Bulletin 2/20 - Medico ...

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Bulletin 2/20
NR. 199, JUNI 2020                   GUATEMALA
                                     Gerechtigkeit statt Wohlfahrt
VIETNAM
Agent Orange – die Spätfolgen des    EL SALVADOR
tödlichen Gifts                      Barrieren überwinden – Tabus brechen

medico international schweiz
Centrale
gesundeSanitaire
         basis fürSuisse,
                   alle CSS Zürich
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            Inhaltsverzeichnis

            GUATEMALA
            Gerechtigkeit statt Wohlfahrt                                                                   4

            EL SALVADOR
            Barrieren überwinden – Tabus brechen                                                            6

            VIETNAM
            Agent Orange – Die Spätfolgen des tödlichen Gifts                                               8

            KURDISTAN
            Unsichtbare Heldinnen und Helden                                                              10

            KUBA
            Kulturarbeit mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderung                                      11

            PALÄSTINA / GAZA
            «Wir haben Glück» – bis jetzt!                                                                12

                                                                 Titelbild:
                                                                 Kurdische Aktivistin der Föderation
                                                                 der Kriegsversehrten Nordsyriens:
                                                                 «Wir kämpfen für den Frieden.»
                                                                 Rojava, April 2020

            Impressum
            Bulletin 2/20, Juni 2020. Erscheint viermal jährlich im Abonnement; jährlich Fr. 5.–; beglaubigte Auflage
            5'500, Redaktion Nina Schneider und Anita Escher, Layout Bianca Miglioretto, Konzept komunikat
            GmbH, Druck ropress Genossenschaft, Zürich Herausgeberin medico international schweiz (vormals
            Centrale Sanitaire Suisse, CSS, Zürich) Quellenstrasse 25, Postfach 1816, 8031 Zürich
            Titelbild Föderation der Kriegsversehrten Nordostsyriens
            Bildnachweis S. 5: Edith Bitschnau, S. 6: Los Angelitos, S. 8+9: Anjuska Weil, S. 10: Föderation der
            Kriegsversehrten Nordostsyriens

Bulletin 2/20    Sommerbulletin                                                      medico international schweiz
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Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser

        Das Coronavirus trifft alle.         In Rojava, Nordostsyrien, haben die
Viele sagen, wir sitzen im gleichen Boot,    kurdischen Kriegsverletzten einen
alle sind verletzlich. Das trifft zu: aber   internationalen Appell für dringende
nicht alle haben die gleichen Mittel und     medizinische      und    therapeutische
Möglichkeiten, sich zu schützen und          Unterstützung lanciert. Trotz ihren Ver-
eine Behandlung zu erhalten. Die afro-       letzungen wollen sie sich aktiv am
und lateinamerikanische Bevölkerung          Aufbau einer selbstbestimmten demo-
in den USA ist überproportional häufig       kratischen Gesellschaft beteiligen.
an Covid-19 erkrankt oder gestorben.                In Vietnam treffen sich alte
Sie haben, wenn überhaupt, Jobs an der       Frauen und Männer, denen das Grauen
Front und können sich zum Schutz             des Krieges wegen des Einsatzes von
vor einer Ansteckung nicht ins               Agent Orange in die Gene eingeschrie-
bequeme Homeoffice zurückziehen.             ben wurde, um gemeinsame Stunden
Ihre Abwehrkräfte sind meist schwä-          in Bewegung zu verbringen und die
cher, denn viele haben aufgrund von          Last der Vergangenheit für kurze Zeit
Lebensstress, schlechter Ernährung           zu vergessen.
und prekären Wohnbedingungen Vor-                   Alle diese Menschen werden in
erkrankungen wie Diabetes und Blut-          der aktuellen Corona-Pandemie von
hochdruck. Dies trifft genauso auf die       ihren Organisationen aktiv unterstützt,
Menschen des globalen Südens zu. Dort        sei es mit Hilfsmitteln zum Schutz vor
hat nur eine reiche Minderheit die           dem Virus oder mit psychosozialer
finanziellen Mittel, um sich zu schüt-       Begleitung.     medico     international
zen. Dazu kommt der Hunger. Fast alle        schweiz unterstützt diese Basisorgani-
informell Beschäftigte, insbesondere         sationen seit vielen Jahren.
Frauen konnten wegen diktatorisch
angeordneten Ausgangssperren nicht           In Gaza und der Wesbank unterstützt
mehr ihrer täglichen Arbeit nachgehen.       medico international schweiz die Part-
In El Salvador wehen weisse Flaggen in       nerorganisation Palestinian Medical
den Armenvierteln als Zeichen, dass die      Relief Society beim Schutz des Gesund-
Menschen Hunger leiden. «Wir werden          heitspersonals und der Bevölkerung vor
eher an den vom Präsidenten ange-            Covid-19.
ordneten Massnahmen sterben als an
Covid-19», schreiben unsere Freundin-   Ihre Solidarität und Unterstützung,
nen der Frauenbewegung in El Sal-       liebe Leser*in und Spender*in, war in
vador.                                  den letzten Wochen überwältigend!
                                        Unsere Partnerorganisationen bedan-
Umso härter trifft die aktuelle Pande- ken sich von ganzem Herzen bei Ihnen.
mie Menschen mit Behinderungen oder
Kriegsversehrte. Dem Engagement für            Maja Hess
ihre Rechte widmen wir dieses Bulletin.
       In El Salvador kämpfen Kinder           Präsidentin
und Jugendliche mit Behinderung mit            medico international schweiz
der Organisation Los Angelitos für ihre
Rechte. Schrittweise erkämpfen sie sich
einen selbstbestimmten Zugang zur
Mehrheitsgesellschaft, welche ohne
stetigen politischen und sozialen Druck
nicht «gesellschaftskonforme» Men-
schen oft ausschliesst.

