Besser miteinander statt gegeneinander? - Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management
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1/19 Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management Besser miteinander statt gegeneinander? Konkurrenz, Kooperation oder Ignoranz als strategische Optionen Durch Kooperation zum Erfolg Fusion von operativen Stiftungen Fusion als Antwort auf Existenzbedrohungen Compétition ou coopération? Développer un système de sens commun Weiteres Thema: Metaphern als Hilfsmittel in der Organisationsanalyse
Drum prüfe, wer sich bindet. Kooperationen sind eine interessante Ressource zur Effektivitäts- und Effizienzsteigerung, sofern sie auf einer strategischen Zielsetzung und einer sorgfältigen Analyse basieren. Wir unterstützen Sie dabei als unabhängige Externe mit unserem Wis- sen und unserer Erfahrung. www.bvmberatung.net
Editorial Editorial Liebe Förderer, liebe Leserinnen und Leser Am diesjährigen Verbände-Forum in St. Moritz stand äusseren Bedingungen, ist aber auch Ausdruck ihrer der Umgang mit Herausforderungen der Konkurrenz Organisationskultur: Sind wir selbstbewusst oder gar und Kooperation im Fokus mehrerer Vorträge und aggressiv, oder lieber nachgiebig und defensiv? Vor Praxisbeispiele sowie der anschliessenden Podiums- allem ist es eine wichtige Managementscheidung. Ko- diskussion. Der Dritte Sektor unterscheidet sich tradi- operationen einzugehen ist eine Option, die vielerorts tionell von der Marktwirtschaft, wo Wettbewerb gera- und mit langjähriger Erfahrung praktiziert wird. Ge- dezu selbstverständlich ist – abgesehen von seltenen gen andere NPOs zu konkurrieren, und das nicht nur, und meist nur vorübergehenden Kartellen und Mono- weil man von aussen dazu gezwungen wird, ist noch polen. Heute sehen sich NPO aber immer häufiger eher selten anzutreffen. Konkurrenzsituationen ausgesetzt: Staatliche Stellen Mein Kollege Christoph Badelt, früherer Universi- überprüfen und kürzen ihre finanziellen Engagements tätsrektor und Gründer des NPO-Instituts der WU für Gesundheit, Soziales oder Kultur; Subventionen Wien, hat am Verbände-Forum eine These aufgestellt: und Leistungsverträge sollen nicht mehr nach Bewäh- NPO haben aufgrund ihres Selbstverständnisses gro- rung, sondern in wiederholten offenen Ausschreibun- sse Mühe mit der Vorstellung offener und aktiver gen vergeben werden. Spenderinnen und Spender von Konkurrenz. Sie haben sich der gesellschaftlichen In- Zeit und Geld emanzipieren sich aus traditionellen tegration verschrieben, oder sie grenzen sich bewusst Milieus; sie variieren und befristen ihre Unterstüt- gegenüber einem marktwirtschaftlichen Weltbild ab. zung, ohne sich längerfristig binden zu wollen. Ar- Da sie gleichzeitig aber alles dafür tun, sich auf ewig beitsmärkte werden horizontal durchlässig; dadurch zu erhalten und sich immer wieder neue Betätigungs- werden NPOs einerseits für Berufswechsler von staat- felder suchen, wenn die bisherigen erschöpft sind, lichen Stellen oder der Privatwirtschaft attraktiv, sollten sie, so Badelt, aber auch offen dazu stehen, dass müssen sich aber auch gegenüber ihren eigenen sie mehr als die Kristallisation puren Altruismus’ sei- Beschäftigten an den nicht selten attraktiveren Ar- en. Er forderte die anwesenden Vertreterinnen und beitsbedingungen der anderen Sektoren messen las- Vertreter aus dem Dritten Sektor dazu auf, sich ent- sen. Das sind nur wenige Beispiele, stellvertretend für schiedener als bisher Wettbewerbslagen zu stellen. eine ganz Fülle von wettbewerbsverschärfenden Ent- Wer dies tun will, dem möge dieses Heft mit sei- wicklungen. nen Beiträgen aus Forschung und Praxis die eine oder Verbände und andere NPO können sich diesen andere nützliche Anregung vermitteln. Veränderungen verschliessen und auf die eigenen Stärken vertrauen, sie können Kooperationen einge- hen, um den äusseren Druck zu vermindern, oder sie können den Druck selbst verstärken, indem sie in be- wusste Konkurrenz zu ihren Wettbewerbern treten. Prof. Dr. Markus Gmür Welchen Weg eine NPO einschlägt, ergibt sich aus den Direktor Verbandsmanagement Institut Verbands-Management 1/2019 3
Inhalt Markus Gmür Lars Funk NPO zwischen Ignoranz, Gemeinsam statt einsam: Konkurrenz und Kooperation Durch Kooperation zum Erfolg Verbände und andere NPO haben mehrere Optionen im Fragt man Verbandsmanager nach den aktuell grössten Umgang mit anderen Organisationen, die ihnen in der Herausforderungen für ihre Organisation, so gehören Ressourcenbeschaffung oder der Leistungserbringung eine sich immer schneller ändernde Erwartungshal- in die Quere kommen: Sie können sich erstens für Kon- tung der Mitglieder, steigende Konkurrenz und be- kurrenz entscheiden und dazu eine passende Wettbe- grenzte Finanzen zu den am häufigsten genannten werbsposition suchen. Sie können zweitens die Option Antworten. Um auf diese Herausforderungen zu re- der Kooperation wählen und sich mit anderen Organisa- agieren, bieten sich für Verbände unter anderem Ko- tionen verbinden. Eine dritte Alternative ist die Igno- operationen an. Dabei können diese Kooperationfor- ranz und sich nur auf die eigene Mission konzentrieren. men unterschiedlich ausgestaltet sein, je nach Bedarf. 6 16 Pius Bernet Martin Schunk Fusion von zwei Fusionen: Alternative für operativen Stiftungen existenzbedrohte Stiftungen? Die Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS) in Nottwil Für gemeinnützige Stiftungen können Fusionen oder hat im Mai 2018 die Stiftung «Fondation pour les Télé- Zusammenschlüsse von wachsender Bedeutung sein. thèses» kurz FST genannt, mit Sitz in Neuenburg, mit- Da besonders kleine Stiftungen von der Niedrigzins- tels Absorptionsfusion übernommen. Warum integ- phase betroffen sind, können sie ihre Attraktivität für riert eine Stiftung eine von ihr mitgegründete Stiftung Sponsoren und Geldgeber durch eine Fusion mit einer nach 35 Jahren und wie wurde das Projekt realisiert anderen Stiftung steigern. Auch können Fusionen und welche Hürden mussten dabei genommen wer- eine Alternative für existenzbedrohte Stiftungen dar- den? Der Bericht gibt die Hintergründe und gemach- stellen. Voraussetzung ist, dass sich die Zwecke der ten Erfahrungen wieder. beiden Stiftungen im Grunde ähneln, zudem sollte im Vorfeld Bedarfsprüfung durchgeführt werden. 