Blühstreifen und Blühflächen in der landwirt-schaftlichen Praxis - eine naturschutzfachliche Evaluation
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Aufgeblüht! Abbildung 1 Simon Dietzel, Fabian Sauter, Michaela Moosner, Christina Fischer und Johannes Kollmann Ein Blühstreifen mit einge- säter KULAP-Mischung Blühstreifen und Blühflächen in der landwirt- im bayerischen Tertiärhügel- land, Sommer 2018 (Foto: schaftlichen Praxis – eine naturschutzfach- Anja Grünwald). liche Evaluation Die Intensivierung der Landwirtschaft hat zu starken Biodiversitätsverlusten geführt. Um dem entgegen- zuwirken, wurden Agrarumweltmaßnahmen (AUM) wie zum Beispiel Blühstreifen und Blühflächen von der EU eingeführt. Die vorliegende Literaturstudie fasst die faunistischen Effekte dieser AUM, basierend auf den wissenschaftlichen Publikationen der Jahre 2009–2018, zusammen. Zwei Drittel der 48 Veröffent- lichungen fanden positive Effekte von Blühflächen auf die Anzahl oder Häufigkeit von Tierarten, vor allem bei Käfern und Spinnen. Neben Vögeln und Kleinsäugern standen hauptsächlich Arthropoden im Fokus der Untersuchungen. Keine positiven Effekte traten bei seltenen Insektenarten auf. Günstige Effekte auf die Agrarlandschaft zeigten sich bei Arthropoden, Feldhasen und Fasanen in blühflächen- nahen Äckern. Insgesamt führen Blühflächen je nach Kontext und Zielsetzung zur Aufwertung von Landschaften. Zu wenige vergleichende Untersuchungen liegen bisher zu unterschiedlichen AUM sowie zu Auswirkungen bestimmter Saatgutmischungen vor. Zur Wirkungssteigerung könnten Blühflächen in Zukunft strategisch mit Gewässerrandschutz und Ackerwildkrautschutz kombiniert werden, wozu jedoch eine verbesserte Beratung der Landwirte nötig wäre. 1. Förderung der Biodiversität durch der Insekten. Neben den aktuell von Hallmann et Agrarumweltmaßnahmen al. (2017) nachgewiesenen massiven Verlusten Die wissenschaftlichen und gesellschaftlichen von Insekten in Naturschutzflächen, konnte dieser Debatten des Naturschutzes fokussieren derzeit Trend auch für Normallandschaften und auf auf den Rückgang der Biodiversität, insbesondere höheren trophischen Ebenen gezeigt werden ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019 73
S. Dietzel, F. Sauter, M. Moosner, C. Fischer & J. Kollmann: Aufgeblüht! Blühstreifen und Blühflächen 2a 2b Abbildung 2 Beispiele für (Biesmeijer et al. 2006; Bowler et al. 2019; Sánchez- tung von AUM überträgt (Pe‘er et al. 2014), kam es Blühflächen und Bayo & Wyckhuys 2019). Insekten kommen in allen auch zu Veränderungen der Blühflächenpro- Blühstreifen in Bayern Lebensräumen vor und erfüllen eine Vielzahl an gramme. So hat in Deutschland jedes Bundesland im Sommer 2018 mit Funktionen. Sie bestäuben Pflanzen, breiten eigene AUM-Programme (Kasten 1); europaweit (a) eingesäten Wild- Samen aus, bauen Biomasse ab und bilden die gibt es für die meisten Länder und viele Regionen pflanzen bei Titting (Fränkische Alb) sowie Nahrungsgrundlage vieler Amphibien, Reptilien, Programme, die sich stark in Flächengröße, (b) einjährigen Vögel und Kleinsäuger (Yang & Gratton 2014). Management und Saatgutmischungen unter- Zierpflanzen bei Da viele Insektenarten recht schnell auf Umwelt- scheiden. In Bayern wurde im Rahmen des Kultur- Langenbach veränderungen reagieren, sind sie wichtige Indi- landschaftsprogramms Teil A (KULAP-A) für die (Tertiärhügelland; katoren für den Zustand von Ökosystemen und Förderperiode 2007–2013 (A36) das Anlegen von Fotos: Johannes Kollmann). Landschaften (McGeoch 1998; Kotze et al. 2011). Blühflächen als Maßnahme zur Steigerung der Daher ist die Entwicklung von Maßnahmen für Biodiversität eingeführt (Wagner et al. 2014). Die eine verbesserte Landnutzung zur Förderung der Dauer der Förderung war 1–5 Jahre; zusätzlich Insekten eine aktuelle Herausforderung des werden jährlich wechselnde Flächen mit spezi- Naturschutzes und der Renaturierung (Stadlmann eller Saatmischung seit dem Jahr 2014 unterstützt. & Adelmann 2019). Neben staatlich geförderten Maßnahmen wie dem bayerischen KULAP, gibt es weitere regionale In vielen Agrarlandschaften hat die landwirtschaft- Angebote durch Organisationen wie dem Baye- liche Intensivierung der letzten Jahrzehnte zu rischen Bauernverband („Blühende Rahmen“ um erheblichen Verlusten der Biodiversität und der Maisfelder) oder das „Netzwerk Blühende Land- daraus resultierenden Ökosystemleistungen schaft“, die unterschiedliche Saatmischungen und geführt (Stoate et al. 2001). Davon besonders -herkünfte vorsehen, die zum