BORDEAUX WORLD OF - GRANDS CRUS CLASSÉS AUS SAINT-ÉMILION 36 BORDEAUX-WEINMACHER IN WORT UND BILD - VINUM
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JAHRESPUBLIKATION 2021 WWW.VINUM.EU WORLD OF BORDEAUX GRANDS CRUS CLASSÉS AUS SAINT-ÉMILION 36 BORDEAUX-WEINMACHER IN WORT UND BILD 700 SPITZEN-CRUS IM TEST
BLICK AUFS GANZE Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. dern zutiefst menschlich. Darum lassen wir auch in den fast Verliert sich im Detail und vergisst den Zusammenhang. Ein 40 Porträts dieser Ausgabe den Winzern und Weinmachern guter alter Freund sagte in solchen Momenten: «Ich pelle das Wort. Wir halten sie höchstens dazu an, vor lauter De- jetzt das Auge aus der Höhle und lasse es über mir schwe- tails die Botschaft, die sie per Flaschenpost in die ganze ben, dann finde ich die Übersicht wieder.» Heute würde er Welt senden, nicht ganz aus den Augen zu verlieren. dazu wohl eine Drohne verwenden. Eine klare Botschaft haben auch die Mitglieder der 1982 Im Weinbau ist Detailpflege Gold wert. «Ich jongliere je- gegründeten Vereinigung von 49 Grands Crus Classés aus des Jahr mit tausend Details, damit daraus ein stimmiges Saint-Émilion, die unermüdlich rund um die Welt unter- Ganzes wird», sagt ein bekannter Gutsverwalter in einem wegs sind, um für ihre Weine einzustehen und den Kontakt unserer zahlreichen Porträts in dieser Ausgabe. Ein weiterer mit Weinfreunden zu pflegen. Das liest sich etwa wie folgt: entdeckt die Natur, den Mikrokosmos seines Weinguts neu Wir bringen erstklassige Weine auf die Flasche, die sich und will das begeistert mit Besuchern teilen. Auf anderen jeder leisten kann, Weine, die möglichst unverfälscht ihre Spitzengütern sucht man in innovativer Kellerarchitektur natürlich gebliebene Umwelt widerspiegeln. Wir widmen Inspiration und in der Verbindung von Funktion und Form. diesen Weinmachern einen umfangreichen Beitrag. Oder pflegt Familienbande, indem man gemeinsam kocht. Der Umgang mit Wein ist keine exakte Wissenschaft, son- Rolf Bichsel BORDEAUX 2021 – VINUM 03
12 64 GRANDS CRUS CLASSÉS AUS SAINT-ÉMILION HERRLICHE AUSBLICKE Impressum Die VINUM-Sonderausgabe Bordeaux 2021 ist eine Sonderbeilage von VINUM, Europas Wein- magazin, ISSN 1663-2567, erschienen September 2021 Einzelverkaufspreis: 13.80 Franken/9,50 Euro VERLEGER Roland Köhler HERAUSGEBER / VERLAG Intervinum AG, Thurgauerstrasse 66, CH-8050 Zürich Tel. +41 (0)44 268 52 40, Fax +41 (0)44 268 52 65 info@vinum.ch, www.vinum.eu Nicola Montemarano, Verlagsleitung Miriam Schönenberger, Eventmarketing Raffaela Köhler, Verlagsmarketing Eva Pensel, Online-Redaktion Michèle Meissner, Lesermarketing 10 Alejandro Pecoraro, Verlagsmarketing 55 REDAKTION VINUM-Redaktion, Postfach 59 61, CH-8050 Zürich Tel. +41 (0)44 268 52 60, Fax +41 (0)44 268 52 65 redaktion@vinum.ch Rolf Bichsel, verantwortlicher Redakteur, Texte/Bilder Barbara Schroeder, Texte Inès C. De Boel, Chefin vom Dienst VERTIKALE VINUM-LESERSERVICE Schweiz: AVD Goldach AG, Sulzstrasse 10–12, PICHON BARON TÜCHTIGE FAMILIENBANDE 9403 Goldach, Tel. +41 (0)71 844 91 53, Fax +41 (0)71 844 93 45, leserservice@vinum.ch Deutschland: Vinum, Postfach 729, 77649 Offenburg Tel. +49 (0)781 639 4530, Fax +49 (0)781 639 4618, vinum@burdadirect.de, www.vinum.de/abo ANZEIGEN/WERBUNG Manuela Deganello, Backoffice 66 manuela.deganello@vinum.ch, Tel. +41 (0)44 268 52 91 Schweiz und International 82 Peter Heer, peter.heer@vinum.ch Intervinum AG, Thurgauerstrasse 66, 8050 Zürich Tel. +41 (0)44 268 52 40, Fax +41 (0)44 268 52 05 Deutschland/Österreich Markus Lutz, Verlagsrepräsentanz markus.lutz@vinum.de LEBENS- Falkenburgstr. 41 a, 97250 Erlabrunn Tel. +49 (0)9364 606 99 99, RÄUME Mobile +49 (0)1517 001 17 50 GUIDE 2018 / 2020: 46 Frankreich VINUM France, vinum@vinmedia.fr vinmedia eurl, Aux Parcs, F-33430 Cudos 700 SPITZENWEINE Tel. +33 (0)9 69 80 79 27 IM TEST GESTALTUNG UND PRODUKTION Art Director: Rolf Bichsel Grafik/Layout: Philippe Rérat STARSHIP, Titelbild: gettyImages / sebastien duverge Lektorat: Anne Fries, Lektorat & Übersetzungen Übersetzung: Hancock Hutton Fotos: Rolf Bichsel Produktions-/Vertriebsleitung: GELANDET Agentur Graf, CH-9001 St. Gallen produktion@vinum.info Alle Urheber- und Verlagsrechte an dieser Publikation oder Teilen davon sind vorbehalten. Jede Verwendung oder Verwertung, insbesondere Nachdruck, Verviel- 52 fältigung, Mikroverfilmung, Speicherung und Nutzung auf optischen wie elektronischen Datenträgern, bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags. Der Inhalt dieses Heftes wurde sorgfältig geprüft. Dennoch über- nehmen Autoren, Redaktion und Verlag keine Haftung für seine Richtigkeit. TRADITION UND HIGHTECH Alles auch online unter 78 www.vinum.eu/world-of- BARDE bordeaux-2021 BARTON
BORDEAUX LEBT WELTKLASSE FÜR JEDES BUDGET von Rolf Bichsel Für Die Spitzenweine aus Bordeaux waren noch nie so gut wie heute, Weitsichtige und es gab noch nie so viele davon. Doch die grossen historischen Güter der Region werden auch als Lebensraum immer attraktiver. Krisen haben auch ihr Gutes. Sie verlangen Reflektion. siert mich nur insofern, als es das Heute und Morgen be- Kommt dazu der Lockdown, die Quarantäne, zwingt dass einflusst. Ich hasse Polarisierung und unproduktive Mot- regelrecht zur Auseinandersetzung mit sich selbst. «Wer zerei und strebe lieber Lösungen an. Ich suche selbst im in die Ferne schweift, vergisst nur zu oft, dass Gutes doch Schlechten nach dem Guten und unterstütze es, so gut ich so nahe liegen kann», erklärt ein Gutsleiter in einem der kann. Bordeaux ist weinmässig nicht nur eine Weltmacht, Porträts in dieser Ausgabe, und fährt fort: «Weil wir nicht sondern zählt auch zu den innovativsten Weinregionen, ob reisen und teils nicht mal Besucher empfangen konnten, das gefällt oder nicht. Bordeaux ist später auf den Zug der waren wir auf uns angewiesen und entdeckten unser Um- Ökologiebewegung gestiegen als etwa das Burgund (was feld neu. Dabei wurde uns bewusst, wie privilegiert wir nicht zuletzt mit der Grösse vieler Güter zu tun hat), aber hier in Bordeaux eigentlich sind.» heute arbeitet es konsequent ökologisch. Dutzende neue, Ja, Bordeaux ist und bleibt eine verwöhnte Weinregion, so funktionelle wie ästhetische, aber auch fortschrittlichs- jedenfalls in der Kategorie der Spitzenweine. Man mag ten Umweltnormen gehorchende Keller sind in den letzten die grossen Güter kritisieren, ihnen genau ihre Grösse und Jahren entstanden und entstehen weiter. Das Wohl und damit ihre Macht und Präsenz auf dem Weltweinmarkt der Arbeitskomfort der Mitarbeiter werden immer wich- vorhalten, ihre Preispolitik in Frage stellen. Ich habe mich tiger. Der Empfang auf den Gütern wird dank neuer tou- Diese und weitere Weine finden Sie auf casadelvino.ch dazu so oft geäussert, dass ich das hier nicht noch ein- ristischer Infrastrukturen laufend verbessert. Die krisen- Casa del Vino SA, 8953 Dietikon | +41 44 295 90 60 mal tun will. Ich zähle mich ganz dreist zu den konstruktiv bedingte Reduzierung auf den eigenen Lebensraum hat vorwärtsdenkenden Individuen. Was gestern war, interes- auf vielen Gütern dazu geführt, dass Besitzer, Verantwort- Folgen Sie uns auf BORDEAUX 2021 – VINUM 07
