Boulevard-Magazine im Fokus - Der etwas andere Blick auf die Zielgruppe von André Petras und Nicole Klövekorn

Die Seite wird erstellt Ariane Wieland
 
WEITER LESEN
Boulevard-Magazine im Fokus
Der etwas andere Blick auf die Zielgruppe
von André Petras und Nicole Klövekorn

                                                                                         Die Klärung dieser Frage ist von zentraler Be-
                                                                                         deutung, nicht nur für die Programmgestalter,
                                                                                         sondern insbesondere auch für die Mediaplaner -
                                                                                         denn Werbetreibende möchten ihre Spots in ei-
                                                                                         nem Umfeld präsentieren, das zu ihren Marken
                                                                                         und Werbeaussagen passt.
                                                                                         Im Rahmen der folgenden Analyse wird gezeigt,
                                                                                         dass sich die Zuschauer verschiedener Boule-
 André Petras                               Nicole Klövekorn
 ist seit 1995 nach seinem Studium          ist seit 2001 nach ihrem Studium der
                                                                                         vard-Magazine in ihrer verhaltensrelevanten
 der Betriebswirtschaftslehre bei TNS
 EMNID, Bielefeld. Er startete im Be-
                                            Kommunikationswissenschaft (ZW) bei
                                            SeveOne Media, München. Sie ist dort
                                                                                         Wertecharakteristik durchaus deutlich unterschei-
 reich elektronische Medienforschung,       als Projektleiterin im Bereich Advertising   den. Des Weiteren wird gezeigt, dass diese Un-
 wo er inzwischen als Senior Rese-          Research tätig. Neben der Semiometrie
 arch Consultant tätig ist. Seit 1998 ist   betreut sie Studien zur allgemeinen          terschiede auf der klassischen, oftmals rein so-
 er zudem Product Manager für Se-           Werbewirkung, zu Sonderwerbeformen,
 miometrie.                                 Sponsoring und Kundenzufriedenheit.          ziodemografischen Beschreibungsebene nicht
 Andre.petras@emnid.tnsofres.com            Nicole.kloevekorn@sevenonemedia.de
                                                                                         hinreichend deutlich werden. Ein allein auf dieser
                                                                                         Basis erstellter Mediaplan kann daher leicht zu
Die neueste Ex von Boris Becker, Schönheitsope-                                          kurz greifen. Mit Hilfe des semiometrischen Mo-
rationen am Ballaton, die wilden Schaumparties                                           dells können dagegen tiefergehende Erkenntnisse
deutscher Touristen auf Ibiza - was haben all die-                                       über die psychografische Wertestruktur von Ziel-
se Themen gemeinsam? Sie müssten uns nicht                                               gruppen gewonnen werden. Auf dieser Basis las-
wirklich interessieren, tun es aber oftmals trotz-                                       sen sich dann oftmals auch wertvolle Hinweise für
dem. Und woher beziehen wir unsere Informatio-                                           eine optimierte Mediaplanung ableiten.
nen? Entweder aus dem Gespräch am Mit-
tagstisch oder mit der Nachbarin oder aber direkt                                        Semiometrische Wertemessung
aus den Primärquellen, der Boulevardpresse und
im Zeitalter der elektronischen Medien insbeson-                                         Das semiometrische Modell basiert auf dem An-
dere aus den Boulevard-Magazinen im Fernse-                                              satz, Wörter als Indikatoren zur Messung grundle-
hen. Der Informationsbedarf scheint groß zu sein.                                        gender Wertehaltungen zu verwenden. Konkret
Zur besten Vorabend-Sendezeit bietet inzwischen                                          kommen 210 Begriffe zum Einsatz, die im Rah-
fast jeder der großen Sender ein derartiges Ma-                                          men umfangreicher Vorstudien bezüglich ihrer
gazin. Ob Explosiv (RTL) oder Brisant (ARD), Blitz                                       Eignung zur Wertemessung validiert wurden. Eine
(Sat.1), taff. (ProSieben) oder Leute heute (ZDF) -                                      Faktorenanalyse der Begriffsbewertungen auf Ba-
Konzept und Themen sind weitgehend aus-                                                  sis der 4.300 Fälle des bevölkerungsrepräsentati-
tauschbar. Aber wie ist das mit der Zielgruppe?                                          ven Semiometrie-Panels verdichtet die Einzelbe-
Wer schaut sich die Magazine eigentlich regel-                                           wertungen zu den beiden zentralen Werte-
mäßig an? Und sind die regelmäßigen Seher der                                            Dimensionen Sozialität – Individualität und Pflicht
Formate ähnlich austauschbar wie ihre Inhalte?                                           – Lebensfreude. Anhand dieser Achsen wird das