medico international schweiz                                     Bulletin 2/20   Sommerbulletin
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            GUATEMALA

            Gerechtigkeit statt Wohlfahrt
            Mit Demetrio Vargas, einem ehemaligen Freiheitskämpfer,
            verstarb vergangenen März ein wichtiges Gründungsmitglied
            unserer Partnerorganisation AGPD. Demetrio wurde durch
            eine Schussverletzung vor 30 Jahren querschnittgelähmt. Als
            Aktivist und Rollstuhlfahrer hat er die Selbsthilfeorganisation
            AGPD geprägt und viele kriegsversehrte Menschen unterstützt
            neue Perspektiven zu finden. Edith Bitschnau

                    In Guatemala werden Menschen        …dass Keiner, Keine hinter dem, der
            mit Behinderung meist als soziale und       Anderen zurückbleibt…*
            finanzielle Last empfunden. Viele Kin-      Nicht dass sie mit offenen Armen
            der und Erwachsene mit einer Behinde-       empfangen worden wären. Trotz des
            rung müssen zu Hause bleiben, haben         Willens für das Wohl aller zu sorgen,
            kaum soziale Kontakte und sind unter-       sind auch Kooperativen mit dem kriegs-
            ernährt. Einige Familien setzen ihre        bedingten, informellen aber in Guate-
            Angehörige täglich zum Betteln auf die      mala weitverbreiteten «Rette sich wer
            Strasse. Manche entfernen die Prothe-       kann» konfrontiert. Es kamen rückkeh-
            sen, um mehr Mitleid zu erregen. Weil       rende Flüchtlinge aus Mexiko, intern
            meist das Geld fehlt, können Menschen       vertriebene Familien, Compañeres aus
            mit Beeinträchtigung keinen Facharzt/       dem bewaffneten Widerstand und
            ärztin aufsuchen und erhalten weder         Menschen aus den versteckten Dörfern.
            Diagnose noch die nötige Behandlung.        Jede/r mit einem eigenen Schicksal.
                    Die Selbsthilfeorganisation der     Dennoch schafften es die Menschen in
            Kriegsversehrten, AGPD, kämpft in           den Kooperativen mit selbstbestimm-
            Guatemala für die Anerkennung und           ten Regeln und Strukturen gemeinsam
            würdige Versorgung der Menschen mit         ein Zuhause aufzubauen.
            körperlichen Einschränkungen, enga-                 Mateo von der AGPD lebt seit
            giert sich für ihre Rechte und führt Pro-   deren Gründung in einer Kooperative.
            gramme zur Integration und Förderung        Er sagt: «Es begann nicht mit Einheit
            der Selbständigkeit durch. Dadurch          und Stärke. Anfänglich waren wir vor
            erlangte AGPD Einfluss auf CONADI,          allem damit beschäftigt, Spaltungen
            die zuständige staatliche Behörde.          und Reibereien zu vermeiden und die
                                                        Resignation zu überwinden. Dank akti-
                                                        ven Menschen, wie Demetrio Vargas,
Wir mussten und müssen uns
                                                        schafften wir es, nicht ins Abseits zu
selbst auf die Beine helfen.                            geraten. Doch bis heute gibt es weder
                                                        staatliche Wiedergutmachung noch
            Demetrio Vargas arbeitete einige Jahre      Unterstützung. Wir mussten und müs-
            in dieser Institution und kritisierte       sen uns selbst auf die Beine helfen. Die
            nicht nur deren karitativen Ansatz, son-    Behandlungen von Kriegsverletzungen
            dern auch die jahrelange Korruption.        werden lange verzögert und somit auch
            Während die Mitglieder der AGPD in          die Heilungschancen.»
            den Gründungsjahren noch Diskrimi-
            nierung in der Familie erlebten, gelang     Die unsichtbaren Begleiter
            es ihnen Selbstachtung zu erarbeiten.       Auch psychische Kriegsverletzungen
            Sie verharren nicht mehr in Demut oder      belasten die Menschen bis heute. Ich
            der Rolle als Bittsteller*in, sondern       erinnere mich an einen Zwischenfall
            kämpfen für ihre Rechte und Verbesse-       auf einer Reise. Die Compas der AGPD
            rungen im Gesundheitssystem. Ihre           hatten gerade meinen Rollkoffer auf
            Kooperativen bieten den nötigen solida-     den Pickup gehoben. Als dieser mit Ge-
            rischen Rahmen, damit sie sich entwi-       polter irgendwo aufschlug, fand ich
            ckeln und selbständig leben können.         mich plötzlich drei gestandenen ehe-
                                                        * Popol Vuh, Buch der Maya

