Besser miteinander statt gegeneinander? - Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management

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Besser miteinander statt gegeneinander? - Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management
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Fachzeitschrift für Verbands- und
Nonprofit-Management

Besser miteinander statt
gegeneinander?
 Konkurrenz, Kooperation oder Ignoranz als strategische
 Optionen
 Durch Kooperation zum Erfolg
 Fusion von operativen Stiftungen
 Fusion als Antwort auf Existenzbedrohungen
 Compétition ou coopération? Développer un système
 de sens commun

Weiteres Thema:
 Metaphern als Hilfsmittel in der Organisationsanalyse
Besser miteinander statt gegeneinander? - Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management
Drum prüfe, wer sich bindet.
Kooperationen sind eine interessante Ressource zur Effektivitäts- und
Effizienzsteigerung, sofern sie auf einer strategischen Zielsetzung und
einer sorgfältigen Analyse basieren.
Wir unterstützen Sie dabei als unabhängige Externe mit unserem Wis-
sen und unserer Erfahrung.

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Besser miteinander statt gegeneinander? - Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management
Editorial

Editorial

Liebe Förderer, liebe Leserinnen und Leser

Am diesjährigen Verbände-Forum in St. Moritz stand        äusseren Bedingungen, ist aber auch Ausdruck ihrer
der Umgang mit Herausforderungen der Konkurrenz           Organisationskultur: Sind wir selbstbewusst oder gar
und Kooperation im Fokus mehrerer Vorträge und            aggressiv, oder lieber nachgiebig und defensiv? Vor
Praxisbeispiele sowie der anschliessenden Podiums-        allem ist es eine wichtige Managementscheidung. Ko-
diskussion. Der Dritte Sektor unterscheidet sich tradi-   operationen einzugehen ist eine Option, die vielerorts
tionell von der Marktwirtschaft, wo Wettbewerb gera-      und mit langjähriger Erfahrung praktiziert wird. Ge-
dezu selbstverständlich ist – abgesehen von seltenen      gen andere NPOs zu konkurrieren, und das nicht nur,
und meist nur vorübergehenden Kartellen und Mono-         weil man von aussen dazu gezwungen wird, ist noch
polen. Heute sehen sich NPO aber immer häufiger           eher selten anzutreffen.
Konkurrenzsituationen ausgesetzt: Staatliche Stellen           Mein Kollege Christoph Badelt, früherer Universi-
überprüfen und kürzen ihre finanziellen Engagements       tätsrektor und Gründer des NPO-Instituts der WU
für Gesundheit, Soziales oder Kultur; Subventionen        Wien, hat am Verbände-Forum eine These aufgestellt:
und Leistungsverträge sollen nicht mehr nach Bewäh-       NPO haben aufgrund ihres Selbstverständnisses gro-
rung, sondern in wiederholten offenen Ausschreibun-       sse Mühe mit der Vorstellung offener und aktiver
gen vergeben werden. Spenderinnen und Spender von         Konkurrenz. Sie haben sich der gesellschaftlichen In-
Zeit und Geld emanzipieren sich aus traditionellen        tegration verschrieben, oder sie grenzen sich bewusst
Milieus; sie variieren und befristen ihre Unterstüt-      gegenüber einem marktwirtschaftlichen Weltbild ab.
zung, ohne sich längerfristig binden zu wollen. Ar-       Da sie gleichzeitig aber alles dafür tun, sich auf ewig
beitsmärkte werden horizontal durchlässig; dadurch        zu erhalten und sich immer wieder neue Betätigungs-
werden NPOs einerseits für Berufswechsler von staat-      felder suchen, wenn die bisherigen erschöpft sind,
lichen Stellen oder der Privatwirtschaft attraktiv,       sollten sie, so Badelt, aber auch offen dazu stehen, dass
müssen sich aber auch gegenüber ihren eigenen             sie mehr als die Kristallisation puren Altruismus’ sei-
Beschäftigten an den nicht selten attraktiveren Ar-       en. Er forderte die anwesenden Vertreterinnen und
beitsbedingungen der anderen Sektoren messen las-         Vertreter aus dem Dritten Sektor dazu auf, sich ent-
sen. Das sind nur wenige Beispiele, stellvertretend für   schiedener als bisher Wettbewerbslagen zu stellen.
eine ganz Fülle von wettbewerbsverschärfenden Ent-             Wer dies tun will, dem möge dieses Heft mit sei-
wicklungen.                                               nen Beiträgen aus Forschung und Praxis die eine oder
    Verbände und andere NPO können sich diesen            andere nützliche Anregung vermitteln.
Veränderungen verschliessen und auf die eigenen
Stärken vertrauen, sie können Kooperationen einge-
hen, um den äusseren Druck zu vermindern, oder sie
können den Druck selbst verstärken, indem sie in be-
wusste Konkurrenz zu ihren Wettbewerbern treten.          Prof. Dr. Markus Gmür
Welchen Weg eine NPO einschlägt, ergibt sich aus den      Direktor Verbandsmanagement Institut

Verbands-Management 1/2019                                                                                            3
Besser miteinander statt gegeneinander? - Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management
Inhalt

    Markus Gmür                                               Lars Funk
    NPO zwischen Ignoranz,                                    Gemeinsam statt einsam:
    Konkurrenz und Kooperation                                Durch Kooperation zum Erfolg
    Verbände und andere NPO haben mehrere Optionen im         Fragt man Verbandsmanager nach den aktuell grössten
    Umgang mit anderen Organisationen, die ihnen in der       Herausforderungen für ihre Organisation, so gehören
    Ressourcenbeschaffung oder der Leistungserbringung        eine sich immer schneller ändernde Erwartungshal-
    in die Quere kommen: Sie können sich erstens für Kon-     tung der Mitglieder, steigende Konkurrenz und be-
    kurrenz entscheiden und dazu eine passende Wettbe-        grenzte Finanzen zu den am häufigsten genannten
    werbsposition suchen. Sie können zweitens die Option      Antworten. Um auf diese Herausforderungen zu re-
    der Kooperation wählen und sich mit anderen Organisa-     agieren, bieten sich für Verbände unter anderem Ko-
    tionen verbinden. Eine dritte Alternative ist die Igno-   operationen an. Dabei können diese Kooperationfor-
    ranz und sich nur auf die eigene Mission konzentrieren.   men unterschiedlich ausgestaltet sein, je nach Bedarf.

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    Pius Bernet                                               Martin Schunk
    Fusion von zwei                                           Fusionen: Alternative für
    operativen Stiftungen                                     existenzbedrohte Stiftungen?
    Die Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS) in Nottwil      Für gemeinnützige Stiftungen können Fusionen oder
    hat im Mai 2018 die Stiftung «Fondation pour les Télé-    Zusammenschlüsse von wachsender Bedeutung sein.
    thèses» kurz FST genannt, mit Sitz in Neuenburg, mit-     Da besonders kleine Stiftungen von der Niedrigzins-
    tels Absorptionsfusion übernommen. Warum integ-           phase betroffen sind, können sie ihre Attraktivität für
    riert eine Stiftung eine von ihr mitgegründete Stiftung   Sponsoren und Geldgeber durch eine Fusion mit einer
    nach 35 Jahren und wie wurde das Projekt realisiert       anderen Stiftung steigern. Auch können Fusionen
    und welche Hürden mussten dabei genommen wer-             eine Alternative für existenzbedrohte Stiftungen dar-
    den? Der Bericht gibt die Hintergründe und gemach-        stellen. Voraussetzung ist, dass sich die Zwecke der
    ten Erfahrungen wieder.                                   beiden Stiftungen im Grunde ähneln, zudem sollte im
                                                              Vorfeld Bedarfsprüfung durchgeführt werden.