22 30 Michaël Gonin et Philipp Erpf Jacqueline Schneider Compétition ou coopération? Déve- Erfolgspotenziale der Kooperation lopper un système de sens commun Kooperationen im direkten Umfeld und auch über Alors qu’une logique de marché et donc de concur- Sektorgrenzen hinweg sind ein wichtiges Erfolgspo- rence commence à gagner le tiers secteur, il s’agit de tenzial für die Zielerreichung von Interessenverbän- développer de nouvelles manières d’interagir avec des den und Dienstleistungsorganisationen in politisch partenaires aux visions partiellement divergentes. sensiblen Feldern. Jacqueline Schneider, Geschäfts- Nous suggérons ici que de telles collaborations vont führerin der Frauenzentrale St. Gallen, hat das er- au-delà des définitions formelles et requièrent la con- kannt. Das Interview mit ihr führte Luisa Wagenhöfer struction d’une compréhension commune du contexte während des 50. Internationalen Verbände-Forums et de l’objectif de la collaboration. im Januar 2019 in St. Moritz. 37 42 4 Verbands-Management 1/2019
Inhalt Markus Gmür Bilder der Organisation und ihre Bedeutung für NPO In diesem Beitrag werden in Anlehnung an den Ansatz «Images of Organization» von Gareth Morgan zehn verschiedene Blickwinkel für die Analyse von Organi- sationsproblemen und mögliche Lösungsansätze ein- geführt: Demnach lassen sich Organisationen sowohl als Maschinen, als auch als Organismen oder Gehirne, als Kulturen, psychische Gefängnisse und Prozessepi- soden, als Marktplätze oder Theaterbühnen, als politi- sche Arenen oder Herrschaftsinstrumente begreifen. 44 Impressum Redaktion: Luisa Wagenhöfer (redaktion@vmi.ch) Layout: Luisa Wagenhöfer Paulusdruckerei Freiburg/CH Herausgeber: Verbandsmanagement Institut (VMI) Universität Freiburg/CH Fotomaterial: Thema «Konkurrenz»: istockphoto.com Adresse: VMI, Bd de Pérolles 90, CH-1700 Freiburg Tel. +41 (0)26 300 84 00 Fax +41 (0)26 300 97 55 Internet: www.vmi.ch, info@vmi.ch Jahrgang: 45. Jahrgang ISBN: 978-3-909437-54-2 ISSN: 1424-9189 Buchbesprechungen 54 Das VM erscheint dreimal jährlich in den Monaten April, Vorträge, Publikationen und Neuigkeiten 58 August und November. Abdruck und Vervielfältigung von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ab- Agenda 62 schnitten, nur mit Genehmigung des Herausgebers. Verbands-Management 1/2019 5
Konkurrenz und Kooperation Forschungsbeitrag NPO zwischen Ignoranz, Konkurrenz und Kooperation Markus Gmür Verbände und andere NPO haben mehrere Optionen die Mitglieder zwar nicht dieselbe existenzielle Her- im Umgang mit anderen Organisationen, die ausforderung wie für ein Kleinkind, zumal man ein ihnen in der Ressourcenbeschaffung oder der Individuum im frühen Entwicklungsstadium nicht Leistungserbringung in die Quere kommen: Sie einfach mit einem Kollektiv erwachsener Menschen können sich erstens für Konkurrenz entscheiden gleichsetzen kann. Wer als Organisationsmitglied ei- und dazu eine Wettbewerbsposition suchen, die sie nen solchen Entdeckungs- und Reaktionsprozess ein- in den Augen ihrer Stakeholder besonders attraktiv mal selbst erfahren hat, wird aber bei genauerer Be- erscheinen lässt. Sie können zweitens die Option der trachtung vielleicht die eine oder andere Parallele Kooperation wählen und sich mit anderen Organisa- entdecken. In diesem Beitrag soll es aber nicht um die tionen verbinden oder gar mit ihnen verschmelzen. tiefenpsychologische Deutung von interorganisatio- Eine dritte Alternative ist die Ignoranz, die im We- nalen Begegnungen gehen, sondern ein Überblick sentlichen darin besteht, sich nur auf die eigene Mis- über organisationale Antworten vermittelt werden, sion und die Zielgruppen zu konzentrieren und sich die sich in der Managementforschung über den Um- dabei nicht von den Aktivitäten anderer Organisati- gang mit organisationalem Nebeneinander finden. onen beeinflussen zu lassen. Jede dieser drei Optio- nen hat spezifische Voraussetzungen und das ist mit Organisationales Nebeneinander Vor- und Nachteilen verbunden. Diese werden im im Dritten Sektor vorliegenden Beitrag aus einer Managementpers- Dass NPO sich gegenseitig ins Gehege kommen und pektive skizziert. Die abschliessende Empfehlung sich für Konkurrenz oder Kooperation entscheiden lautet, dass eine NPO in jeder Konstellation über die müssen, ist aus ökonomischer Perspektive nicht selbst- ihr zur Verfügung stehenden Alternativen Klarheit verständlich. Gemäss der Theorie des Marktversagens erlangen und auf dieser Grundlage eine selektive füllen Organisationen des Dritten Sektors mit ihrem Entscheidung treffen sollte. Leistungsangebot Lücken, die nicht durch wirtschaft- liches Gewinnstreben gefüllt werden können, etwa «Eigentlich waren wir mit uns allein ganz zufrieden – weil die Zielgruppen nicht ausreichend zahlungswil- und dann war da plötzlich noch jemand anders da!» lig oder -fähig sind, weil es eine Informationssymmet- Eine solche Erfahrung haben die meisten Menschen rie und Vertrauensprobleme zwischen den Vertrags- mindestens einmal in ihrem Leben gemacht, nämlich parteien gibt oder weil der Kollektivgutcharakter der als Kleinkinder, denen die Eltern eines Tages – über- Organisationsleistungen eine verlässliche Marktpreis- müdet, aber glücklich – ein kleines Bündel unter die bildung erschwert.1 Die Theorie des Staatsversagens Nase gehalten haben, das sie nun als ihr Brüderlein ergänzt diese Erklärung durch den Hinweis, dass oder Schwesterlein annehmen sollten. Überraschung staatliches Handeln einen fehlenden Markt nur dann und Skepsis oder auch Freude und Neugier, vielleicht kompensieren kann, wenn es dazu einen entsprechen- auch einmal Widerwille und Panik sind ebenso denk- den politischen Willen gibt, was in der Demokratie vor wie beobachtbare Reaktionen. Was aus einer solchen allem entsprechende politische Mehrheiten voraus- neuen Konstellation in der Folge wird, kann zu Beginn setzt.² Der freie Raum zwischen staatlicher Steuerung auch kaum jemand voraussagen. und marktwirtschaftlicher Aktivität verbleibt Verbän- Wenn Organisationen unvermutet aufeinander- den und anderen NPO, soweit sie nicht gezielt in Kon- treffen, die sich zuvor nicht begegnet sind, ist das für kurrenz zu staatlicher Autorität und privatwirtschaft- 6 Verbands-Management 1/2019
