Epidemiologisches Bulletin 38 2021 - RKI
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AKTUELLE DATEN UND INFORMATIONEN ZU INFEKTIONSKRANKHEITEN UND PUBLIC HEALTH 38 Epidemiologisches 2021 Bulletin 23. September 2021 COVID-19-Impfempfehlung der STIKO: Empfehlung für Schwangere und Stillende
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 2 Inhalt Beschluss der STIKO zur 10. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung 3 Die STIKO nimmt Schwangere und ungeimpfte Stillende explizit als zu impfende Zielgruppen in die COVID-19-Impfempfehlung auf. Die STIKO empfiehlt ungeimpften Stillenden und noch ungeimpften Schwan- geren ab dem 2. Trimenon je zwei Dosen eines der beiden zugelassenen mRNA-Impfstoffe (Comirnaty und Spikevax) im Abstand von 3 – 6 bzw. 4 – 6 Wochen. (Dieser Beitrag erschien online vorab am 17. September 2021.) Empfehlung der STIKO zur Impfung gegen COVID-19 von Schwangeren und Stillenden und die dazugehörige wissenschaftliche Begründung 10 Die STIKO empfiehlt allen noch ungeimpften Schwangeren ab dem 2. Trimenon und ungeimpften Stillen- den die Impfung gegen COVID-19 mit zwei Dosen eines mRNA-Impfstoffs im Abstand von 3 – 6 (Comirna- ty) bzw. 4 – 6 Wochen (Spikevax). Die Impfung erzeugt in gleichem Maße bei Schwangeren wie bei Nicht-Schwangeren eine sehr gute Schutzwirkung vor Infektion und schweren COVID-19-Verläufen. (Dieser Beitrag erschien online vorab am 17. September 2021.) Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten: 37. Woche 2021 37 Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2020 veröffentlicht 40 Zur aktuellen Situation von RSV in der Saison 2020/21 41 Impressum Herausgeber Allgemeine Hinweise/Nachdruck Robert Koch-Institut Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung: Nordufer 20, 13353 Berlin www.rki.de/epidbull Telefon 030 18754 – 0 Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise Redaktion die Meinung des Robert Koch-Instituts wider. Dr. med. Jamela Seedat Dr. med. Maren Winkler (Vertretung) Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Telefon: 030 18754 – 23 24 Namensnennung 4.0 International Lizenz. E-Mail: SeedatJ@rki.de Nadja Harendt (Redaktionsassistenz) Telefon: 030 18754 – 24 55 Claudia Paape, Judith Petschelt (Vertretung) ISSN 2569-5266 E-Mail: EpiBull@rki.de Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 3 Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut Beschluss der STIKO zur 10. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung Aktualisierung vom 17. September 2021 Bei der Impfempfehlung gegen Coronavirus Disease ▶▶ Insbesondere Menschen, die infolge von Alter 2019 (COVID-19) der Ständigen Impfkommission oder Vorerkrankungen ein hohes Risiko haben (STIKO) handelt es sich um eine Indikationsimp- an COVID-19 schwer zu erkranken oder zu ver- fempfehlung im Rahmen einer Pandemie. Die sterben, sollen durch die Impfung geschützt STIKO nimmt kontinuierlich eine Bewertung des werden. Nutzens und des Risikos der COVID-19-Impfung ▶▶ Ziel der Impfung von Schwangeren und Stil- auf Basis der verfügbaren Daten sowohl für die All- lenden ist die Verhinderung schwerer gemeinbevölkerung als auch spezielle Zielgruppen COVID-19-Verläufe und Todesfälle in dieser vor. Sobald neue Impfstoffe zugelassen und verfüg- Gruppe sowie die Verhinderung von mütterli- bar sind oder neue Erkenntnisse mit Einfluss auf chen und fetalen/neonatalen Schwanger- diese Empfehlung bekannt werden, wird die STIKO schaftskomplikationen durch eine Severe Acute ihre COVID-19-Impfempfehlung aktualisieren. Die Respiratory Syndrome Corona Virus 2-(SARS- Publikation jeder Aktualisierung erfolgt im Epide- CoV-2-)Infektion. miologischen Bulletin (Epid Bull) und wird auf der ▶▶ Durch die Impfung sollen auch COVID-19- Webseite des Robert Koch-Instituts (RKI) bekannt Erkrankungen und Hospitalisierungen bei gegeben. Ob es in Zukunft eine Standardimpfemp- Kindern und Jugendlichen verhindert werden. fehlung oder eine Indikationsimpfempfehlung ge- Ein zusätzliches Ziel ist es, indirekte Folgen ben wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht von SARS-CoV-2-Infektionen, wie Einschrän- beurteilt werden. kungen der sozialen und kulturellen Teilhabe von Kindern und Jugendlichen abzumildern. ▶▶ Ebenso sollen Personen mit erhöhtem arbeits- In der hier vorliegenden 10. Aktualisierung nimmt bedingtem SARS-CoV-2-Expositionsrisiko (be- die STIKO ungeimpfte Schwangere (ab dem 2. Tri- menon) und ungeimpfte Stillende explizit als zu rufliche Indikation) geschützt werden. impfende Zielgruppen in die Impfempfehlungen ▶▶ In Umgebungen mit einem hohen Anteil vul- auf. Darüber hinaus betont die STIKO, dass drin- nerabler Personen und der Gefahr von Ausbrü- gend allen ungeimpften Personen im gebärfähi- chen sollen die Transmission vermindert und gen Alter die Impfung gegen COVID-19 angeboten Gefährdete geschützt werden. werden sollte, damit bereits vor der Schwanger- ▶▶ Die Impfung soll darüber hinaus die Aufrecht- schaft ein optimaler Impfschutz besteht. erhaltung staatlicher Funktionen und des öffentlichen Lebens unterstützen. Impfziele Impfstoffe Ziel der COVID-19-Impfempfehlung der STIKO ist Für die Impfung gegen COVID-19 sind aktuell in es, schwere Verläufe, Tod und Langzeitfolgen durch der Europäischen Union (EU) vier Impfstoffe zuge- COVID-19 in der Bevölkerung Deutschlands so weit lassen. Es handelt sich dabei um zwei mRNA-Impf- wie möglich zu reduzieren. stoffe (Comirnaty der Firma BioNTech/Pfizer und
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 4 Spikevax der Firma Moderna) sowie zwei Vektor- Impfstoffe (Vaxzevria und COVID-19 Vaccine Jans- basierte Impfstoffe (Vaxzevria der Firma Astra- sen) nur für Personen im Alter ≥ 60 Jahren empfoh- Zeneca und COVID-19 Vaccine Janssen der Firma len. Die STIKO empfiehlt jedoch wie bei den < 60- Janssen Cilag International). Jährigen, die in der Vergangenheit eine Impfstoff- dosis Vaxzevria erhalten hatten, auch für ≥ 60-Jähri- ▶▶ Die beiden mRNA-Impfstoffe sind ab dem Alter ge ein heterologes Impfschema (d. h. 1. Impfung mit ≥ 12 Jahre, die beiden Vektor-basierten Impf- Vaxzevria gefolgt von einem mRNA-Impfstoff in ei- stoffe ab dem Alter ≥ 18 Jahre zugelassen. nem Abstand von mindestens 4 Wochen). Eine ▶▶ Für eine vollständige Impfserie sind bei den 2-malige Vaxzevria-Impfung (homologes Vax/Vax- beiden mRNA-Impfstoffen und beim Impfstoff Schema) im empfohlenen Intervall schützt ebenfalls Vaxzevria jeweils zwei Impfstoffdosen notwen- gut vor schweren Erkrankungen nach SARS-CoV-2- dig. Infektionen (einschließlich der Delta-Variante). ▶▶ Die COVID-19 Vaccine Janssen ist derzeit als 1-malige Impfung zugelassen und anzuwen- Der Einsatz von Vaxzevria als 2-malige Impfung den. Aktuell läuft noch eine größere Studie zur und der COVID-19 Vaccine Janssen ist bei < 60-Jäh- Wirksamkeit eines 2-Dosen Schemas. rigen zulassungskonform und nach ärztlicher Auf- klärung und bei individueller Risikoakzeptanz Die jeweils empfohlenen Impfabstände sind in durch die impfwillige Person möglich. Tabelle 1 aufgeführt. Bislang nicht geimpfte Personen, die ein erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben oder Empfehlung für Personen ab 18 Jahren die arbeitsbedingt