Abdruck mit Genehmigung des Deutschen Fachverlages, planung & analyse, Mainzer Landstrasse 251,
60326 Frankfurt am Main, Telefon 069-7595-2019, Fax 069-7595-2017, redaktion@planung-analyse.de,
www.planung–analyse.de
familiär
  Überbewertete Wörter
  Unterbewertete Wörter

     traditionell

                                                                           sozial

                                             materiell

                                                               kritisch

                     kämpferisch                                                       erlebnisorientiert

Abbildung 1: Wertorientierung regelmäßiger Seher von Boulevard-Magazinen

semiometrische Basismapping mit den 210 Be-              Blitz (Sat.1), taff. (ProSieben) oder Leute heute
griffen aufgespannt. Mit einer weiteren Faktorena-       (ZDF) regelmäßig (also mindestens jede zweite
nalyse werden darüber hinaus 13 Wertefelder er-          Sendung) sehen.
mittelt, die sowohl eine sinnvolle Informationsver-      Knapp ein Drittel der Bevölkerung sind dieser
dichtung als auch eine nützliche Interpretations-        Zielgruppe zuzurechnen, deren Mitglieder im Ver-
hilfe bieten.                                            gleich zur Gesamtbevölkerung tendenziell eher
Die relative Über- oder Unterbewertung der Be-           weiblich, etwas älter und unterdurchschnittlich ge-
griffe durch die Personen innerhalb einer Ziel-          bildet sind.
gruppe (zum Beispiel regelmäßige Seher der               Dem semiometrischen Mapping ist zu entnehmen,
Sendung Explosiv) ergibt das spezifische Werte-          dass Begriffe aus den Wertefeldern sozial (z.B.
profil der Zielgruppe im Vergleich zu einer festge-      Treue, ehrlich, Zuneigung), traditionell (Vaterland,
legten Referenzgruppe (in der Regel die Restbe-          Disziplin, Ehre), materiell (Geld, Schmuckstück)
völkerung). Man ermittelt also, was die Mitglieder       und familiär (Heirat, mütterlich) signifikant über-
einer Zielgruppe außer ihrer Gruppenzugehörig-           bewertet werden. Eher unterbewertet werden da-
keit noch miteinander verbindet – und wie sich           gegen die Wertedimensionen erlebnisorientiert,
diese Gruppe von anderen Populationen unter-             kämpferisch und kritisch. Ohne an dieser Stelle
scheidet. Idealerweise soll eine Zielgruppe in sich      bereits zu tief in die psychografische Interpretation
homogen sein und sich klar von ihrer Gegengrup-          einzusteigen, wird doch deutlich, dass es offen-
pe (Nicht-Zielgruppe beziehungsweise Restbevöl-          sichtlich deutliche Unterschiede zwischen regel-
kerung) abgrenzen lassen.                                mäßigen Sehern und Nicht-Sehern von Boule-
Abbildung 1 zeigt das semiometrische Mapping             vard-Magazinen gibt. Für die abgebildete Ziel-
der regelmäßigen Seher von Boulevard-                    gruppen-Kumulation stellt sich nun natürlich die
Magazinen, also von Personen, die mindestens             Frage, inwieweit die zusammengefassten Einzel-
eines der Formate Explosiv (RTL), Brisant (ARD),
M erkmal                            Bevölkerung        E xplosiv         Blitz    Brisant    Leute heute      taff
                                         14 +
                    männlich               48              40              39        42           41           34
 Geschlecht
                     weiblich              52              61              61        58           59           66
                       14-29               19              17              17         6            5           33
 Alter                 30-49               37              36              35        21           15           42
                        50+                45              48              48        73           80           25
               V olks-/Hauptschule         53              64              67        61           59           61
 Bildung         mittlere Bildung          25              21              19        25           25           25
                    Abitur/Uni             20              13              12        13           14           11

