Brain Natriuretic Peptide (BNP) - ist das Peptid Marker für eine cerebrale Schädigung nach einem akuten Schlaganfall?

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Brain Natriuretic Peptide (BNP) - ist das Peptid Marker für eine cerebrale Schädigung nach einem akuten Schlaganfall?
Aus der Neurologischen Universitätsklinik

           Abteilung Neurologie und Neurophysiologie

           der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br.

Brain Natriuretic Peptide (BNP) – ist das Peptid Marker für
     eine cerebrale Schädigung nach einem akuten
                         Schlaganfall?

                   INAUGURAL – DISSERTATION
                                 zur
              Erlangung des Medizinischen Doktorgrades
                     der Medizinischen Fakultät
                    der Albert-Ludwigs-Universität
                            Freiburg i.Br.

                           Vorgelegt 2007

                      von Claudia Jöstingmeier

                         geboren in Münster
Dekan                Prof. Dr. med. Christoph Peters

1. Gutachter         Prof. Dr. med. Thomas Els

2. Gutachter         PD Dr. med. Michael Brunner

Jahr der Promotion   2007
I

Inhaltsverzeichnis

l.      Einleitung                                   1

l.l.    Grundlagen                                   1
l.l.1. Der Schlaganfall                              2
l.l.2. Ursachen des Schlaganfalls                    4
l.l.3. Diagnostik des Schlaganfalls                  5

l.ll.   Biochemische Marker                          8
l.ll.1. Brain Natriuretic Peptide (BNP)              8
l.ll.2. Neuronen Spezifische Enolase                 13
l.ll.3. Kreatinkinase (CK)                           14
l.ll.4. S-100-Protein                                15
l.ll.5. Zytokine                                     17
l.ll.6. Polyamine                                    18
l.ll.7. Glial Fibrillary Acidic Protein (GFAP)       19
l.ll.8. Matrix Metalloproteinase (MMP)               20

l.lll. Fragestellung                                 21

ll.     Patienten und Methoden                       23

ll.l.   Patientenkollektiv                           23

ll.ll. Einschlusskriterien                           23

ll.lll. Ausschlusskriterien                          23

ll.lV. Studienablauf                                 24
II

ll.V. Studienprotokoll                     25

ll.Vl. Methoden / Auswerteverfahren        26
ll.Vl.1. Patientendaten                    26
ll.Vl.2. Skalen                            26
ll.Vl.3. Monitoring                        27
ll.Vl.4. Blutentnahme                      27
ll.Vl.5. Blutanalysen                      28
ll.Vl.6. Bildgebung                        29
ll.Vl.7. Weiterführende Diagnostik         30
ll.Vl.8. Datenspeicherung                  31
ll.Vl.9. Statistik                         31

lll. Ergebnisse                            32

lll.l.   Studienpatienten                  32

lll.ll. Diagnosen                          33

lll.lll. Nebendiagnosen                    34

lll.lV. proBNP                             36

lll.V. NSE                                 42

lll.Vl. Herzenzyme                         46

lll.Vll. Blutdruck                         48

lll.Vlll. Infarktvolumen                   50

lll.lX. Outcome                            52
III

lV. Diskussion                                                56

lV.l. Allgemeine Diskussion                                   56

lV.ll. Spezielle Diskussion                                   61
lV.ll.1. Biochemische Marker beim akuten Schlaganfall         61
lV.ll.2. Brain Natriuretic Peptide beim akuten Schlaganfall   64

V.   Zusammenfassung                                          71

Vl. Anhang                                                    72

Vl.l. Studienalgorithmus                                      72

Vl.ll. Patienteneinverständniserklärung                       73

Vl.lll. Brief an die Studienpatienten                         78

Vl.lV. Fragebogen                                             79

Vl.V. Datentabelle                                            81

Vl.Vl. Abbildungsverzeichnis                                  82
Vl.Vl.1. Abbildungen                                          82
Vl.Vl.2. Diagramme                                            82
Vl.Vl.3. Tabellen                                             82

Vll. Literatur                                                84
1

I.        Einleitung

I.I.      Grundlagen
In den vergangenen Jahren hat sich der Schlaganfall zu einer der häufigsten neuro-
logischen Krankheiten entwickelt. Nach Herzerkrankungen und Malignomen belegt er
Rang 3 unter den Todesursachen in Deutschland und ist zusätzlich die häufigste
Ursache für Invalidität im höheren Lebensalter.
Der Schlaganfall kann in jedem Alter auftreten, es sind aber vorwiegend ältere
Patienten betroffen. In der Altersgruppe der 55 bis 64-Jährigen liegt die Inzidenz bei
300/100 000 Einwohnern. Dagegen erkranken in der Altersgruppe der 65 bis 74-
Jährigen etwa 800 von 100 000 Einwohnern neu an einem Schlaganfall [13]. Durch
die steigende Lebenserwartung wird sich die Zahl der Schlaganfälle in Zukunft noch
weiter erhöhen, so dass es zu Problemen bei der Versorgung und vor allem bei der
Nachbetreuung der Patienten kommen kann [25]. Um Spätfolgen zu verhindern, sind
die frühe Diagnostik und schnell eingeleitete Therapie besonders wichtig in der
Behandlung eines Schlaganfallpatienten. In zahlreichen Studien der zurückliegenden
Jahre wurden neue Methoden zur Erkennung von Infarktfrühzeichen untersucht.
Neben der klinisch-neurologischen Untersuchung gehört die Computertomographie
(CT) des Kopfes zum Standard. Allerdings erlaubt die CT-Untersuchung insbe-
sondere in der Frühphase des Infarktes nicht immer ausreichend die Darstellung der
Infarktgröße. Darüber hinaus kann sie auf Grund der Strahlenbelastung für den
Patienten nicht beliebig wiederholt werden. Dies gilt in ähnlicher Weise auch für die
dem frühen Infarktgeschehen gegenüber deutlich sensitivere Magnetresonanz-
tomographie (MRT). Daher wäre es wünschenswert Marker zu definieren, die eine
frühzeitige Diagnose des Infarktgeschehens erlauben und darüber hinaus als online-
Überwachung des initial kritischen Verlaufs dienen könnten.

In den vergangenen Jahren fanden sich im Rahmen mehrerer Studien spezifische
biochemische Marker, die mit dem Ausmaß der neuronalen Schädigung korrelieren.
Zu diesen Markern zählt zum Beispiel die Neuronen Spezifische Enolase (NSE).
Auffällig war aber auch, dass das Brain natriuretic Peptide (BNP) bei Patienten mit
einem akuten Schlaganfall erhöht ist. Bisher war BNP als Marker einer Herz-
2

insuffizienz bekannt. Es stellt sich aber die Frage, ob das Peptid auch einen Marker
cerebraler Schädigungen darstellt.

Um festzustellen, ob der BNP-Plasmaspiegel mit dem Infarktvolumen und dem
klinischen Outcome korreliert, wurden Patienten mit einer cerebralen Ischämie oder
intracerebralen Blutung untersucht, die auf der Stroke Unit im Neurozentrum des
Universitätsklinikums Freiburg behandelt wurden. Der BNP-Spiegel wurde zu fünf
festgelegten Zeitpunkten bestimmt. Die Bildgebung erfolgte sowohl bei der
Aufnahme der Patienten, als auch nach einigen Tagen zur Bestimmung der
Infarktausdehnung und des Infarktvolumens. Das klinische Outcome wurde nach 3-6
Monaten durch eine telefonische Befragung der Patienten erhoben.

I.I.1.    Der Schlaganfall
Die häufigsten Ursachen zentraler neurologischer Ausfälle sind Durchblutungs-
störungen des Gehirns. In 85 % der Fälle werden sie durch eine zerebrale Ischämie
ausgelöst, die übrigen 15 % sind auf vaskuläre Hirnblutungen zurückzuführen [36].

Der ischämische Insult ist durch eine akut einsetzende Mangeldurchblutung ge-
kennzeichnet, in deren Verlauf es zur Nekrose des Hirnparenchyms kommt [25]. Sinkt
der Blutfluss im Gehirn unter 10ml/100g Gewebe pro Minute, beginnt der neuronale
Zelltod [53]. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine wichtige Rolle. Durch Azidose,
veränderte Kalzium-Homöostase, intrazelluläre freie Radikale, Schädigung der mito-
chondrialen Atmungskette und gesteigerter Apoptose kommt es zum Gewebe-
untergang [53; 56].