besonders exponiert sind oder Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen COVID-19 engen Kontakt zu vulnerablen Personengruppen ha- für alle Personen ab 18 Jahren. Für die Impfung soll ben, sollen weiterhin bei der Vergabe von Impfter- einer der beiden zugelassenen mRNA-Impfstoffe minen bevorzugt berücksichtigt werden (s. Tab. 2). (Comirnaty, Spikevax) oder (bei > 60-Jährigen) einer der beiden zugelassenen Vektor-basierten Impfstof- Eine ausführliche Erläuterung findet sich in der fe (Vaxzevria, COVID-19 Vaccine Janssen) verwen- 4. (Epid Bull 16/2021), 7. (Epid Bull 25/2021) und det werden. Bei keinem dieser Impfstoffe handelt 8. Aktualisierung (Epid Bull 27/2021) der STIKO- es sich um einen Lebendimpfstoff. Die beiden Empfehlung zur COVID-19-Impfung. mRNA-Impfstoffe können in allen Alters- und In- dikationsgruppen eingesetzt werden, für die sie zu- gelassen sind. Empfehlung für Kinder und Jugendliche im Alter von 12 – 17 Jahren Aufgrund der beobachteten thromboembolischen Die STIKO empfiehlt für alle 12 – 17-Jährigen die Ereignisse werden die beiden Vektor-basierten COVID-19-Impfung mit zwei Dosen eines mRNA- Impfstoffs (Comirnaty oder Spikevax) im Abstand von 3 – 6 bzw. 4 – 6 Wochen (s. Tab. 1). Impfstoff Impfabstand Comirnaty (BioNTech/Pfizer) 3 – 6 Wochen Die Impfung erfordert eine ärztliche Aufklärung Spikevax (Moderna) 4 – 6 Wochen unter Berücksichtigung des Nutzens und des Risi- Vaxzevria (AstraZeneca) 9 – 12 Wochen kos, die auch für die betroffenen Kinder und Ju- Heterologes Impfschema ab 4 Wochen (Vaxzevria/mRNA-Impfstoff) gendlichen verständlich sein muss. Tab. 1 | Impfabstände zur Grundimmunisierung gegen COVID-19 (Stand: 08.09.2021)* Kinder und Jugendliche, die aufgrund einer Vor * Sollte der empfohlene maximale Abstand zwischen der erkrankung ein erhöhtes Risiko für einen schweren 1. und 2. Impfstoffdosis überschritten worden sein, kann die COVID-19-Verlauf (s. Tab. 2) haben, sollen bevor- Impfserie dennoch fortgesetzt werden und muss nicht neu zugt berücksichtigt werden. Gleiches gilt für Kinder begonnen werden. und Jugendliche ab 12 Jahren, in deren Umfeld sich
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 5 Angehörige oder andere Kontaktpersonen mit A) Personen im Alter ≥ 60 Jahren hoher Gefährdung für einen schweren COVID-19- B) Personen im Alter ab 18 Jahren mit Grunderkrankungen, Verlauf befinden, die selbst nicht geimpft werden die ein erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben, z. B. ▶▶ Angeborene oder erworbene Immundefizienz bzw. Immun können oder bei denen der begründete Verdacht auf suppression, inkl. HIV-Infektion, Z. n. Organtransplantation ▶▶ Autoimmunerkrankungen, inkl. rheumatologische Erkrankungen einen nicht ausreichenden Schutz nach Impfung ▶▶ Chronische Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht (z. B. Menschen unter relevanter im- ▶▶ Chronische Krankheiten der Atmungsorgane ▶▶ Chronische Lebererkrankungen, inkl. Leberzirrhose munsuppressiver Therapie). ▶▶ Chronische Nierenerkrankungen ▶▶ Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen ▶▶ Chronische neurologische Erkrankungen Für Jugendliche, die arbeitsbedingt entweder ein er- ▶▶ Demenz oder geistige Behinderung höhtes Expositionsrisiko aufweisen oder engen ▶▶ Psychiatrische Erkrankungen ▶▶ Stoffwechselerkrankungen, inkl. Adipositas mit BMI > 30 kg/m2 Kontakt zu vulnerablen Personengruppen haben, und Diabetes mellitus ▶▶ Trisomie 21 besteht eine berufliche Impfindikation (s. Tab. 2, Ab- ▶▶ Krebserkrankungen, inkl. maligne hämatologische Erkrankungen schnitt G). C) Schwangere ab dem 2. Trimenon und Stillende Um Viruseinträge in Gemeinschaftseinrichtungen D) Kinder und Jugendliche im Alter von 12 – 17 Jahren mit Grunderkrankungen, die ein erhöhtes Risiko für schwere (Schulen und andere Einrichtungen für Kinder und COVID-19-Verläufe haben Jugendliche) zu minimieren und den Betrieb dieser ▶▶ Adipositas (> 97. Perzentile des Body-Mass-Index [BMI]) ▶▶ Angeborene oder erworbene Immundefizienz oder relevante Einrichtungen so lange wie möglich aufrecht zu er- Immunsuppression halten, sollten Eltern, LehrerInnen, ErzieherInnen ▶▶ Angeborene zyanotische Herzfehler (O -Ruhesättigung < 80 %) 2 und Einkammerherzen nach Fontan-Operation sowie andere Betreuungspersonen von Kindern und ▶▶ Chronische Lungenerkrankungen mit einer anhaltenden Einschränkung der Lungenfunktion unterhalb der 5. Perzentile, Jugendlichen das Impfangebot dringend wahrneh- definiert als z-Score-Wert < –1,64 für die forcierte Einsekunden men. Zur Eindämmung der Pandemie kommt es kapazität (FEV1) oder Vitalkapazität (FVC). (Ein gut eingestelltes Asthma bronchiale ist hier nicht gemeint). maßgeblich darauf an, in der Bevölkerung rasch ▶▶ Chronische Nierenerkrankungen hohe Impfquoten zu erreichen. ▶▶ Chronische neurologische oder neuromuskuläre Erkrankungen ▶▶ Diabetes mellitus, wenn nicht gut eingestellt bzw. mit HbA1c- Wert > 9,0 % Eine ausführliche Erläuterung findet sich in der ▶▶ Schwere Herzinsuffizienz ▶▶ Schwere pulmonale Hypertonie 9. Aktualisierung (Epid Bull 33/2021) der STIKO- ▶▶ Syndromale Erkrankungen mit schwerer Beeinträchtigung ▶▶ Trisomie 21 Empfehlung zur COVID-19-Impfung. ▶▶ Tumorerkrankungen und maligne hämatologische Erkrankungen E) BewohnerInnen von SeniorInnen- und Altenpflegeheimen sowie BewohnerInnen in Gemeinschaftsunterkünften (Alter: ≥ 12 Jahre) Empfehlung für Schwangere und Stillende F) Enge Kontaktpersonen von Schwangeren oder Personen mit Die STIKO empfiehlt allen ungeimpften Personen einem Risiko für schwere COVID-19-Verläufe (Alter: ≥ 12 Jahre) im gebärfähigen Alter dringend die Impfung gegen G) Personen, die arbeitsbedingt besonders exponiert sind, engen COVID-19, so dass ein optimaler Schutz vor dieser Kontakt zu vulnerablen Personengruppen haben, oder Personen in Schlüsselpositionen, z. B. Erkrankung bereits vor Eintritt einer Schwanger- ▶▶ Personal mit erhöhtem Expositionsrisiko in medizinischen schaft besteht. Einrichtungen ▶▶ Personal mit engem Kontakt zu vulnerablen Gruppen in medizinischen Einrichtungen Noch ungeimpften Schwangeren wird die Impfung ▶▶ Pflegepersonal und andere Tätige in der ambulanten und stationären Altenpflege oder Versorgung von Personen mit mit zwei Dosen eines COVID-19-mRNA-Impfstoffs Demenz oder geistiger Behinderung im Abstand von 3 – 6 (Comirnaty) bzw. 4 – 6 Wochen ▶▶ Tätige in Gemeinschaftsunterkünften ▶▶ Medizinisches Personal im Öffentlichen Gesundheitsdienst (Spikevax) ab dem 2. Trimenon empfohlen. Wenn (ÖGD) die Schwangerschaft nach bereits erfolgter Erstimp- ▶▶ LehrerInnen und ErzieherInnen ▶▶ Beschäftigte im Einzelhandel fung festgestellt wurde, sollte die Zweitimpfung erst ▶▶ Beschäftigte zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit ▶▶ Personal in Schlüsselpositionen der Landes- und Bundesregie- ab dem 2. Trimenon durchgeführt werden. rungen ▶▶ Berufsgruppen der kritischen Infrastruktur Darüber hinaus empfiehlt die STIKO ungeimpften Tab. 2 | Personen mit besonderer Indikation für eine Stillenden die Impfung mit zwei Dosen eines COVID-19-Impfung (Die Gruppen und Vorerkrankungen sind mRNA-Impfstoffs im Abstand von 3 – 6 (Comirnaty) nicht nach Relevanz geordnet.) bzw. 4 – 6 Wochen (Spikevax).
