Hochdosistherapie beim Multiplen Myelom - Hans J. Salwender, Marc-Andrea Bärtsch, Elias K. Mai, Ahmet Elmaagacli - Asklepios Kliniken
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Schwerpunkt Hochdosistherapie beim Multiplen Myelom Hans J. Salwender, Marc-Andrea Bärtsch, Elias K. Mai, Ahmet Elmaagacli Trotz der relevanten Weiterentwicklung der pharmakologischen Kombinationsbehandlung beim Multiplen Myelom bleibt die Hochdosis-Chemotherapie (HDT) mit anschließender autologer Blutstammzelltransplantation (ASZT) zentraler Bestandteil der Erstlinientherapie bei geeigneten Patienten. Durch die Kombination von HDT und monoklonalem Antikörper, Proteasom- Inhibitor, Immunmodulator und Steroid erreichen die meisten Patienten hohe Ansprechraten sowie tiefe und anhaltende Remissionen. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich die Therapie des Multiplen Myeloms weiterentwickelt, sollte der Stellenwert der HDT aber immer wieder neu geprüft werden. Schlüsselwörter: Hochdosistherapie, Melphalan, monoklonaler Antikörper, Proteasom-Inhibitor, Immunmodulator, Steroid toxisch. Daraus entstand die Idee, die nis für die Hochdosistherapie (HDT) Entwicklung der Hochdosis- patienteneigene Hämatopoese vor der führten die französischen Kollegen eine therapie (HDT) Behandlung mit höher dosiertem Mel- weitere Studie (IFM94) durch, die eine phalan zu schützen. Dies geschah zu- einmalige mit einer zweimaligen HDT Vor ca. 60 Jahren wurde das erste re- nächst mit einer Knochenmark-Entnah- verglich [6]. Auch hier ergab sich eine levant wirksame Medikament zur Thera- me. Nun war es möglich, die Melphalan- Überlegenheit für den intensivierten An- pie des Multiplen Myeloms (MM) einge- Dosis zu steigern und mittels einer auto- satz, die sogenannte Tandem-HDT. In führt: Melphalan [1]. Zehn Jahre später logen Knochenmarktransplantation die einer zusätzlichen Studie wurde gezeigt, wurde die Kombination von Melphalan Phase der schwerwiegenden Zytopenie dass eine weitere Dosissteigerung des mit Steroiden der Behandlungsstandard und das damit assoziierte Infektionsrisi- Melphalans (200 mg/m2) die Ganzkör- [2]. Mitte der 1980er-Jahre etablierte sich ko zu verkürzen. Mit der höheren Mel- perbestrahlung bei reduzierter Toxizität eine Kombination aus Vincristin, Adria- phalan-Dosis gelang es, Resistenzen ge- ersetzen kann [7]. mycin und hochdosiertem Dexametha- gen niedrigdosiertes Melphalan zu durch- Somit bestand die Standardtherapie son (VAD) als Salvagetherapie nach Ver- brechen. Es stellte sich die Frage, ob diese vor gut zwei Dekaden aus einer Induktion sagen einer Melphalan-haltigen Erstlini- hochwirksame Therapie nicht bereits zu mit VAD, gefolgt von ein oder zwei entherapie [3]. einem früheren Zeitpunkt in der Thera- Hochdosis-Melphalan-Behandlungen Aufgrund der Begrenztheit wirksa- piesequenz eingesetzt werden kann [4]. mit autologer Blutstammzelltransplanta- mer Substanzen zur Behandlung des MM Vor 30 Jahren startete die französi- tion. Letztere hatte aufgrund der weniger wurde der Versuch unternommen, die sche Myelom-Studiengruppe Intergroupe invasiven Form der Stammzellgewin- Melphalan-Dosis zu steigern. Hierdurch Francais du Myelome (IFM) eine rando- nung zwischenzeitlich die autologe Kno- traten zwar langanhaltende Zytopenien misierte Studie (IFM90), die hochdosier- chenmarktransplantation abgelöst. auf, doch wurden daneben nur relativ tes Melphalan (140 mg/m2) in Kombina- Zwei Fragen standen zu diesem Zeit- moderate Nebenwirkungen beobachtet. tion mit Ganzkörperbestrahlung mit ei- punkt im Vordergrund: Insbesondere waren hohe Melphalan- ner konventionellen Therapie in der Erst- • Wie kann die Toxizität des Verfah- Dosierungen nicht kardio- oder hepato- linie verglich [5]. Nach positivem Ergeb- rens weiter gesenkt werden? 100 Trillium Krebsmedizin 2021; 30(2)