Konkurrenz und Kooperation lichem Gewinnstreben treten. Innerhalb des freien Geldgebern, oder sie stehen im Wettbewerb um Raums gibt es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten Subventionen oder Leistungsverträge der öffent- kaum Anlass, dass Organisationen zueinander in Kon- lichen Hand. kurrenz treten, weil es primär um das Ausfüllen von • Ehrenamtliche und freiwillige Helfer: Nicht nur fi- Lücken geht. Wenn eine Lücke bereits von einer Orga- nanzielle sondern auch zeitliche Budgetrestriktio- nisation geschlossen wurde, fehlt der ökonomische nen können NPOs eine Wettbewerbslage bewusst Anlass für eine weitere Organisation, ebenfalls an der- machen. Die Konkurrenten können sowohl inner- selben Stelle aktiv zu werden. Ausnahmen bestehen halb eines Sektors (z. B. zwischen Hilfswerken) da, wo es wertgetriebene, abweichende Ansichten da- als auch zwischen Sektoren (z. B. zwischen Ein- rüber gibt, wie eine Leistung erbracht werden soll, satzmöglichkeiten für Gesundheits- bzw. Um- etwa in der historischen Konkurrenz zwischen christ- weltbelange) spürbar werden. lichen und sozialistischen Gewerkschaften, Freizeit- • Mitglieder: Bei der Gewinnung von Mitgliedern vereinen und Hilfswerken. Ausserdem ist festzuhal- bestehen ebenfalls Wettbewerbssituationen, ganz ten, dass eine ökonomische Betrachtung zu einem unmittelbar z. B. zwischen Kirchen oder Gewerk- idealtypischen Bild führt, das immer nur einen Aus- schaften unterschiedlicher ideologischer Veran- schnitt der empirischen Realität repräsentiert. kerung bzw. gegenüber Berufsverbänden; aber Grundsätzlich anders stellt sich die Ausgangslage auch Kultur-, Sport- und Freizeitvereine können dar, wenn man das organisationale Nebeneinander lokal Konkurrenzlagen wahrnehmen, wenn ihre aus der Perspektive des Ressourcenmanagements be- Zielgruppen sich wegen Zeitknappheit zuguns- trachtet.³ Hier stehen NPO in mehrerlei Hinsicht in ten anderer Mitgliedschaften gegen einen Eintritt Konkurrenz zueinander. Hervorzuheben sind insbe- entscheiden oder austreten. sondere die folgenden Ressourcen: • Politische und mediale Aufmerksamkeit: Sie spielt für • Finanzmittel: Je nach Finanzierungsmix konkur- Interessenverbände eine wesentliche Rolle. Oft- rieren NPO auf Spendenmärkten um Zuwendun- mals stehen hier verschiedene Organisationen in gen von Privatpersonen oder institutionellen einer direkten Gegnerschaft zueinander.
Konkurrenz und Kooperation Abbildung 1: Eindimensionale Typologie Solche Konkurrenzlagen können für eine NPO ab on zwischen Ignoranz, Konkurrenz und Kooperation dem Zeitpunkt der eigenen Gründung bestehen, oder wählen. sie bauen sich erst später durch das Aufkommen an- derer Organisationen auf. Aber auch die Entschei- Strategische Optionen im Überblick dung, den eigenen Wirkungskreis zu erweitern, Die strategischen Optionen für eine Reaktion auf orga- sein Leistungsspektrum zu verbreitern oder den nisationales Nebeneinander lassen sich zwischen den Finanzierungsmix zu verändern, können erst dazu Polen ausgeprägter Konkurrenz auf der einen Seite führen, dass man anderen Organisationen in die und ebenso ausgeprägter Kooperation auf der ande- Quere kommt. Wenn ein blosses Nebeneinander ren abbilden (vgl. Abbildung 1). Dazwischen steht die zwischen Organisationen aufgrund einer spürbaren Entscheidung für eine friedliche Koexistenz. Diese Ressourcenknappheit offensichtlich wird, muss sich kann von schlichter Ignoranz bis zu einem bewussten das Management darüber klar werden, wie es sich zu Umgang miteinander, der durch gegenseitigen Res- den anderen stellen will, d. h. eine strategische Opti- pekt gekennzeichnet ist, reichen.
Konkurrenz und Kooperation Projektkooperationen sind ein erster Schritt zu ei- haben gemeinsam, dass nach ihrer Vollendung aus ner Annäherung zwischen NPO. Dazu zählen dem organisationalen Nebeneinander wieder das Al- hier sowohl ein koordiniertes Handeln in der leinsein steht. Leistungserbringung, das Zusammenlegen oder ge- Eine Beziehung kann auch durch eine Mischung meinsame Auslagern administrativer Funktionen, als von Konkurrenz und Kooperation gekennzeichnet auch eine abgestimmte Ressourcenbeschaffung. Kenn- sein, wie sich das am Beispiel der Verbandsbildung zeichnend ist, dass nur ausgewählte Bereiche der or- zeigen lässt (vgl. Abbildung 2): Der Entschluss, einen ganisationalen Aktivität kooperativ erfolgen, während Verband zu gründen oder ihm beizutreten, ist erst ein- in den übrigen Bereichen die Unabhängigkeit gewahrt mal ein kooperativer Akt. Innerhalb des Verbands wird. Die Verbandsbildung wird als weitergehende können sich die Mitgliedsorganisationen aber unterei- Kooperationsform eingeordnet, weil die NPO zwar nander mehr oder weniger Konkurrenz erleben. «Lau- weiterhin im Kern unabhängig bleiben, aber sich ein ter gute Freunde!» charakterisiert eine Konstellation, gemeinsames Dach geben, unter dem sie gemeinsame wo jede Aktivität eines Mitglieds einen Nutzen für Ziele verfolgen und ihr Verhalten koordinieren. Als die übrigen Mitglieder erzeugt. Das wäre z. B. der Fall, äusserste Form der Kooperation ist schliesslich das wenn der Verband einen Informations- und Erfah- Verschmelzen der Organisationen anzusehen, indem rungsaustausch fördert, der jeden Informationsemp- es zu einer einseitigen Übernahme des einen Partners fänger stärkt, ohne dass der Informationsgeber damit durch den anderen oder zu einer Fusion unter seine eigenen Chancen zur Zielerreichung reduziert. Gleichen kommt. Zur anderen Seite hin betonen NPO In der Konstellation «Trau schau wem!» können die ihre Konkurrenzlage, indem sie sich in den Augen Mitglieder zwar einerseits profitieren, müssen aber ihrer Mitglieder, Klienten, Sponsoren oder anderer damit rechnen, dass ihre Beiträge gegebenenfalls zu Stakeholder profilieren. Leistungsdifferenzierung be- ihrem Nachteil von anderen Mitgliedern genutzt wer- deutet nur, dass die Organisation ihre Position im be- den. Ein «Gefangenendilemma» ist schliesslich durch treffenden Markt gegenüber anderen Organisationen eine hohe Wettbewerbsintensität gekennzeichnet, bei bewusst bezieht oder verlagert, um sich in eine vorteil- der jeder Vorteil des einen Mitglieds zu Lasten eines hafte Lage zu bringen. In ihrer Steigerung kann die anderen geht, ein kooperatives Verhalten aufwändig Positionierung darauf abzielen, die anderen Organisa- und wenig ertragreich ist und ausserdem keine per- tionen zurückzudrängen oder gar zu vernichten. Die sönliche Vertrauensbasis besteht.