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maligen Kämpfern gegenüber, die in            Die Hauptursache für körperliche und
grosse Aufregung geraten waren. Sie           geistige Behinderungen in Guatemala
riefen und fuchtelten mit den Armen. In       ist die Armut. Jeden Tag werden Kinder
der Panik etwas sei passiert oder kaputt      mit einem Geburtsfehler geboren, der
gegangen, hörten sie meine besänfti-          bei einer angemessenen medizinischen
genden Worte nicht. In diesem Moment          Versorgung hätte verhindert werden
war ich inexistent und die drei Männer        können. Ebenso führt die Unterernäh-
mit den eigenen Traumata konfrontiert.        rung zu Hirnschädigungen und motori-
       Pedros ewiger Lärm im Kopf ist         scher Beeinträchtigung. Berufliche
ebenso wenig sichtbar wie Magdalenas          Integration gibt es kaum. Weniger als
Schwerhörigkeit. Beides sind Folgen           zwei Prozent der Menschen mit Behin-
von Schockerlebnissen erlebter Kriegs-        derung haben eine Arbeit. Zum Ver-
situationen und können zu sozialem            gleich: In der Schweiz beteiligen sich 75
Rückzug oder Depressionen führen.             Prozent der Menschen mit Behinderung
                                              am Arbeitsmarkt.
Armutsbedingte Behinderungen                          Das grösste Problem aber ist,
Laut Schätzungen lebt in Guatemala            dass Menschen mit Behinderungen
eine Million Menschen mit körperlicher        nach wie vor nicht als Rechtssubjekte
Behinderung. Durchschnittlich ist jede        sondern als Rechtsobjekte betrachtet
vierte Familie betroffen. Genaue Zah-         werden. So sind in Guatemala fast alle
len fehlen. In den Statistiken sind Men-      staatlichen und privaten Programme,
schen mit körperlichen Einschränkun-          Projekte und Initiativen für Menschen
gen weitgehend unsichtbar. Selbst das         mit Behinderung, karitativ ausgerich-
Gesundheitsministerium misst dieser           tet. Die Regierung tut nichts, um diese
Bevölkerungsgruppe kaum Bedeutung             Situation zu ändern. Auch das guate-
bei. Rehabilitation ist teuer und der         maltekische Gesetz folgt dieser Haltung.
Haus-halt der staatlichen Krankenhäu-         ✕
ser reicht nicht einmal aus, um akute
Krankheiten und Verletzungen zu be-
handeln. Die medizinische Versorgung                  PROJEKTSTICHWORTE
von Menschen mit Behinderung über-
                                                      ––medico international schweiz unterstützt die
                                                         Ausbildungskurse der AGPD zur Herstellung
steigt die Möglichkeiten der staatlichen
                                                         von Pflanzenmedizin, die medizinische und
Institutionen. Demetrio starb als Diabe-
                                                         psychologische Betreuung sowie die
tiker an einer einfachen Infektion, weil                 Behandlung von AGPD -Mitgliedern mit
kein passendes Antibiotikum gefunden                     kriegsbedingten Beeinträchtigungen und die
wurde. Er lebte, wie die Mehrheit der                    Reparatur von Hilfsmitteln wie Prothesen,
Menschen in Guatemala an einem Ort                       Rollstühle etc.
ohne Gesundheitsversorgung.

       Physiotherapie-Lehrgang in der Kooperative La Primavera, Ixcan

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            EL SALVADOR

            Barrieren überwinden –
            Tabus brechen
            Die Behinderung eines Kindes glauben Menschen vielerorts,
            ist die Schuld der Mutter. Sie wird für einen Fehler von Gott
            bestraft. Die Strafe wird durch die Behinderung für die Welt
            sichtbar. Deswegen ist die Scham gross und die Kinder werden
            versteckt. So auch in El Salvador im Dorf Guarjila. Maja Hess
                   Die 9-jährige Blanca lag in einer       von Los Angelitos, die Angehörigen
            bescheidenen Hütte, alleine auf einem          der Kinder mit Behinderungen zu ermu-
            harten Bett. Dieses war hinter einer           tigen, eine eigene Organisation ins
            Kartonwand versteckt. Das schmutzige           Leben zu rufen. Einige Couragierte
            T-Shirt war versabbert. Sie war sehr           wagten den ersten Schritt und zeigten
            bleich und hatte das Sonnenlicht kaum          sich in der Öffentlichkeit mit ihren
            je gesehen. Die Familie schämte sich für       Töchtern und Söhnen und erhielten von
            das Kind. Denn es war nicht «normal»,          Los Angelitos physiotherapeutische
            es hatte eine körperliche und geistige         Behandlung und rehabilitative Betreu-
            Behinderung.                                   ung. So gelang es allmählich, das Tabu
                   Eine Mitarbeiterin der damals           von Schuld und Scham zu brechen. Die
            neu gegründeten Elternorganisation von         Mutigen gaben den Kleinmütigen Kraft
            Kindern mit Behinderungen hatte                und Sicherheit. Heute gibt es in den
            Blanca gefunden. Schockiert über ihren         Gemeinden, in denen Los Angelitos
            schlechten körperlichen und geistigen          aktiv ist, kaum Kinder, die unter
            Zustand wollte sie das Kind sofort ins         unmenschlichen Bedingungen ver-
            Zentrum von Los Angelitos zur medizi-          steckt werden. Nun gibt es Feste mit
            nischen Behandlung mitnehmen. Aber             den Kindern und ihren Familien auf
            die Eltern wehrten sich, aus Schuldge-         dem Dorfplatz und eine Werkstatt
            fühlen und Angst vor sozialer Ächtung.         sowie Arbeitsplätze in der Gemeinde
                   So fühlten sich viele Eltern,           für diejenigen, die fit genug sind. Heute
            eines oder mehrerer Kinder mit Behin-          haben die meisten Dorfbewohner*in-
            derung. Deswegen war es so wichtig, zu         nen verstanden, dass die Behinderung
            Beginn der nun 20-jährigen Geschichte          eines Kindes nicht eine Bestrafung ist,