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 6 Schwere Verläufe und Komplikationen einer SARS- Hinweise zur praktischen Umsetzung CoV-2-Infektion sind bei Schwangeren insgesamt ▶▶ Eine COVID-19-Impfung setzt eine sorgfältige selten. Dennoch stellt COVID-19 in der Schwanger- Aufklärung der zu impfenden Person bzw. des schaft eine relevante Krankheitslast in Deutschland Vorsorgebevollmächtigten oder Sorgeberechtig- dar. Hierbei ist die Schwangerschaft per se ein rele- ten voraus. Bei Minderjährigen < 14 Jahren ist vanter Risikofaktor für schwere COVID-19-Verläufe. regelmäßig die Einwilligung der Eltern bzw. Im Falle von Vorerkrankungen (z. B. Adipositas, ar- Sorgeberechtigten einzuholen. Jugendliche terielle Hypertonie, Diabetes mellitus) wird das Ri- können selbst einwilligen, wenn sie die erfor- siko einer schweren Erkrankung nach SARS-CoV-2- derliche Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit Infektion zusätzlich erhöht. Die Impfung schützt besitzen. Die STIKO verweist hierzu auf Kapitel Schwangere wie Nicht-Schwangere sehr gut vor 4.1 der STIKO-Impfempfehlungen 2020/2021 symptomatischen SARS-CoV-2-Infektionen und vor (Epid Bull 34/2020). schweren COVID-19-Verläufen (Hospitalisierung); ▶▶ Bei der Impfung sind die Anwendungshinwei- allerdings liegen derzeit noch keine Studien zum se in den Fachinformationen zum jeweiligen Schutz von Schwangeren vor der Delta-Variante vor. Impfstoff sowie die veröffentlichten „Rote- Es ist davon auszugehen, dass ungeimpfte Schwan- Hand“-Briefe zu beachten. gere durch die erhöhte Infektiosität der Delta- ▶▶ Auch bei sehr alten Menschen oder Menschen Variante von SARS-CoV-2 stärker gefährdet sind als mit progredienten Krankheiten, die sich in ei- durch die bisher in Deutschland zirkulierenden nem schlechten Allgemeinzustand befinden, Virusvarianten. Ein diaplazentarer Transfer von muss die Impffähigkeit gegeben sein. Bei die- mütterlichen Anti-SARS-CoV-2-Antikörpern zum sen Gruppen sollte ärztlich geprüft werden, ob Fetus ist nachgewiesen. Ob dadurch ein klinisch ihnen die Impfung empfohlen werden kann. relevanter Schutz für das Neugeborene erzielt ▶▶ Eine akzidentelle COVID-19-Impfung im 1. Tri- werden kann, ist derzeit nicht klar. menon der Schwangerschaft ist keine Indika tion für einen Schwangerschaftsabbruch. Eine Bisher sind keine randomisiert kontrollierten Stu COVID-19-Impfung von Stillenden ist bei un- dien zur Sicherheit der COVID-19-mRNA-Impfun- kompliziertem Verlauf auch im Wochenbett gen in der Schwangerschaft publiziert. Jedoch zei- möglich. gen die bis dato vorliegenden Ergebnisse von Regis- ▶▶ Es ist ratsam, in den ersten Tagen nach einer teranalysen zur Sicherheit dieser Impfungen kein Impfung außergewöhnliche körperliche Belas- gehäuftes Auftreten von schweren schwangerschafts tungen und Leistungssport zu vermeiden. assoziierten unerwünschten Arzneimittelwirkun- ▶▶ Zu anderen planbaren Impfungen soll ein Min- gen (UAW), insbesondere nicht von Aborten bis zur destabstand von 14 Tagen vor und nach jeder 19. Schwangerschaftswoche, Frühgeburten, Totge COVID-19-Impfstoffdosis eingehalten werden burten oder Malformationen. Darüber hinaus erga- (Notfallimpfungen sind davon ausgenommen). ben sich bisher keine Hinweise auf Risiken durch ▶▶ Es besteht keine Notwendigkeit, vor Verabrei- die COVID-19-Impfung während der Stillzeit für chung einer COVID-19-Impfung das Vorliegen Mutter und Kind. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt einer akuten asymptomatischen oder (uner- die Datenlage zur Sicherheit der COVID-19-Impfung kannt) durchgemachten SARS-CoV-2-Infektion in der Schwangerschaft noch begrenzt ist, so spricht labordiagnostisch auszuschließen. sie überwiegend für eine allgemeine Impfempfeh- ▶▶ Sollte der empfohlene maximale Abstand zwi- lung von Schwangeren. Die Darstellung des Nutzens schen der 1. und 2. Impfstoffdosis überschritten und möglicher Risiken der Impfung sind notwen worden sein, kann die Impfserie dennoch fort- diger Teil einer sorgfältigen ärztlichen Aufklärung. gesetzt werden und muss nicht neu begonnen werden. Eine ausführliche Erläuterung findet sich in der Be- ▶▶ Aufgrund der Immunität nach durchgemachter gründung der STIKO zur Impfung gegen COVID-19 SARS-CoV-2-Infektion sollten immungesunde von Schwangeren und Stillenden. Personen, die eine gesicherte SARS-CoV-2- Infektion (aktuell nachgewiesen mittels PCR)
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 7 durchgemacht haben, unabhängig vom Alter ▶▶ Aktuell ist nicht bekannt, ob man nach zunächst nur eine Impfstoffdosis erhalten, da SARS-CoV-2-Exposition durch eine postexposi- sich durch eine 1-malige Impfung bereits hohe tionelle Impfung den Verlauf der Infektion Antikörperkonzentrationen erzielen lassen, die günstig beeinflussen oder die Erkrankung noch durch eine 2. Impfstoffdosis nicht weiter gestei- verhindern kann. gert werden. Dies gilt auch, wenn der Infek ▶▶ Postmarketing- und Real-Life-Studien haben ge- tionszeitpunkt länger zurückliegt. Ob und wann zeigt, dass die Virusausscheidung bei Perso- später eine 2. COVID-19-Impfung notwendig nen, die sich trotz einer abgeschlossenen Impf- ist, lässt sich gegenwärtig nicht sagen. Hinge- serie mit SARS-CoV-2 infiziert haben, reduziert gen muss bei Personen mit Immundefizienz im und damit das Transmissionsrisiko deutlich Einzelfall entschieden werden, ob eine 1-malige vermindert ist. Es muss jedoch davon ausge- Impfstoffdosis ausreicht oder eine vollständige gangen werden, dass Menschen nach entspre- Impfserie verabreicht werden sollte. Dies hängt chender Exposition trotz Impfung symptoma- maßgeblich von Art und Ausprägung der Im- tisch oder asymptomatisch infiziert werden mundefizienz ab. können und dabei SARS-CoV-2 ausscheiden. Bei gesicherter bestätigter symptomatischer ▶▶ Die Impfung ist strikt intramuskulär (i. m.) und Infektion soll die notwendige eine Impfstoff keinesfalls intradermal, subkutan oder intravas- dosis in der Regel 6 Monate nach der Infektion kulär (i. v.) zu verabreichen. Bei PatientInnen gegeben werden. Die derzeit verfügbaren klini- unter Antikoagulation soll die Impfung eben- schen und immunologischen Daten belegen falls i. m. mit einer sehr feinen Injektionskanüle eine Schutzwirkung für mindestens 6 – 10 Mo- und einer anschließenden festen Kompression nate nach überstandener SARS-CoV-2-Infek der Einstichstelle über mindestens 2 Minuten tion. Das Risiko für eine Reinfektion ist in den erfolgen. ersten Monaten nach einer gesicherten ▶▶ Im Allgemeinen wird eine Nachbeobachtungs- SARS-CoV-2-Infektion sehr niedrig, kann aber zeit nach der COVID-19-Impfung von mindes- mit zunehmendem Abstand ansteigen. Die tens 15 Minuten empfohlen. Längere Nachbe- Gabe der 1-maligen Impfstoffdosis ist bereits ab obachtungszeiten (30 Minuten) sollten vor- 4 Wochen nach dem Ende der COVID-19- sichtshalber bei bestimmten Risikopersonen Symptome möglich, wenn z. B. eine Exposition eingehalten werden, z. B. bei Personen mit gegenüber neu aufgetretenen Virusvarianten schweren kardialen oder respiratorischen anzunehmen ist, gegen die eine durchgemachte Grunderkrankungen oder mit stärkeren oder SARS-CoV-2-Infektion alleine keinen längerfris- anaphylaktischen Reaktionen auf Impfungen tigen Schutz mehr vermittelt (immune escape- in der Anamnese. Maßgeblich für diese Ent- Varianten). scheidungen sind die Angaben der Person Nach gesicherter asymptomatischer SARS- selbst sowie die ärztliche Einschätzung des CoV-2-Infektion kann die Impfung bereits ab Gesundheitszustands. 