Barrierefreie Sprache - Nachrichten für alle - Leichte Sprache ...

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Barrierefreie Sprache - Nachrichten für alle
                                                 Autoren: Tanja Köhler

                                                 Erschienen 2016 in Gemeinsam leben (ISSN 0943-8394), Ausgabe 03, Jahr 2016, Seite 132 -
                                                 141

Alle Artikel dieser Ausgabe

          Barrierefreie Sprache - Nachrichten für alle
          Peer-Interaktionen in der inklusiven Kindertageseinrichtung als Motor für die Entwicklung ein- und mehrsprachiger Kompetenzen
          Erste Zeichen in der Unterstützten Kommunikation bei Kindern mit Behinderungen
          Kommunikationsförderung mit Gebärden in heterogenen Gruppen
          Gebärdenunterstützte Kommunikation
          Wanderer zwischen den Welten
          Das Strategiepapier der Landesregierung zur Umsetzung der Inklusion im Bildungssystem in Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahr 2020
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      Barrierefreie Sprache – Nachrichten für alle
      Von Tanja Köhler

      Jeder Mensch stößt in der Sprache irgend-            len, werden das Angebot „nachrichten-
      wann an seine Grenzen: Manche haben                  leicht“ des Deutschlandfunks vorgestellt
      Verständnisschwierigkeiten bei komple-               und die Möglichkeiten seines Einsatzes an
      xen wissenschaftlichen Formulierungen,               inklusiven Schulen erörtert.
      für andere sind Justiztexte, Amtssprache
      oder Medienberichterstattung schlicht un-            1. Informationen als Voraussetzung
      verständlich. Wer kann schon auf Anhieb                 für gesellschaftliche und
      erklären, was mit „Nulltarif“ oder „Leis-
      tungsschutzrecht“ gemeint ist, was sich
                                                              politische Teilhabe
      hinter der „kalten Progression“ verbirgt             Da die heutige Gesellschaft deutlich stärker
      oder was Gravitationswellen sind und wie             von Informations- und Kommunikations-
      diese Begriffe das eigene Leben beeinflus-           prozessen geprägt ist als früher wird sie
      sen? Der Zugang zu Informationen ist eine            auch als Informationsgesellschaft1 bezeich-
      Voraussetzung, um am politischen und ge-             net (vgl. etwa Hensel 1990; Burkart 2002:
      sellschaftlichen Leben teilhaben zu kön-             S. 182-186; Weischenberg 1995: S. 536-
      nen. Aber nicht alle Menschen haben glei-            541). In einer solchen Gesellschaftsform
      chermaßen Zugang zu Informationen, et-               nehmen Informationsprozesse eine domi-
      wa weil sie kognitive Behinderungen oder             nierende Rolle ein: Gesellschaftliche Vor-
      Lernschwierigkeiten haben oder nur eine              gänge werden beinahe ausschließlich über
      geringe Lese- und Schreibkompetenz be-               komplexe mündliche wie schriftliche Infor-
      sitzen. Für solche Menschen können Infor-            mationen konstituiert, so dass der Zugang
      mationen unüberwindbare Hürden dar-                  zu Informationen eine Grundvorausset-
      stellen. Während allerdings die Bedeutung            zung darstellt, um am gesellschaftlichen
      barrierefreier Gebäude für Rollstuhlfahrer           und politischen Leben teilnehmen zu kön-
      oder barrierefreier Webseiten für sehbe-             nen (vgl. Stefanowitsch 2014: S. 17).
      hinderte Menschen längst ins öffentliche             Bei der Vermittlung von Informationen
      Bewusstsein gerückt ist, wird die Bedeu-             spielen Medien eine tragende Rolle. Insbe-
      tung barrierefreier Informationen in der             sondere klassischen Massenmedien kommt
      Öffentlichkeit gerade erst erkannt. Der fol-         dabei eine dominierende Bedeutung zu
      gende Artikel erläutert, wie und mit wel-            (vgl. Bernhard, Dohle, Vowe 2014: S. 167),
      chem Ziel Informationsangebote in Leich-             da sie ein breites Informationsangebot bie-
      ter und Einfacher Sprache in der gemein-             ten, das politische, gesellschaftliche, wirt-
      samen Erziehung behinderter und nicht-               schaftliche, kulturelle und andere Themen
      behinderter Kinder und Jugendlicher ein-             umfasst (vgl. Hans-Bredow-Institut 2006:
      gesetzt werden können. Vor dem Hinter-               S. 149). Medien erfüllen durch ihr breites
      grund, dass es vor allem Massenmedien                Informationsangebot „eine wichtige Funk-
      sind, die bei der Vermittlung von Informa-           tion in demokratischen Gesellschaften,
      tionen eine besondere Rolle in demokrati-            weil sie eine umfassende Meinungsbildung
      schen Gesellschaften und Prozessen spie-             ermöglichen. Erst auf Basis vielfältiger In-