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Schwerpunkt • Können auch ältere Patienten von 1,0 S1 ≤ 60 Jahre der wirksamen Therapie profitieren? S2 61–65 Jahre S3 66–70 Jahre Die Deutsche Studiengruppe Multi- 0,75 PFS-Wahrscheinlichkeit ples Myelom (DSMM) konnte in der DSMM-II-Studie für die Gruppe der äl- teren Patienten (434 Patienten, 60–70 0,5 Jahre) zeigen, dass die meisten Todesfälle während der Erstlinientherapie nicht et- wa nach der Stammzelltransplantation, 0,25 sondern während der Induktion mit VAD auftraten [8]. In der gleichen Studie wur- de nach der toxischen Chemotherapie 0,0 und Dexamethason-basierten Indukti- 0 6 12 18 24 30 36 42 48 54 60 66 72 78 onstherapie ein ähnliches progressions- Monate seit Randomisierung freies Überleben (PFS) erreicht wie ohne Anzahl Patienten Induktion – bei geringerer Toxizität und S1: 353 303 272 239 202 167 113 88 41 15 1 S2: 107 92 80 68 62 48 32 27 12 2 0 kürzerer Therapiedauer. Zusätzlich un- S3: 141 122 107 92 79 69 49 33 13 5 0 terschieden sich die Alterssubgruppen Abb. 1 GMMG-MM5-Studie: Progressionsfreies Überleben (PFS) unter intensiver Induktion und nachfolgender HDT bei MM-Patienten verschiedener Altersgruppen. Mod. nach [10]. (60–64 und 65–70 Jahre) nicht in Bezug auf Toxizität und PFS sowie Gesamtüber- HOVON-Studiengruppe nun in der tungstherapie der Gesamterfolg der Erst- leben (OS). Altersadaptiert wurde hier GMMG-HD4/HOVON-65-Studie ran- linientherapie bei HDT-geeigneten Pati- mit zweimal 140 mg/m2 Melphalan be- domisiert die bisher als Standard geltende enten – speziell auch bei Hochrisikopati- handelt. VAD-Induktion in Kombination mit dem enten – erheblich gesteigert werden. Für Melphalan 200 mg/m2 wurde mittlerweile verfügbaren Bortezomib In der Folge wurde versucht, die In- später ebenfalls gezeigt, dass dieses bei (PS351) plus Adriamycin und Dexame- duktions- und Erhaltungstherapie weiter älteren Patienten mit vergleichbarer Wir- thason (PAD) bei tendenziell jüngeren zu verbessern: In der GMMG-MM5- kung und Toxizität verabreicht werden Patienten (18–65 Jahre). Zusätzlich erhiel- Studie wurden zwei verschiedene Borte- kann. In den Subgruppen 60–64 Jahre vs. ten die Patienten im Bortezomib-Arm zomib-haltige Induktionen verglichen 65–69 Jahre vs. 70–75 Jahre wurden ver- eine Erhaltungstherapie mit Bortezomib (PAD vs. VCD (Bortezomib/Cyclophos- gleichbare PFS- und OS-Raten erzielt über 2 Jahre und die Patienten im Stan- phamid/Dexamethason)). Insgesamt wa- (Abb. 1) [9, 10]. Bei ausgewählten Patien- dard-Arm eine Erhaltungstherapie mit ren beide Regime vergleichbar effektiv, ten über 70 Jahre konnte zudem nachge- Thalidomid; letzteres stellte zwischen- PAD aber insgesamt toxischer und auf- weisen werden, dass eine HDT nicht mit zeitlich einen Quasi-Standard als Erhal- grund der Doxorubicin-Gabe über 4 Tage einer erhöhten transplantassoziierten tungstherapie nach HDT dar, obwohl umständlicher in der Anwendung [13]. Mortalität (TRM) einhergeht [11]. eine entsprechende Zulassung fehlte. VCD wurde daher als GMMG-Standard Ältere Patienten sollten demnach in Die GMMG-HD4/HOVON-65-Stu- außerhalb von Studien etabliert. Zukunft, sofern medizinisch geeignet, in die zeigte – auch bei langjährigem Fol- Als Weiteres wurde in dieser Studie HDT-Studien eingeschlossen werden. low-up – die Überlegenheit der Hinzu- die Dauer der Erhaltungstherapie rando- nahme von Bortezomib zum HDT-Kon- misiert geprüft. Eine Erhaltungstherapie HDT und neue Sequenzen zept, insbesondere bei Patienten mit ini- mit Lenalidomid war aufgrund eines OS- tialer Niereninsuffizienz und solchen mit Vorteils von 2,5 Jahren in einer großen Die GMMG (German-speaking Mye- Deletion 17p [12]. Somit konnte durch Metaanalyse zum Standard geworden loma Multicenter Group) verglich mit der Verbesserung der Induktions- und Erhal- [14]. Da eine Reihe von Patienten nach 102 Trillium Krebsmedizin 2021; 30(2)