DIE VINUM-RANGLISTE DER BESTEN ROTEN BORDEAUX Die Vinum-Klassierung der 50 besten roten Bordeaux (genau genommen sind es 51) erfolgte unter Berücksichtigung der Noten der letzten zehn regulären Verkostungen (2015 bis 2018 jeweils «en primeur» und abgefüllte Weine). Fehlte ein Wein in einer Verkostung (meist 2020), setzten wir stattdessen den Durchschnitt der vorhergehenden Degustationen ein. Die erzielte Gesamtnote wurde durch zwei geteilt und auf eine ganze Zahl auf- oder abgerundet, damit sie in etwa der Hundert-Punkte-Skala entspricht. Ein bekannter Wein (Vieux Château Certan) fehlt, weil er nicht oft genug an unseren Verkostungen teilnahm. Achtung, es handelt sich um einen Durchschnittswert aus zehn Noten, was die Gesamtpunktzahl automatisch etwas nach unten zieht. Arbeit im Gemüsegarten auf Château Talbot in Saint-Julien. 99 PUNKTE Château Pontet-Canet liche und Personal diesen vielleicht zum ersten Mal richtig Jahrzehnte reifen, das sei normal. Die Klimaerwärmung 96 PUNKTE wahrgenommen haben. Die Spitzengüter sind nicht nur hat wenigstens ein Gutes: Zuckerreichtum und Extrakt historische Monumente. Sie sind auch eigentliche Lebens- kann heute jeder. Der Unterschied liegt (wieder) in der Fri- Château Brane-Cantenac | Château Durfort-Vivens räume, erhaltenswerte Biotope, die der Mensch mit Flora sche, der Eleganz, dem Schliff der Tannine und der aroma- und Fauna teilt. So mancher Weinmacher hat entdeckt, tischen Vielschichtigkeit, in genau den Eigenschaften, mit 95 PUNKTE 91 PUNKTE 89 PUNKTE dass zu seinem Gut auch ein Park, Wiesen und Wald ge- denen Bordeaux einst zu Weltruhm gelangt ist. Bordeaux hören, grüne Lungen, die Abwechslung in die sonst recht hat noch nie bessere Weine gekeltert als heute und noch Château Ausone Château Calon-Ségur Château Beauséjour eintönige Reblandschaft bringen. Waldpfade werden wie- nie so viele davon. Nur ein Beispiel: Die Qualität der Grands Château Cheval Blanc Clos du Clocher Duffau-Lagarosse der begehbar und damit für Wanderer und Radler zugäng- Crus Classés aus Saint-Émilion, die zum Grossteil der Ver- Château Branaire-Ducru Château Haut-Brion lich gemacht. Hecken und Bäume werden neu gepflanzt, einigung AGCCSE (Association de Grands Crus Classés de 94 PUNKTE Château La Mission Château d’Issan um die Artenvielfalt zu erhalten oder zu erhöhen. Enten Saint-Émilion) angehören und denen wir in dieser Ausga- und Gänse schnattern, Hühner gackern rund um den ent- be ein spezielles Dossier widmen, ist schlicht sensationell. Château Haut-Bailly Haut-Brion Château Gazin schlammten Teich, Schafherden und Pferde weiden auf Hier findet der Weinfreund aktuell grossartige, terroirtreue Château Latour Château Palmer Château Gruaud-Larose den Wiesen, der alte Gemüsegarten wird wieder flott ge- Saint-Émilion, die nicht ein Vermögen kosten. Château Margaux Château Rauzan-Ségla Château Lafite Rothschild macht, all das zur Freude der immer zahlreicher werden- Trotz leichtem Preisanstieg für den ausgezeichneten Pri- den Besucher. Das heisst noch lange nicht, dass Bordeaux meurjahrgang 2020 gibt es ihren Preis werte Weine quer Château Mouton Rothschild Château La Gaffelière zum Freilichtmuseum verkommt. Die eigentliche Weinre- durch alle Kategorien. Im Schnitt unter 20 Euro etwa Fon- 90 PUNKTE Château Malescot gion wird einfach interessanter. Eilten Touristen früher von réaud (Listrac/Médoc) oder de Malleret (Haut-Médoc); 93 PUNKTE Château Batailley Saint-Exupery der attraktiven Grossstadt direkt an den Atlantik, machen unter 30 Euro etwa Monbrison (Margaux), Olivier (Pessac- Château Grand-Puy-Lacoste Château Beauregard Château Montrose sie heute auf dem Weg dorthin Halt. Und Wein wird wieder Léognan), de Sales, Laroque, Larose oder Franc Mayne das, was er sein sollte: ein in seine Umgebung integrier- (Saint-Émilion); unter 40 Euro etwa La Lagune (Haut-Mé- Château Léoville-Barton Château Bélair-Monange Château Pavie tes Gesamtwerk des Geniessens, entstanden im möglichst doc), Prieuré-Lichine, Lafon-Rochet oder Carbonnieux. Château Figeac Château Cos d’Estournel harmonischen Zusammenspiel von Mensch und Umwelt. Unter 50 Euro werden selbst absolute Spitzenweine wie Château Ducru-Beaucaillou 88 PUNKTE Château Pétrus Nicht ganz von ungefähr hat sich das auch auf den Stil Branaire–Ducru und Langoa-Barton (Saint-Julien), Beau- Château Pichon-Baron Château la Conseillante Domaine de Chevalier der grossen Bordeaux ausgewirkt. Ein harmonisches Um- regard oder Clos du Clocher (Pomerol) gehandelt. Und feld führt fast automatisch zu harmonischeren Weinen. das sind wirklich nur ein paar Beispiele. Château Pichon-Longueville Château Monbrison Château de Pressac Qualitativ sind die Spitzen-Bordeaux seit längerem tadel- Spitzenweine zeichnen sich dadurch aus, dass sie über Château Pape-Clément Château Fonroque los (und nicht nur diese, auch die Qualität der so genann- einen langen Zeitraum hinweg ausgezeichnet geraten. Wir 92 PUNKTE Château Lagrange ten einfacheren Weine nimmt weiter zu), nicht nur dank haben uns daher eine amüsante Rechenübung ausgedacht Château Saint-Pierre erstklassiger technischer Installationen, sondern auch und und die Noten der wichtigsten 200 Bordeaux der letzten Château Angélus Château Malartic-Lagravière gerade durch die drastisch verbesserte Rebarbeit. Bis vor zehn Verkostungen («en primeur» und abgefüllte Weine) Château Canon Château Pavie-Macquin fünf, zehn Jahren waren die wichtigsten Massstäbe für die zusammengezählt und durch Zwei geteilt. Das ergibt eine Château Prieuré-Lichine Château Ferrière Weinqualität Masse, Extrakt, Fülle und Dichte. Die Trinkig- Note auf der Hundert-Punkte-Skala. Das Resultat (von dem Château Giscours Château Petit Village keit blieb oft auf der Strecke. Kritik daran wurde mit dem jeder selber wissen muss, wie ernst er es nehmen will) folgt Argument beiseite gewischt, grosse Bordeaux müssten auf der nächsten Seite. Château Léoville-las-Cases Château Smith Haut-Lafitte 08 VINUM – BORDEAUX 2021 BORDEAUX 2021 – VINUM 09