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    Michaël Gonin et Philipp Erpf                             Jacqueline Schneider
    Compétition ou coopération? Déve-                         Erfolgspotenziale der Kooperation
    lopper un système de sens commun                          Kooperationen im direkten Umfeld und auch über
    Alors qu’une logique de marché et donc de concur-         Sektorgrenzen hinweg sind ein wichtiges Erfolgspo-
    rence commence à gagner le tiers secteur, il s’agit de    tenzial für die Zielerreichung von Interessenverbän-
    développer de nouvelles manières d’interagir avec des     den und Dienstleistungsorganisationen in politisch
    partenaires aux visions partiellement divergentes.        sensiblen Feldern. Jacqueline Schneider, Geschäfts-
    Nous suggérons ici que de telles collaborations vont      führerin der Frauenzentrale St. Gallen, hat das er-
    au-delà des définitions formelles et requièrent la con-   kannt. Das Interview mit ihr führte Luisa Wagenhöfer
    struction d’une compréhension commune du contexte         während des 50. Internationalen Verbände-Forums
    et de l’objectif de la collaboration.                     im Januar 2019 in St. Moritz.

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Besser miteinander statt gegeneinander? - Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management
Inhalt

  Markus Gmür
  Bilder der Organisation
  und ihre Bedeutung für NPO
  In diesem Beitrag werden in Anlehnung an den Ansatz
  «Images of Organization» von Gareth Morgan zehn
  verschiedene Blickwinkel für die Analyse von Organi-
  sationsproblemen und mögliche Lösungsansätze ein-
  geführt: Demnach lassen sich Organisationen sowohl
  als Maschinen, als auch als Organismen oder Gehirne,
  als Kulturen, psychische Gefängnisse und Prozessepi-
  soden, als Marktplätze oder Theaterbühnen, als politi-
  sche Arenen oder Herrschaftsinstrumente begreifen.

                                                    44

                                                           Impressum
                                                           Redaktion:     Luisa Wagenhöfer
                                                                          (redaktion@vmi.ch)
                                                           Layout:        Luisa Wagenhöfer
                                                                          Paulusdruckerei Freiburg/CH
                                                           Herausgeber: Verbandsmanagement Institut (VMI)
                                                                        Universität Freiburg/CH
                                                           Fotomaterial: Thema «Konkurrenz»: istockphoto.com
                                                           Adresse:       VMI, Bd de Pérolles 90,
                                                                          CH-1700 Freiburg
                                                                          Tel. +41 (0)26 300 84 00
                                                                          Fax +41 (0)26 300 97 55
                                                           Internet:      www.vmi.ch, info@vmi.ch
                                                           Jahrgang:      45. Jahrgang
                                                           ISBN:          978-3-909437-54-2
                                                           ISSN:          1424-9189

  Buchbesprechungen                                54
                                                           Das VM erscheint dreimal jährlich in den Monaten April,
  Vorträge, Publikationen und Neuigkeiten          58      August und November. Abdruck und Vervielfältigung
                                                           von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ab-
  Agenda                                           62      schnitten, nur mit Genehmigung des Herausgebers.

Verbands-Management 1/2019                                                                                           5
Besser miteinander statt gegeneinander? - Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management
Konkurrenz und Kooperation

    Forschungsbeitrag

    NPO zwischen Ignoranz,
    Konkurrenz und Kooperation
    Markus Gmür

    Verbände und andere NPO haben mehrere Optionen             die Mitglieder zwar nicht dieselbe existenzielle Her-
    im Umgang mit anderen Organisationen, die                  ausforderung wie für ein Kleinkind, zumal man ein
    ihnen in der Ressourcenbeschaffung oder der                Individuum im frühen Entwicklungsstadium nicht
    Leistungserbringung in die Quere kommen: Sie               einfach mit einem Kollektiv erwachsener Menschen
    können sich erstens für Konkurrenz entscheiden             gleichsetzen kann. Wer als Organisationsmitglied ei-
    und dazu eine Wettbewerbsposition suchen, die sie          nen solchen Entdeckungs- und Reaktionsprozess ein-
    in den Augen ihrer Stakeholder besonders attraktiv         mal selbst erfahren hat, wird aber bei genauerer Be-
    erscheinen lässt. Sie können zweitens die Option der       trachtung vielleicht die eine oder andere Parallele
    Kooperation wählen und sich mit anderen Organisa-          entdecken. In diesem Beitrag soll es aber nicht um die
    tionen verbinden oder gar mit ihnen verschmelzen.          tiefenpsychologische Deutung von interorganisatio-
    Eine dritte Alternative ist die Ignoranz, die im We-       nalen Begegnungen gehen, sondern ein Überblick
    sentlichen darin besteht, sich nur auf die eigene Mis-     über organisationale Antworten vermittelt werden,
    sion und die Zielgruppen zu konzentrieren und sich         die sich in der Managementforschung über den Um-
    dabei nicht von den Aktivitäten anderer Organisati-        gang mit organisationalem Nebeneinander finden.
    onen beeinflussen zu lassen. Jede dieser drei Optio-
    nen hat spezifische Voraussetzungen und das ist mit        Organisationales Nebeneinander
    Vor- und Nachteilen verbunden. Diese werden im             im Dritten Sektor
    vorliegenden Beitrag aus einer Managementpers-             Dass NPO sich gegenseitig ins Gehege kommen und
    pektive skizziert. Die abschliessende Empfehlung           sich für Konkurrenz oder Kooperation entscheiden
    lautet, dass eine NPO in jeder Konstellation über die      müssen, ist aus ökonomischer Perspektive nicht selbst-
    ihr zur Verfügung stehenden Alternativen Klarheit          verständlich. Gemäss der Theorie des Marktversagens
    erlangen und auf dieser Grundlage eine selektive           füllen Organisationen des Dritten Sektors mit ihrem
    Entscheidung treffen sollte.                               Leistungsangebot Lücken, die nicht durch wirtschaft-
                                                               liches Gewinnstreben gefüllt werden können, etwa
    «Eigentlich waren wir mit uns allein ganz zufrieden –      weil die Zielgruppen nicht ausreichend zahlungswil-
    und dann war da plötzlich noch jemand anders da!»          lig oder -fähig sind, weil es eine Informationssymmet-
    Eine solche Erfahrung haben die meisten Menschen           rie und Vertrauensprobleme zwischen den Vertrags-
    mindestens einmal in ihrem Leben gemacht, nämlich          parteien gibt oder weil der Kollektivgutcharakter der
    als Kleinkinder, denen die Eltern eines Tages – über-      Organisationsleistungen eine verlässliche Marktpreis-
    müdet, aber glücklich – ein kleines Bündel unter die       bildung erschwert.1 Die Theorie des Staatsversagens
    Nase gehalten haben, das sie nun als ihr Brüderlein        ergänzt diese Erklärung durch den Hinweis, dass
    oder Schwesterlein annehmen sollten. Überraschung          staatliches Handeln einen fehlenden Markt nur dann
    und Skepsis oder auch Freude und Neugier, vielleicht       kompensieren kann, wenn es dazu einen entsprechen-
    auch einmal Widerwille und Panik sind ebenso denk-         den politischen Willen gibt, was in der Demokratie vor
    wie beobachtbare Reaktionen. Was aus einer solchen         allem entsprechende politische Mehrheiten voraus-
    neuen Konstellation in der Folge wird, kann zu Beginn      setzt.² Der freie Raum zwischen staatlicher Steuerung
    auch kaum jemand voraussagen.                              und marktwirtschaftlicher Aktivität verbleibt Verbän-
         Wenn Organisationen unvermutet aufeinander-           den und anderen NPO, soweit sie nicht gezielt in Kon-
    treffen, die sich zuvor nicht begegnet sind, ist das für   kurrenz zu staatlicher Autorität und privatwirtschaft-

