Erleben LERNORT BAUERNHOF UND INKLUSION - ERSTE ERFAHRUNGEN AUS DER PRAXIS STADT UND LAND in Nordrhein-Westfalen und die Aktiven, Stadt und Land ...

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   LERNORT BAUERNHOF UND INKLUSION
        ERSTE ERFAHRUNGEN AUS DER PRAXIS
STADT UND LAND in Nordrhein-Westfalen und die Aktiven,
  die den Bauernhof als wertvollen Lernort unterstützen.
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INHALTSÜBERSICHT
      Berichte und Reportagen zum Lernort Bauernhof

1.    Bauernhöfe haben viel zu bieten...                                                      Seite 01- 02
      Was macht den Bauernhof zum Lernort? Einleitung und mehr...

2.    Lernort Bauernhof und Inklusion - erste Erfahrungen                                     Seite 03- 04
      aus der Praxis. Wir stellen uns der Herausforderung:
      ,,Es gibt noch viel zu tun: Packen wir es an“

3.    Checkliste für erste Gespräche...                                                       Seite 05- 06

4.    Erste Hilfe bei Fachbegriffen...                                                        Seite 07- 08

      Aus der Praxis (Statements):
5.    Marianne Peters, Scheurenhöfchen in Bergisch-Gladbach                                   Seite 09- 10
6.    Ricarda Tobrock, Quinkertzhof in Nettetal                                               Seite 11- 12

7.    Ursula Tigges, Tiggeshof in Arnsberg-Ainkhausen                                         Seite 13- 14

8.    Heike Ruth Adelberger, Örkhof in Velbert-Langenberg                                     Seite 15- 16

      Berichte, die das „Erfahrungsfeld“ Bauernhof ergänzen...
9.    Bauern als Lehrer - Aber nicht zum Nulltarif -                                          Seite 17- 26
      Berichte und Reportagen - Nachdruck aus der LZ Rheinland
      Landwirtschaftliche Zeitung

10.   Lebensschule für eine nachhaltigeEntwicklung,                                           Seite 27- 29
      Dr. Ulrich Hampl, Dipl. Landwirt, Trainer und Coach
      zur Bauernhofpädagogik
11.   STADT UND LAND e.V. in NRW - Über uns...                                                Seite 30

                                         IMPRESSUM
      Herausgeber: STADT UND LAND e.V. in NRW

      Redaktion:        Kirstin Engel, Bonn

      Mitarbeit:        Marianne Peters, Ricarda Tobrock, Ursula Tigges, Heike
                        Adelberger
      Verantwortlich
      für den Inhalt:   Ingrid Gertz-Rotermund, igr@stadtundland-nrw.de

      Kontakt:          info@stadtundland-nrw.de / www.stadtundland-nrw.de

      Layout:           Pepperscreen, die Mediengestalter, Ruth Schöpke
      Fotos:            I. Gertz-Rotermund: Seite 1,2,3,4,13,15 - Kirstin Engel: Seite 9,10,11 -
                        Ricarda Tobrock: Seite 11,12 - Ursula Tigges: Seite 13,14 -
                        Heike Ruth Adelberger: Seite 15,16
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Lernort Bauernhof und Inklusion: Berichte aus der Praxis ...

               BAUERNHÖFE
     1.        HABEN VIEL ZU BIETEN, FÜR
               VIELE IST ES EINE BEGEGNUNG
               DER „BESONDEREN ART“
          2.

E
       inleitung:                                           Was macht den Bauernhof zum Lernort?
       Viele Menschen haben heute keinen direkten
       Bezug mehr dazu, wo ihre Lebensmittel her-           Der Bauernhof bietet eine große Themenvielfalt, wie
kommen, geschweige denn wie moderne Landwirt-               Ackerbau, Gemüse- und Obstbau, Tierhaltung mit
schaft funktioniert. Bei Kindern offenbaren sich teils
2.                                                          Milchkühen, Schweinen und Hühnern. Auf einigen
eklatante Wissenslücken, wie etwa, dass Milchkühe           Betrieben ist es außerdem möglich zu erleben, wie
H-Milch geben, Hühner elf Eier pro Tag legen oder ein       Lebensmittel hergestellt werden.
Löwenzahn beißt. Bei älteren Kindern und Jugendlichen
hat sich, natürlich auch durch entsprechende Medi-          Mit viel Phantasie und Ideenreichtum sind einige land-
enberichte, meist der Eindruck festgesetzt, landwirt-       wirtschaftliche Betriebe bereits zu grünen Klassen-
schaftliche Betriebe sind Agrarfabriken mit Massen-         zimmern geworden. Sie vermitteln ein Lernen mit allen
tierhaltung, in denen Tiere gequält werden oder dass        Sinnen. Mitmachen und nicht nur zugucken ist er-
Landwirte Gift auf die Felder spritzen.                     wünscht. Für viele Kinder und Jugendliche ist es ein

                                                            2.

Dabei ist es so einfach Informationen aus erster            Kontrastprogramm, nehmen sie ihr Umfeld doch
Hand zu bekommen. Der Lernort Bauernhof ist ein             meist nur noch durch Computer, Fernsehen, iPad
Bindeglied, der es ermöglicht, sich selbst ein Bild zu      oder über die Kamera im Handy wahr.
machen. Er räumt damit gleichzeitig auch mit gängigen
Vorurteilen und Klischees a la „Bauer sucht Frau“ auf       Es ist ein „Erlebnisunterricht“ - eine wunderbare
- und das Ganze noch passend zu den Lehrplänen.             Verbindung aus Theorie und Praxis und gleichzeitig
                                                            die Chance, die realitätsnahe bäuerliche Arbeits-
Die folgenden Seiten sollen Lehrern und Schullei-           und Lebenswelt zu entdecken. Wertschätzung von
tungen Lust machen auf eine „Realbegegnung"                 Lebensmitteln, gesunde Ernährung und der verant-
mit dem Bauernhof, auch für Inklusionsklassen, also         wortungsvolle Umgang mit Natur und Tier, sind die
mit Kindern oder Jugendlichen mit Handicap und              schönen Nebeneffekte solcher Besuche. Gleichzeitig
Förderbedarf, und gleichzeitig bäuerlichen Betrieben        bekommt die anonyme Landwirtschaft ein persön-
die Scheu nehmen, ihre Tore zu öffnen.                      liches Gesicht.

2.

                                                                  Lernort Bauernhof und Inklusion        Seite 01
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N
       eben den landwirtschaftlichen Betrieben mit
       pädagogischem Angebot (beispielsweise durch
       Stationenlernen, also einem Lernzirkel zu Kuh &
Co.), wie sie in den folgenden Praxisberichten vor-
gestellt werden, gibt es eine weitaus größere Anzahl
von Bauernhöfen, die ihre Türen für Kindergärten und
Schulen öffnen. Sie bieten meist in kleinerem Rahmen
praktische Hoferkundungen an. Dazu kommen noch
Schulbauernhöfe. Sie sind in der Regel keine aktiven
landwirtschaftlichen Betriebe. Natur- und Umwelt-
bildung stehen hier im Vordergrund.

Gerade aber das Lernen in lebensnahen Zusammen-
hängen ist die große Stärke des Lernortes Bauern-
hof. Insofern wäre es wünschenswert, wenn sich
noch mehr landwirtschaftliche Betriebe bereit er-
klären, in der Bauernhofpädagogik aktiv zu werden.

           GESUCHT UND GEFUNDEN
           INFORMATIONEN ÜBER LANDWIRTSCHAFT

Welches sind die wichtigsten Adressen, wo inde ich
schnelle Hilfe??? Diese Auswahl bietet die wichtigsten
Anschriften und Kontakte in Nordrhein-Westfalen.

• www.lernort-bauernhof-nrw.de

• www.bauernhof.net

•2.www.ble.de

• www.baglob.de

• www.uni-vechta.de

• www.ima-agrar.de

• www.milch-nrw.de

• www.oekolandbau.nrw.de

• www.planet-schule.de

• www.vz-nrw.de

2.

                                                                 Lernort Bauernhof und Inklusion   Seite 02
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               LERNORT BAUERNHOF
     2.        UND INKLUSION
- Erste Erfahrungen aus der Praxis -
          2.
2.