VERTIKALE PICHON BARON 2009 Pichon Baron gehört zu den grössten Weinen der Welt. Generaldirektor Die Jahre 2009 und 2010 haben beide grossartige Weine erge- Christian Seely (linke Seite) weiss auch warum: Das 1855 ben. Doch im Gegensatz zum recht erratischen 2010er wirkte der 2009er schon als Jungwein sehr zugänglich. Er besitzt bis heu- zweitklassierte Gut besitzt erstklassige Böden aus tiefgründigem te exquisite Fruchtigkeit und fröhliche Fülle sowie ein Tannin aus Kies auf einem Plateau im Herzen von Pauillac. Samt und Seide. Wird noch lange Freude bereiten. 2010 Christian Seely hat lange gezögert, diesen sehr unnahbar wirken- Eine Vertikale dient nicht dazu, festzustellen, welcher Komplexität und gerät auch in so genannt kleineren Jahr- den Jahrgang bei Tisch zu entkorken. Erst seit etwa zwei Jahren Jahrgang am besten ausfällt, sondern dazu, herauszufin- gängen hervorragend. Es gibt in den letzten 30 Jahren öffnet sich der 2010er nach und nach. Die vorherrschende Tro- den, wie sich ein Wein am jeweiligen Jahrgang ausrichtet. nicht einen Pichon-Jahrgang, der nicht zu empfehlen wäre. ckenheit führte zu kleineren Beeren als 2009. Der Wein wirkt trotz «Pichon Baron, das ist die gleichsam transzendente Ver- Dafür, dass Baron sich dennoch stetig weiterentwickelt, seiner Fülle deutlich durch die Struktur geprägt und zeigt grosse bindung von Kraft und Eleganz», sagt Christian Seely. sorgt Weinmacher Jean-René Matignon, der seit 1986 Rasse. In einigen Jahren dürfte er den 2009er noch übertreffen. «Diesen Grundcharakter zeigen alle Jahrgänge. Am An- auf Pichon tätig ist. «Jean-René hat eine ganz besondere fang steht das Plateau von tiefgründigem Kies, auf dem Qualität: Er kennt das Terroir von Pichon wie seine Hosen- 2012 unsere alten Cabernet-Sauvignon-Reben reifen und Weine tasche, doch er ordnet sich diesem immer unter. Mit dem Das Jahr illustriert noch mehr als 2014, wie gut auf Pichon Baron von besonderem Schliff und exquisiter Finesse ergeben.» Erreichten ist er nie ganz zufrieden und sucht sich folglich auch weniger hoch bewertete Jahrgänge geraten. Der 2012er be- Zur Freude des Guts stellt Pichon Baron geradezu die Jahr für Jahr noch zu verbessern. Doch nie will er den Ter- sitzt bis heute einen besonders präzisen, aromatischen Ausdruck Quintessenz des grossen Pauillac dar, er besitzt die Ele- roirausdruck domptieren. Er will ihn höchstens noch reiner, und beeindruckende Subtilität, Harmonie und Finesse. Jetzt voll- ganz eines Lafite, die Fülle eines Mouton und die Rasse noch unverfälschter auf die Flasche bringen.» Wie gut ihm endet und damit der Wein, der aktuell das Warten auf die gemütli- eines Latour. Er verrät schon «en primeur» Exzellenz und dies gelungen ist, illustrieren die Verkostungsnotizen zu cher reifenden Jahrgänge des Deuxième Cru aus Pauillac versüsst. Harmonie, reift ewig, entwickelt besondere aromatische sechs Jahren auf der gegenüberliegenden Seite. 2014 Besitzt im Vergleich zum 2012er mehr Fleisch, doch weniger Fül- le als der 2015er. Er repräsentiert den Stil von Pichon Baron auf besonders eindeutige Art und Weise und ist das Resultat eines eher kühlen Sommers sowie eines ewig warmen und trockenen Herbstes und damit einer optimalen Traubenreife. Seine Frische und Eleganz wird er auch in den nächsten Jahren nicht verlieren. 2015 Im Gegensatz zu seinem Vorgänger profitierten seine Trauben vom heissen und trockenen Sommer und wurden früher einge- bracht. Verglichen mit dem 2014er wirkt der 2015er geradezu überschwänglich vollmundig und grosszügig, mit verführerischen Noten reifer Beeren. Darf noch vier, fünf Jahre ruhen und wird zwei Jahrzehnte halten. 2016 Zeigt dank eines witterungsmässig geradezu ideal verlaufenen Weinjahres trotz seiner Jugend besondere Frische, Tiefe und Ras- se sowie grösste Harmonie. Die Qualität der Tannine ist einmalig. Gehört zusammen mit dem 2010er zu den beeindruckendsten Weinen der Verkostung und kann ewig reifen.
ASSOCIATION DE GRANDS CRUS CLASSÉS DE SAINT-ÉMILION Wo geht in Bordeaux heute die Post ab? In Saint-Émilion natürlich, genauer gesagt auf den Gütern, die sich der umtriebigen Association de Grands Crus Classés de Saint-Émilion angeschlossen haben. Mehr als Grund genug, dieser Organisation einen ausführlichen Beitrag zu widmen. 12 VINUM – BORDEAUX 2021 BORDEAUX 2021 – VINUM 13
Saint-Émilion ist ein beson- ders gut erhaltenes, pittoreskes, mittelalterlich anmutendes Dorf. Mit seinen zahlreichen Sehenswürdigkeiten ist es zum eigentlichen Besucher- magnet geworden. Wenn wir bei unseren Verkostungen die Güter der Mitglie- der der Vereinigung von Grands Crus Classés aus Saint- Émilion bevorzugt behandeln, hat das gleich mehrere Gründe. Erstens stehen wir auf Solidarität unter Winzern und Gutsbesitzern. Wenn alle am gleichen Strang ziehen, geht vieles leichter, schneller und besser. Davon profitieren nicht nur die Produzenten selbst, sondern auch die Konsu- menten. Wollen Sie mehr über Saint-Émilion-Güter wissen, die neuen Wind in alten Segeln haben (davon umgehend mehr), tippen Sie einfach das Kürzel AGCCSE in die Such- maschine. Zweitens ist Konkurrenz, die auf freundschaftli- chem Austausch beruht, gut und nützlich. Konkurrenz, die Mitbewerber dazu anspornt, sich von jenen mitreissen zu lassen, die bereits Fortschritte erzielt haben. Drittens re- präsentieren die Mitglieder eine Gruppe von Weingütern, die nicht nur hervorragend arbeiten, sondern auch immer keine Reben mehr wachsen, doch so ganz daneben schies- grüner werden, nicht nur auf dem Papier. Viertens stehen sen unsere imaginären Zeichner dennoch nicht. Denn das die AGCCSE-Winzer für besonders zuverlässige, aber auch Dorf existiert tatsächlich. Es heisst Saint-Émilion, besitzt vielfältige Weine, die auf einem ganzen Mosaik hervorra- nicht nur eine Kirche, sondern eine ganze Anzahl davon, gend geeigneter Böden entstehen. Fünftens stehen hinter thront tatsächlich ganz oben auf einem Hügel aus reinem fast allen Gütern Familien, die sich mit Leidenschaft für ihre fossilem Kalk und liegt am rechten Ufer eines Flusses, der Domäne einsetzen. Sechstens unterscheiden sich Grands Dordogne heisst und etwas weiter in Flussrichtung mit Crus Classés aus Saint-Émilion vor allem in einem von Pre- einem zweiten solchen zusammentrifft, der Garonne. Ge- miers Crus der nämlichen Ecke: Ihre Weine sind verblüffend meinsam werden sie zur Gironde, die schliesslich in den At- erschwinglich