4 Wochen nach der Labordiagnose erfolgen. ▶▶ Nach der Zulassung von Comirnaty sind einzel- ▶▶ Wird bei einer 1-malig gegen COVID-19 geimpf- ne schwerwiegende, allergische Unverträglich- ten Person durch direkten Erregernachweis keitsreaktionen aufgetreten. Nach der derzeiti- (PCR) eine SARS-CoV-2-Infektion nachgewie- gen Datenlage ist ein generell erhöhtes Risiko sen, soll die 2. Impfung in der Regel 6 Monate für schwerwiegende UAW für Personen mit nach Ende der COVID-19-Symptome bzw. der vorbekannten allergischen Erkrankungen bei Diagnose erfolgen. Die Gabe einer Impfstoffdo- Impfung mit mRNA-Impfstoffen nicht anzu- sis ist bereits ab 4 Wochen nach dem Ende der nehmen, sofern keine Allergie gegen einen In- COVID-19-Symptome möglich, wenn z. B. mit haltsstoff der jeweiligen Vakzine vorliegt (z. B. Exposition gegenüber neuen Virusvarianten zu Polyethylenglykol im Falle der COVID-19- rechnen ist, gegen die eine durchgemachte mRNA-Impfstoffe). Zur weiteren Information SARS-CoV-2-Infektion keinen ausreichenden wird auf die „Empfehlung zur Coronaimpfung Schutz vermittelt. für Allergikerinnen und Allergiker“ des Paul-
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 8 Ehrlich-Instituts (PEI) und das Flussdiagramm ärztlicher Aufklärung und bei individueller Ri- zum Vorgehen bei positiver Allergieanamnese sikoakzeptanz durch die impfwillige Person vor COVID-19-Impfung verwiesen. möglich. ▶▶ Nach der Impfung mit den mRNA-Impfstoffen ▶▶ Mit den genannten Vektor-basierten Impfstof- sind in sehr seltenen Fällen Myokarditiden auf- fen Geimpfte sollten darüber aufgeklärt wer- getreten. Betroffen waren bisher überwiegend den, dass sie bei Symptomen wie starken anhal- männliche Jugendliche und junge Männer tenden Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit, Bein- (s. auch Kapitel 5.3 in der 9. Aktualisierung der schwellungen, anhaltenden Bauchschmerzen, COVID-19-Impfempfehlung der STIKO). Die neurologischen Symptomen oder punktförmi- Komplikationen traten größtenteils in den ers- gen Hautblutungen umgehend ärztliche Hilfe ten 14 Tagen nach der 2. Impfstoffdosis auf. Ent- in Anspruch nehmen sollten. ÄrztInnen sollten sprechende Warnhinweise wurden in die Fach auf Anzeichen und Symptome einer Throm- informationen von Comirnaty und Spikevax boembolie in Kombination mit einer Thrombo- aufgenommen. Die Erkrankungen verliefen zytopenie achten, wenn sich PatientInnen vor- meist mild. Treten nach der Impfung mit ei- stellen, die kürzlich mit Vektor-basierten nem mRNA-Impfstoff Atemnot, Rhythmusstö- COVID-19-Impfstoffen geimpft wurden. Dies rungen oder Brustschmerzen auf, sollen die Be- gilt insbesondere, wenn PatientInnen über spä- troffenen umgehend ärztliche Hilfe in An- ter als drei Tage nach der Impfung beginnende spruch nehmen. und dann anhaltende Kopfschmerzen klagen ▶▶ Sehr seltene Fälle von Thrombosen in Kombi- oder punktförmige Hautblutungen auftreten. nation mit Thrombozytopenien sind 4 – 21 Tage Weitere Informationen und Hinweise zur Diag nach der Impfung mit Vaxzevria aufgetreten nostik und Therapie findet man in der Stellung- (sog. Thrombose mit Thrombozytopenie Syn- nahme der Gesellschaft für Thrombose- und drom [TTS], vormals Vakzine-induzierte Hämostaseforschung (GTH). immunt hrombotische Thrombozytopenie ▶▶ Die STIKO bekräftigt die Empfehlung, das bun- [VITT]). Aufgefallen sind vor allem Hirnvenen- desweite Monitoring von Impfquoten fortzu- thrombosen (sogenannte Sinus venosus führen, damit auch in Zukunft verlässliche Da- Thrombosen; SVT). Aber auch andere thrombo- ten zur Risiko-Nutzen-Analyse zeitnah verfüg- tische Ereignisse wie Mesenterialvenenthrom- bar sind. bosen und Lungenembolien sind berichtet wor- ▶▶ Personen, die im Ausland bereits mit nicht in den. Einzelne Fälle waren auch kombiniert mit der EU zugelassenen COVID-19-Impfstoffen erhöhter Gerinnungsaktivität oder Blutungen geimpft wurden, benötigen gemäß aktueller im ganzen Körper. Auch nach Anwendung der Rechtslage und unter Berücksichtigung der COVID-19 Vaccine Janssen sind in den USA altersentsprechenden Impfempfehlungen eine sehr seltene Fälle von TTS überwiegend bei jün- erneute Impfserie (s. Tab. 1), um in der EU den geren Geimpften aufgetreten. Entsprechende Status als Geimpfte zu erlangen. In solchen Fäl- Warnhinweise wurden in die Fachinformatio- len sollen die zu impfenden Personen darauf nen der beiden Impfstoffe aufgenommen. Die hingewiesen werden, dass vermehrte lokale STIKO empfiehlt die Impfung mit den beiden und systemische Reaktionen auftreten können. Vektor-basierten Impfstoffen Vaxzevria und Die impfenden ÄrztInnen werden gebeten, auf COVID-19 Vaccine Janssen nur für Menschen das Auftreten verstärkter Impfreaktionen aktiv im Alter ≥ 60 Jahre, da in dieser Altersgruppe zu achten und diese ggf. an das Paul-Ehrlich- aufgrund der ansteigenden Letalität von Institut zu melden. COVID-19 die Nutzen-Risiko-Abwägung ein- ▶▶ Für die Meldungen von über das übliche Maß deutig zu Gunsten der Impfung ausfällt (s. hinausgehenden Impfreaktionen und -kompli- auch Kapitel 7.2.1.1 in der 4. Aktualisierung der kationen soll das etablierte Verfahren verwen- COVID-19-Impfempfehlung der STIKO). Der det werden (siehe Kapitel 4.9 „Impfkomplika Einsatz der beiden Vektor-basierten Impfstoffe tionen und deren Meldung“ in den STIKO- unterhalb dieser Altersgrenze bleibt indes nach Impfempfehlungen 2020/2021; Meldeformu-
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 9 lar des PEI). Regelmäßige Berichte des PEI zur Sicherheit von COVID-19-Impfstoffen sind un- ter folgendem Link zu finden: https://www.pei. de/DE/newsroom/dossier/coronavirus/arznei- mittelsicherheit.html Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut Korrespondenz: STIKO-Geschaeftsstelle@rki.de Vorgeschlagene Zitierweise Ständige Impfkommission: Beschluss der STIKO zur 10. Aktualisierung der C OVID-19-Impfempfehlung Epid Bull 2021;38:3 -9 | DOI 10.25646/9032 (Dieser Artikel ist online vorab am 17. September 2021 erschienen.)