⁴ Während im Be- beiden Extrempole der Konkurrenz und Kooperation reich des Sozialen, der Gesundheit oder der Kultur Abbildung 2: Zweidimensionale Typologie Verbands-Management 1/2019 9
Konkurrenz und Kooperation Verbände eher durch eine geringere interne Konkur- Ignoranz im organisationalen Nebeneinander muss renz charakterisiert sein dürften, ist für Branchenver- sich eine NPO allerdings erst leisten können. Ob sie bände eher eine Lage weiter rechts zu erwarten. das kann, hängt von ihrer Legitimationsbasis gegen- Im nächsten Schritt werden nun die wesentlichen über Klienten und Sponsoren ab. Vier wesentliche Le- strategischen Optionen nacheinander etwas näher be- gitimationsgrundlagen sind zu unterscheiden:⁵ trachtet. Der Fokus liegt dabei auf den Voraussetzun- • Die direkte Zwecklegitimierung einer Eigenleis- gen für die jeweilige Option sowie ihre Vor- und tungs-NPO beruht auch ihrer Fähigkeit, für die Nachteile. relevanten Zielgruppen einen Nutzen zu stiften, den sie nicht anderweitig erhalten: Die NPO er- Option 1 – Ignoranz zeugt als Verband einen unmittelbaren Member Ignoranz bedeutet im vorliegenden Zusammenhang, Value⁶ und schützt sich damit vor Abwanderung. dass eine NPO sich in ihrer Leistungserbringung oder Gefährdet ist diese Basis vor allem bei veränder- Ressourcenbeschaffung unabhängig von anderen Or- ten Präferenzen der Nutzer. ganisationen im selben Feld breit macht, sich also so • Die indirekte Zwecklegitimierung ist typisch für verhält, als wäre sie allein ihren Klienten bzw. Sponso- Fremdleistungs-NPO, deren Ressourcengeber nicht ren verpflichtet. Der Vorteil einer solchen Strategie identisch mit den Adressaten des Leistungsange- liegt darin, dass sich die NPO allein auf ihre Mission bots sind. Effektivitäts- und Wirkungsnachweise in und die ihr dazu zur Verfügung stehenden Möglich- den Zielfeldern spielen eine wichtige Rolle. Das Ri- keiten konzentriert, dass sie durch ihr Anliegen be- siko eines Legitimitätsverlusts besteht hier ebenfalls wegt wird. Sie benötigt keine Energien für taktische bei veränderten Präferenzen, aber auch im Ausblei- Manöver gegenüber konkurrierenden Organisationen ben steigender Wirksamkeitserwartungen. und sie muss keine Kompromisse gegenüber den An- • Die Wertlegitimierung unterscheidet sich von liegen von Kooperationspartnern eingehen. Ein we- den beiden erstgenannten Legitimierungsbasen sentlicher Nachteil von Ignoranz besteht darin, dass dadurch, dass die NPO ihre Unterstützung nicht die Organisation die Chance vergibt, von anderen Or- für die Ergebnisse ihrer Arbeit, sondern für die ganisationen, die in einer vergleichbaren Lage agieren, Art und Weise der Leistungserstellung erhält. zu lernen. Wettbewerber zur Kenntnis zu nehmen, Die Stakeholder nehmen dabei Bezug auf die kann ausserdem ein Leistungsanstoss sein und ver- Werte und die Arbeitsweisen der Organisation, mindert die latente Gefahr, in organisationale Trägheit wenn diese beispielsweise durch Hilfsbereit- oder Lethargie zu verfallen. schaft, Solidarität, Integrität, aber auch durch Al- NonproCons Neue Wege für Nonprofit-Organisationen Wir sind für alle Nonprofit-Organisationen ein kompetenter und vertrauensvoller Partner in den zentralen Fragen des Managements einer Organisation – von der Gründung bis zur Liquidation und von der Strategie bis zum Reglement. Ein Beispiel aus unserer aktuellen Arbeit: Ein bedeutendes Forschungsinstitut im Gesundheitswesen will sich neu den Spendenmarkt erschliessen. Das braucht eine Fundraising- w int ter lin //ge s t al t ung Strategie und eine komplette Neuorientierung des Vereins in Kultur, Organisation und Finanzen. NonproCons bringt in allen Bereichen das Fachwissen ein und begleitet den Prozess. Stiftungs- und Vereinsmanagement NonproCons AG Fundraising Rittergasse 35 • 4051 Basel Telefon +41 61 278 93 93 NPO-Finanzmanagement www.nonprocons.ch
Konkurrenz und Kooperation truismus oder Opferbereitschaft gekennzeichnet Option 2 – Konkurrenz sind. Hauptrisiko sind hier offensichtliche Verstö- In Konkurrenz zu treten bedeutet im organisationalen sse gegen die eigene Wertebasis, wenn sie in der Nebeneinander, sich nicht nur zur eigenen Mission, zu Öffentlichkeit bekannt werden. den Leistungsempfängern bzw. zu den Sponsoren zu • Die Traditionslegitimierung ist schliesslich das Er- bekennen, sondern sich gegenüber anderen Organisa- gebnis eines in aller Regel mehrjährigen Institutio- tionen zu positionieren. Das hat zur Folge, dass ein Teil nalisierungsprozesses, bei dem eine Organisation der verfügbaren Ressourcen für die Positionierung mit ihren Aktivitäten zu einem festen Bestandteil und die dazugehörigen Marketingaktivitäten aufge- der gesellschaftlichen Realität wird. Die Organisa- wendet werden muss; dieser wird damit dem Kernan- tion ist für ihre relevanten Stakeholder aus dem liegen der Organisation entzogen. Die Aufmerksam- Alltag nicht mehr wegzudenken; schon die Vor- keit richtet sich vermehrt auf den Wettbewerb und stellung ihres Verschwindens löst Angst oder Sor- wird von der Leistungserbringung für die Zielgruppen ge aus. Gefährdet ist diese Legitimitätsbasis, wenn abgezogen. Diesem Nachteil steht die Chance gegen- der unvermutete Tatsachenbeweis erfolgt und die über, dass die Organisation durch die Provokation