Teil aber auch betroffen sind Ackerwildpflanzen, welche über Zierpflanzen beinhalten (Abbildung 2b). die Nahrungsnetze entscheidend zur biologischen Vielfalt beitragen (Storkey et al. 2012). Um diesen Generell ist belegt, dass sich die Anlage von AUM, Biodiversitätsverlusten entgegenzuwirken, unter anderem von Blühflächen, positiv auf die wurden Agrarumweltmaßnahmen (AUM) von der Häufigkeit und Diversität von Insekten auswirkt Europäischen Union eingeführt. Dazu zählen (Haaland et al. 2011) und auch Feldvögel und neben Programmen zum Boden-, Gewässer- und Kleinsäuger profitieren von mehrjährigen Ansaaten Klimaschutz auch Maßnahmen zur Förderung der (Arlettaz et al. 2010; Fischer & Wagner 2016; Artenvielfalt, wie die Anlage von Blühstreifen und H omberger et al. 2017). Neben der Förderung -flächen (Abbildung 1). Diese AUM wurden zuletzt bestimmter Tiergruppen können AUM auch zur von Haaland et al. (2011) evaluiert und werden im Unterstützung ökologischer Funktionen beitragen, Folgenden „Blühflächen“ genannt. Dabei handelt wie zum Beispiel der natürlichen Schädlings- es sich um landwirtschaftliche Flächen, auf denen kontrolle durch Begünstigung von Nützlingen Saatgutmischungen aus ein- und mehrjährigen (Balmer et al. 2013; Tschumi et al. 2016) oder der Wild- sowie Kulturpflanzen ausgebracht wurden gesteigerten Bestäubungsleistung wildlebender (Abbildung 2a). Insekten (Balzan et al. 2014; Blaauw & Isaacs 2014). Durch die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik Einige vergleichende Untersuchungen konnten für den Zeitraum 2014–2020, welche den allerdings nur moderate Effekte auf die faunistische Mitgliedsstaaten mehr Flexibilität in der Gestal- Biodiversität feststellen, und seltene und gefährdete 74 ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019
S. Dietzel, F. Sauter, M. Moosner, C. Fischer & J. Kollmann: Blühstreifen und Blühflächen Aufgeblüht! Überblick über Randstreifenprogramme, welche im Rahmen von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) in Deutschland gefördert werden (2014–2020). Die folgenden Maßnahmentypen gibt es derzeit in den deutschen Bundesländern: • Ein- und mehrjährige Blühstreifen und -flächen (Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Mecklenburg- Vorpommern, Niedersachsen und Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen) • Ackerrandstreifen (Hessen, Thüringen) • Schonstreifen mit Kulturpflanzen, unter anderem Getreide (außer Mais), Raps, Leguminosen, Ackerfutterpflanzen (Niedersachsen und Bremen, Sachsen) • Selbstbegrünte Schonstreifen (Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen) • Gewässer- und Erosionsschutzstreifen mit grasbetonten Saatgutmischungen (Bayern, Hessen, Mecklenburg- Vorpommern, Niedersachsen und Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Thüringen) • Brachen (Sachsen, Schleswig-Holstein, Bayern) Verpflichtungszeitraum beträgt fünf Jahre; jährlicher Flächenwechsel ist zulässig bei 18 von 46 Maßnahmen Mindestgröße bei Streifen 5–36 m Breite, bei Flächen > 0,05 ha Pflege oder Bewirtschaftung • Ein- und mehrjährige Blühstreifen und -flächen: Einsaat von Blühmischungen; Nutzung des Aufwuchses in der Regel nicht zulässig • Ackerrandstreifen: keine Pflegemaßnahmen von Ansaat bis Ernte • Schonstreifen mit Kulturpflanzen: eingeschränkte Bewirtschaftung • Selbstbegrünte Schonstreifen: ohne Bewirtschaftung, eventuell Bodenbearbeitung oder Pflegeschnitt • Gewässer- und Erosionsschutzstreifen: Einsaat von grasbetonten Saatgutmischungen; Mahd oder Mulchen, Nutzung des Aufwuchses zulässig • Brachen: grundsätzlich keine Bewirtschaftung, eventuell gelegentlich Pflegeschnitt oder Bodenbearbeitung Düngung und Pestizide In der Regel Verbot stickstoffhaltigen Düngers und chemischer Pflanzenschutzmittel Höhe der Förderung • Ein- und mehrjährige Blühstreifen und -flächen: 490–1.200 Euro/ha-1 • Ackerrandstreifen: 660–840 Euro/ha-1 • Schonstreifen mit Kulturpflanzen: 313–1.150 Euro/ha-1 • Selbstbegrünte Schonstreifen: 540–670 Euro/ha-1 • Gewässer- und Erosionsschutzstreifen: 540–1.100 Euro/ha-1 • Brachen: 450–880 Euro/ha-1 ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019 75