Je nach Schweregrad und Dauer der Symptomatik unterscheidet man transitorische
ischämische Attacken (TIA), prolongierte reversible ischämische neurologische
Defizite (PRIND) und Hirninfarkte. Bei einer TIA dauert die Symptomatik nicht länger
als 24 Stunden an und geht häufig mit sensomotorischen Störungen einher. Ein
PRIND liegt vor, sofern die Symptomatik nach maximal drei Wochen vollständig
abgeklungen ist. Der komplette Hirninfarkt kennzeichnet sich ebenfalls wie TIA und
PRIND durch plötzlich einsetzende neurologische Ausfälle. Die Symptomatik schreitet
3

dann zwar nicht weiter fort, bildet sich aber auch nicht oder nur unvollständig zurück.
Zu einem cerebralen Gewebeuntergang kommt es meistens nur nach einem
Hirninfarkt, nicht dagegen nach einer TIA oder einem PRIND.
Vor Symptombeginn können Prodromi in Form von Kopfschmerzen und Schwindel
auftreten. Dem betroffenen Gefäßversorgungsareal entsprechend kommt es an-
schließend zu neurologischen Ausfällen, die schon bei der klinischen Untersuchung
Hinweise auf die Infarktlokalisation geben.
Bei Ischämien im Karotis-Stromgebiet kommt es zu Großhirnhemisphäreninfarkten,
die zu kontralateralen Hemiparesen führen. Ist die Arteria cerebri anterior betroffen,
entwickelt sich eine beinbetonte Hemiparese, evtl. mit Sensibilitätsstörungen und
Inkontinenz. Die Symptomatik eines Arteria cerebri media Infarktes zeigt sich
dagegen in einer brachiofacial betonten Hemiparese, evtl. kommen eine Hemi-
hypästhesie, Hemianopsie, Hemineglect oder, sofern die dominante Hemisphäre
betroffen ist, eine Aphasie, hinzu. Bei einer Ischämie im Bereich der Arteria cerebri
posterior kommt es meistens zu einer Hemianopsie und seltener zu einer
kontralateralen Hemihypästhesie oder Hemiparese.
Ischämien im vertebro-basilären Stromgebiet führen zu Kleinhirn- und Hirnstamm-
infarkten. Die Symptomatik richtet sich hier ebenfalls nach dem betroffenen Gebiet.
Der Hirnstamminfarkt betrifft Pons, Medulla oder Mesenzephalon. Neben Vertigo,
Dysarthrie, Dysphagie und Singultus kommt es zu Hemiparesen oder beinbetonten
Tetraparesen, Ataxie, Blickparesen und Vigilanzstörungen bis hin zum Koma.
Außerdem können Alternans-Syndrome (gekreuzte Hirnstammsyndrome) mit homo-
und kontralateralen neurologischen Defiziten auftreten. Am häufigsten ist hier das
Wallenberg-Syndrom, verursacht durch einen Infarkt der dorsolateralen Medulla
oblongata. Nach einem bilateralen ventralen Ponsinfarkt kommt es zum schweren
Krankheitsbild des Locked-in-Syndroms. Durch eine hohe Tetraplegie und Ausfall der
Gesichts-, Kau- und Zungenmuskulatur kann sich der wache Patient nur noch mit
Hilfe vertikaler Augenbewegungen verständigen.
Kleinhirninfarkte, ausgelöst meistens durch Ischämien im Versorgungsbereich der
Arteria cerebelli inferior posterior, äußern sich durch Koordinations-, Sprech- und
Stimmstörungen, sowie einen Muskelhypotonus und einer homolateralen zerebellaren
Ataxie mit Dysmetrie und Intentionstremor [36].
4

Bei einem hämorrhagischen Insult wird das Hirnparenchym durch eintretendes
arterielles oder venöses Blut geschädigt [25]. Ähnlich wie bei einer zerebralen
Ischämie kann es zunächst zu Prodromi in Form von Kopfschmerzen und Schwindel,
aber auch zu Tinnitus, psychomotorischer Unruhe und Aufmerksamkeitsstörungen,
kommen. In einigen Fällen tritt eine plötzlich einsetzende Vigilanzstörung bis hin zum
Koma auf. Die Initialsymptome sind abhängig vom Anstieg des Hirndruckes und der
Ausdehnung des Infarktes. Bei vielen Patienten fehlen diese Initialsymptome aber.
Neurologische Defizite manifestieren sich meistens in kürzester Zeit oder nehmen
innerhalb der ersten Stunden nach Symptombeginn durch eine Wühlblutung weiter
zu. Klinisch zeigt sich eine Hemiparese oder –plegie, häufig zusammen mit einer
Déviation conjugée, einer Blickwendung zur Herdseite [36].
Von einer Subarachnoidalblutung (SAB) spricht man, wenn arterielles Blut in den
Subarachnoidalraum eintritt [25]. Eine SAB tritt meistens spontan auf. Typisch sind
schlagartig   einsetzende   Vernichtungskopfschmerzen     sowie   Nackenschmerzen,
Nausea und Vomitus [36].

I.I.2.    Ursachen des Schlaganfalls
Die Ursachen eines ischämischen oder hämorrhagischen Schlaganfalls können sehr
unterschiedlich sein. Ischämische Insulte sind häufig Folgen makro- oder mikroangio-
pathischer Erkrankungen. Außerdem spielen bei der Ätiologie kardiogene Embolien,
Vaskulitiden, Hirnvenen- und Sinusthrombosen eine wichtige Rolle.
Territorialinfarkte der Großhirnhemisphären werden meistens durch Thromboembo-
lien bei einer Makroangiopathie verursacht. Die Doppler- und Duplexsonographie ist
eine nicht invasive Methode, um in den hirnversorgenden Blutgefäßen hämo-
dynamisch relevante Stenosen extra- und transkraniell nachzuweisen. Aber auch
arterio-arterielle Embolien aus extrakraniellen hirnversorgenden Arterien oder der
Aorta ascendens sowie kardiogene Embolien, die sich vor allem bei Vorhofflimmern
oder Linksherzhypertrophie bilden, sind oft Ursachen für Gefäßverschlüsse. Zum
Nachweis einer kardialen Emboliequelle dient die transthorakale und transösopha-
geale Echokardiographie [36].
Die Mikroangiopathie ist eine Folge der chronischen arteriellen Hypertonie. Durch
eine Hyalinisierung der Gefäßwand kleiner Arterien und Arteriolen kommt es zu einer
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Lumeneinengung bis hin zum vollständigen Gefäßverschluss. Da besonders die End-
arterien und die langen Markarterien betroffen sind, bilden sich im Bereich der
Stammganglien und im Hirnstamm lakunäre Infarkte [36].
Vaskuläre Hirnblutungen treten häufig als Folge einer arteriellen Hypertonie auf.
Weitere Ursachen eines hämorrhagischen Infarktes sind rupturierte arteriovenöse
Malformationen, Tumorblutungen oder Koagulopathien. Unter einer Antikoagulanzien-
therapie (z. B. Marcumar) kann es zu einer medikamentös bedingten Koagulopathie
kommen. Die Patienten müssen daher vor der Verordnung des Medikamentes unter
anderem auf das Risiko einer intracerebralen Blutung durch Marcumar hingewiesen
werden [13; 36].

Wichtig bei der Entstehung eines ischämischen oder hämorrhagischen Schlaganfalles
sind einige Risikofaktoren. Dabei werden die therapeutisch beeinflussbaren Risiko-
faktoren von den nicht beeinflussbaren unterschieden. Nicht beeinflussbar sind Alter,
Geschlecht,     familiäre   Vorbelastung   und     ethnische   Zugehörigkeit.   Dagegen
beeinflussbar    sind   Diabetes    mellitus,    Hyperlipidämie,   Hypercholesterinämie,
Hyperhomocysteinämie, arterielle Hypertonie, kardiale Erkrankungen, Schlafapnoe-
Syndrom, Nikotinabusus, Adipositas sowie Karotisstenosen. Vermutlich gehören die
Lebensumstände wie Ernährung, Stress und Bewegungsmangel, Alkohol- und
Drogenkonsum, orale Kontrazeptiva, Östrogensubstitution und Migräne ebenfalls zu
den Risikofaktoren [25].