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Konkurrenz und Kooperation

lichem Gewinnstreben treten. Innerhalb des freien             Geldgebern, oder sie stehen im Wettbewerb um
Raums gibt es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten          Subventionen oder Leistungsverträge der öffent-
kaum Anlass, dass Organisationen zueinander in Kon-           lichen Hand.
kurrenz treten, weil es primär um das Ausfüllen von       •   Ehrenamtliche und freiwillige Helfer: Nicht nur fi-
Lücken geht. Wenn eine Lücke bereits von einer Orga-          nanzielle sondern auch zeitliche Budgetrestriktio-
nisation geschlossen wurde, fehlt der ökonomische             nen können NPOs eine Wettbewerbslage bewusst
Anlass für eine weitere Organisation, ebenfalls an der-       machen. Die Konkurrenten können sowohl inner-
selben Stelle aktiv zu werden. Ausnahmen bestehen             halb eines Sektors (z. B. zwischen Hilfswerken)
da, wo es wertgetriebene, abweichende Ansichten da-           als auch zwischen Sektoren (z. B. zwischen Ein-
rüber gibt, wie eine Leistung erbracht werden soll,           satzmöglichkeiten für Gesundheits- bzw. Um-
etwa in der historischen Konkurrenz zwischen christ-          weltbelange) spürbar werden.
lichen und sozialistischen Gewerkschaften, Freizeit-      •   Mitglieder: Bei der Gewinnung von Mitgliedern
vereinen und Hilfswerken. Ausserdem ist festzuhal-            bestehen ebenfalls Wettbewerbssituationen, ganz
ten, dass eine ökonomische Betrachtung zu einem               unmittelbar z. B. zwischen Kirchen oder Gewerk-
idealtypischen Bild führt, das immer nur einen Aus-           schaften unterschiedlicher ideologischer Veran-
schnitt der empirischen Realität repräsentiert.               kerung bzw. gegenüber Berufsverbänden; aber
    Grundsätzlich anders stellt sich die Ausgangslage         auch Kultur-, Sport- und Freizeitvereine können
dar, wenn man das organisationale Nebeneinander               lokal Konkurrenzlagen wahrnehmen, wenn ihre
aus der Perspektive des Ressourcenmanagements be-             Zielgruppen sich wegen Zeitknappheit zuguns-
trachtet.³ Hier stehen NPO in mehrerlei Hinsicht in           ten anderer Mitgliedschaften gegen einen Eintritt
Konkurrenz zueinander. Hervorzuheben sind insbe-              entscheiden oder austreten.
sondere die folgenden Ressourcen:                         •   Politische und mediale Aufmerksamkeit: Sie spielt für
 • Finanzmittel: Je nach Finanzierungsmix konkur-             Interessenverbände eine wesentliche Rolle. Oft-
     rieren NPO auf Spendenmärkten um Zuwendun-               mals stehen hier verschiedene Organisationen in
     gen von Privatpersonen oder institutionellen             einer direkten Gegnerschaft zueinander.
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Konkurrenz und Kooperation

Abbildung 1: Eindimensionale Typologie

    Solche Konkurrenzlagen können für eine NPO ab         on zwischen Ignoranz, Konkurrenz und Kooperation
dem Zeitpunkt der eigenen Gründung bestehen, oder         wählen.
sie bauen sich erst später durch das Aufkommen an-
derer Organisationen auf. Aber auch die Entschei-         Strategische Optionen im Überblick
dung, den eigenen Wirkungskreis zu erweitern,             Die strategischen Optionen für eine Reaktion auf orga-
sein Leistungsspektrum zu verbreitern oder den            nisationales Nebeneinander lassen sich zwischen den
Finanzierungsmix zu verändern, können erst dazu           Polen ausgeprägter Konkurrenz auf der einen Seite
führen, dass man anderen Organisationen in die            und ebenso ausgeprägter Kooperation auf der ande-
Quere kommt. Wenn ein blosses Nebeneinander               ren abbilden (vgl. Abbildung 1). Dazwischen steht die
zwischen Organisationen aufgrund einer spürbaren          Entscheidung für eine friedliche Koexistenz. Diese
Ressourcenknappheit offensichtlich wird, muss sich        kann von schlichter Ignoranz bis zu einem bewussten
das Management darüber klar werden, wie es sich zu        Umgang miteinander, der durch gegenseitigen Res-
den anderen stellen will, d. h. eine strategische Opti-   pekt gekennzeichnet ist, reichen.
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Konkurrenz und Kooperation

     Projektkooperationen sind ein erster Schritt zu ei-   haben gemeinsam, dass nach ihrer Vollendung aus
ner Annäherung zwischen NPO. Dazu zählen                   dem organisationalen Nebeneinander wieder das Al-
hier sowohl ein koordiniertes Handeln in der               leinsein steht.
Leistungserbringung, das Zusammenlegen oder ge-                Eine Beziehung kann auch durch eine Mischung
meinsame Auslagern administrativer Funktionen, als         von Konkurrenz und Kooperation gekennzeichnet
auch eine abgestimmte Ressourcenbeschaffung. Kenn-         sein, wie sich das am Beispiel der Verbandsbildung
zeichnend ist, dass nur ausgewählte Bereiche der or-       zeigen lässt (vgl. Abbildung 2): Der Entschluss, einen
ganisationalen Aktivität kooperativ erfolgen, während      Verband zu gründen oder ihm beizutreten, ist erst ein-
in den übrigen Bereichen die Unabhängigkeit gewahrt        mal ein kooperativer Akt. Innerhalb des Verbands
wird. Die Verbandsbildung wird als weitergehende           können sich die Mitgliedsorganisationen aber unterei-
Kooperationsform eingeordnet, weil die NPO zwar            nander mehr oder weniger Konkurrenz erleben. «Lau-
weiterhin im Kern unabhängig bleiben, aber sich ein        ter gute Freunde!» charakterisiert eine Konstellation,
gemeinsames Dach geben, unter dem sie gemeinsame           wo jede Aktivität eines Mitglieds einen Nutzen für
Ziele verfolgen und ihr Verhalten koordinieren. Als        die übrigen Mitglieder erzeugt. Das wäre z. B. der Fall,
äusserste Form der Kooperation ist schliesslich das        wenn der Verband einen Informations- und Erfah-
Verschmelzen der Organisationen anzusehen, indem           rungsaustausch fördert, der jeden Informationsemp-
es zu einer einseitigen Übernahme des einen Partners       fänger stärkt, ohne dass der Informationsgeber damit
durch den anderen oder zu einer Fusion unter               seine eigenen Chancen zur Zielerreichung reduziert.
Gleichen kommt. Zur anderen Seite hin betonen NPO          In der Konstellation «Trau schau wem!» können die
ihre Konkurrenzlage, indem sie sich in den Augen           Mitglieder zwar einerseits profitieren, müssen aber
ihrer Mitglieder, Klienten, Sponsoren oder anderer         damit rechnen, dass ihre Beiträge gegebenenfalls zu
Stakeholder profilieren. Leistungsdifferenzierung be-      ihrem Nachteil von anderen Mitgliedern genutzt wer-
deutet nur, dass die Organisation ihre Position im be-     den. Ein «Gefangenendilemma» ist schliesslich durch
treffenden Markt gegenüber anderen Organisationen          eine hohe Wettbewerbsintensität gekennzeichnet, bei
bewusst bezieht oder verlagert, um sich in eine vorteil-   der jeder Vorteil des einen Mitglieds zu Lasten eines
hafte Lage zu bringen. In ihrer Steigerung kann die        anderen geht, ein kooperatives Verhalten aufwändig
Positionierung darauf abzielen, die anderen Organisa-      und wenig ertragreich ist und ausserdem keine per-
tionen zurückzudrängen oder gar zu vernichten. Die         sönliche Vertrauensbasis besteht.⁴ Während im Be-
beiden Extrempole der Konkurrenz und Kooperation           reich des Sozialen, der Gesundheit oder der Kultur