            = Auffälligkeiten in der soziodemografischen Charakteristik

Abbildung 2: Soziodemographie regelmäßiger Seher einzelner Boulevard-Magazine

formate eine eher ähnliche oder aber eine relativ                    Schließlich ist die Ursache für spezifische Hand-
unterschiedliche Positionierung aufweisen.                           lungsweisen nicht darin zu sehen, dass eine Per-
                                                                     son zum Beispiel 35 Jahre alt und männlich ist.
Soziodemografische Zielgruppenanalyse                                Das (Kauf-/Medien-)Verhalten wird eher durch
                                                                     grundlegende individuelle Wertehaltungen, wie
Im ersten Schritt sollen die fünf Boulevard-                         zum Beispiel eine familiär-soziale oder eine lust-
Magazine daher im Rahmen einer klassischen,                          und erlebnisorientierte Grundhaltung determiniert.
soziodemografischen Zielgruppenanalyse be-                           Junge Zielgruppen sind nicht zwangsläufig dyna-
trachtet werden (siehe Abbildung 2). Der Ver-                        misch, modern, aufgeschlossen, konsum- und in-
gleich der einzelnen Zuschauergruppen mit der                        novationsfreudig oder was immer man ihnen
Gesamtbevölkerung verdeutlicht, dass der Anteil                      sonst noch zuschreiben möchte. Selbiges gilt für
von Frauen bei allen Magazinen erhöht ist. Insge-                    entsprechende Assoziationsmuster, die man
samt scheint es sich dabei aber eher um einen                        leichthin eher älteren Zielgruppen zuschreibt. In
Genre-Effekt zu handeln, der kaum Rückschlüsse                       einem früheren Artikel konnte mit Hilfe der Se-
auf die spezifische Positionierung der Einzelfor-                    miometrie zum Beispiel für die Bekleidungsmarke
mate zulässt. Selbiges gilt für die insgesamt nied-                  Boss gezeigt werden, dass gerade die jüngeren
rigere Schulbildung, die ebenfalls für alle fünf Zu-                 (bis unter 40-jährigen) Boss-Verwender überra-
schauergruppen charakterisierend ist. Einzig das                     schender Weise nicht besonders lustorientiert sind
Merkmal Alter scheint zwischen den fünf Forma-                       sondern eher materiell-traditionelle Werte reprä-
ten zu diskriminieren. Die Seher der Sendung taff.                   sentieren. Dagegen zeigen die älteren Boss-
(ProSieben) erweisen sich als besonders jung. 75                     Verwender (40+ Jahre) eine deutlich lustorien-
Prozent der regelmäßigen Seher sind unter fünf-                      tierte Grundhaltung.
zig Jahren, ein Drittel sogar jünger als dreißig. Ei-                Eine Interpretation für diese zunächst irritierende
ne umgekehrte Verteilung ergibt sich für die re-                     Werteverteilung: Die jüngeren Boss-Verwender,
gelmäßigen Seher der öffentlich-rechtlichen Ma-                      für die Begriffe wie Geld, Gold und Eigentum stark
gazine. Bei Brisant (ARD) sind Prozent der regel-                    positiv besetzt sind, sehen in der Marke Boss eine
mäßigen Seher über fünfzig, bei Leute heute                          Möglichkeit, zumindest symbolisch an der Welt
(ARD) liegt dieser Anteil sogar bei 80 Prozent.                      von Besitz und Reichtum teilzunehmen. Den älte-
                                                                     ren Boss-Verwendern, die im Gegensatz zum
Aber was sagen diese Erkenntnisse schon über                         Großteil ihrer Altersgruppe nicht zu Pflicht-Werten
grundlegende Motivationsstrukturen und verhal-                       neigen, sondern typisch junge Begriffe wie das
tensdeterminierende Wertecharakteristika der                         Sexuelle, lustvoll und dynamisch überbewerten,
Zielgruppen aus? Erst einmal relativ wenig!                          bietet die Marke Boss eine Möglichkeit, sich mit
Sex-Appeal auszustatten und eine ju-
                                                  Kurzfassung
gendliche Aura zu bewahren.                       Die Tatsache, dass verschiedene TV-Formate eines ge-
                                                  meinsamen Genres bezüglich ihrer inhaltlichen Konzeption
Semiometrische                                    nahezu austauschbar sind, sagt noch lange nichts über die
                                                  Ähnlichkeit ihrer jeweiligen Publikumsstrukturen aus. Viel-
Positionierungsanalyse                            mehr zeigt die Analyse, dass sich die Seherschaften ver-
                                                  schiedener Boulevard-Magazine deutlicher stärker unter-
Aber zurück zu den hier untersuchten fünf         scheiden als ihre Inhalte. Die Unterschiede werden bereits
                                                  auf der klassischen, soziodemografischen Ebene erkenn-