I.I.3.    Diagnostik des Schlaganfalls
Die Computertomographie des Kopfes stellt neben der klinischen Untersuchung das
wichtigste Hilfsmittel zur Diagnostik eines Schlaganfalles dar. Die CT-Bilder zeigen
eine hohe Sensitivität für eine intracerebrale Blutung. Frühe Ischämiezeichen sind da-
gegen aber oft nicht erkennbar [32]. Eine Ischämie stellt sich meist erst 12-24
Stunden nach dem Insult als begrenztes hypodenses Areal dar [36]. Die Frühzeichen
sind nicht standardisiert, sie können sich als diffuse Schwellung der betroffenen
Hemisphäre, parenchymale Hypodensität, verstrichene cerebrale Sulci oder einer
Aufhebung der Markrindengrenze darstellen [44]. Die Beurteilung der Bilder hängt vor
allem von der Erfahrung des Untersuchers ab, da eine beginnende Demarkierung
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sowie die Infarktausdehnung oft nur schwer in den initialen Aufnahmen zu erkennen
sind [57]. Hypodensität und Hirnschwellung im frühen CT (< 6h nach Symptombeginn)
bedeuten aber nicht zwingend eine irreversible Schädigung. Die physiologische
Ursache einer frühen Gewebehypodensität hängt mit dem zunehmenden Wasser-
anteil in den vom Infarkt betroffenen Hirnzellen zusammen. Ein zytotoxisches oder
zelluläres Ödem wird durch den osmotischen Gradienten und den Ionengradienten
zwischen Blut und dem ischämischen Hirngewebe sowie durch Pinozytose von
Wasser bei einem verbleibenden Blutfluss verursacht [44].
Die Kernspintomographie bietet bei diffusions- und perfusionsgewichteter Bildgebung,
T1- und T2-gewichteten Bildern sowie der MR-Angiographie bessere Möglichkeiten,
um auch frühe parenchymale Veränderungen und die dazugehörige Gefäßversorgung
darzustellen. Der Nachteil ist jedoch, dass meist nur Kliniken der Maximalversorgung
rund um die Uhr über die Bereitschaft solch eines Gerätes verfügen [32].

Wird ein Patient innerhalb der ersten Stunden nach Einsetzen der Symptome in die
Klinik eingeliefert, ist es wichtig, eine schnelle Therapieentscheidung zu treffen, da
das Zeitfenster für eine intravenöse oder –arterielle Thrombolyse sehr begrenzt ist.
Mit einer intravenösen Lysetherapie muss spätestens drei Stunden nach dem Schlag-
anfall begonnen werden, eine intraarterielle Lyse kann bis zu sechs Stunden nach
dem Ereignis eingesetzt werden. Dabei stellt sich die Frage, ob das Hirngewebe
bereits in einem größeren Ausmaß irreversibel geschädigt ist oder ob das Gewebe
nur gereizt, aber wieder vitalisierbar ist. Für eine solche Differenzierung können bio-
chemische Marker hilfreich sein. Sind die initialen Serumwerte der biochemischen
Marker schon sehr stark angestiegen, deutet das darauf hin, dass bereits ein großer
Zelluntergang stattgefunden hat. Durch eine Lysetherapie kann in diesem Fall das
geschädigte Gewebe nicht mehr vitalisiert werden.
Eine früh begonnene Lyse kann spätere Folgen oder dauerhafte Schäden verhindern,
so dass der Nutzen der Therapie größer ist als das Risiko einer sekundären Ein-
blutung in das Ischämieareal. Die initiale Bildgebung ist wichtig, um eine Blutung im
Kopf oder einen bereits demarkierten Infarkt, beides Kontraindikationen zur Lyse-
Therapie, darzustellen [43]. Neben den klinischen Befunden und der cerebralen Bild-
gebung würde die Untersuchung biochemischer Marker bereits in dieser frühen Phase
eine Aussage über den Nutzen und das Risiko einer Lysetherapie für den
7

individuellen Patienten erlauben und kann so das therapeutische Vorgehen
beeinflussen.

Biochemische Marker im Blutserum sollen in Zukunft die frühe Diagnostik und vor
allem die langfristige Prognose zum klinischen Verlauf von Schlaganfallpatienten ver-
bessern. Bei der frühen Diagnostik ist es wichtig, die Bestimmungszeit der Blutwerte
im Labor zu verkürzen. Durch eine gute Koordination von Blutabnahme, Transport ins
Labor und einer dort sofort durchgeführten Blutanalyse ist es möglich, in weniger als
einer Stunde nach der Patientenaufnahme die Laborwerte zu bestimmen.

In anderen Fachbereichen, wie zum Beispiel in der Kardiologie, dienen biochemische
Marker bereits der frühen Diagnostik. Die Bestimmung von Kreatinkinase und
Troponin T beim Myokardinfarkt sowie proBNP bei Herzinsuffizienz und Dyspnoe
führen innerhalb kürzester Zeit zur Verifizierung der klinischen Diagnose und werden
daher bereits routinemäßig im Klinikalltag eingesetzt [32].
In einigen Studien wurden Marker untersucht, durch die bei einem Schlaganfall
Aussagen über Diagnose und Prognose getroffen werden können. Da bei einer
Ischämie neuronale Zellen absterben, werden zytosolische Bestandteile freigesetzt.
Diese können dann durch eine defekte Blut-Hirn-Schranke - ebenfalls durch die
Ischämie ausgelöster Endothelzelltod - ins Serum übertreten und so im Labor
bestimmt werden. Zu diesen zytosolischen Bestandteilen gehören Proteine wie die
Neuronen Spezifische Enolase (NSE), S-100-Protein, Brain Natriuretic Peptide (BNP),
Zytokine, Polyamine und Glial Fibrillary Acidic Protein (GFAP). Außerdem werden
noch unspezifische Marker wie der Thrombosemarker von-Willebrandt-Faktor oder die
Plasma Metalloproteinase-9 bestimmt [32; 43]. Diese Marker sind zwar nicht
spezifisch für den Schlaganfall und weisen eine hohe Variabilität auf, ihre Be-
stimmung bei der Verdachtsdiagnose Schlaganfall kann aber zu einer schnelleren
Überweisung des Patienten auf eine Stroke Unit führen [32].
Sind die biochemischen Marker initial im Blutserum stark erhöht, deutet dies auf eine
schlechtere Prognose hin, da ein größeres Areal mit einer Vielzahl von Neuronen-
zellen im Gehirn betroffen ist. Ebenso ist ein erneuter Anstieg der Werte im Verlauf
immer ein Zeichen für neurologische Komplikationen. Dies sind zum Beispiel ein
Hirnödem oder eine Einblutung und bedeuten ebenfalls eine schlechtere Prognose.
8

Dagegen lassen niedrige Werte im Verlauf oder nach einer durchgeführten
Thrombolyse eine gute Prognose zu, das bedeutet für den Patienten häufig, dass
keine bleibenden Schäden zurückbleiben.

I.II.     Biochemische Marker

I.II.1.   Brain Natriuretic Peptide (BNP)
BNP gehört zu der Familie der natriuretischen Peptide (NP), die sich in fünf ver-
schiedene, aber strukturell ähnliche Peptide aufgliedert [11; 14]. ANP (atrial natriuretic
peptide) wird vor allem im Vorhof des Herzen synthetisiert, BNP dagegen stammt aus
dem Ventrikel. CNP (C-type natriuretic peptide) kommt aus dem Endothel der cere-
bralen Gefäße, besonders nach Verletzungen oder Entzündungen kommt es zur ver-
mehrten Produktion. Die Funktion der cerebralen Mikrogefäße wird hauptsächlich
durch das CNP reguliert. Erst in den vergangenen Jahren wurden Adrenomedullin
sowie DNP im Plasma und im Liquor von Patienten entdeckt, sie gehören ebenfall zur
Gruppe der natriuretischen Peptide [11; 52].
ANP wurde erstmalig 1981 von De Bold et al. [50] entdeckt. 1988 folgte dann die
Entdeckung eines ANP-ähnlichen Peptides, das aus Schweinegehirn isoliert werden
konnte, und wurde daher Brain Natriuretic Peptide genannt (BNP) [50]. Mittlerweile
konnte das Chromosom 1 im menschlichen Erbgut als Genort lokalisiert werden, dort
ist das Vorläufer-Hormon proBNP, das aus 108 Aminosäuren besteht, codiert [23].
Trotz unterschiedlicher Genorte der natriuretischen Peptide besitzen sie alle dieselbe
Ringstruktur aus 17 Aminosäuren und einem Zystein-Zystein-Cross-link, in den
Seitenketten unterscheiden sich die Peptide allerdings [50].