E
       inleitung:
       Inklusion, also das Recht, ein gleichberechtigter
       Teil der Gesellschaft zu sein, ist in Deutschland
zwar seit dem Jahr 2013 gesetzlich verankert, aber
in vielen Ohren klingt es eben immer noch wie eine
schöne Idee und nicht wie Realität. Tatsächlich ist
Inklusion in einigen Bereichen von der echten Um-
setzung noch weit entfernt. Gerade in der Schule,
wo behinderte Kinder einen Anspruch darauf haben,
die Regelschule zu besuchen, zeigen sich diese An-
laufschwierigkeiten noch deutlich. Kein Wunder also,
dass sich das auch bei außerschulischen Lernorten
fortsetzt. Immer öfter inden inzwischen inklusive
Klassen den Weg auf die Bauernhöfe. Können wir
das leisten? Diese Frage stellt sich für viele Bauern-
hof-Lernorte.
                                                             Denn ein landwirtschaftlicher Betrieb ist beispielsweise
Diese Broschüre soll allen Interessierten, LandwirtInnen,    nicht immer barrierefrei oder es ist nicht vorhersehbar,
BauernhofpädagogInnen und LehrerInnen gleicher-              wie diese Kinder auf die Reize beispielsweise durch
maßen einen ersten Überblick darüber geben, was              Stallgerüche oder den direkten Kontakt mit den Tieren
der Besuch eines Bauernhofes für alle Kinder - ob mit        reagieren werden.
oder ohne Förderbedarf - bewirken kann. Trotzdem
soll sie aber auch den Blick dafür öffnen, dass bei all      Unbestritten ist, dass der Bauernhof ein großartiges
dem Guten das Erlebnis in der Natur und mit den Tieren       Instrument ist, um Kindern und Jugendlichen die
auch Konfliktpotenzial birgt - teils durch Unwissenheit,     Arbeit auf einem Bauernhof zu vermitteln, dabei öko-
teils durch mangelnde gegenseitige Information.              logische und ökonomische Zusammenhänge zu zeigen
                                                             und auch die Beziehung zwischen Lebensmittel und
                                                             Ursprung wiederherzustellen. Es ist ein wunderbarer
Wir stellen uns der Herausforderung                          Raum, um durch praktisches Mitarbeiten zu erleben
Mit den verschiedensten Angeboten für Schulklassen           und zu lernen. Das gilt gleichermaßen für Kinder mit
von der Elementarstufe bis zur Sekundarstufe II durch        Beeinträchtigungen und Förderbedarf. Sehen, fühlen,
zahlreiche engagierte Betriebe, ist der Lernort Bauern-      riechen, schmecken - wo sonst werden diese Sinne
hof inzwischen als außerschulischer Lernort etabliert.       so intensiv angesprochen? Jeder punktet hier mit
Anders wird es, wenn sich Schulklassen mit lnklusions-       anderen Fähigkeiten, auch Kinder mit lnklusionsbedarf.
Kindern ankündigen. Dann stehen Betriebsleiter und           Selbstbewusstsein, Verantwortung übernehmen, Grob-
natürlich auch Lehrer vor neuen Herausforderungen.           und Feinmotorik fördern - alles das kann ein Besuch auf
                                                             dem Bauernhof bewirken.

                                                             2.      Lernort Bauernhof und Inklusion         Seite 03
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       2.

S
       o vielschichtig Handicaps sein können - so viel-
       schichtig sind eben auch die Möglichkeiten auf
       den landwirtschaftlichen Betrieben. Es sind -
ohne Übertreibung - wahre Schatztruhen. Das belegen
auch die ersten Erfahrungsberichte der Höfe, die
inklusive Klassen zu Besuch hatten. Aber auch sie
sind erst dabei, Anlauf zu nehmen und müssen ihre
Erfahrungen im Bereich Inklusion sammeln.

„Ich nehme sie so, wie sie sind“ - dieses Zitat hört man
in diesem Zusammenhang öfter. Es steht dafür,
dass im Grunde der Mensch im Mittelpunkt steht
und nicht die Behinderung. Mit dieser Unvoreinge-
nommenheit öffnen viele ihre Hoftore. Den Landwirten/
innen ist dabei durchaus bewusst, dass für den
Besuch von lnklusionsklassen einige Vorbereitungen
mehr zu treffen sind, als für Schulklassen ohne
Kinder mit Handicap oder Förderbedarf. Es bedeutet          Nötig ist dazu aber Offenheit, insbesondere von
Zusatzarbeit. Die Hoferkundung, das Thema, der              Seiten der Schulen und Lehrer. Schließlich soll der
Zeitplan - alles das muss unter Umständen variiert          Besuch für alle im Idealfall ein nachhaltiges und
werden. Die meisten werden es gerne machen, denn            prägendes Erlebnis sein. Das geht nur mit entspre-
sie lieben die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen,     chender Vorbereitung. Wir stehen alle am Anfang
freuen sich über die Möglichkeit, ihr Wissen weiter-        eines langen Prozesses. Nur gemeinsam ist er zu
zugeben und damit auch um Verständnis für die               schaffen!
Landwirtschaft zu werben.

            WER MEHR
                                                            2.
            WISSEN WILL

Bei der ima und der BLE erhalten sie Broschüren
als PDF‘s zum downloaden oder als Broschüren
zum Bestellen.

• www.ble.de

• www.ima-agrar.de

•2.www.baglob.de

                                                                  Lernort Bauernhof und Inklusion     Seite 04
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          CHECKLISTE
  3.      FÜR ERSTE GESPRÄCHE

Vorgespräche und klare Absprachen sind die grundlegenden
Voraussetzungen für inklusives Lernen auf dem Bauernhof

Was hilft mir weiter, welche Fragen stehen im Raum? Diese Checkliste soll
begleiten, wenn erste Kontakte/Gespräche anstehen.

Allgemeines zur „Gruppe“:

• Wann / Zeit / Dauer
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• Kontaktdaten / Name / Telefon / Mailadresse

-------------------------------------------------------------------
• Schulform
-------------------------------------------------------------------
• Altersstufe
-------------------------------------------------------------------
• Gruppengröße
-------------------------------------------------------------------
• Inklusive Gruppe - ja / nein
-------------------------------------------------------------------
• Handicaps

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• Anzahl Betreuer / Aufsicht
  Schulbegleiter
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          HILFREICHES ZU WISSEN...
          FÜR DIE EINSTIMMUNG UND PLANUNG

Allgemeines zum „Hof“:
• Was bietet der Hof?
-------------------------------------------------------------------
• Thema des Besuches
-------------------------------------------------------------------
• Barrierefrei?
-------------------------------------------------------------------
Kommunikationsmöglichkeiten:
• Haben alle Kinder Deutschkenntnisse?
-------------------------------------------------------------------
• Sind nichtsprechende Kinder, zum Beispiel Autisten, dabei?
-------------------------------------------------------------------
• Wie kommunizieren die Kinder
  (Unterstützte Kommunikation, Symbole, Talker)?
-------------------------------------------------------------------
• Sind blinde, gehörlose Schüler dabei?
-------------------------------------------------------------------
• Gesten, Gebärdensprache, Dolmetscher
-------------------------------------------------------------------
Besonderheiten der Schüler:
• Allergische Reaktionen (Heu, Stroh, Tierhaare... )
-------------------------------------------------------------------
Verpflegung:
• Worauf ist zu achten? Ernährungsbedingt, zum Beispiel...
-------------------------------------------------------------------
• Laktose-Unverträglichkeit
-------------------------------------------------------------------
• Kulturell, muslimische Schüler
-------------------------------------------------------------------
• Behinderungsbedingt, Sonderernährung etc.
-------------------------------------------------------------------
Motorische Beeinträchtigungen:
• Rollifahrer, Gehhilfen
-------------------------------------------------------------------

                              Lernort Bauernhof und Inklusion   Seite 06
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            ERSTE HILFE
  4.        BEI FACHBEGRIFFEN...
Versuch einer Definition von Behinderung, Handicap,
Beeinträchtigung oder Auffälligkeit

Quelle: Beate U.M. Strobel „ Einführung in die Heilpädagogik für Erzieherinnen“
Ernst Reinhardt Verlag, München Basel, 2000

Zum Gebrauch:
Bitte nutzen Sie die Erläuterungen nur für eine erste Orientierung, als kleine
Hilfestellung, wenn Schulen und Einrichtungen sich melden. Für ihre Notizen/
Anmerkungen haben wir „Platz“ gelassen. Marianne Peters, die sich und
ihren Betrieb mit einem Statement vorstellt, hat aus ihren Erfahrungen die
häufigsten Fachbegriffe mit Anmerkungen für den Bauernhofbesuch
zusammengestellt, DANKE!