geblieben. Nein, nicht billig. Mit Geiz kommt lantik mündet. Und der urzeitliche Ozean, der Saint-Émilion man kaum zum grossen Wein. Sie sind ihren Preis wert, also und seine Umgebung einst bedeckte, ist effektiv einem ge- im wahrsten Sinn des Wortes preiswert. Siebtens handelt es waltigen Meer von Reben gewichen, die rings um das Dorf sich oft um historische Güter, die alte Weinbautradition mit ausgezeichnete Bedingungen vorfinden. modernen Anbau- und Kelterbedingungen zu paaren wis- sen. Und achtens – doch weiter mal schön der Reihe nach. Links gehen, rechts sehen Das erste, was man im Bordeaux des Weins lernen muss, Die Kirche bleibt im Dorf ist, dass es rechtsufrige und linksufrige Anbaugebiete gibt Natürlich kennt Bordeaux jeder Mensch auf diesem Pla- und dass dies den Winzern gar nicht einerlei ist, denn Sit- neten, weiss exakt wo der Ort liegt, wie er aussieht und ten und Gebräuche unterscheiden sich beträchtlich dies- wie man alle Weinheiligen der Region auseinanderhält, die seits und jenseits der Flüsse. Es gibt nicht ein Bordeaux, unter dem Namen der Stadt die Welt des Weins erobert es gibt gleich mehrere davon, was bei einer Anbaufläche haben. Wäre dem nicht so, würden Max oder Moritz oder von über 100 000 Hektar ja auch kein Wunder ist. Wer gut Sam oder Pam Bordeaux wohl als lauschiges, von einem aufgepasst hat, hat mitgekriegt, dass Saint-Émilion zu den Meer aus Reben umgebenes Dorf auf einem Hügel malen, rechtsufrigen Anbaugebieten gehört. Zusammen mit ihren mit stattlichen Häusern, aus deren Mitte stolz ein Kirchturm so genannten Satellitengemeinden bringt es die Region auf ragt. Nun ist Bordeaux zwar eine Grossstadt, in der längst stolze 7500 Hektar Reben, verteilt auf vier AOCs. Die Crus 14 VINUM – BORDEAUX 2021 BORDEAUX 2021 – VINUM 15
Classés besetzen nur einen kleinen Teil davon, aber ganz ter ausbrach als am linken Ufer, aber nicht weniger heftig, sicher nicht den schlechtesten. machte alle Anstrengungen in diese Richtung zunichte. Mit Wer hat den New French Claret erfunden, wie die Eng- der Schaffung der AOC wurde 1936 der erste Grundstein länder den dunklen, geheimnisvoll duftenden und gut zu einem Neustart gelegt. 1954 wurde das Reglement um reifefähigen Rotwein der Gironde ab dem 17. Jahrhundert drei zusätzliche Appellationen erweitert: Saint-Émilion nannten? Wer hat ihn weltberühmt gemacht, den «neuen Grand Cru, Saint-Émilion Grand Cru Classé und Saint-Émi- grossen Bordeaux»? Natürlich der traditionelle Bordeaux- lion Premier Grand Cru Classé. 1955 wurde schliesslich die Handel, und der sitzt bis heute in der Grossstadt an der Ga- eigentliche Klassierung verankert, mit der Auflage jedoch, ronne. Fast automatisch hat er sich folglich zuerst für die diese alle zehn Jahre zu revidieren, ganz im Gegensatz zum linksufrigen Anbaugebiete eingesetzt und so gut wie aus- historischen Klassement von 1855. Die nächste Revision ist schliesslich Weine aus den historischen Weinschlössern des für 2022 vorgesehen. Die aktuell gültige Klassierung von linken Ufers in alle Welt verschickt. Für die rechtsufrigen 2012 unterscheidet 18 Premiers Grands Crus Classés und Zonen zeigte er erst 200 Jahre später mehr oder weniger 64 Grands Crus Classés. 49 davon gehören zurzeit der 1982 Interesse. Bei der ominösen Klassierung von 1855 wurden geschaffenen Vereinigung AGCCSE an. Ihre Vertreter reisen noch ausschliesslich linksufrige Güter berücksichtigt: meh- unermüdlich rund um die Welt, um mit Weinfreunden ihre rere Dutzend aus Sauternes und dem Médoc und eines aus Leidenschaft für eigenständige Saint-Émilion zu teilen. den Graves de Bordeaux, heute Pessac-Léognan. Das mag Womit der historische Bogen geschlagen wäre und wir den Eindruck verstärkt haben, die Erschaffung des «neuen wieder beim eigentlichen Thema gelandet sind: den Saint- grossen Bordeaux» sei allein am linken Ufer passiert. Das ist Émilion-Gütern, auf denen in den letzten 20, 30 Jahren nicht ganz falsch. Aber ganz richtig auch nicht. Enormes geleistet wurde und die so zu einer echten Sen- Es kann ganz gut sein, dass der Weinbau der Gironde sation geworden sind. Die technische Qualität ihrer Weine in Saint-Émilion begonnen hat. Die guten alten Römer, die mag seit längerem unbestritten sein: In den letzten zehn auch Bordeaux zivilisierten und ihre Errungenschaften mit Jahren – und erst recht in den letzten drei – ist dazu eine den Einheimischen teilten, bauten ihre Landsitze bevorzugt wahre Stilrevolution gekommen. Der Bordeaux-Boom hat in der hügeligen Ecke um das heutige Dorf – zu jeder Rö- gerade im ländlichen Saint-Émilion mit seinen flächenmä- mervilla gehörte ein Weinberg. Die sanften Hänge aus Lehm ssig bescheidenen Gütern (Ausnahmen bestätigen nur die über Kalk, wie sie charakteristisch sind für Saint-Émilion, Regel), die daher trotz steigenden Hektarpreisen verhält- waren nicht nur bestens für den Weinbau geeignet, sie mö- nismässig erschwinglich geblieben sind, Neuwinzer aus al- gen die Eroberer auch an ihre Heimat erinnert haben. Da- ler Welt angezogen, die sich hier den Traum vom eigenen mit nicht genug: Rund tausend Jahre später, als das Médoc Weingut erfüllen konnten. Meist waren es Familien oder an noch eine einzige Feuchtzone war, gab es um Saint-Émilion Weinbau interessierte Erben, die Weingüter übernahmen, bereits eine Handvoll Weinschlösser, und ab dem 17. Jahr- die mitunter ziemlich heruntergewirtschaftet waren, weil hundert brach auch hier ein regelrechtes Weinfieber aus. – nicht zuletzt nach dem Frost von 1956 – vielen einheimi- Doch vorerst wurde die Ernte der Weinschlösser vor allem schen Besitzern ganz einfach die Mittel fehlten, Rebberge in der Region selbst und im Norden Frankreichs abgesetzt. qualitativ neu zu bepflanzen und Keller und Gebäude zu Die Tatsache, dass die Weine aus Saint-Émilion und des- unterhalten. Frisches Kapital von Menschen von ausserhalb, sen Umfeld später zu internationalem Erfolg kamen, mag denen ihre Leidenschaft wichtiger war als Wertschöpfung auch Vorteile haben. Saint-Émilion und seine Umgebung in Rekordzeit und die langfristig, teils für Generationen, sind naturbelassen geblieben und besitzen bis heute länd- planten, kam da wie gerufen und sorgte für eine Dynamik, lichen Charme. Als pittoreskes, mittelalterlich anmutendes von der sich auch die verbliebenen einheimischen Guts Dorf wurde Saint-Émilion zum eigentlichen Besucherma- besitzer anstecken liessen. gnet. Bescheidener, aber nicht weniger romantisch sind auch die Dörfer der näheren Umgebung. Der 1999 erfolgte Von Stilbruch und Stilrevolution