Schwerpunkt HDT zum Teil sogar ohne Erhaltungsthe- sprechender Toxizität erhalten. Evtl. ist randomisiert verglichen mit 8 Zyklen rapie 10, 15, mitunter sogar 20 Jahre die Toxizität wegen des höheren Alters KRD plus HDT [18]. Anschließend er- rückfallfrei blieben, stellte sich die Frage und der stattgehabten Vortherapie dann folgte eine erneute Randomisierung der nach der Dauer der Erhaltungstherapie. sogar erhöht oder eine HDT kann auf- Erhaltungstherapie: Carfilzomib/Lenali- Randomisiert wurde in der GMMG- grund des Alters (z. B. > 70 Jahre beim domid (KR) gegenüber einer Lenalido- MM5-Studie eine Erhaltungstherapie mit ersten Rezidiv) oder (neuer) Komorbidi- mid-Monotherapie (R). Trotz vergleich- Lenalidomid über fix 2 Jahre nach HDT täten gar nicht mehr durchgeführt wer- barer MRD-Negativität vor Erhaltungs- verglichen mit der gleichen Behandlung den. therapie zeigte die aktuelle Analyse einen bis zum Zeitpunkt des Erreichens einer Randomisierte Studien bestätigten signifikanten Unterschied hinsichtlich kompletten Remission (CR). Auch wenn regelmäßig den klinischen Nutzen einer der MRD-Negativität nach einem Jahr der Unterschied in den Therapiearmen zusätzlichen HDT trotz zunehmender und beim PFS nach 36 Monaten (78 % vs. nur bei Patienten bestand, die aufgrund Effektivität konventioneller Therapien: 66 %, p = 0,02) zugunsten der HDT. Unter besten Ansprechens (CR) vorzeitig die In der EMN02-Studie wurde die HDT der KR-Therapie wurden zudem 46 % der Behandlung mit Lenalidomid abgebro- gegenüber einer konventionellen Therapie Patienten, die vor Beginn der Erhaltungs- chen hatten, zeigte sich ein Vorteil im mit Bortezomib, Melphalan und Predni- therapie noch MRD-positiv gewesen Überleben für die Fortführung der Lena- son (VMP) getestet [16]. Es zeigt sich ak- waren, MRD-negativ, unter R dagegen lidomid-Erhaltungstherapie über 2 Jahre tuell, mit ca. 7-jährigem Follow-up, ein signifikant weniger (32 %). [15]. Eine Aussage über die Weiterfüh- OS-Vorteil für die HDT. Die erwähnten Studien sind ein- rung der Erhaltung über 2 Jahre hinaus Die französische IFM-2009-Studie drückliche Beispiele für die Effektivität war mit dieser Studie nicht möglich. mit einem 93-monatigen Follow-up be- der Kombination aus HDT und neuen Mit der Etablierung neuer, wirksamer stätigt erneut die Überlegenheit der HDT konventionellen Regimen mit Proteasom- Kombinationstherapien stellt sich immer (5 Zyklen Bortezomib, Lenalidomid und Inhibitoren und Immunmodulatoren in wieder die Frage, ob eine zusätzliche Dexamethason (VRD) plus HDT versus Induktions- und Erhaltungstherapien HDT überhaupt notwendig ist. Problema- 8 Zyklen VRD) [17]. Die Überlegenheit und unterstreichen, dass die HDT, wenn tisch ist in diesem Kontext, dass verglei- betraf das mediane PFS. Auch wenn in möglich, in der Erstlinientherapie einge- chende Studien zwischen HDT und bes- beiden Therapiearmen das OS vergleich- setzt werden sollte. ter konventioneller Therapie heutzutage bar war, raten die Autoren zur HDT in häufig noch während der Nachbeobach- der Erstlinie, da sich hierdurch 35 % der Rolle der Tandem- tungszeit bereits wieder durch neuere, Patienten auch nach 8 Jahren noch in Transplantation wirksamere Therapien überholt werden. erster Remission befanden und keine Zu beachten ist außerdem, dass Stu- Rezidivtherapie benötigten. Zudem zeig- In der Phase vor der Einführung der dien zum Vergleich zwischen HDT