Boulevard-Magazinen. In Abbildung 3 sind          bar, wesentlich tiefergehende Erkenntnisse erlaubt aller-
die semiometrischen Wertesteckbriefe für          dings eine semiometrische Analyse der psychografischen
die regelmäßigen Seher der einzelnen              Zuschauerstrukturen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse
                                                  sind nicht nur für die Programmplanung interessant, son-
Formate zusammengestellt. Die Ergebnis-
                                                  dern insbesondere im Rahmen der Mediaplanung von gro-
se zeigen, dass es auch auf der Wertee-           ßer Bedeutung.
bene Genre-Effekte gibt. Die Wertedimen-
sionen materiell und sozial sind für alle
fünf Zuschauergruppen in mehr oder we-
                                                         tung, die Suche nach einem positiven Gegenstück
niger ausgeprägter Form überbewertet. Die Wer-           zur Realität.
tedimension materiell repräsentiert die Orientie-
                                                         Die Zuschauer von taff. (ProSieben) haben damit
rung an Besitz, Eigentum, Prestige und Status.           eine sehr eigenständige Positionierung, die sich
Das Wertefeld sozial steht für das Streben nach
                                                         von den Werteprofilen der anderen Magazine
einem harmonischen Miteinander sowie die Ori-            deutlich unterscheidet.
entierung an menschlichen Beziehungen und Bin-
                                                         Als relativ ähnlich erweisen sich die Positionierun-
dungen.                                                  gen von Blitz (Sat.1) und Explosiv (RTL). Die Se-
Neben diesen, eher das Genre charakterisieren-
                                                         herschaften beider Formate sind dadurch cha-
den Wertedimensionen, lassen sich aber auch              rakterisiert, dass neben der für alle Magazine cha-
sehr spezifische Charakteristika in den Profilen
                                                         rakterisierenden sozial-materiellen Grundhaltung
der einzelnen Sendungen erkennen. Die regel-             zusätzlich die Wertedimension familiär überbe-
mäßigen Seher von taff. (ProSieben) erweisen
                                                         wertet wird. Diese Wertedimension steht für die
sich z.B. als sehr lustorientiert und verträumt. Lu-     Orientierung an der Familie als Basis des
storientierung steht für Hedonismus und Leiden-
                                                         menschlichen Zusammenlebens sowie das Stre-
schaft sowie ein intensives Verhältnis zu Körper-        ben nach Geborgenheit, Frieden und Stabilität.
lichkeit und Sexualität. Das Wertefeld "verträumt"
                                                         Eine ganz andere Charakteristik weisen dagegen
charakterisiert eine eher idealistische Grundhal-        die Zuschauer der öffentlich-rechtlichen Formate
                                                                                       auf. Die Seher von
Abbildung 3: Wertesteckbriefe regelmäßiger Seher einzelner Boulevard-Magazine          Brisant (ARD) und
 Wertefeld          Explosiv        Blitz       Brisant     Leute heute      taff      Leute heute (ZDF)
                                                                                       stehen für eher tra-
 familiär             ++             +
                                                                                       ditionelle Werte, das
 sozial               ++            ++            ++             +            +        Publikum von Leute
 religiös                                                       ++
                                                                                       heute       bewertete
 materiell           +++           +++             +           +++          +++
                                                                                       darüber hinaus auch
 verträumt                                                                    +        die Wertefelder reli-
 lustorientiert                                                             +++        giös und kulturell si-
 erlebnisorientiert   ---            --          ---            ---
                                                                                       gnifikant über.
 kulturell                                                      ++             -       Das Wertefeld tradi-
 rational
                                                                                       tionell charakterisiert
 kritisch              --                          -            ---                    die Orientierung am
 dominant
                                                                                       Bewährten sowie ei-
 kämpferisch           --                        ---            ---                    ne      grundsätzliche