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 10 Empfehlung der STIKO zur Impfung gegen COVID-19 von Schwangeren und Stillenden Stand: 16. September 2021 Fetus ist nachgewiesen. Ob dadurch ein klinisch re- Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt allen ungeimpften Personen im gebärfähigen Alter levanter Schutz für das Neugeborene erzielt werden dringend die Impfung gegen Coronavirus Disease kann, ist derzeit nicht klar. 2019 (COVID-19), so dass ein optimaler Schutz vor dieser Erkrankung bereits vor Eintritt einer Bisher sind keine randomisiert kontrollierten Stu Schwangerschaft besteht. dien zur Sicherheit der COVID-19-mRNA-Impfun- Noch ungeimpften Schwangeren wird die Impfung gen in der Schwangerschaft publiziert. Jedoch zei- mit zwei Dosen eines COVID-19 mRNA-Impfstoffs gen die bis dato vorliegenden Ergebnisse von Regis- im Abstand von 3 – 6 (Comirnaty) bzw. 4 – 6 Wochen teranalysen zur Sicherheit dieser Impfungen kein (Spikevax) ab dem 2. Trimenon empfohlen. Wenn gehäuftes Auftreten von schweren schwangerschafts die Schwangerschaft nach bereits erfolgter Erstimp- assoziierten unerwünschten Arzneimittelwirkun- fung festgestellt wurde, sollte die Zweitimpfung erst gen (UAW), insbesondere nicht von Aborten bis zur ab dem 2. Trimenon durchgeführt werden. 19. Schwangerschaftswoche (SSW), Frühgeburten, Darüber hinaus empfiehlt die STIKO ungeimpften Stillenden die Impfung mit zwei Dosen eines Totgeburten oder Malformationen. Darüber hinaus mRNA-Impfstoffs im Abstand von 3 – 6 (Comirnaty) ergaben sich bisher keine Hinweise auf Risiken bzw. 4 – 6 Wochen (Spikevax). durch die COVID-19-Impfung während der Stillzeit für Mutter und Kind. Auch wenn zu diesem Zeit- punkt die Datenlage zur Sicherheit der COVID-19- Schwere Verläufe und Komplikationen einer Severe Impfung in der Schwangerschaft noch begrenzt ist, Acute Respiratory Syndrome Corona Virus 2-(SARS- so spricht sie überwiegend für eine allgemeine CoV-2-)Infektion sind bei Schwangeren insgesamt Impfempfehlung von Schwangeren. Die Darstel- selten. Dennoch stellt COVID-19 in der Schwanger- lung des Nutzens und möglicher Risiken der Imp- schaft eine relevante Krankheitslast in Deutschland fung sind notwendiger Teil einer sorgfältigen ärzt dar. Hierbei ist die Schwangerschaft per se ein rele- lichen Aufklärung. vanter Risikofaktor für schwere COVID-19-Verläufe. Im Falle von Vorerkrankungen (z. B. Adipositas, ar- Bei der COVID-19-Impfempfehlung der STIKO terielle Hypertonie, Diabetes mellitus) wird das Ri- handelt es sich um eine Indikationsimpfempfeh- siko einer schweren Erkrankung nach SARS-CoV-2- lung für Schwangere und Stillende im Rahmen Infektion zusätzlich erhöht. Die Impfung schützt einer Pandemie. Schwangere wie Nicht-Schwangere sehr gut vor symptomatischen SARS-CoV-2-Infektionen und vor Ziel der Impfung von Schwangeren und Stillenden schweren COVID-19-Verläufen (Hospitalisierung); ist die allerdings liegen derzeit noch keine Studien zum (1) Verhinderung schwerer COVID-19-Verläufe Schutz von Schwangeren vor der Delta-Variante vor. und von Todesfällen bei Schwangeren und Stil- Es ist davon auszugehen, dass ungeimpfte Schwan- lenden, gere durch die erhöhte Infektiosität der Delta- (2) Verhinderung von Schwangerschaftskomplika- Variante von SARS-CoV-2 stärker gefährdet sind als tionen durch eine SARS-CoV-2-Infektion und durch die bisher in Deutschland zirkulierenden (3) Verhinderung von fetalen und neonatalen Fol- Virusvarianten. Ein diaplazentarer Transfer von gen einer SARS-CoV-2-Infektion in der Schwan- mütterlichen Anti-SARS-CoV-2-Antikörpern zum gerschaft.
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 11 Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut Begründung der STIKO zur Impfung gegen COVID-19 von Schwangeren und Stillenden Stand: 16. September 2021 Inhaltsverzeichnis 1. Hintergrund.............................................. 12 2.2.3.3 Teratogenitätsdaten aus tier- experimentellen Studien........................... 27 2. Schwangere............................................... 12 2.2.3.4 Registerdaten aus Deutschland – 2.1 Krankheitsbild und Verlauf von SARS- Embryotox................................................. 27 CoV-2-Infektionen bei Schwangeren........ 12 2.2.4 Fazit zu Wirksamkeit und Sicherheit von 2.1.1. Surveillance- und Registerdaten aus mRNA-Impfstoffen bei Schwangeren...... 27 Deutschland.............................................. 12 2.1.2 Verlauf und Komplikationen einer 3. Stillende..................................................... 28 SARS-CoV-2-Infektion und Risikofaktoren 3.1 Methodik................................................... 28 für einen komplikationsreichen Verlauf 3.2 Antikörpertransfer über die Muttermilch bei Schwangeren: Umbrella Review.......... 14 nach Impfungen in der Stillzeit................ 28 2.1.2.1 Verlauf der SARS-CoV-2-Infektion bzw. 3.3 Sicherheit von Impfungen während der COVID-19-Erkrankung in der Schwanger- Stillzeit für das Kind.................................. 28 schaft......................................................... 14 3.4 Fazit zur Wirksamkeit und Sicherheit von 2.1.2.2 Schwangerschaftskomplikationen bei mRNA-Impfstoffen in der Stillzeit........... 29 SARS-CoV-2-Infektion............................... 15 2.1.2.3 Risikofaktoren für eine schwere 4. Akzeptanz bei Schwangeren.................... 30 COVID-19-Erkrankung bei Schwangeren. 18 2.1.3 Vertikale Transmission............................. 19 5. Fazit........................................................... 30 2.1.4 Verlauf und Outcome bei Neugeborenen 20 2.1.5 Fazit: Risikofaktoren und Komplikationen Literatur..................................................... 31 einer SARS-CoV-2-Infektion bei Schwangeren............................................. 21 2.2 Impfstoffe.................................................. 22 2.2.1 Methodik des durchgeführten systematischen Reviews........................... 22 2.2.2 Wirksamkeit.............................................. 22 2.2.2.1 Immunogenität......................................... 23 2.2.3 Sicherheit.................................................. 24 2.2.3.1 Studien zu lokalen und systemischen Reaktionen................................................ 24 2.2.3.2 Studien zu schweren unerwünschten Wirkungen (UAW) bzw. schwanger- schaftsassoziierten Endpunkten.............. 25