Jugendliche der Tanzgruppe von Los Angelitos bei einem Auftritt am landesweiten Tag der Menschen-
rechte in San Salvador.

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sondern eine Herausforderung für die              PROJEKTSTICHWORTE
Familien und die ganze Gemeinschaft.              ––medico international schweiz unterstützt die
                                                     gemeindebasierte Rehabilitation von Kindern
                                                     und Jugendlichen mit Behinderung der
Gemeindebasierte Rehabilitation
                                                     Elternvereinigung Los Angelitos.
Die Rehabilitation eines Menschen mit
Behinderung ist nicht ausschliesslich
die Aufgabe seiner Familie. Denn           len sie sich vergnügen, die Freizeit und
Behinderung entsteht dort, wo es Barri-    wachsende Freiheit geniessen, sich ver-
eren gibt wie Treppen, enge Türen usw.     lieben und eine Beziehung leben. Da ist
und nicht in der Unfähigkeit des Einzel-   wohl ein weiterer Tabubruch nötig.
nen, diese zu überwinden, so das Motto
von Los Angelitos. Die Gemeinde ist in     Ohne Kampf kein sozialer Einbezug
der Pflicht, diese Hürden zu entfernen     Schliesslich ist sozialer Einbezug, die
oder Alternativen zu schaffen wie zum      «Inklusion» gefragt. Die Teilnahme am
Beispiel Rampen. Sie stellt Räume für      Schulunterricht mit Einzelförderung ist
die Rehabilitationsarbeit zur Verfügung    genauso wichtig wie ein Arbeitsplatz
und schlägt Personen vor, die sich lokal   und die Möglichkeit, eigenes Geld zu
zu Promotor*innen für die Reha-Arbeit      verdienen. Je gravierender die Behin-
ausbilden wollen.                          derung ist, desto notwendiger ist der
       Wendy Gonzales aus Potonico,        soziale Schutz. Menschen mit Behinde-
einem kleinen Dorf in Chaletenango, ist    rung brauchen verbriefte Rechte und
eine solche Promotorin. Ihre sechzehn-     nicht Mitleid oder paternalistische
jährige Tochter Madelin mit Cerebral-      Grosszügigkeit. Hier ist der Staat
parese bereitet sich aktuell auf die       gefragt, der diese Rechte in der Ver-
Matura vor. Als Mutter, die die Fort-      fassung festschreiben muss. Dafür geht
schritte ihrer Tochter in der Reha-The-    Los Angelitos in der Hauptstadt auf die
rapie miterleben konnte, war es ein        Strasse, macht Veranstaltungen und
kleiner Schritt, sich zur Promotorin       politische Lobbyarbeit. Es ist bewegend,
auszubilden und ein grosser Schritt zu     die Demos mit hunderten von Menschen
erfahren, was sich dadurch in ihrem        zu erleben, mit und ohne Rollstuhl, Krü-
Leben veränderte. Plötzlich habe sie       cken oder anderen Hilfsmitteln, mit
auch an politischen Entscheidungen im      lachenden, aber auch ernsten Gesich-
Dorf teilgenommen, habe verstanden,        tern, bereit laut sicht- und hörbar die
was mit Demokratie gemeint sei. Ihrer      Stimme zu erheben, bereit zu kämpfen.
Tochter gehe es gut und sie selber habe
nicht nur für ihre Tochter Verantwor-             Sie wollen selbst Akteur*innen
tung übernommen, sondern für auch
die Gemeinschaft.
                                                  und nicht gutgemeint
                                                  fremdbestimmt sein.
Nichts über uns - ohne uns
Aus den Kindern der Anfangsjahre von       Wegen der strikten Covid-Ausgangs-
Los Angelitos sind nun Jugendliche         sperre, die der autokratische Präsident
und junge Erwachsene geworden. Sie         Bukele Mitte März verhängte, musste
akzeptieren nicht mehr, dass paterna-      Los Angelitos sämtliche Aktivitäten
listisch über sie hinweg beraten und       einstellen. Ein harter Schlag für die
entschieden wird. Sie fordern Parti-       Betroffenen und Angehörigen. Um die
zipation in der Diskussion und Teil-       Beziehung zu den Kindern und Jugend-
habe an der Entscheidungsfindung. Sie      lichen aufrecht zu erhalten, bieten die
wollen selbst Akteur*innen und nicht       Therapeut*innen per Skype Anleitun-
gutgemeint fremdbestimmt sein. Das         gen zu Körperübungen an, aber auch
bedingt einen radikalen Wandel in der      Ermutigung und Zuspruch. Alle warten
Wahrnehmung der Angehörigen und            sehnlichst auf die Aufhebung der dras-
der Reha-Mitarbeiter*innen. Mit Video-     tischen Massnahmen der Regierung.
clips haben sich die Jugendlichen mit      ✕
Behinderung selbst vorgestellt, ihr
                                           Radiosendung über Los Angelitos: Drei Mitar-
Gesicht gezeigt, ihre Geschichte           beiter*innen berichten eindrücklich über ihre
erzählt, ihre Wünsche und Sehnsüchte       Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit Behin-
formuliert. Wie alle Jugendlichen wol-     derung. Hören Sie die Sendung auf der medico
                                           Webseite: www.medicointernational.ch

medico international schweiz                                     Bulletin 2/20     Sommerbulletin
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            VIETNAM

