BERGEIS - Institut "Kulturen der Alpen
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STEINZEIT IM KANTON URI UND DEM GOTTHARDGEBIET Untere Stremlücke / Im Gotthardgebiet kennen wir Fuorcla da Strem Sut Lagerplätze bei Hospental-Moos UR In einer Kluft am Rand des sich und Airolo-Alpe di Rodont TI. Hier Altdorf-Eggberge zurückziehenden Brunnifirns, bezeugen viele Werkzeuge und Her- Altdorf-Areal Winterberg nahe der Unteren Stremlücke stellungsabfälle aus Bergkristall und in Uri (2831 m ü. M.), fand ein Quarz die Nutzung dieser Rohstoffe. Strahler im Jahr 2013 neben Auch beim Simplon und im Binntal Bergkristallscherben zwei Ge- VS war Bergkristall das bevorzugte weihstücke und Holzfragmente. Rohmaterial für Werkzeuge. Es sind die derzeit ältesten im Eis Jungsteinzeit konservierten organischen Funde Die ersten Landwirtschaft betrei- in den Alpen. UR benden Gesellschaften in den Alpen Jäger-Sammler/-innen besuchten kennen wir u. a. von Funden aus die Kluft zwischen 8000/7000 Gletschern und Firnfeldern, z. B. Silenen-Untere Stremlücke / Fuorcla da Strem Sut und 5800 v. Chr. wiederholt und Ötzi (IT), Schnidejoch BE/VS sowie bauten dort Bergkristall ab, um Felsunterständen. Auch sie nutzten daraus Werkzeuge zu machen. Sie Bergkristall. Unter einem Felsunter- Göschenen-unterhalb Bergseehütte GR hinterliessen Bergkristallgeräte, stand bei Hospental-Rossplatten UR Andermatt-Schöllenen Produktionsabfälle sowie die bei- (2170 m ü. M.) wurde in der Nähe Hospental-Rossplatten den Geweihstangen. Diese Berg- gewonnener Bergkristall zum Wei- Hospental-Moos tertransport verarbeitet. kristallabbaustelle ist die erste Hospental-Spissen bekannte im Gotthardgebiet. Hospental-Mätteli Die Alpen dienten den Menschen Mittelsteinzeit neben der Jagd, dem Sammeln, Die mobilen Jäger-Sammler/ dem Handel oder dem Austausch Airolo-Alpe di Rodont TI -innen der Mittelsteinzeit durch- auch der Materialbeschaffung – streiften zwischen 9500 und in der Jungsteinzeit dann wahr- 5500 v. Chr. weite Teile des Alpen- scheinlich auch der Weidewirt- Mittel- und jungsteinzeitliche Fund- Neolithikum/Jungsteinzeit raums und fast alle Höhenlagen. schaft. stellen im Gotthardgebiet sind meist (ca. 5500–2200 v. Chr.) Lagerplätze oder Einzelfunde. Die Kluft bei der Unteren Stremlücke / Mesolithikum/Mittelsteinzeit Forschungsprojekt «Bergeis – Bergkristall Fuorcla da Strem Sut im Kanton Uri (ca. 9500–5500 v. Chr.) aus den Alpen in der Mittelsteinzeit» ist die bisher einzige bekannte Die Untere Stremlücke / Fuorcla da Strem Sut prähistorische Bergkristall- Lager/Siedlung und weitere Funde aus Uri und dem Wallis sind Teil abbaustelle in der Region. Lesefund eines 2021/22 laufenden Forschungsprojekts Abbaustelle und Lager des Instituts Kulturen der Alpen und des Kantons Uri. www.kulturen-der-alpen.ch/bergkristall
DER BRUNNIFIRN UND DIE UNTERE STREMLÜCKE / FUORCLA DA STREM SUT Ausgrabung im Herbst 2020 durch ein archäologisches Team im Aus Bergkristall wurden vor Ort Werkzeuge hergestellt. In erster Auftrag des Kantons Uri. Die fast eine Tonne Fundmaterial wurde Linie funktional gestaltet, sind sie jedoch auch ästhetisch ansprechend: geschlämmt, 2021/22 wird sie wissenschaftlich untersucht. (a) Bohrer, (b) Kratzer, (c) Geschossspitze, (d) mögliche Geschossspitze. a b a c d d a © F. X. Brun 0 1 2 cm Alle Grabungsfotos Stremlücke: Valentin Luthiger & Institut Kulturen der Alpen
GLETSCHER, KLIMA UND LANDSCHAFT Periode Gletscherentwicklung Schweiz Funde NEUZEIT 1500 n. Chr. MITTELALTER Kristalle Die Jäger-Sammler/-innen des 500 n. Chr. Planggenstock Mesolithikums hatten keine Angst RÖMERZEIT 15 v. Chr. Gletscher zu begehen. Die Glet- EISENZEIT Münze scher nahmen in dieser Zeitspan- 800 v. Chr. ne mal zu, mal ab, hatten jedoch Hospental-Spissen eine ähnliche Ausdehnung wie BRONZEZEIT Letzte Pfahlbausiedlungen Schweiz im 20. Jahrhundert. Die Jahres- 2200 v. Chr. temperatur variierte, und es war vermutlich etwas wärmer. Die Perle, Bernstein Hospental-Moos Baumgrenze lag höher als heute NEOLITHIKUM und das Urserntal und die Ober- alppassebene waren weitgehend (JUNGSTEINZEIT) Bergkristall-Werkzeuge von Nadelwäldern bedeckt. In der Hospental-Rossplatten Surselva blockierte der Flimser 5500 v. Chr. Bergsturz das Tal, dahinter hatte sich ein grosser See gebildete. Pfeilspitze, Silex Hospental-Mätteli Die Alpen waren keine Barriere, sondern eine lebendige Kultur- MESOLITHIKUM Ötzi, der Mann aus dem Eis landschaft. Es ist davon auszu- (MITTELSTEINZEIT) Tisenjoch, Italien gehen, dass sich die mittelstein- zeitlichen Menschen, die die Kluft Erste Pfahlbausiedlungen Schweiz an der Stremlücke ausbeuteten, 9500 v. Chr. nicht nur im Alpenraum, sondern auch darüber hinaus in den Süd- Hirschgeweihstange alpen und nach Norden bis ins Silenen-Untere Stremlücke Mittelland bewegten. (Abbildung nebenan) SPÄTPALÄOLITHIKUM Gletscher- Trapez, Bergkristall (ALTSTEINZEIT) rückgang Hospental-Moos Nach Renner & Zgraggen: Gletschervorstoss Spitze, Bergkristall Spillmann et al. 2011, Silenen- Geologie des Kantons Uri Untere Stremlücke