Abbildung 2: Zweidimensionale Typologie

Verbands-Management 1/2019                                                                                            9
Besser miteinander statt gegeneinander? - Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management
Konkurrenz und Kooperation

Verbände eher durch eine geringere interne Konkur-         Ignoranz im organisationalen Nebeneinander muss
renz charakterisiert sein dürften, ist für Branchenver-    sich eine NPO allerdings erst leisten können. Ob sie
bände eher eine Lage weiter rechts zu erwarten.            das kann, hängt von ihrer Legitimationsbasis gegen-
    Im nächsten Schritt werden nun die wesentlichen        über Klienten und Sponsoren ab. Vier wesentliche Le-
strategischen Optionen nacheinander etwas näher be-        gitimationsgrundlagen sind zu unterscheiden:⁵
trachtet. Der Fokus liegt dabei auf den Voraussetzun-       • Die direkte Zwecklegitimierung einer Eigenleis-
gen für die jeweilige Option sowie ihre Vor- und                tungs-NPO beruht auch ihrer Fähigkeit, für die
Nachteile.                                                      relevanten Zielgruppen einen Nutzen zu stiften,
                                                                den sie nicht anderweitig erhalten: Die NPO er-
Option 1 – Ignoranz                                             zeugt als Verband einen unmittelbaren Member
Ignoranz bedeutet im vorliegenden Zusammenhang,                 Value⁶ und schützt sich damit vor Abwanderung.
dass eine NPO sich in ihrer Leistungserbringung oder            Gefährdet ist diese Basis vor allem bei veränder-
Ressourcenbeschaffung unabhängig von anderen Or-                ten Präferenzen der Nutzer.
ganisationen im selben Feld breit macht, sich also so       • Die indirekte Zwecklegitimierung ist typisch für
verhält, als wäre sie allein ihren Klienten bzw. Sponso-        Fremdleistungs-NPO, deren Ressourcengeber nicht
ren verpflichtet. Der Vorteil einer solchen Strategie           identisch mit den Adressaten des Leistungsange-
liegt darin, dass sich die NPO allein auf ihre Mission          bots sind. Effektivitäts- und Wirkungsnachweise in
und die ihr dazu zur Verfügung stehenden Möglich-               den Zielfeldern spielen eine wichtige Rolle. Das Ri-
keiten konzentriert, dass sie durch ihr Anliegen be-            siko eines Legitimitätsverlusts besteht hier ebenfalls
wegt wird. Sie benötigt keine Energien für taktische            bei veränderten Präferenzen, aber auch im Ausblei-
Manöver gegenüber konkurrierenden Organisationen                ben steigender Wirksamkeitserwartungen.
und sie muss keine Kompromisse gegenüber den An-            • Die Wertlegitimierung unterscheidet sich von
liegen von Kooperationspartnern eingehen. Ein we-               den beiden erstgenannten Legitimierungsbasen
sentlicher Nachteil von Ignoranz besteht darin, dass            dadurch, dass die NPO ihre Unterstützung nicht
die Organisation die Chance vergibt, von anderen Or-            für die Ergebnisse ihrer Arbeit, sondern für die
ganisationen, die in einer vergleichbaren Lage agieren,         Art und Weise der Leistungserstellung erhält.
zu lernen. Wettbewerber zur Kenntnis zu nehmen,                 Die Stakeholder nehmen dabei Bezug auf die
kann ausserdem ein Leistungsanstoss sein und ver-               Werte und die Arbeitsweisen der Organisation,
mindert die latente Gefahr, in organisationale Trägheit         wenn diese beispielsweise durch Hilfsbereit-
oder Lethargie zu verfallen.                                    schaft, Solidarität, Integrität, aber auch durch Al-

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Konkurrenz und Kooperation

     truismus oder Opferbereitschaft gekennzeichnet         Option 2 – Konkurrenz
     sind. Hauptrisiko sind hier offensichtliche Verstö-    In Konkurrenz zu treten bedeutet im organisationalen
     sse gegen die eigene Wertebasis, wenn sie in der       Nebeneinander, sich nicht nur zur eigenen Mission, zu
     Öffentlichkeit bekannt werden.                         den Leistungsempfängern bzw. zu den Sponsoren zu
 • Die Traditionslegitimierung ist schliesslich das Er-     bekennen, sondern sich gegenüber anderen Organisa-
     gebnis eines in aller Regel mehrjährigen Institutio-   tionen zu positionieren. Das hat zur Folge, dass ein Teil
     nalisierungsprozesses, bei dem eine Organisation       der verfügbaren Ressourcen für die Positionierung
     mit ihren Aktivitäten zu einem festen Bestandteil      und die dazugehörigen Marketingaktivitäten aufge-
     der gesellschaftlichen Realität wird. Die Organisa-    wendet werden muss; dieser wird damit dem Kernan-
     tion ist für ihre relevanten Stakeholder aus dem       liegen der Organisation entzogen. Die Aufmerksam-
     Alltag nicht mehr wegzudenken; schon die Vor-          keit richtet sich vermehrt auf den Wettbewerb und
     stellung ihres Verschwindens löst Angst oder Sor-      wird von der Leistungserbringung für die Zielgruppen
     ge aus. Gefährdet ist diese Legitimitätsbasis, wenn    abgezogen. Diesem Nachteil steht die Chance gegen-
     der unvermutete Tatsachenbeweis erfolgt und die        über, dass die Organisation durch die Provokation der
     Organisation gar nicht so unersetzlich erscheint,      Konkurrenz motiviert wird, ihr Leistungsangebot und
     wie zuvor angenommen wurde.                            die eigenen Prozesse kritisch zu hinterfragen, Prioritä-
Ignoranz ist eine Option, wenn eine NPO sich ihrer Le-      ten zu überprüfen (oder überhaupt erst einmal zu set-
gitimierungsbasis – worauf sie auch immer beruhen           zen) und sich weiterzuentwickeln.
mag – sicher sein kann. Dann kann sie es sich unter              Organisationen nehmen die Option der Konkur-
Umständen sogar leisten, nicht von anderen, konkur-         renz wahr, indem sie erstens eine Haltung zu Wettbe-
rierenden Organisationen lernen zu müssen. Wenn die         werbern einnehmen, was sich anhand des Konzepts
Legitimationsbasis allerdings unvorbereitet verloren        von Miles & Snow zeigen lässt. Zweitens entscheiden
geht, kann es für einen Anpassungsprozess oder Ko-          sie sich dafür, über welche Merkmale sie sich von ih-
operationsofferten zu spät sein.                            ren Wettbewerbern abheben, was sich anhand des
Konkurrenz und Kooperation