            Agent Orange – die Folgen
            des tödlichen Gifts
            «Kriege enden nicht, wenn keine Bomben mehr fallen und die
            Kämpfe aufgehört haben. Die Zerstörungen dauern viel länger
            an, in der Landschaft ebenso wie im Gedächtnis und in den
            Körpern der Menschen.» Stockholmer Appell* Anjuska Weil
                    Am 30. April jährte sich zum 45.   gewaltigen Schäden an der Natur präg-
            Mal die Befreiung des Süden Vietnams       te der vietnamesische Umweltwissen-
            und damit das Ende jenes Krieges, den      schaftler Prof. Vo Quy den Begriff Öko-
            wir Vietnamkrieg nennen. In Vietnam        zid. Noch heute sieht man im A Luoi-Tal
            ist es der amerikanische Krieg.            statt üppigem Regenwald seltsam ver-
                    Laut westlicher Geschichts-        krüppelte Bäume. Nach wie vor ist der
            schreibung begann dieser Krieg Anfang      Boden dioxinverseucht.
            August 1964 mit dem angeblichen                   Nachdem die Archive der
            Angriff nordvietnamesischer Schnell-       US-Airforce schrittweise geöffnet wur-
            bote auf zwei US-Kriegsschiffe (Ton-       den, hat Prof. Jeanne Stellman mit
            kin-Affaire), der spätestens seit den      ihren Student*innen an der Columbia
            Recherchen von Daniel Ellsberg (Pen-       University anhand der Bordbücher die
            tagon Papiere, 1971 in der New York        Routen der Sprühflüge minutiös recher-
            Times) zweifelsfrei widerlegt ist.         chiert und den Einsatz von Chemiewaf-
                                                       fen über Südvietnam kartographiert.
                                                       Ihre 2003 veröffentlichten Erkennt-
                                                       nisse belegen, dass tausende Dörfer
                                                       besprüht und somit mindestens 4,8 Mil-
                                                       lionen Menschen direkt den Chemie-
                                                       waffen ausgesetzt waren.
                                                              Die Betroffenen stellten bald
                                                       fest, dass die versprühten Substanzen
                                                       hoch giftig sind. Sie spürten das Gift auf
                                                       und in ihren Körpern, und sahen die
Agent Orange-Opfer der 1. und 3. Generation            zerstörende Wirkung auf die Natur.
                                                       Aber Wissen über diese Chemiewaffen
            Brutalste Realität aber waren die          hatten sie damals nicht. Anders in den
            Sprühflüge mit Agent Orange/Dioxin         USA, wo im Februar 1967 5’000 Wis-
            und anderen Chemiewaffen über Süd-         senschaftler, unter ihnen 17 Nobel-
            vietnam, welche als Herbizide verharm-     preisträger, Präsident Lyndon B. John-
            lost wurden. Diese Sprühflüge dauerten     son eindringlich aufforderten, dem
            ab 1961 zehn Jahre. Dass sie der Entlau-   Gebrauch von chemischen Waffen ein
            bung der Ho Chi Minh-Piste dienten,        Ende zu setzen.
            stimmt zwar, ist jedoch weniger als die           Das Vietnamesische Rote Kreuz
            halbe Wahrheit. Alles wurde niederge-      gibt die Zahl der durch Agent Orange/
            spritzt. Den Bauern und mit ihnen der      Dioxin direkt geschädigten Menschen
            Befreiungsfront sollte die Nahrungs-       mit 3 Millionen an. VAVA, die Vietna-
            grundlage entzogen werden. Für die         mese Association of Victims of Agent
                                                       Orange, zählt zusätzlich über 150'000
                                                       Opfer der zweiten, also der Nachkriegs-
PROJEKTSTICHWORTE
                                                       generation, 35'000 der dritten und bis
––medico international schweiz unterstützt
    die Vereinigung Alter Menschen in Hué
                                                       heute 2'000 Opfer der vierten Genera-
    beim Aufbau der Senior*innen-Clubs.                tion. Auf internationaler Ebene dauert
    Zusätzlich werden seit 2019 Agent Orange-
    Opfer und deren Angehörige mit einem               * Stockholmer Appell zu den Langzeitfolgen des
    gezielten Beratungsangebot unterstützt.            Krieges in Laos, Kambodscha, Vietnam, 7/2002

Bulletin 2/20   Sommerbulletin                                          medico international schweiz
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       Kriegsveteran und Agent Orange-Opfer und seine Frau, die ihn pflegt.