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      formationen können die Bürger sich an der            che wird dabei neben anderen Aspekten
      politischen Debatte beteiligen.“ (Hans-Bre-          wie bspw. Inhalten, Bildern, Rezipienten
      dow-Institut 2006: S. 149).                          und Strukturen als eines der wichtigsten
      Im Rahmen des Informationsangebots klas-             Kriterien für Verständlichkeit begriffen
                                                           (vgl. Weischenberg 1995: S. 179-190).
      sischer Massenmedien nehmen Nachrich-
      ten einen besonderen Stellenwert ein: Zum
      einen können sie politisches, wirtschaftli-          2. Leichte und Einfache Sprache:
      ches und soziales Grundwissen vermitteln.               Methoden und Hilfsmittel zur
      Zum anderen zählen Nachrichten- und In-                 sprachlichen Barrierefreiheit und
      formationsangebote zu den am meisten ge-                Inklusion
      nutzten Medienangeboten (vgl. Süss, Bonfa-
      delli 2001: S. 323). Schulz (1995: S. 307)           Menschen mit Behinderung haben grund-
      weist zudem darauf hin, dass in Demokra-             sätzlich das gleiche Bedürfnis nach Infor-
      tien ein „vielfältiges Nachrichtenangebot            mationen – zu denen die Europäische Ver-
      und ungehinderter Zugang zu den Informa-             einigung der ILSMH auch Nachrichten
      tionsquellen [eine] wesentliche Vorausset-           zählt – wie Menschen ohne Behinderung
      zung der politischen Freiheit und einer ra-          (1989: S. 10). Die Vereinten Nationen for-
      tionalen politischen Willensbildung“ dar-            dern in der UNO-Behindertenrechtskon-
      stellt.                                              vention die Vertragsstaaten deshalb u. a.
                                                           dazu auf, Menschen mit Behinderung
      Der Zugang zu Informations- und Bil-                 gleichberechtigten Zugang zu Information
      dungsangeboten, der Menschen die Teil-               und Kommunikation zu gewährleisten, um
      habe an Politik und Gesellschaft ermögli-            ihnen eine unabhängige Lebensführung
      chen soll, wurde bereits an unterschiedli-           und die volle Teilhabe in allen Lebensbe-
      chen Stellen als gesellschaftliches Ziel ver-        reichen zu ermöglichen (Artikel 9). Auch
      ankert (vgl. u. a. UNO-Kinderrechtskon-              (Massen)Medien werden in der Konventi-
      vention 1989, UNO-Behindertenrechts-                 on dazu aufgefordert, ihre Dienste Men-
      konvention 2006, Barrierefreie-Informati-            schen mit Behinderung leicht zugänglich
      onstechnik Verordnung 2011). Doch das                zu machen, um so die Teilhabe am politi-
      Recht auf Information und politische Teil-           schen und öffentlichen (Artikel 29) sowie
      habe steht oft nur auf dem Papier: Zwar              am kulturellen Leben (Artikel 30) zu er-
      haben alle Menschen ein Recht auf Infor-             möglichen (siehe hierzu auch Europäische
      mationen, aber nicht alle Menschen haben             Vereinigung der ILSMH 1989: S. 5). Um
      gleichermaßen Zugang zu ihnen. Die                   Informationen leicht verständlich aufzube-
      Gründe hierfür können unterschiedlich                reiten, gewinnen die Konzepte der Leich-
      sein: Fehlende Zugriffsmöglichkeiten auf             ten und Einfachen Sprache2 zunehmend
      Medienangebote können ebenso verant-                 an Bedeutung. Sie werden als ein Schlüs-
      wortlich sein wie Schwierigkeiten beim               sel zu sprachlicher Barrierefreiheit und In-
      Lesen, Schreiben und Verstehen.                      klusion betrachtet.
      Grundsätzlich kann die Vermittlung von
      Informationen nur dann als gelungen be-              2.1 Konzepte und Regeln
      trachtet werden, wenn Rezipienten diese              Das Konzept der Leichten Sprache stammt
      Informationen auch verstehen. Verständ-              ursprünglich aus der Praxis: Behinderten-
      lichkeit wird vor diesem Hintergrund zu              selbsthilfe-Vereinigungen wollten mittels
      einem wesentlichen Kriterium erfolgrei-              Leichter Sprache Barrieren abbauen, um
      cher Informationsvermittlung. Die Me-                Menschen mit Lernschwierigkeiten Zu-
      dien- und Verständlichkeitsforschung be-             gang zu wichtigen Informationen zu ver-
      fasst sich daher schon seit geraumer Zeit            schaffen, die ihnen die Teilhabe und Mit-
      mit dem Verständlichkeitsproblem. Spra-              bestimmung an Gesellschaft und Politik er-