der Organisation gar nicht so unersetzlich erscheint, Konkurrenz motiviert wird, ihr Leistungsangebot und wie zuvor angenommen wurde. die eigenen Prozesse kritisch zu hinterfragen, Prioritä- Ignoranz ist eine Option, wenn eine NPO sich ihrer Le- ten zu überprüfen (oder überhaupt erst einmal zu set- gitimierungsbasis – worauf sie auch immer beruhen zen) und sich weiterzuentwickeln. mag – sicher sein kann. Dann kann sie es sich unter Organisationen nehmen die Option der Konkur- Umständen sogar leisten, nicht von anderen, konkur- renz wahr, indem sie erstens eine Haltung zu Wettbe- rierenden Organisationen lernen zu müssen. Wenn die werbern einnehmen, was sich anhand des Konzepts Legitimationsbasis allerdings unvorbereitet verloren von Miles & Snow zeigen lässt. Zweitens entscheiden geht, kann es für einen Anpassungsprozess oder Ko- sie sich dafür, über welche Merkmale sie sich von ih- operationsofferten zu spät sein. ren Wettbewerbern abheben, was sich anhand des
Konkurrenz und Kooperation Konzepts von Porter (1985) einordnen lässt. Drittens rahmens bereitstellen muss, der zum einen durch die setzt eine solche Positionierung voraus, dass die NPO Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft der Zielgruppen, ein Mindestmass an Aggressivität im Wettbewerb auf- zum anderen durch den Kostenrahmen der Konkur- weist, eine von fünf Komponenten einer unternehme- renten bestimmt wird. Sie kann nun entweder ihre rischen Führung.⁷ Kosten minimieren (Strategie der Kostenführung), ihre Miles & Snow (1978) haben in ihrem Konzept zum Leistung so aufwerten, dass damit ein höherer Preis zu Strategischen Management herausgearbeitet, dass erzielen ist (Strategie der Differenzierung), oder sich Wettbewerber zwei grundlegende Alternativen zur auf eine Marktnische konzentrieren, in der die Organi- strategischen Positionierung haben: als Verteidiger sation konkurrenzlos ist. Eine Aufwertung kann bei- («Defender») oder als Sucher («Prospector»).⁸ Vertei- spielsweise in einer besonders hohen Qualität der Leis- diger richten ihre Anstrengungen darauf, bestehende tung bestehen oder in ihrem Innovationsgehalt. Im Positionen in der Leistungserbringung bzw. auf den Ressourcenmanagement bedeutet eine Kostenführer- Ressourcenmärkten zu halten. Sie wehren den Verän- strategie, dass die NPO sicherstellt, dass Spenden bzw. derungsdruck so lange wie möglich ab und versuchen Arbeitsleistungen ausschliesslich dem primären Orga- andere Organisationen daran zu hindern, sich ihrer- nisationszweck zukommen und keine Administra- seits als Konkurrenten zu etablieren. Sucher prüfen tions- oder reine Marketingkosten entstehen.10 fortlaufend aktuelle Entwicklungen im Umfeld, grei- Eine Differenzierung im Sinne des Konzepts von fen Veränderungen auf und versuchen, neue Chancen Porter erfolgt in erster Linie über die Ausgestaltung als erste unter den Wettbewerbern zu ihrem Vorteil zu der Leistungen. Sie kann sich aber auch auf die Wahr- nutzen. Wie die Autoren zeigen, muss jede Organisati- nehmung als Institution in den Augen der Mitglieder, on eine klare strategische Entscheidung in die eine Klienten oder Sponsoren beziehen. Abbildung 3 zeigt oder andere Richtung treffen, zumal diese auch mit auf Basis einer Studie von Voeth & Herbst (2008), wie unterschiedlichen strukturellen Merkmalen verbun- sich NPO in ihrem institutionellen Image profilieren den sind.⁹ können: Demnach können sich Organisation weitge- Porter (1985) geht in seiner Typologie generischer hend unabhängig vom Bereich, indem sie tätig sind, Strategien vom ökonomischen Problem aus, dass eine als besonders menschlich, zuverlässig, kultiviert, zu- Organisation ihre Leistungen innerhalb eines Kosten- verlässig oder temperamentvoll positionieren und da- abgehoben kultiviert/anspruchsvoll glänzend gut aussehend zeitgemäss heiter vertrauenswürdig friedlich fördernd jung solidarisch ehrlich einzigartig einfallsreich sozial nicht-kommerziell echt gerade temperament- wagemutig menschlich aufregend fair sympathisch voll abenteuerlich verantwortungsvoll authentisch im Freien neutral ernst international freundschaftlich kritisch professionell durchsetzungs- zäh vorsichtig effektiv stark mutig zuverlässig sicher erfahren Abbildung 3: Differenzierung über NPO-Markenprofilierung in Deutschland (Voeth & Herbst, 2008) 12 Verbands-Management 1/2019
Konkurrenz und Kooperation mit gegenüber ihren Konkurrenten mit einem weniger günstige Voraussetzung, um Vertrauen aufzubauen. profilierten Image abheben. Es ist ein Merkmal organi- Generell findet man eine Tendenz zur organisationa- sationaler Aggressivität, in welchem Masse eine NPO len Homophilie: Je ähnlicher sich zwei Organisationen die Möglichkeit, sich im Wettbewerb zu differenzieren, sind, umso grösser ist auch die Wahrscheinlichkeit, dazu nutzt, andere Organisationen zurückzudrängen. dass sie eine Kooperation eingehen; diese Ähnlichkeit In der Managementforschung wird sie als Teil einer un- kann sich auf die Mission der NPO, auf ihren Status, ternehmerischen Orientierung verstanden, neben aber auch die Finanzierungsstruktur beziehen.14 Aller- Innovation und Proaktivität, Risikobereitschaft und dings variiert die Bereitschaft, mit anderen NPO zu Autonomie.11 Diese Aggressivität drückt sich als Selbst- kooperieren, auch mit der eigenen Finanzierungs- bewusstsein in der Verfolgung der eigenen Ziele und struktur: NPO, die ihre Finanzmittel vor allem aus Interessen aus und in der Neigung, auf externen Druck staatlichen Quellen beziehen, sind offener für eine Ko- eher angreifend als zurückziehend zu reagieren. operation als Organisationen, die sich stärker über Marktleistungen finanzieren.15 Schliesslich lässt sich Option 3 – Kooperation auch zeigen, dass ein höherer Anteil von Frauen in der Anlässe für Kooperationen sind vielfältig. Sie sind Leitung einer NPO auch mit einer erhöhten generellen ein Weg, um zu wachsen und damit stärkeren Ein- Kooperationsbereitschaft verbunden ist.16 fluss zu gewinnen; sie können eine Reaktion auf eine Für die erfolgreiche Realisierung einer Kooperati- schwache oder schwindende