Sinnesbehinderungen:
Hörbehinderung: Gehörlosigkeit (von Geburt an, Kinder erlernen keine
Lautsprache, kommunizieren über Gebärdensprache), Schwerhörigkeit
(beeinträchtigte sprachliche Entwicklung, Hilfen durch Hörgeräte)
Sehbehinderung und Blindheit: Für die Kinder steht die taktile Wahrneh-
mung (tasten, fühlen, greifen ... ) im Vordergrund. Hier müssen auch der
Geruchs- und Geschmackssinn gefördert werden.

Ihre Notizen: ------------------------------------------------------------------------------

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Körperbehinderung:
Das Ausmaß der Beeinträchtigung ist abhängig davon, ob zusätzliche
Hirnschädigungen vorliegen. Die Kinder sind normal bis hochbegabt oder
schwerstbehindert.

Lernbeeinträchtigung / Lernbehinderung:
Es liegt eine kognitive Beeinträchtigung zugrunde, mit verminderter Intelligenz,
verlangsamtem Denken und Lernen.

Geistige Behinderung:
Diese Kinder sind aufgrund organisch/genetischer oder anderer Schädigungen
(in den letzten Jahren verstärkt durch das FAS-Fetales Alkohol Syndrom) in ihrer
Gesamtentwicklung beeinträchtigt und brauchen lebenslange Unterstützung.
Je nach Ausmaß der Schädigung sind sie in begrenztem Umfang zur Selbstbe-
stimmung und Selbstversorgung fähig.

Down-Syndrom:
Ursache ist eine Chromosomenstörung, die zu verminderter kognitiver Ent-
wicklung führt, aber meist mit hoher sozialer Kompetenz einhergeht.

                                           Lernort Bauernhof und Inklusion                  Seite 07
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Autismus:
Ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, Wahrnehmungsverarbeitungs-
störung (Riechen und Lecken an Gegenständen, starke Lautäußerung bei
Reizüberflutung), Entwicklung von Stereotypien, Störungen der Kommunika-
tionsfähigkeit (bei Nichtverstandenwerden kommt es häuig zu Autoaggression),
Störungen des Sozialverhaltens und Mangel an Beziehungsfähigkeit. Die
sehr individuelle Ausprägung des Autismus zeigt sich einerseits in „Bega-
bungsinseln“ und andererseits in völliger Unfähigkeit zur Selbstversorgung.
Autistische Kinder sind meist in Begleitung eines Schulbegleiters. Nicht-
sprechende Autisten lernen über gestützte Kommunikation und Sprach-
computer sich mitzuteilen.
Asperger Autismus: Menschen mit Asperger Autismus können sprechen,
haben Probleme in der Beziehungsaufnahme, sind aber zu einer selbst-
ständigen Lebensführung in der Lage.

Ihre Notizen: ------------------------------------------------------------------------------

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Sprachbeeinträchtigungen:
Sprechprobleme zum Beispiel Stottern • Stammeln...
Mutismus (Kinder können sprechen, aufgrund psychischer/traumatischer
Erlebnisse wird die Sprache nicht angewendet)

Wahrnehmungs-Verarbeitungsstörungen:
Sinnesreize werden aufgenommen, können nicht adäquat weitergeleitet und
verarbeitet werden.
Bei Kindern kommt es dadurch zu:
ADHS (Aufmerksamkeits-Deizit-Hyperaktivitäts-Syndrom )
Kinder brauchen viel Struktur im räumlichen Umfeld, Regeln und Lernen
durch Bewegung.
Legasthenie (Lese-Rechtschreib-Schwäche) • Dyskalkulie (Rechen-Schwäche)

Verhaltensauffälligkeiten:
Konzentrationsstörungen • Essstörungen • dissoziales Verhalten • aggres-
sives Verhalten • Enuresis (Einnässen) • traumatische Erlebnisse
Depressionen • Psychosomatische Symptome • Angst • Phobien...
Chronische Erkrankungen • Asthma (Bronchialerkrankung) • Mukoviszidose
(Stoffwechselerkrankung)
Besonderheiten wie z.B. Epilepsie • Hochbegabung

Ihre Notizen: ------------------------------------------------------------------------------

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            AUS DER PRAXIS -
  5.        STATEMENT Marianne Peters
Marianne Peters, Landwirtin in Bergisch-
Gladbach und Diplom-Sozialpädagogin
mit Lehrauftrag an der Katholischen
Hochschule für soziale Arbeit in Köln
       2.

 I
       nklusion - das selbstverständliche Zusam-
       mensein und Zusammenlernen ganz unter-
       schiedlicher Menschen - ist ein hoher Anspruch.
2.
Seit dem Beitritt zur UN-Behinderten-Rechts-Kon-
vention im Jahr 2011 hat sich auch Deutschland
verpflichtet, dass behinderte und nicht behinderte
Kinder und Jugendliche gemeinsam lernen und auf-
wachsen. Was bedeutet das für die Kindergärten und
Schulklassen, die den Bauernhof besuchen? Was
erwartet die Bauernhöfe? Im vorschulischen Bereich
ist Integration schon lange selbstverständlich. Im
schulischen Bereich wurde bislang differenziert, das
heißt, alle Kinder werden in Förderschulen ent-
sprechend ihrer Beeinträchtigung heilpädagogisch
und therapeutisch gefördert. Jetzt melden sich
Lehrer/Innen mit heterogenen Klassen, also Schüler
mit und ohne Handicap, Schüler mit Schulbegleitern                       „So macht Schule Spaß -
und internationale Klassen zu Exkursionen an.                          endlich mal richtig arbeiten!“

                                                            dass sie im Handumdrehen einen Kartoffelacker um-
Landwirtschaft erfahren                                     graben können, um Kartoffeln zu legen. Das inklusive
Der Bauernhof als außerschulischer Lernort bietet           Miteinander hat für die Schüler noch einen besonderen
viele Möglichkeiten für gemeinsames Lernen. ,,Durch         Aspekt: Hier findet Lernen ohne Bewertung zum
das Erleben in der Gruppe werden Lerninhalte lebens-        Beispiel durch Noten statt!
nah und in Beziehung zu den Erfahrungswelten der
Lernenden vermittelt und so der individuelle Selbstbe-
                                                                           Meine Meinung:
stimmungs- und Selbstwerdungsprozess in Ausein-
andersetzung mit dem Gegenüber unterstützt“ (Zitat             Meiner Ansicht nach war der Bauernhof schon
aus: Sanna Matz „Landwirtschaft erleben“ oekom                 immer ein Ort inklusiven Lebens. Hier können
Verlag, München 2008, S.211) Was heißt das konkret?            Kinder in der Natur und im Umgang mit Tieren
Im Umgang mit den Tieren, bei der gemeinsamen                  die wichtigsten Grundlagen ihrer Entwicklung
Arbeit, wie Eier suchen, Heu abladen und Füttern,              erlangen: Verbundenheit, Mitgefühl, Geduld,
Tiere zur Weide führen oder Butter herstellen, werden          Vertrauen, Achtsamkeit und Beharrlichkeit.
Handlungs-, Alltags- und Gestaltungskompetenzen                Durch die Technisierung in der Landwirtschaft
erworben. Jedes Kind und jeder Jugendliche bringt              ergeben sich manchmal gewisse Risiken beim
unterschiedliches Wissen, Fähigkeiten und Fertig-              Besuch (ich denke da an autistische Kinder),
keiten mit. Eher kognitiv kompetente Schüler können            dennoch sollten die Kinder ein realistisches
blitzschnell errechnen, wieviel Liter Wasser eine              Bild von Landwirtschaft bekommen. Meiner
Kuh beispielsweise am Tag trinkt und haben dafür               Ansicht nach sollte jedes Kind in seiner Grund-
manchmal Barrieren, wenn es darum geht, Tiere an-              schulzeit einen einwöchigen Aufenthalt auf
zufassen und zu streicheln. Wahrnehmungsgestörte               einem Bauernhof verbringen - am besten in
oder nichtsprechende Kinder und Jugendliche haben              jedem Schuljahr!
dagegen schnell Kontakt zu Tieren und verblüffen damit,

                                                                  Lernort Bauernhof und Inklusion       Seite 09
Lernort Bauernhof und Inklusion: Berichte aus der Praxis ...