Eintrag als Kulturgut der Menschheit – Saint-Émilion ist die Es braucht allerdings mindestens ein Jahrzehnt und erste Weinregion der Unesco, die das geschafft hat – ist fer- meist länger, ein Weingut wenigstens technisch wieder auf ner die Garantie dafür, dass dies auch noch lange so bleiben Vordermann zu bringen. Wer dies schaffen und wenigstens soll. Seit gut 20 Jahren ist es hier so gut wie unmöglich, einen kleinen Teil der Investition zurückerstattet haben will, irgendwelche architektonischen Schandflecken in die Welt muss sich stilmässig vorerst wohl oder übel vorherrschen- zu setzen. Das gilt selbst für Kellerneubauten, die strengen den Moden anpassen. Viele Saint-Émilion sahen bis Ende Auflagen genügen müssen. Was nicht heissen soll, dass der 1980er Eiche nur von weitem und es fehlte ihnen an Far- Saint-Émilion zu einem Freilichtmuseum verkommen ist. be, Struktur und Dichte. Etwa ab dem Jahr 2000 hingegen Eine ganze Anzahl Stararchitekten haben attraktive, mitun- besassen viele Weine plötzlich fast zu viel davon, dennoch ter recht gewagte neue Keller entworfen und gebaut, die produzierte Saint-Émilion als Ganzes gewiss weit besse- sich aber immer ausgezeichnet in die Landschaft einfügen re, aber stilmässig etwas unverbindliche Weine. Immerhin, und den Besuch der Region doppelt lohnenswert machen. gerade unter den Crus-Classés-Besitzern gab es etliche, die der Mode standhielten und weiter finessenreiche Wei- Klasse Idee mit Verspätung ne produzierten, die bei Blindverkostungen zwar im Lärm Die Idee, auch in Saint-Émilion eine Klassierung durch- der Masse untergingen, echten Weinfreunden aber grösste zuführen, kam schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun- Wonne bereiteten. Andere schafften nonchalant den Spa- derts auf. Doch die Reblauskrise, die hier zwar etwas spä- gat, Fülle und Struktur mit Rasse und Eleganz zu vereinen. 16 VINUM – BORDEAUX 2021 BORDEAUX 2021 – VINUM 17
«Ob gewagt modern oder klassisch, Saint-Émilions Schlösser und Keller fügen sich nahtlos in die Landschaft ein.» Doch in den letzten Jahren ist es zu einer eigentlichen an der Oberfläche sorgt für kräftige Weine mit viel Tannin stilmässigen Revolution gekommen, die gerade von den und ausgeprägtem Süsskomplex. Verwitterter Sand und Gütern der AGCCSE getragen wird. Der Entwicklung liegt mageres Kiesgeröll verzögern die Reife, erhalten die Säure die banale Erkenntnis zu Grunde, dass Wein zuerst einmal und mässigen den Alkohol. Bei den heutigen Witterungs- Genuss vermitteln soll; dass er dies besser tut, wenn er sich bedingungen ist das mehr und mehr ein Vorteil, sogar im vom Wein des Nachbarn unterscheidet; dass ein grosser Osten und Norden des Hügels. Wein im Rebberg entsteht und möglichst authentisch das Die Terroirs des Médoc sind recht einheitlich und ändern wiedergeben soll, was man Terroir nennt: dass das kom- sich nicht wie im Burgund alle zwei Meter. In Saint-Émilion plexe Zusammenspiel von Boden, Klima, Mikroklima, Aus- ist das nicht so. Trotz ihrer mitunter bescheidenen Grösse richtung, Mensch, dessen Philosophie und Geschichte, eine besitzen die meisten Crus Classés Parzellen auf mehreren Rolle spielt; dass ein gesunder, ideal in seine natürliche Um- mehr oder weniger unterschiedlichen Bodentypen in unter- gebung integrierter Rebstock einfach gehaltvollere Trauben schiedlichen Ausrichtungen und Höhenlagen. Viele haben trägt. «Man muss hier leben, um zu verstehen, wie vielfäl- in den letzten Jahren ihre Keller überholt und in kleinere tig unsere Böden sind. Es ist nicht so, dass Menschen ihre Gärbehälter investiert, die es möglich machen, Parzellen Umgebung prägen. Die Umgebung prägt den Menschen», oder sogar Parzellenteile getrennt zu ernten und zu vini- weiss eine zur Gruppierung gehörende Winzerin. fizieren. Das erhöht – dank perfekt reifer Trauben, die ge- rade für den Merlot so wichtig sind, dessen ideales Ernte Das Lied vom Terroir zeitfenster weit enger ist als das der Cabernets – nicht nur Massgeblich für die Qualität von Trauben ist der Wasser- die Präzision im fertigen Wein (wo nicht getrennt verar- haushalt eines Bodens. Die Rebe mag es weder zu feucht beitet werden kann, lohnt es sich auch nicht, getrennt zu noch zu trocken. Grösste Komplexität erreicht ein Reben- ernten, wenn dann doch alles in den gleichen Tank kommt saft dann, wenn er aus Grundweinen verschnitten werden und nicht mehr separiert werden kann; man wird folg- kann, deren unterschiedliche Anlagen sich ergänzen. Die lich in diesem Fall eher zu spät ernten als zu früh, was zu Sortenwahl mag diese Komplexität beeinflussen, doch schwerfälligen Grundweinen führt), sondern auch die Viel- der Terroirfaktor soll dominieren. Die Reblagen von Saint- schichtigkeit. Wer mehr qualitativ hochstehende, aber stil- Émilion liegen rund um einen Hügelzug. Das impliziert un- mässig unterschiedliche Komponenten zur Verfügung hat, terschiedliche Ausrichtungen und Höhenlagen und damit produziert komplexere Weine. Das erste Grand Cru Classé unterschiedliche Sonneneinstrahlung. In Bordeaux herrscht der Region mit Biozertifikation war ein Mitglied der Verei- atlantisches Klima, doch in Saint-Émilion werden bereits nigung: Das hatte Vorbildcharakter. Mehr und mehr Güter, mildernde kontinentale Einflüsse spürbar. Hier wachsen von denen hier die Rede ist, arbeiten im Rebberg naturnah, Steineichen und andere Zeugen mediterraner Flora. Der stellen aktuell auf biologischen Anbau um oder sind bereits nahe Fluss mag einen weiteren mildernden Einfluss haben. für biologischen und/oder biodynamischen Anbau zer- Bis vor rund zehn Jahren galt eine Lage im Süden des Dor- tifiziert. Weine aus naturnahem Anbau besitzen nicht nur fes als klarer Vorteil, auch wenn mindestens zwei bekannte messbar mehr Säure, sondern auch grössere aromatische Güter dies resolut widerlegen: Cheval Blanc und Figeac. Komplexität. Der Satz «Was nützt es, auf dem besten Wein- Doch beide unterscheiden sich nicht nur in puncto Terroir, bauterroir zu sitzen, wenn man damit umgeht wie mit einer sondern auch in puncto Sortenwahl von den Weinen des so Autobahn» ist geradezu zum Leitmotiv geworden. «Ich will genannten Plateaus und sind folglich nicht unbedingt re- wirklich keine Lektionen erteilen. Jeder muss auf seine Art präsentativ für die Appellation. glücklich werden. Doch irgendwie freut es mich doch, dass Das auf rund hundert Metern Höhe kulminierende Plateau wir, die vor 20 Jahren auch hier im grünen Saint-Émilion als von Saint-Émilion besteht aus einem Gerippe von fossilem Spinner