       Beltz Juventa | Gemeinsam leben 3/2016                                                        133t
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      möglichen (vgl. Seitz 2014: S. 4, Keller-            Leichter Sprache sowie eine theoretische
      mann 2014: S. 7, Maass, Rink, Zehrer                 Fundierung und Vereinheitlichung der Re-
      2014: 56)3 Im Laufe der Jahre haben ver-             geln für zwingend erachten.6
      schiedene Vereine und Institutionen Regel-           Während für Leichte Sprache zumindest
      werke für Leichte Sprache entwickelt, die            Regelwerke existieren, gilt dies für Einfa-
      mehr oder weniger ähnliche Vorgaben für              che Sprache nicht. Einigkeit herrscht aber
      die Texterstellung auf der Wort-, Satz- und          darin, dass Einfache Sprache mehr Kom-
      Text-Ebene sowie in der Gestaltung bereit            plexität erlaubt und vom Sprachgebrauch
      halten.4 Demnach zeichnet sich Leichte               her etwas schwieriger ist. Die Sätze sind
      Sprache unter anderem durch kurze, ein-              länger, sollen aber 15 Wörter nicht über-
      fache Sätze aus, die jeweils nur eine Aus-           schreiten und beinhalten höchstens ein
      sage enthalten. Fach- und Fremdworte so-             Komma. Auch bei Einfacher Sprache soll-
      wie abstrakte Wörter, Abkürzungen, Rede-             ten Fremdwörter vermieden bzw. im An-
      wendungen und Metaphern werden ver-                  schluss erklärt werden. Nach Satzzeichen
      mieden bzw. erklärt. Genitiv und Konjunk-            oder nach jedem Satzabschnitt muss nicht
      tiv werden ebenso vermieden wie lange                zwingend ein Absatz gesetzt werde, es
      Wörter, Passivkonstruktionen und Nomi-               muss auch nicht pro Zeile möglichst nur
      nalisierungen. Komposita werden durch                ein Satz verwendet werden. Einfache
      Bindestriche getrennt (bspw. Werkstatt-              Sprache ist auf dem Sprachniveau A2 bis
      Vertrag). Zahlen werden ausgeschrieben.              B1 angesiedelt. (vgl. Aktion Mensch, Kel-
      Nach jedem Satzzeichen und nach jedem                lermann 2014: S. 7).
      sinnvollen Satzabschnitt wird ein Absatz
      gesetzt, pro Zeile wird möglichst nur ein            2.2 Zielgruppen
      Satz verwendet. Das Schriftbild sollte
      höchstens zwei Schriftarten beinhalten,              Die Grenzen zwischen Leichter und Einfa-
      keine Serifen aufweisen und ausreichend              cher Sprache sind bisweilen fließend, was
      groß sein (mindestens Schriftgröße 14).              sicherlich auch den fehlenden bzw. unein-
      Eindeutige Abbildungen und Bilder sollten            heitlichen Regelwerken geschuldet ist.
      zur Erklärung und Strukturierung einge-              Dies trifft auch auf die Zielgruppen von
      setzt werden (vgl. Europäische Vereini-              Leichter und Einfacher Sprache zu, die so
      gung der ILSMH 1998, Netzwerk Leichte                heterogen sind wie die Gründe, warum
      Sprache, Kellermann 2014: 7, Stefano-                Menschen Lese-, Schreib- und Verständ-
      witsch 2014: 12, Nickel 2014: S. 28,                 nisschwierigkeiten haben. So macht Stefa-
      Maass, Rink, Zehrer 2014: 60-74). Das Le-            nowitsch (2014: S. 11) darauf aufmerk-
      seniveau von Leichter Sprache entspricht             sam, dass in den unterschiedlichen Ziel-
      dem Sprachniveau A1 im Gemeinsamen                   gruppen-Vorschlägen für Leichte Sprache
      Europäischen Referenzrahmen5 (vgl. Akti-             beinahe jeder angesprochen werden kann:
      on Mensch).                                              „Menschen mit Lernbehinderungen
      Da bislang kein einheitliches Regelwerk                  und anderen kognitiven Einschränkun-
      für das Konzept Leichte Sprache existiert,               gen, Menschen mit Leseschwierigkei-
      unterscheiden sich auch die in Leichter                  ten unterschiedlicher Art, nichtdeut-
      Sprache verfassten Texte in den oben auf-                sche Muttersprachler, Menschen mit
      geführten Bereichen. Die uneinheitliche                  Altersdemenz oder sogar ältere Men-
      und mangelnde professionelle Umsetzung                   schen insgesamt. Auch Jugendliche
      von Texten in Leichter Sprache führen                    werden manchmal als Zielgruppe ge-
      Maas, Rink und Zehrer (2014) auf die feh-                nannt oder sogar die Sprachgemein-
      lende wissenschaftliche Fundierung der                   schaft generell (...).“
      bisherigen Regelwerke zurück, weshalb                Orientiert man sich am Sprachniveau, das
      sie eine wissenschaftliche Erforschung von           bei Texten in Leichter Sprache dem Niveau

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      A1 entspricht, richten sich diese vor allem          gen wie sie in den Konzepten der Leichten
      an Menschen, die fast gar nicht lesen kön-           und Einfachen Sprache zum Tragen kom-
      nen. Dazu gehören bspw. Analphabeten                 men, überhaupt geben kann. Kritisch wird
      und Menschen mit Lernschwierigkeiten.                mitunter auch auf die positive Diskriminie-
      Texte in Einfacher Sprache, die auf dem              rung hingewiesen, die von Texten in Leich-
      Niveau von A2 bis B1 angesiedelt sind,               ter bzw. Einfacher Sprache ausgehen kann:
      wenden sich vor diesem Hintergrund vor               „Leichte Sprache (...) sorgt (...) einerseits
      allem an Menschen mit niedrigen Lesefä-              für Teilhabe, geht aber mit der Zuschrei-
      higkeiten. Hierzu zählen funktionale Anal-           bung an das Gegenüber einher, auf Leichte
      phabeten ebenso wie Menschen mit gerin-              Sprache angewiesen zu sein und unterstellt
      ger Bildung oder Menschen mit geringen               damit ein Defizit“ (Seitz 2014: S. 4). Den-
      Deutsch-Kenntnissen (vgl. Aktion Mensch).            noch kann kein Zweifel bestehen, dass die
      Die Zielgruppe der funktionalen Analpha-             Konzepte der Leichten und Einfachen
      beten ist dabei nicht zu unterschätzen: Der          Sprache einen Beitrag darstellen, sprachli-
      „Level-One-Studie“ der Universität Ham-              che Barrieren abzubauen, um Einzelnen
      burg zufolge, die die Lese- und Schreib-             Zugang zu wichtigen Informationen zu ver-
      kompetenz der deutschen Bevölkerung un-              schaffen.
      tersuchte, gelten 7,5 Millionen Menschen
      in Deutschland als funktionale Analphabe-            3. Leichte und Einfache Sprache in
      ten. Weitere 13,3 Millionen Menschen ha-
      ben größere Probleme beim Lesen und
                                                              Bildung und Erziehung
      Schreiben (vgl. Grotlüschen, Riekmann                Kinder und Jugendliche wollen wissen,
      2012, Nickel 2014: S. 27). Addiert man bei-          was in ihrem Umfeld und in der Welt pas-
      de Gruppen, stellen Texte in Einfacher               siert und haben deshalb das gleiche Recht
      Sprache für 20 Millionen Menschen in                 auf Beteiligung, Information und Bildung
      Deutschland – immerhin 40 Prozent der                wie Erwachsene. Die UNO-Kinderrechts-
      gesamten erwachsenen Bevölkerung – ei-               konvention betont in Artikel 13 ausdrück-
      nen Beitrag zur sprachlichen Barrierefrei-           lich das Recht von Kindern, sich „ungeach-
      heit dar.                                            tet der Staatsgrenzen Informationen und
                                                           Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift
      Grundsätzlich sind etwa 95 Prozent der
                                                           oder Druck (...) zu beschaffen, zu empfan-
      Bevölkerung in Deutschland in der Lage,
                                                           gen und weiterzugeben“. Die Konvention
      Einfache Sprache zu lesen und zu verste-
                                                           ruft auch die Massenmedien dazu auf,
      hen, unabhängig von Alter und Herkunft,
                                                           Kindern den Zugang zu „Informationen
      egal ob mit oder ohne Behinderung (vgl.
                                                           und Material aus einer Vielfalt nationaler
      Aktion Mensch). Es ist daher nicht verwun-
                                                           und internationaler Quellen“ zu ermögli-
      derlich, dass Texte in Leichter und Einfa-
                                                           chen und dabei „den sprachlichen Bedürf-
      cher Sprache zunehmend auch von Men-
                                                           nissen eines Kindes (...) besonders Rech-
      schen genutzt werden, die formal nicht zu
                                                           nung zu tragen“ (Artikel 17).
      den Adressaten dieser Angebote gehören
      (vgl. u. a. Öztürk 2014: S. 2; Kellermann            Auch für Kinder und Jugendliche spielen
      2014: 7; siehe auch Kapitel 4.2). Die Hete-          (Massen-)Medien eine große Rolle. Print-
      rogenität der Zielgruppe wird allerdings             produkte, Radio, Fernsehen und Online-
      von verschiedenen Autoren als besondere              Medien gehören für sie zum Lebensalltag.
      Herausforderung wahrgenommen und                     Dabei fühlen sich junge Menschen im Alter
      mitunter kritisiert (vgl. Maas, Rink, Zehrer         zwischen zwölf und 29 Jahren insbeson-
      2014: S. 56-60, Stefanowitsch 2014: S. 11),          dere von öffentlich-rechtlichen Fernseh-
      da jede Zielgruppe unterschiedliche Anfor-           und Radioprogrammen und Tageszeitun-
      derungen an Verständlichkeit stellt und es           gen sowie von Nachrichtenseiten im Inter-
      somit fraglich ist, ob es einheitliche Lösun-        net über aktuelle politische Ereignisse am