S. Dietzel, F. Sauter, M. Moosner, C. Fischer & J. Kollmann: Aufgeblüht! Blühstreifen und Blühflächen Abbildung 3 Englische und deutsche ISI Web of Google Fachbegriffe zur ökolo- Google gischen Wirkung von Blüh- Knowledge Scholar flächen in der Agrarland- schaft. Die Literatur- recherche wurde in drei Datenbanken durchgeführt; die bereits in dem Über- sichtsartikel von Haaland et Wildflower strip Wildflower resource Gesäte Gesäte al. (2011) verwendeten patch Wildblumenstreifen Grasränder Begriffe sind kursiv gesetzt. Wildflower area Artificial flower-rich margin Wildblumen- Blühstreifen Wildflower mixture Wildlife seed mixture- Ressourcenflecken margin Wildflower margin Wildflower field Angelegte Gesäte Grasstreifen blütenreiche Ränder Sown strip Blooming field Sown margin Blooming strip Aufgewertete Gesäte Feldränder Feldrandstreifen Sown grass margin Blooming area Wildtier- Sown flower-rich field Improved field margin Saatmischungsränder Blühflächen Arten profitieren meist nicht von den bisher 1. Wie ist der naturschutzfachliche Ist-Zustand angewandten Maßnahmen (Kleijn & Sutherland der Blühflächen? 2003; Kleijn et al. 2006). Daher wird eine differen- ziertere Formulierung der Ziele sowie deren Über- 2. Welchen Einfluss hat die umgebende prüfung insbesondere bei Blühflächen gefordert Landschaft? (Kleijn et al. 2011; Scheper et al. 2013; Ekroos et al. 2014). Nicht zuletzt wegen der veränderten 3. Welche Unterschiede treten bei verschiedenen Umweltbedingungen durch Klima- und Landnut- Saatgutmischungen auf? zungswandel müssen die Agrarumweltprogramme kritisch bewertet und gezielt angepasst werden. 4. Wie schneiden alternative AUM wie Ackerrand- Aufgrund der Heterogenität der Programme sind streifen im Vergleich zu Blühflächen ab? Vergleiche ihrer Wirksamkeit sowie eine Übertra- gung in eine verbesserte Praxis nötig, aber auch Aus den Ergebnissen wird eine naturschutz- schwierig. Die Vielfalt von Blühflächentypen führt fachliche Bewertung und Optimierung von zu einer gewissen Unübersichtlichkeit, unter Blühflächen abgeleitet. anderem der biotischen Effekte. Der vorliegende Beitrag bietet einen aktuellen Überblick zu den 2. Aktuelle Literatur zu Blühflächen-Effekten faunistischen Effekten. Um einen Überblick über die aktuelle Literatur zu den naturschutzfachlichen Effekten von Blüh- Bereits O ppermann et al. (2013) forderten eine flächen zu erhalten, wurden Abfragen mit evidenzbasierte Beratung der Landwirte zu Blüh- verschiedenen Suchbegriffen in der Literatur- flächen hinsichtlich ökologischer Hintergründe, datenbank „ISI Web of Science“, in der einschlä- räumlicher Lage und Standortansprüche, Auswahl gigen Fachliteratur und in Praxishandbüchern mit des Saatgutes, Aussaat und Pflege sowie Einbin- Google Scholar sowie mit der Google Freitext- dung in den betrieblichen Ablauf. Um Vorschläge suche durchgeführt (Abbildung 3). Um eine für die zukünftige Praxis zu erarbeiten, werden Vergleichbarkeit mit dem Übersichtsartikel von die bestehenden Blühflächen-Programme mit Haaland et al. (2011) zu gewährleisten, wurden anderen AUM, wie zum Beispiel Randstreifen dieselben Suchbegriffe eingesetzt, etwas ergänzt ohne Ansaat, verglichen. Ziel der vorliegenden und auf die vergangenen Dekade angewandt. Literaturstudie ist es, die folgenden Fragen bezüglich faunistischer Effekte zu beantworten: Nach der Übertragung in eine bibliografische Datenbank wurden die Publikationen mit Hilfe 76 ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019
S. Dietzel, F. Sauter, M. Moosner, C. Fischer & J. Kollmann: Blühstreifen und Blühflächen Aufgeblüht! Bereich Bewertungskriterien Publikation Autor, Erscheinungsjahr, Titel, Region, Zielsetzung der Blühfläche, Fragestellung der Untersuchung, Quelle Arten der Saatmischung, Samenherkunft, Aussaatdichte, Aussaatzeitpunkt, Verhältnis Wild- zu Saatgut Kulturformen, Abstimmung der Mischung auf die Standortverhältnisse (trocken-feucht, mager-fett), Einsatz seltener Pflanzenarten Alter der Blühfläche, Pflegeeingriffe, Bodenqualität, Größe und Form der Fläche, Art der Feldfrüchte, Standort Bewirtschaftung (ökologisch, integriert, konventionell), Landschaftsmatrix Untersuchte Taxa, untersuchte Größen (Artenzahlen, Häufigkeiten etc.), Ökosystemfunktion (Bestäubung, Antagonisten et cetera), Monitoring (Dauer, vorher/nachher, Kontrolle, Flächen ohne Blüten, Feldränder Faunistischer Effekt et cetera), Methoden (Farbschalen, Barber-Fallen, Nisthilfen, Keschern, Barcoding et cetera), Richtung des Effekts (positiv, negativ, neutral), Signifikanz Tabelle 1 Kriterien der literaturbasier- der in Tabelle 1 genannten Kriterien untersucht. deutschsprachige Artikel in die Auswertung ten naturschutzfachlichen Neben Angaben zur Lage der Blühflächen wurden aufgenommen werden, die seit Haaland et al. Bewertung von Blühflächen Saatguteigenschaften, der Standort in der Agrar- (2011) erschienen sind. Die meisten