     Konzepts von Porter (1985) einordnen lässt. Drittens      rahmens bereitstellen muss, der zum einen durch die
     setzt eine solche Positionierung voraus, dass die NPO     Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft der Zielgruppen,
     ein Mindestmass an Aggressivität im Wettbewerb auf-       zum anderen durch den Kostenrahmen der Konkur-
     weist, eine von fünf Komponenten einer unternehme-        renten bestimmt wird. Sie kann nun entweder ihre
     rischen Führung.⁷                                         Kosten minimieren (Strategie der Kostenführung), ihre
          Miles & Snow (1978) haben in ihrem Konzept zum       Leistung so aufwerten, dass damit ein höherer Preis zu
     Strategischen Management herausgearbeitet, dass           erzielen ist (Strategie der Differenzierung), oder sich
     Wettbewerber zwei grundlegende Alternativen zur           auf eine Marktnische konzentrieren, in der die Organi-
     strategischen Positionierung haben: als Verteidiger       sation konkurrenzlos ist. Eine Aufwertung kann bei-
     («Defender») oder als Sucher («Prospector»).⁸ Vertei-     spielsweise in einer besonders hohen Qualität der Leis-
     diger richten ihre Anstrengungen darauf, bestehende       tung bestehen oder in ihrem Innovationsgehalt. Im
     Positionen in der Leistungserbringung bzw. auf den        Ressourcenmanagement bedeutet eine Kostenführer-
     Ressourcenmärkten zu halten. Sie wehren den Verän-        strategie, dass die NPO sicherstellt, dass Spenden bzw.
     derungsdruck so lange wie möglich ab und versuchen        Arbeitsleistungen ausschliesslich dem primären Orga-
     andere Organisationen daran zu hindern, sich ihrer-       nisationszweck zukommen und keine Administra-
     seits als Konkurrenten zu etablieren. Sucher prüfen       tions- oder reine Marketingkosten entstehen.10
     fortlaufend aktuelle Entwicklungen im Umfeld, grei-            Eine Differenzierung im Sinne des Konzepts von
     fen Veränderungen auf und versuchen, neue Chancen         Porter erfolgt in erster Linie über die Ausgestaltung
     als erste unter den Wettbewerbern zu ihrem Vorteil zu     der Leistungen. Sie kann sich aber auch auf die Wahr-
     nutzen. Wie die Autoren zeigen, muss jede Organisati-     nehmung als Institution in den Augen der Mitglieder,
     on eine klare strategische Entscheidung in die eine       Klienten oder Sponsoren beziehen. Abbildung 3 zeigt
     oder andere Richtung treffen, zumal diese auch mit        auf Basis einer Studie von Voeth & Herbst (2008), wie
     unterschiedlichen strukturellen Merkmalen verbun-         sich NPO in ihrem institutionellen Image profilieren
     den sind.⁹                                                können: Demnach können sich Organisation weitge-
          Porter (1985) geht in seiner Typologie generischer   hend unabhängig vom Bereich, indem sie tätig sind,
     Strategien vom ökonomischen Problem aus, dass eine        als besonders menschlich, zuverlässig, kultiviert, zu-
     Organisation ihre Leistungen innerhalb eines Kosten-      verlässig oder temperamentvoll positionieren und da-

                                                      abgehoben
                                         kultiviert/anspruchsvoll
                                           glänzend               gut aussehend
                                               zeitgemäss      heiter                     vertrauenswürdig
                                                                              friedlich            fördernd
                 jung                                                         solidarisch ehrlich
       einzigartig einfallsreich                                                       sozial nicht-kommerziell
                                                                         echt gerade
     temperament- wagemutig                                                                 menschlich
                                 aufregend                                  fair        sympathisch
            voll abenteuerlich                                              verantwortungsvoll authentisch
              im Freien                                                                      neutral ernst

                 international                                                freundschaftlich
                        kritisch                                                                    professionell
         durchsetzungs-        zäh                                      vorsichtig      effektiv
              stark mutig                                                     zuverlässig      sicher
                                                                                                   erfahren

     Abbildung 3: Differenzierung über NPO-Markenprofilierung in Deutschland (Voeth & Herbst, 2008)

12                                                                                   Verbands-Management 1/2019
Konkurrenz und Kooperation

mit gegenüber ihren Konkurrenten mit einem weniger         günstige Voraussetzung, um Vertrauen aufzubauen.
profilierten Image abheben. Es ist ein Merkmal organi-     Generell findet man eine Tendenz zur organisationa-
sationaler Aggressivität, in welchem Masse eine NPO        len Homophilie: Je ähnlicher sich zwei Organisationen
die Möglichkeit, sich im Wettbewerb zu differenzieren,     sind, umso grösser ist auch die Wahrscheinlichkeit,
dazu nutzt, andere Organisationen zurückzudrängen.         dass sie eine Kooperation eingehen; diese Ähnlichkeit
In der Managementforschung wird sie als Teil einer un-     kann sich auf die Mission der NPO, auf ihren Status,
ternehmerischen Orientierung verstanden, neben             aber auch die Finanzierungsstruktur beziehen.14 Aller-
Innovation und Proaktivität, Risikobereitschaft und        dings variiert die Bereitschaft, mit anderen NPO zu
Autonomie.11 Diese Aggressivität drückt sich als Selbst-   kooperieren, auch mit der eigenen Finanzierungs-
bewusstsein in der Verfolgung der eigenen Ziele und        struktur: NPO, die ihre Finanzmittel vor allem aus
Interessen aus und in der Neigung, auf externen Druck      staatlichen Quellen beziehen, sind offener für eine Ko-
eher angreifend als zurückziehend zu reagieren.            operation als Organisationen, die sich stärker über
                                                           Marktleistungen finanzieren.15 Schliesslich lässt sich
Option 3 – Kooperation                                     auch zeigen, dass ein höherer Anteil von Frauen in der
Anlässe für Kooperationen sind vielfältig. Sie sind        Leitung einer NPO auch mit einer erhöhten generellen
ein Weg, um zu wachsen und damit stärkeren Ein-            Kooperationsbereitschaft verbunden ist.16
fluss zu gewinnen; sie können eine Reaktion auf eine            Für die erfolgreiche Realisierung einer Kooperati-
schwache oder schwindende Marktposition sein; sie          onsstrategie ist jedoch nicht nur das Zustandekommen
können dadurch motiviert sein, Kosten zu sparen;           sondern auch die Stabilität von Bedeutung, insbesonde-
sie erlauben einer Organisation, sich ein breites Leis-    re da, wo sie nicht durch Fusion oder Übernahme end-
tungsspektrum im Zusammengehen mit einer ande-             gültig ist, sondern auch wieder gelöst werden kann. Die
ren Organisation zu bereinigen und sich auf die            Stabilität einer Kooperation kann auf mehreren Binde-
eigenen Kernkompetenzen zu konzentrieren. Koope-           kräften beruhen, die sich mit dem Konzept des organi-
rationen sind aber auch eine Option, um eine beste-        sationalen Commitments nach Allen & Meyer (1990)
hende oder erwartete Konkurrenzsituation abzu-             beschreiben lässt. Die beiden Forscher unterscheiden
schwächen oder im Fall einer Fusion ganz zu                drei Arten des Commitment:
bereinigen. Somit bieten Kooperationsbeziehungen            • Kalkulatives Commitment (im englischen Original:
eine ganze Reihe von Chancen für eine NPO, sind                  «continuance commitment») ist das Ergebnis eines
aber auf der anderen Seite mit der Herausforderung               rationalen Kosten-Nutzen-Vergleichs. Abgewogen
verbunden, sich anzupassen und damit die eigene                  werden die Vor- und Nachteile der Kooperations-
Mission, die Wertebasis und die vertrauten Struktu-              treue im Vergleich zu den zu erwartenden Vor-
ren und Prozesse auf den Prüfstand zu stellen.                   und Nachteilen eines Wechsels. Dieses Commit-
     Anders als im Fall von Ignoranz und Konkurrenz,             ment wird durch das Auftauchen neuer Optionen
sind Kooperationsbeziehungen zwischen NPO ein be-                gefährdet.
reits häufig untersuchter Aspekt in der NPO-Manage-         • Affektives Commitment beruht auf positiven Emoti-
mentforschung. Mehrere Studien haben sich mit der                onen wie Freude, Stolz, Zuneigung oder Dankbar-
Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen                 keit, die sich mit der Kooperationserfahrung ver-
NPO eine grössere oder geringere Neigung haben,                  binden. Vergleiche mit alternativen Entscheidungen
Kooperationsbeziehungen einzugehen: Zentrale Vor-                stehen dabei im Hintergrund. Hingegen können
aussetzung für Kooperationen ist eine intakte Vertrau-           enttäuschte Erwartungen oder unerwartete Irrita-
ensbasis zwischen den Partnerorganisationen bzw.                 tionen dieses Commitment gefährden.
laufende Bemühungen zur Bestätigung des Vertrau-            • Normatives Commitment resultiert daraus, dass eine
ensvorschusses.12 Partnerschaften werden wahrschein-             moralische Bindung besteht und ein Ausstieg aus
licher, wenn Leitungspersonen bereits anderweitig                der Kooperation mit Schuldgefühlen verbunden
sozial vernetzt sind.13 Dieser Befund bestätigt die vor-         wäre. Dieses Commitment ist an Normen und
genannte These, denn ein gemeinsamer Erfahrungs-                 Werte geknüpft und dann gefährdet, wenn ein Ko-
hintergrund zwischen Entscheidungsträgern ist eine               operationspartner gegen diese verstösst.