und te sich durch die frühzeitige HDT eine neuen Substanzen – Immunmodulatoren konventioneller Therapie für die meisten höhere Rate an messbarer Resterkran- und Proteasom-Inhibitoren – konnten Patienten nur den Vergleich zwischen kung(MRD)-Negativität, ohne eine er- zwei große Phase-III-Studien den Nutzen früher HDT versus HDT im Rezidiv dar- höhte Rate an sekundären Malignomen. einer Tandem-HDT hinsichtlich PFS und stellen, da Patienten aus den Kontrollar- Als Studie mit einer moderneren, OS zeigen, wenn nach der ersten HDT men in der Rezidivsituation nach Versa- konventionellen Therapie – aber damit kein tiefes serologisches Ansprechen er- gen der konventionellen Therapie regel- auch kürzerem Follow-up – zeigte aktuell reicht werden konnte [19, 20]. mäßig die HDT angeboten wird. Das die italienische FORTE-Studie die Wich- Subgruppenanalysen aus der Phase- bedeutet, dass auch die Betrachtungen tigkeit der HDT zum Erhalt einer Remis- III-Studie EMN02 deuten darauf hin, dass zur Toxizität entsprechend zu interpretie- sion, selbst im Vergleich mit hochwirksa- die Tandem-HDT auch in der Ära der ren sind, wenn klar ist, dass die Patienten mer konventioneller Therapie. In der neuen Therapien gegenüber der einfachen im Rezidiv (dann allerdings außerhalb Studie wurden 12 Zyklen Carfilzomib, HDT ein besseres PFS und OS generieren der Studie) ebenfalls die HDT mit ent- Lenalidomid und Dexamethason (KRD) kann (5-Jahres-PFS: HR 0,74; p = 0,036; Trillium Krebsmedizin 2021; 30(2) 103
Schwerpunkt 5-Jahres-OS: HR 0,62; p = 0,022 für Tan- körpern, wechselte die GMMG für die duktion, Konsolidierung und Erhaltung dem-HDT vs. einfache HDT) [21]. Insbe- folgenden Antikörper-basierten Studien in Kombination mit HDT für Stan- sondere Patienten mit einer Hochrisiko- die Standardinduktion auf VRD. dardrisikopatienten vielleicht zu toxisch Zytogenetik (z. B. Deletion 17p oder In der GMMG-HD6-Studie wurde der erscheint. Translokation t(4;14) profitierten in der SLAMF7-Antikörper Elotuzumab in Mittlerweile wurden mehrere HDT- EMN02-Studie von einer Tandem-HDT. Kombination mit VRD als Induktion und Studien mit Antikörpern publiziert und Zusammenfassend sollte eine Tandem- in Kombination mit Lenalidomid als Er- führten im Einzelfall (Dara-VTD plus HDT insbesondere bei Patienten mit haltungstherapie, jeweils randomisiert, HDT) auch schon zur Zulassung für suboptimalem Ansprechen vor HDT, getestet [23]. In der GMMG-HD7-Studie jüngere, HDT-geeignete Patienten. Zur ungünstiger Zytogenetik oder deutlicher wird vergleichbar der CD38-Antikörper Zulassung führte die CASSIOPEIA-Stu- Verbesserung des Ansprechens auf die Isatuximab ebenfalls mit VRD-Induktion die [27]. Darin erhielten alle Patienten erste HDT erwogen werden, sofern und Lenalidomid-Erhaltung randomisiert neben einer HDT und Induktion sowie medizinisch keine Kontraindikationen eingesetzt. In der aktuell noch rekrutie- einer Konsolidierungstherapie mit Bor- bestehen. renden DSMM-XVII-Studie wird eine tezomib, Thalidomid und Dexamethason Kombination aus Elotuzumab und KRD (VTD) zusätzlich randomisiert den Anti- Die neue Zeit der Antikörper (Carfilzomib, Lenalidomid und Dexame- CD38-Antikörper Daratumumab. Im thason) verwendet. Reife Daten stehen in Antikörper-Arm stieg die MRD-Negati- Mit der Entwicklung myelomspezi- allen drei Studien noch aus. vitätsrate nach Konsolidierung (64 % vs. fischer monoklonaler Antikörper konnte KRD wurde aufgrund der Daten in 44 %): Parallel verbesserte sich das PFS die Therapie des MM nochmals signifi- der Rezidivtherapie [24], die eine Überle- nach 18 Monaten (93 % vs. 85 %). Beden- kant verbessert werden. Zunächst im Re- genheit von Carfilzomib über Bortezomib ken bestanden zunächst