Beschluss der STIKO zur 8. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung und die dazugehörige wissenschaftliche Begründung STIKO-Empfehlung zur ...
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Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 14 Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut Beschluss der STIKO zur 8. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung und die dazugehörige wissenschaftliche Begründung STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung Aktualisierung vom 8. Juli 2021 Bei der Coronavirus Disease 2019-(COVID-19-)Impf werden. Bei keinem dieser Impfstoffe handelt es empfehlung handelt es sich um eine Indikations- sich um einen Lebendimpfstoff. Die Impfstoffe wer- impfempfehlung im Rahmen einer Pandemie. Ob es den hinsichtlich des Individualschutzes und der Be- in Zukunft eine Standardimpfempfehlung oder kämpfung der Pandemie nach derzeitigem Wissen eine Indikationsimpfempfehlung geben wird, kann als geeignet beurteilt. Direkte Vergleichsstudien zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden. zwischen den verschiedenen Impfstoffen sind nur begrenzt verfügbar. Die beiden mRNA-Impfstoffe Für die Impfung gegen COVID-19 sind aktuell in können in allen Alters- und Indikationsgruppen der Europäischen Union (EU) vier Impfstoffe zuge- eingesetzt werden, für die sie zugelassen sind. lassen. Es handelt sich dabei um zwei mRNA-Impf- stoffe (Comirnaty der Firma BioNTech/Pfizer und Aufgrund der beobachteten thromboembolischen Er- Spikevax der Firma Moderna) sowie zwei Vektor-ba- eignisse werden die beiden Vektor-basierten Impf- sierte Impfstoffe (Vaxzevria der Firma AstraZeneca stoffe (Vaxzevria und COVID-19 Vaccine Janssen) und COVID-19 Vaccine Janssen der Firma Janssen nur für Personen im Alter ≥ 60 Jahren empfohlen. Cilag International). Für eine vollständige Impfserie Die STIKO ändert jedoch ihre bisherige Empfeh- sind bei den beiden mRNA-Impfstoffen und beim lung einer zweimaligen (d. h. homologen) Vaxzevria- Impfstoff Vaxzevria jeweils zwei Impfstoffdosen not- Impfung bei ≥60-Jährigen. Wie bei den
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 15 Hintergrund für diese Empfehlung ist zum einen Verlauf der COVID-19-Erkrankung bei Kindern und die in mehreren unabhängigen Studien gemachte Jugendlichen mit Vorerkrankungen (siehe Tabelle 2) Beobachtung, dass die Antikörper-basierte und – empfiehlt die STIKO dieser Gruppe eine Impfung sofern untersucht – auch die T-Zell-basierte Immu- mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty. Es sollen zwei nantwort nach diesem heterologem Impfschema si- Impfstoffdosen im Abstand von 3–6 Wochen gege- gnifikant höher war als nach zweimaliger Vaxzevria- ben werden. Impfung. Auch wenn in diesen Arbeiten nicht un- tersucht wurde, ob eine heterologe Impfung einer Zusätzlich wird die Impfung Kindern und Jugend- homologen Vaxzevria-Impfung hinsichtlich des lichen ab 12 Jahren empfohlen, in deren Umfeld Schutzes vor COVID-19 überlegen ist, lässt die er- sich Angehörige oder andere Kontaktpersonen mit höhte Immunogenität nach Auffassung der STIKO hoher Gefährdung für einen schweren COVID-19- eine verbesserte Schutzwirkung erwarten. Zum an- Verlauf befinden, die selbst nicht geimpft werden deren hat das genannte heterologe Impfschema den können oder bei denen der begründete Verdacht auf Vorteil, dass eine vollständige Immunisierung in einen nicht ausreichenden Schutz nach Impfung einem kürzeren Zeitrahmen erreicht werden kann besteht (z. B. Menschen unter relevanter immun (≥ 4 Wochen vs. 9 – 12 Wochen). suppressiver Therapie). Der Einsatz von Vaxzevria als zweimalige Impfung Eine berufliche Indikation aufgrund eines arbeits- und der COVID-19 Vaccine Janssen ist bei < 60-Jäh- bedingt erhöhten Expositionsrisikos oder eines ar- rigen zulassungskonform und nach ärztlicher Auf- beitsbedingt engen Kontaktes zu vulnerablen Perso- klärung und bei individueller Risikoakzeptanz nengruppen besteht für Jugendliche entsprechend durch die impfwillige Person unverändert möglich. den beruflichen Impfindikationsgruppen (siehe Tabelle 2). Die jeweils empfohlenen Impfabstände sind in Tabelle 1 aufgeführt. Der Einsatz von Comirnaty bei Kindern und Jugend lichen im Alter von 12–17 Jahren ohne Vorerkran- Impfstoff Impfabstand kungen wird derzeit nicht allgemein empfohlen, ist Comirnaty (BioNTech/Pfizer) 3 – 6 Wochen aber nach ärztlicher Aufklärung und bei individuel- Spikevax (Moderna) 4 – 6 Wochen lem Wunsch und Risikoakzeptanz des Kindes oder Vaxzevria (AstraZeneca) 9 – 12 Wochen Jugendlichen bzw. der Sorgeberechtigten möglich. Heterologes Impfschema (Vaxzevria/mRNA-Impfstoff) ab 4 Wochen Um Viruseinträge in Gemeinschaftseinrichtungen Tabelle 1 | Impfabstände zur Grundimmunisierung gegen (Schulen und andere Einrichtungen für Kinder und COVID-19 (Stand: 1.7.2021)* Jugendlichen) zu minimieren und den Betrieb die- * Sollte der empfohlene maximale Abstand zwischen der ser Einrichtungen so lange wie möglich aufrecht zu 1. und 2. Impfstoffdosis überschritten worden sein, kann die erhalten, sollten Eltern, Betreuungspersonen von Impfserie dennoch fortgesetzt werden und muss nicht neu begonnen werden. Kindern und Jugendlichen, LehrerInnen und Erzie- herInnen das Impfangebot dringend wahrnehmen. Zur Eindämmung der Pandemie kommt es maß- geblich darauf an, in der Bevölkerung rasch hohe Empfehlung für Kinder und Jugendliche Impfquoten zu erreichen. im Alter von 12–17 Jahren Die STIKO spricht nach der Zulassung für Comir- Empfehlung zur Priorisierung naty für 12–15-Jährige eine gemeinsame Empfehlung Die Impfung gegen COVID-19 soll allen Personen für die Altersgruppe der 12–17-jährigen Kinder und ab dem Alter von 18 Jahren angeboten werden. Jugendlichen aus. Bereits begonnene Impfserien bei 16 – 17-Jährigen sollen vervollständigt werden. Auf- Aufgrund des Fortschritts der Impfkampagne und grund eines erhöhten Risikos für einen schweren zunehmender Verfügbarkeit von COVID-19-Impf-