Marktposition sein; sie onsstrategie ist jedoch nicht nur das Zustandekommen können dadurch motiviert sein, Kosten zu sparen; sondern auch die Stabilität von Bedeutung, insbesonde- sie erlauben einer Organisation, sich ein breites Leis- re da, wo sie nicht durch Fusion oder Übernahme end- tungsspektrum im Zusammengehen mit einer ande- gültig ist, sondern auch wieder gelöst werden kann. Die ren Organisation zu bereinigen und sich auf die Stabilität einer Kooperation kann auf mehreren Binde- eigenen Kernkompetenzen zu konzentrieren. Koope- kräften beruhen, die sich mit dem Konzept des organi- rationen sind aber auch eine Option, um eine beste- sationalen Commitments nach Allen & Meyer (1990) hende oder erwartete Konkurrenzsituation abzu- beschreiben lässt. Die beiden Forscher unterscheiden schwächen oder im Fall einer Fusion ganz zu drei Arten des Commitment: bereinigen. Somit bieten Kooperationsbeziehungen • Kalkulatives Commitment (im englischen Original: eine ganze Reihe von Chancen für eine NPO, sind «continuance commitment») ist das Ergebnis eines aber auf der anderen Seite mit der Herausforderung rationalen Kosten-Nutzen-Vergleichs. Abgewogen verbunden, sich anzupassen und damit die eigene werden die Vor- und Nachteile der Kooperations- Mission, die Wertebasis und die vertrauten Struktu- treue im Vergleich zu den zu erwartenden Vor- ren und Prozesse auf den Prüfstand zu stellen. und Nachteilen eines Wechsels. Dieses Commit- Anders als im Fall von Ignoranz und Konkurrenz, ment wird durch das Auftauchen neuer Optionen sind Kooperationsbeziehungen zwischen NPO ein be- gefährdet. reits häufig untersuchter Aspekt in der NPO-Manage- • Affektives Commitment beruht auf positiven Emoti- mentforschung. Mehrere Studien haben sich mit der onen wie Freude, Stolz, Zuneigung oder Dankbar- Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen keit, die sich mit der Kooperationserfahrung ver- NPO eine grössere oder geringere Neigung haben, binden. Vergleiche mit alternativen Entscheidungen Kooperationsbeziehungen einzugehen: Zentrale Vor- stehen dabei im Hintergrund. Hingegen können aussetzung für Kooperationen ist eine intakte Vertrau- enttäuschte Erwartungen oder unerwartete Irrita- ensbasis zwischen den Partnerorganisationen bzw. tionen dieses Commitment gefährden. laufende Bemühungen zur Bestätigung des Vertrau- • Normatives Commitment resultiert daraus, dass eine ensvorschusses.12 Partnerschaften werden wahrschein- moralische Bindung besteht und ein Ausstieg aus licher, wenn Leitungspersonen bereits anderweitig der Kooperation mit Schuldgefühlen verbunden sozial vernetzt sind.13 Dieser Befund bestätigt die vor- wäre. Dieses Commitment ist an Normen und genannte These, denn ein gemeinsamer Erfahrungs- Werte geknüpft und dann gefährdet, wenn ein Ko- hintergrund zwischen Entscheidungsträgern ist eine operationspartner gegen diese verstösst. Verbands-Management 1/2019 13
Konkurrenz und Kooperation Auch wenn die Theorie des organisationalen Fussnoten Commitments für die Beschreibung der Verpflichtung 1 Vgl. dazu Ben-Ner & Gui (2003) und Hansmann (1980). eines Individuums gegenüber einer Organisation ent- 2 Vgl. Weisbrod (1988). wickelt wurde, lässt sie sich zumindest heuristisch 3 Vgl. Lichtsteiner et al. (2015). auch für eine Analyse von Beziehungen zwischen Or- 4 Das Gefangenendilemma ist ein Konzept der Spieltheorie, vgl. ganisationen und einem gemeinsamen Kooperations- Rieck (2015). konstrukt verwenden. Kooperationen sollten dahinge- 5 Vgl. Gmür (2010b), aufbauend auf Suchman (1995). hend geprüft werden, welche Bindungskräfte im 6 Vgl. Gmür (2015). Vordergrund stehen und ob sie gegen die jeweils spe- 7 Vgl. zum Überblick zur Forschung über unternehmerische Orien- zifischen Gefährdungen geschützt sind. tierung im NPO-Sektor Gmür & Erpf (2017). 8 Dazwischen siedeln die Autoren noch die Analyzer-Strategie an, Schlussfolgerung die sich aus der Kombination der beiden anderen Muster ergibt, aber allenfalls für grosse Organisationen mit unabhängig vonein- Eine NPO im organisationalen Nebeneinander zu po- ander angebotenen Leistungsbereichen. Mit dem Begriff des Reac- sitionieren ist eine wichtige Führungsaufgabe. In Aus- tor bezeichnen sie ausserdem Organisationen, die auf eine Profi- lierung verzichten und sich der Marktentwicklung fortlaufend einandersetzung mit relevanten Wettbewerbern sollte anpassen. eine NPO eine klare Entscheidung im Dreieck zwi- 9 Vgl. als Beispiel für eine empirische Studie aus dem nordamerika- schen Ignoranz, Konkurrenz und Kooperation finden: nischen NPO-Sektor Brown & Iverson (2004). • Ignoranz muss man sich leisten können: Verfügt 10 Vgl. als Beispiel für eine empirische Studie aus dem australischen Bildungssektor Mazzarol & Soutar (2008). Ihre Organisation über eine starke und stabile Le- 11 Vgl. Gmür & Erpf (2017). gitimationsbasis gegenüber Ihren Mitgliedern, Sponsoren oder Auftraggebern? 12 Vgl. Lee et al. (2012) und Bunger (2013). • Konkurrenz erfordert einerseits eine Differenzie- 13 Vgl. Shaffer (2000). rungsgrundlage (Strategie und Image) und ande- 14 Vgl. Atouba & Shumate (2015), Willems et al. (2015), Chen & Grad- dy (2010). rerseits die organisationale Energie (Aggressivi- 15 Vgl. AbouAssi et al. (2016) sowie ähnlich Jang & Feiock (2007). tät), sich gegenüber Wettbewerbern und andere äussere Herausforderungen zur Wehr zu setzen. 16 Vgl. AbouAssi et al. (2016). Kennt Ihre Organisation ihre Möglichkeiten zur Positionierung, und hat sie die Kraft, diese auch einzunehmen? • Kooperation beruht auf einer ganzen Reihe von Voraussetzungen, unter denen eine intakte Vertrau- ensbeziehung besondere Bedeutung hat. Daneben sind das Bewusstsein über Kooperationsvorteile und verschiedene institutionelle Rahmenbedingun- gen auf Seiten der Partner relevant. Hat Ihre Orga- nisation günstige Voraussetzungen, um eine Ko- operation einzugehen, und ist sie in der Lage, diese auch auf Dauer zu erhalten? Die passende Option zu wählen erfordert ein klares Bild über das Umfeld, in dem sich die Organisation bewegt, und in gleichem Masse auch Klarheit über die Organisation und ihren kulturellen Kern. 14 Verbands-Management 1/2019