bezüglich der zidiv, dann bei älteren, nicht HDT-geeig- zeigten, auch in der Erstlinie für wirksa- Polyneuropathie (PNP), weil in dieser neten Patienten eingesetzt, wurden die mer gehalten. Allerdings wurde dies kürz- Studie zwei neurotoxische Substanzen Antikörper auch zunehmend für jüngere lich in der Studie ENDURANCE mit (Bortezomib und Thalidomid) kombi- Patienten im Zusammenhang mit HDT KRD vs. VRD – zumindest für Stan- niert wurden. in der Erstlinie getestet und schlussend- dardrisikopatienten – widerlegt [25]. Eine aktuelle Auswertung [28] relati- lich auch in diesem Setting zugelassen. Für Hochrisikopatienten wird diese vierte dieses Problem allerdings: In der In der nächsten Studien-Generation Kombination auch mit Isatuximab CASSIOPEIA-Studie entwickelten zwar der GMMG wurden die zwischenzeitlich (Isa-KRD) in der einarmigen Phase-II- 9 % der Patienten eine Grad-3/4-PNP, verfügbaren Antikörper in die Induktion GMMG-Studie CONCEPT untersucht doch war bei über 40 % der Patienten die und Erhaltungstherapie eingeführt. Am [26]. In der ersten Analyse von 50 der Dosis von Bortezomib oder Thalidomid Beispiel des Elotuzumab, das über keine eingeschlossenen 153 Patienten zeigte sich bei Auftreten von Polyneuropathie nicht, nennenswerte Einzelsubstanz-Aktivität ein sehr gutes Therapieansprechen mit wie im Protokoll vorgesehen, reduziert verfügt, erkannte man, dass sich die einer Rate an mindestens sehr guten par- worden. Zusätzlich zeigte sich, wie be- Wirksamkeit von Antikörpern – hier tiellen Remissionen (≥ VGRP) von 90 %. deutsam die Untersuchung auf eine vor- Elotuzumab – durch die Kombination mit Das Besondere an dieser Studie ist, dass bestehende PNP war. Bei frühzeitiger Rd steigern lässt [22]. Obwohl der dama- sie exklusiv für Hochrisikopatienten kon- Dosisreduktion und zurückhaltendem lige GMMG-Standard VCD nie direkt mit zipiert ist. In bisherigen Studien wurden Einsatz von VTD bei Patienten, die be- VRD verglichen wurde, war die VRD- Hochrisikopatienten nur als Subgruppe reits eine PNP vor Therapie hatten, war Kombination ebenfalls eine etablierte, betrachtet und profitierten in der Regel Dara-VTD risikoarm als Induktionsthe- mindestens vergleichbar effektive und von den Maßnahmen weniger als Stan- rapie durchführbar. Bei signifikanter umfangreich verwendete Induktionsthe- dardrisikopatienten. Die CONCEPT-Stu- PNP mit Beeinträchtigung des täglichen rapie vor HDT. Wegen des oben beschrie- die verfolgt nun ein sehr intensives Kon- Lebens kann das Thalidomid durch benen Effektes in Kombination mit Anti- zept, das mit den o. g. Substanzen als In- Cyclophosphamid ersetzt werden. 104 Trillium Krebsmedizin 2021; 30(2)
Schwerpunkt Als Alternative bietet sich die Thera- der Patienten mit Hochrisikogenetik hat- Hochdosistherapie im Rezidiv piekombination mit Lenalidomid an, die te einen geringeren Nutzen. Die Poly- in der GRIFFIN-Studie untersucht wurde neuropathie-Rate mit D-RVD betrug Neben der Erstlinie kommt die HDT [29]. In dieser randomisierten Phase-II- 65 % für alle Grade und 7 % für eine PNP seit den Anfängen ihrer Entwicklung Studie erhielten 207 Patienten eine HDT Grad 3/4. auch im Rezidiv zum Einsatz. Zuletzt und randomisiert als Induktion und Da es sich hierbei nur um eine Phase- nahm ihr Stellenwert hier allerdings Konsolidierung entweder die Kombina- II-Studie handelt, die Daten aber sehr durch die vielen neuen Therapiesubstan- tion aus Daratumumab, Lenalidomid, vielversprechend sind, werden die Ergeb- zen und -regime mit ausgezeichneter Bortezomib und Dexamethason (D- nisse der Phase-III-Studien, die Anti- Wirksamkeit ab. Der Großteil der Patien- RVD) und eine Erhaltungstherapie mit CD38-Antikörper mit VRD und HDT ten, die