 traditionell                                   +++            +++                     Zurückhaltung      ge-
genüber Veränderungen. Religiös steht für eine        gruppen passen aufgrund ihrer Werthaltungen
christliche Grundhaltung. Kulturell charakterisiert   besonders gut zu den Sehern des Magazins? Die
intellektuelle Werte, die ihren Ausdruck unter an-    Analyse beschränkt sich hierbei auf den Produkt-
derem im Interesse an Literatur, Theater, Kunst       bereich Eiscreme. Dieser Produktbereich wurde
und Musik findet.                                     gewählt, da aus einer Voranalyse hervorging,
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Zielgruppen        dass Eiscreme-Marken semiometrisch gut in das
im allgemeinen und in diesem Falle die Seher-         Umfeld von Boulevardmagazinen passen. Daher
schaften von Boulevard-Magazinen im speziellen        kann schon im Vorfeld von einer gewissen Pas-
auf der psychografischen Messebene wesentlich         sung dieses Produktbereichs in das Mediaumfeld
differenzierter und verhaltensnäher charakterisiert   von taff. ausgegangen werden. Aber welche Eis-
werden können, als das mit rein soziodemografi-       cremesorte ist am besten in diesem Werbeumfeld
schen Betrachtungen möglich ist. Die rein so-         aufgehoben? Wie können die Verwender dieser
ziodemografischen Charakterisierungen bergen          bezüglich ihrer subjektiv wahrnehmbaren Pro-
zudem die Gefahr von Fehleinschätzungen in            dukteigenschaften oftmals austauschbaren Pro-
sich, wie zum Beispiel das angesprochene Boss-        dukte differenziert werden? Gerade im Bereich
Beispiel anschaulich verdeutlicht.                    der Fast Moving Consumer Goods (FMCGs) sind
Mit Hilfe der Semiometrie ist es aber nicht nur       die Produkte für den Konsumenten häufig sehr
möglich, die Nutzer bestimmter Medien psycho-         ähnlich und zum Teil austauschbar. Die Unter-
grafisch auszuleuchten. Das gleiche Prozedere ist     scheidung der Verwender einzelner Marken eines
selbstverständlich auch für die Verwender von         Produktbereichs ist daher häufig schwierig.
Produkten und Marken möglich. Auf diese Weise         Im ersten Schritt wird nachfolgend eine soziode-
können Kongruenzen zwischen Marken- und Me-           mografische Charakterisierung der Hauptverwen-
dienzielgruppen identifiziert und im Rahmen der       der verschiedener Eiscreme-Marken vorgenom-
Mediaplanung berücksichtigt werden. Es liegt auf      men, die im zweiten Schritt mit einer semiometri-
der Hand, dass zum Beispiel TV-Formate insbe-         schen Positionierungsanalyse ergänzt wird. Der
sondere für solche Marken ein ideales Wer-            Vergleich mit den Sehern von taff. zeigt, dass trotz
beumfeld bieten, deren Zielgruppen eine mög-          einer soziodemografischen Ähnlichkeit der Ziel-
lichst ähnliche Wertecharakteristik aufweisen wie     gruppen, die Übereinstimmungen der Wertorien-
die Zuschauer des TV-Formates.                        tierungen bei den einzelnen Marken sehr unter-
                                                      schiedlich sind.
Marken- und Medienzielgruppen im semiome-
trischen Vergleich                                    Soziodemografische Betrachtung der Marken-
                                                      verwender
Mit dem Mediaplanungsprogramm von Semiome-
trie können die Wertepositionierungen von Mar-        In Semiometrie wird die Markenverwendung der
kenverwendern mit denen der regelmäßigen Se-          vier Eiscreme-Marken Landliebe, Langnese,
her ausgewählter TV-Formate verglichen werden.        Manhattan und Mövenpick abgefragt. In Abbil-
So werden im Rahmen einer semiometrischen             dung 4 ist die soziodemografische Zusammenset-
Mediaplanung für eine bestimmte Marke die TV-         zung der Hauptverwender (Personen, die in die-
Formate identifiziert, die aufgrund der Wer-          sem Produktbereich die jeweilige Marke haupt-
testruktur ihrer Seher ideal zum Wertesystem der      sächlich verwenden) dargestellt.
Markenverwender passen.                               Die Hauptverwender aller Marken sind – wie auch
Entsprechend können natürlich auch umgekehrt          die regelmäßigen Seher von taff. – im Vergleich
zu einem ausgewählten Format aufgrund ihrer           zur Gesamtbevölkerung überdurchschnittlich häu-
Wertestruktur passende Marken ermittelt werden.       fig weiblich. Zwischen 53 und 60 Prozent sind
Im Folgenden wird von den fünf bisher betrachte-      Frauen. Bei der Altersstruktur der Eiskäufer liegt
ten Boulevardmagazinen das ProSieben-Magazin          der Schwerpunkt bei den über 30jährigen. Die
taff. eingehender betrachtet. Welche Marken pas-      Hauptverwender von Mövenpick sind hierbei im
sen in dieses Werbeumfeld? Welche Verwender-          Vergleich etwas älter als die Verwender der ande-
M erkmal                               Bevölk erung         taff.       Landliebe   Langnese   M anhattan M övenpick
                                               14 +