       2.

D
        ie originale Begegnung vor Ort mit der Land-
        wirtschaft ermöglicht handlungsorientiertes
        Lernen, Freude am gemeinsamen Tun, soziales
Lernen, Verantwortungsübernahme und Möglichkeiten
zur Konfliktbewältigung. Zitat eines Schülers aus der
Hauptschule: So macht Schule Spaß - endlich mal
richtig arbeiten! Viele Kinder und Jugendliche haben
heute einen Mangel an Bewegung. Der Lernort Bauern-
hof ist ein idealer Ort, motorische Deizite auszugleichen,
im Heu und Stroh klettern und toben, über unebene
Wiesen und Weiden zu gehen und dabei nicht gleich in
jeden Kuhfladen zu treten ...

Durch anschaulich vollziehendes Lernen werden
Wissen, Werte und Handlungsoptionen angeeignet.
Schüler, die mit eigenen Füßen einen Acker abge-
schritten haben, um einen Zaun zu ziehen und dabei
Meter x Meter multiplizieren, vergessen nie mehr, was
Quadratmeter sind.

Wahrnehmungsdefizite werden ausgeglichen. ,,So
groß ist die Kuh“ oder „Minzblätter aus dem Garten
schmecken nach Kaugummi und Zahnpasta“. Das
Verhältnis von Mensch - Tier - Natur legt die Grund-
lage für Bildung und nachhaltige Entwicklung.

Alles wie gehabt, oder doch nicht?                            Hofsteckbrief:
Da ich von meiner beruflichen Qualiikation schon seit         Grünlandbetrieb in Alleinlage
vielen Jahren mit Menschen mit Behinderungen ver-             Hofgröße: 40 ha
traut bin und auch schon viele Gruppen auf unserem
Hof habe, gibt es keine Berührungsängste. Neu sind            Tierhaltung: 26 Milchkühe mit Nachzucht,
für mich die internationalen Klassen, die im Rahmen           100 Legehennen, 50 Schafe, 5 Schweine, 100 Gänse,
der Inklusion einer besonderen Aufmerksamkeit be-             Laufenten, Kaninchen, Hund
dürfen. Neben dem üblichen Programm (siehe Hof-               Bauerngarten, Hofladen mit saisonalen Produkten
steckbrief) liegt mein Schwerpunkt - insbesondere
                                                              Wirtschaftsweise: konventionell
unter dem Gesichtspunkt der Inklusion - auf dem
emotionalen Zugang: Alle Tiere auf dem Hof können
angefasst und gestreichelt werden, die Wahrneh-               Unser Angebot:
mungserfahrung geschieht über alle Sinneskanäle,              Hoferkundungen, Mitarbeit der Schüler, alle Schulstufen,
das Angebot ist überschaubar und die Schüler er-              auch berufsbildende Schulen
gänzen sich beim gemeinsamen Tun. Darüber hinaus
erleben die Schüler den Bezug zu den Lebensgrund-
lagen: Wo kommen die Lebensmittel her? Wie leben
                                                              Projektangebote:
die Tiere mit der Natur? Warum ist die Landwirtschaft         Rund um die Milch: Kühe, Kälber, Melkanlage, Butter
für die Menschen von Bedeutung? Und vielleicht auch           selbst herstellen
am Rande: Was kann ich als Schüler bewirken?                  Rund um das Ei: Hühner, Küken, Eier einsammeln (aus
                                                              Eiern, Milch und selbstgemahlenem Dinkel Waffeln
                    Kontakt:                                  herstellen

                 Marianne Peters                              Rund um die Wolle: je nach Jahreszeit Schafschur,
                                                              Schafe, Lämmer, Wolle ilzen oder Kissen herstellen
                Scheurenhöfchen 1
            51429 Bergisch Gladbach                           Rund um die Ernte: Die Kartoffel - eine tolle Knolle
                 Tel.: 02207 / 77 60                          Rund um das Obst: Apfelsaft herstellen
       E-Mail: scheurenhöfchen@t-online.de

                                                                    Lernort Bauernhof und Inklusion          Seite 10
Lernort Bauernhof und Inklusion: Berichte aus der Praxis ...

            AUS DER PRAXIS -
  6.        STATEMENT Ricarda Tobrock
Ricarda Tobrock, Landwirtin in Nettetal,
staatlich anerkannte Diplom-Sozialpäda-
gogin mit Zusatzqualifikation Bauernhof-
erlebnispädagogik
       2.

N
       achdem in den Medien ständig über Inklusion
       geredet wurde, stellte sich für uns irgendwann
       die Frage, wann denn die erste inklusive Klasse
2.
den Lernort Bauernhof besuchen würde. Sicherlich
bemerkten wir, dass einige Klassen unruhiger waren
und vermehrt Kinder dabei hatten, deren Namen
man sehr schnell kannte, da sie von den Lehrkräften
häufig gerufen wurden.
Da von Seiten der Lehrkräfte bei der Anmeldung
lediglich Anzahl, Alter und Schulform angegeben
wurde, veränderte sich bei uns erst einmal nichts,
zumal die lnklusionskinder, die uns besuchten, sich
rein äußerlich nicht von den anderen Kindern unter-
schieden.
                                                             „Nicht behindert zu sein, ist wahrlich kein
                                                             Verdienst, sondern ein Geschenk, das jedem
                                                              von uns jederzeit genommen werden kann.“

                                              Meine Meinung:
   Auch wenn ich dem lnklusionsgedanken teilweise kritisch gegenüber stehe bzw. der Meinung bin,
   dass er teilweise nicht völlig durchdacht ist, glaube ich, dass die Möglichkeiten der Inklusion auf
   einem Bauernhof schier unerschöplich sind. Es gibt unzählige Aufgaben, die Menschen mit und ohne
   Handicap gemeinsam bewältigen können. Unterschätzen sollte man auch nicht den Umgang
   zwischen behinderten oder nichtbehinderten Kindern. Sie begegnen jedem Menschen zuerst einmal
   unvoreingenommen.

   Da der Lernort Bauernhof für die Besucher eine tolle Erfahrung ist, kann ich nur dazu ermutigen, die
   Höfe zu öffnen.

   Eventuelle Bedenken und Ängste sollte man über Bord werfen und einfach einen Versuch wagen.
   Solange man authentisch bleibt und sich eine gute Portion Humor bewahrt, werden auch kleine Miss-
   geschicke verziehen. Man darf auch nicht vergessen, dass die ganze „lnklusionsgeschichte“ noch
   in den Kinderschuhen steckt und wir alle noch dazulernen können. Gerade die Tiere machen keinen
   Unterschied.

                                                                 Lernort Bauernhof und Inklusion   Seite 11
Lernort Bauernhof und Inklusion: Berichte aus der Praxis ...