Untersu- und anderer AUM. landschaft sowie die faunistischen Effekte (positiv, chungen (17) wurden in der Schweiz durchge- negativ oder neutral) notiert. Zum Vergleich des führt, gefolgt von Deutschland (14). Weitere ökologischen Erfolges von Blühflächen mit dem Studien fanden in Großbritannien (5), Belgien anderer AUM wurden diejenigen Publikationen und Finnland (je 3), Italien (2) sowie je eine in herangezogen, die neben Blühflächen auch Irland, den Niederlanden, Österreich oder europa- Flächentypen begutachten, die anderen AUM weit statt. Von diesen Studien zeigten sich bei 48 ähnlich sind (Kasten 1). Die spezifische Ausgestal- Untersuchungen, die sich bezüglich Artenzahl tung der AUM-Programme der Bundesländer (88 %) oder Häufigkeit (82 %) überwiegend mit wurden bei den zuständigen Behörden nachge- Arthropoden beschäftigten, faunistische Effekte. fragt. Allerdings werden einige Maßnahmen nach Als weitere Artengruppen wurden Vögel oder der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik nicht Säugetiere in jeweils weniger als 10 % der Studien mehr oder nur zu einem geringen Anteil gefördert. untersucht. Blühflächen wurden am häufigsten mit Feldschlägen verglichen, gefolgt von Feldrän- Um einen Überblick über Untersuchungen zum dern und Grünland. Eine knappe Mehrheit der ökologischen Effekt von Blühflächen zu bekommen, Studien zeigte einen positiven faunistischen wurde die Häufigkeit der Zielartengruppen Effekt von Blühflächen auf die Artenzahl (60 %) erfasst. Insbesondere die faunistischen Effekte oder Häufigkeit (52 %). Allerdings wurden bei von Blühflächen wurden quantitativ analysiert, einem Drittel der Studien keine Effekte auf die um herauszufinden, ob die Mehrheit der Studien Artenzahl (37 %) oder Häufigkeit (39 %) gefunden, einen positiven, neutralen oder negativen Effekt ohne dass die methodischen, standörtlichen oder zeigt. Dazu wurden die Auswirkungen auf die landschaftlichen Gründe dafür deutlich wurden. Artenzahl und Häufigkeit der Arten erfasst. Weiterhin wurde untersucht, wie häufig Blühflä- Besonders oft wurden positive Effekte von Blüh- chen im Vergleich zu anderen AUM einen Effekt flächen auf die Artenzahl von Käfern oder Spinnen- auf die Zielarten zeigen. tieren berichtet, weniger oft bei Schmetterlingen, Hautflüglern, Zweiflüglern und Wanzen (Abbil- 3. Naturschutzfachlicher Zustand dung 4). Betrachtet man die Häufigkeit dieser der Blühflächen Gruppen, so gibt es besonders oft positive Effekte bei Hautflüglern und Käfern, etwas seltener bei 3.1 Allgemeine faunistische Effekte Zweiflüglern, Spinnentieren, Schmetterlingen und Insgesamt konnten 38 englischsprachige empi- Netzflüglern, und selten bei Wanzen und anderen rische Studien im Zeitraum 2009 –2018 sowie 19 Schnabelkerfen. Keinerlei Effekte wurden für ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019 77
S. Dietzel, F. Sauter, M. Moosner, C. Fischer & J. Kollmann: Aufgeblüht! Blühstreifen und Blühflächen Nützlinge: Artenzahlen 6 Positiv Neutral Negativ 4 2 Anzahl Untersuchungen 0 Nützlinge: Häufigkeiten 12 10 8 6 4 2 0 Coleoptera Arachnida Lepidoptera Hymenoptera Diptera Heteroptera Hemiptera Neuroptera Orthoptera Abbildung 4 Blühflächen-Effekte auf un- Arthropoden-Gruppen terschiedliche Arthropo- denordnungen der Nütz- linge mit Untersuchungen Heuschrecken berichtet. Bei vielen Gruppen regulierung (Bötzl et al. 2019). So war die Häufigkeit zu Artenzahlen und Häufig- keiten (2011–2018). wurden jedoch zum Teil nur neutrale Effekte des Getreidehähnchens (Oulema spec.) in Winter- der Blühstreifen gefunden. getreide mit angrenzenden Blühstreifen im Vergleich zu Feldern ohne Blühstreifen um 40 % Da sich Spinnentiere und zum Teil auch Käfer reduziert, was sich in einer Verminderung von räuberisch ernähren, ist davon auszugehen, dass Getreideschäden von 61 % niederschlug (Tschumi die Effekte hier hauptsächlich indirekt durch die et al. 2015). Verursacht wurde dieser Effekt durch Blühstreifen als Habitatstruktur entstehen, während erhöhte Häufigkeit von Nützlingen (Laufkäfer, zum Beispiel bei Haut- und Zweiflüglern die direkte Raubwanzen, Florfliegen, Marienkäfern) in den Verbesserung des Nahrungsangebotes günstig Blühstreifen und in ihrer direkten Umgebung. wirkt. Als Grund für die Negativeffekte ist bei Bei Marienkäferlarven kam es zu einer Verstärkung Spezialisten die geringe Vegetationsdeckung zu des Effekts der Blühstreifen in Landschaften mit vermuten, die in älteren Blühflächen weniger höherer Komplexität. Über unerwünscht begün- wird, was die negativen