in Deutschland eine Rezidiv- Daratumumab und Lenalidomid (DR) kombinieren (z. B. GMMG HD7) mit HDT erhalten, hatten zuvor bereits eine oder eine Induktion und Konsolidierung großem Interesse erwartet. Die GMMG- Erstlinien-HDT erhalten. In Bezug auf mit RVD und Erhaltungstherapie mit HD7-Studie (Abb. 2) hat ein anspruchs- den Therapieerfolg korreliert die erneute Lenalidomid mono. volles translationales Begleitprogramm, HDT dabei mit der vorherigen, sodass die Nach 12 Monaten Erhaltungstherapie das neue Prognosefaktoren untersuchen zweite HDT nur bei Patienten mit ausrei- betrug die MRD-Negativitätsrate im D- und erarbeiten soll. chend langer Remission nach Erstlinien- RVD-Arm 62,5 % versus 27,2 % mit RVD Insgesamt zeigt sich eine weitere Ver- HDT eingesetzt wird. In Abwesenheit allein. Das 24-Monate-PFS betrug 94,5 % besserung der Erstlinientherapie jüngerer klar definierter Kriterien werden bei Pa- versus 90,8 %. Dieser Vorteil betraf nahe- Patienten durch die Kombination der tienten ohne Erhaltungstherapie in der zu alle Subgruppen; allenfalls die Gruppe HDT mit monoklonalen Antikörpern. Regel 18 Monate als Mindestvoraus- GMMG-HD7 Trial Modifiziertes Studiendesign (19.01.2018) 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr Standardtherapie (ohne studienspezifische therapeutische Arm IA Intervention) Arm IA Arm IA Arm IA 3 x RVD Lenalidomid Lenalidomid Lenalidomid (3 x 6 Wochen) (36 Monate) (36 Monate) (36 Monate) (MEL 200)* MEL 200 MOB R1 Arm IB R1 Arm IB Arm IB Arm IB 3 x RVD + Lenalidomid + Lenalidomid + Lenalidomid + Isatuximab Isatuximab Isatuximab Isatuximab (3 x 6 Wochen) (36 Monate) (36 Monate) (36 Monate) Induktion Erhaltung Erhaltung Erhaltung Biopsie Tumorgenetische Mikroumgebung BM Immunphänotyp Immunphänotyp Immunphänotyp Immunphänotyp Immunphänotyp Immunphänotyp MRD MRD MRD MRD MRD MRD ID Tumorgenetik Tumorgenetik Tumorgenetik Tumorgenetik Tumorgenetik Tumorgenetik BM Tumorheterogenität Tumorheterogenität Tumorheterogenität Tumorheterogenität Tumorheterogenität Tumorheterogenität Sort Tumormikroumgebung Tumormikroumgebung Tumormikroumgebung Tumormikroumgebung Tumormikroumgebung Tumormikroumgebung Immunphänotyp Immunphänotyp Immunphänotyp Immunphänotyp Immunphänotyp Immunphänotyp genetische Heterogenität genetische Heterogenität genetische Heterogenität genetische Heterogenität genetische Heterogenität genetische Heterogenität Focal Tumorgenetische Tumorgenetische Tumorgenetische Tumorgenetische Tumorgenetische Tumorgenetische L Mikroumgebung Mikroumgebung Mikroumgebung Mikroumgebung Mikroumgebung Mikroumgebung Periphere Tumorlast Periphere Tumorlast Periphere Tumorlast Periphere Tumorlast Periphere Tumorlast Periphere Tumorlast PB Immunphänotyp Immunphänotyp Immunphänotyp Immunphänotyp Immunphänotyp Immunphänotyp Flüssigbiopsie Flüssigbiopsie Flüssigbiopsie Flüssigbiopsie Flüssigbiopsie Flüssigbiopsie Serum Flüssigbiopsie Flüssigbiopsie Flüssigbiopsie Flüssigbiopsie Flüssigbiopsie Flüssigbiopsie Immunphänotyp Immunphänotyp Immunphänotyp Immunphänotyp Immunphänotyp Immunphänotyp Spit Keimbahnkontrolle Abb. 2 Biobanking innerhalb der GMMG-HD7-Studie. Quelle: Autoren. Untersucht wird der Effekt eines Anti-CD38-Antikörpers prospektiv vor und nach HDT. Bei der primären Randomisierung wird eine „Standardtherapie“ mit Lenalidomid, Bortezomib und Dexamethason (RVd) mit einer RVD + Antikörper geprüft. Bei der zweiten Randomisierung wird eine „Standarderhaltungstherapie“ mit Lenalidomid vs. eine experimentelle Therapie Lenalidomid + Isatuximab verglichen. Ein umfangreiches Begleitprogramm soll neue Prognosefaktoren untersuchen und die Remissionstiefe sowie Dauer der Remission untersuchen. BM: Knochenmark; BM sort: Knochenmark mit Tumorzellaufreinigung; Focal L: fokale Läsionen; PB: peripheres Blut; Spit: Sputum. Trillium Krebsmedizin 2021; 30(2) 105