Unsicherheit auf beiden Seiten
Das erste einschneidende Erlebnis hatten wir, als sich      Durch das Stationenlernen habe ich meist fünf bis
während eines Besuchs ein Mädchen meldete und               sechs Gruppen, in die je ein bis zwei Kinder mit Förder-
mir eine unverständliche Frage „daher nuschelte“. Da        bedarf integriert werden. Mir ist immer wichtig im Vor-
die Klasse sich schon im Vorfeld sehr unruhig und           feld zu wissen, wie viele lnklusions-Kinder dabei sind.
herausfordernd verhalten hatte, antwortete ich dem          Wobei es in den meisten Klassen mehr sind, die aber
Mädchen, dass es vernünftig mit mir sprechen solle,         nicht ofiziell anerkannt sind, sich aber weitaus regel-
dann würde es auch eine vernünftige Antwort bekom-          überschreitender und aggressiver verhalten als die
men. Als mir das Mädchen erklärte, dass es aufgrund         lnklusions-Kinder. Informationen zu den Handicaps
seiner deformierten Zunge nicht besser sprechen             inde ich wichtig. Leider muss man sagen, dass die
konnte, war mir dies natürlich sehr unangenehm. Die         Vorinformationen immer eher spärlich sind und man
Lehrerin erklärte mir daraufhin, dass sie fünf Kinder       in den meisten Fällen „Überraschungseier‘‘ präsentiert
mit lnklusionsbedarf dabei hätte - am Anfang des            bekommt. Allerdings fehlt auch die Zeit sich über
Besuchs wäre diese Info sicherlich hilfreicher gewesen      jedes lnklusionskind und sein Handicap ausführlich
als am Ende! Um ehrlich zu sein, ingen wir erst danach      zu informieren.
an, uns mit dem Thema Inklusion zu beschäftigen.
Jetzt ließen sich natürlich auch einige „Ungereimt-         Die Kostenfrage gestaltet sich schwierig, da bei
heiten“, die uns bei vorangegangenen Besuchen               lnklusionsklassen die Schülerzahl geringer ist als bei
aufgefallen waren, wie zum Beispiel unruhige Kinder         Regelklassen und der Pro-Kopf-Preis dazu führt, dass
oder zusätzliche Betreuer erklären. Wir hatten anfangs      man einen geringeren „Stundenlohn“ erzielt. Um dies
das Gefühl, dass die Lehrer selbst nicht wussten, wie       zu umgehen, sind wir dazu übergegangen, uns einen
sie mit der auch für sie neuen Situation der Inklusion      Stundensatz auszurechen, der auf die Teilnehmer
umgehen sollten und teilweise sogar Angst hatten, mit       umgelegt wird.
einer inklusiven Klasse abgelehnt zu werden. Da zum
Thema Inklusion auf dem Bauernhof bislang noch
sehr wenig Material vorhanden war, machten wir erst
                                                            Hofsteckbrief:
einmal weiter wie bisher und versuchten uns der             Großer Milchviehbetrieb im Kreis Viersen (Randlage)
Situation so gut wie möglich anzupassen. Lediglich          Hofgröße: 80 ha
dem Anmeldeformular wurde eine Spalte „Anzahl
der lnklusionskinder“ hinzugefügt.                          Ackerbaukulturen: Kartoffeln, Getreide, Mais, Gras
                                                            Tierhaltung: Milchviehhaltung (180 Milchkühe),
Festhalten am Bewährten                                     400 Mastschweine, Schafe, Ziegen, Pferde, Katzen,
                                                            Hund, Hühner, Enten, Kaninchen, Meerschweinchen
Da sich das Stationenlernen auf unserem Hof bislang
bewährt hatte, wird dies auch für inklusive Klassen         Photovoltaik-Anlage, Ferienwohnungen
angeboten. Die Stationen sind so ausgearbeitet, dass        Wirtschaftsweise: konventionell
immer auch Aufgaben dabei sind, die auch lnklusions-
Kinder erledigen können. Ich appelliere hier an die
                                                            Unser Angebot:
Kinder ohne Handicap, diesen Kindern zu helfen und
versuche den lnklusions-Kindern zu vermitteln, dass         Hoferkundungen, Mitarbeit der Kinder/Schüler möglich,
sie für die Gruppe wichtig sind, indem ich ihnen inner-     Kindergeburtstage, Schulklassen (Elementarstufe,
halb der Gruppe Aufgaben zuteile, die sie mit ihren         Primarstufe, Sekundarstufe I + II, Integrationsklassen),
Möglichkeiten erledigen können.                             Sonderschule, soziale Einrichtungen, Kindergärten,
                                                            Klassenfahrten, Familienwochenenden in Kooperation
                                                            mit der Jugendherberge Hinsbeck, 1 inklusiver Arbeits-
                                                            platz, Angebote rund ums Pferd.
           Kontakt: Quinkertzhof
                Ricarda Tobrock
                                                            Projektangebote:
                    Sassenfeld 71
              41334 Nettetal-Lobberich                      Rund um die Milch: Wissensvermittlung zum Milch-
                Tel.: 02153 / 91 26 70                      viehbetrieb und zur Milch durch verschiedene päda-
                                                            gogische Konzepte
            E-Mail: info@quinkertzhof.de
           Internet: www.quinkertzhof.de

                                                                  Lernort Bauernhof und Inklusion         Seite 12
Lernort Bauernhof und Inklusion: Berichte aus der Praxis ...

            AUS DER PRAXIS-
  7.        STATEMENT Ursula Tigges
Ursula Tigges, Teamleiterin im Erlebnis-
bauernhof Tiggeshof in Arnsberg, außer-
dem Agraringenieurin, Sozialarbeiterin
und zertifizierte Waldpädagogin
       2.
2.

G
       rundsätzlich bietet der Besuch auf einem
       Bauernhof gerade für Kinder, aber auch für
       Erwachsene mit Handicap wunderbare Mög-
lichkeiten. Intensive Sinneserfahrungen - fühlen,
riechen, schmecken - wie sie sonst in unserer zu-
nehmend visuellen Welt nicht mehr vorkommen.
Berührende Erlebnisse durch hautnahe Tierkontakte
und genug Platz zum Toben und Schreien, sind die
besonderen Erlebnisse, die die heilpädagogischen
Einrichtungen, die unseren Hof besucht haben,
im Abschlussgespräch besonders hervorgehoben
haben. Inklusion bedeutet ja eigentlich, dass die
Menschen mit Handicap ein normaler Teil unserer
Gesellschaft sind, auf einem Bauernhof stimmen
dafür die Rahmenbedingungen und jeder Mensch
dort, hat die Gelegenheit, seinen Platz zu erobern         „Wir liefern einen bunten Strauß an Ideen, den
und zu erleben.                                                wir an die Situation anpassen können.“

Gelebte Inklusion am Lernort Bauernhof
Die heilpädagogischen Gruppen, die zu uns kommen,         Wir bekommen aber auch Besuch von Familien, die
bringen Gäste mit, die unterschiedliche Beeinträchti-     zum Beispiel ein behindertes Kind in der Geschwister-
gungen haben - unser Kooperationskindergarten hat         reihe haben und bei uns Geburtstag feiern oder einen
eine Gruppe mit „normalen“ Kindern, in der zwei bis       Familiennachmittag gestalten wollen. Die Heraus-
drei ADHS-Kinder integriert sind und eine heilpä-         forderung für uns besteht dann darin für alle Kinder
dagogische Gruppe mit einem schwer körperbehinder-        gemeinsam einen schönen Nachmittag zu gestalten
ten Kind, einem blinden Kind und einem tauben Kind        und trotzdem jedem mit seinen individuellen Bedürf-
sowie Kindern mit geistigen Beeinträchtigungen.           nissen gerecht zu werden.
Während die Schule für Kinder mit sozial-emotional
beeinträchtigten Kindern, die uns regelmäßig besuchen
kommt, Kinder mit verzögerter Entwicklung ebenso                         Meine Meinung:
beschult, wie Kinder mit Asperger Syndrom, ADHS-
Kinder und Kinder aus „schwierigen“ Familien.                Die Zusammensetzung der Gruppen ist bei
                                                             jedem Besuch anders und erfordert lexibles
Jedes Kind ist anderes und reagiert auch anders              Handeln - aber wir als landwirtschaftliche
auf (positive) Belastungen. In der Vorbesprechung,           Familie, auch wenn wir speziell einen sozial-
entweder mit Hofbesuch oder auf der Basis des                pädagogischen Hintergrund haben, können
letzten Besuches, besprechen wir die aktuelle                nicht zu Behindertenexperten werden. Das ist
Gruppensituation und wie viel Personal von der               die Aufgabe der Lehrer und Erzieher und
Einrichtung mitgebracht wird, dann legen wir                 begleitenden Eltern.
gemeinsam einen Rahmen für den Hofbesuch fest.