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 16 A) Personen im Alter ≥60 Jahren stoffen ist ein stufenweises Vorgehen (Priorisierungs B) Personen im Alter ab 18 Jahren mit Grunderkrankungen, die ein empfehlung) auf nationaler Ebene nicht mehr not- erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben, z. B. wendig. Während die Priorisierung zu einer Redu- ▶▶ Angeborene oder erworbene Immundefizienz bzw. Immun suppression, inkl. HIV-Infektion, Z. n. Organtransplantation zierung schwerer COVID-19-Erkrankungen in der ▶▶ Autoimmunerkrankungen, inkl. rheumatologische Erkrankungen ▶▶ Chronische Herz-Kreislauf-Erkrankungen ersten Phase der Impfkampagne beigetragen hat, ▶▶ Chronische Krankheiten der Atmungsorgane lassen aktuelle Modellierungen keinen zusätzlichen ▶▶ Chronische Lebererkrankungen, inkl. Leberzirrhose ▶▶ Chronische Nierenerkrankungen Nutzen durch Beibehaltung der Priorisierung er- ▶▶ Chronisch entzündliche Darmerkrankungen warten. ▶▶ Chronische neurologische Erkrankungen ▶▶ Demenz oder geistige Behinderung ▶▶ Psychiatrische Erkrankungen Trotz Wegfalls der stufenweisen Priorisierungs ▶▶ Stoffwechselerkrankungen, inkl. Adipositas mit BMI >30kg/m2 und Diabetes mellitus empfehlung ist die impfende Ärzteschaft aufgerufen, ▶▶ Trisomie 21 bislang nicht geimpfte Erwachsene, die ein erhöhtes ▶▶ Krebserkrankungen, inkl. maligne hämatologische Erkrankungen Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben oder C) Kinder und Jugendliche im Alter von 12–17 Jahren mit Grunderkrankungen, die ein erhöhtes Risiko für schwere die arbeitsbedingt besonders exponiert sind oder die COVID-19-Verläufe haben ▶▶ Adipositas (> 97. Perzentile des BMI) engen Kontakt zu vulnerablen Personengruppen ha- ▶▶ Angeborene oder erworbene Immundefizienz oder relevante ben, weiterhin bei der Vergabe von Impfterminen Immunsuppression ▶▶ Angeborene zyanotische Herzfehler (O -Ruhe-Sättigung < 80 %) bevorzugt zu berücksichtigen (siehe Tabelle 2). 2 ▶▶ Chronische Lungenerkrankungen mit einer anhaltenden Einschränkung der Lungenfunktion unterhalb der 5. Perzentile, definiert als z-Score-Wert < –1,64 für die forcierte Einsekundenka- pazität (FEV1) oder Vitalkapazität (FVC). (Ein gut eingestelltes Hinweise zur praktischen Umsetzung Asthma bronchiale ist hier nicht gemeint). ▶▶ Chronische Nierenerkrankungen ▶▶ Für die Umsetzung der Empfehlung sind die ▶▶ Chronische neurologische oder neuromuskuläre Erkrankungen Bundesländer bzw. die von ihnen beauftragten ▶▶ Diabetes mellitus, wenn nicht gut eingestellt bzw. mit HbA1c- Wert > 9,0 % Stellen verantwortlich. ▶▶ Schwere Herzinsuffizienz ▶▶ Schwere pulmonale Hypertonie ▶▶ Eine COVID-19-Impfung setzt eine sorgfältige ▶▶ Syndromale Erkrankungen mit schwerer Beeinträchtigung Aufklärung der zu impfenden Person bzw. des ▶▶ Trisomie 21 ▶▶ Tumorerkrankungen und maligne hämatologische Erkrankungen Vorsorgebevollmächtigten oder Sorgeberechtig- D) BewohnerInnen von SeniorInnen- und Altenpflegeheimen sowie ten voraus. Die STIKO verweist hierzu auf Kapi- BewohnerInnen in Gemeinschaftsunterkünften (unabhängig vom tel 4.1 der STIKO-Impfempfehlungen 2020/2021 Alter) (Epid Bull 34/2020). E) Enge Kontaktpersonen von Schwangeren oder Personen mit einem Risiko für schwere COVID-19-Verläufe (unabhängig vom ▶▶ Bei der Impfung sind die Anwendungshinweise Alter) in den Fachinformationen zum jeweiligen Impf- F) Personen, die arbeitsbedingt besonders exponiert sind, engen stoff sowie die veröffentlichten „Rote-Hand“- Kontakt zu vulnerablen Personengruppen haben, oder Personen in Schlüsselpositionen (unabhängig vom Alter), z. B. Briefe zu beachten. ▶▶ Personal mit erhöhtem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen ▶▶ Auch bei sehr alten Menschen oder Menschen ▶▶ Personal mit engem Kontakt zu vulnerablen Gruppen in mit progredienten Krankheiten, die sich in ei- medizinischen Einrichtungen ▶▶ Pflegepersonal und andere Tätige in der ambulanten und nem schlechten Allgemeinzustand befinden, stationären Altenpflege oder Versorgung von Personen mit muss die Impffähigkeit gegeben sein. Bei die- Demenz oder geistiger Behinderung ▶▶ Tätige in Gemeinschaftsunterkünften sen Gruppen sollte ärztlich geprüft werden, ob ▶▶ Medizinisches Personal im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) ihnen die Impfung empfohlen werden kann. ▶▶ LehrerInnen und ErzieherInnen ▶▶ Beschäftigte im Einzelhandel ▶▶ Zur Anwendung der COVID-19-Impfstoffe in ▶▶ Beschäftigte zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit ▶▶ Personal in Schlüsselpositionen der Landes- und Bundesregierungen der Schwangerschaft liegen aktuell limitierte ▶▶ Berufsgruppen der kritischen Infrastruktur Daten vor. Die STIKO empfiehlt die generelle Impfung in der Schwangerschaft derzeit nicht. Tabelle 2 | Personen mit besonderer Indikation für eine Eine akzidentelle Impfung in der Schwanger- COVID-19-Impfung (Die Gruppen und Vorerkrankungen sind nicht nach Relevanz geordnet) schaft ist jedoch keine Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch. Schwangeren mit Vorerkrankungen und einem daraus resultie- renden hohen Risiko für eine schwere COVID-19- Erkrankung oder mit einem erhöhten Expositi-
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 17 onsrisiko aufgrund ihrer Lebensumstände kann onaten nach e iner gesicherten SARS-CoV-2- M nach Nutzen-Risiko-Abwägung und Aufklärung Infektion sehr niedrig, kann aber mit zuneh- eine Impfung mit einem mRNA-Impfstoff ab mendem Abstand ansteigen. Die Gabe der ein- dem 2. Trimenon angeboten werden. Bisher lie- maligen Impfstoffdosis ist bereits ab 4 Wochen gen zur Anwendung der COVID-19-Impfstoffe nach dem Ende der COVID-19-Symptome mög- in der Stillzeit nur wenige Daten vor. Die STIKO lich, wenn z. B. eine Exposition gegenüber künf- hält es jedoch für äußerst unwahrscheinlich, tig auftretenden Virusvarianten gegeben ist, dass eine Impfung der Mutter während der Still- gegen die eine durchgemachte SARS-CoV-2- zeit ein Risiko für den Säugling darstellt. Infektion keinen ausreichenden Schutz mehr ▶▶ Zu anderen planbaren Impfungen soll ein Min- vermittelt (immune escape-Varianten). Nach ge destabstand von 14 Tagen vor und nach jeder sicherter asymptomatischer SARS-CoV-2-In COVID-19-Impfstoffdosis eingehalten werden fektion kann die Impfung bereits ab 4 Wochen (Notfallimpfungen sind davon ausgenommen). nach der Labordiagnose erfolgen. ▶▶ Es besteht keine Notwendigkeit, vor Verabrei- ▶▶ Wird bei einer einmalig gegen COVID-19 chung einer COVID-19-Impfung das Vorliegen geimpften Person durch direkten Erregernach- einer akuten asymptomatischen oder (unerkannt) weis (PCR) eine SARS-CoV-2-Infektion nach durchgemachten SARS-CoV-2-Infektion labor gewiesen, soll die zweite Impfung in der Regel diagnostisch auszuschließen. 