Effekte bei Käfern stigende Effekte wurde nur bei schädlichen erklären könnte (Abbildung 4). Bei Schmetter- Wanzen und Fransenflüglern berichtet. lingen zeigten sich in einigen Studien keine signifikanten Unterschiede in Artenzahl und In den vergangenen zehn Jahren wurden nur in Häufigkeit zwischen Blühstreifen und Grünland, acht Studien negative faunistische Effekte von die Zusammensetzung der Artengemeinschaft Blühflächen berichtet. Elf Studien erfassten die unterschied sich jedoch stark (zum Beispiel Blake Effekte bei schädlichen Käfern, Wanzen, Faltern et al. 2011; Haaland & Bersier 2011). und Fransenflüglern, bei denen jedoch nur in 50 % der Fälle ein Rückgang gefunden wurde. Außerdem Insgesamt 44 % der Studien beschäftigten sich berichteten Anjum-Zubair et al. (2015) von gerin- mit dem Effekt von Blühflächen für die biologische gerer Häufigkeit bei Laufkäfern, verursacht vermut- Schädlingskontrolle. Eine Mehrheit berichtete von lich durch höhere Deckung der Blühstreifen, positiven Effekten der Blühflächen auf die Vielfalt während die Artenzahlen dieser Gruppe höher und Häufigkeit von Prädatoren, Bestäubern und waren als im angrenzenden Feld. Balmer et al. anderen nützlichen Insekten (Abbildung 5). Einige (2013) machte ähnliche Beobachtungen bei Kurz- Studien zeigten positive Effekte bei der Schädlings- flügelkäfern. Negative Effekte, welche bei Zikaden 78 ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019
S. Dietzel, F. Sauter, M. Moosner, C. Fischer & J. Kollmann: Blühstreifen und Blühflächen Aufgeblüht! Funktionelle Gruppen: Häufigkeiten Abbildung 5 Häufigkeiten der in Abbil- dung 4 genannten Arthro- 25 podengruppen, gegliedert Positiv Neutral Negativ nach ihren funktionellen Anzahl Untersuchungen ökologischen Eigenschaften. 20 15 10 5 0 Räuber Bestäubung Biodiversität Schädlinge Detritivorie Ökologische Funktionen gefunden wurden, lassen sich durch ihre Ernäh- 3.3 Steuerung der Blühflächeneffekte durch rungsweise erklären, welche hauptsächlich an Ansaat, Flächengröße und Landschaft Gräser gebunden ist; daher weisen Blühstreifen Welche Faktoren steuern nun die vielen positiven im Vergleich zu Graskontrollflächen geringere Effekte von Blühflächen? – Eine exemplarische Häufigkeiten auf (Huusela-Veistola et al. 2016). Studie zu Effekten der Ansaat stammt von Pywell et al. (2011), die in England über drei Jahre vier 3.2 Blühflächeneffekte in Bayern unterschiedliche AUM auf großen Flächen gleich- Bayerische Blühflächen zeigen ebenfalls meist bleibender Größe untersucht haben. Dies waren positive faunistische Effekte, die von Wagner et Blühstreifen mit acht Gräsern und 17 Kräutern, al. (2014) untersucht und zusammengefasst Gras/Blühstreifen, Mischung mit fünf Gräsern wurden. Blühflächen erhöhen gegenüber Äckern sowie spontane Vegetationsentwicklung bei den Artenreichtum und/oder die Häufigkeit aller Brachen, immer im Vergleich zu einer konventio- untersuchten Tiergruppen der Agrarlandschaft nellen Fruchtfolge mit Winterweizen–Raps– (Regenwürmer, Arthropoden, Vögel, Feldhamster, Winterweizen. In Blühstreifen und Gras/Blüh- Feldhase und Rehwild; Abbildung 6). Außerdem Streifen konnten signifikant höhere Artenzahlen können Blühflächen in die sie umgebende Land- und Häufigkeiten der Bestäuber verglichen mit schaft hineinwirken, denn Artenreichtum und Grasstreifen und dem bewirtschafteten Acker Häufigkeit von Arthropoden sind in blühflächen- gefunden werden, während Brachen nur mäßig nahen gegenüber blühflächenfernen Äckern gut abschnitten. Die Häufigkeiten herbivorer oder erhöht, Fasane und Feldhasen sind hier häufiger. räuberischer Arthropoden war ebenfalls in Blüh- streifen und Gras/Blühstreifen höher als in Keine positiven Effekte wurden bisher in Bayern Grasstreifen und auf dem Acker, während gerin- bei seltenen Insektenarten gefunden, die zum gere oder keine Unterschiede der Artenzahlen Beispiel auf spezielle Ackerwildkrautarten ange- auftraten. Bei detrivoren Arthropoden wurden wiesen sind oder auf magerem Grünland keine Unterschiede der AUM festgestellt. vorkommen (Wagner et al. 2014). Laufkäfer, als typische Vertreter der bodennahen Arthropoden, Ein zweiter wichtiger Faktor ist die Flächengröße sind auch in bayerischen Blühflächen weniger angesäter Blühflächen. Ein gutes Beispiel ist der häufig, allerdings mit einem tendenziell höheren Feldhamster, der mindestens 0,6 ha benötigt Reichtum an Arten, verglichen zum Beispiel mit (Fischer & Wagner 2016). Burmeister & Wagner (2014) Maisfeldern. Außerdem ist die hohe und dichte