       Beltz Juventa | Gemeinsam leben 3/2016                                                        135t
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      besten informiert und schätzen diese hin-            4. „Nachrichtenleicht“:
      sichtlich Glaubwürdigkeit und Kompetenz                 Der Wochenrückblick in
      (Behrens et al. 2014: S. 217). Nachrichten-             Einfacher Sprache
      Angebote sind daher auch für Kinder und
                                                           In Deutschland sind die Informationsange-
      Jugendliche eine wichtige Informations-
                                                           bote in Leichter und Einfacher Sprache in
      quelle, die dabei helfen kann, gesellschaft-
                                                           den vergangenen Jahren kontinuierlich ge-
      liche und politische Ereignisse und Proble-
                                                           stiegen. Ein Grund für den Anstieg dürfte
      me besser zu verstehen und zur politi-
                                                           das zunehmende öffentliche Bewusstsein
      schen Meinungsbildung beizutragen.
                                                           für die Bedeutung barrierefreier Informati-
      Medien- und Nachrichtenangebote in den               onsvermittlung sein. Nicht alle Angebote in
      schulischen Kontext zu integrieren kann              Leichter und Einfacher Sprache eignen
      als eine wesentliche Aufgabe von Pädago-             sich jedoch gleichermaßen für den Einsatz
      gik verstanden werden, die unterschiedli-            in inklusiven Schulen, Heimen sowie Kin-
      che Ziele verfolgt: Neben der Vermittlung            der- und Jugendeinrichtungen. Im Folgen-
      politischen, wirtschaftlichen und sozialen           den soll deshalb das Nachrichten-Angebot
      Grundwissens sowie aktueller gesamtge-               „nachrichtenleicht“ vorgestellt werden,
      sellschaftlicher Ereignisse spielt auch die          weil es für den Einsatz im Unterricht aus
      Vermittlung von Medienkompetenz eine                 mehreren Gründen geeignet erscheint. Mit
      zentrale Rolle. Dies setzt allerdings zwin-          dem Portal betreibt der öffentlich-rechtli-
                                                           che Radiosender Deutschlandfunk das
      gend voraus, dass Kinder und Jugendliche
                                                           bundesweit bislang einzige regelmäßig er-
      Medien- und Nachrichtenangebote bedürf-
                                                           scheinende überregionale Nachrichtenan-
      nisorientiert nutzen, verstehen und ein-
                                                           gebot in Einfacher Sprache.7 Seit Januar
      ordnen können. Informations- und Nach-
                                                           2013 veröffentlicht die Nachrichtenredak-
      richtenangebote für Erwachsene sind für              tion des Senders auf der Webseite nach-
      Kinder und Jugendliche jedoch häufig un-             richtenleicht.de einen Wochenrückblick,
      verständlich. Einige Medien bieten des-              der aktuelle nationale und internationale
      halb speziell auf Kinder zugeschnittene              Ereignisse und Entwicklungen aus den Ru-
      Nachrichtenformate an, die sich von Nach-            briken Nachrichten, Kultur, Sport und Ver-
      richten für Erwachsene hinsichtlich Spra-            mischtes enthält.8 Die Nachrichten werden
      che, Präsentation und Themenauswahl                  dabei sowohl in Textform als auch als Au-
      unterscheiden (vgl. Krüger, Müller 2014:             dio-Datei zum Hören angeboten. Durch die
      S. 8).                                               breite Themenauswahl und die Orientie-
      Allerdings weisen Feierabend und Klingler            rung an aktuellen bedeutenden gesell-
                                                           schaftlichen Ereignissen eignen sich die
      (2014: S. 191-192) darauf hin, dass der
                                                           Texte im schulischen Kontext u. a. für die
      Übergang vom Kinder- zum Erwachsenen-
                                                           Vermittlung politischen Grundwissens, zur
      programm bereits bei Zehn- bis Elfjähri-
                                                           Förderung der politischen Meinungsbil-
      gen einsetzt und Kinderprogramme bei
                                                           dung sowie zur Förderung und Vermittlung
      Zwölf- bis 13-Jährigen noch einmal sehr              von Medienkompetenz. Dass die Informa-
      viel unbedeutender werden. Vor diesem                tionen von einem renommierten öffentlich-
      Hintergrund sollten und können im Rah-               rechtlichen Hörfunksender stammen und
      men der gemeinsamen Bildung und Erzie-               ausschließlich Online zur Verfügung ge-
      hung behinderter und nicht-behinderter               stellt werden, kommt dabei auch den Nut-
      Kinder und Jugendlicher auch Informati-              zungsgewohnheiten Jugendlicher entge-
      ons- und Nachrichtenangebote in Leichter             gen: So weist Schmitt (2014) bspw. darauf
      und Einfacher Sprache genutzt werden,                hin, dass sich junge Nutzer*innen ver-
      auch wenn diese nicht primär für diese               mehrt über das Internet politisches Wissen
      Zielgruppe konzipiert sind.                          aneignen und sich über politische Ereignis-