6 Monate nach Ende der COVID-19-Symptome ▶▶ Sollte der empfohlene maximale Abstand zwi- bzw. der Diagnose erfolgen. Die Gabe einer Impf schen der 1. und 2. Impfstoffdosis überschritten stoffdosis ist bereits ab 4 Wochen nach dem worden sein, kann die Impfserie dennoch fort Ende der COVID-19-Symptome möglich, wenn gesetzt werden und muss nicht neu begonnen z. B. mit Exposition gegenüber neuen Virus werden. varianten zu rechnen ist, gegen die eine durch- ▶▶ Aufgrund der Immunität nach durchgemachter gemachte SARS-CoV-2-Infektion keinen ausrei- SARS-CoV-2-Infektion sollten immungesunde chenden Schutz vermittelt. Personen, die eine gesicherte SARS-CoV-2-Infek ▶▶ Aktuell ist nicht bekannt, ob man nach SARS- tion (aktuell nachgewiesen mittels PCR) durch CoV-2-Exposition durch eine postexpositionelle gemacht haben, unabhängig vom Alter zunächst Impfung den Verlauf der Infektion günstig nur eine Impfstoffdosis erhalten, da sich durch beeinflussen oder die Erkrankung noch verhin- eine einmalige Impfung bereits hohe dern kann. Antikörperkonzentrationen erzielen lassen, die ▶▶ Postmarketing- und Real-Life-Studien haben ge- durch eine 2. Impfstoffdosis nicht weiter gestei- zeigt, dass die Virusausscheidung bei Personen, gert werden. Dies gilt auch, wenn der Infektions- die sich trotz einer abgeschlossenen Impfserie zeitpunkt länger zurück liegt. Ob und wann spä- mit SARS-CoV-2 infiziert haben, stark reduziert ter eine 2. COVID-19-Impfung notwendig ist, und damit das Transmissionsrisiko deutlich ver- lässt sich gegenwärtig nicht sagen. Hingegen mindert ist. Es muss jedoch davon ausgegangen muss bei Personen mit Immundefizienz im werden, dass Menschen nach entsprechender Einzelfall entschieden werden, ob eine einmalige Exposition trotz Impfung symptomatisch oder Impfstoffdosis ausreicht oder eine vollständige asymptomatisch infiziert werden können und Impfserie verabreicht werden sollte. Dies hängt dabei SARS-CoV-2 ausscheiden. maßgeblich von Art und Ausprägung der Immun ▶▶ Die Impfung ist strikt intramuskulär (i. m.) und defizienz ab. Bei gesicherter symptomatischer keinesfalls intradermal, subkutan oder intra Infektion soll die notwendige eine Impfstoff vaskulär zu verabreichen. Bei PatientInnen unter dosis in der Regel 6 Monate nach der Infektion Antikoagulation soll die Impfung ebenfalls i. m. gegeben werden. Die derzeit verfügbaren klini- mit einer sehr feinen Injektionskanüle und einer schen und immunologischen Daten belegen eine anschließenden festen Kompression der Ein- Schutzwirkung für mindestens 6 – 10 Monate stichstelle über mindestens 2 Minuten erfolgen. nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion. Das ▶▶ Im Allgemeinen wird eine Nachbeobachtungs- Risiko für eine Reinfektion ist in den ersten zeit nach der COVID-19-Impfung von mindes-
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 18 tens 15 Minuten empfohlen. Längere Nach Untersuchungen durch. Auch nach Anwendung beobachtungszeiten (30 Minuten) sollten vor- der COVID-19 Vaccine Janssen sind in den USA sichtshalber bei bestimmten Risikopersonen sehr seltene Fälle von TTS überwiegend bei jün- eingehalten werden, z. B. bei Personen mit schwe- geren Geimpften aufgetreten. Basierend auf der ren kardialen oder respiratorischen Grunderkran momentanen Datenlage empfiehlt die STIKO kungen oder mit stärkeren oder anaphylak die Impfung mit den beiden Vektor-basierten tischen Reaktionen auf Impfungen in der Impfstoffen Vaxzevria und COVID-19 Vaccine Anamnese. Maßgeblich für diese Entscheidun- Janssen nur für Menschen im Alter ≥60 Jahre, gen sind die Angaben der Person selbst sowie da in dieser Altersgruppe aufgrund der anstei die ärztliche Einschätzung des Gesundheits genden Letalität einer COVID-19-Erkrankung zustands. die Nutzen-Risiko-Abwägung eindeutig zu ▶▶ Nach der Zulassung von Comirnaty sind einzelne Gunsten der Impfung ausfällt. Obwohl bisher schwerwiegende, allergische Unverträglich- deutlich mehr Frauen betroffen waren, schränkt keitsreaktionen aufgetreten. Nach der derzeiti- die STIKO ihre Empfehlung für beide Geschlech- gen D atenlage ist ein generell erhöhtes R isiko ter ein, zumal a lternative Impfstoffe ohne dieses für schwerwiegende unerwünschte Wirkungen Sicherheitssignal verfügbar sind (siehe auch Ka- für Personen mit vorbekannten allergischen Er- pitel 7.2.1.1 in der 4. Aktualisierung der COVID- krankungen bei Impfung mit mRNA-Impfstoffen 19-Impfempfehlung der STIKO). Der Einsatz nicht anzunehmen, sofern keine Allergie gegen der beiden Vektor-basierten Impfstoffe unter- einen Inhaltsstoff der jeweiligen Vakzine vor- halb dieser Altersgrenze bleibt indes nach ärzt- liegt (z. B. Polyethylenglykol im Falle der COVID- licher Aufklärung und bei individueller Risikoak- 19-mRNA-Impfstoffe). Zur weiteren Information zeptanz durch die impfwillige Person möglich. wird auf die „Empfehlung zur Coronaimpfung ▶▶ Mit den genannten Vektor-basierten Impfstoffen für Allergikerinnen und Allergiker“ des Paul- Geimpfte sollten darüber aufgeklärt werden, dass Ehrlich-Instituts (PEI) und das Flussdiagramm sie bei Symptomen wie starken anhaltenden zum Vorgehen bei p ositiver Allergieanamnese Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit, Beinschwellun vor COVID-19-Impfung verwiesen. gen, anhaltenden Bauchschmerzen, neurologi- ▶▶ Nach der Impfung mit Vaxzevria sind in schen Symptomen oder punktförmigen Haut- Deutschland und in anderen Ländern sehr sel- blutungen umgehend ärztliche Hilfe in An- tene Fälle von Thrombosen in Kombination mit spruch nehmen sollten. ÄrztInnen sollten auf Thrombozytopenien bei Geimpften aufgetreten Anzeichen und Symptome einer Thromboem (sog. Thrombose mit Thrombozytopenie Syn- bolie in Kombination mit einer Thrombozyto drom [TTS], in der wissenschaftlichen Literatur penie achten, wenn sich PatientInnen v orstellen, auch als Vakzine-induzierte immunthromboti- die kürzlich mit Vektor-basierten COVID-19- sche Thrombozytopenie [VITT] bekannt). Auf- Impfstoffen geimpft wurden. Dies gilt insbeson- gefallen sind vor allem Hirnvenenthrombosen dere, wenn PatientInnen über später als drei (sogenannte Sinus venosus Thrombosen; SVT). Tage nach der Impfung beginnende und dann Aber auch andere thrombotische Ereignisse wie anhaltende Kopfschmerzen klagen oder punkt- Mesenterialvenenthrombosen und Lungen förmige Hautblutungen auftreten. Weitere In- embolien sind berichtet worden. Einzelne Fälle formationen und Hinweise zur Diagnostik und waren auch kombiniert mit erhöhter Gerin- Therapie findet man in der Stellungnahme der nungsaktivität oder Blutungen im ganzen Kör- Gesellschaft für Thrombose- und Hämostase- per. Die Symptome traten 4 – 21 Tage nach der forschung (GTH). Impfung auf. Bisher wurden diese schweren ▶▶ Die STIKO bekräftigt die Empfehlung, das und teilweise tödlich verlaufenden Nebenwir- bundesweite Monitoring von Impfquoten fort kungen überwiegend bei Frauen im Alter zuführen, damit auch in Zukunft verlässliche ≤ 55 Jahren beobachtet, aber auch Männer und Daten zur Risiko-Nutzen-Analyse zeitnah ver- Ältere waren betroffen. Das PEI und die Europä- fügbar sind. ische Arzneimittelbehörde (EMA) führen weitere
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 19 ▶▶ Für die Meldungen von über das übliche Maß hinausgehenden Impfreaktionen und -kompli- kationen soll das etablierte Verfahren verwendet werden (siehe Kapitel 4.9 „Impfkomplikationen und deren Meldung“ in den STIKO-Impfem pfehlungen 2020/2021; Meldeformular des PEI). Berichte des PEI zur Sicherheit von COVID-19- Impfstoffen erscheinen regelmäßig.
