeitsplatz. Laut der Vereinbarung liegt Gewalt vor, wenn eine oder mehrere Führungskräfte bzw. ArbeitnehmerInnen unter Umständen angegriffen werden, die mit der Arbeit zusammenhängen. Belästigung liegt vor, wenn eine oder mehrere Führungskräfte bzw. ArbeitnehmerInnen wiederholt und absichtlich unter Umständen, die mit der Arbeit zusammenhängen, beschimpft, bedroht und/ oder gedemütigt werden. In der Einleitung der Vereinbarung heißt es, dass verschiedene Formen von Belästigung und Gewalt an Arbeitsplätzen auftreten können. Diese können: − physischer, psychischer und/oder sexueller Natur sein; − einmalige Vorfälle oder eher systematische Verhaltensmuster sein; − unter KollegInnen, zwischen Vorgesetzten und Untergebenen oder von Dritten wie KlientInnen, KundInnen, PatientInnen, SchülerInnen ausgeübt werden; und − reichen von geringfügigen Fällen von Respektlosigkeit bis hin zu schwerwiegenderen Handlungen, einschließlich Straftaten, die das Eingreifen der Behörden erfordern. Die Rahmenvereinbarung besagt auch, dass Belästigung und Gewalt von einer oder von mehreren Führungskraft bzw. ArbeitnehmerIn ausgeübt werden können, wobei Ziel oder Wirkung darin bestehen, die Würde einer Führungskraft bzw. ArbeitnehmerIn zu verletzen, ihre Gesundheit zu beeinträchtigen und/oder ein feindseliges Arbeitsumfeld zu schaffen. Ein aktueller Bericht des Europäischen Parlaments über Schikane und sexuelle Belästigung kommt zu dem Schluss, dass „…die aktionsorientierte Rahmenvereinbarung über Belästigung und Gewalt zwischen den europäischen Sozialpartnern mit ihrer Forderung nach organisatorischen Maßnahmen und Verfahren, unparteiischer Untersuchung von Beschwerden und sozialer Unterstützung für die Betroffenen besonders vielversprechend ist und ihre Verbreitung und Übernahme unterstützt werden sollte. Zum Schutz von ArbeitnehmerInnen in nicht gewerkschaftlich organisierten Betrieben und zur Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen könnte die EU erwägen, sie in eine Richtlinie umzuwandeln.“17
20 4.1 Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz Für die Zwecke dieser Studie beziehen sich Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz auf eine Reihe inakzeptabler Verhaltensweisen und Praktiken oder deren Androhung, die darauf abzielen, zu körperlichem, psychologischem, sexuellem oder wirtschaftlichem Schaden zu führen oder dies wahrscheinlich tun, und geschlechtsbezogene Gewalt und Belästigung einschließen. Sie können am oder außerhalb des Arbeitsplatzes auftreten und reichen von Drohungen und Beschimpfungen bis hin zu körperlichen Angriffen und Tötungsdelikten, eine der häufigsten Ursachen für arbeitsbedingte Todesfälle. Unabhängig davon, wie sie sich äußert, ist Gewalt am Arbeitsplatz ein wachsendes Problem für Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen.18 Belästigung findet zunehmend online statt. 19 Laut der vierten Europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen (EWCS) aus dem Jahr 2005 berichteten 6 % der Beschäftigten aus der EU-27, dass sie entweder von ArbeitskollegInnen (2 %) oder von anderen Personen (4 %) mit körperlicher Gewalt bedroht worden waren.20 Bezogen auf die Berufsgruppe werden fast alle unerwünschten sozialen Verhaltensweisen (USV) am häufigsten von Dienstleistungs- und Vertriebspersonal gemeldet (Tabelle 1). USV wird von Eurofound so definiert, dass es Beschimpfungen, unerwünschte sexuelle Aufmerksamkeit, Drohungen, demütigendes Verhalten, körperliche Gewalt, sexuelle Belästigung und Schikane/Belästigung umfasst. Arbeitskräfte aus dieser Berufsgruppe berichten - deutlich häufiger als der Durchschnitt - von unerwünschter sexueller Zuwendung (4 %) und sexueller Belästigung (2 %). Dies liegt zum einen daran, dass die Dienstleistungs- und Verkaufsberufe von Frauen dominiert werden, die diese Verhaltensweisen im Allgemeinen häufiger erleben, und zum anderen daran, dass sie relativ häufig Dritten (z.B. Kunden) ausgesetzt sind. Immerhin 5 % der Beschäftigten aus dieser Gruppe geben an, in den letzten 12 Monaten körperliche Gewalt am Arbeitsplatz erlebt zu haben, und etwa 6 % wurden gemobbt/ belästigt.21 Laut der sechsten EWCS (2017) haben Gewalt und Belästigung in Europa im Allgemeinen langfristig deutlich zugenommen.22 Länderübergreifende Umfragen - wie die Europäische Erhebung über Arbeitsbedingungen von Eurofound (2015) und die ESENER-Umfrage von EU-OSHA (2010) - haben versucht, die Vergleichbarkeit der Daten durch groß angelegte externe Untersuchungen sicherzustellen. Die Umfrage der EU-Grundrechteagentur über Gewalt gegen Frauen hat ebenfalls zusätzliche Informationen über EU-weite Gewalt am Arbeitsplatz geliefert. Sie alle haben dazu beigetragen, das Problem sichtbarer zu machen, aber es fehlen immer noch wichtige Daten. Die jüngste länderübergreifende Studie (Oktober 2019)23 wurde von IFOP, dem französischen Institut für öffentliche Meinung, im Auftrag der Fondation Jean Jaurès und der Stiftung für Europäische Progressive Studien durchgeführt.1 Die Umfrage ergab, dass 6 von 10 Frauen während ihrer Karriere sexuelle Belästigung und Gewalt erlitten haben. 1 Für die Umfrage wurde vom 11. bis 15. April 2019 ein selbstverwalteter Online-Fragebogen unter 5026 Frauen im Alter von 18 Jahren und älter mit Wohnsitz in Italien, Spanien, Frankreich, Deutschland und dem Vereinigten
21 25% 20% 15% 10% 5% 0% Abbildung 1. Anteil der Personen, die von unerwünschtem sozialen Verhalten (USV) betroffen sind, nach Sektor (%)
22 4.1.1 Geschlechtsspezifische Gewalt (Gewalt gegen Frauen) Die Erklärung der Vereinten Nationen zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (CEDAW - 1992) definiert Gewalt gegen Frauen als „jede Form von geschlechtsbezogener Gewalt, die Frauen körperlichen, sexuellen oder psychischen Schaden oder Leid zufügt oder zufügen kann, einschließlich der Androhung solcher Handlungen, Nötigung oder willkürlicher Freiheitsberaubung, unabhängig davon, ob sie im öffentlichen oder privaten Bereich erfolgt.“ In der Allgemeinen Empfehlung Nr. 19 von CEDAW werden spezifische Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt am Arbeitsplatz genannt, darunter sexuelle Nötigung, geschlechtsspezifische Diskriminierung am Arbeitsplatz, Stigmatisierung und soziale Ausgrenzung, sexuelle Belästigung sowie sexuelle Ausbeutung und sexueller Missbrauch. Man kam zu dem Schluss, dass geschlechtsspezifische Ungleichheiten zu einem größeren Risiko führen, ausgebeutet zu werden, sexuell ausgebeutet zu werden, Opfer von Menschenhandel zu werden oder in Zwangsarbeit zu geraten. Die Empfehlung Nr. 19 war historisch, da sie Gewalt gegen Frauen klar als eine Form und Ausprägung von geschlechtsspezifischer Diskriminierung darstellte, die zur Unterordnung und Unterdrückung von Frauen eingesetzt wird. Damit trug sie dazu bei, dass Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung anerkannt wurde. Sie half dabei, Gewalt aus dem privaten Bereich in den Bereich der Menschenrechte zu übertragen. Am 14. Juli 2017 verabschiedete der CEDAW-Ausschuss die Allgemeine Empfehlung Nr. 35 zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und aktualisierte damit die Allgemeine Empfehlung Nr. 19. Die Allgemeine Empfehlung Nr. 35 von CEDAW: − erkennt an, dass das Verbot von geschlechtsspezifischer Gewalt zu einer Norm des internationalen Gewohnheitsrechts geworden ist; − erweitert das Verständnis von Gewalt um die Verletzung der Rechte auf sexuelle und reproduktive Gesundheit; − betont die Notwendigkeit, soziale Normen und Stereotypen zu ändern, die Gewalt unterstützen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Wiederaufleben eines Diskurses, mit dem das Konzept der Gleichheit der Geschlechter im Namen von Kultur, Tradition oder Religion bedroht wird; − legt eindeutig verschiedene Ebenen der Haftung des Staates für Handlungen und Unterlassungen seiner Bediensteten