                                                               Lernort Bauernhof und Inklusion       Seite 13
Lernort Bauernhof und Inklusion: Berichte aus der Praxis ...

Genaue Zeitpläne sind bei Kindern schwierig einzu-           Beliebt sind auch Kräuterwanderungen bei denen
halten und wirken den intensiven Erfahrungen eher            wir essbare Schätze und Geschichten rund um diese
entgegen, daher gibt es immer nur einen Rahmen               Kräutlein im Wald einsammeln um dann anschließend
zum Beispiel Schwerpunkt Tiererfahrung. Gerade               daraus gemeinsam in unserer großen Bauernküche
bei „schwierigen“ Kindern ist die Aufnahmebereit-            und über dem Lagerfeuer ein Menü zuzubereiten.
schaft tagesformabhängig und von den drei Statio-            Auch dies sind Angebote, an denen gerne gemischte
nen, die ich mir zum Thema Tiererfahrung ausgedacht          Gruppen teilnehmen.
habe, kann dann vielleicht nur eine verwirklicht werden;
wenn ich alle Stationen aber fest im Programm an-
kündige, bestehen einige Kunden darauf. Das ist
dann im Sinne der Kinder eher kontraproduktiv.
Aufgabe der begleitenden Erzieher ist es dann immer,
besonders auf die Kinder einzugehen - wir liefern einen
bunten Strauß an Ideen, den wir an die Situation an-
passen (können).

Für alle ein Erlebnis
Neben dem Themenschwerpunkt Tiererfahrung bieten
wir als Demonstrationsbetrieb für den Ökolandbau
auch Stationen zur Kreislauflandwirtschaft und zur
gesunden Ernährung an. Für uns ist die Herkunft unserer
Lebensmittel und deren Herstellung, deren Genuss
und der sorgsame Umgang mit der Natur ein be-
sonderes Anliegen. Dieses möchten wir Menschen mit           Hofsteckbrief:
den unterschiedlichsten sozialen Verhältnissen und           Gemischtbetrieb im Sauerland
Ressourcen nahebringen. Ein gesundes Frühstück,
                                                             Mitglied im Netzwerk Demonstrationsbetriebe ökolo-
das wir frisch mit unseren Gästen zubereiten, ist für
                                                             gischer Landbau
alle ein besonderes Erlebnis. Gäste aus anderen
Herkunftsländern wissen oft noch mehr über die               Hofgröße: ca.100 ha, davon 60 ha Grünland
„alten“ Wirtschaftsweisen, schwärmen von der Kinder-         Ackerbaukulturen: Kleegras, Winterweizen
zeit auf Omas Datscha und der Austausch ist auch für
uns eine Bereicherung.                                       Tierhaltung: 80 Milchkühe, 20 Mastrinder, 20 Lege-
                                                             hennen, in der Saison 150 Masthähnchen sowie Ziege,
Als Waldpädagogin gehe ich auch gerne mit unseren            Ponys, Hund
Gästen in unseren Bauernwald. Dorthin nehme ich              Direktvermarktung: Onlineshop für Bio-Rindfleisch
Menschen mit, die noch nicht erfahren haben, wie es          und Bio-Geflügel
ist der Stille im Wald zuzuhören; oder die sich noch nie
                                                             Wirtschaftsweise: ökologisch (Bioland)
getraut haben, die großen Wege zu verlassen und die
kleinen Schätze im Wald kennenzulernen.
                                                             Unser Angebot:
                                                             Hoferkundungen, Jahreskurs (Landkindergruppen),
                                                             Mitarbeit der Kinder/Schüler erwünscht, Kindergärten,
        Kontakt: Erlebnisbauernhof
                                                             Schulklassen, Kindergeburtstage, Lehrer- und Kinder-
                 Tiggeshof                                   gärtnerinnenfortbildungen, Waldpädagogische An-
           Rudolf und Ursula Tigges                          gebote mit den Schwerpunkten Sinneserfahrung und
          Ainkhausen 3 59757 Arnsberg                        Kräuterkochen
                 Tel.: 02935 / 49 96
             Mobil: 0151/ 546 298 40                         Projektangebote:
           E-Mail: tiggeshof@t-online.de                     verschiedene Themen nach Absprache
            Internet: www.tiggeshof.de

                                                                   Lernort Bauernhof und Inklusion       Seite 14
Lernort Bauernhof und Inklusion: Berichte aus der Praxis ...

            AUS DER PRAXIS -
  8.        STATEMENT Heike Ruth Adelberger
Heike Ruth Adelberger, Agraringenieurin,
Gemeinnützige Hofgemeinschaft Örkhof
e. V. - Bauernhof zum Anpacken, Velbert

       2.

A
       uf dem vielseitigen und ökologisch wirt-
2.
       schaftenden Örkhof führen wir am Rande
       des Bergischen Landes seit 2004 natur- und
agrarpädagogische Veranstaltungen durch. Kinder
und Jugendliche aus den umliegenden Ballungs-
gebieten werden in kleinen Gruppen an Tiere, Pflanzen
und Landbewirtschaftung herangeführt - für einige
das erste Mal in ihrem Leben! Wissensvermittlung
findet dabei ganz bewusst indirekt, das heißt, durch
das Mittun der Kinder statt: Der Hof bietet zahlreiche
Möglichkeiten, sich selbst und eigenes - verborgenes
- Können auszuprobieren und auch neue Fertig-
keiten zu entwickeln. Ebenso entsteht Raum zur
Muße, die Natur zu bestaunen und zu genießen.
Unsere Projekttage richten sich an Schulklassen,
Kindergärten und andere Gruppen, zum Beispiel
Ferien-Freizeiten der Jugendherberge Velbert und
des Seminarhauses Fahrenscheidt, und sind zudem
als offene Angebote sehr gefragt.
                                                                 „Wir versuchen jedem einen individuellen
                                                                         Zugang zu ermöglichen.“
Projekttag „Alles in Butter?“ und Inklusion
„Alles in Butter?“ ist eines von verschiedenen Themen
rund um Landwirtschaft und Ernährung, zu denen auf
dem Örkhof Projekttage angeboten werden. Die Kinder
und Jugendlichen begegnen Kühen und Kälbern und
lernen sie als Herdentiere mit deren typischen Verhal-
tensweisen und die Besonderheiten der Wiederkäuer
kennen. Hier stehen eine erste Kontaktaufnahme
mit den Tieren und ein Hineindenken in deren Bedürfnisse
im Vordergrund.                                                             Meine Meinung:
                                                                Das Erleben der Natur, sowie der Umgang
Ganz anschaulich und praxisnah werden dann Fütte-
                                                                mit Boden, Planzen und Tieren sind für jeden
rung und Haltung thematisiert. Anschließend geht es
                                                                Menschen sehr wertvolle und elementare
um die Milchgewinnung. Jede/r darf an der Modellkuh
                                                                Erfahrungen, die jenseits von Leistungs- und
Olga das Melken ausprobieren. Als Beispiel für ein
                                                                Konkurrenzdenken stattfinden.
Milchprodukt stellen wir in kleinen Gruppen von zwei
                                                                Daher ist der Bauernhof der ideale Lern- und
bis drei Personen selbst unsere eigene Butter her und
                                                                Erfahrungsort für Gruppen, in denen sehr
verzehren sie im Anschluss bei einem kleinen Imbiss
                                                                verschiedene Menschen beisammen sind.
mit frischem Vollkornbrot. Die Kinder und Jugendlichen
bekommen so einen Einblick in die Herkunft und
Entstehung unserer Lebensmittel.

                                                                  Lernort Bauernhof und Inklusion    Seite 15
Lernort Bauernhof und Inklusion: Berichte aus der Praxis ...