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 20 Wissenschaftliche Begründung der STIKO für die Empfehlung zur Impfung gegen COVID-19 unter Berücksichtigung des Auftretens der Delta-Variante und neuer Evidenz zum heterologen Impfen 1 Einleitung Deutschland deutlich zu. Nach dem 16. Bericht des In Europa und in Deutschland breitet sich momentan RKI zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutsch- die Delta-Variante von SARS-CoV-2 schnell aus. Diese land vom 30. Juni 2021 betrug der Anteil der Delta- Variante ist deutlich ansteckender als die seit März Variante an allen VOC Mitte Juni 2021 (24. Kalender 2021 vorherrschende Alpha-Variante. Die STIKO woche) 37 %. Die VOC haben einen Anteil von 90 % hat unter Berücksichtigung von Studienergebnis- an allen nachgewiesenen SARS-CoV-2-Infektionen. sen zur Wirksamkeit der vorhandenen Impfstoffe Unter Berücksichtigung der Ergebnisse und Vor- gegen die Delta-Variante ihre Empfehlungen über- hersagen einer mathematischen Modellierung und abeitet und die empfohlenen Impfabstände der unter Kenntnis der leichteren Übertragbarkeit der COVID-19-Impfung angepasst. Delta-Variante schätzt das European Centre for Di- sease Prevention and Control (ECDC), dass bis An- Aufgrund von Sicherheitsbedenken nach der An- fang August 2021 etwa 70 % der Neuinfektionen in wendung von Vaxzevria hatte die STIKO im April Europa durch die Delta-Variante verursacht werden, 2021 ihre Empfehlung angepasst und für < 60-Jäh- bis Ende August sogar 90 %.1 rige, die bereits eine 1. Vaxzevria-Impfstoffdosis er- halten hatten, die Weiterführung der Impfung nach Das ECDC hat am 23. Juni 2021 eine Gefährdungs- einem heterologen Impfschema mit der Gabe eines beurteilung hinsichtlich der besorgniserregenden mRNA-Impfstoffs als zweite Impfstoffdosis emp- Delta-Variante veröffentlicht.1 Daraus geht hervor, fohlen. Jetzt liegen neue Daten zur Sicherheit und dass basierend auf der verfügbaren Evidenz ange- Immunogenität des heterologen Impfschemas vor, nommen werden muss, dass die Delta-Variante 40– dessen Anwendung nunmehr von der STIKO auch 60 % infektiöser als die zurzeit in Europa dominan- für ≥ 60-Jährige empfohlen wird. te Alpha-Variante (B.1.1.7) ist. Zur Frage, ob Infekti- onen mit der Delta-Variante von SARS-CoV-2 zu hö- Zusätzlich wurden in den praktischen Hinweisen heren Hospitalisierungsraten führen, gibt es bisher die Empfehlungen zum Impfen nach durchge- unterschiedliche Mitteilungen aus England und machter SARS-CoV-2-Infektion unter Bezugnahme Schottland.3–5 Eine höhere Pathogenität der Delta- auf die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse Variante ist derzeit allerdings nicht gesichert. Nur und unter Berücksichtigung der Impfstoffverfüg- einmal geimpfte Personen sind unabhängig vom barkeit angepasst. Impfstofftyp schlechter gegen eine Infektion mit der Delta-Variante geschützt als dies für andere Varian- ten der Fall ist. Der Impfschutz gegenüber der Delta- 2 Delta-Variante Variante nach vollständiger Impfserie ist jedoch fast Die SARS-CoV-2-Variante Delta (B.1.617.2) wurde im ebenso gut wie gegenüber dem Wildtyp oder der Dezember 2020 erstmals in Indien beschrieben und Alpha-Variante.1 wurde in der Folge bis heute in 85 weiteren Län- dern nachgewiesen.1 Sie gehört nach der gültigen In der Beurteilung des ECDC wird festgestellt, dass Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) es durch die Zunahme der Delta-Variante nicht zu zu den besorgniserregenden Virusvarianten (VOC).2 vermehrten Reinfektionen bei Personen gekommen Seit Juni 2021 nimmt der Anteil der durch diese Va- ist, die sich in der Vergangenheit mit anderen Vari- riante verursachten SARS-CoV-2-Infektionen in anten infiziert hatten. Obwohl Rekonvaleszenten-
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 21 Seren und Seren von Geimpften in vitro eine redu- tät gegenüber der Delta-Variante von 20 Rekonvales- zierte Neutralisierungskapazität gegenüber der Delta- zentenseren und 17 Seren von mit dem inaktivierten Variante im Vergleich zu den bisher dominanten SARS-CoV-2-Impfstoff Vollvirion (BBV152) Geimpf- Varianten zeigen, bleibt die protektive Immunant- ten untersucht wurde, fand eine im Vergleich zu wort erhalten.1, 6 den bisher dominanten Varianten zwar deutlich re- duzierte, aber noch vorhandene Neutralisation der In einer Fall-Kontroll-Studie, die 19.543 COVID-19- Delta-Variante.6 Eine weitere als Preprint erschiene- Fälle aus der gesamten schottischen Bevölkerung ne Studie aus Frankreich beschreibt ebenfalls eine im Zeitraum Anfang April bis Anfang Juni 2021 be- 4- bis 6-fache Reduktion der Neutralisation der Delta- rücksichtigte, lag die Vakzineeffektivität (VE) gegen Variante durch Rekonvaleszentenseren im Vergleich eine SARS-CoV-2-Infektion mit der Delta-Variante zur Alpha-Variante.10 In dieser Studie wird jedoch bei einer vollständigen Impfung mit Comirnaty bei eine sehr gute Boosterfähigkeit der neutralisieren- 79 % bzw. mit Vaxzevria bei 60 %.3 Für die Bestim- den Antikörperkonzentrationen durch eine einma- mung der VE wurde das Test-Negativ-Design ver- lige Impfung beschrieben. Inwieweit diese in vitro wendet. Beobachtungen eine Aussage über den Schutz vor Infektion mit der Delta-Variante von Personen erlau- Eine englische Fall-Kontroll-Studie untersuchte die ben, die eine SARS-CoV-2-Infektion mit der Alpha- VE gegen eine symptomatische Erkrankung mit der Variante durchgemacht hatten, ist derzeit unklar. Delta-Variante7 ebenfalls mittels des Test-Negativ- Hinsichtlich des klinischen Schutzes gegenüber ei- Designs. Berücksichtigt wurden 12.675 COVID-19- ner Reinfektion führt das ECDC in seiner Gefähr- Fälle, davon 1.054 mit der Delta-Variante, aus der dungsbeurteilung zur Delta-Variante1 aus, dass nach englischen Bevölkerung im Zeitraum ab Mitte April. den bisherigen Beobachtungen aus dem Vereinigten Der Altersschwerpunkt lag bei 16–49 Jahren. Nach Königreich die Zunahme der Delta-Variante nicht einer Dosis Comirnaty bzw. Vaxzevria lag die VE bei mit einer Zunahme an Reinfektionen bei Personen 33 % und erhöhte sich nach der 2. Dosis auf 88 % einherging, die eine PCR-gesicherte Infektion mit für Comirnaty bzw. auf 60 % für Vaxzevria.7 Nach einer der bisher zirkulierenden Varianten durchge- der Weiterführung der Studie wurde später bei ins- macht hatten.1, 11 gesamt 14.019 COVID-19-Fällen, die durch die Delta- Variante verursacht waren, die VE gegen Hospitali- sierung bestimmt. Nach einer Dosis Comirnaty bzw. 3 Heterologe Impfserie Vaxzevria lag die VE bei 94 % bzw. 71 % und erhöh- In Deutschland und in vielen anderen Ländern sind te sich nach der 2. Dosis auf 96 % für Comirnaty nach der Impfung mit dem Vektor-basierten Impf- bzw. auf 92 % für Vaxzevria.8 stoff Vaxzevria seltene Fälle von Thrombosen mit Thrombozytopenien bei Geimpften aufgetreten Für Spikevax liegen keine VE-Daten vor. Ergebnisse (TTS).12, 13 Daher hat die STIKO ihre COVID-19- aus einer Immunogenitätsstudie9 legen jedoch nahe, Impfempfehlung am 1. April 2021 angepasst. Seit- dass auch nach abgeschlossener Impfserie mit dem empfiehlt sie die Impfung mit Vektor-basierten Spikevax eine neutralisierende Antikörperantwort Impfstoffen nur noch für Personen ≥ 60 Jahre.14 gegen die Delta-Variante erzielt wird, die vergleich- Ähnliche Entscheidungen wurden zum selben Zeit- bar ist mit den Ergebnissen der Immunogenitäts- punkt auch in anderen europäischen Ländern ge- studien von Comirnaty. troffen.15–17 Für < 60-jährige Personen, die zu diesem Zeitpunkt bereits mit der ersten Dosis Vaxzevria Studiendaten zur Beantwortung der Frage, ob Per- geimpft worden waren, hatte die STIKO seitdem an- sonen, die eine SARS-CoV-2-Infektion mit einer an- stelle der 2. Vaxzevria-Impfstoffdosis eine Dosis eines deren als der Delta-Variante durchgemacht haben, mRNA-Impfstoffs 9–12 Wochen nach der Erstimp- vor einer schweren Infektion mit der Delta-Variante fung empfohlen. Die Empfehlung dieses heterolo- geschützt sind, liegen bisher nur in sehr begrenz- gen Impfschemas wurde zunächst ohne starke Evi- tem Umfang vor. Eine als Preprint erschienene Stu- denz ausgesprochen, da nur Mausuntersuchungen,18 die aus Indien,6 in der die neutralisierende Kapazi- aber keine klinischen Untersuchungen zu diesem