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      se in Online-Angeboten von professionellen           dem sollen die Nachrichten auch in der
      Medienanbietern informieren, die sie be-             sprachlichen Vereinfachung nicht ver-
      reits aus der Offlinewelt kennen. Unter die-         harmlosend oder unangemessen einfach
      sen genutzten Angeboten finden sich ne-              dargestellt werden.
      ben den Internetseiten von Printmedien               Aus diesen Überlegungen heraus ent-
      und privaten Rundfunkanbietern auch die              schied sich die Redaktion für das Konzept
      Webseiten öffentlich-rechtlicher Rundfunk-           der Einfachen Sprache, da diese für die
      anstalten (vgl. Schmitt 2014: 34). Schulen           zutreffende Vermittlung komplexer Ereig-
      und Einrichtungen, denen die technische              nisse besser geeignet erscheint und sie
      Ausstattung für die Online-Nutzung im Un-            von etwa 95 Prozent der Bevölkerung in
      terricht fehlt, finden auf der Seite nachrich-       Deutschland gelesen und verstanden wer-
      tenleicht sowohl eine Druckfunktion für die          den kann (siehe Kapitel 2.2). Da es für das
      Texte als auch einen Audio-Download für
                                                           Konzept der Einfachen Sprache kein Re-
      die Hörfassung der Texte.
                                                           gelwerk gibt, erarbeitete der Deutschland-
                                                           funk für sein Angebot eigene Regeln, die,
      4.1 Konzept                                          soweit wie möglich, auch Vorgaben der
      Ein Nachrichtenangebot in Einfacher Spra-            Leichten Sprache berücksichtigen: Die
      che zur Verfügung zu stellen wird mit dem            Satzlänge soll so kurz (jeder Satz beinhal-
      Programmauftrag gedeckt, dem die öffent-             tet möglichst nur eine Aussage) und der
      lich-rechtlichen     Rundfunkanstalten     in        Satzbau (Subjekt, Prädikat, Objekt) so
      Deutschland verpflichtet sind. Dieser Auf-           schlicht wie möglich sein. Die bevorzugten
      trag umfasst neben der Information, Kultur           Zeiten sind Präsens und Perfekt, es wird
      und Bildung auch die Integration, deren              möglichst aktiv statt passiv formuliert, di-
      Zielsetzung damit umrissen werden kann,              rekte Rede wird dem Konjunktiv vorgezo-
      alle gesellschaftlichen Schichten anzuspre-          gen, der Genitiv wird vermieden. Ferner
      chen sowie deren Teilhabe am politischen             werden einfache Verben, kurze geläufige
      Meinungs- und Willensbildungsprozess zu              Wörter sowie Wiederholungen statt Syno-
      ermöglichen (vgl. Lilienthal 2009: S. 6). Vor        nyme benutzt. Fremdwörter und Meta-
      diesem Hintergrund kann ein Nachrichten-             phern werden ebenso vermieden wie Um-
      angebot in Einfacher Sprache als eine öf-            gangssprache. Trotz aller Einfachheit wird
      fentliche-rechtliche Aufgabe und als Bei-            ein sachlicher Ton gepflegt.
      trag zur sprachlichen Barrierefreiheit und
                                                           Beispiele für Nachrichten in Einfacher
      Inklusion betrachtet werden.
                                                           Sprache (Ausschnitte):
      Die inhaltliche Konzeption des Angebots
      orientiert sich an den professionellen jour-             „Obama besucht Kuba
      nalistischen Ansprüchen des Senders: Wie                 Der Präsident von dem Land USA hat
      in den klassischen Nachrichtensendungen                  eine wichtige Reise gemacht. Der Präsi-
      des Deutschlandfunks soll auch bei der                   dent heißt Barack Obama. Er ist in das
      Präsentation von Nachrichten in Einfacher                Land Kuba geflogen. Er hat gesagt: Die
      Sprache am Anspruch festgehalten wer-                    USA und Kuba können nun Freunde
      den, die wichtigsten nationalen und inter-               werden. Denn die beiden Länder wa-
      nationalen Themen zu vermitteln, unab-                   ren lange Feinde. (...).“
      hängig von der Komplexität der Ereignis-
      se. Damit verbunden ist der Anspruch,                    (Auszug aus        einer   Nachricht   vom
      dass die zur Verfügung gestellten Informa-               25.03.2016)
      tionen auch in der sprachlichen Vereinfa-
      chung zutreffend sein müssen und nicht                   „Streit mit Polen
      wertend sein dürfen, auch nicht in dem                   Die Regierung von Polen hat Streit mit
      Bemühen, Dinge einfach zu erklären. Zu-                  anderen Politikern in Europa. Diese Po-