Abb. l.1: Struktur der natriuretischen Peptide [50]
9

Die Synthese des proBNP erfolgt kontinuierlich. Vor allem aus den Myozyten der
Ventrikel, aber auch aus kardialen Fibroblasten wird proBNP ins Blut freigesetzt. Dort
wird es in das aktive Hormon BNP und den inaktiven Metaboliten N-terminal BNP
(NT-BNP) gespalten [50; 23]. Die biologische Wirkung dieses Hormons beruht auf
Bindungen an membrangebunde Guanylatzyklase-Rezeptoren. ANP und BNP binden
an einen Typ-A-Rezeptor, CNP an einen Typ-B-Rezeptor. Ein Typ-C-Rezeptor dient
nicht der biologischen Wirkung, sondern der Clearance der Hormone. Alle drei
Rezeptor-Typen finden sich in glatter Gefäßmuskulatur, in Endothelzellen sowie in
Lunge, Nieren, Nebennieren, Leber und im Interstitium [50]. Bindet das aktive Hormon
BNP an den Typ-A-Rezeptor, so kommt es zu einem intrazellulären Konzentrations-
anstieg des second messenger cGMP (zyklisches 3`,5`-Guanosin-Monophpsphat)
[31].
Die Elimination des BNP aus dem Blut erfolgt einerseits über die Aufnahme durch den
Typ-C-Rezeptor sowie andererseits über eine enzymatische Proteolyse durch
neutrale Endopeptidasen (NEP 24.11.) in vaskulären und tubulären Zellen. Daher
erklärt sich die relativ kurze Halbwertzeit im Blut von ca. 20 Minuten. Da NT-proBNP
renal eliminiert wird, hat es eine längere Plasmahalbwertzeit sowie eine höhere
Plasmakonzentration als BNP [50; 24]. Bei einer renalen Insuffizienz ist daher die
Interpretation erhöhter BNP-Plasmaspiegel schwierig [10].
Eine gesteigerte Produktion von ANP und BNP im Herzen lässt sich vor allem auf
neuronale und humorale Stimuli zurückführen sowie auf eine ständige Überlastung
und Dehnung der Myozyten, verursacht zum Beispiel durch eine Herzinsuffizienz oder
eine Myokardischämie. BNP wird aber nicht nur im Herz, sondern auch im Gehirn,
besonders im Hypothalamus synthetisiert. Durch einen adäquaten humoralen oder
parakrinen Reiz, meist Endothelin, kommt es zu einer gesteigerten mRNA Expression
für BNP [52]. Das synthetisierte Peptid kann im Gegensatz zum ANP nicht in sekre-
torischen Granula gespeichert werden. Daher ist kurz nach der Genexpressions-
induktion ein erhöhter BNP-Plasmaspiegel zu messen. Dies kann als Hinweis
angesehen werden, dass das BNP eine Bedeutung als early emergency gene dar-
stellt. [50].

Die biologische Wirkung der natriuretischen Peptide ANP und BNP im Körper ist trotz
ihrer genetischen Unterschiede gleich [14]. Bei einer erhöhten Plasmakonzentration
10

kommt es zur verstärkten Diurese, Natriurese und einer Vasodilatation der Arterien
und Venen. Die Vasodilatation wird durch einen verminderten Sympathikotonus, eine
Hemmung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems sowie Hemmung von Endo-
thelinen, Zytokinen und Vasopressin verursacht. Eine Besonderheit ist hier, dass die
kardiale Vorlast gesenkt wird, ohne dass eine daraus resultierende Reflextachykardie
entsteht. Dies beruht auf einer Stimulation vagaler und einer Suppression sympa-
thischer Afferenzen sowie einer reduzierten Katecholaminfreisetzung aus autonomen
Nervenendigungen.
Auf die renale Hämodynamik und Funktion hat das aktive BNP ebenfalls eine direkte
Wirkung. Durch eine Vasodilatation der afferenten renalen Arteriolen und eine Vaso-
konstriktion der efferenten Arteriolen erhöht sich der Druck innerhalb der glomerulären
Kapillaren. Die glomeruläre Filtrationsrate steigt daher ebenfalls an. Diese direkten
tubulären Effekte sind die Ursache der gesteigerten Natriurese und Diurese.
Zusätzliche Wirkungen des BNP zeigen sich in seinem direkten vasodilatatorischen
Effekt auf die Koronararterien und in seinem antimitogenen Effekt im Herzen und im
Gefäßsystem, der Myozytenwachstum hemmt [50; 23].
Sinken Blutvolumen und Blutdruck auf Grund der systemischen Effekte der NP ab, hat
dies zur Folge, dass der cerebrale Blutfluss ebenfalls absinkt und es zu einer cere-
bralen Minderperfusion kommen kann. Besonders nach einer subarachnoidalen
Blutung (SAB) steigt durch eine sekundäre Ischämie die Mortalität. Die Ursachen
dieser Ischämie konnten noch nicht vollständig geklärt werden, die NP spielen hierbei
aber wohl eine wichtige Rolle.
Im Gegensatz zu den systemischen Effekten der NP sind die zentralen Wirkungen für
einen   verbesserten   cerebralen    Blutfluss   mitverantwortlich.   Da   die   Liquor-
Konzentration der NP bei Patienten mit einer SAB deutlich höher ist als im Serum,
kann man von einer cerebralen Herkunft der Peptide ausgehen. Sie wirken hier
vasodilatatorisch, anti-angioproliferativ und verbessern den cerebralen Blutfluss. Die
SAB ist verantwortlich für Gefäßschädigungen und die Freisetzung gefäß-aktiver
Faktoren, die zum Vasospasmus führen. Daraufhin wird einerseits die Hypoxie-
bedingte BNP-Sekretion aus den Neuronen des Hypothalamus gefördert, abhängig
von der Masse des ischämischen Gewebes, und es kommt zu einem verbesserten
cerebralen Blutfluss. Andererseits steigt aber auch der NP-Plasmaspiegel, was durch
die systemischen Effekte zu einer verminderten Durchblutung der hirnversorgenden
11