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 22 Impfschema vorlagen. Inzwischen sind mehrere kli- zu haben. In den 48 Stunden nach der 2. Impfstoff- nische Studien zur Sicherheit und Immunogenität dosis berichteten dies 60 % (Com/Vax) bzw. 57 % von heterologen Impfserien mit unterschiedlichen (Vax/Com) der ProbandInnen, die eine heterologe Impfstoffen erschienen, deren Ergebnisse im Fol- Impfserie bekommen hatten, und 41 % (Com/Com) genden zusammengestellt sind. bzw. 36 % (Vax/Vax) der ProbandInnen, die homo- log geimpft worden waren. Im Vereinigten Königreich wurde bereits im Februar 2021 eine randomisierte einfach-geblindete Multi Die Immunantwort des heterologen Impfschemas center-Studie begonnen, die die Reaktogenität und (Vax/Com) war gemessen an dem geometrischen Immunogenität einer heterologen Impfserie bei Mittelwert der SARS-CoV-2-Anti-Spike-IgG-Anti- ≥ 50-Jährigen untersuchte.19 Im Rahmen dieser soge- körper-Konzentrationen (GMC, Geometric Mean nannten Com-COV-Studie wurden vier verschiedene Concentration) bei einem Impfabstand von 28 Ta- Impfstoff-Kombinationen ((i) Vaxzevria/Vaxzevria gen (12.906 ELU/ml) deutlich stärker als bei einem (Vax/Vax); (ii) Comirnaty/Comirnaty (Com/Com); homologen Impfregime Vax/Vax (1.392 ELU/ml).22 (iii) Vaxzevria/Comirnaty (Vax/Com), (iv) Comirnaty/ Das Verhältnis der GMC (GMR) der heterolog Vaxzevria (Com/Vax) und zwei verschiedene Impf Geimpften zu den homolog Geimpften betrug 9,2 intervalle (28 Tage und 84 Tage) verglichen. Es wurden (97,5 % KI 7,5 – ∞) und bestätigt die Nicht-Unterle- 830 ProbandInnen (Altersmedian: 57 Jahre, 46 % genheit. Im Unterschied dazu konnte die Nicht- weiblich) in die Studie eingeschlossen; davon 463 in Unterlegenheit des umgekehrten heterologen Impf- dem Studienarm mit 28-tägigen Impfabstand und schemas (Com/Vax; GMC 7.133 ELU/ml) gegenüber 367 in den Arm mit 84-tägigen Abstand. Aktuell einer homologen Comirnaty-Impfserie (Com/Com; sind Studienergebnisse zur Sicherheit und Immu GMC 14.080 ELU/ml) bei einer GMR von 0,51 nogenität nach Verabreichung der Impfstoffe nur (97,5 % KI 0,43 – ∞) nicht nachgewiesen werden. für das 28-Tage-Intervall verfügbar. Lokalreaktionen Auch die T-zelluläre Immunantwort des heterologen nach der 2. Impfstoffdosis (Schmerzen an der Ein- Impfschemas (Vax/Com) war ausgeprägter als die stichstelle) waren bei der heterologen Impfserie der anderen Impfschemata. In der Studie wurden Vax/Com häufiger als nach der homologen Impf 4 schwere unerwünschte Ereignisse beobachtet, von serie Vax/Vax; größtenteils waren die Impfreaktio- denen keines mit der Impfung in Verbindung ge- nen jedoch mild. In Übereinstimmung mit früheren bracht wurde. Die Studie bestätigt, dass nach dem he- klinischen Daten waren die systemischen Impfreak- terologen Impfschema (Vax/Com) mit 4-wöchigem tionen bei homologer Vaxzevria-Impfung nach der Impfabstand eine robuste humorale und zelluläre 1. Impfstoffdosis ausgeprägter als nach der 2. Impf- Immunantwort induziert wird, die mit der nach ho- stoffdosis, wohingegen bei der ausschließlichen An- mologer Comirnaty-Impfung vergleichbar war. Ob wendung von Comirnaty die Impfreaktionen nach diese im Labor gemessene bessere Immunantwort der 2. Impfstoffdosis ausgeprägter waren.20, 21 Bei auch tatsächlich eine bessere klinische Schutzwir- beiden heterologen Impfschemata waren die syste- kung erzielt, ist derzeit noch nicht bekannt. mischen Impfreaktionen ausgeprägter als nach den homologen Impfserien. Erhöhte Temperaturen nach Die Reaktogenität eines heterologen Impfschemas der 2. Impfstoffdosis berichteten 34 % (Vax/Com) (Vax/Com) im Vergleich zu einem homologen Impf- bzw. 41 % (Com/Vax) der ProbandInnen, die eine regime (Com/Com) wurde in einer weiteren Studie heterologe Impfserie bekommen hatten, und 10 % an 326 KrankenhausmitarbeiterInnen (Altersmedian (Vax/Vax) bzw. 21 % (Com/Com), die eine homologe 35 Jahre, 60 % weiblich) eines Berliner Krankenhau- Impfserie erhielten. Ähnliche Häufigkeitsunter- ses untersucht.23 Die ProbandInnen wurden zwi- schiede wurden bezüglich des Auftretens von Schüt- schen dem 27. Dezember 2020 und 30. März 2021 telfrost, Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmer eingeschlossen und erhielten entweder 2 Impfstoff- zen berichtet. Die Reaktionen traten innerhalb der dosen Comirnaty (Com/Com) im Abstand von 3 Wo- ersten beiden Tage auf, eine stationäre Versorgung chen oder ein heterologes Impfschema (Vax/Com) war nicht notwendig. Große Anteile der ProbandIn- mit einer 1. Impfstoffdosis Vaxzevria und einer 2. Impf nen gaben an, Paracetamol therapeutisch eingesetzt stoffdosis Comirnaty in einem 10–12-wöchigen Ab-
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 23 stand. Hinsichtlich der Häufigkeit und Schwere von den nicht beobachtet. Das heterologe Impfschema Lokalreaktionen in den ersten 7 Tagen nach der induzierte bei gutem Sicherheitsprofil eine robuste Impfung bestanden keine wesentlichen Unterschie- Immunantwort. Eine Limitation dieser Studie ist, de zwischen den Impfserien. Systemische Reaktio- dass die Kontrollgruppe keine 2. Vaxzevria-Impfung nen waren im Unterschied dazu nach der 1. Impfstoff erhielt so dass hier keine vergleichende Aussage zur dosis mit Vaxzevria mit 86 % am häufigsten. Die Immunogenität des homologen Vax/Vax-Schemas Reaktionen waren bei den Vergleichsimpfungen in gemacht werden kann. abnehmender Häufigkeit wie folgt: 65 % nach der 2. Comirnaty-Impfung beim homologen Impfschema, An der Universitätsklinik des Saarlandes (Homburg) 52 % nach der Comirnaty-Impfung des heterologen wurde in einer prospektiven Studie die Immunoge- Impfschemas und 39 % nach der 1. Comirnaty-Imp- nität und Reaktogenität eines heterologen Impf- fung. Verglichen mit der Boosterdosis des hetero schemas (Vax/mRNA-Impfstoff [Cominarty oder logen Impfschemas wurden schwere systemische Spikevax]) mit den homologen Impfserien vergli- Impfreaktionen ebenfalls häufiger nach der 1. Vax- chen.25 Eingeschlossen waren 216 immungesunde zevria-Impfung und der 2. Comirnaty-Impfung des Beschäftigte ohne vorangegangene SARS-CoV-2- homologen Impfschemas beobachtet. In dieser Stu- Infektion. 97 TeilnehmerInnen wurden heterolog die war die heterologe Impfung (Vax/Com) hinsicht- geimpft (Vax/mRNA; Impfabstand: 11,2 ± 1,3 Wochen), lich der Antikörperinduktion sogar etwas immuno- wohingegen 64 (mRNA/mRNA; Impfabstand: gener als die homologe Com/Com-Impfung. Die ge- 4,3 ± 1,1 Wochen) bzw. 55 (Vax/Vax; Impfabstand: messene T-Zell-Immunantwort war ebenfalls ausge- 10,8 ± 1,4 Wochen) die Impfung mit einem homolo- prägter bei heterologer Immunisierung (Vax/Com). gen Schema erhielten. Die Spike-spezifischen IgG- Antikörperkonzentrationen (Binding Antibody Units Eine spanische Arbeitsgruppe untersuchte im April (BAU/ml) waren 14 Tage nach heterologer Impfung 2021 die Reaktogenität und Immunogenität des he- (3.602 BAU/ml) mit denen nach abgeschlossener terologen Impfschemas mit Comirnaty als 2. Impfung homologer mRNA-Impfung (4.932 BAU/ml) ver- nach der Vorimpfung mit Vaxzevria in einer offenen gleichbar, während die IgG-Antikörperkonzentrati- randomisierten Phase 2-Studie (CombiVacS) bei onen nach der vollständigen homologen Vaxzevria-