       Beltz Juventa | Gemeinsam leben 3/2016                                                        137t
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          litiker sagen: Polen macht Gesetze, die          Strich-Worte“ verwendet: Lange und zu-
          gegen europäische Werte verstoßen.               sammengesetzte Worte werden immer
          Die EU soll jetzt prüfen, ob das stimmt.         dann mit einem Bindestrich geschrieben,
          Unser Nachbar-Land Polen hat seit En-            wenn es das Verständnis erleichtert (bspw.
          de 2015 eine neue Regierung. Diese               Kranken-Versicherung, Bundes-Minister).
          Regierung hat sehr schnell neue Geset-           Wörter bleiben dann zusammengeschrie-
          ze gemacht. Über 2 Gesetze gab es viel           ben, wenn die Trennung irreführend wä-
          Streit: Das eine ist ein Gesetz über Ge-         re. Entgegen den Regeln der Leichten
          richts-Verfahren. In dem anderen Ge-             Sprache wird bspw. „Bundestag“ im Rah-
          setz geht es um Radio und Fernsehen.             men von nachrichtenleicht nicht durch ei-
          (...).“                                          nen Bindestrich getrennt, da der Wortteil
                                                           „Tag“ eine andere Hauptbedeutung bein-
          (Auszug aus        einer   Nachricht     vom     haltet als durch eine Trennung suggeriert
          15.01.2016)                                      würde.
      Ist die Verwendung von schwierigen Be-
      griffen für die zutreffende Vermittlung ei-          4.2 Zielgruppen
      ner Nachricht erforderlich, werden diese             Als primäre Zielgruppen sollten zu Beginn
      Begriffe gesondert erläutert. Sie werden             des Projektes Menschen mit Lern-Schwä-
      unter die jeweilige Nachricht gesetzt und            che und Lern-Behinderung angesprochen
      stehen auch im Wörterbuch.                           werden, obgleich das Angebot prinzipiell
      Beispiele für Wörterbucheinträge:                    von allen Menschen genutzt werden kann,
                                                           die konventionellen Nachrichtenangebo-
          „Abgeordnete                                     ten – aus welchen Gründen auch immer –
          Abgeordnete nennt man die Politiker in           nicht folgen können. Durch Reaktionen
          einem Parlament. Sie können die Re-              der Leser*innen wurde schnell deutlich,
          gierung wählen und Gesetze bestim-               dass das Angebot von einem großen Kreis
          men. Abgeordnete werden von den                  weiterer Zielgruppen genutzt wird. Neben
          Bürgern gewählt.“                                Menschen mit geringen Deutsch-Kenntnis-
                                                           sen, mit Verständnisschwierigkeiten und
          „Finanz-Amt                                      geringem Wortschatz zeigte sich, dass das
          Beim Finanz-Amt müssen Bürger und                Portal nachrichtenleicht auch in (inklusi-
          Firmen ihre Steuern bezahlen. Das Fi-            ven) Schulen und Jugendeinrichtungen
          nanz-Amt rechnet aus, wieviel Steuern            verwendet wird.
          jeder bezahlen muss. In Deutschland
          gibt es in jeder größeren Stadt ein Fi-          4.3 Möglichkeiten des Einsatzes an
          nanz-Amt. Von dem Steuer-Geld wer-                   inklusiven Schulen
          den dann zum Beispiel Straßen und                Reaktionen der Nutzer*innen auf das An-
          Schulen gebaut.“                                 gebot nachrichtenleicht erreichen den
                                                           Deutschlandfunk überwiegend per E-Mail.
          „Wahl-Programm                                   Wertet man den Teil der Zuschriften aus,
          Vor einer Wahl beschließen die Partei-           die von Pädagog*innen stammen, lassen
          en ihre Wahl-Programme. Jede Partei              sich Tendenzen erkennen, in welchen
          schreibt auf, welche Politik sie machen          Schulformen, in welchem Umfang, mit wel-
          will. Die Bürger können die Wahl-Pro-            cher Intention und mit welchen Ergebnis-
          gramme lesen. Dann können sie ent-               sen das Nachrichten-Angebot in Einfacher
          scheiden, welche Partei sie wählen.“             Sprache im Unterricht eingesetzt wird.
      Um das Lesen und Verstehen zu erleich-               Pädagog*innen, die in ihren Zuschriften
      tern, werden auch sogenannte „Binde-                 die Schulart angeben, in der sie tätig sind,