Schwerpunkt setzung für eine erneu- PFS OS 100 % 100 % te HDT angenommen. Die erste randomi- OS-Wahrscheinlichkeit PFS-Wahrscheinlichkeit 75 % 75 % Bestes Ansprechen jenseits sierte Studie, die eine des 5. Zyklus HDT/ASZT 50 % 50 % Rezidiv-HDT mit einer A B konventionellen Rezi- 25 % 25 % ≥ PR 77,1 % 87,3 % ≥ VGPR 55 % 61 % divtherapie verglich, Arm A Arm A Arm B Arm B 0% war die englische Mye- 0% 0 6 12 18 24 30 36 42 48 54 0 6 12 18 24 30 36 42 48 54 60 66 72 loma-X-Relapse-Studie Monate Monate [30]. Von 297 registrier- Arm A: 114 93 69 46 33 25 13 7 4 2 Arm A: 114 112 103 75 61 49 30 16 11 8 4 4 3 Arm B: 103 93 68 51 37 30 17 11 5 2 Arm B: 103 101 94 82 62 50 37 26 18 12 5 4 3 ten Patienten wurden PFS OS Median (Monate) Median (Monate) nach Induktion mit Arm A 20,1 Arm A 57,0 Arm B 23,3 Arm B nicht erreicht PAD nur 89 Patienten p = 0,09 p = 0,046 HR 0,74 HR 0,56 in den HDT-Arm (Mel- Abb. 3 GMMG-Relapse-Studie. Landmark-Analyse für PFS und OS ab Hochdosistherapie im Arm B vs. ab dem 5. Zyklus phalan 200 mg/m2) und Lenalidomid + Dexamethason im Arm A. Mod. nach [31]. 85 in den konventionel- Arm A: Lenalidomid + Dexamethason. Medianer Zeitraum von der initialen Randomisierung bis zur Landmark-Analyse in beiden Armen 4 Monate Arm B: Reinduktion Lenalidomid + Dexamethason gefolgt von Hochdosistherapie und autologer Blutstammzelltransplantation (ASZT) sowie len Arm mit Cyclo- Lenalidomid Erhaltungstherapie. . phosphamid 400 mg/ m2 wöchentlich über 12 Wochen rando- angesehen werden, sodass der Stellenwert HDT nicht erhalten konnten. Die Gründe misiert. Im Vergleich zu diesem bereits der Rezidiv-HDT aktuell nicht abschlie- für das vorzeitige Ausscheiden waren seinerzeit nicht mehr als Standard anzu- ßend geklärt ist. Die mediane PFS-Dauer vielfältig und betrafen sowohl frühzeitige sehenden Kontrollarm zeigte sich ein si- nach Rezidiv-HDT von 19 Monaten in Krankheitsprogression und Toxizität so- gnifikanter PFS- und OS-Vorteil für die der englischen Studie (ohne Erhaltungs- wie auch das Versagen der Stammzell- Rezidiv-HDT. therapie) und 23 Monaten in der GMMG- sammlung im Rezidiv. Der Effekt ist jedoch im Vergleich mit Studie (mit Erhaltungstherapie) liegen im Letztere ist aufgrund der limitierten einem effektiveren Kontrollarm weniger eher niedrigen Bereich dessen, was mit Knochenmarkreserve nach Vortherapie ausgeprägt, wie die GMMG in der modernen Triplett-Therapien im ersten (meist inklusive HDT) eingeschränkt, ReLApsE-Studie (n = 282) zeigen konnte bis dritten Rezidiv erreicht wird. Fakto- gelingt jedoch unter Einsatz von Plerixa- [31]. Gegenüber dem konventionellen ren, die bei geeigneten Patienten trotz- for zusätzlich zur Standard-Stammzell- Lenalidomid/Dexamethason(Rd)-Sche- dem für die Rezidiv-HDT sprechen kön- mobilisation trotzdem bei 75 % der Pati- ma zeigte sich für die Kombination von nen, sind die reduzierte Therapieintensi- enten [32]. Einfacher ist die Sammlung Rd-Reinduktion, HDT und Lenalidomid- tät nach Rezidiv-HDT und das Einsparen und Konservierung zusätzlicher Stamm- Erhaltung in der primären Analyse kein neuer Substanzen – einhergehend mit zelltransplantate im Rahmen der Erst- signifikanter Überlebensvorteil. Eine dem Verhindern von Refraktärität im linientherapie bei Patienten, die ange- Landmark-Analyse zum Zeitpunkt der Vergleich zu den konventionellen Sche- sichts ihres Alters für eine zukünftige Rezidiv-HDT konnte jedoch für die 70 % mata, die in der Regel bis zum Krank- Rezidiv-HDT infrage kommen. der Patienten, die die HDT tatsächlich heitsprogress weitergeführt werden. In erhielten, einen