bzw. der in seinem Auftrag Handelnden fest - im Hoheitsgebiet des Staates oder im Ausland - das gilt auch für das Versäumnis, mit der gebotenen Sorgfalt zu handeln, um Gewalt durch Privatpersonen und Unternehmen zu verhindern, Frauen und Mädchen davor zu schützen und den Zugang zu Rechtsmitteln für Überlebende zu gewährleisten; − fordert unmissverständlich die Aufhebung aller Gesetze und politischen Maßnahmen, die Gewalt direkt und indirekt entschuldigen, dulden und erleichtern; und − betont die Notwendigkeit von Ansätzen, mit denen Autonomie und Entscheidungsfreiheit von Frauen in allen Lebensbereichen gefördert und respektiert werden. Darüber hinaus heißt es in der Empfehlung Nr. 35, dass die Staaten die unternehmerische Verantwortung und Mechanismen sowie das Engagement des privaten Sektors, einschließlich Unternehmen und transnationaler Konzerne, fördern sollten. Zudem wird darin betont, dass Protokolle und Verfahren zum Umgang mit Gewalt gegen Frauen am Arbeitsplatz verabschiedet werden sollten, um effektive und zugängliche interne Beschwerdeverfahren für die Opfer und Überlebenden zu gewährleisten.
23 4.1.2 Sexuelle Belästigung Sexuelle Belästigung wird als unerwünschte sexuelle Annäherung, Aufforderung zu sexuellen Gefälligkeiten und anderes verbales oder körperliches Verhalten sexueller Art definiert, wenn − die Einwilligung in solch ein Verhalten entweder explizit oder implizit zu einer Bedingung für die Beschäftigung einer Person gemacht wird; − die Zustimmung zu einem solchen Verhalten oder dessen Ablehnung durch eine Person als Grundlage für Beschäftigungsentscheidungen verwendet wird, die diese Person betreffen; − ein solches Verhalten den Zweck oder die Wirkung hat, die Arbeitsleistung einer Person unangemessen zu beeinträchtigen oder ein einschüchterndes, feindseliges oder beleidigendes Arbeitsumfeld zu schaffen. Unerwünschtes Verhalten impliziert „unfreiwillig“. Ein Opfer kann in ein bestimmtes Verhalten einwilligen oder diesem zustimmen und aktiv daran teilnehmen, obwohl es anstößig und verwerflich ist. Daher ist sexuelles Verhalten immer dann unerwünscht, wenn die Person, die ihm ausgesetzt ist, es als unerwünscht empfindet. Ob die Person tatsächlich eine Aufforderung zu einem Date, eine sexuell orientierte Bemerkung oder einen Scherz gutheißt, hängt von all den Umständen ab. Eine Umfrage der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) von 2018 (hier abrufbar) zeigte eine allgegenwärtige Kultur der sexuellen Belästigung und sexuellen Einschüchterung am Arbeitsplatz durch KollegInnen, Vorgesetzte und Manager. Arbeitnehmerinnen berichteten von feindseligen und beleidigenden verbalen, nonverbalen und körperlichen Formen der Gewalt, einschließlich sexueller Belästigung. Einige Beschäftigte sprachen davon, dass sexistische Witze an der Tagesordnung sind und dass am Arbeitsplatz weiterhin unangemessene Kalender und Poster aufgehängt werden. Sexuelle Belästigung ist somit ein Aspekt der Gewalt am Arbeitsplatz, von dem insbesondere Arbeitnehmerinnen betroffen sind. Das Europäische Parlament weist in seinem Bericht von 2018 über sexuelle Belästigung (hier abrufbar) darauf hin, dass „sexuelle Belästigung eine Form der Gewalt ist und die extremste, aber hartnäckigste Form der geschlechtsbezogenen Diskriminierung darstellt.“ Unter Bezugnahme auf eine Studie der Europäischen Agentur für Grundrechte (FRA), stellt man in dem Bericht fest, dass etwa 90 % der Opfer sexueller Belästigung weiblich und etwa 10 % männlich sind; dass eine von drei Frauen im Laufe ihres Erwachsenenlebens körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren hat; dass bis zu 55 % der Frauen in der EU sexuell belästigt wurden; und 32 % aller Opfer in der EU berichteten, dass der Täter ein Vorgesetzter, Kollege oder Kunde war; insgesamt sind 5-10 % der europäischen Arbeitskräfte zu einem beliebigen Zeitpunkt Schikanen an ihrem Arbeitsplatz ausgesetzt.