Verbands-Management 1/2019                                                                                            13
Konkurrenz und Kooperation

          Auch wenn die Theorie des organisationalen             Fussnoten
     Commitments für die Beschreibung der Verpflichtung          1
                                                                      Vgl. dazu Ben-Ner & Gui (2003) und Hansmann (1980).
     eines Individuums gegenüber einer Organisation ent-         2
                                                                      Vgl. Weisbrod (1988).
     wickelt wurde, lässt sie sich zumindest heuristisch         3
                                                                      Vgl. Lichtsteiner et al. (2015).
     auch für eine Analyse von Beziehungen zwischen Or-          4
                                                                      Das Gefangenendilemma ist ein Konzept der Spieltheorie, vgl.
     ganisationen und einem gemeinsamen Kooperations-                 Rieck (2015).
     konstrukt verwenden. Kooperationen sollten dahinge-         5
                                                                      Vgl. Gmür (2010b), aufbauend auf Suchman (1995).
     hend geprüft werden, welche Bindungskräfte im               6
                                                                      Vgl. Gmür (2015).
     Vordergrund stehen und ob sie gegen die jeweils spe-        7
                                                                      Vgl. zum Überblick zur Forschung über unternehmerische Orien-
     zifischen Gefährdungen geschützt sind.                           tierung im NPO-Sektor Gmür & Erpf (2017).
                                                                 8
                                                                      Dazwischen siedeln die Autoren noch die Analyzer-Strategie an,
     Schlussfolgerung                                                 die sich aus der Kombination der beiden anderen Muster ergibt,
                                                                      aber allenfalls für grosse Organisationen mit unabhängig vonein-
     Eine NPO im organisationalen Nebeneinander zu po-                ander angebotenen Leistungsbereichen. Mit dem Begriff des Reac-
     sitionieren ist eine wichtige Führungsaufgabe. In Aus-           tor bezeichnen sie ausserdem Organisationen, die auf eine Profi-
                                                                      lierung verzichten und sich der Marktentwicklung fortlaufend
     einandersetzung mit relevanten Wettbewerbern sollte              anpassen.
     eine NPO eine klare Entscheidung im Dreieck zwi-            9
                                                                      Vgl. als Beispiel für eine empirische Studie aus dem nordamerika-
     schen Ignoranz, Konkurrenz und Kooperation finden:               nischen NPO-Sektor Brown & Iverson (2004).

     • Ignoranz muss man sich leisten können: Verfügt            10
                                                                      Vgl. als Beispiel für eine empirische Studie aus dem australischen
                                                                      Bildungssektor Mazzarol & Soutar (2008).
          Ihre Organisation über eine starke und stabile Le-
                                                                 11
                                                                      Vgl. Gmür & Erpf (2017).
          gitimationsbasis gegenüber Ihren Mitgliedern,
          Sponsoren oder Auftraggebern?
                                                                 12
                                                                      Vgl. Lee et al. (2012) und Bunger (2013).

     • Konkurrenz erfordert einerseits eine Differenzie-         13
                                                                      Vgl. Shaffer (2000).

          rungsgrundlage (Strategie und Image) und ande-         14
                                                                      Vgl. Atouba & Shumate (2015), Willems et al. (2015), Chen & Grad-
                                                                      dy (2010).
          rerseits die organisationale Energie (Aggressivi-
                                                                 15
                                                                      Vgl. AbouAssi et al. (2016) sowie ähnlich Jang & Feiock (2007).
          tät), sich gegenüber Wettbewerbern und andere
          äussere Herausforderungen zur Wehr zu setzen.
                                                                 16
                                                                      Vgl. AbouAssi et al. (2016).

          Kennt Ihre Organisation ihre Möglichkeiten zur
          Positionierung, und hat sie die Kraft, diese auch
          einzunehmen?
     • Kooperation beruht auf einer ganzen Reihe von
          Voraussetzungen, unter denen eine intakte Vertrau-
          ensbeziehung besondere Bedeutung hat. Daneben
          sind das Bewusstsein über Kooperationsvorteile
          und verschiedene institutionelle Rahmenbedingun-
          gen auf Seiten der Partner relevant. Hat Ihre Orga-
          nisation günstige Voraussetzungen, um eine Ko-
          operation einzugehen, und ist sie in der Lage, diese
          auch auf Dauer zu erhalten?
     Die passende Option zu wählen erfordert ein klares
     Bild über das Umfeld, in dem sich die Organisation
     bewegt, und in gleichem Masse auch Klarheit über die
     Organisation und ihren kulturellen Kern.

14                                                                                            Verbands-Management 1/2019
Konkurrenz und Kooperation

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Organisationen: Theoretische Grundlagen, empirische Ergebnisse und
                                                                       cal Analysis. Journal of Nonprofit and Public Sector Marketing 19(1),
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                                                                       Willems, J., Van Puyvelde, S., Jegers, M., Vantilborgh, T., Bidee, J.
im Dritten Sektor. Verbands-Management 43(2), S. 41-50.
                                                                       & Pepermans, R. (2015). Exploring Board Interlocking Behaviour
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Der Autor

                            Markus Gmür / markus.gmuer@vmi.ch
                            Prof. Dr. Markus Gmür ist seit Oktober 2008 Direktor Forschung des Instituts für Ver-
                            bands-, Stiftungs- und Genossenschaftsmanagement (VMI), Inhaber des Lehrstuhls für
                            NPO-Management sowie akademischer Leiter des Executive MBA für NPO-Management
                            an der Universität Freiburg/CH. Von 2015 bis 2019 war er ausserdem Vize-Rektor der
                            Universität Freiburg/CH für die Bereiche Weiterbildung, Alumni und Fundraising.