galten, jetzt als Vorbild dienen», sagt schmunzelnd Kalk. Dieser spielt eine grosse Rolle als Feuchtigkeitsregu- ein in Ehren ergrauter Biopionier. lierer. Kalk ist porös und saugt Wasser auf: Zu viel davon Fazit: Wir brechen hier und heute eine Lanze für die der fliesst besonders in den Hanglagen ab. Ein Untergrund von Assoziation angehörenden Grands Crus Classés aus Saint- hartem Lehm hat ähnliche Eigenschaften. Beide fördern die Émilion, weil wir der festen Überzeugung sind, dass gerade regelmässige, gemächliche Reife, ohne die Zuckerproduk- der «Esprit de Groupe», der Teamgeist, diese Revolution tion zu forcieren, ohne dass es zu einem zu ausgedehnten ermöglicht hat. Ihm ist es massgeblich zu verdanken, dass Stopp des Reifeprozesses kommt, der in harten Gerbstof- aus Saint-Émilion echt sensationelle Weine kommen, mehr fen resultieren würde. Die meisten Crus Classés profitieren und mehr im Einklang mit der Natur gekeltert, vielfältig, von dem einen oder anderen Untergrund. Wichtig ist wei- vernünftig im Preis, vollmundig und doch trinkig, ungemein ter, was über dem Untergrund liegt. Magerer Kalk kann an fruchtig und doch gut lagerfähig. Selbst wer Bordeaux in die Oberfläche treten – er nährt die Rebe nur zaghaft, was den letzten Jahren den Rücken gekehrt hat, sollte sich für sich positiv auf die Eleganz, den Schliff, die Mineralität eines die Grands Crus Classés aus Saint-Émilion interessieren, die Weins auswirken mag. Eine dicke Schicht aus fettem Lehm wir auf den folgenden Seiten präsentieren. 18 VINUM – BORDEAUX 2021 BORDEAUX 2021 – VINUM 19
TERROIR, GEOGRAPHIE UN D ALLE 49 GÜTER DIE GÜTER DER AGCCSE 27 AUF EINEN BLICK 7 26 Paris 1. Château Barde Haut 30 2. Château Bellefont-Belcier 45 5 3. Château Bellevue 12 Saint Emilion 4. Château Cadet Bon 35 5. Château Chauvin La Bar Bordeaux abanne 6. Château Clos de Sarpe 15 36 7. Château Corbin 8 37 13 33 8. Château Côte de Baleau 16 9. Château Les Grandes Murailles 43 10. Clos Saint-Martin 11 4 38 SAINT- 49 24 40 CHRISTOPHE- 22 11. Clos des Jacobins 29 6 DES-BARDES 12. Château La Commanderie 28 25 31 44 13. Clos de l’Oratoire 48 21 14. Couvent des Jacobins 41 9 14 34 15. Château Dassault 10 1 39 3 42 16. Château Faurie de Souchard SAINT-ÉMILION 17. Château de Ferrand 18. Château de Pressac 18 19. Château Destieux 19 20. Château Faugères 17 20 21. Château Fleur Cardinale 47 46 SAINT-ÉTIENNE- 22. Château Fombrauge 23 DE-LISSE 23. Château Fonplégade SAINT-HIPPOLYTE 24. Château Fonroque 2 25. Château Franc Mayne SAINT-LAURENT- 26. Château Grand Corbin DES-COMBES 27. Château Grand Corbin-Despagne 28. Château Grand Pontet 29. Château Haut Sarpe 30. Château Jean Faure 31. Château la Couspaude 32. Château la Fleur Morange 33. Château la Marzelle 34. Château la Serre Kalkböden fossilen Ursprungs 35. Château la Tour Figeac 36. Château Laniote Roter und brauner Lehm über fossilem Kalk 37. Château Larmande Kalk über Molasse 38. Château Petit Faurie de Soutard 39. Château Laroque Sandböden auf den Ausläufern de Plateaus 40. Château Laroze Lehm über Molasse 41. Château le Chatelet 42. Château le Prieuré Sandböden in der Talsohle 43. Château Moulin du Cadet 44. Château Sansonnet Kies-Sand-Böden 45. Château Ripeau Alte Schwemmsandböden 46. Château Rochebelle 32 47. Château Saint-Georges Côte Pavie SAINT-PEY- D’ARMENS 48. Château Villemaurine 49. Château Yon Figeac 20 VINUM – BORDEAUX 2021 BORDEAUX 2021 – VINUM 21
DIE 49 CHÂTEAUX DER AGCCSE 15. Dassault 33330 Saint-Émilion 24. Fonroque 33330 Saint-Émilion 33. La Marzelle 33330 Saint-Émilion 41. Le Chatelet 33330 Saint-Émilion Mit Gemeinde, Besitzer/Verantwortlichem, Webadresse, Rebfläche, Dassault Wine Estates/Romain Depons Famille Guillard/Alain Moueix Famille Sioen/Jean-Charles Joris Julien Berjal Rebsorten, Besonderheiten. Wenn nicht anders vermerkt, bieten die www.dassaultwineestates.com www.fonroque.com www.lamarzelle.com/fr www.chateau-le-chatelet.com 24 H, Sand-Lehm über Molasse 17,6 H, Lehm/Kalk; 80% M, 20% Cf 17 H, Kies/Lehm; 73% M, 20% Cf, 7% Cs 3,19 H Lehm/Kalk; 80% M, 20% Cf Güter Besuch auf Voranmeldung mit Verkostung an und führen eine 70% M, 25% Cf, 5% Cs Boutique. H = Hektar, M = Merlot, Cf = Cabernet Franc, Cs = Cabernet 25. Franc Mayne 34. La Serre 42. Le Prieuré Sauvignon, Pv = Petit Verdot, Mc = Malbec, Cm = Carménère. 16. Faurie de Souchard 33330 Saint-Émilion 33330 Saint-Émilion 33330 Saint-Émilion 33330 Saint-Émilion Famille Savare/Pierre Arnald Arnaud d’Arfeuille Les Terroirs de Suravenir Fam. Dassault/Romain Depons www.chateaufrancmayne.com www.chateaulaserre.com www.chateauleprieure.com 1. Barde Haut 8. Côte de Baleau www.dassaultwineestates.com 7 H, Lehm/Kalk/Sand über Lehm; 7 H Kalk; 80 % M, 20 % Cf. 6,24 H, Kalk, 80% M, 20% Cf 33330 Saint-Émilion 33330 Saint-Émilion 12 H, Lehm/Sand-Lehm; 70% M, 90% M, 10% Cf | Gästezimmer Hélène Lévêque Philippe Cuvelier 25% Cf, 5% Cs 35. La Tour Figeac 43. Moulin du Cadet www.chateaubardehaut.com www.cotedebaleau.com 26. Grand Corbin 33330 Saint-Émilion 33330 Saint-Laurent des Combes 16,89 H, Lehm/Kalk; 73% M, 27% Cf 15 H, Lehm über Kalk/Lehm-Sand; 17. de Ferrand 33330 Saint-Émilion Famille Rettenmaier/Pierre Blois Marie-Bénédicte Lefévère 90% M, 10% Cf 33330 Saint-Hippolyte Groupe SMA/Laure Canu www.latourfigeac.fr www.chateau-sansonnet.com 2. Bellefont-Belcier Philippe & Pauline Chandon-Moët www.grandcorbin.com 14,6 H, Kies/Sand über tiefgründigem 2,85 H, Lehm/Kalk, 100% M 33330 Saint-Émilion 9. Les Grandes Murailles www.chateaudeferrand.com 29,5 H, Silizium über Lehm; 80% M, Lehm; 65% M, 35% Cf Famille Kwork/Jean-Christophe Meyrou 33330 Saint-Émilion 42 H, Lehm/Kalk; 70% M, 29% Cf, 1% Cs. 16% Cf, 4% Cs 44. Sansonnet www.vignoblesk.com Philippe Cuvelier Keine Boutique und keine Verkostung 36. Laniote 33330 Saint-Émilion 13,5 H, Lehm über Kalk; 72% M, 17% Cf, www.cotedebaleau.com 18. de Pressac 33330 Saint-Émilion Marie-Bénédicte Lefévère 11% Cs | Gästezimmer 2 H, Lehm-Kalk; 100% M. 33330 Saint-Etienne de Lisse 27. Grand Corbin-Despagne Arnaud und Florence de la Filolie www.chateau-sansonnet.com Jean-François Quenin 33330 Saint-Émilion www.laniote.com 7 H, Lehm/Kalk; 85% M, 8% Cf, 7% Cs 3. Bellevue 10. Clos Saint-Martin www.chateaudepressac.com François Despagne 5 H, Lehm über Kalk; 80% M, 15% Cf, 33330 Saint-Émilion 33330 Saint-Émilion 36 H, Kalk/Lehm über Kalk; 71% M, www.grand-corbin-despagne.com 5% Cs 45. Ripeau Pradel de Lavaux/Hubert de Boüard Sophie Fourcade 16% Cf, 9% Cs, 2% Cm, 2% Mc 28,8 H, eisenhaltiger blauer Lehm/ Gästezimmer 33330 Saint-Émilion