zeigten, dass die Größe der Flächen positiv mit Vegetationsstruktur von Blühflächen zumindest der Artenzahl beziehungsweise Häufigkeit epigä- im dritten Jahr für Vögel der offenen Feldflur wie ischer Arthropoden, Vögeln und Niederwild Feldlerchen und Wiesenschafstelzen weniger korreliert war. Meichtry-Stier et al. (2014, 2018) attraktiv. Für diese Arten bieten sich eventuell verglichen in der Schweiz Blühflächen mit einjährige Selbstbegrünungen oder bestimmte spontaner Vegetationsentwicklung nach Brachle- produktionsintegrierte Maßnahmen, wie Lerchen- gung. Dorngrasmücke, Goldammer, Neuntöter, fenster oder doppelter Saatreihenabstand bei Orpheusspötter und Schwarzkehlchen zeigten in Verzicht auf Herbizidbehandlung, an. dieser Studie eine positive Korrelation mit Brachen, ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019 79
S. Dietzel, F. Sauter, M. Moosner, C. Fischer & J. Kollmann: Aufgeblüht! Blühstreifen und Blühflächen 6a 6b Abbildung 6 Bestäuber und wobei die Territoriendichte mit steigender blühende Pflanzen vorhanden waren. Solitäre Prädatoren waren Flächengröße abnahm, aber mit zunehmender Wildbienen nahmen in den Blühstreifen mit in den letzten zehn Entfernung zu Gehölzen zunahm. zunehmender Deckung spätblühender Arten in Jahren die am häu- der Landschaft ab (Scheper et al. 2015). Dieser auf figsten untersuchten Damit werden bereits Effekte der umgebenden den ersten Blick negative Effekt der natürlichen Arthropodengruppen in Blühflächen Landschaft auf die Wirkung der AUM deutlich. Vegetation in der umgebenden Landschaft wird (a) Schwebfliege Insgesamt beinhalteten jedoch nur sieben Unter- von den Autoren damit erklärt, dass Blühstreifen (b) Wespenspinne suchungen zu Arthropoden eine quantitative in einer ressourcenreichen Landschaft an Attrakti- (Fotos: Michaela Analyse des Landschaftskontextes. Carvell et al. vität verlieren. Bei hohem Blühangebot auf Land- Moosner). (2015) untersuchten zum Beispiel die Wirkung von schaftsebene sind Wildbienen gleichmäßiger Blühflächen auf den Reproduktionserfolg von über die Landschaft verteilt und die Häufigkeit in Hummeln entlang eines landwirtschaftlichen den Blühstreifen nimmt daher ab; ähnliche Nutzungsgradienten. Dabei stellten sie einen Befunde machten Scheper & Kleijn (2011). besonders positiven Effekt der Blühflächen inner- halb intensiv genutzter Landschaften fest. Neben 3.4 Vergleich der Blühflächeneffekte mit der Landschaft steuerte auch hier vor allem eine anderen AUM steigende Flächengröße den Reproduktionserfolg. Fast alle in Kasten 1 aufgeführten AUM haben Haaland & Bersier (2011) untersuchten hingegen mehr positive als negative (oder neutrale) fauni- die Effekte von Blühstreifen auf Tagfalter im stische Effekte, ohne dass es bisher konkrete Schweizer Mittelland in einer 600 ha großen Vergleiche der verschiedenen Maßnahmen geben Agrarlandschaft, die hauptsächlich von konventi- würde (Kleijn & Baldí 2005). Auch im Rahmen der onellem Ackerbau und einem kleineren Teil hier untersuchten 48 Studien ist ein solcher intensiv genutztem Grünland geprägt war. Insge- Vergleich nur grob quantitativ möglich (Tabelle 2). samt konnte diese Studie nur einen leicht signifi- In den meisten Fällen wurden faunistische Effekte kanten Effekt der Ansaaten auf die Artenvielfalt im Vergleich zu Ackerkulturen untersucht, mit und Häufigkeit der Tagfalter feststellen. Einen insgesamt mehr positiven als neutralen oder positiven Effekt der Landschaftsebene auf die negativen Effekten auf faunistische Artenzahlen Artenvielfalt hatte hier jedoch vor allem die Nähe oder Häufigkeiten. Weniger Studien liegen zu zu Waldsäumen. Insgesamt reagieren größere Grasstreifen vor, wobei die Effekte hier ähnlich und mobilere Organismen eher auf Landschafts- sind. Zu Schwarzbrachen und Ackerrandstreifen effekte, während kleine, weniger mobile Orga- liefert unsere Literaturrecherche kaum Informati- nismen auf die lokalen Gegebenheiten (Deckung, onen, wobei aber H ochberg et al. (2008) zeigen Blütendichte, Fraßpflanzen) angewiesen sind. konnten, dass Ackerrandstreifen und Blühflächen stärkere Biodiversitätseffekte zeigen als Brachen. Durch eine Verbesserung des lokalen und des Eine Ausnahme bildet die bereits erwähnte Studie landschaftlichen Blütenangebots haben Blüh- von Pywell et al. (2011). streifen einen positiven Effekt auf die Häufigkeit und Artenzahl von Hummeln und solitären Wild- Bekannt sind allerdings die grundsätzlich positiven bienen inklusive Rote-Liste-Arten (Scheper et al. 2015). Auswirkungen von Ackerbrachen, wie Buskirk & Im Vergleich zu gemulchten Grasstreifen war der Willi (2004) für Artenzahlen und Populations- Effekt der Blühstreifen bei Hummeln stärker, dichten von Pflanzen, Spinnentieren, Insekten wenn in der umgebenden Landschaft viele früh- und Vögeln berichteten. Die positiven Effekte 80 ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019