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 12 1. Hintergrund 5. Aktualisierung im April 202112 weiter präzisiert: Schwangere haben ein erhöhtes Risiko, im Rah- „Schwangeren mit Vorerkrankungen und einem da- men von bestimmten Infektionskrankheiten Kom- raus resultierenden hohen Risiko für eine schwere plikationen zu erleiden. Dies wird unter anderem COVID-19-Erkrankung oder mit einem erhöhten mit physiologischen Veränderungen erklärt, die der Expositionsrisiko aufgrund ihrer Lebensumstände Körper im Verlauf der Schwangerschaft erfährt. So kann in Einzelfällen nach Nutzen-Risiko-Abwägung sind verschiedene Anpassungsprozesse des Im- und nach ausführlicher Aufklärung eine Impfung munsystems notwendig, damit der Fetus durch das ab dem 2. Trimenon mit einem mRNA-Impfstoff an- mütterliche Immunsystem akzeptiert wird. Anzahl geboten werden.“ und Aktivität der CD4+- oder CD8+T-Lymphozyten und der natürlichen Killerzellen werden reduziert Die STIKO hat sich nun erneut mit der Datenlage und die zelluläre Immunität damit geschwächt, die zur Impfung von schwangeren Frauen und Stillen- humorale Immunität dagegen gestärkt. Mit zuneh- den gegen COVID-19 beschäftigt. Zur Aufarbeitung mendem Gestationsalter und steigendem Fundus der wissenschaftlichen Evidenz wurden im Rah- der Gebärmutter sinkt die funktionelle Residual men eines sog. Umbrella-Reviews bereits publizierte kapazität der Lunge. Die Veränderungen können systematische Reviews zum Einfluss einer bei schwangeren Frauen mit pulmonalen Erkran- SARS-CoV-2-Infektion auf Verlauf und Ausgang kungen zu einer niedrigeren Toleranzschwelle ge- der Schwangerschaft analysiert. Diese Daten wur- genüber einer Hypoxie und einer schnelleren den durch weitere aktuelle Studien aus dem Jahr Dekompensation führen.1 – 4 2021 nach einer entsprechenden systematischen Literaturrecherche ergänzt. Es wurde ein systema- Seit Beginn der COVID-19-Pandemie wurde in zahl- tischer Review zur Wirksamkeit, Immunogenität reichen Fallserien, Fall-Kontroll-Studien und Kohor- und Sicherheit der COVID-19-Impfung bei Schwan- tenstudien über den Verlauf einer SARS-CoV-2- geren sowie zum Antikörpertransfer über die Mut- Infektion bei Schwangeren berichtet. Diese Studien termilch und Sicherheit der COVID-19-Impfung legten nahe, dass eine SARS-CoV-2-Infektion in der für das Kind bei Impfung der Mutter in der Stillzeit Schwangerschaft mit einer erhöhten Komplika durchgeführt. Darüber hinaus erfolgte eine orien- tionsrate einhergeht.5 – 9 Hier wurden die gleichen tierende Literaturrecherche zu den Aspekten Risikofaktoren (wie z. B. Adipositas oder Diabetes Krankheitslast, vertikale Transmission, thrombo mellitus) beschrieben, die auch bei nicht-schwange- embolische Ereignisse und zur Präeklampsie. ren Erwachsenen mit einem erhöhten Risiko für ei- nen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung assoziiert sind.9 2. Schwangere Schwangere Frauen waren von den Zulassungs 2.1 Krankheitsbild und Verlauf von studien der COVID-19-Impfstoffe ausgeschlossen, SARS-CoV-2-Infektionen bei Schwangeren so dass bisher keine Daten aus randomisierten kon- 2.1.1 Surveillance- und Registerdaten aus trollierten Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit Deutschland von COVID-19-Impfungen bei Schwangeren vorlie- Die folgenden Darstellungen beruhen auf Melde gen. Aus diesem Grund wurde durch die STIKO daten des Robert Koch-Institutes (RKI), die gemäß eine generelle Impfung in der Schwangerschaft bis- dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) erhoben und an her nicht empfohlen. Jedoch sah die COVID-19- das RKI übermittelt wurden. Als COVID-19-Fälle Impfempfehlung der STIKO vor, dass Schwangeren werden nach wie vor alle labordiagnostischen Nach- mit Vorerkrankungen und einem daraus resultie- weise von SARS-CoV-2 mittels Nukleinsäurenach- renden hohen Risiko für eine schwere COVID-19- weis oder Erregerisolierung, unabhängig vom Vor- Erkrankung nach Nutzen-Risiko-Abwägung und handensein oder der Ausprägung einer klinischen ausführlicher Aufklärung eine Impfung angeboten Symptomatik, gewertet. Bei den im Meldesystem er- werden kann (1. Aktualisierung der COVID-19-Impf fassten COVID-19-Fällen kann angegeben werden, empfehlung10). Diese Empfehlung wurde in der ob eine Schwangerschaft vorliegt.
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 13 Schwangere Nicht-Schwangere Symptomen und Behandlungen werden schwan- n (%) n (%) gerschafts- und geburtsspezifische Ereignisse sowie Symptom (Nennungen) N = 7.973 N = 408.981 das Outcome beim Neugeborenen erfasst und pros- Allgemeinsymptome 5.230 (66) 283.705 (69) pektiv bis sechs Wochen nach der Geburt beobach- Fieber 2.111 (26) 117.326 (29) tet. Insgesamt haben sich 157 Kliniken dem Register Halsschmerz 2.730 (34) 141.805 (35) angeschlossen. Eingaben erfolgten bisher aus 115 ge- Husten 4.701 (59) 218.783 (53) burtshilflichen und neonatalen Zentren, die etwa Schnupfen 4.335 (54) 192.598 (23) 25 % aller Geburten in Deutschland abdecken.13 Geruchsverlust 1.945 (24) 94.451 (23) Geschmacksverlust 2.028 (25) 100.893 (25) Dyspnoe 546 (7) 20.542 (5) Mit Stand 21.08.2021 wurden 2.803 SARS-CoV-2 Schwerer Verlauf mit positiv getestete schwangere Frauen im Register er- Pneumonie 56 (0,7) 1.821 (0,4) fasst, von denen sich zum Zeitpunkt des Infektions- Acute Respiratory Distress 81 (1) 2.742 (0,7) nachweises 61,4 % im 3., 25,1 % im 2. und 10,1 % im Syndrome (ARDS) 1. Trimenon befanden; bei 3,4 % fehlte die Angabe. Hospitalisierung 991 (12) 10.397 (2,5) Frauen mit SARS-CoV-2-Infektion im 1. und 2. Tri- Aufnahme auf Intensivstation 40 (0,5) 530 (0,1) menon wurden in der Mehrheit (55 %) wegen einer Verstorben 9 (0,1) 156 (0,04) akuten Symptomatik getestet, 20 % aufgrund eines Tab. 1 | Im Jahr 2021 an das RKI übermittelte labordiagnos- Kontakts zu einer infizierten Person und 10 % auf- tisch bestätigte COVID-19-Fälle unter Frauen im Alter zwischen 15 – 50 Jahre mit (N = 7.973) bzw. ohne Angabe grund eines Screenings z. B. im Rahmen einer sta- „Schwangerschaft“ (N = 578.839) und übermittelte Sympto- tionären Aufnahme im Krankenhaus. Bei den rest- me bzw. Schwere des Verlaufs (Schwangere N = 7.973; lichen 15 % der Frauen fehlte die Angabe oder war Nicht-Schwangere N = 408.981), Meldedaten gemäß IfSG, (Stand 03.09.2021) ungenau. Im 3. Trimenon wurden lediglich 35 % der Frauen aufgrund einer akuten Symptomatik positiv getestet, ebenfalls 35 % erhielten ein positives Test Im Jahr 2021 wurden 9.536 COVID-19-Fälle bei ergebnis im Rahmen eines Screenings; bei weiteren Frauen zwischen 15 und 50 Jahren übermittelt, bei 12 % erfolgte das Testen aufgrund eines Kontakts zu denen angegeben war, dass eine Schwangerschaft einem Infizierten (fehlende oder ungenaue Anga- vorlag (Stand: 3. September 2021). Für 7.973 der ben: 20 %). Da fast alle Geburten in einer medizini- Frauen lag mindestens eine Angabe zur Symptoma- schen Einrichtung stattfinden und hier bei Aufnah- tik vor (s. Tab. 1). Für neun der Frauen wurde über- me ein Screening durchgeführt wird, erklärt sich, mittelt, dass diese verstorben seien: Das Alter der dass im 3. Trimenon unter den SARS-CoV-2-positiv Frauen lag zwischen 25 und 42 Jahren, zwei Frauen getesteten Frauen mehr asymptomatische Fälle waren im 2. Trimenon, sieben Frauen im 3. Trime- (38 %) im Vergleich zu den beiden frühen Trimena non schwanger. Bei sieben der Verstorbenen wurde (12 %) beobachtet wurden. Noch deutlicher wird dies die Virus-Variante B.1.1.7 (Alpha), bei einer die Vari- bei den positiv getesteten Frauen, die eine Klinik ab ante B.1.617.2 (Delta) und bei einer war angegeben 39+0 SSW und somit zumeist zur Geburt und nicht „andere/sonstige“; für zwei Verstorbene war der Ri- wegen anderer medizinischer Probleme aufgesucht sikofaktor Diabetes mellitus, für eine der Risikofak- hatten. Unter diesen 447 SARS-CoV-2-positiven tor Lungenerkrankung angegeben; bei den restli- Frauen waren 293 (66 %) asymptomatisch und fast chen Verstorbenen lagen keine Angaben zu Risiko- ausschließlich über das Klinik-interne Testen er- faktoren vor. kannt worden (fehlende Angaben: 2 %). Während bei Infektion im 3. Trimenon somit der Nachweis Im Rahmen des Projekts „COVID-19 Related Obste- der Infektion überwiegend bei Kontaktaufnahme tric and Neonatal Outcome Study in Germany“ mit einer Klinik erfolgte, betrug bei Infektion im (CRONOS) des Forschungsnetzwerkes der Deut- 2. Trimenon das Intervall zwischen Infektion und schen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) Kontakt mit der Klinik und somit bis zur Eingabe in werden seit dem 3. April 2020 Frauen mit laborbe- das Register im Mittel acht Wochen; für Frauen im stätigter SARS-CoV-2-Infektion in der Schwanger- 1. Trimenon 13 Wochen. schaft untersucht. Neben COVID-19-spezifischen