Gefäße führt. Entscheidend ist also das Ausmaß der jeweiligen Konzentrations-
änderung der NP-Spiegel, welcher der beiden gegensätzlichen Effekte am Ende
überwiegt [52].
Die natriuretischen Effekte der NP können zu einer ausgeprägten Hyponatriämie
führen [51]. Der Schweregrad der Hyponatriämie korreliert mit dem BNP-Anstieg im
Serum. Dieser Zusammenhang wurde besonders innerhalb der ersten 24 Stunden
nach Einsetzen Ischämie-bedingter neurologischer Defizite nach einer SAB sichtbar.
Eine Korrelation des Ausmaßes der Hyponatriämie mit dem ANP-Plasmaspiegel
konnte dagegen nicht nachgewiesen werden [38].
Aber nicht nur bei einer subarachnoidalen Blutung, sondern auch bei intra-
ventrikulären und intraparenchymalen Blutungen wurde eine BNP-Erhöhung im Blut
beobachtet [51].
In Experimenten mit Mäusen wurde beobachtet, dass es bei einer gezielten Deletion
vom BNP-Gen zu fokalen ventrikulären fibrotischen Läsionen mit einem Anstieg der
ventrikulären mRNA-Expression von ACE (Angiotensin-Converting-Encyme), trans-
forming growth-factor-β3 und pro-α1 (l) Kollagen kommt. Dies sind Faktoren, die die
Entstehung und Zunahme einer ventrikulären Fibrose fördern [23; 31]. Bei einer
experimentellen Überexpression des BNP-Gens bei Mäusen zeigten sich dagegen
eine arterielle Hypotonie und zusätzlich vermehrt auftretende Knochenmal-
formationen [23].
In neueren Studien konnte gezeigt werden, dass der BNP-Plasmaspiegel nach einem
ischämischen Schlaganfall ebenfalls ansteigt. Daher stellt sich die Frage, ob es zu
einer vermehrten Ausschüttung des Peptides aus dem Gehirn kommt oder ob
kardialer Stress für diesen Anstieg verantwortlich ist.
Der diagnostische Einsatz des BNP gehört bei verschiedenen kardiovaskulären
Erkrankungen mittlerweile zum Standard. Bei Herzversagen oder einer Myokard-
ischämie geben die BNP-Plasmaspiegel Anhaltspunkte auf das Ausmaß der
Schädigung. Die erhöhte BNP-Plasmakonzentration korreliert mit dem Schweregrad
der ventrikulären Dysfunktion sowie dem Grad der Herzinsuffizienz gemäß der NYHA-
Klassifikation (New York Heart Association Classification) [50]. Zusätzlich eignet sich
die Überwachung des BNP-Plasmaspiegels zum Monitoring der medikamentösen
antihypertensiven Therapie. Bei einem sinkenden BNP-Spiegel ist die Therapie, z.B.
mit β-Blockern oder ACE-Hemmern, wirksam [50].
12

Untersuchungen ergaben, dass bei asymptomatischen Personen mit leicht erhöhten
BNP-Serumwerten ein erhöhtes Risiko vorliegt, später an kardiovaskulären Erkrank-
ungen zu leiden. Dieses ist wohl auf die systemischen Effekte des BNP zurück-
zuführen [34].

Erst in den letzten Jahren wurden Nachweismethoden entwickelt, die eine schnelle
und relativ günstige Messung des BNP im Klinikalltag zulassen. Drei Firmen
entwickelten Testverfahren, mit denen entweder aus EDTA-Plasma oder aus dem
Blutserum die Vorstufe proBNP oder das fertige BNP bestimmt werden können. Bei
diesen Verfahren handelt es sich um immunchemische oder immunradiometrische
Untersuchungen. Je nach Messmethode bleibt das proBNP bei einer Temperatur von
20°C bis 25°C in den abgenommenen Blutproben bis zu 72 Stunden stabil, so dass
die Messung auch noch im Nachhinein durchgeführt werden kann. Wichtig bei der
Bestimmung des proBNP sind einige Faktoren, die die Werte beeinflussen. Dabei
spielen die Medikation, die Nierenfunktion, das Alter, Geschlecht sowie der Body
Mass Index des Patienten eine Rolle. Der Referenzbereich liegt bei jüngeren
Patienten unter 125 pg/ml, steigt aber durch die verschiedenen beeinflussenden
Faktoren bei Patienten über 75 Jahre auf bis zu 450 pg/ml an [14]. Der altersbedingte
Anstieg der BNP-Plasmakonzentration beruht auf einer zunehmenden links-
ventrikulären Hypertrophie, die zu einer erhöhten BNP-Sekretion führt. Zusätzlich
sinkt die Clearance des Hormons, da die renale Funktion und damit die Ausscheidung
im Alter abnimmt und sich die Anzahl der Typ-C-Clearance-Rezeptoren vermindert
[28].

BNP ist nicht nur zu diagnostischen Zwecken, sondern auch therapeutisch einsetzbar.
Eine kurzzeitige Infusion mit synthetischem rekombinanten humanen BNP (Nesiritide)
bei Patienten mit dekompensiertem Herzversagen verbessert die Symptome und
klinischen Zeichen der Volumenüberlastung und der kardialen Dekompensation.
Studien haben belegt, dass der Druck in den pulmonalen Gefäßen, der Druck im
rechten Vorhof und der systemische Gefäßwiderstand sinken, der Herzindex ansteigt,
es zu einer globalen Verbesserung des klinischen Status kommt und geringere Dosen
intravenöser Diuretika verabreicht werden müssen. Als Nebenwirkungen kann eine
asymptomatische bis milde Hypotonie auftreten.
13

BNP ist ein potenter venöser und arterieller Vasodilatator. Es tritt eine schnellere
Verbesserung der kardialen Hämodynamik ein als bei konventioneller Behandlung
und es zeigen sich weniger Nebenwirkungen Daher dient es als nutzvolles Thera-
peutikum bei dekompensierter Herzinsuffizienz [50].

I.II.2.   Neuronen Spezifische Enolase (NSE)
Die Neuronen Spezifische Enolase ist ein dimeres Isoenzym der Glykolyse und
Glukoneogenese mit zwei γ-Untereinheiten. Sie ist zwar spezifisch für Neurone, nicht
aber für das ZNS. Da die NSE im Zytoplasma von Zellen mit neuroendokrinem oder
neuronalem Ursprung vorkommt und sie durch Zellschädigung ins Blut freigesetzt
wird, dient sie als Tumormaker für neuroendokrine Tumoren einschließlich des klein-
zelligen Bronchialkarzinoms sowie als Marker für ischämische oder hämorrhagische
Gewebeschädigungen im Gehirn, infektiöse Erkrankungen oder Schädel-Hirn-
Traumata [12; 25; 35]. Aber nicht nur im Serum, sondern auch im Liquor kann es zu
einer Erhöhung der NSE-Konzentration kommen. Bei degenerativen atrophischen
Prozessen des Gehirns und Rückenmarks, wie sie bei der Creutzfeld-Jakob-
Erkrankung vorkommen, lässt sich häufig ein erhöhter NSE-Spiegel im Liquor messen
[36]. Die Messungen der NSE-Werte im Blut oder Serum erfolgen meist mit Hilfe
eines Enzymimmunassay, bei dem sich zwei monoklonale Antikörper gegen die
Untereinheiten des NSE richten [25].
Eine Unterscheidung zwischen einer cerebralen Blutung und einer Ischämie ist aber
mit Hilfe der NSE-Konzentration im Blut nicht möglich. Der Interferenzbereich für NSE
liegt unter 12 µg/L [25]. Nach einem Schlaganfall steigt dieser Wert innerhalb von 7 -
18 Stunden an, fällt dann wieder ab, bevor es nach 2 - 4 Tagen zu einem erneuten
Anstieg der Serumwerte kommt. Dieser erste Anstieg lässt sich durch die Schädigung
des neuronalen Gewebes erklären, wodurch das zytosolische NSE freigesetzt wird
[59]. Die Halbwertszeit im Serum beträgt etwa 48 Stunden, so dass die Serum-
konzentration zunächst wieder abnimmt [12]. Zu einem zweiten Anstieg kommt es, da
ein intrakranielles Ödem oder Druckanstieg ebenfalls neuronale Schädigungen verur-
sachen, so dass erneut NSE freigesetzt wird [59]. Nach einem langsamen Absinken
der Serumkonzentration bleibt diese auch nach Monaten noch erhöht, das bedeutet,
dass Ab- und Umbauprozesse längerfristig nach einem Schlaganfall noch nicht abge-
14

schlossen sind [4]. Das Serum-Maximum korreliert ebenso wie das Protein S-100B
mit der größten Infarktausdehnung und dem klinischen Verlauf, der mit dem NIH-
Punktewert und Barthel-Index bewertet wird. Höhere Serumwerte beider Marker be-
deuten eine längere Freisetzung durch größere Infarktareale und führen zu einer
schlechten klinischen Prognose [59]. Eine Korrelation zwischen dem Blutungs-
volumen nach einer intracerebralen Blutung und der NSE-Konzentration im Serum
besteht dagegen nicht [12].
Um eine bessere Vorhersage zum klinischen Verlauf machen zu können, wurde in der
Untersuchung von Butterworth et al. [4] neben dem NSE auch die Human Serum
Carnosinase (HSC) bestimmt. Hierbei handelt es sich um eine Dipeptidase, die im
Gehirn synthetisiert wird und die Dipeptide Carnosin, Anserin und Homocarnosin
hydrolysiert. HSC ist außerdem an der Bereitstellung des Neurotransmitters GABA
beteiligt. Über den Liquorraum gelangt HSC ins Serum und kann ebenso wie NSE
laborchemisch leicht bestimmt werden. Durch eine Ischämie sterben die Carnosinase-
produzierenden Zellen im Gehirn ab, dadurch sinkt der HSC-Spiegel im Serum und
das Verhältnis NSE/HSC wird größer. Nach etwa 48 Stunden ist dieses Verhältnis am
größten und lässt eine Vorhersage zum klinischen Verlauf zu. HSC alleine korreliert
nicht mit dem Infarktvolumen, dagegen aber mit dem klinischen Verlauf, da
wahrscheinlich vorübergehend zu wenig GABA produziert wird [4].