S. Dietzel, F. Sauter, M. Moosner, C. Fischer & J. Kollmann: Blühstreifen und Blühflächen Aufgeblüht! Art der Kontrollfläche Kultur Grasstreifen Brache Feldrain (margin) Andere Effekt auf: Artenzahl Häufigkeit Artenzahl Häufigkeit Artenzahl Häufigkeit Artenzahl Häufigkeit Artenzahl Häufigkeit Positiv 15 22 4 7 0 0 0 2 1 18 Neutral 8 14 3 0 0 3 0 0 2 18 Negativ 0 5 0 1 0 0 0 0 0 3 Tabelle 2 Vergleich der Anzahl von steigen mit der Flächengröße und dem Alter der den botanischen und zoologischen Artenschutz Studien (2009–2018) zu Brachen an, wie unter anderem Kovács-Hostyánszki auf Schwarzbrachen, während Blühmischungen Effekten von Blühflächen hinsichtlich der als Kontrolle et al. (2011) bei Vergleich von Bracheflächen mit hier das Aufkommen seltener Ackerwildkräuter verwendeten Flächen. Getreide und Grünland in Ungarn zeigten. unterdrücken (Abbildung 2a). (ii) Blühflächen Andere Kontrollen beinhal- Tscharntke et al. (2011) untersuchten, wie Ansaat, entlang von Gräben und Bächen könnten als ten unter anderem Studien, Landschaft und Sukzession die Biodiversität auf Pufferstreifen von beispielsweise 10 m Breite zur die auf Landschaftsebene Brachen verändern. Morris et al. (2011) beschrieb Reduktion von Nährstoffeinträgen in die Gewässer durchgeführt wurden, das heißt Landschaften mit und die verpflichtende Stilllegung von 10 % der Land- dienen; damit würden Insektenschutz und Nähr- ohne Blühstreifen sowie wirtschaftsfläche ab 1992 als Folge der GAP- stoffmanagement kombiniert. (iii) Ob Blühstreifen Flächen ohne Vegetation. Reform, durch die der Rückgang, zum Beispiel der oder Blühflächen vorteilhaftere Auswirkungen Feldvögel, zunächst einmal verlangsamt worden haben, hängt von der Ausdehnung negativer ist (Flade & Schwarz 2013). Ab 2008 gab es keine Randeffekte in die Fläche und von der positiven verpflichtenden Stilllegungsflächen, mit negativen Einwirkung auf die umgebenden Systeme ab. Im Auswirkungen auf die Agrobiodiversität. extremsten Fall könnten solche AUM zum Beispiel aufgrund von Pestizideinträgen „ökologische 4. Naturschutzfachliche Optimierung Fallen“ darstellen, die bestimmte Arten anziehen, von Blühflächen ohne eine ausreichende Reproduktion zu ermög- Die aktuelle Literaturstudie bestätigt, dass AUM lichen (Ganser et al. 2019). Artenzahlen und Häufigkeit von Arthropoden erhöhen, während die Stärke des Effekts haupt- Da nur 21 der 48 Studien eine Artenliste der sächlich von Landschaftskontext und dem ökolo- eingesetzten Blühmischung beinhalten, aus der gischen Kontrast zwischen AUM und Landschaft man entnehmen könnte, ob und in welchem bestimmt wird (Scheper et al. 2013). AUM sind am Umfang Wildpflanzen eingesät wurden, ist bisher effektivsten in ausgeräumten, ressourcenarmen nur eine qualitative Bewertung der verwendeten Landschaften mit hohem Ackeranteil (vergleiche Pflanzenarten möglich. Derzeit werden Blühmi- Tscharntke et al. 2005); dort kommt es vor allem schungen mit Phacelia und Sonnenblume als zur Förderung von ohnehin relativ häufigen konkurrenzkräftige Pflanzen ausgebracht, um Generalisten mit hohem Ausbreitungsvermögen. durchsetzungsfähige Bestände zu erzeugen, die Das Ziel der AUM ist hier ein Sicherstellen der den Boden schnell decken und einen reichhaltigen Bestäubung, während die Bedeutung für die und langanhaltenden Blühaspekt garantieren Erhaltung seltener Arten eher gering ist. In struk- sollen. Grundsätzlich ist aus naturschutzfachlicher turreichen Landschaften dagegen nutzen Insekten Sicht der Einsatz von einheimischen Wildpflanzen vor allem Hecken, Säume und Magerrasen und empfehlenswert. Die Nutzung von autochtho- profitieren weniger von den Blühflächen. nem Saatgut ist dabei vorzuziehen, um genoty- pische Anpassungen regional vorkommender Für eine naturschutzfachliche Optimierung von Pflanzenpopulationen nicht zu beeinflussen Blühflächen sind die folgenden Punkte zu (Kramer & Havens 2009; Durka et al. 2019). Zudem bedenken: (i) Für den Erfolg der Blühflächen sind könnten großflächig ausgesäte Nektarpflanzen die Bodenfruchtbarkeit und die Samenbank der wie Phacelia am Rand von Naturschutzgebieten Äcker entscheidend. Magere Böden wären gut für die Bestäubung einheimischer Wildpflanzen ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019 81