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 24 TeilnehmerInnen, die heterolog geimpft worden 3.1 Fazit aus den Studien zum heterologen waren, erlebten die Impfreaktionen nach der 1. Impf- Impfschema stoffdosis stärker. Aufgrund von Sicherheitsbedenken nach der homo- logen Vaxzevria-Impfung hat die STIKO seit April In einer weiteren Studie, die an der Universitätsklinik 2021 für < 60-Jährige, die bereits eine Dosis Vaxzevria Ulm durchgeführt wurde, wurde bei 26 Personen erhalten hatten, eine heterologe Impfserie empfoh- im Alter von 25–46 Jahren (Median 30,5 Jahre) die len. Inzwischen liegt klinische Evidenz zur Sicher- Immunogenität und Reaktogenität des heterologen heit und Immunogenität dieses Impfschemas vor, Impfschemas (Vax/Com) bei einem 8-wöchigem In- die die getroffene Entscheidung nachträglich recht- tervall untersucht.26 Die Reaktogenität war nach der fertigt. Mehrere Studien sind in den letzten Wochen Comirnaty-Impfstoffdosis weniger stark ausgeprägt publiziert worden, die die Reaktogenität und Im- als nach der 1. Impfstoffdosis Vaxzevria. Nach bei- munogenität des heterologen Impfschemas mit an- den Impfstoffdosen wurde berichtet, dass die Abge- deren Impfschemen in verschiedenen Altersgrup- schlagenheit und Kopfschmerzen am schwersten pen und mit unterschiedlichen Impfabständen ver- erlebt wurden. Die SARS-CoV-2-Spike-IgG-Antikör- gleichen. Diese Studienergebnisse weisen darauf hin, per stiegen 14 – 19 Tage nach der Comirnaty-Impf- dass die erzielte Immunantwort nach heterologem stoffdosis um das 135-fache auf 8.614 U/ml an und Impfschema deutlich stärker und vermutlich auf- lagen damit ca. 8-fach höher als bei einer Gruppe grund der deutlich höheren Antikörperkonzentratio- von Impflingen, die außerhalb der vorliegenden nen auch dauerhafter ist als die Immunantwort nach Studie zweimal homolog mit Comirnaty geimpft einer homologen Vax/Vax-Impfserie. Zwar gibt es worden waren. Neben den anti-SARS-CoV-2-Spike- Hinweise, dass das heterologe Vax/Com-Impfsche- IgG-Antikörpern wiesen die Seren der heterolog ma im Vergleich zum homologen Vax/Vax-Impf- Geimpften 2 Wochen nach der Cominarty-Impfung schema bei kurzem Impfabstand kurzfristig etwas auch eine deutliche neutralisierende Aktivität auf. reaktogener ist, die Impfreaktionen sind jedoch So stieg der Anteil der Probanden, deren Seren die nicht schwer und dauern im Regelfall nur wenige Interaktion zwischen der SARS-CoV-2-Spike-Rezep- Tage an. Die humorale Immunantwort des hetero- tor-Bindungs-Domäne und dem ACE2-Rezeptor logen Vax/Com-Impfschemas ist je nach Studie blockieren konnte (Surrogatassay für Virusneutrali- ähnlich der nach homologer mRNA-Impfung, in sation), von 73 % nach Vaxzevria-Impfung auf 100 % einzelnen Studien sogar etwas besser. Soweit ge- nach der Comirnaty-Impfung an. Ebenso erhöhte messen, war auch die Aktivierung der T-Zell-Ant- sich der Anteil der ProbandInnen, deren Seren in wort ausgeprägter. In den Zulassungsstudien wurde einem Assay mit Pseudoviruspartikeln Neutralisati- eine Vakzineeffektivität (Schutz vor COVID-19) einer onsaktivität zeigten, von 62 % nach der Vaxzevria- zweimaligen Impfung mit mRNA-Impfstoffen zur Impfung auf 97 % nach der Comirnaty-Impfung. Verhinderung einer COVID-19-Erkrankung von Die AutorInnen kommen zu dem Schluss, dass das 94–95 % bestimmt.21, 27 heterologe Impfschema sicher und effektiv ist. Die Impfung induziert eine robuste humorale und Auf Basis dieser Ergebnisse ändert die STIKO ihre T-zelluläre Immunantwort. Ebenso wurden die bisherige Empfehlung und empfiehlt nunmehr wie Virusvarianten B1.1.7, B1.351 und B.1.617 von den bei den < 60-Jährigen, die bereits eine Impfstoff Seren heterolog Geimpfter im Vergleich zu homo- dosis Vaxzevria erhalten haben, auch für ≥60-Jährige log Geimpften besser neutralisiert. ein heterologes Impfschema (1. Impfung mit Vaxzevria gefolgt von einem mRNA-Impfstoff [Comirnaty Zwei weitere Studien aus Deutschland mit 48249 oder Spikevax]). Die 2. Impfstoffdosis soll in einem bzw. 5550 heterolog Geimpften belegen ebenfalls die Impfabstand ab 4 Wochen zur vorangegangenen höhere Immunogenität des Vax/Com-Impfschemas Impfung gegeben werden, um möglichst rasch ei- gegenüber dem homologen Vax/Vax-Schema. nen vollständigen Impfschutz zu erlangen. Von ei- ner inversen heterologen Impfserie (erst mRNA, dann Vax) ist unbedingt abzusehen, da diese weniger immunogen als eine homologe Com/Com-Serie ist.22
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 25 Zwei wesentliche Ergebnisse begründen die Ände- Die STIKO erwartet, dass die Entscheidung, ein he- rung der Impfempfehlung: (a) Sowohl die humora- terologes Impfschema auch für ≥ 60-Jährige zu le als auch die T-zelluläre Immunantwort ist nach empfehlen, gut akzeptiert wird. Um die verfügbaren heterologer Impfung (Vax/Com) deutlich stärker Impfstoffkontingente sinnvoll zu nutzen, ist die An- ausgeprägt als nach homologer (Vax/Vax) Impfung. wendung der heterologen Vax/mRNA-Impfung auf- Es ist zu erwarten, dass in Analogie zum Anstieg der grund des kürzeren Impfabstands vor allem für die- Immunantwort und der Vakzineeffektivität nach der jenigen Menschen relevant, die gerade erst mit 2. Impfung beim homologen Impfschema die hete Vaxzevria geimpft wurden oder deren Vaxzevria- rologe Impfung zu einer höheren und länger anhal- Impfung noch bevorsteht. Diejenigen, deren Ter- tenden Wirksamkeit der Impfung führt. (b) Durch min für die 2. Vaxzevria-Impfung in Kürze ansteht, die heterologe (Vax/Com) Impfung lässt sich ein op- können diesen durchaus akzeptieren, da eine zwei- timaler Schutz der > 60-jährigen Menschen, die ein malige Vaxzevria-Impfung (homologes Vax/Vax- erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf Schema) in einem Abstand von 9–12 Wochen eben- aufweisen, deutlich schneller erreichen (≥ 4 Wochen falls sehr gut vor schweren Infektionen mit der bei Vax/mRNA vs. 9–12 Wochen bei Vax/Vax). Delta-Variante des SARS-CoV-2-Virus schützt.8 Der Abstand kann im Vergleich zum bisher emp- Es werden in naher Zukunft auch Daten zur klini- fohlenen Impfabstand (9–12 Wochen) verkürzt wer- schen Wirksamkeit des heterologen Impfschemas den, da die Immunität gegen den viralen Vektor, die erwartet. Die STIKO wird die Datenlage dazu wei- für den langen Impfabstand bei der homologen terhin fortlaufend prüfen und ihre Empfehlungen Vaxzevria-Impfung verantwortlich ist, bei der he- ggf. aktualisieren. terologen Impfserie keine Rolle spielt. Wie die Stu- dien zeigen, ist die Immunantwort unabhängig vom Impfintervall gleich hoch ausgeprägt, aber bei ei- 4 Impfabstand nem Intervall ab 4 Wochen kann die Grundimmu- Im Kontext der sich