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Konkurrenz und Kooperation Praxisbeitrag Gemeinsam statt einsam: Durch Kooperation zum Erfolg Lars Funk Fragt man Verbandsmanager nach den aktuell Lobbying – Paradedisziplin grössten Herausforderungen für ihre Organisation, für Verbandskooperationen so gehören eine sich immer schneller ändernde Dass alleine meist gar nichts geht, liegt beim Lobbying Erwartungshaltung der Mitglieder, steigende auf der Hand. Viele sogenannte Interessenverbände Konkurrenz und begrenzte Finanzen zu den am wurden ausschliesslich für den Zweck gegründet, die In- häufigsten genannten Antworten. Um auf diese He- teressen einer Gemeinschaft (z. B. einer Branche) gegen- rausforderungen zu reagieren, bieten sich für Ver- über der Politik und der Öffentlichkeit zu vertreten und bände unter anderem Kooperationen an. Dabei auf diese Weise politisch Einfluss zu nehmen. Ein wichti- können diese Kooperationformen unterschiedlich ger Schritt, der jedoch noch lange nicht ausreicht, um ausgestaltet sein, je nach Bedarf: Lobbying durch tatsächlich Gesetzesänderungen o.ä. herbeizuführen. Interessensverbände ist ein gutes Beispiel, wie die Verbände mit politischen Ambitionen sind gut beraten, Bedürfnisse einer Branche gemeinsam vertreten frühzeitig weitere Verbündete zu suchen und dann ab- werden. Auch Förderprojekte haben zum Ziel, dass gestimmt gegenüber der Politik aufzutreten. Dies wird sich die Akteure vernetzen, voneinander lernen sofort ersichtlich, wenn man den Prozess aus Sicht eines und Synergiepotenzial sinnvoll nutzen. Bei Dienst- Politikers betrachtet: zu den sogenannten Vernehmlas- leistungen an Mitglieder kann es sich für Verbände sungsverfahren im Rahmen von Gesetzgebungsverfah- anbieten, zu kooperieren, wenn beispielsweise die ren erscheinen nicht selten 30 oder 50 Verbände, die alle finanziellen Mittel fehlen. Unabdingbar ist jedoch, versuchen, detailliert ihre im jeweiligen Verband sorgfäl- dass für Kooperationen geeignete Voraussetzungen tig abgestimmten Positionen zu erläutern. Selten sagen geschaffen werden. Dazu gehören die Pflege eines dann zwei Verbände genau das Gleiche; in der Regel un- Netzwerks und eine strategische, systematische He- terscheiden sich die Positionen, und selbst für Fachleute rangehensweise. ist es eine schwierige und häufig sogar unmögliche Auf- gabe, die unterschiedlichen Positionierungen in der Kür- In ihren Leitbildern und Statuten haben Verbände ze der zur Verfügung stehenden Zeit nachzuvollziehen den Willen zur Kooperation oft fest verankert. Meist und zu bewerten. Klar im Vorteil sind hier die Verbände, bleibt es jedoch bei allgemeinen und unverbindli- die sich im Vorfeld abgestimmt haben und dann eine ge- chen Formulierungen, die wenig Auswirkung auf meinsame Position vertreten können. Ein solches Vorge- Jahrespläne und auf das Tagesgeschäft der Organisa- hen wäre in der Praxis viel öfter möglich, als sich das tion haben. Damit werden oft erhebliche Potentiale viele Verbandsvertreter vorstellen können. Man muss verschenkt: Bündnisse ermöglichen es, Ziele zu er- sich nicht einmal in allen Punkten einig sein, in einer ge- reichen, die Einzelne nicht erreichen können. Koope- meinsamen Stellungnahme können auch nur die Punkte rationen können auf ganz unterschiedlichen Gebie- aufgeführt werden, zu denen man Einigkeit erzielen ten sinnvoll sein und sogar mit konkurrierenden konnte. Darüber hinaus steht es ja jedem Verband frei, Organisationen einen Mehrwert verschaffen, wenn weitere Positionen – auch allein – zu vertreten. Welche sie sorgfältig vorbereitet und systematisch umge- Positionen dann jedoch die grössten Chancen auf eine setzt werden. Umsetzung haben, liegt auf der Hand. 16 Verbands-Management 1/2019
Konkurrenz und Kooperation Häufig unterschätzt wird in diesem Zusammen- Gipfel, der seit 2013 jährlich durchgeführt wird und hang die Dauer von Gesetzgebungsverfahren, die sich höchste Aufmerksamkeit auf politischer Ebene ge- meist über mehrere Jahre erstrecken. Genug Zeit also, niesst. Neben zahlreichen Ministern und Abgeordne- Verbündete zu suchen und gemeinsame Positionen zu ten hat hier auch die Bundeskanzlerin schon persön- entwickeln. Und bei bestimmten Themen kann es so- lich teilgenommen – politische Aufmerksamkeit also, gar sinnvoll sein, eine Zusammenarbeit auf Dauer an- die eine Organisation allein kaum erreichen kann. zulegen: In Deutschland haben sich beispielsweise sechs Wirtschaftsverbände zu einem Bündnis «Ener- Förderprojekte – ohne Kooperation gieintensive Energien in Deutschland» zusammenge- geht es meist nicht schlossen. Jeder dieser Verbände wäre für sich genom- Auch im Bereich der Förderprojekte geht es in der Re- men zu klein, um die Bedeutung des Themas für den gel nicht ohne Kooperation. Geldgeber wirken schon Wirtschaftsstandort Deutschland glaubhaft vertreten seit längerer Zeit bei der Vergabe von Fördermitteln zu können. Gemeinsam vertritt man jedoch die Inter- darauf hin, dass sich die Akteure vernetzen, voneinan- essen von sechs Branchen mit insgesamt fast einer Mil- der lernen und Synergiepotentiale sinnvoll nutzen. lion Beschäftigten, und hat damit eine ganz andere Diese Ziele verfolgen öffentliche Geldgeber ebenso Ausgangsposition für politische Einflussnahme. wie Förderstiftungen. Sie erwarten sich davon – zu- Ein gutes Beispiel für eine dauerhaft angelegte recht – eine stärkere Wirkung ihrer eingesetzten Gel- Kooperationen zur politischen Einflussnahme ist alli- der. «Betroffene» Verbände gehen unterschiedlich mit ance F in der Schweiz. Bereits 1900 als «Bund Schwei- diesen Anforderungen der Geldgeber um. Gut aufge- zerischer Frauenorganisationen» gegründet, finden stellt sind diejenigen, die bereits auf ein gut gepflegtes sich unter dem Dach von alliance F heute rund 150 Netzwerk zurückgreifen können und sich so bereits Organisationen wieder, die sich alle gemeinsam für vor der Antragstellung geeignete Partner für einen ge- die wirtschaftliche Selbstständigkeit und Gleichstel- meinsamen