de Laforest Keine Homepage Silizium/Sand; 75% M, 24% Cf, 1% Cs Peggy et Cyrille Grégoire www.chateaubellevue.fr 1,36 H, Lehm über Kalk; 80% M, 19. Destieux 37. Larmande www.chateau-ripeau.com 6,82 H, Lehm und Kalk; 100% M 15% Cf, 5% Cs 33330 Saint-Émilion 28. Grand Pontet 33330 Saint-Émilion 16,1 H, Sand/Kies/eisenhaltiger Lehm; Restaurant Nicht für Besucher geöffnet Christian Dauriac 33330 Saint-Émilion AG2R la Mondiale/Bertrand de Villaines 65% M, 30% Cf, 5% Cs www.vignobles-dauriac.com Marie Pourquet www.chateau-larmande.fr 4. Cadet Bon 11. Clos des Jacobins 8,12 H, Lehm/Kalk/Silizium; 66% M, www.chateaugrandpontet.com 20 H, Lehm/Kalk/Silizium; 65% M, 46. Rochebelle 33330 Saint-Émilion 33330 Saint-Émilion 17% Cf, 17% Cs 14 H, Lehm/Sand über Kalk, 70% M, 30% Cf, 5% Cs 33330 Saint-Laurent des Combes Guy Richard Thibaut & Magali Decoster 18% Cf, 7% Cs, 5% Mc Keine Boutique Philippe Faniest www.cadet-bon.com/fr www.mtdecoster.com 20. Faugères www.châteaurochebelle.com 5,84 H, Lehm/Kalk; 80% M, 20% Cf 8,5 H, Kalkfels/Lehm/Kalkgeröll; 80% 33330 Saint-Étienne de Lisse 29. Haut Sarpe 38. Petit Faurie de Soutard 3 H, Lehm/Kalk; 85% M, 15% Cf M, 18% Cf, 2% Cs Silvio Denz 33330 Saint-Émilion 33330 Saint-Émilion Restaurant 5. Chauvin Restaurant www.chateau-faugeres.com Jean-Philippe Janoueix AG2R la Mondiale/Bertrand de Villaines 33330 Saint-Émilion 37 H, Kalk/Kalk-Lehm über Molasse www. hautsarpe.com www.chateau-soutard.com 47. Saint Georges Cote Pavie Sylvie Cazes 12. La Commanderie 85% M, 10% Cf, 5% Cs 19 H, Lehm über Kalk; 70% M, 30% Cf 8 H, Lehm/Kalk/Sand; 79% M, 33330 Saint-Émilion www.chateauchauvin.com 33330 Saint-Émilion Gästezimmer 20% Cf, 4% Cs Philippe Masson 15 H, Lehm-Sand/eisenhaltiger Lehm; Thibaut & Magali Decoster 21. Fleur Cardinale www.saint-georges-cote-pavie.com 70% M, 25% Cf, 5% Cs www.mtdecoster.com 33330 Saint-Émilion 30. Jean Faure 39. Laroque 5 H, Lehm/Kalk; 80% M, 20% Cf 3,7 H, Kalksplitter/eisenhaltiger Sand/ Dominique & Florence Decoster 33330 Saint-Émilion 33330 Saint-Christophe des Bardes 6. Clos de Sarpe Lehm; 75% M, 25% Cfs | Restaurant www.fleurcardinale.com Olivier Decelle/Marie-Laure Latorre Famille Beaumartin/David Suire 48. Villemaurine 33330 Saint-Émilion 23,5 H, Lehm über Kalk; 76% M, www.jeanfaure.com www.chateau-laroque.com 33330 Saint-Émilion Jean-Guy Beyney 13. Clos de l’Oratoire 18% Cf, 6% M 18 H, Lehm; 35% M, 60% Cf, 5% Mc 61 H, Lehm über Kalkfels; 88% M, Marie-Bénédicte Lefévère www.clos-de-sarpe.com 33330 Saint-Émilion 10% Cf, 2% Cs www.villemaurine.com/index.php/fr 3,7 H, Lehm über Kalk; 85% M, 15% Cf Stephan von Neipperg 22. Fombrauge 31. La Couspaude 7 H, Kalkplateau; 80% M, 20% Cf Führt keine Boutique. www.neipperg.com 33330 Saint-Christophe des Bardes 33330 Saint-Émilion 40. Laroze 13,07 H, Lehm/Kalk, Molasse; 80% M, Bernard Magrez Famille Aubert 33330 Saint-Émilion 49. Yon Figeac 7. Corbin 20% Cf www.bernard-magrez.com www.aubert-vignobles.com Guy Meslin 333330 Saint-Émilion 33330 Saint-Émilion 58 H, Lehm/Kalk/Molasse; 90% M, 7,01 H, Lehm/Kalk; 75% M, 20% Cf, 5% Cs www.laroze.com Alain Château Anabelle Cruse Bardinet 14. Couvent des Jacobins 10% Cf 27 H, Silizium über Lehm; 62% M, www.yon-figeac.com www.chateau-corbin.com 33330 Saint-Émilion 32. La Fleur Morange 28% Cf, 10% Cs 24,23 H, Sand/Lehm/eisenhaltiger 13 H, Lehm-Sand/eisenhaltiger Lehm; Xavier Jean 23. Fonplégade 33330 Saint-Pey d’Armens Lehm; 80% M, 14% Cf, 6% Pv 83% M, 17% Cf www.couvent-jacobins-saint-emilion.com 33330 Saint-Émilion Jean-François und Véronique Julien 10,07 H, Lehm-Kalk/Lehm-Sand/ Denise Adams www.lafleurmorange.club Molasse 80% M, 15% Cf, 5% Pv www.fonplegade.com 2 H, eisenhaltiger Lehm/Kalk; 70% M, Gästezimmer 18,5 H, Lehm/Kalk; 90% M, 10% Cf 30% Cf | Gästezimmer 22 VINUM – BORDEAUX 2021 BORDEAUX 2021 – VINUM 23
VOLL IM GRÜNEN BEREICH FRANC MAYNE Dass Sophie Mage den weintechnischen Bereich von Franc Mayne betreut, ist kein Zufall. Sie hat grosse Erfahrung mit der Umstellung auf biologischen Anbau, die sie nun voll und ganz auf Franc Mayne anwenden kann. Karriere damit verbracht, Weingüter sanft, aber bestimmt auf den grünen Weg zu bringen. Ab 2022 soll Franc Mayne zertifiziert biologisch arbeiten, «weil das ganz einfach die beste Kulturform darstellt, für die Pflanze, den Wein und den Menschen», sagt sie mit Überzeugung. «Wir tragen die Verantwortung nicht nur für unser Umfeld, sondern auch für die Mitarbeiter und unsere zahlreichen Besucher. Franc Mayne bietet fünf Gästezimmer an, eines davon in einem romantischen Baumhaus. Unsere Gäste haben ein Anrecht «Biologischer Anbau ist darauf, ihre Ferien in einer intakten Umwelt, einer gesun- den Umgebung zu verbringen.» Auch auf dem Gut selbst ganz einfach die Methode, wurden Umbauarbeiten unternommen, mit dem Ziel, es noch besser in die Landschaft zu integrieren. die Wein, Mensch und Natur am besten bekommt.» Franc Mayne produziert seit Langem einen besonders fruchtigen, harmonischen und verführerischen Wein. Der soll nun noch frischer, noch präziser werden, noch mehr sein besonderes Terroir widerspiegeln. Mit je nach Klein- Sophie Mage lage mehr oder weniger Sand über Lehm, Lehm und Kalk verfügt Franc Mayne trotz seiner bescheidenen Grösse über ein wahres Mosaik von Böden, alle in Hanglage gele- gen, mit einem Gefälle von zwei bis fünfzehn Prozent. Die Bodenschicht über dem Kalksockel ist oft nur 20 bis 30 Zentimeter dick. Ein Hektar der höchstgelegenen Lage, die 75 Meter über dem Meeresspiegel kulminiert, ist eben neu mit Ca- bernet Franc bestockt worden. Die Sorte findet hier ide- ale Bedingungen für einen regelmässigen und langsamen Reifeprozess. «Die aufwendige Restrukturierungsarbeit In Rennes führt sie eine traditionelle Banknotendruckerei, im Rebberg, mit dem Ziel, den Anteil an Cabernet Franc und in Saint-Émilion macht sie künftig Wein: Die Familie drastisch zu erhöhen, belegt allein, wie ernst die neuen Savare hat vor Kurzem Franc Mayne erworben. Thomas Besitzer ihre Aufgabe nehmen. Einen beträchtlichen Teil Savare hat klare Vorstellungen davon, in welche Richtung der Anbaufläche von Merlot auf Cabernet Franc umzustel- sich das nur sieben Hektar kleine, herrlich am Rand des len und künftig biologisch zu arbeiten, ist nicht selbstver- Kalkplateaus gelegene Gut entwickeln soll. Nachhaltigkeit ständlich», gibt Sophie zu verstehen. «Doch das entspricht und Ökologie gehören für den Unternehmer seit Langem unserer Philosophie von einem globalen und respektvol- zum Alltag. Mit Sophie Mage hat er die ideale Besetzung für len Umgang mit einem wertvollen Ökosystem, in dem das die Aufgabe gefunden, das Gut auf den Weg biologischen Mineralische, die Tier- und Pflanzenwelt und der Mensch Anbaus zu bringen. Sie hat zehn Jahre ihrer beruflichen glücklich miteinander auskommen können.» 24 VINUM – BORDEAUX 2021 BORDEAUX 2021 – VINUM 25