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 14 Schwere Verläufe (definiert als „intensivmedizini- Evidenzsynthese mittels einer orientierenden Lite- scher Überwachungsbedarf“) traten bei insgesamt raturrecherche weitere relevante Studien hinzuge- 104 Frauen (3,7 % von allen Frauen) auf, von denen fügt, die im Jahr 2021 veröffentlicht und bisher in sich vier Frauen in der ersten Schwangerschaftshälf- keinem systematischen Review berücksichtigt wor- te (vor 20+0 SSW) und 100 Frauen in der 2. Schwan- den waren. gerschaftshälfte (ab 20+0 SSW) infiziert hatten; 47 (1,6 %) Frauen wurden invasiv beatmet, vier (0,14 %) Der systematische Review von Allotey et al. schloss Frauen verstarben. insgesamt 192 Studien mit schwangeren Frauen ein, die im Zeitraum 01.12.2019 – 06.10.2020 publi- Von den 1.385 Schwangeren, die in der zweiten ziert worden waren und Daten aus 30 Ländern Schwangerschaftshälfte (ab 20+0 SSW) symptoma- enthielten. Hiervon untersuchten 82 Studien die tisch an COVID-19 erkrankten, wurden bisher 1.190 klinische Symptomatik und 92 Studien den mütter- (85,9 %) entbunden; 95 (6,9 %) der Frauen hatten lichen Ausgang einer COVID-19-Erkrankung; einen schweren COVID-19-Verlauf mit intensivme- 95 Studien berichteten über den schwangerschafts- dizinischer Überwachung, 45 (3,1 %) wurden invasiv bezogenen Ausgang bei den Müttern wie auch bei beatmet. Es wurden 15 Totgeburten (nach 22+0 SSW) Feten bzw. Neugeborenen; 109 Studien charakteri- verzeichnet (1,3 % aller Frauen, die nach symptoma- sierten Risikofaktoren für schwere Verläufe. tischer Infektion entbunden wurden). Bei knapp 182 (21 %) Frauen kam es zu einer Frühgeburt (definiert 2.1.2.1 Verlauf der SARS-CoV-2-Infektion bzw. als Geburt > 22+0 und < 37+0 SSW), 19 (1,6 %) der COVID-19-Erkrankung in der Schwangerschaft Kinder wurden positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Bei In dem systematischen Review von Allotey et al.14 17 von 19 Kindern mit positivem Test lag der positive zeigten Schwangere und Frauen im Wochenbett, die Nachweis der Mutter maximal zwei Wochen vor der an COVID-19 erkrankt waren, insbesondere Fieber Geburt. Die Kinder wurden überwiegend bei Wohl- (40 %), Husten (41 %), eine Leukozytose (26 %) und befinden entlassen und zeigten keine auffälligen Lymphopenie (33 %). Im Vergleich zu nicht schwan- Komplikationen der Infektion (unveröffentlichte geren Frauen gleichen Alters mit einer SARS-CoV-2- Daten des CRONOS-Registers mit freundlicher Ge- Infektion wurden bei Schwangeren weniger häufig nehmigung Prof. Dr. Pecks; die Daten sind nicht ab- Symptome festgestellt (gepooltes Odds Ratio (gOR) schließend bewertet und als vorläufig aufzufassen). 0,28; 95 % Konfidenzintervall (KI) 0,13 – 0,62): So wurden seltener Fieber (gOR 0,49; 95 % KI: 0,38 – 2.1.2 Verlauf und Komplikationen einer SARS-CoV-2- 0,63), Dyspnoe (gOR 0,76; 95 % KI: 0,67 – 0,85) oder Infektion und Risikofaktoren für einen komplikations Gliederschmerzen (gOR 0,53; 95 % KI: 0,36 – 0,78) reichen Verlauf bei Schwangeren: Umbrella Review bei SARS-CoV-2-infizierten Schwangeren beobach- Zum Einfluss der SARS-CoV-2-Infektion bzw. tet (Allotey et al.).14 In etwa der Hälfte der einge- COVID-19 auf Schwangerschaftsverlauf und -aus- schlossenen Studien wurden die Schwangeren bei gang sowie zu Risikofaktoren für schwere Verläufe Aufnahme (z. B. zur Entbindung) routinemäßig ge- in der Schwangerschaft wurde durch die Geschäfts- screent, seltener erfolgte eine Testung aufgrund von stelle der STIKO ein sog. Umbrella-Review durchge- Symptomen. Das seltenere Auftreten von Sympto- führt mit dem Ziel, alle publizierten systematischen men wird von den AutorInnen darauf zurückge- Reviews zu diesem Themenkreis zu identifizieren, führt, dass die schwangeren Frauen bei Aufnahme zu bewerten und für eine Evidenzsynthese zu nut- einem anlasslosen (d. h. ohne Vorliegen von Symp- zen (zur Methodik s. Anhang). tomen) Screening unterzogen wurden.14 Mit Stand 28.06.2021 konnten für den Umbrella- Ein schwerer Verlauf der Erkrankung (gemäß Defi- Review 14 systematische Reviews als relevant identi- nition in den einzelnen Studien) wurde von Allotey fiziert werden. Von diesen wurde der Review von et al. bei 10 % (6 % – 15 %) der schwangeren Frauen Allotey et al.14 als der umfassendste eingeschätzt oder Frauen im Wochenbett mit bestätigter Infek und als Grundlage für die nachfolgende Evidenz- tion oder einem Verdacht auf eine Infektion be- synthese verwendet. Darüber hinaus wurden der schrieben (39 Studien, 5.621 Frauen). 4 % (2 % – 7 %)
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 15 wurden auf eine Intensivstation aufgenommen, verglich.18 Die Studie schloss 3.371 schwangere Frau- 3 % (1 % – 5 %) mussten invasiv beatmet werden en aus dem nationalen geburtshilflichen Surveil (31 Studien, 42.026 Frauen) und 0,2 % (0 % – 0,7 %) lancesystem des Vereinten Königreichs ein, von de- benötigten eine extrakorporale Membranoxygenie- nen insgesamt vier Frauen eine 1. Impfdosis gegen rung (ECMO) (13 Studien, 33.521 Frauen). 339 von COVID-19 erhalten hatten. Verglichen wurden in 41.664 in 59 Studien beschriebenen Frauen verstar- der Studie Daten aus Zeiträumen mit dominanter ben (0,02 %; 95 % KI: 0 % – 0,42 %).14 Bei der Ein- Zirkulation der Alpha-Variante mit solchen, in de- ordnung der Zahlen sollte berücksichtigt werden, nen der Wildtyp bzw. die Delta-Variante zirkulierte. dass unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Im Vergleich zu den Zeiträumen mit reiner Wildtyp- Therapie von COVID-19-PatientInnen je nach der Viruszirkulation war der Anteil der hospitalisierten geografischen Region bestehen.15,16 Frauen mit einem moderaten bis schweren Verlauf signifikant höher im Zeitraum mit Zirkulation der Im Vergleich zu nicht-schwangeren Frauen gleichen Alpha-Variante (aOR 1,75; 95 % KI: 1,48 – 2,06) und Alters wurden schwangere Frauen häufiger auf eine noch einmal höher, wenn die Delta-Variante im Ver- Intensivstation aufgenommen (gOR 2,13; 95 % KI: gleich zur Alpha-Variante zirkulierte (aOR 1,53; 95 % 1,53–2,95).14 Zu dem gleichen Schluss kamen KI: 1,07 – 2,17). Im Vergleich zum Zeitraum mit Zir- AutorInnen eines weiteren, aktuelleren systemati- kulation des Wildvirus wurden während des Zirku- schen Reviews (gOR 4,78; 95 % KI: 2,03 – 11,25).17 Fer- lationszeitraums der Alpha-Variante ein höherer Be- ner hatten schwangere Frauen ein erhöhtes Risiko, darf an Atemunterstützung (aOR 1,39; 95 % KI: 1,13 – invasiv beatmet zu werden (gOR 2,59; 95 % KI: 2,28 – 1,78), vermehrt Pneumonien (aOR 