ausbreitenden Delta-Variante nisierung frühzeitiger abgeschlossen werden. und der zunehmend besseren Verfügbarkeit der Impfstoffe in Deutschland hat die STIKO erneut die Die Wirksamkeit der COVID-19-Impfstoffe zur Ver- Evidenz zu den Impfabständen für die verschiede- hinderung einer symptomatischen SARS-CoV-2- nen Impfschemata evaluiert. Um weiter einen ge- Infektion durch die aktuell aufkommende Delta-Va- wissen Spielraum in der praktischen Umsetzung zu riante ist nach zweimaliger Impfung deutlich besser erlauben, empfiehlt die STIKO nicht mehr feste als nach einmaliger Impfung, wie Studien aus Impfzeitpunkte für die 2. Impfstoffdosis, sondern Schottland und England gezeigt haben.3, 7, 8 Die oben Zeitintervalle. diskutierten Studienergebnisse zeigen, dass die Impfreaktionen beim heterologen Schema nach Der Impfabstand für die mRNA-Impfstoffe wurde Gabe der Comirnaty-Impfstoffdosis wegen des kür- mit Beschluss der STIKO vom 1. April auf 6 Wochen zeren Impfabstands zwar etwas stärker ausfallen als festgelegt, um bei knappen Impfstoffressourcen bei einem längeren Intervall, aber ein früher erreich- mehr Menschen eine erste Dosis zu ermöglichen. ter vollständiger Impfschutz ist vor dem Hinter- Gleichzeitig gibt es Hinweise aus einer englischen grund des Aufkommens der Delta-Variante beson- Studie,28 in der die Immunogenität nach einem ders wichtig. 3-wöchigen und einem 12-wöchigen Impfabstand bei SeniorInnen im Alter von 80–99 Jahren (n = 172) Obwohl die COVID-19-mRNA Vakzine von Moderna verglichen wurde, dass ein längerer Impfabstand (Spikevax) nur in einer Studie verwendet wurde,25 immunologisch günstiger ist. Mit einem Impfab- geht die STIKO davon aus, dass die Überlegenheit stand von 6 Wochen sollte die beste Balance zwi- des heterologen Impfschemas unabhängig vom ver- schen einem sehr guten Individualschutz und einem wendeten mRNA-Impfstoff ist. optimalen Bevölkerungsschutz erreicht werden. Bei aktuell vorliegenden Erkenntnissen, dass eine zwei- malige Impfung deutlich besser vor Infektionen mit
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 26 der Delta-Variante und vor allem vor schweren Ver- ist hoch. Bei einer Querschnittsbefragung (COVIMO) läufen schützt, empfiehlt die STIKO nach erneuter von Erwachsenen gaben unter allen ungeimpften Abwägung für die mRNA-Impfstoffe einen Abstand Personen 67 % an, sich „auf jeden Fall” bzw. “„eher” von 3–6 (Comirnaty) bzw. 4–6 (Spikevax) Wochen impfen lassen zu wollen. Auf Basis dieser Befra- zwischen den beiden Impfstoffdosen. gung kann man abschätzen, dass etwa 88 % der Be- völkerung bereit ist, sich impfen zu lassen.32 Daraus Die Ergebnisse aus der ComCOV-Studie22 zeigen, ergibt sich ein noch bestehender Bedarf für die Be- dass bei einem heterologen Impfschema mit Vaxze- völkerung ab dem Alter von 18 Jahren von ca. 50 vria und einem mRNA-Impfstoff bei einem 4-wö- Mio. Impfstoffdosen, wenn man ein Zweidosenimpf- chigen Impfabstand Antikörperkonzentrationen schema zugrunde legt. Für das 3. Quartal 2021 sind nachweisbar sind, die im Bereich dessen liegen, was für Deutschland folgende Impfstoffliefermengen nach einer zweimaligen mRNA-Impfung mit einem prognostiziert: ca. 70 Mio. Dosen mRNA-Impfstoffe Impfabstand von 3–6 Wochen erwartet werden kann. und ca. 35 Mio. Dosen der Vektor-basierten Impf- Direkte Vergleiche hinsichtlich der Immunantwort stoffe.33 Damit kann man davon ausgehen, dass ge- bei verschiedenen Impfabständen fehlen noch. nügend Impfstoff verfügbar ist, um bis Ende Sep- Auch wenn für das heterologe Impfschema noch tember 2021 allen Impfwilligen ein Impfangebot keine klinischen Wirksamkeitsdaten vorliegen und machen zu können. bei einem Impfschema mit einem 4-wöchigen-Impf- abstand mit einer etwas höheren Reaktogenität ge- rechnet werden muss, empfiehlt die STIKO diesen 6 Impfung von Personen nach durchge- Impfabstand, da sich damit angesichts der Zunahme machter SARS-CoV-2-Infektion der Delta-Variante der beste Schutz erzielen lässt Die STIKO hat in Anbetracht des Schutzes nach ei- (siehe auch Kapitel zur heterologen Impfserie). ner durchgemachten Infektion und des bisher be- stehenden Impfstoffmangels empfohlen, immun- Wenn eine homologe Impfserie mit Vaxzevria gesunde Personen, die eine labordiagnostisch bestä- durchgeführt wird, bleibt ein Impfabstand von 9–12 tigte SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, Wochen empfohlen. Schon in der Zulassungsstudie zunächst nicht zu impfen.34 Da die verfügbaren kli- wurde beschrieben, dass ein längerer Impfabstand nischen und immunologischen Daten eine Schutz mit einer höheren Vakzineeffektivität einhergeht. wirkung für mindestens 6–10 Monate nach überstan- Die Wirksamkeit einer zweimaligen Impfung gegen dener COVID-19-Infektion belegen,35–41 sollte frühes- COVID-19 im Abstand von 8–12 Wochen (72,1 %; tens 6 Monate nach der Infektion eine COVID-19- 95 % KI 53,0 – 83,4) war deutlich besser als die im Impstoffdosis verabreicht werden. Das Risiko für Abstand von 4–8 Wochen (50,4 %; 95 % KI 29,2 – eine Reinfektion ist in den ersten Monaten nach ei- 65,3), während die Effektivität bei einem Abstand ner gesicherten SARS-CoV-2-Infektion niedrig, kann von > 12 Wochen auf 82,4 % (95 % KI 62,7–91,7) an- aber mit zunehmendem Abstand ansteigen. Bei im- stieg.29, 30 Die Empfehlung eines Impfabstandes von mungesunden Personen ist eine einzelne Impfstoff- 9–12 Wochen für eine homologe Vax/Vax-Serie stellt dosis ausreichend, da sich dadurch bereits hohe An- nach Ansicht der STIKO einen guten Kompromiss tikörperkonzentrationen erzielen lassen,42 – 44 die zwischen Immunogenität und zeitnahem Abschluss durch eine 2. Impfstoffdosis nicht weiter gesteigert von Impfserien zum Schutz gegen die Delta-Varian- werden.43 Dies gilt auch, wenn der Infektionszeit- te dar. punkt länger zurückliegt. Wann später eine weitere COVID-19-Impfung notwendig ist, lässt sich gegen- wärtig nicht sagen. Bei Personen mit eingeschränk- 5 Impfstoffbedarf und -verfügbarkeit ter Immunfunktion soll in Kürze entschieden wer- In Deutschland sind mit Stand 30. Juni 2021 den, ob eine einmalige Impfung ausreicht oder eine 30,9 Mio. Personen (37,3 % der Gesamtbevölkerung) vollständige Impfserie verabreicht werden sollte. vollständig geimpft. Insgesamt haben 45,8 Mio. Per- Dies hängt maßgeblich von Art und Ausprägung sonen (55,1 %) mindestens eine Impfdosis erhalten.31 der Immundefizienz ab. Die COVID-19-Impfbereitschaft in der Bevölkerung