ERSTE KLASSE HIN UND ZURÜCK «Natürlich bewerbe auch PRESSAC ich mich um den Titel eines Premiers Crus bei der eben Die Reproduktion des Pressac-Etiketts, das Jean-François Quenin lancierten Neuklassierung, präsentiert, ist fast hundert Jahre alt. «Premier Cru Saint-Émilion» steht selbst wenn meine Chancen da zu lesen. Nicht ganz offiziell zwar, aber verdient. gering sind.» Jean-François Quenin Jean-François Quenin sagt es schmunzelnd und mit ei- nem Augenzwinkern: «Natürlich bewerbe auch ich mich um den Titel eines Premier Crus bei der eben lancierten Neuklassierung, selbst wenn meine Chancen gering sind.» Eigentlich hat er das ja auch gar nicht nötig. In unserem Herzen – und Gaumen – ist Pressac längst ein Premier Cru. Auf dem Etikett war Pressac das schon vor hundert Jahren, lange bevor es eine offizielle Klassierung in Saint- Émilion gab – sie wurde erst 1955 geschaffen. Wenn Pressac heute wenigstens inoffiziell zur allerers- ten Sahne in Saint-Émilion gehört, hat das Gut dies vor al- lem seinem rührigen Besitzer zu verdanken. Jean-François Quenin hat Pressac 1997 übernommen und fast alles um- gekrempelt und generalüberholt. 90 Prozent der Reben wurden ersetzt, das aus der zweiten Hälfte des 19. Jahr- hunderts stammende Schloss wurde nach alten Plänen renoviert, neue Keller wurden erstellt und vieles andere mehr. Doch Pressac ist auch ein Weingut mit erstklassigen Böden in herrlicher Lage, ein echtes Weinschloss ganz oben auf einem ganz mit Reben bestandenen Hügel, ein Weingut mit ellenlanger Geschichte. «Wir haben Akten bis zurück ins 15. Jahrhundert durch- geblättert und genau studiert. Schon damals wurde hier Weinbau betrieben», erzählt der Schlossherr. Richtig, 1453 wurde hier nach der Schlacht von Castillon die Kapitulati- on der englischen Armee unterzeichnet, die dem Hundert- und entwickelt dann grosse aromatische Komplexität, wie jährigen Krieg zwischen England und Frankreich ein Ende heute die Jahrgänge 2001 oder 2002 illustrieren, die ihren machte. 1730 wurde Pressac vom aus Cahors stammenden Zenit noch lange nicht überschritten haben. Das ist, wie Edelmann Vassal de Montviel übernommen. Er pflanzte erwähnt, erst einmal den hervorragenden Böden in Hang- eine Sorte aus der Heimat an, den Auxerrois, heute Mal- lage zu verdanken, die, weil das Bestellen zu mühsam war, bec genannt, der als «Noir de Pressac» Karriere machte brach lagen, bevor Jean-François das Gut übernahm. Um und bis zur Reblauskrise die wichtigste Qualitätssorte der auch die steilsten Parzellen zu bepflanzen, mussten fünf rechtsufrigen Anbaugebiete war. Hektar aufwendig terrassiert werden. Doch Pressac soll Pressac ist ein ganz besonderer Wein. Potent, voll- noch besser, noch präziser werden. Die beiden eben fertig- mundig, gut strukturiert, aber immer saftig und knackig. gestellten Gärkeller mit zwölf kleineren Tanks ermöglichen Er ist mit grosser Präzision gemacht, reift unendlich lang künftig das parzellengetrennte Einmaischen der Ernte. 26 VINUM – BORDEAUX 2021 BORDEAUX 2021 – VINUM 27
MAGIE DER DÜFTE BIC SCHREIBT WEINGESCHICHTE BELLEFONT-BELCIER DE FERRAND Der Duft der Trüffel gilt als besonders edel, besonders im ge- Gonzague de Lambert signiert seine Flasche mit dem Griffel, reiften Saint-Émilion. Jean-Christophe Meyrou mag Trüffelspeisen der am längsten schreibt: Das in stolzer Höhe gelegene Weingut in zu seinem Wein – Trüffeln aus eigener Produktion! Saint-Émilion gehört der Familie des Bic-Erfinders Baron Bich. Bellefont-Belcier gehört seit 2018 einem frankophilen schaffen. Dank seiner Mittel wurde Bellefont-Belcier mit «Ein Bic schafft bis zu drei Kilometer Schrift, er ist kein monischen, magischen Umgebung!», erzählt Gonzague (Wein-)Unternehmer aus Saigon: Peter Kwok. Jean- Stil und Respekt renoviert. «Heute spricht man besonders Wegwerfprodukt», sagt Verwalter Gonzague de Lambert begeistert. «Unsere Böden sind sehr abwechslungsreich. Christophe Meyrou, der die Güter der K-Gruppe seit 2014 hier in Saint-Émilion davon, wieder mehr Biodiversität zu stolz. Dem Unternehmer, der de Ferrand 1977 erworben Mal ist da eine Lehmschicht, mal tritt der Kalk praktisch verwaltet, kennt und schätzt ihn seit 20 Jahren. «Peter schaffen. Wir haben das Glück, das nicht nötig zu haben, hat, ist der Verkostungssalon gewidmet, mit einem Fres- an die Oberfläche, mal liegt er unter 30 Zentimetern Erde gehört zu den Besitzern aus aller Welt, die Saint-Émilion denn die Biodiversität ist hier nie abhandengekommen. ko, das ganz mit Bic-Kugelschreibern geschaffen wurde. begraben. Wir haben eine präzise Karte erstellen lassen, zu dem gemacht haben, was es heute ist: die erfolg- Wir können sie höchstens unterhalten und verbessern. Seit 1994 sind Baron Bichs Tochter Pauline und ihr Ehe- um unser Terroir besser zu verstehen. Nach zehn Jahren reichste Appellation der Region», sagt er mit Nachdruck. Unsere Rebberge sind von Wald umgeben. Hier wurden mann Philippe Chandon-Moët für de Ferrand zuständig. naturnahen Rebbaus (Terra Vitis, hohe Umweltverträg- Peter Kwok ist kein klassischer Unternehmer, der ein- keine Bäume gefällt, um mehr Reben zu pflanzen.» Château de Ferrand ist ein grosses Gut mit 42 Hektar lichkeit HVE, ISO 14100) stellen wir aktuell auf Bio-Anbau fach Mehrwert schöpfen will. Er setzt sich massgeblich Das Anlegen einer Trüffelplantage mit 400 Eichen ent- Reben an einem Stück, eine Seltenheit in Saint-Émilion, um.» De Ferrand ist geradezu ein Archetyp des klassi- für die Erhaltung historischer Orte wie Bellefont-Belcier spricht ganz dieser Philosophie. «Es gibt einige Paralle- zwischen 85 und 105 Metern Höhe auf einem Lehm-Kalk- schen Saint-Émilion, fleischig, aber auch von besonderer ein, das wie viele Güter auf eine lange Geschichte zurück- len zwischen der Trüffeleiche und der Rebe. Beides sind plateau gelegen, ganz von Wald und einem zehn Hek- Frische, ausgesprochener Mineralität und Raffinesse, die blickt. Er will Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung Pflanzen, die nachhaltig ihr Terroir ausdrücken.» tar grossen Park umgeben. «Wir arbeiten in einer har- er am besten ausdrückt, wenn man ihn etwas reifen lässt. 28 VINUM – BORDEAUX 2021 BORDEAUX 2021 – VINUM 29
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