So indet Bildung auf dem Örkhof mit allen Sinnen            Beliebt sind auch Kräuterwanderungen bei denen
und vor allem gemäß der individuellen Fähigkeiten           wir essbare Schätze und Geschichten rund um diese
und Begabungen statt. Während sich dem einen die            Kräutlein im Wald einsammeln und dann anschließend
Bedeutung der Wiederkäuer für die (Welt-) Ernährung         daraus gemeinsam in unserer großen Bauernküche
erschließt, zeigt sich ein anderer besonders einfühl-       und über dem Lagerfeuer ein Menü zuzubereiten.
sam im Umgang mit den Kühen und eine dritte er-             Auch dies sind Angebote, an denen gerne gemischte
kennt ihr Geschick beim Melken.                             Gruppen teilnehmen.
Daher sehen wir hier den Gedanken der Inklusion ver-
wirklicht. Durch ihre Verschiedenheit bereichern sich
                                                            Hofsteckbrief:
die Kinder und Jugendlichen gegenseitig. Sie können
voneinander lernen und miteinander neue Erfahrun-           Vielseitiger biologisch-dynamisch wirtschaftender
gen sammeln. Kinder mit geistigen Behinderungen             Betrieb im Bergischen Land
erleben wir zum Beispiel oft als besonders liebevoll        Hofgröße: ca.40 ha
im Umgang mit den Tieren und als geschickt darin,
ängstliche Gruppenmitglieder vorsichtig an die Tiere        Ackerbaukulturen: Getreide, Gemüse, Kartoffeln
heranzuführen. Ein weiteres Beispiel sind Kinder mit        Tierhaltung: 10 Milchkühe mit Nachzucht,
Migrationshintergrund. Sie bringen häuig fundierte          5-6 Mastschweine, 120 Legehennen, 5 Ziegen,
Vorkenntnisse zu unseren Themen mit, weil sie zum           10 Bienenvölker
Teil Landwirtschaft und Gemüse-, Obst- und Kräu-
                                                            Lebensmittelverarbeitung: Butter, Quark, Fleisch,
teranbau aus ihren Herkunftsländern kennen und in
                                                            Wurst, Beteiligung an der höfegemeinsamen Backstu-
den Ferien bei ihren Großeltern auch noch erleben.
                                                            be der Biobauern des Windrather Tals, sowie an der
Auf diese Weise stellen sich junge Menschen, die an
                                                            Gemeinschaftskäserei, Hofladen, Abokisten, Wochen-
anderer Stelle in unserer Gesellschaft beeinträchtigt
                                                            marktstände
sind, auf dem Örkhof als Experten heraus.
                                                            Wirtschaftsweise: ökologisch, Demeterbetrieb
Der Projekttag „Alles in Butter?“ ist ein Beispiel von
verschiedenen Angeboten, die sehr gerne von Schulen         Unser Angebot:
mit unterschiedlichen Förderschwerpunkten wahr-
                                                            Schüler, Schulklassen (Elementar-, Primar- und
genommen werden, vor allem aber auch von Schu-
                                                            Sekundarstufe I + II), Kindergärten, andere Gruppen
len, die bereits gemeinsamen Unterricht in der Primar-
und auch der Sekundarstufe praktizieren.
                                                            Projektangebote:
Und wenn am Ende eines Projekttages alle gemeinsam
                                                            - Der Örkhof, Führung durch Hof, Stall und Garten
am Tisch sitzen und ihr Brot mit der ganz frischen
Butter essen, dann ist eben wirklich „alles in Butter“.     - Mit Ziege, Schwein und Kuh auf „du und du“
                                                            - Über
                                                              Alles in Butter?
                                                                    Kühe, Milch und Michverarbeitung

               Kontakt:                                     - Ich wollt‘ ich wär‘ ein Huhn ...
      Hofgemeinschaft Örkhof e.V.                           - Vom Korn zum Brötchen
            Heike Ruth Adelberger                           - Was ist Boden - Kleine Einführung in die Bodenkunde
                 Hohlstraße 139                             - Der Regenwurm und seine Freunde
            42555 Velbert-Langenberg
                                                            - Ernteeinsatz auf dem Gemüseacker
             Mobil: 01577-14 00 170
     E-Mail: adelberger@oerkhof-erleben.org                 - Das Kartoffeljahr
       Internet: www.oerkhof-erleben.org                    - Vom Zauber der Kräuter
                                                            - Naturwerkstatt „Landart“

                                                                  Lernort Bauernhof und Inklusion       Seite 16
Nachdruck aus der LZ Rheinland Reportagen / Berichte zum Lernort Bauernhof...

            BAUERN ALS LEHRER -
  9.        ABER NICHT ZUM NULLTARIF
„Eine Kuh gibt H-Milch aus acht Zitzen“ – sicher ein krasses Beispiel von Unwissenheit bei
Schülern. Diese Aussage unterstreicht aber, wie wichtig es ist, dass sich landwirtschaftliche
Betriebe als „Lernort Bauernhof“ öffnen.
       2.

V
        on den rund 11 100 landwirtschaftlichen Be-         Und so langsam müsste es sich herumgesprochen
2.      trieben im Rheinland sind es gerade mal 240,        haben, dass das Ganze noch einen schönen Nebenef-
        die regelmäßig Schulen oder Kindergärten zu         fekt hat: Wer schon im Kindesalter auf dem Bauernhof
Besuch haben. Aber nur etwa 50 von ihnen bereiten,          war und mit einem guten Gefühl nach Hause gefahren
nach Einschätzung des Vereins Stadt und Land in             ist, der wird auch später eher Verständnis für die
NRW, die Hoferkundung je nach Schulform und Jahr-           Belange der Landwirtschaft haben. Gerade konventi-
gangsstufe differenziert vor. Sie bieten den Schul-         onellen Betrieben bietet es die Möglichkeit, zu zeigen,
klassen tatsächlich ein grünes Klassenzimmer, in            dass dort nicht gegen die Natur gearbeitet wird, dass
dem sie mit verschiedenen Lernstationen die Arbeit          auch sie so wirtschaften, dass es den Tieren gut geht,
auf dem Bauernhof darstellen, Kinder und Jugendliche        sie keine „Agrarfabriken“ sind.
praktisch arbeiten lassen, viel über ökologische und
ökonomische Zusammenhänge vermitteln und die                Viele scheuen den Aufwand. Klar, es muss ein Angebot
Beziehung zwischen Lebensmittel und Ursprung                ausgearbeitet werden, viele Fragen zur Sicherheit, zum
lehren. Zwei von diesen Betrieben haben wir por-            Umgang mit Tieren und Maschinen, oder auch zur Ver-

                                   „
traitiert (siehe Berichte ab S. 46).                        arbeitung von Lebensmitteln mit den Kindern sind zu be-
                                                            rücksichtigen. Außerdem muss in den Lehrerzimmern
                                                            Werbung gemacht und nicht selten mit dem Vorurteil
                                                            aufgeräumt werden, dass ein Bauernhof nur etwas für
                                                            Kindergartenkinder ist.

                                      Wenn es erst einmal so ist, dass sich Lehrer und Eltern
                                      verweigern, aus Angst vor der vermeintlich krank
                                      machenden Luft auf dem Bauernhof - dann ist es zu
                                      spät. Kirsten Engel
                                                            Für dieses Engagement kommt dann auf der finan-
                                                            ziellen Seite oftmals zu wenig herum. Ein festes
                                                            Einkommensstandbein ist es meist nicht. Die Betriebs-
                                                            leiterinnen und Betriebsleiter, die es anbieten, machen
                                                            es meist aus anderen Gründen. Sie machen es, weil ihr
Sie haben den Lernort Bauernhof in ihren Betriebsab-        Herz daran hängt, weil sie gerne mit Kindern arbeiten
lauf integriert. Dass es Beispiele von Milchviehbetrieben   und ihr Wissen weitergeben. Natürlich nutzen sie es
sind, ist symptomatisch. Meist werden diese, aber           auch, um einen kleinen Beitrag zum besseren Ver-
auch Höfe mit Getreide- und Kartoffelanbau, von den         ständnis für die Landwirtschaft zu leisten.
Lehrern besonders nachgefragt. Die Landwirtschaft
im Rheinland hat aber so viel mehr zu bieten.               Sicher ist die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen
                                                            nicht für jeden etwas. Nicht jeder mag es, wenn kleine
Warum sind es so wenige Betriebe, die die Chance            „Chaos-Trupps“ über den Hof rennen, die die aufge-
nutzen, den Kindern und Jugendlichen Informationen          stellten Regeln schon nach kurzer Zeit wieder vergessen
aus erster Hand zu geben? Der Lernort Bauernhof ist         haben. Und nicht jedem liegt es, die Schulkinder in den
doch nicht neu. Seit fast 15 Jahren gibt es das Konzept.    Bann zu ziehen.