1,65; 95 % KI: 2,94 bzw. gOR 2,58 95 % KI: 1,64 – 4,0614,17). Eine ak- 1,38 – 1,98) und ein höherer Anteil an hospitalisier- tuelle prospektive Kohortenstudie mit positiven ten Frauen festgestellt, die auf eine Intensivstation Schwangeren versus jeweils zwei konsekutiv aufge- aufgenommen werden mussten (aOR 1,61; 95 % KI: nommenen negativen Schwangeren, die Frauen aus 1,24 – 2,10). Schwangere Frauen, die während des 43 Institutionen in 18 Ländern einschloss, errechne- Zeitraums mit Zirkulation der Delta-Variante hospi- te ein relatives Risiko für intensivmedizinischen talisiert wurden, hatten im Vergleich zum Alpha- Behandlungsbedarf von 5,04 (95 % KI: 3,13 – 8,10).9 Zirkulationszeitraum ein nochmal erhöhtes Risiko für eine Pneumonie (aOR 1,64; 95 % KI: 1,14 – 2,35).18 Insgesamt wurden Todesfälle bei schwangeren Frauen mit COVID-19 nur selten beobachtet. Im 2.1.2.2 Schwangerschaftskomplikationen bei Rahmen des systematischen Reviews von Allotey SARS-CoV-2-Infektion et al. wurde eine erhöhte Mortalität (jegliche Todes- Mütterliche Endpunkte: Ein systematischer Review ursache) bei schwangeren Frauen mit COVID-19 im mit Metaanalyse von Daten aus Beobachtungsstu Vergleich zu schwangeren Frauen ohne COVID-19 dien zeigte, dass eine SARS-CoV-2-Infektion bei berechnet (gOR 2,85; 95 % 1,08 – 7,52), allerdings Schwangeren das Risiko für Schwangerschaftskom- waren die Fallzahlen (8 Studien, 4.820 Frauen, 8 To- plikationen wie Präeklampsie erhöht, insbesondere desfälle) und damit das Vertrauen der AutorInnen bei einer schweren Erkrankung (z. B. Dyspnoe, in diese Schätzungen gering.14 Eine internationale Tachypnoe, Diagnose einer Pneumonie).17 Das Risi- Kohortenstudie9 mit insgesamt 2.130 Frauen errech- ko für SARS-CoV-2-positive schwangere Frauen, nete ein deutlich erhöhtes Mortalitätsrisiko von eine Präeklampsie zu erleiden, betrug im Vergleich schwangeren Frauen mit COVID-19, allerdings mit zu SARS-CoV-2-negativen schwangeren Frauen (in einem sehr breiten Konfidenzintervall aufgrund des der präpandemischen Phase oder asymptomatisch insgesamt seltenen Auftretens (RR 22,26, 95 % KI: in der frühen pandemischen Phase) 1,33 (95 % KI: 2,88 – 172,11). 1,03 – 1,73).17 Auch in einer bevölkerungsbasierten Studie mit Krankenhausabrechnungsdaten des Die Literaturrecherche ergab nur eine Studie, die den National Health Service in England wurde bei insge- Verlauf der SARS-CoV-2-Infektion bzw. COVID-19- samt 342.080 schwangeren Frauen ein erhöhtes Ri- Erkrankung in der Schwangerschaft in Abhängig- siko für Präeklampsie/Eklampsie bei SARS-CoV-2- keit von verschiedenen SARS-CoV-2 Virus-Varianten positiven im Vergleich zu SARS-CoV-2-negativen
Epidemiologisches Bulletin 38 | 2021 23. September 2021 16 Frauen ermittelt (adjustiertes OR 1,55; 95 % KI: 1,29 – 0,81; 95 % KI: 0,52 – 1,27);9 83 % der Frühgeburten 1,85).19 In einer multinationalen Kohortenstudie wur- waren aus medizinischen Gründen eingeleitet wor- de basierend auf Daten von 2.130 schwangeren Frau- den (RR 1,97; 95 % KI: 1,56 – 2,51), insbesondere auf- en ebenfalls ein höheres relatives Risiko für eine Prä- grund einer Präeklampsie/Eklampsie oder eines eklampsie oder ein HELLP-Syndrom bei positiven HELLP-Syndroms (gekennzeichnet durch Hämolyse versus negativen Schwangeren festgestellt (RR 1,76; (H), Erhöhung der Leberenzyme (EL), Thrombo 95 % KI: 1,27 – 2,43).9,20 In der Studie von Villar et al. zytopenie (LP)) einer intrauterinen Wachstums wurde auch bei einer asymptomatischen SARS- retardierung oder einer fetalen Notlage. Das Risiko CoV-2-Infektion eine Präeklampsie häufiger als bei für eine Frühgeburt stieg bei Frauen mit COVID-19- testnegativen Frauen beobachtet (RR 1,63; 95 % KI, Diagnose ab dem Gestationsalter von 30 Wochen an. 1,01 – 2,63).9 In Regressionsmodellen wurde ermittelt, dass das Schwangerschaftsalter bei Geburt im Vergleich zu Schwangere Frauen mit einer schweren COVID-19- Frauen ohne COVID-19-Diagnose 0,6 Wochen kür- Erkrankung zeigten in einer US-amerikanischen zer war bezogen auf alle Frauen mit COVID-19- Kohortenstudie häufiger tiefe venöse Thrombosen Diagnose (95 % KI: –0,9 bis –0,3) und 0,8 Wochen oder pulmonale Embolien (6 %; 95 % KI: 2 – 11 %) als kürzer bezogen auf Frauen mit symptomatischer schwangere Frauen mit einem moderaten (0,2 %) SARS-CoV-2-Infektion (95% KI: –1,2 bis –0,5). oder asymptomatischen Verlauf (0 %).21 Ferner wurde bei schwangeren Frauen mit einer Ein systematischer Review, der Daten zum Outcome COVID-19-Diagnose seltener ein spontaner Beginn von Schwangeren in der Pandemiephase im Ver- der Wehentätigkeit (RR 0,85; 95 % KI: 0,77 – 0,93) gleich zu präpandemischen Zeiten analysierte, fand beobachtet, die Frauen hatten allerdings ein höheres kein vermehrtes Auftreten eines Gestationsdiabetes Risiko für einen Kaiserschnitt (RR 1,28; 95 % KI: oder einer Hypertonie während der Pandemie im 1,16 – 1,40). Im Hinblick auf die Einleitung einer Ge- Vergleich zu präpandemischen Zeiten (gOR 1,01; burt oder einen vorzeitigen Blasensprung ergaben 95 % KI: 0,86 – 1,19 bzw. gOR 1,16; 95 % KI: 0,75 – 1,79 sich zwischen SARS-CoV-2-positiven und -negati- bei einer Heterogenität von 45 bzw. 81 %).22 ven Schwangeren keine Unterschiede (RR 0,99; 95 % KI: 0,84 – 1,18 bzw. RR 0,87; 95 % KI: 0,71 – Fetale/neonatale Endpunkte: In dem systemati- 1,07).9,22 Auch die AutorInnen einer US-amerikani- schen Review von Allotey et al. wurde bei schwange- schen Kohortenstudie mit Daten von 1.219 Frauen ren Frauen mit COVID-19 ein erhöhtes Risiko für aus 33 Krankenhäusern in 14 Staaten beschrieben Frühgeburten vor der 37. SSW im Vergleich zu Müt- eine signifikant höhere Rate induzierter Frühgebur- tern ohne COVID-19 beschrieben (gOR 1,47; 95 % ten bei Frauen mit schweren Verläufen, wobei bei KI: 1,14 – 1,91; 18 Studien, 8.549 Frauen).14 Zur selben 3 % der Frauen COVID-19 die primäre Indikation Aussage kommt auch der systematische Review von darstellte. Die häufigsten Indikationen für die vor- Wei et al., insbesondere bei schwerem Verlauf der zeitige Schwangerschaftsbeendigung im Zeitraum Erkrankung im Vergleich zu einem leichten Verlauf der Frühgeburtlichkeit waren Schwangerschafts (gOR 1,82; 95 % KI: 1,38 – 2,39 und gOR 4,29; 95 % hypertonie (33 % aller induzierten Frühgeburten), KI: 2,41 – 7,63).9,17 intrauteriner Fruchttod (16 %) und vorzeitiger Bla- sensprung (13 %). Bei Frauen, die mittels eines Kai- Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass es serschnitts entbunden worden waren, war dies bei sich hierbei um einen medizinisch induzierten An- 22 % primär aufgrund einer COVID-19-Erkrankung stieg der Frühgeburtenrate handeln könnte, da laut geschehen.21 Allotey et al. die allgemeinen Raten von spontanen Frühgeburten im Vergleich zu präpandemischen Im Rahmen eines weiteren systematischen Re- Zeiten gleich geblieben seien.14 In einer prospekti- views, der den Schwangerschaftsverlauf bei Frauen ven Kohortenstudie aus 18 Ländern war die spontane mit COVID-19 mit dem Verlauf von Schwanger- Frühgeburtenrate bei Frauen mit COVID-19 im Ver- schaften in einer präpandemischen Phase verglich, gleich zu Frauen ohne COVID-19 nicht erhöht (RR wurde dagegen kein generell höheres Risiko einer
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