I.II.3.   Kreatinkinase (CK)
Das dimere Molekül besitzt zwei Untereinheiten, daher gibt es drei verschiedene
Enzyme, die sich durch ihre Polypeptidketten sowie durch ihr Vorkommen unter-
scheiden. CK-MM kommt hauptsächlich in der Skelettmuskulatur, CK-MB in der
Herzmuskulatur und CK-BB im zentralen Nervensystem vor. Die Messung der CK-BB
kann auf verschiedene Arten erfolgen. Katalytische Aktivitätsmessungen, Anionen-
austauschchromatographie, Elektrophorese oder immunologische Verfahren sind
meistens die Methoden der Wahl.
Bei einem Verdacht auf einen akuten Myokardinfarkt dienen die Bestimmungen der
Kreatinkinasen zusammen mit Troponin T als diagnostische Marker. Da es bei
Schlaganfallpatienten ebenfalls zu einer Erhöhung der CK-MB-Serumkonzentration
kommt, obwohl Troponin T im Normbereich bleibt, lässt sich diese Veränderung auf
15

einen nicht-kardialen Ursprung zurückführen. Hinzu kommt auch, dass die CK-MB-
Konzentration nach einem Myokardinfarkt innerhalb von 24 Stunden zunächst an-
steigt, um dann wieder sofort abzusinken. Nach einem Schlaganfall dagegen bleiben
die Serumwerte über einige Tage erhöht. Zusammen mit CK-MB kommt es zu einer
Erhöhung der Myoglobin-Werte sowie dem totalen CK-Wert. Da aber die Troponin T –
Werte nicht ansteigen, ist nicht eine Myokardzellnekrose die Ursache für die Er-
höhung der Enzyme, sondern eher der lytische Zustand, in dem sich der Schlag-
anfallpatient befindet. Verantwortlich für den gesteigerten Abbau der Skelett-
muskulatur sind häufige intramuskuläre Injektionen, Immobilisierung und die akute
Stresssituation [2; 25].

I.II.4.   S-100-Protein
Das S-100-Protein gehört zu einer Gruppe Kalzium-bindender Proteine, die den
Hauptbestandteil im Zytosol darstellen. Zwei Untereinheiten sind charakteristisch für
das Vorkommen des Proteins: S-100-ββ findet sich vor allem in Astrogliazellen und in
Schwannzellen, S-100-αβ tritt in Gliazellen und Melanozyten auf und das Protein S-
100-αα in der Muskulatur, im Herz und in der Niere [5; 25]. Nachweisen lässt sich das
Protein im Blut oder Liquor vor allem durch immunometrische Messverfahren [25]. Da
die Methoden noch nicht standardisiert sind, gibt es auch keinen festgelegten
Referenzbereich, bei den meisten Methoden liegt er im Blut unter 0,135 µg/l [25].
Durch das Protein werden hauptsächlich intrazelluläre Funktionen beeinflusst, wie
Zellwachstum, Zell-Zell-Kommunikation und intrazelluläre Signaltransduktion. Eine
wichtige Rolle spielen die Proteine bei Tumoren. Durch einen erhöhten Serumspiegel
dienen sie als Tumormaker für Gliome, Melanome, Schwannome und hoch
differenzierte Neuroblastome. Nicht nur bei Tumoren, sondern auch bei Patienten
nach einem Herzstillstand [47], bei Patienten, die mit β-adrenergen Agonisten oder
Phosphodiesterase-Hemmern behandelt werden [26], oder bei neurologischen Schä-
digungen durch Kopftrauma, cerebrale Hypoxie, cerebrale Blutung oder Ischämie
können die Liquor- und Serumwerte erhöht sein. Durch diesen Mangel an Spezifität
dient das Protein S-100 nicht als Diagnose-, sondern als Verlaufs-Marker im Serum
[5]. Untersuchungen ergaben, dass S-100B (S-100-ββ) unabhängig von Geschlecht,
Alter und Schlaganfall-Risikofaktoren mit dem Infarktvolumen und dem klinischen
16

Verlauf korreliert [39], aber nicht von der Infarktlokalisation abhängt [59]. Die
Korrelation erklärt sich durch das Ischämie-bedingte Absterben der Astrogliazellen,
wodurch es zur Freisetzung des Proteins kommt. Da die Blut-Hirn-Schranke ebenfalls
geschädigt wird, wandert das Protein durch die Schranke hindurch direkt ins Blut. Der
maximale Serumwert wird etwa zwei bis vier Tage nach dem Schlaganfall-Ereignis
erreicht, er lässt eine Aussage über die langfristige Prognose zu [21]. Je mehr
Astrogliazellen geschädigt sind, desto höher ist also der maximale Serumwert. Es
liegt demnach eine größere Gewebeschädigung vor, die eine schlechtere langfristige
Prognose erwarten lässt.
Nach einem Schlaganfall, ausgelöst z.B. durch einen proximalen Arteria cerebri
media-Verschluß (ACM-Verschluß), besteht häufig eine erhöhte Hirnödem- und Ein-
klemmungsgefahr, die nur schwer durch die Bildgebung abzuschätzen ist. Eine
therapeutische Möglichkeit ist die dekompressive Hemikraniektomie, meist stellt sich
dabei aber die Frage, bei welchen Patienten und zu welchem Zeitpunkt dieser Eingriff
vorgenommen werden sollte. Erhöhte S-100B-Serumwerte über 1,03 µg/L 12 - 24
Stunden postiktal erleichtern dabei die Therapieentscheidung [21].
Der Erfolg einer Thrombolyse bei einem ACM-Verschluß wird durch den klinischen
Verlauf mittels NIHSS, Barthel-Index, modifizierte Rankin-Scale oder erneute Bild-
gebung bestimmt. Eine Blutabnahme 48 - 96 Stunden nach dem Ereignis ist aber
schon ausreichend, um eine verlässliche Aussage über den Erfolg der Thrombolyse
treffen zu können. Serumwerte des S-100B unter 0,4 µg/L zeigen, dass es durch die
frühe Lyse nur zu einer kleineren Läsion im Gehirn gekommen ist, was sich direkt in
der Kinetik des Proteins widerspiegelt [20].
Steigen die S-100B-Serumwerte über 0,7 µg/L nach einer globalen cerebralen
Ischämie, ausgelöst durch einen Kreislaufstillstand, ist die Wahrscheinlichkeit hoch,
dass das Bewusstsein nicht wieder erlangt wird. Die Hirnstammfunktionen bleiben
erhalten, so dass der Patient auf Dauer in einem komatösen Zustand überlebt
(persistent vegetative state, CPVS – Wachkoma). Auch hier stellt der Serumwert des
S-100B einen wichtigen Prognose-Marker dar [35].
Die Bestimmung des S-100B kann den Patienten, wie auch den Angehörigen in
einem gewissen Maß Gewissheit über den Verlauf der Erkrankung geben.
17