                       männlich                 48              34           40          45          47          46
  Geschlecht
                       w eiblich                52              66           60          55          53          54
                         14-29                  19              33           18          23          25          13
  Alter                  30-49                  37              42           39          37          44          34

                          50+                   45              25           43          40          31          53
                 Volks-/Hauptschule             53              61           55          57          57          50
  Bildung          mittlere Bildung             25              25           28          24          24          28

                      Abitur/Uni                20              11           15          17          16          21

            = Auffälligkeiten in der soziodemografischen Charakteristik

Abbildung 4: Soziodemographie regelmäßiger Seher taff. und Hauptverwender der vier Eiscrememarken

ren Marken. Bei der Gegenüberstellung mit der                         Semiometrische Befragung der Markenver-
Soziodemografie der regelmäßigen taff.-Seher                          wender
fällt auf, dass der durchschnittliche Eiscremekon-
sument ein höheres Alter als der typische taff.-                      In Abbildung 5 sind die semiometrischen Werte-
Zuschauer aufweist. Das Bildungsniveau der                            steckbriefe der taff.-Seher und der Hauptverwen-
Hauptverwender der vier Eismarken stimmt hin-                         der von Landliebe, Langnese, Mövenpick und
gegen wieder in etwa mit dem der taff.-Seher                          Manhattan zu sehen. Bei einem Vergleich der
überein: Über die Hälfte und somit der Großteil je-                   über- und unterbewerteten Wertefelder wird schon
der Zielgruppe verfügt über einen Volks- oder                         auf den ersten Blick deutlich, dass die in der So-
Hauptschulabschluss. An zweiter Stelle steht ein                      ziodemografie gefundene Ähnlichkeit der Marken-
mittlerer Bildungsgrad.                                               verwender von Landliebe, Langnese und Man-
Alles in allem ist die soziodemografische Zusam-                      hattan in Semiometrie nicht wiederzufinden ist.
mensetzung der drei Marken Landliebe, Langnese                        Aber zunächst noch einmal kurz zu den Verwen-
und Manhattan ziemlich ähnlich und abgesehen                          dern von Mövenpick-Eis: Die etwas älteren und
von einem Alterseffekt bei den Marken Manhattan                       tendenziell höher gebildeten Verwender von Mö-
(eher jünger) und Mövenpick (eher älter) sowie ei-                    venpick setzen sich auch in der Semiometrie
nem überdurchschnittlichen Frauenanteil bei den                       deutlich von den anderen Marken ab: Ihre starke
Verwendern von Landliebe nur wenig zur Diffe-                         religiöse und kulturelle Wertorientierung lässt sich
renzierung zwischen den einzelnen Marken ge-                          bei keiner der anderen Eismarken in dieser Form
eignet. Die taff.-Seher sind im Vergleich deutlich                    wiederfinden. Lustorientierte und kritische Werte
jünger als die Eiscreme-Zielgruppen, stimmen                          lehnen sie ab. Dieses Werteprofil harmonisiert mit
aber in Geschlecht und Bildung vor allem mit den                      der Soziodemografie der Zielgruppe, die sich ab-
Hauptverwendern der drei Marken Landliebe,                            schließend wie folgt zusammenfassen lässt: Mö-
Langnese und Manhattan grob überein. Da keines                        venpick-Eis wird von älteren, tendenziell höher
der soziodemografischen Profile der Hauptver-                         gebildeten, religiös und kulturell orientierten Per-
wender dieser drei Marken deutlich besser mit                         sonen bevorzugt.
dem der taff.-Seher übereinstimmt, fällt es auf rein                  Nun zu den drei soziodemografisch ähnlichen
soziodemografischer Basis schwer, zu entschei-                        Verwendergruppen von Landliebe, Manhattan und
den, welche dieser drei Marken nun am besten zu                       Langnese. Die Landliebe-Kosumenten sind sehr
dem Boulevardmagazin taff. passt.                                     stark familiär und sozial orientiert. Sie scheinen
                                                                      über einen ausgeprägten Familiensinn zu verfü-
gen. Kritische Werte werden leicht abgelehnt.                worten: Langnese ist die Marke, deren Hauptber-
Auch die Hauptverwender von Manhattan bewer-                 wendern den taff.-Sehern am ähnlichsten sind.
ten die beiden Wertefelder familiär und sozial               Trotz der ähnlichen soziodemografischen Zu-
über. Zudem verfügen sie aber auch noch über                 sammensetzung der Käufer von Langnese, Land-
eine dominante, religiöse und materielle Wertori-            liebe und Manhattan zeigt die semiometrische
entierung.                                                   Positionierung auf der verhaltensdeterminieren-