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      unterrichten mehrheitlich an Förderschu-             Die Stärken des Angebots werden von den
      len und davon wiederum mehrheitlich mit              Pädagog*innen wie folgt beschrieben:
      dem Förderschwerpunkt geistige Entwick-              • Eine für Schüler*innen verständliche
      lung. Ein geringerer Anteil der Zuschriften            Sprache
      stammt von Lehrer*innen, die an Regel-               • Erläuterung schwieriger Begriffe
      schulen (bspw. Hauptschulen) oder Berufs-            • Kombination von Text und Audio (Vorle-
      schulen unterrichten.9                                 sefunktion)
      Der Einsatz von nachrichtenleicht im Un-             In den Zuschriften wird bisweilen auch
      terricht erfolgt mehrheitlich in den Fä-             das Feedback der Schüler*innen einge-
      chern Politik und Deutsch. Einige Leh-               bunden, die im Unterricht mit Nachrichten
      rer*innen geben zudem an, die Texte im               in Einfacher Sprache arbeiten. Dabei wird
      Sozialkunde-, Medien-, Wirtschafts- und              insbesondere darauf hingewiesen, dass
      Ethik-Unterricht einzusetzen. Dieser Ein-            die Schüler*innen ...
      satz in durchaus unterschiedlichen Kon-
      texten kann auf das differenzierte Nach-             ... durch die Beschäftigung mit Nachrich-
      richten-Spektrum zurückgeführt werden.               ten in Einfacher Sprache aktuelle Vorgän-
      Gleichwohl macht der überwiegende Ein-               ge besser verstehen,
      satz in den Fächern Politik und Deutsch              ... sich durch die verständliche Sprache
      deutlich, dass nachrichtenleicht von Leh-            zum Lesen motiviert fühlen,
      rer*innen als ein Angebot wahrgenommen               ... ihr Selbstbewusstsein durch die Erfah-
      wird, welches der verständlichen Vermitt-            rung stärken, Texte zu verstehen,
      lung aktueller politischer Themen dient.
      Darauf deuten auch die Ziele hin, mit de-            ... durch die verständliche Sprache und die
      nen der Einsatz im Unterricht begründet              zusätzliche Audiofunktion (Vorlesefunkti-
      wird: Die Mehrheit der Lehrer*innen gibt             on) aktuellen Ereignissen und Entwicklun-
      an, die Nachrichten zur politischen Bil-             gen mehr Aufmerksamkeit schenken.
      dung, zur Vermittlung aktueller gesell-                  „SchülerInnen, die sich für die angebo-
      schaftlicher Ereignisse sowie zur Förde-                 tenen Inhalte interessieren, finden es
      rung von Lesekompetenz (im Sinne von                     toll, dass sie sich ohne Hilfe einer ande-
      Lesefertigkeit, Tempo und Verständnis),                  ren Person informieren können. Es
      einzusetzen. Auch die Vermittlung von Me-                macht sie unabhängig und darauf sind
      dienkompetenz wird mitunter als Unter-                   sie stolz.“ (Julian K.)
      richtsziel angegeben. Die folgenden Aus-
                                                               „Die Kombination aus mp3-File und
      züge aus Leser*innen-Zuschriften verdeut-
                                                               einfachem Text führt zu großer Akzep-
      lichen die Überlegungen der Pädagog*in-
                                                               tanz und hoher Aufmerksamkeit und
      nen:
                                                               erleichtert das Verständnis der Schüle-
          „Ihre Nachrichten sind für meine Schü-               rinnen und Schüler ernorm.“ (Doris H.)
          ler eine gute Hilfe, um die Welt besser              „Die Darstellung der Nachrichten in
          zu verstehen.“ (Tobias K.)                           leichter (sic!) Sprache (...) kam bei den
          „Für meine Schüler ist Ihre Seite eine               Schülern super an. Sei es vom Lesen
          große Bereicherung, denn normale Zei-                als auch vom Interesse waren sie rich-
          tungstexte sind für sie unverständlich.“             tig begeistert.“ (Eva K.)
          (Silvia K.)                                      Interessant an den Zuschriften ist zudem
          „Viele unserer Schüler haben Proble-             die Angabe des Alters der Schüler*innen,
          me, die üblichen Texte zu verstehen.             die im Unterricht mit Nachrichten in Ein-
          Aber die leichten Nachrichten werden             facher Sprache arbeiten: Sie sind mehr-
          jetzt fester Bestandteil meines Unter-           heitlich zwischen 13 und 21 Jahren alt.
          richts. Danke.“ (Gaby B.)                        Dies deutet darauf hin, dass sich Leh-

       Beltz Juventa | Gemeinsam leben 3/2016                                                        139t
T 10153192 | © 2016 Verlagsgruppe Beltz. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder
    Vervielfältigung.