I.II.5.   Zytokine
Bei den Zytokinen handelt es sich um kleine Glykoproteine, die von verschiedensten
Zellen sezerniert werden [55]. Zu diesen Zellen zählen vor allem die Leukozyten
sowie die Thrombozyten. Unter pathologischen Bedingungen, unabhängig vom
Schlaganfall-Subtyp,   produzieren    aber     auch   Astrozyten,   Mikrogliazellen   und
Neuronen die Zytokine Interleukin-6 (Il-6) und Transforming Growth Factor-β (TGF-β)
[29]. Die Messungen erfolgen ebenfalls durch immunchemische und immunradio-
metrische Messverfahren [29; 54].
Il-6 korreliert nach einem akuten Schlaganfall mit Körpertemperatur, Serum-Glukose,
Fibrinogen, Infarktvolumen und der klinischen Verschlechterung [9; 55]. Am ersten
Tag nach dem Ereignis kommt es zu einer Erhöhung im Serum und Liquor,
anschließend sinkt der Spiegel wieder ab, bleibt aber langfristig erhöht [54]. Je größer
dabei der initiale Anstieg der Konzentration ist, desto größer ist das Risiko einer
klinischen Verschlechterung innerhalb der ersten Tage nach dem Schlaganfall,
unabhängig von der Größe, Lage oder des auslösenden Faktors des Infarktes [55].
Da es im Liquorraum zu einem größeren Anstieg der Il-6-Konzentration kommt als im
Serum, handelt es sich um eine intrathekale Produktion und Sezernierung der
Zytokine, die durch Entzündungsprozesse des geschädigten Hirngewebes gesteuert
werden, und nicht um eine systemische Reaktion auf das Ereignis [54].
Il-6 hat sowohl proinflammatorische als auch immunmodulatorische Aufgaben, was
durch eine Korrelation mit dem C-reaktiven Protein im Serum nach einem akuten
Schlaganfall bestätigt wird [29]. Außerdem spielt Il-6 bei den Heilungs- und Umbau-
prozessen im Gehirn eine wichtige Rolle. Als Wachstumsfaktor stimuliert es die
Synthese und Differenzierung der Neuronen, die Zahl der Natrium-Kanäle in den
Zellmembranen nimmt zu. Die um das geschädigte Gewebe liegenden Neuronen
werden aktiviert und sprießen aus, um den Schaden auszugleichen [54].
Die Zytokinkaskade ist nicht spezifisch für den akuten Schlaganfall. Dennoch sind im
Liquor und im Serum deutliche Konzentrationsänderungen messbar, die mit dem
Ereignis zusammenhängen und eine längerfristige Prognose zulassen.
18

I.II.6.   Polyamine
Bei den endogenen Polyaminen (Spermidin, Putrescin und Spermin) handelt es sich
um aliphatische Amine, die vor allem intrazellulär in allen eukaryontischen Zellen und
in besonders hohen Konzentrationen im Gehirn vorkommen.
Die Polyaminsynthese wird durch eine Aktivitätsänderung des Enzyms Ornithin-
Decarboxylase reguliert: es katalysiert die Decarboxylierung der Aminosäure Ornithin
zu dem Diamin Putrescin. Die Biosynthese ist eng mit physiologischen und
neoplastischen Zellwachstumsprozessen verbunden. Bei Hirntumoren und vor allem
bei malignen Lymphomen sind die Ornithin-Decarboxylase-Aktivität sowie die
Putrescin-Konzentration im Serum erhöht. Der Putrescin-Metabolismus steht im
Zusammenhang zum Malignitätsgrad der Neoplasien. Bei Glioblastomen ist dagegen
das Spermidin / Spermin-Verhältnis diagnoseweisend, es korreliert aber nicht mit dem
Grad der Anaplasie. Die klinische Anwendung ist sehr begrenzt, da die Messung der
Ornithin-Decarboxylase sehr aufwendig und teuer ist. Hinzu kommt auch noch, dass
es durch die große Tumorheterogenität zu größeren Fehlern kommt [17].
Verschiedenste Funktionen werden den Polyaminen zugeschrieben, eine besondere
Rolle spielen sie bei den Ischämie-bedingten Abläufen nach einem Schlaganfall. Der
N-methyl-d-Aspartat-Rezeptor (NMDA) wird aktiviert, daraufhin strömt Kalzium in die
Zelle ein, akkumuliert intrazellulär und wirkt dort toxisch [15; 16]. Hinzu kommt noch,
dass die Freisetzung von Neurotransmittern aus den Nervenendigungen gesteigert
wird.
Veränderungen der Blut-Hirn-Schranke sind ebenfalls auf die erhöhte Polyamin-
freisetzung zurückzuführen. Die Polyamine wandern durch die defekte Schranke
hindurch und können so im Serum bestimmt werden. Diese Defekte spielen eine
entscheidende Rolle bei der Entstehung eines Hirnödems [15]. Der Anstieg der
Polyamine zeigt eine Korrelation mit dem klinischen Verlauf und dem Infarktvolumen
nach einer hemisphäralen, emboligenen, cerebralen Ischämie, so dass eine Vorher-
sage zur Prognose möglich ist [3; 15].
Nach einer akuten Ischämie kann der oxidative Metabolismus der Glucose nicht
aufrechterhalten werden. Es kommt zu einer Lactat-Azidose, einem ATP-Mangel
sowie zu einer Dysfunktion der Ionenpumpen in den Membranen. Durch die so
ausgelöste Depolarisation steigt im beschädigten Gewebe die extrazelluläre
Glutamat-Konzentration an, die ebenso wie die Polyamine zu einer Überstimulation
19

des NMDA-, sowie des AMPA-(α-Amino-3-Hydroxy-5-Methyl-4-Isoxazol Propionat)
Glutamat-Rezeptors führt. Diese Überstimulation der Rezeptoren führt zur weiteren
Depolarisation und einem intrazellulären Natrium-Anstieg. Dadurch wird die Glutamat-
ausschüttung weiter gefördert, zelluläre Ödeme werden verursacht und nicht
spannungsabhängige Kalziumkanäle werden geöffnet. Der neuronale Zelltod wird
schließlich durch die Kalzium-abhängige ischämische Kaskade ausgelöst. Durch den
Kalziumanstieg werden Proteine, Kinasen und Proteasen aktiviert, die antioxidative
Kapazität der Neurone wird überschritten und es kommt zur Freisetzung toxischer
freier Radikale [9]. Glutamat ist daher ein guter biochemischer Marker für den
Schlaganfall: steigt die Plasmakonzentration in den ersten 24 Stunden über 200 µM
kommt es in 92% der Fälle zu einer neurologischen Verschlechterung [9].
In Tiermodellen wurden neuroprotektive Medikamente gefunden, die die NMDA- und
AMPA- Rezeptoren blockieren und so den klinischen Verlauf verbessern. Da sie aber
zu große Nebeneffekte und eine neurologische Verschlechterung, die mit einem An-
stieg der Serumkonzentration des S-100B einherging, zeigten, konnten sie beim
Menschen bislang noch nicht angewendet werden. Die NSE-Konzentration stieg
dagegen im Serum nicht an. Eine Gliazelltoxizität der neuen Medikamente wird nicht
ausgeschlossen, sie führt ebenfalls, wie die Neurotoxizität, zur neuronalen Dys-
funktion. Die Toxizität verbietet daher die klinische Anwendung von Glutamat-
Antagonisten [16].

I.II.7.   Glial Fibrillary Acidic Protein (GFAP)
Bei dem GFAP handelt es sich um monomere fibrilläre Proteine, die einen
wesentlichen Bestandteil des Zytoskelettes von Gliazellen bilden. Sie werden fast
ausschließlich von Astrozyten synthetisiert. Es wurden Untersuchungen zu Ver-
änderungen der GFAP-Konzentration nach einem akuten Schlaganfall durchgeführt,
um das GFAP als möglichst sensitiven Marker im Klinikalltag einsetzen zu können. Im
Liquor war die Konzentration bei Hydrozephalus, Demenz, aber auch nach einem
Schlaganfall erhöht. Ab dem zweiten Tag nach dem Ereignis zeichnete sich eine
deutliche Korrelation zwischen dem GFAP-Serumwert mit dem Infarktvolumen, dem
S-100B-Serumwert und dem klinischen Verlauf ab. Im Gegensatz zum S-100B ist
20

GFAP ein besonders sensitiver Marker für kleinere und lakunäre Läsionen nach
einem Schlaganfall [26].