der politische und wissenschaftliche          und Beratung in den Bereichen Ernäh-
Streit an, ob Agent Orange auch die           rung, Schmerzlinderung etc. vermittelt.
Gene der Menschen verändert. Würde            Bisher haben 200 Langzeitpatient*in-
anerkannt, dass eine Genveränderung           nen an diesen Informationstreffen teil-
vorliegt, hätten die USA in Vietnam ein       genommen. Zudem werden Familienan-
nicht verjährendes Verbrechen an der          gehörige und Freiwillige beraten, wie
Menschheit begangen.                          sie gezielt unterstützen können und wo
                                              sie Hilfsmittel erhalten. Je nach Behin-
«Hilfe für Vietnam»                           derung und mentalem Zustand sind die
Unter Federführung von Dr. J.P. Guig-         Bedürfnisse sehr unterschiedlich. Viele
nard aus Lausanne publizierte die CSS         sind nicht in der Lage, einer Erwerbsar-
1967 die Broschüre Vietnam: Doku-             beit nachzugehen und leben trotz einer
mente über den chemischen und bakte-          bescheidenen Rente in Armut.
riologischen Krieg. Diese zeigten schon
damals präzise und unmissverständlich                 Mit dem Einsatz von Agent
auf, dass die USA im Vietnamkrieg                     Orange verübten die USA
nebst den massiven Bombardierungen
verheerende Chemiewaffen einsetzten.                  ein Verbrechen an der
Mit der «Hilfe für Vietnam» leistete die              Menschheit und einen Ökozid.
damalige Centrale Sanitaire Suisse,
(heute medico international schweiz)          Das Agent Orange-Projekt baut auf
konkrete Solidarität. Sie lieferte medi-      den Erfahrungen der lokalen Senior*-
zinische Hilfsgüter an die Befreiungs-        innen-Clubs auf, die seit vielen Jahren
front Südvietnams FNL und an das Rote         von medico international schweiz
Kreuz in Nordvietnam. Seither unter-          unterstützt werden. 2020 weiten sie
stützt medico international schweiz           das Agent Orange-Projekt auf die Stadt
Projekte in Vietnam.                          Hue aus, wo auch viele Opfer der ersten
                                              Generation leben.
Aktuelles Projekt in Thua Thiên-Hué                  Angesichts der Covid-19 Pande-
Die Provinz Thua Thiên-Hué in Zentral-        mie wurde das Projekt angepasst. Mit
vietnam wurde durch den Krieg und             zusätzlichem Personal aus den Gesund-
den Agent Orange-Einsatz besonders            heitsstationen erfolgen die Ausbildun-
stark zerstört. Deshalb unterstützt           gen nun dezentral in Kleingruppen.
medico international schweiz ein Pro-         Abstands- und Hygiene-Regeln werden
jekt zur Verbesserung der physischen          strikte eingehalten. Glücklicherweise
und mentalen Gesundheit von Agent             konnte die Pandemie in Vietnam bisher
Orange-Opfern im A Luoi Tal. Neben            erfolgreich eingedämmt werden.
gezielter Gymnastik wird Information          ✕

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            KURDISTAN

            Unsichtbare Heldinnen
            und Helden
            «Wir haben gegen den IS gekämpft, nicht nur in den kurdischen
            Gebieten, sondern auch in Rakka, auf syrischem Boden. Mit
            unserem Kampf zeigten wir der Menschheit, dass die IS-Dschiha-
            disten besiegbar sind, aber wir erfahren schmerzlich, dass wir
            als kurdische Kriegsverletzte von der Weltgemeinschaft verges-
            sen wurden», betont Pir Dogan, Mediensprecher der Föderation
            der Kriegsversehrten in Nordostsyrien. Arzu Güngör