24 4.1.3 Gewalt durch Dritte Gewalt durch Dritte ist eine Form von Gewalt und Belästigung. EU-OSHA definiert Gewalt durch Dritte als „körperliche Gewalt, verbale Aggression oder die Androhung körperlicher Gewalt, wenn der Täter kein Arbeitskollege ist, sondern z.B. Personen, KundInnen, KlientInnen oder PatientInnen, die Waren oder Dienstleistungen erhalten.“29 Gewalt gegenüber einer Lehrkraft, z.B. durch SchülerInnen oder Eltern, würde also als Gewalt durch Dritte betrachtet. Bei Gewalt durch Dritte kann es sich um einmalige Vorfälle oder um systematischere Verhaltensmuster einer Einzelperson oder einer Gruppe handeln, die ihren Ursprung in den Handlungen oder dem Verhalten von Klienten, Kunden, Patienten, Dienstleistungsnutzern, Schülern oder Eltern, Mitgliedern der Öffentlichkeit oder des Dienstleistungsanbieters haben. Auslöser können emotionale Gründe, persönliche Abneigung, Vorurteile aufgrund von Rasse oder ethnischer Herkunft, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung und Körperbild sein. Gewalt durch Dritte kann Straftaten darstellen, die sich gegen Beschäftigte und deren Ruf oder das Eigentum des Arbeitgebers bzw. Kunden richten, mitunter organisiert oder opportunistisch, und die das Eingreifen der Behörden erfordern. Sie kann die Persönlichkeit, Würde und Integrität der Opfer tiefgreifend beeinträchtigen und am Arbeitsplatz, im öffentlichen Raum oder im privaten Umfeld auftreten und ist arbeitsbezogen.30 Schätzungen zufolge sind zwischen 2 % und 23 % aller Beschäftigten von Gewalt durch Dritte betroffen. Diese Zahl erhöht sich auf 42 % für jene Arbeitskräfte, viele von ihnen Frauen, die in direktem Kontakt mit der Öffentlichkeit arbeiten.31 Eine Besonderheit von Gewalt durch Dritte ist, dass das Risiko in einigen Berufsbereichen wie Gesundheits- und Sozialwesen, Bildung, Handel, Verkehr, öffentliche Verwaltung sowie Hotel- und Gaststättengewerbe wesentlich höher ist. Frauen sind am häufigsten im Gesundheitswesen, im Bildungswesen und im Handel mit Gewalt konfrontiert, während Männer am häufigsten bei der Polizei und im Sicherheitsdienst sowie im Verkehrswesen damit konfrontiert sind. In diesen Sektoren sind viele der Merkmale der Arbeit und des Arbeitsumfelds vorhanden, die nachweislich Risiken für Gewalt durch Dritte darstellen.32 Das Gewaltrisiko steigt, wenn eine Frau allein arbeitet und wenn sie Kunden gegenübersteht, z.B. bei der Fahrkartenkontrolle, beim alleinigen Fahren von Bussen und Straßenbahnen oder bei der Arbeit an Fahrkartenschaltern. Die ETF-Umfrage hat gezeigt, dass sexuelle Annäherungsversuche, sexuelle Anspielungen, anzügliche Bemerkungen über den Körper und die Brüste einer Frau sowie sexuelle Kommentare an der Tagesordnung sind. Die individuellen Folgen von Gewalt durch Dritte sind sowohl körperlich (Prellungen oder Wunden, sogar Tod) als auch psychisch (Angst und Furcht, Schlafprobleme und posttraumatische Belastungsstörung).
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