Die hauptsächlichen Verwender von Langnese-                  den psychografischen Werteebene deutliche Un-
Eis sind stark materiell und lustorientiert. Auch ei-        terschiede zwischen den Zielgruppen. Während
ne leichte familiäre, verträumte und dominante               Landliebe- und Manhattan-Verwender sich mehr
Werthaltung ist für sie bezeichnend. Rationale               durch ihre familiäre und soziale Orientierung aus-
Werte lehnen sie stark, kulturelle, traditionelle und        zeichnen, ist nur bei Langnese-Verwendern eine
kämpferische Werte leicht ab. Dieser Wertesteck-             ebenso starke materielle, lustorientierte und ver-
brief stimmt in großen Teilen mit dem der regel-             träumte Wertorientierung wie bei den taff.-Sehern
mäßigen taff.-Seher überein. Beide Zielgruppen               zu finden. Somit stellt taff. für Langnese ein opti-
sind materiell, verträumt und lustorientiert und             males Werbeumfeld dar. Da die Zuschauer ähnli-
lehnen kulturelle Werte ab. Eine Kombinationspo-             che Wertvorstellungen vertreten, sollten sie be-
sitionierung der regelmäßigen Seher von taff. und            sonders offen für Werbung dieser Marke sein.
der Hauptverwender von Langnese (Abbildung 6)                Aufgrund dieser optimalen Passung könnte bei-
zeigt, dass die überbewerteten Begriffe der beiden           spielsweise auch ein Sponsoring eine geeignete
Zielgruppen sich an annähernd denselben Stellen              Kommunikationsform sein.
im semantischen Raum befinden. Auch werden
eine Mehrzahl von Begriffen wie zum Beispiel                 Qualitative Mediaplanung
materielle Begriffe wie Schmuckstück, Gold und
Ruhm oder lustorientierte Begriffe wie Zärtlichkeit                 In der Praxis wird die Semiometrie im Rahmen
und verführen von beiden Personenkreisen glei-                      der Mediaplanung insbesondere eingesetzt, um
chermaßen signifikant überbewertet.                                 für eine ausgewählte Marke qualitativ geeignete
Somit lässt sich die Frage, welche Marke am be-                     Formate für eine Werbeplatzierung zu identifizie-
sten in das Umfeld von taff. passt, leicht beant-                   ren. Ziel jedes Mediaplans ist es, bei gegebenen
                                                                                                Budget eine maxi-
Abbildung 5: Wertesteckbriefe regelmäßiger Seher taff. und Hauptverwender der vier               male Wirkung zu er-
Eiscrememarken
                                                                                                 zielen. Bei der klas-
 Wertefelder                       taff.         Landliebe Langnese   Mövenpick Manhattan
                                                                                                 sischen    Mediapla-
                                                                                                 nung, die vor allem
 familiär                                          +++         +                     ++
                                                                                                 mit Kennzahlen wie
 sozial                              +             +++                               ++
                                                                                                 TKP, GRP, Net-
 religiös                                                               +++           +
                                                                                                 toreichweite      und
 materiell                        +++                        +++                      +              Durchschnittskon-
 verträumt                           +                         +                                 takten arbeitet, kön-
 lustorientiert                   +++                         ++          --                     nen Umfelder über-
 erlebnisorientiert                                                                              sehen werden, die
 kulturell                           -                         -        +++                      aufgrund     anderer
 rational                                                     ---                                Faktoren wie den
 kritisch                                            -                     -                          psychografischen
 dominant                                                      +                     ++          Merkmalen der Se-
 kämpferisch                                                   -                                 herschaften     eben-
 traditionell                                                  -                                 falls eine hohe Affi-
         = Übereinstimmung mit taff.
                                                                                                 nität mit den Mar-
                                                                                                 kenverwendern auf-
         = Tendenzielle Übereinstimmung mit taff.
                                                                                                 weisen. Um dies zu
Abbildung 6: Kombinationspositionierung taff. (regelm. Seher) und Langnese (Hauptmarke)