Projektvorschlag aussuchen. Der Antrag lung der Frauen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft kann dann gleich gemeinsam gestellt werden, wo- einsetzen. Als Interessensvertretung für Gleichstel- durch die Chancen auf einen positiven Förderbescheid lungsanliegen, profitiert alliance F einerseits aus der in der Regel erheblich steigen. guten Vernetzung im Parlament, wie auch aus der Die Instrumente, die Geldgeber aktiv zur Vernet- überparteilichen Zusammensetzung. Unter ihrem zung ihrer geförderten Akteure einsetzen, sind sehr Dach befinden sich von links bis rechts Politische Par- vielfältig und reichen von Arbeitsgruppen zum teien. Alliance F hat vergangenes Jahr, mithilfe ihrer zwanglosen Erfahrungsaustausch bis zur vertragli- Mitgliederorganisationen und weiterer Partnerinnen, chen Verpflichtung zur Zusammenarbeit. Nicht selten wirkungsvoll dazu beigetragen, dass zwei Frauen ist dabei das Phänomen zu beobachten, dass diese mehr in den Bundesrat gewählt wurden. Massnahmen von den geförderten Verbänden zu- Ein jüngeres Beispiel für politische Kooperation nächst einmal durchaus als Zwang wahrgenommen ist das Nationale MINT Forum in Deutschland. Dort werden («wenn wir sonst das Geld nicht kriegen, ma- setzen sich insgesamt 30 Verbände, Stiftungen und chen wir es halt…»), im Laufe der Zeit dann jedoch Wissenschaftseinrichtungen gemeinsam für eine bes- der Mehrwert der Kooperation sichtbar wird. Nicht sere Bildung in den Bereichen Mathematik, Informa- selten wird die Zusammenarbeit dann auch über das tik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) entlang aktuelle Förderprojekt hinaus fortgeführt. der gesamten Bildungskette ein. 2012 wurde das Nati- Die Stiftung Mercator in Deutschland hat in den onale MINT Forum zunächst als loser Zusammen- vergangenen Jahren gute Erfahrung damit gesammelt, schluss ohne eigene Rechtsform gegründet, die Ge- Verbände, NGOs, Politik und Wissenschaft zu soge- schäftsstelle wurde in dieser Phase von einem der 30 nannten Round-Table-Gesprächen einzuladen. Dabei Kooperationspartner geführt. 2016 wurde dann ein wird immer wieder festgestellt, dass sich die Akteure eigener Verein gegründet, und der Geschäftsbetrieb häufig nicht kennen, jedoch sehr von einem gemeinsa- wurde mit zwei hauptamtlich Beschäftigten weiter men Erfahrungsaustausch profitieren können. Das professionalisiert. Highlight ist der Nationale MINT- moderierte Format der Stiftung wird gerne genutzt Verbands-Management 1/2019 17
und ist so beliebt, dass die Round-Table-Gespräche um gute Ideen umzusetzen. Aus dieser Situation her- mittlerweile regelmässig stattfinden und so zum fes- aus macht es sehr viel Sinn, über gemeinsame Aktivi- ten Bestandteil der Förderaktivitäten geworden sind. täten auch mit der (vermeintlichen) Konkurrenz nach- zudenken: Eine gemeinsame, grosse Veranstaltung Gemeinsame Dienstleistungen erzeugt in der Regel mehr öffentliche Wahrnehmung Deutlich schwieriger wird es, wenn es um gemeinsa- und hinterlässt einen positiveren Eindruck bei den me Dienstleitungen z. B. für Mitglieder geht. Ist der Teilnehmenden als viele kleine Veranstaltungen. Das Nutzen von Kooperationen bei den bisher genannten gleiche gilt für eine gemeinsame Mitgliederzeitschrift. Beispielen aus den Bereichen Lobbying und Projekt- Komplizierter wird es, wenn z. B. gemeinsame Bera- förderung offensichtlich, so ist das Thema im Bereich tungsangebote geschaffen werden sollen. Hier erweist der Dienstleistungserbringung von Verbänden we- es sich oft als sinnvoll, externe Unterstützung hinzu- sentlich differenzierter zu betrachten. Zunächst ein- zuziehen. Schliesslich handelt es sich um einen Pro- mal befinden sich Verbände hier in der Regel in einem zess, der für die Beteiligten in der Regel neu und des- direkten Konkurrenzverhältnis um Mitglieder, man halb möglicherweise auch riskant ist. Ein erfahrener umwirbt schliesslich die gleichen Personen oder Orga- Berater kann hier sicher durch den Prozess führen und nisationen und möchte diese von den Vorteilen einer helfen, die Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Mitgliedschaft im eigenen Verband überzeugen. Auf Ein gutes Beispiel für eine gelungene Kooperation den ersten Blick kein Feld für Kooperationen, im Ge- im Dienstleistungsbereich ist die Zusammenarbeit der genteil, man möchte sich ja vom Wettbewerb absetzen Schweizerischen Gesellschaft für Cystische Fibrose und besser sein. Dennoch lassen sich auch in diesem (CFCH) mit «Inclusion Handicap»: Die CFCH verfügt Bereich immer mehr Verbände auf Kooperationen ein. als relativ kleine Fachgesellschaft nicht über ausrei- Woran liegt das? chend Ressourcen, um ihren Mitgliedern eine eigene Der «Druck von aussen» wird auch für Verbände Rechtsberatung anbieten zu können. Inclusion Handi- immer grösser. Das wurde noch einmal deutlich bei cap dagegen hat einen eigenen Rechtsdienst, der auf einer Umfrage, die B´VM 2018 unter 80 Verbandsver- Basis einer Kooperationsvereinbarung nun auch den tretern im gesamten deutschsprachigen Raum durch- CFCH-Mitgliedern niederschwellig zur Verfügung geführt hat: Veränderungen kommen immer schneller steht. Eine klassische Win-Win-Situation: Für den ei- und werden zunehmend komplexer, man denke nur nen Partner der privilegierte Zugang zur Rechtsbera- an geänderte gesellschaftliche Gewohnheiten auf- tung für Mitglieder, für den anderen Partner eine ver- grund der Digitalisierung. Auch die Erwartungen der lässliche Einnahmequelle zur Mitfinanzierung der Mitglieder an ihre Verbände steigen stetig. Verbände eigenen Dienstleistungen. müssen auf diese Veränderungen reagieren, wenn sie Auch beim Aufbau digitaler Angebote kooperie- langfristig überleben wollen. Sie sind mit der Situation ren Verbände immer häufiger miteinander, um sich jedoch häufig überfordert. Als grösster Engpass erwei- die - meist erheblichen - Investitionen teilen zu kön- sen sich dabei meist die fehlenden finanziellen Mittel, nen. Zunächst einmal ist die Versuchung gross, es al- 18 Verbands-Management 1/2019
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