      rer*innen bei der Auswahl der Unter-                     sensgesellschaft (Stehr 1994), Möglichkeits-
      richtsmaterialien an Nachrichten orientie-               gesellschaft (Beck 1994) oder Risikogesell-
                                                               schaft (Beck 1986) beschrieben.
      ren, die für Erwachsene konzipiert sind.             2   Leichte wie Einfache Sprache stellen keine ge-
      Sie scheinen daher bewusst nicht auf pri-                schützten Begriffe dar und werden bisweilen
      mär für Kinder entwickelte Formate zu-                   synonym verwendet (vgl. Kellermann 2014:
      rückzugreifen, sondern eine Ansprechhal-                 S. 7).
                                                           3   Zur Entstehungsgeschichte von Leichter und
      tung für Erwachsene zu bevorzugen, was                   Einfacher Sprache sowie deren Verbreitung in
      den Nutzungsgewohnheiten dieser Alters-                  Europa siehe bspw. Kellermann 2014: S. 8.
      gruppe gerecht(er) wird (siehe hierzu auch           4   Regeln für Texte in Leichter Sprache wurden
      Kapitel 3). Hierauf weist auch ein Lehrer                u.a. entwickelt von: Europäische Vereinigung
                                                               der ILSMH (1989), Mensch zuerst (2008),
      in seiner Zuschrift hin:
                                                               Netzwerk Leichte Sprache.
          „Andere, vom Anspruch angemessene                5   Der Gemeinsame europäische Referenzrah-
          Inhalte sind oft zu kindlich, was die In-            men für Sprachen (GER) legt einen Maßstab
                                                               mit sechs Kompetenzstufen von A1 bis C2 für
          halte angeht. Oder angemessene Inhal-                Sprachenlernende und -lehrende fest. Das
          te sind kognitiv zu anspruchsvoll und                Kompetenzniveau A1 und A2 umfasst die Fä-
          daher nicht geeignet.“ (Julian K.)                   higkeit, einfache Sätze und alltägliche Ausdrü-
                                                               cke zu verstehen. Kompetenzniveau B1 und B2
                                                               beschreibt die Fähigkeit, klare Standardspra-
      5. Fazit                                                 che erfassen zu können. Vgl. Sheils et al.
                                                               2001.
      Leichte und Einfache Sprache kann Kin-               6   An der Universität Hildesheim wurde am Insti-
      dern und Jugendlichen – egal ob mit oder                 tut für Übersetzungswissenschaft und Fach-
      ohne Behinderung – einen leichteren und                  kommunikation im Jahr 2014 die Forschungs-
      verständlicheren Zugang zu Informationen                 stelle Leichte Sprache gegründet. Sie widmet
      bieten. Hierzu zählen auch und in beson-                 sich u.a. der Erforschung der Leichten Sprache
                                                               sowie deren empirischer Überprüfung.
      derem Maße barrierefreie Nachrichten,                7   Der NDR veröffentlicht in seinem Online-Ange-
      insbesondere diejenigen von professionel-                bot seit Kurzem Nachrichten in Leichter Spra-
      len Medienanbietern. Sie können durch                    che, die sich allerdings auf regionale Berichter-
      die Thematisierung aktueller bedeutender                 stattung beschränken (http://www.ndr.de/fern-
                                                               sehen/ser vice/leichte_sprache/Nachrichten-
      gesamtgesellschaftlicher Ereignisse und                  in-Leichter-Sprache,nachrichtenleichtespra-
      Entwicklungen im schulischen Kontext                     che100.html). Der Wochenzeitung „Das Parla-
      einen wichtigen Beitrag dazu leisten, poli-              ment“ liegt seit dem 30. Juni 2014 eine Beila-
      tisches, wirtschaftliches und soziales                   ge in Leichter Sprache bei, die sich jeweils ei-
                                                               nem aktuellen politischen Ereignis widmet. Der
      Grundwissen zu vermitteln sowie politi-
                                                               Spaß am Lesen Verlag aus Münster bringt
      sche und gesellschaftliche Zusammenhän-                  sechs Mal im Jahr eine Zeitung („Klar und
      ge und Herausforderungen besser zu ver-                  Deutlich“) sowie jeden Montag eine digitale
      stehen. Damit können auch bei behinder-                  Wochenzeitung („Klar und Deutlich aktuell“) in
      ten und nicht-behinderten Kindern und                    Einfacher Sprache heraus (außer in den Schul-
                                                               ferien) (vgl. www.spassamlesenverlag.de).
      Jugendlichen die Voraussetzungen für                 8   Das Angebot ist aus einem Semesterprojekt
      Selbstbestimmung sowie Teilhabe am poli-                 der Technischen Hochschule Köln und einer Ko-
      tischen und gesellschaftlichen Leben ge-                 operation mit dem Deutschlandfunk entstan-
      schaffen und Handlungsmöglichkeiten er-                  den. Seit Abschluss des Projektes im Januar
                                                               2013 betreut der Deutschlandfunk das Portal
      weitert werden.                                          eigenständig.
                                                           9   Aus den Zuschriften wird nicht ersichtlich, ob
                                                               es sich um inklusive Schulen handelt.
      Anmerkungen
      1 Als Erklärungsansatz für die Beschreibung der
        modernen Gesellschaftsform existieren noch         Literatur
        weitere Gesellschaftsbeschreibungen: Je nach       Aktion Mensch. Faktenblatt Einfache Sprache.
        Beobachterperspektive wird die Gesellschaft           https://www.aktion-mensch.de/presse/div/
        mit so unterschiedlichen Begriffen wie Wis-           download.php?id=96 (05.02.2015)

      u 140
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                                   Barrierefreie-Informationstechnik Verordnung (2011).      kat, Susanne J.; Jüngst, Heike E.; Schubert,
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                                       BJNR184300011.html                                    refrei gestalten: Perspektiven aus der Ange-
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                                       sellschaftlicher Zeitordnung und sozialem Be-         Zeitgeschehen: Leichte und Einfache Sprache
                                       wusstsein. Opladen.                                   (2014), H. 9-11, S. 2.
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                                       Weg in eine andere Moderne. Frankfurt am Main.        und politisches Wissen bei Jugendlichen. In:
                                   Behrens, Peter; Calmbach, Marc; Schleer, Chris-           Media Perspektiven 2014, H. 1, S. 33-46.
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                                       in jungen Lebenswelten. Repräsentative On-            fried; Wilke, Jürgen: Publizistik/ Massenkom-
                                       linebefragung von 14- bis 29-Jährigen in              munikation. Frankfurt am Main.
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                                       4, S. 195-218.                                        einfache Sprache. In: Aus Politik und Zeitge-
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                                       schen mit geistiger Behinderung für Autoren, He-      komplexe Wirklichkeit. In: Aus Politik und Zeit-
                                       rausgeber, Informationsdienste, übersetzer und        geschehen: Leichte und Einfache Sprache
                                       andere interessierte Personen. http://www.web-        (2014), H. 9-11, S. 7-18.
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                                       Kinder sehen. Eine Analyse der Fernsehnut-         Süss, Daniel; Bonfadelli, Heinz (2001): Medien-
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                                   Lilienthal, Volker (2009): Integration als Pro-           6A4660D2EA7F4BCC60E4C.2_cid320?__blob
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                                       hen: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk (2009), H.
                                       9-10, , S. 6-12.                                   Kontakt
                                   Maaß, Christiane; Rink, Isabel; Zehrer, Christiane     Dr. Tanja Köhler
                                       (2014): Leichte Sprache in der Sprach- und         Mail Tanja.Koehler@free.de |
                                       Übersetzungswissenschaft, S. 53-85. In: Je-        Tanja.Koehler@deutschlandradio.de

                                   Beltz Juventa | Gemeinsam leben 3/2016                                                            141t

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