                                                            2.

                                                                  Lernort Bauernhof und Inklusion         Seite 17
Nachdruck aus der LZ Rheinland Reportagen / Berichte zum Lernort Bauernhof ...

Aber unterschätzen sollte man das Potenzial nicht,        Außerdem geben die Betriebe, die bereits in der Bauern-
sowohl wenn es um die Vermittlung von Wissen              hofpädagogik aktiv sind, ihre Erfahrungen gerne an die
und Kompetenzen geht, als auch im Hinblick auf die        Berufskollegen weiter. Eine größere Bandbreite durch
Nachwuchswerbung für die Landwirtschaft und eine          viele neue landwirtschaftliche Themen und Betriebs-
Imagebildung. Freuen Sie sich, wenn Schulklassen          bereiche wäre eine Bereicherung – auch für die Schulen.
zu Ihnen kommen wollen. Wenn es erst einmal so ist,       Und je mehr Mitstreiter sich inden, desto größer sind
dass sich Lehrer und Eltern verweigern, aus Angst         auch die Chancen, dass sich endlich auch im Land-
vor der vermeintlich krank machenden Luft auf dem         wirtschaftsministerium etwas in Sachen inanzieller
Bauernhof - dann ist es zu spät.                          Unterstützung für diese engagierten Betriebe tut.
                                                          Eine „Eierlegende Wollmilchsau“ ist auch der Lernort
Neueinsteiger sind willkommen! Sie sind keine Einzel-     Bauernhof nicht. Aber wir sollten ihn nutzen. Die
kämpfer. Es gibt zahlreiche Organisationen und Netz-      anderen Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit kann
werke – auf Landes- und Bundesebene, die beratend         er wunderbar ergänzen.
zur Seite stehen. Sie unterstützen mit ausgearbeiteten
Informationsmaterialien und Hilfsmitteln.                 LZ 39 · 2015 Nachdruck LZ Rheinland       Seite 1

BODEN NACHHALTIG BEWIRTSCHAFTEN
Lehrerfortbildung auf dem Betrieb Aschenbroich in Langenfeld

                                                                           AGRARPOLITIK
                                                                           Betriebsleiter Josef Aschenbroich
                                                                           erklärte den Lehrern die nachhaltige
                                                                           Bodenbewirtschaftung.

                                                                           Foto: Ingrid Gertz-Rotermund

       2.

L
      andwirtschaft im Fokus: “Bodennutzung –             Landwirt Aschenbroich eine Bodenprobe, mit der sie
      Natur – Stadtnähe“ unter diesem Motto be-           sehr zufrieden waren. „Oben inden wir rund 20 cm
      suchten 26 Lehrer den Hof der Familie Josef         besten Ackerboden und Humus. Die Spuren zeigen
Aschenbroich am 10. September in Langenfeld. Pas-         eine intensive Regenwurmdurchdringung“, berichtete
send zum Internationalen Jahr des Bodens ging es          Aschenbroich, der auch erklärte, mit welcher Technik
bei der Lehrerfortbildung um die Frage, was nach-         er den Boden schützt. Mit Hilfe von GPS-Sensoren
haltige und ertragreiche Bodenbewirtschaftung             werde der Chlorophyllgehalt jeder Pflanzung gemessen
bedeutet, aber auch um Bodenschutz und den zu-            und so der Düngeeinsatz gesenkt. Den Reifendruck
nehmenden Verlust von landwirtschaftlich genutzten        senke er, um Bodenverdichtungen zu vermeiden.
Flächen. „Wichtig ist neben der Schulbuch-Theorie
der Einblick in die Praxis“, so Ingrid Gertz-Rotermund,   In den anschließenden Vorträgen von Dr. Heinz Neite
Geschäftsführerin des Vereins Stadt und Land NRW.         vom NRW-Landwirtschaftsministerium und Anke
„Die Wertschätzung des Bodens, Fachwissen, moderne        Sonnenschein von der Bodenschutzbehörde beim
Technik und auch Experimentierfreude müssen sich          Kreis Mettmann ging es um die unterschiedlichen
ergänzen“, betonte Landwirt Josef Aschenbroich.           Ansprüche an die Flächen. Jeden Tag würden der Land-
                                                          wirtschaft rund 15 ha in NRW verloren gehen, so Neite.
Dr. Heinz Peter Schrey, Fachbereichsleiter beim Geo-      Auch Josef Aschenbroich hat bereits viel Ackerland,
logischen Dienst NRW, erklärte den Lehrern die ver-       das im Stadtgebiet lag, wegen Besiedlungen verloren.
schiedenen Bodenschichten und zog zusammen mit

                                                                Lernort Bauernhof und Inklusion           Seite 18
Nachdruck aus der LZ Rheinland Reportagen / Berichte zum Lernort Bauernhof ...

KREISBAUERNSCHAFT METTMANN TRIFFT POLITIK
Politik trifft Landwirtschaft
      2.

A
      uf den Milchviehbetrieb mit Direktvermarktung      die Anliegen der Landwirtschaft mitzunehmen und
      und Pensionspferdehaltung von Tim Neues in         in die kommenden Diskussionen auf Bundesebene
      Wuppertal luden die Vertreter der Kreisbauern-     einfließen zu lassen.
schaft Mettmann den CDU-Bundestagsabgeordneten
Jürgen Hardt in der vergangenen Woche ein.               Neben den zunehmenden Auflagen für die Bewirt-
                                                         schaftung landwirtschaftlicher Betriebe sprach die
Nach der Betriebsbesichtigung diskutierten die Land-     Kreisbauernschaft Mettmann auch den Verbrauch
wirte mit dem Bundestagsabgeordneten über ver-           landwirtschaftlicher Nutzflächen an. Hier wurden die
schiedene landwirtschaftliche Themen, vor allem          mit einem Eingriff einhergehenden gesetzlichen Kom-
über das durch die EU-Kommission beim Sonder-            pensationsverpflichtungen thematisiert. Die landwirt-
agrarrat vorgeschlagene Maßnahmenbündel und              schaftlichen Vertreter forderten eine Entschärfung der
die für die deutschen Landwirte zu erwartenden           oft um ein Vielfaches über den eigentlichen Eingriff
Hilfen.                                                  hinausgehenden Verpflichtung zur Erfüllung von Aus-
                                                         gleichsmaßnahmen. „Man muss verstärkt die Entsie-
Die Vertreter der Kreisbauernschaft Mettmann machten     gelungen von Industriebrachen und die Nutzungen von
nochmals deutlich, dass die Preise für landwirtschaft-   Ökokonten vorantreiben“, forderte Martin Dahlmann,
liche Produkte, wie Milch, Schweinefleisch und weitere   Vorsitzender der Kreisbauernschaft Mettmann. Zum
Produkte, existenzgefährdend seien. Jürgen Hardt,        Abschluss des Gesprächs wurde vereinbart, weiterhin
dem vor vier Wochen in Nachfolge des verstorbenen        in Kontakt zu bleiben.
Philipp Mißfelder die Aufgabe als außenpolitischer
Sprecher der Bundes-CDU übertragen wurde, versprach,     LZ 39 · 2015 Nachdruck LZ Rheinland

AGRARPOLITIK

                                                                          Im Gespräch waren (v.l.n.r.):
                                                                          Johannes Paas, 2. stellvertretender
                                                                          Vorsitzender der Kreisbauernschaft
                                                                          Mettmann, Tim Neues, Vorsitzender
                                                                          der Ortsbauernschaft Wuppertal-
                                                                          West, Jürgen Hardt MdB, Martin
                                                                          Dahlmann, Karl-Otto Dickhoven,
                                                                          Vorsitzender der Ortsbauernschaft
                                                                          Solingen, und Josef Aschenbroich,1.
                                                                          stellvertretender Vorsitzender
                                                                          der Kreisbauernschaft Mettmann.

                                                                          Foto und Bericht: Marcel Terhardt

                                                               Lernort Bauernhof und Inklusion          Seite 19
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