Verbands-Management 1/2019                                                                                                                     15
Konkurrenz und Kooperation

     Praxisbeitrag

     Gemeinsam statt einsam:
     Durch Kooperation zum Erfolg
     Lars Funk

     Fragt man Verbandsmanager nach den aktuell             Lobbying – Paradedisziplin
     grössten Herausforderungen für ihre Organisation,      für Verbandskooperationen
     so gehören eine sich immer schneller ändernde          Dass alleine meist gar nichts geht, liegt beim Lobbying
     Erwartungshaltung der Mitglieder, steigende            auf der Hand. Viele sogenannte Interessenverbände
     Konkurrenz und begrenzte Finanzen zu den am            wurden ausschliesslich für den Zweck gegründet, die In-
     häufigsten genannten Antworten. Um auf diese He-       teressen einer Gemeinschaft (z. B. einer Branche) gegen-
     rausforderungen zu reagieren, bieten sich für Ver-     über der Politik und der Öffentlichkeit zu vertreten und
     bände unter anderem Kooperationen an. Dabei            auf diese Weise politisch Einfluss zu nehmen. Ein wichti-
     können diese Kooperationformen unterschiedlich         ger Schritt, der jedoch noch lange nicht ausreicht, um
     ausgestaltet sein, je nach Bedarf: Lobbying durch      tatsächlich Gesetzesänderungen o.ä. herbeizuführen.
     Interessensverbände ist ein gutes Beispiel, wie die    Verbände mit politischen Ambitionen sind gut beraten,
     Bedürfnisse einer Branche gemeinsam vertreten          frühzeitig weitere Verbündete zu suchen und dann ab-
     werden. Auch Förderprojekte haben zum Ziel, dass       gestimmt gegenüber der Politik aufzutreten. Dies wird
     sich die Akteure vernetzen, voneinander lernen         sofort ersichtlich, wenn man den Prozess aus Sicht eines
     und Synergiepotenzial sinnvoll nutzen. Bei Dienst-     Politikers betrachtet: zu den sogenannten Vernehmlas-
     leistungen an Mitglieder kann es sich für Verbände     sungsverfahren im Rahmen von Gesetzgebungsverfah-
     anbieten, zu kooperieren, wenn beispielsweise die      ren erscheinen nicht selten 30 oder 50 Verbände, die alle
     finanziellen Mittel fehlen. Unabdingbar ist jedoch,    versuchen, detailliert ihre im jeweiligen Verband sorgfäl-
     dass für Kooperationen geeignete Voraussetzungen       tig abgestimmten Positionen zu erläutern. Selten sagen
     geschaffen werden. Dazu gehören die Pflege eines       dann zwei Verbände genau das Gleiche; in der Regel un-
     Netzwerks und eine strategische, systematische He-     terscheiden sich die Positionen, und selbst für Fachleute
     rangehensweise.                                        ist es eine schwierige und häufig sogar unmögliche Auf-
                                                            gabe, die unterschiedlichen Positionierungen in der Kür-
     In ihren Leitbildern und Statuten haben Verbände       ze der zur Verfügung stehenden Zeit nachzuvollziehen
     den Willen zur Kooperation oft fest verankert. Meist   und zu bewerten. Klar im Vorteil sind hier die Verbände,
     bleibt es jedoch bei allgemeinen und unverbindli-      die sich im Vorfeld abgestimmt haben und dann eine ge-
     chen Formulierungen, die wenig Auswirkung auf          meinsame Position vertreten können. Ein solches Vorge-
     Jahrespläne und auf das Tagesgeschäft der Organisa-    hen wäre in der Praxis viel öfter möglich, als sich das
     tion haben. Damit werden oft erhebliche Potentiale     viele Verbandsvertreter vorstellen können. Man muss
     verschenkt: Bündnisse ermöglichen es, Ziele zu er-     sich nicht einmal in allen Punkten einig sein, in einer ge-
     reichen, die Einzelne nicht erreichen können. Koope-   meinsamen Stellungnahme können auch nur die Punkte
     rationen können auf ganz unterschiedlichen Gebie-      aufgeführt werden, zu denen man Einigkeit erzielen
     ten sinnvoll sein und sogar mit konkurrierenden        konnte. Darüber hinaus steht es ja jedem Verband frei,
     Organisationen einen Mehrwert verschaffen, wenn        weitere Positionen – auch allein – zu vertreten. Welche
     sie sorgfältig vorbereitet und systematisch umge-      Positionen dann jedoch die grössten Chancen auf eine
     setzt werden.                                          Umsetzung haben, liegt auf der Hand.

16                                                                               Verbands-Management 1/2019
Konkurrenz und Kooperation