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 27 Es gab vereinzelte Hinweise, dass es bei von einer nung zu Nachteilen bei bestimmten Personen hin- SARS-CoV-2-Infektion genesenen Personen nach sichtlich ihres Status als Genesene oder vollständig der Impfung zu vorübergehenden verstärkten syste- Geimpfte führen würde (siehe COVID-19-Schutzmaß- mischen Reaktionen kommen könnte. Hinsichtlich nahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV) der Reaktogenität wurde in einer Studie festgestellt, vom 8. Mai 2021). dass Personen, die zuvor mit SARS-CoV-2 infiziert waren, signifikant häufiger mit systemischen Reak- 6.1 Spezifischer serologischer Nachweis einer tionen (z. B. Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, SARS-CoV-2-Infektion Myalgien) auf die 1. Impfung reagieren als Sero Für den serologischen Nachweis von Antikörpern negative.43 In einer weiteren Studie wurde festge- gegen SARS-CoV-2 stehen verschiedene CE-zertifi- stellt, dass die Reaktogenität nach Impfung von be- zierte Testsysteme zur Verfügung.47, 48 Zu Beginn der reits SARS-CoV-2-seropositiven Personen zwar aus- serologischen Labordiagnostik war man sich hin- geprägter ist als bei seronegativen Impflingen, aber sichtlich der Zuverlässigkeit dieser Nachweisverfah- vergleichbar mit Personen, die ihre 2. Impfstoffdo- rens noch unsicher. Inzwischen liegen jedoch Teste sis erhalten.45 Diese Beobachtungen unterstützen mit hoher Sensitivität und Spezifität vor, deren die Hypothese, dass die 1. Impfung von seropositi- Qualität in Ringversuchen bestätigt wurde. ven Personen wie eine Booster-Impfung wirkt. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass die Imp- Unverändert gilt, dass die serologische Diagnostik fung von Genesenen eine relevante Gefährdung nicht für die Diagnose akuter viraler Atemwegser- darstellt.27, 30, 35, 46 krankungen geeignet ist. Goldstandard hierfür ist der direkte SARS-CoV-2-Nachweis mittels PCR. In In Anbetracht der zunehmend besseren Impfstoff- der serologischen Antikörperdiagnostik können An- verfügbarkeit33 und Unbedenklichkeit einer Impfung tikörper gegen verschiedene Proteine von SARS- nach durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion ist die CoV-2 und verschiedene Antikörperklassen (IgA, Gabe der einmaligen Impfstoffdosis bereits ab 4 Wo- IgM, und IgG) nachgewiesen werden. Mittels Nach- chen nach dem Ende der COVID-19-Symptome weises spezifischer Antikörper ist es möglich zu un- möglich, wenn z. B. eine Exposition gegenüber terscheiden, ob die Immunantwort auf einer durchge- künftigen Virusvarianten gegeben ist, gegen die machten SARS-CoV-2-Infektion oder einer CO- eine durchgemachte SARS-CoV-2-Infektion keinen VID-19-Impfung beruht. Antikörper gegen das ausreichenden Schutz mehr vermittelt (immune Nucleocapsid (N) von SARS-CoV-2 sind ausschließ- escape-Varianten). lich nach Infektion nachweisbar. Im Unterschied dazu kann man beim Nachweis von Antikörpern ge- Der Nachweis einer gesicherten, durchgemachten gen die Rezeptorbindungsdomäne oder die S1 und Infektion kann durch direkten Erregernachweis S2 Untereinheiten des Spike-Proteins nicht zwi- (PCR) zum Zeitpunkt der Infektion erfolgen. Die schen einer Immunantwort nach Infektion oder spezifischen SARS-CoV-2-Antikörpernachweise, die Impfung unterscheiden. IgG-Antikörper gegen in einem Labor erfolgen, welches akkreditiert ist SARS-CoV-2 sind in der Regel ab 14 Tage nach In- und/oder nach RiLiBÄK arbeitet, sind mittlerweile fektion nachweisbar. so zuverlässig, dass sie nunmehr prinzipiell geeig- net sind, einen Zustand nach SARS-CoV-2-Infektion Für die Bestimmung des Infektionszeitpunkts ist die nachzuweisen. Unbeschadet dieser Tatsache kann serologische Diagnostik nicht geeignet. Von einer die formale Definition einer gesicherten Infektion routinemäßigen Testung auf SARS-CoV-2-Antikör- derzeit nicht ohne Weiteres geändert werden, da dies per nach erfolgter Impfung rät die STIKO ab. aufgrund der momentan gültigen Rechtsverord-
Epidemiologisches Bulletin 27 | 2021 8. Juli 2021 28 8 Stowe J, Andrews N, Gower C, Gallagher E, Utsi L, Literatur Simmons R. Effectiveness of COVID-19 vaccines 1 European Centre for Disease Prevention and Control. against hospital admission with the Delta (B. 1.617. Implications for the EU/EEA on the spread of the 2) variant. Public Health England. 2021. SARSCoV-2 Delta (B.1.617.2) variant of concern – 23 June 2021. ECDC: Stockholm; 2021. Verfügbar unter 9 Choi A, Koch M, Wu K, Dixon G, Oestreicher J, www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/ Legault H, et al. Serum Neutralizing Activity of Implications-for-the-EU-EEA-on-the-spread-of-SARS- mRNA-1273 against SARS-CoV-2 Variants. CoV-2-Delta-VOC-23-June-2021.pdf. Zugegriffen am bioRxiv. 2021:2021.06.28.449914. 28.06.2021. 10 Planas D, Veyer D, Baidaliuk A, Staropoli I, Guivel- 2 WHO. COVID-19 Weekly Epidemiological Update – Benhassine F, Rajah MM, et al. Reduced sensitivity 25 February 2021 – Special edition: Proposed of infectious SARS-CoV-2 variant B.1.617.2 to working definitions of SARS-CoV-2 Variants of monoclonal antibodies and sera from convalescent Interestand Variants of Concern. Verfügbar unter: and vaccinated individuals. Als Preprint verfügbar https://www.who.int/docs/default-source/ seit dem 27. Mai 2021 unter www.biorxiv.org/ coronaviruse/situation-reports/20210225_weekly_ content/10.1101/2021.05.26.445838v1. Zugegriffen epi_update_voc-special-edition.pdf. Zugegriffen am: am: 01.07.2021. bioRxiv. 2021:2021.05.26.445838. 05.07.2021. 11 Public Health England. SARS-CoV-2 variants of 3 Sheikh A, McMenamin J, Taylor B, Robertson C, concern and variants under investigation in England – Public Health S, the EIIC. SARS-CoV-2 Delta VOC in Technical briefing 16. London: PHE; 2021. Verfügbar Scotland: demographics, risk of hospital admission, unter: assets.publishing.service.gov.uk/ and vaccine effectiveness. Lancet. government/uploads/system/uploads/attachment_ 2021;397(10293):2461–2. data/file/994839/Variants_of_Concern_VOC_ Technical_Briefing_16.pdf. Zugegriffen am: 4 England PH. Variants: distribution of case data, 25 01.07.2021. June 2021, Updated 2 July 2021. Verfügbar unter: www.gov.uk/government/publications/covid-19- 12 Greinacher A, Thiele T, Warkentin T, Weisser K, Kyrle variants-genomically-confirmed-case-numbers/ PA, Eichinger S. Thrombotic Thrombocytopenia after variants-distribution-of-case-data-25-june-2021. ChAdOx1 nCov-19 Vaccination. N Engl J Med. Zugegriffen am: 05.07.2021. 2021;384(22):2092-101. 5 England PH. Variants: distribution of case data, 2 13 Schulz JB, Berlit P, Diener H-C, Gerloff C, Greinacher July 2021, Updated 2 July 2021. Verfügbar unter: A, Klein C, et al. COVID-19 vaccine-associated cerebral www.gov.uk/government/publications/covid-19- venous thrombosis in Germany: a descriptive study. variants-genomically-confirmed-case-numbers/ medRxiv. 2021:2021.04.30.21256383. variants-distribution-of-case-data-2-july-2021. 14 Vygen-Bonnet S, Koch J, Bogdan C, Harder T, Zugegriffen am: 05.07.2021. eininger U, Kling K, et al. Beschluss der STIKO H 6 Yadav PD, Sapkal GN, Ella R, Sahay RR, Nyayanit zur 4. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfeh- DA, Patil DY, et al. Neutralization against B.1.351 lung und die dazugehörige wissenschaftliche Be- and B.1.617.2 with sera of COVID-19 recovered cases gründung. Epid Bull 2021;16:3 – 78. and vaccinees of BBV152. Als Preprint online 15 Folkhälsomyndigheten; Public Health Agency of verfügbar seit 7. Juni 2021 unter: www.biorxiv.org/ Sweden M, 2021. Information on the use of the content/10.1101/2021.06.05.447177v1. Zugegriffen Astra Zeneca vaccine in the vaccination of people am: 01.07.2021. 65 and older. 2021. Verfügbar unter: 7 Bernal JL, Andrews N, Gower C, Gallagher E, www.folkhalsomyndigheten.se/the-public-health- Simmons R, Thelwall S, et al. Effectiveness of agency-of-sweden/communicable-disease-control/ COVID-19 vaccines against the B.1.617.2 variant. covid-19/vaccination-against-covid-19/information- Preprint vom 24. Mai 2021 online verfügbar unter on-the-continued-use-of-the-astra-zeneca. www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.05.22.21257658v1. Zugeriffen am: 08.07.2021. Zugegriffen am: 30.06.2021.
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