S. Dietzel, F. Sauter, M. Moosner, C. Fischer & J. Kollmann: Aufgeblüht! Blühstreifen und Blühflächen beeinträchtigen (Holzschuh et al. 2011; Stanley & dieser Arten in intensiv genutzten Agrarland- Stout 2014). Passende einheimische Arten als schaften. Nichts desto trotz profitierten bei Weitem Ersatz wären Daucus carota, Dipsacus fullonum, nicht alle untersuchten Taxa, zum Beispiel wenn Echium vulgare und Melilotus spp.; Disteln und sie auf besondere Strukturen oder Ressourcen Königskerzen sollten als potenzielle Problemarten angewiesen sind. Eine effektive Anlage von Blüh- nicht eingesetzt werden. Siehe dazu auch Empfeh- flächen muss daher im Hinblick auf bestimmte lungen zur verbesserten Anlage und Erstpflege Zielsetzungen erfolgen und entsprechend evalu- von Blühflächen mit autochthonem Saatgut iert werden. Dazu ist das Wissen über landschaft- (Kirmer & Tischew 2014; Kiehl & Kirmer 2019). liche Gegebenheiten ebenso wichtig wie Kennt- nisse über die Lebensweisen der Zielarten. Es Entscheidend bei der naturschutzfachlichen fehlen bisher vergleichende Studien zu den Optimierung der Blühflächen ist eine verbesserte Effekten verschiedener AUM, wobei die Untersu- Beratung, wie sie bereits in der Schweiz praktiziert chungen noch stärker praxisorientiert sein sollten. wird (Birrer 2018). In Bayern gibt es die „Wildlebens- raumberatung“, die aber mit einem Berater pro Die Veränderung von Lebensräumen durch Land- Regierungsbezirk unterbesetzt ist. Aus unver- nutzungswandel, Flurbereinigung, die Intensität ständlichen Gründen fokussiert diese Beratung der Flächennutzung und der Einsatz von Pestiziden auf KULAP und Greening-Maßnahmen, nicht aber sind entscheidend beim derzeitigen Rückgang auf VNP (www.lfl.bayern.de/iab/kulturland- der Insekten (Sánchez-Bayo & W yckhuys 2019). schaft/176814/index.php). Neben einer ausreichenden Verfügbarkeit von Nahrungsquellen in Form von Blühflächen 5. Synthese müssen Reproduktions- und Überwinterungs- Verglichen mit der Übersichtsarbeit von Haaland habitate vorhanden sein, um Insekten in der et al. (2011) konnte in unserer Studie eine größere Agrarlandschaft zu erhalten. Dazu zählen Hecken Anzahl an wissenschaftlichen Publikationen aus und Feldgehölze ebenso wie beispielsweise einem ähnlichen Zeitraum herangezogen werden. extensiv genutztes Grünland, Magerrasen, Bei Haaland et al. (2011) lagen 38 Studien aus 13 Säume und Brachen (vergleiche Kollmann et al. Jahren (1996–2008) und sechs Ländern vor (AUS, 2019). Ohne eine ökologische Aufwertung auf CH, FIN, GER, SWE, UK), während diesem Artikel Landschaftsebene wird sich der Prozess des 48 Studien aus neun Ländern (2009–2018) Artenrückganges, trotz der vielen positiven zugrunde liegen. In unserer Übersicht wurden Effekte von AUM wie Blühflächen, nicht zusätzlich Spinnentiere aufgenommen, die die aufhalten lassen. Momentan sehen die Planungen vorangehende Untersuchung wegen der Fokus- für den Zeitraum von 2021–2027 laut Europä- sierung auf Insekten nicht abdeckt. Ein weiterer ischem Parlament zudem eine Reduktion des Unterschied ist der gewachsene Fokus auf biolo- Fördervolumens für die Entwicklung des länd- gischer Schädlingsbekämpfung. Rund die Hälfte lichen Raums um 25–28 % vor. Realisiert werden der in unserem Beitrag untersuchten Studien könnte eine Verbesserung der Situation nur basierten auf diesem funktionellen Ansatz. durch eine Vielfalt an tatsächlich ökologisch Haaland et al. (2011) vermerkten fehlendes Wissen wirksamen Maßnahmen der regionalen, nationalen über die Effekte von Blühstreifen auf Parasitoide, und europäischen Agrarumweltprogramme. über diese ist allerdings seitdem nur eine Publika- tion erschienen. In den letzten zehn Jahren konnte zwar gezeigt werden, dass Blühflächen sehr attraktiv für räuberisch lebende Insekten sowie Spinnentiere sind, es fehlen jedoch eindeu- tige Erkenntnisse zu den Auswirkungen von erhöhten Artenzahlen und Häufigkeiten der Nütz- linge auf Schadorganismen in Agrarsystemen. Der Schwund der Biomasse fliegender Insekten (Hallmann et al. 2017; Sánchez-Bayo & Wyckhuys 2019) betrifft auch viele weitverbreitete Gruppen, die auch als „Allerweltsarten“ bezeichnet werden (Van Dyck et al. 2009; Haaland & Bersier 2011; Stadlmann & Adelmann 2019). Wie die vorliegende Bewertung aufzeigt, besitzen Blühflächen das Potenzial zur Stabilisierung von Populationen 82 ANLIEGEN NATUR 41(1), 2019
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