     Häufig unterschätzt wird in diesem Zusammen-         Gipfel, der seit 2013 jährlich durchgeführt wird und
hang die Dauer von Gesetzgebungsverfahren, die sich       höchste Aufmerksamkeit auf politischer Ebene ge-
meist über mehrere Jahre erstrecken. Genug Zeit also,     niesst. Neben zahlreichen Ministern und Abgeordne-
Verbündete zu suchen und gemeinsame Positionen zu         ten hat hier auch die Bundeskanzlerin schon persön-
entwickeln. Und bei bestimmten Themen kann es so-         lich teilgenommen – politische Aufmerksamkeit also,
gar sinnvoll sein, eine Zusammenarbeit auf Dauer an-      die eine Organisation allein kaum erreichen kann.
zulegen: In Deutschland haben sich beispielsweise
sechs Wirtschaftsverbände zu einem Bündnis «Ener-         Förderprojekte – ohne Kooperation
gieintensive Energien in Deutschland» zusammenge-         geht es meist nicht
schlossen. Jeder dieser Verbände wäre für sich genom-     Auch im Bereich der Förderprojekte geht es in der Re-
men zu klein, um die Bedeutung des Themas für den         gel nicht ohne Kooperation. Geldgeber wirken schon
Wirtschaftsstandort Deutschland glaubhaft vertreten       seit längerer Zeit bei der Vergabe von Fördermitteln
zu können. Gemeinsam vertritt man jedoch die Inter-       darauf hin, dass sich die Akteure vernetzen, voneinan-
essen von sechs Branchen mit insgesamt fast einer Mil-    der lernen und Synergiepotentiale sinnvoll nutzen.
lion Beschäftigten, und hat damit eine ganz andere        Diese Ziele verfolgen öffentliche Geldgeber ebenso
Ausgangsposition für politische Einflussnahme.            wie Förderstiftungen. Sie erwarten sich davon – zu-
     Ein gutes Beispiel für eine dauerhaft angelegte      recht – eine stärkere Wirkung ihrer eingesetzten Gel-
Kooperationen zur politischen Einflussnahme ist alli-     der. «Betroffene» Verbände gehen unterschiedlich mit
ance F in der Schweiz. Bereits 1900 als «Bund Schwei-     diesen Anforderungen der Geldgeber um. Gut aufge-
zerischer Frauenorganisationen» gegründet, finden         stellt sind diejenigen, die bereits auf ein gut gepflegtes
sich unter dem Dach von alliance F heute rund 150         Netzwerk zurückgreifen können und sich so bereits
Organisationen wieder, die sich alle gemeinsam für        vor der Antragstellung geeignete Partner für einen ge-
die wirtschaftliche Selbstständigkeit und Gleichstel-     meinsamen Projektvorschlag aussuchen. Der Antrag
lung der Frauen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft   kann dann gleich gemeinsam gestellt werden, wo-
einsetzen. Als Interessensvertretung für Gleichstel-      durch die Chancen auf einen positiven Förderbescheid
lungsanliegen, profitiert alliance F einerseits aus der   in der Regel erheblich steigen.
guten Vernetzung im Parlament, wie auch aus der                Die Instrumente, die Geldgeber aktiv zur Vernet-
überparteilichen Zusammensetzung. Unter ihrem             zung ihrer geförderten Akteure einsetzen, sind sehr
Dach befinden sich von links bis rechts Politische Par-   vielfältig und reichen von Arbeitsgruppen zum
teien. Alliance F hat vergangenes Jahr, mithilfe ihrer    zwanglosen Erfahrungsaustausch bis zur vertragli-
Mitgliederorganisationen und weiterer Partnerinnen,       chen Verpflichtung zur Zusammenarbeit. Nicht selten
wirkungsvoll dazu beigetragen, dass zwei Frauen           ist dabei das Phänomen zu beobachten, dass diese
mehr in den Bundesrat gewählt wurden.                     Massnahmen von den geförderten Verbänden zu-
     Ein jüngeres Beispiel für politische Kooperation     nächst einmal durchaus als Zwang wahrgenommen
ist das Nationale MINT Forum in Deutschland. Dort         werden («wenn wir sonst das Geld nicht kriegen, ma-
setzen sich insgesamt 30 Verbände, Stiftungen und         chen wir es halt…»), im Laufe der Zeit dann jedoch
Wissenschaftseinrichtungen gemeinsam für eine bes-        der Mehrwert der Kooperation sichtbar wird. Nicht
sere Bildung in den Bereichen Mathematik, Informa-        selten wird die Zusammenarbeit dann auch über das
tik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) entlang       aktuelle Förderprojekt hinaus fortgeführt.
der gesamten Bildungskette ein. 2012 wurde das Nati-           Die Stiftung Mercator in Deutschland hat in den
onale MINT Forum zunächst als loser Zusammen-             vergangenen Jahren gute Erfahrung damit gesammelt,
schluss ohne eigene Rechtsform gegründet, die Ge-         Verbände, NGOs, Politik und Wissenschaft zu soge-
schäftsstelle wurde in dieser Phase von einem der 30      nannten Round-Table-Gesprächen einzuladen. Dabei
Kooperationspartner geführt. 2016 wurde dann ein          wird immer wieder festgestellt, dass sich die Akteure
eigener Verein gegründet, und der Geschäftsbetrieb        häufig nicht kennen, jedoch sehr von einem gemeinsa-
wurde mit zwei hauptamtlich Beschäftigten weiter          men Erfahrungsaustausch profitieren können. Das
professionalisiert. Highlight ist der Nationale MINT-     moderierte Format der Stiftung wird gerne genutzt

Verbands-Management 1/2019                                                                                             17
und ist so beliebt, dass die Round-Table-Gespräche         um gute Ideen umzusetzen. Aus dieser Situation her-
     mittlerweile regelmässig stattfinden und so zum fes-       aus macht es sehr viel Sinn, über gemeinsame Aktivi-
     ten Bestandteil der Förderaktivitäten geworden sind.       täten auch mit der (vermeintlichen) Konkurrenz nach-
                                                                zudenken: Eine gemeinsame, grosse Veranstaltung
     Gemeinsame Dienstleistungen                                erzeugt in der Regel mehr öffentliche Wahrnehmung
     Deutlich schwieriger wird es, wenn es um gemeinsa-         und hinterlässt einen positiveren Eindruck bei den
     me Dienstleitungen z. B. für Mitglieder geht. Ist der      Teilnehmenden als viele kleine Veranstaltungen. Das
     Nutzen von Kooperationen bei den bisher genannten          gleiche gilt für eine gemeinsame Mitgliederzeitschrift.
     Beispielen aus den Bereichen Lobbying und Projekt-         Komplizierter wird es, wenn z. B. gemeinsame Bera-
     förderung offensichtlich, so ist das Thema im Bereich      tungsangebote geschaffen werden sollen. Hier erweist
     der Dienstleistungserbringung von Verbänden we-            es sich oft als sinnvoll, externe Unterstützung hinzu-
     sentlich differenzierter zu betrachten. Zunächst ein-      zuziehen. Schliesslich handelt es sich um einen Pro-
     mal befinden sich Verbände hier in der Regel in einem      zess, der für die Beteiligten in der Regel neu und des-
     direkten Konkurrenzverhältnis um Mitglieder, man           halb möglicherweise auch riskant ist. Ein erfahrener
     umwirbt schliesslich die gleichen Personen oder Orga-      Berater kann hier sicher durch den Prozess führen und
     nisationen und möchte diese von den Vorteilen einer        helfen, die Stolpersteine aus dem Weg zu räumen.
     Mitgliedschaft im eigenen Verband überzeugen. Auf               Ein gutes Beispiel für eine gelungene Kooperation
     den ersten Blick kein Feld für Kooperationen, im Ge-       im Dienstleistungsbereich ist die Zusammenarbeit der
     genteil, man möchte sich ja vom Wettbewerb absetzen        Schweizerischen Gesellschaft für Cystische Fibrose
     und besser sein. Dennoch lassen sich auch in diesem        (CFCH) mit «Inclusion Handicap»: Die CFCH verfügt
     Bereich immer mehr Verbände auf Kooperationen ein.         als relativ kleine Fachgesellschaft nicht über ausrei-
     Woran liegt das?                                           chend Ressourcen, um ihren Mitgliedern eine eigene
          Der «Druck von aussen» wird auch für Verbände         Rechtsberatung anbieten zu können. Inclusion Handi-
     immer grösser. Das wurde noch einmal deutlich bei          cap dagegen hat einen eigenen Rechtsdienst, der auf
     einer Umfrage, die B´VM 2018 unter 80 Verbandsver-         Basis einer Kooperationsvereinbarung nun auch den
     tretern im gesamten deutschsprachigen Raum durch-          CFCH-Mitgliedern niederschwellig zur Verfügung
     geführt hat: Veränderungen kommen immer schneller          steht. Eine klassische Win-Win-Situation: Für den ei-
     und werden zunehmend komplexer, man denke nur              nen Partner der privilegierte Zugang zur Rechtsbera-
     an geänderte gesellschaftliche Gewohnheiten auf-           tung für Mitglieder, für den anderen Partner eine ver-
     grund der Digitalisierung. Auch die Erwartungen der        lässliche Einnahmequelle zur Mitfinanzierung der
     Mitglieder an ihre Verbände steigen stetig. Verbände       eigenen Dienstleistungen.
     müssen auf diese Veränderungen reagieren, wenn sie              Auch beim Aufbau digitaler Angebote kooperie-
     langfristig überleben wollen. Sie sind mit der Situation   ren Verbände immer häufiger miteinander, um sich
     jedoch häufig überfordert. Als grösster Engpass erwei-     die - meist erheblichen - Investitionen teilen zu kön-
     sen sich dabei meist die fehlenden finanziellen Mittel,    nen. Zunächst einmal ist die Versuchung gross, es al-

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