I.II.8.   Matrix Metalloproteinase (MMP)
Diese Gruppe proteolytischer Zink-abhängiger Enzyme stellt ebenfalls einen bio-
chemischen Marker beim akuten Schlaganfall dar. Die Expression der Enzyme steigt
während dem Ereignis stark an. Normalerweise besteht die Hauptaufgabe darin, die
extrazelluläre Matrix umzubauen und die Wundheilung zu fördern, unter patho-
logischen Umständen kommt es aber zum Angriff gegen körpereigene Substrate.
Dabei werden die Hauptbestandteile der Basallaminae der Gefäße wie das Kollagen
Typ IV, Laminin und Fibronektin geschädigt, was zu Entzündungen führt [40]. Als
Folge kann es zu einem Einreißen der Basallamina kommen. Dadurch steigt die akute
Gefahr eines Hirnödems oder einer intracerebralen Blutung. Bei einem dauerhaft er-
höhten systolischen Blutdruck kommt es schneller zu diesen Defekten der hirn-
versorgenden Blutgefäße [7]. Das Risiko einer hämorrhagischen Transformation nach
einer cerebralen Ischämie stellt eine Gefahr im Klinikalltag dar. Häufig tritt sie nach
der Gabe von Antikoagulantien oder einer thrombolytischen Therapie auf. Um das
Risiko einer sekundären Einblutung abzuschätzen, kann die Plasma MMP-
Konzentration dienen. Die Messung erfolgt im Labor durch immunchemische Ver-
fahren (z.B. ELISA). Liegt die MMP-9 Konzentration während oder kurze Zeit nach
dem Schlaganfall über 140 ng/mL, dann ist das Risiko einer sekundären Einblutung
nach einer thrombolytischen Therapie deutlich erhöht [7; 9]. Tiermodelle haben ge-
zeigt, dass die Gabe von MMP-Hemmern die Infarktgröße deutlich verringert. Bei
Patienten wurde ebenfalls eine Korrelation zwischen dem mittleren MMP-9 Wert und
dem Infarktvolumen, sowie dem NIH-Punktewert festgestellt [40].
21

I.III.      Fragestellung

Im klinischen Alltag zeigte sich, dass es nicht nur bei einem akuten Myokardinfarkt
oder einer Lungenembolie zu einem plötzlichen Anstieg des proBNP-Spiegels kommt,
sondern auch bei Patienten mit einem cerebralen Insult. Durch diese Beobachtung
konnten die folgenden vier Fragen formuliert werden:

1.       Ist ein Anstieg des proBNP-Plasmaspiegels bei Patienten mit cerebraler
         Ischämie oder cerebraler Blutung signifikant nachweisbar?
2.       Korreliert der Grad des proBNP-Anstieges zum Ausmaß der cerebralen
         Schädigung?
3.       Besteht ein Zusammenhang zwischen dem proBNP-Plasmaspiel und dem
         klinischen Outcome?
4.       Kommt proBNP eine prognostische Bedeutung hinsichtlich des Verlaufes der
         Erkrankung im Verhältnis zum Ausmaß der cerebralen Schädigung zu?

Ad 1.:
Nachdem bei einigen Patienten ohne eine klinisch manifeste Herzinsuffizienz, aber
mit cerebraler Ischämie oder intracerebraler Blutung ein erhöhter proBNP-Plasma-
spiegel nachgewiesen werden konnte, soll in einem ersten Teil der Studie untersucht
werden, ob in einem definierten Kollektiv dieser Patienten tatsächlich ein signifikanter
Anstieg des proBNP-Plasmaspiegels erkennbar ist. Dabei soll untersucht werden, ob
dies ein unspezifischer Anstieg ist oder ob ein Unterschied des Spitzenspiegels
hinsichtlich der Erkrankung nachgewiesen werden kann.
Ad.2.:
Es soll im Weiteren untersucht werden, ob eine Korrelation zwischen dem proBNP-
Plasmaspiegel, der Geschwindigkeit des Spiegelanstieges und dem volumetrisch ge-
messenen Ausmaß der Schädigung des Gehirns besteht. Dem zu Grunde liegt die
Hypothese, dass der Untergang des Gewebes und die dabei zum Ausmaß der
Schädigung korrelierende Menge der freigesetzten Mediatoren einen wahrscheinlich
indirekten Einfluss auf die Genexpression und Synthese des Peptides haben.
22

Ad.3./4.:
Zusätzlich sollen der klinische Verlauf und das Outcome der Patienten erfasst
werden, um zu untersuchen, ob der proBNP-Plasmaspiegel als prognostischer Faktor
eine klinische Relevanz hat.
23

II.          Patienten und Methoden

II.I.        Patientenkollektiv
Zwischen Juli 2004 und Juli 2005 wurden die Daten von Schlaganfallpatienten
erhoben, die auf der Stroke Unit des Universitätsklinikums Freiburg behandelt
wurden.
Folgende Risikofaktoren wurden dokumentiert:
      -   arterielle Hypertonie
      -   kardiale Erkrankungen (Herz-Operationen, interventionelle Eingriffe am
          Herzen, schwere Herzinsuffizienz)
      -   generalisierte Makroangiopathie
      -   Diabetes mellitus
      -   Niereninsuffizienz
      -   Alkohol - sowie Nikotinabusus

II.II.       Einschlusskriterien
Die Diagnose einer cerebralen Ischämie oder intracerebralen Blutung musste
vorliegen.
Voraussetzung für die Aufnahme in die Studie war ein gesichertes Zeitfenster von
unter sechs Stunden seit Symptombeginn des Schlaganfalles.
Außerdem sollten die Patienten im Alter zwischen 18 und 85 Jahren sein.

II.III.      Ausschlusskriterien
Im Falle eines unklaren Symptombeginnes oder eines bereits bestehenden
Zeitintervalles von über sechs Stunden wurden die Patienten nicht in die Studie
aufgenommen.

Einige Vorerkrankungen der Patienten, die bei der Aufnahme bereits bekannt waren
oder durch die durchgeführte Diagnostik festgestellt wurden, führten zum Ausschluss
aus der Studie.
24

Zu diesen Vorerkrankungen zählten:
   -     vor bestehender cerebraler Insult
   -     schwere Herzinsuffizienz
   -     Zustand nach einer Herzoperation oder Organtransplantation
   -     schwere    generalisierte   Gefäßsklerose   oder    schwere     subkortikale
         arteriosklerotische Enzephalopathie (SAE)
   -     vorangegangene Therapie mit Cyclosporin A oder FK 506.

II.IV.       Studienablauf
Die stationäre Aufnahme der Patienten mit Verdacht auf cerebrale Ischämie oder
intracerebrale Blutung erfolgte über die Stroke Unit. Nach einer routinemäßigen
Anamnese, Erhebung des NIHSS-Wertes (National Institute of Health Stroke Scale),
einer Blutentnahme durch den Dienst habenden Arzt und dem Monitoring zur
Überwachung der Vitalparameter des Patienten erfolgte zur weiteren Diagnostik die
Bildgebung. Entweder wurde eine Computertomographie oder eine Magnet-
resonanztomographie zur Infarktdarstellung durchgeführt.
Zusätzlich    zum    routinemäßig    abgenommenen    Notfalllabor   wurden   folgende
Laborparameter bestimmt: CK, CK-MB, Troponin T, Myoglobin, proBNP und NSE.

Vor der Aufnahme in die Studie wurden die Patienten oder ihre direkten Angehörigen
über den Studienablauf informiert und wurden nur in die Studie eingeschlossen,
sofern eine schriftliche Einverständniserklärung über die Teilnahme vorlag (siehe
Anhang Vl.ll). Die Ethikkommission hat dem Studienablauf mit dem Antrag vom
20.08.2003 zugestimmt.

Der weitere Studienablauf erfolgte gemäß dem Studienprotokoll:
erneute Blutanalysen wurden nach 4h, 8h, 3-4d sowie nach 5-7d durchgeführt.
Standardmäßig werden die Vitalparameter von jedem Patienten auf der Stroke Unit
durch ein kontinuierliches Monitoring überwacht. Eine Kontroll-Bildgebung (CT)
wurde nach 5-7 Tagen durchgeführt.
Nach 3-6 Monaten erfolgte eine telefonische Befragung der Patienten, worüber sie
zuvor durch einen Brief (siehe Anhang Vl.lll.) informiert wurden. Bei dieser Befragung
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