                  Als 2011 während des arabi-          Bis heute gelang es den Kurd*innen,
            schen Frühlings in Syrien die Volkauf-     die Angriffe der mit der Türkei verbün-
            stände ausbrachen, kämpften die            deten IS-Söldner gegen Rojava abzu-
            Kurd*innen in Rojava (Nordostsyrien)       wehren. Doch dieser Erfolg hat viele
            nicht mit Waffengewalt gegen das           Tote und Verletzte gefordert. Die Föde-
            Assad Regime, sondern versuchten,          ration der Kriegsversehrten Nordostsy-
                                                       riens umfasst rund 5'000 Kriegsverletz-
«Auch als Kriegsversehrte                              te. 1’581 Menschen (davon 167 Frauen)
                                                       erlitten schwere bis schwerste Verlet-
kämpfen wir weiterhin für                              zungen: 160 verloren ein Auge, 27 beide
Freiheit!»                                             Augen, 204 verloren ein Bein, 54 beide
                                                       Beine, 88 haben nur noch eine Hand
            ihre vom syrischen Regime geraubten        und vier keine mehr. 74 Kämpfer*innen
            Rechte auf friedlichem Weg mit politi-     leiden unter einer Teillähmung, 49 sind
            schen Mitteln zu verteidigen. Die kurdi-   querschnittgelähmt, und 921 haben
            sche Kultur und Sprache wurde von den      Schuss- und Splitterverletzungen.
            syrischen Regierungen stets unterdrückt.
            Mittels einer basisdemokratischen Rä-      Lebensperspektiven schaffen
            testruktur und geschlechterparitätisch     Es sind Frauen und Männer, ältere und
            besetzten Führungspositionen gründe-       junge Menschen, die für die Freiheit
            ten die Kurd*innen im Machtvakuum in       einen Teil ihres Körpers geopfert haben.
            Nordsyrien eine selbstverwaltete mul-      Trotz ihren Verletzungen versuchen
            tiethnische Konföderation. Als aber am     sie aktiv, neue Lebensperspektiven
            15.9.2014 die IS-Dschihadisten die kur-    zu schaffen und ihr Schicksal selber
            dische Stadt Kobane angriffen und mit      zu definieren. Mit der Föderation
            Panzern bis ins Stadtzentrum vordran-      der Kriegsversehrten Nordostsyriens
            gen, waren die kurdischen Kämpfer*in-      haben sie ihre eigene Organisation
            nen gezwungen ihr Gebiet zu verteidi-      gegründet. Auch diese wird paritätisch
            gen. Hunderte starben während der          von einer Präsidentin und einem Präsi-
            Befreiung von Kobane.                      denten geleitet. Ziel ist es, einen mög-
                                                       lichst selbstbestimmten Alltag zu
                                                       gestalten und am sozialen Leben teilzu-
                                                       nehmen. Gemeinsam organisieren sie
                                                       Treffen und engagieren sich in der kom-
                                                       munalen Selbstverwaltung sowie in
                                                       allen Bereichen der Gemeinschaft.
                                                              Viele Kriegsversehrte leben bei
                                                       Verwandten. Wer Kinder hat, ist zur
                                                       Familie zurückgekehrt. Aber für die am
                                                       stärksten Verletzten hat die Föderation
                                                       der Kriegsversehrten mit Unterstüt-
Beinamputierte Kriegsverletzte in Rojava               zung der kurdischen Selbstverwaltung

Bulletin 2/20   Sommerbulletin                                        medico international schweiz
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Wohnmöglichkeiten bereit gestellt, wo            PROJEKTSTICHWORTE
die Kriegsversehrten in Wohngemein-
                                                 ––Ein Projekt zur medizinischen und psycho-
                                                   sozialen Unterstützung der Kriegsversehr-
schaften leben und die Verantwortung
                                                   ten in Rojava ist angedacht. Die notwendi-
für ihren Alltag gemeinsam tragen.                 gen Abklärungen vor Ort konnten jedoch
       Die Moral und der Lebenswille               wegen der Covid 19-Krise noch nicht
der Kriegsversehrten sind enorm hoch               durchgeführt werden.
und beeindruckend. Trotz schwerster
Verletzungen betrachten sie sich nicht
ausschliesslich als Kriegsopfer, sondern   unstabil. Viele europäische NGOs sind
als Freiheitskämpfer*innen. In Rojava      sehr zurückhaltend und bieten uns
umarmt die Gemeinschaft ihre Kriegs-       Kriegsverletzten keine Unterstützung
versehrten. Nicht weil sich die Men-       an. Deshalb hat unsere Organisation
schen schuldig fühlen, sondern aus         einen internationalen Aufruf an die
Dankbarkeit. Gemeinsam gehen sie auf       europäischen Länder lanciert, entspre-
die Strasse zu Protesten gegen die         chende Hilfe für uns Kriegsversehrte
Angriffe der türkischen Armee und          bereitzustellen. Neben medizinischen
ihren Verbündeten. Die Kriegsversehr-      Behandlungen und Therapien, müssten
ten sind im gesamten kurdischen Gebiet     viele von uns dringend operiert wer-
zu Hause und stark verwurzelt.             den, da schlecht behandelte Verletzun-
                                           gen schwere gesundheitliche Kompli-
Fehlende Therapiemöglichkeiten             kationen mit chronischen Langzeitfol-
«Unser Gesundheitszustand ist teilwei-     gen nach sich ziehen. Unser dringlichs-
se sehr prekär,» erklärt mir Pir Dogan.    ter Wunsch ist es, unser Leben mög-
«Einige brauchen dringend spezialisier-    lichst frei von Schmerzen in den
te Behandlungen, aber es fehlt das ent-    befreiten Gebieten in Rojava weiterfüh-
sprechende medizinische Material. Wir      ren zu können.»
bekommen keine richtigen Therapien,               Die Föderation der Kriegsver-
keine Medikamente. Wir leben mitten        sehrten Nordostsyriens ruft die Kurd-
im Kriegsschauplatz und das kurdische      *innen in der Türkei, im Irak, Iran und
Territorium wird immer wieder bom-         in Europa zu solidarischem und unter-
bardiert. Während der Flugangriffe         stützendem Handeln auf. Nachdem die
sind alle Grenzen geschlossen. Die         kurdischen Freiheitskämpfer*innen der
Blockaden haben verheerende Auswir-        Gewalt der Dschihadisten erfolgreich
kungen auf unser Leben. Monatelang         die Stirn geboten haben – dies auch
fehlen Medikamente, die regelmässig        stellvertretend für uns Menschen in
eingenommen werden müssten. Aus-           Europa – verdienen sie als Kriegsver-
serdem ist die politische Lage im gesam-   sehrte unsere Solidarität und Unter-
ten Mittleren und Nahen Osten sehr         stützung.
                                           ✕