STEIN, GEWEIH UND HOLZ 10 000 JAHRE STRAHLEN Einfache Klingen wurden Vom Stein P. Flurin Maissen Titelseite Illustration © Joe Rohrer / Foto © Valentin Luthiger & Institut Kulturen der Alpen als Messer verwendet. zum Werkzeug © Marie-Isabelle Cattin Die mittel- steinzeitlichen © Laura Meier Menschen im einfache Klinge Alpenraum stellten Geräte Modifizierte Klingen aus Bergkristall, wurden als Bohrer, Quarz, Silex, Kratzer oder Spitze Bohrer Ölquarzit und verwendet. Radiolarit her. Aus Zwischen- 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 cm produkten, wie feinen Klingen Die Hirschgeweihstange von der Unteren Stremlücke / Fuorcla da Strem Sut und breiteren Kratzer erlaubte die erste Datierung der Fundstelle auf 6000 v. Chr. Abschlägen, Abnützungsspuren am Objekt deuten vielleicht auf seine Verwendung konnte ein als steinzeitlicher Strahlstock. breites Spektrum an Werkzeugen Die Funde aus Bergkristall und stangen der Stremlücke zersetzte produziert Quarz aus der Kluft helfen sich diejenige des Rehs rasch. Das Klinge/Stichel werden. Archäologen und Archäologinnen Hirschgeweih erhielt sich glück- Geschossspitze einzuschätzen, welche Aktivitäten licherweise besser. an einem Lagerplatz stattfanden, wie gross die Gruppe war, die 10 000 Jahre Strahlen HEUTIGE STRAHLERWERKZEUGE dort weilte, oder wie lange sie an Die Untere Stremlücke zeigt, dass einem bestimmten Ort blieb. Holz, die lange und lebendige Tradition Leder, Fell, Textilien, Knochen und des Strahlens schon mindestens Hacke, Schaber, an Maurer- Fäustel Pickel Geweih waren für die mesolithi- 10 000 Jahre besteht. Schaber den Strahl- hammer mit schen Wildbeuter/-innen ebenso stock gesteckt kurzem wichtig wie die Steinobjekte. Die ältesten in der Schweiz Schaft Spitzeisen Normales Lanzette, Bohrer Archäologisch sind organische Ob- gefundenen Werkzeuge aus mit längli- Spitzeisen Stocher jekte jedoch eine Seltenheit. Nur Bergkristall sind sogar älter und cher Spitze unter speziellen Umständen, wie stammen aus der Altsteinzeit. Ob Strahlstock Gletschereis und Permafrost diese der Bergkristall etwa in Moränen- bieten, können sie überdauern. ablagerungen gesammelt wurde IMPRESSUM – Herausgeberin: Abteilung Denkmalpflege und Archäologie, Kanton Uri & Institut «Kulturen der Alpen» an der Universität Luzern. Text: Marcel Cornelissen, Grafik: Anja Wild. Das Projekt «Bergeis – Sobald sie auftauen, vergehen sie oder ob es auch damals schon Bergkristall aus den Alpen in der Mittelsteinzeit» wird unterstützt von: Archäologischer Dienst Graubünden; schnell. Von den zwei Geweih- «Strahler» gab …? Kantonales Amt für Archäologie Wallis; Die Jubiläumsstiftung der Mobiliar; Otto Gamma-Stiftung; Ernst Göhner Stiftung; Korporation Uri; Korporation Ursern; Loterie Romande (VS); Lotteriefonds des Kantons Uri; Fondation «La Murithienne ». Red. & Druck Juli 2021.
FUNDE BITTE MELDEN! Beim Abschmelzen von Glet- Haben Sie etwas im Eis schern und Firnfeldern tauen im- oder dessen Umfeld gefunden? mer wieder archäologische Funde • Objekt am Ort belassen (ausser auf, so auch beim Brunnifirn. Sie es ist unmittelbar gefährdet) stammen aus allen Epochen, von • Fotografieren der Steinzeit bis zum 20. Jahr- (Objekt und Umgebung) hundert. Die Objekte erlauben uns faszinierende Einblicke in • Fundort markieren die Vergangenheit, nicht zuletzt • Koordinaten notieren weil organische Materialien, wie oder auf Karte einzeichnen Leder, Fell, Textilien, Geweih oder • Funde umgehend den Holz, erhalten bleiben. Nach dem kantonalen Fachstellen melden Freischmelzen zersetzen sich diese aber schnell. Kanton Uri, Justizdirektion Abt. Denkmalpflege und Archäologie Mehr zur Gletscherarchäologie +41 41 875 24 42 / archaeologie@ur.ch und den kantonalen Fachstellen: www.ur.ch/dienstleistungen/3429 www.alparch.ch Archäologischer Dienst Graubünden +41 81 257 48 50 / info@adg.gr.ch www.archaeologie.gr.ch
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