moderaten Überlebens- beiden Studien zeigte sich keine relevante Fazit und Ausblick vorteil (Abb. 3) nachweisen, der sich transplantationsassoziierte Mortalität multivariat für PFS und OS statistisch (1 % bzw. 0 % in der englischen und der Die HDT beim Multiplen Myelom ist signifikant zeigte. GMMG-Studie). trotz Einführung mehrerer Generationen Rd kann heutzutage nach Etablierung Auffällig in beiden bisherigen Studien an neuen Therapiesubstanzen nach wie der effektiveren Triplett-Therapien im zur Rezidiv-HDT ist der hohe Anteil von vor ein zentraler Bestandteil der Erstlini- Rezidiv nicht mehr als Therapiestandard 30–40 % der Patienten, die die geplante entherapie geeigneter Patienten. In Kom- 106 Trillium Krebsmedizin 2021; 30(2)
Schwerpunkt bination mit Antikörper, Proteasom- Inhibitor, Immunmodulator, und Steroid liefert sie bei einer Mehrheit der Patienten sehr gute Ergebnisse in Bezug auf Thera- pieansprechen, Ansprechtiefe und Re- missionsdauer. Eine Subgruppe von Pati- Anzeige enten erreicht gar Remissionen, die über ein Jahrzehnt und länger anhalten. Nichtsdestotrotz gilt es, den Stellenwert der HDT angesichts der hohen Ge- schwindigkeit, mit der sich die Myelom- Up-to-date mit dem Trillium-Newsletter! therapie weiterentwickelt, immer wieder neu zu prüfen. Die nächste Herausforderung stellen monoklonale Antikörper dar, die bereits in der Erstlinie angekommen sind. Wei- terhin sind neuere Immuntherapien wie bispezifische Antikörper und T-Zellen mit chimärem Antigenrezeptor (CAR-T- Zellen) kurz davor, sich nach eindrückli- chen Ergebnissen in der Rezidivtherapie Jetzt registrieren: ihren Weg in frühere Therapielinien zu www.trillium.de/services/newsletter bahnen. • Ausgewählte Übersichtsartikel und Summary Experteninterviews Despite the relevant further develop- • Redaktionell aufbereitete Kongress-Highlights (ASH, SABCS, DGHO, ASCO, EHA etc.) ment of the pharmacological combina- tion treatment in multiple myeloma, • Serie „Vom Biomarker zur Therapie“ high-dose therapy (HDT) with subse- (RAS, MET, CD33, MSI, TMB etc.) quent autologous blood stem cell trans- plantation remains a central component • Aktuelles: of first-line therapy in suitable patients. Leitlinien, Medikamenten-Neuzulassungen Through the combination of HDT and und -Indikationserweiterungen monoclonal antibody, proteasome in- hibitor, immunomodulator and steroid, most patients achieve high response rates as well as deep and sustained remissions. In view of the speed with which the ther- trillium krebsmedizin apy of multiple myeloma is developing, the importance of HDT should be re-examined again and again. Vorbehalten für medizinische Fachkreise Trillium Krebsmedizin 2021; 30(2) 107
Schwerpunkt 17. Perrot A. et al. Early Versus Late Autologous Stem Keywords: high dose therapy, mel- Cell Transplant in Newly Diagnosed Multiple Myelo- ma: Long-Term Follow-up Analysis of the IFM 2009 phalan, monoclonal antibody, protea- Trial. ASH 2020, Abstract 143. some inhibitor, immunomodulator, 18. Gay et al. Survival Analysis of Newly Diagnosed Transplant-Eligible Multiple Myeloma Patients in the steroid Randomized Forte Trial. ASH 2020, Abstract 141. 19. Attal M. et al. Single versus double autologous stem-cell transplantation for multiple myeloma. N. Engl J Med 2003; 349, 2495–2502. Dr. med. Hans J. Salwender 20. Cavo M et al. Prospective, randomized study of Asklepios Tumorzentrum Hamburg, Literatur single compared with double autologous stem-cell Asklepios Klinik St. Georg und Altona 1. Bergsagel DE et al. Evaluation of new chemothera- transplantation for multiple myeloma: bologna 96 clinical study. J Clin Oncol 2007; 25, 2434–41. 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