KUBA
Kulturarbeit mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderung
AfroAtenAs fördert den Respekt für Diversität und leistet Pionierarbeit
mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderung. Madeleine Müller
       AfroAtenAs ist das erste Kultur-    nen geleiteten Workshops zu Gesang,
zentrum im Raum Matanzas, das ein          Tanz, und Malen sowie den Computer-
gestalterisches Angebot für Kinder und     und Kochkursen teil. AfroAtenas bietet
Jugendliche mit geistiger Behinderung      auch Weiterbildung für Eltern an. Das
entwickelt hat. An den ersten Treffen      Bildungsministerium von Matanzas
im Februar 2018 formulierten die           fragte AfroAtenAs an, Lehrpersonen
Jugendlichen ihre Bedürfnisse und          auszubilden, um ähnliche Angebote
Interessen. Danach wurden die Eltern       an den Schulen aufzubauen.
einbezogen. Die Zahl der Mütter und               medico international schweiz
Väter stieg schnell von anfänglich 10      unterstützt die Workshops und Weiter-
auf 80. Heute nehmen über 100 Kinder       bildungen von AfroAtenAs.
und Jugendliche an den von Fachperso-      ✕

medico international schweiz                                  Bulletin 2/20   Sommerbulletin
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PALÄSTINA / GAZA

«Wir haben Glück» – bis jetzt!
In Gaza trifft das Coronavirus auf ein bereits überlastetes Gesund-
heitssystem und eine sehr vulnerable Bevölkerung. Susanne Gfeller
        «Wir haben Glück», teilt uns Dr. Aed     Behandlungen müssen bereits heute ausser-
Yaghi, Direktor unserer langjährigen Par-        halb von Gaza vorgenommen werden. Es
tnerorganisation Palestinian Medical Relief      fehlt an medizinischem Equipment und Per-
Society (PMRS) in Gaza, per Telefon mit.         sonal. Umso wichtiger sind Organisationen
«Nur» 17 Personen, allesamt Rückkehrende         wie PMRS, welche zusätzlich zu den behörd-
aus dem Ausland, haben sich bisher mit           lichen Gesundheitsinstitutionen medizini-
Covid-19 infiziert. Zwölf davon sind bereits     sche Dienstleistungen erbringen.
genesen. Die palästinensische Behörde hat                Unter den Vorzeichen einer mögli-
sehr schnell Massnahmen ergriffen und            chen Ausbreitung des Virus hat die PMRS
öffentliche Versammlungen verboten, Res-         ihre Gesundheitszentren und Mitarbeiten-
taurants, Märkte, Schulen und Universitäten      den auf die Behandlung möglicher Infizierte
sind geschlossen. Für die Bevölkerung            vorbereitet und zusätzliche Schutzmassnah-
bedeutet dies auch, dass das gemeinschaft-       men ergriffen. Zudem verteilt sie Hygiene-
liche Fastenbrechen im Ramadan dieses Jahr       kits in den Gemeinden, um der Ausbreitung
nur im kleinsten Familienkreis erlaubt und       des Virus auch ausserhalb ihrer Zentren vor-
die Essensverteilung an die Ärmsten - ein        zubeugen. Die Behandlung von älteren Men-
wichtiger sozialer Akt in der Fastenzeit -       schen und Angehörigen anderer Risikogrup-
unmöglich war. Nebst den psychosozialen          pen wird durch die Entsendung von mobilen
Belastungen verschärfen die Bewegungsein-        Teams gewährleistet.
schränkungen die ohnehin prekäre wirt-           ✕
schaftliche Situation. Ein Grossteil der Men-
schen lebt von der Hand in den Mund und ist      Radiobericht zur Corona-Situation in Gaza:
                                                 Interview mit Dr. Aed Yaghi, zu hören auf der medico
von humanitärer Unterstützung abhängig.          Webseite: www.medicointernational.ch
Die bereits hohe Arbeitslosigkeit droht wei-
                                                 Buchhinweis Palästina: Eine Geige für Palästina
ter zu steigen und Tausenden die Lebens-         Pia Tschupp, als Menschenrechtsbeobachterin im
grundlagen zu rauben.                            Westjordanland, Mai 2020. Vorwort von Jochi Weil-
                                                 Goldstein. Taschenbuch, ISBN 978-3-033-07742-3.
        Was passiert, wenn sich im Gaza-Strei-
fen - einem der dichtest besiedelten Orte der
Welt - das Coronavirus trotz getroffener         Mitgliederversammlung 2020 verschoben:
Massnahmen weiter ausbreitet? Nach 13            Wegen COVID-19 hat der Vorstand von medico
Jahren israelischer Blockade steht das           international schweiz entschieden, die MV auf
Gesundheitssystem auch ohne Pandemie vor         Herbst 2020 zu verschieben. Weitere Infos unter:
dem Kollaps. Komplizierte Eingriffe und          044 273 25 55 oder www.medicointernational.ch

Palästina: Solidarisch in
Zeiten des Coronavirus
Unser langjähriger Projektpartner Palestinian Medical Relief Society
(PMRS) leistet Soforthilfe an die Bevölkerung in Gaza und der Westbank.
Für die Beschaffung von Tests, Hygiene- und Schutzmaterial braucht sie
unsere Unterstützung.
                                                   Danke für Ihre Spende!
     medico international schweiz
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