vermeiden, kann als Ergänzung zur klassischen            den. Ein Abgleich des klassischen Mediaplans mit
Planung auf qualitative Methoden der Zielgrup-           den qualitativen Empfehlungen aus Semiometrie
penanalyse wie die Semiometrie oder auch die             kann die endgültige Sendungsauswahl für den
Sinus-Milieus zurückgegriffen werden. Mit Se-            Mediaplan erleichtern. Neben der Identifikation
miometrie kann geprüft werden, ob die durch die          weiterer geeigneter Formate, die ebenfalls für eine
klassische Mediaplanung identifizierten Umfelder         Belegung in Erwägung gezogen werden können,
tatsächlich die gewünschte Zielgruppe anspre-            wird der klassische Mediaplan nochmals qualitativ
chen und ob es vielleicht weitere Umfelder gibt,         beurteilt. So können die potenziellen Zielgruppen
die bisher nicht berücksichtigt wurden.                  des jeweiligen Produktes gezielter angesprochen
Bei der qualitativen Planung mit Semiometrie             und somit die Effektivität der Kampagne gesteigert
muss allerdings beachtet werden, dass sie immer          werden.Differenziertere Zielgruppenansprache
nur als Ergänzung und nicht als Ersatz der klassi-
schen Planung dienen kann. Auch muss bei einer           Wie an dieser Betrachtung der Zuschauer von
Integration weiterer semiometrisch ermittelter           Boulevardmagazinen zu sehen ist, kann eine psy-
Umfelder immer in einem zweiten Schritt geprüft          chografische Charakterisierung von Zielgruppen
werden, ob sie den Auswahlkriterien der klassi-          wichtige, über die Soziodemografie hinaus ge-
schen Planung, wie zum Beispiel der Wirtschaft-          hende Einblicke ermöglichen. Zwar ist die klassi-
lichkeit, gerecht werden.                                sche, soziodemografische Analyse in der Regel
Mit Hilfe der Semiometrie kann der Mediaplaner           die Grundlage einer Zielgruppenbeschreibung,
neue, über die Soziodemografie hinausgehende             aber allein verwendet birgt sie die Gefahr, wichti-
Einblicke in die Zielgruppe seines Produktes ge-         ge Unterschiede zu übersehen. So können nur
winnen. Wie am Beispiel der Eiscreme-Marken zu           auf Basis von Faktoren wie Alter, Geschlecht und
sehen war, können sich soziodemografisch ähnli-          Bildung schwer Aussagen über die Marken- oder
che Zielgruppen semiometrisch stark unterschei-
auch Sendungspräferenzen einer Person getrof-        Literatur
fen werden.
                                                     Deutsch, E.: Sémiomètrie: une nouvelle aproche
Ein Grund für die immer stärkere Nutzung qualita-
                                                     de positionnement et de segmentation. In: Revue
tiver Methoden zur Zielgruppenbeschreibung ist       Française du Marketing, Vol. 5/1989, S. 5-16.
die andauernde Fragmentierung der Märkte. Mit
immer mehr Produkten und Angeboten, die mit          Holbrook, M. B.: Consumer Value. A Framework
stets neuen USPs immer differenziertere Ziel-        for Analysis and Research. London/New York
                                                     1999.
gruppen ansprechen wollen, werden die Konsu-
menten täglich konfrontiert. Damit ein Produkt       Kahle, L.R./Kennedy, P.: Using the List of Values
Erfolg haben kann, ist eine ausdifferenzierte, ge-   (LOV) to Understand Consumers. In: Journal of
nau auf die Zielgruppe abgestimmte Ansprache         Services Marketing, 4/1988, S. 49-56.
eine entscheidende Voraussetzung. Diese ist mit
einer rein soziodemografischen Beschreibung          Kahle, L.R.: Social Values and Consumer Behav-
                                                     ior: Research from the List of Values. In: Selig-
schwierig zu bewerkstelligen. Nicht zuletzt auf-
                                                     man, C./Olson, J./Zanna, M.P.: The Psychology of
grund der zu beobachtenden Verschiebung der          Values: The Ontario Symposium, Vol. 8, Mahwah
Werte und Normen in der Bevölkerung, ist von ei-     1996, S.135-151.
nem solchen Vorgehen abzuraten. Zielgruppen
wie die „jungen Alten“ sind in aller Munde. Wie      Petras, A./Griese, U.: Markenführung mit dem
                                                     semiometrischen Ansatz. In: planung & analyse
auch an der Analyse der Boss-Verwender zu se-
                                                     4/1999.
hen war, vertreten ältere Zielgruppen keineswegs
unbedingt konservativere, traditionellere Werte      Petras, A./Samland, W.: Soziodemographie und
und auch jüngere Zielgruppen sind nicht unbe-        Psychographie - Der ganzheitliche Blick auf die
dingt immer dynamisch und trendbewusst. Auch         Zielgruppe. In: planung & analyse 4/2001. S. 22-
an den Zuschauergruppen der Boulevardmagazi-         27
ne und an den Verwendern der verschiedenen           Rokeach, M.: The Nature of Human Values. New
Eiscreme-Marken ist zu sehen, dass soziodemo-        York 1973.
grafisch ähnliche Zielgruppen sich in ihren Wer-
testrukturen deutlich unterscheiden können. Um       Schwartz, S.H.; Bilsky, W.: Toward a Universal
eine optimale Markenführung zu gewährleisten,        Psychological Structure of Human Values, In:
                                                     Journal of Personality and Social Psychology, Vol.
sollte daher neben der klassischen, soziodemo-
                                                     3/1987, S. 550-562.
grafischen Zielgruppenanalyse nicht auf eine zu-
sätzliche psychografische Beschreibung verzichtet    Schwartz, S.H.: Value Priorities and Behaviour:
werden.                                              Applying a Theory of Integrated Value Systems,
                                                     In: Seligman,C.; Olson, J.; Zanna, M.P.: The Psy-
                                                     chology of Values: The Ontario Symposium, Vol.
                                                     8, Mahwah 1996, S.1-24.

                                                     SevenOne Media: Semiometrie. Der Zielgruppe
                                                     auf der Spur. München 2001.

                                                     SevenOne Media: Die Sinus-Milieus 2001. Das
                                                     neue gesamtdeutsche Modell. München 2002.

                                                     Steiner, J.F. ;Auliard, O.: La Sémiomètrie: un outil
                                                     de validation des responses, Paris 1992.
Sie können auch lesen