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Barrierefreie Sprache - Nachrichten für alle Autoren: Tanja Köhler Erschienen 2016 in Gemeinsam leben (ISSN 0943-8394), Ausgabe 03, Jahr 2016, Seite 132 - 141 Alle Artikel dieser Ausgabe Barrierefreie Sprache - Nachrichten für alle Peer-Interaktionen in der inklusiven Kindertageseinrichtung als Motor für die Entwicklung ein- und mehrsprachiger Kompetenzen Erste Zeichen in der Unterstützten Kommunikation bei Kindern mit Behinderungen Kommunikationsförderung mit Gebärden in heterogenen Gruppen Gebärdenunterstützte Kommunikation Wanderer zwischen den Welten Das Strategiepapier der Landesregierung zur Umsetzung der Inklusion im Bildungssystem in Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahr 2020
T 10153192 | © 2016 Verlagsgruppe Beltz. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Barrierefreie Sprache – Nachrichten für alle Von Tanja Köhler Jeder Mensch stößt in der Sprache irgend- len, werden das Angebot „nachrichten- wann an seine Grenzen: Manche haben leicht“ des Deutschlandfunks vorgestellt Verständnisschwierigkeiten bei komple- und die Möglichkeiten seines Einsatzes an xen wissenschaftlichen Formulierungen, inklusiven Schulen erörtert. für andere sind Justiztexte, Amtssprache oder Medienberichterstattung schlicht un- 1. Informationen als Voraussetzung verständlich. Wer kann schon auf Anhieb für gesellschaftliche und erklären, was mit „Nulltarif“ oder „Leis- tungsschutzrecht“ gemeint ist, was sich politische Teilhabe hinter der „kalten Progression“ verbirgt Da die heutige Gesellschaft deutlich stärker oder was Gravitationswellen sind und wie von Informations- und Kommunikations- diese Begriffe das eigene Leben beeinflus- prozessen geprägt ist als früher wird sie sen? Der Zugang zu Informationen ist eine auch als Informationsgesellschaft1 bezeich- Voraussetzung, um am politischen und ge- net (vgl. etwa Hensel 1990; Burkart 2002: sellschaftlichen Leben teilhaben zu kön- S. 182-186; Weischenberg 1995: S. 536- nen. Aber nicht alle Menschen haben glei- 541). In einer solchen Gesellschaftsform chermaßen Zugang zu Informationen, et- nehmen Informationsprozesse eine domi- wa weil sie kognitive Behinderungen oder nierende Rolle ein: Gesellschaftliche Vor- Lernschwierigkeiten haben oder nur eine gänge werden beinahe ausschließlich über geringe Lese- und Schreibkompetenz be- komplexe mündliche wie schriftliche Infor- sitzen. Für solche Menschen können Infor- mationen konstituiert, so dass der Zugang mationen unüberwindbare Hürden dar- zu Informationen eine Grundvorausset- stellen. Während allerdings die Bedeutung zung darstellt, um am gesellschaftlichen barrierefreier Gebäude für Rollstuhlfahrer und politischen Leben teilnehmen zu kön- oder barrierefreier Webseiten für sehbe- nen (vgl. Stefanowitsch 2014: S. 17). hinderte Menschen längst ins öffentliche Bei der Vermittlung von Informationen Bewusstsein gerückt ist, wird die Bedeu- spielen Medien eine tragende Rolle. Insbe- tung barrierefreier Informationen in der sondere klassischen Massenmedien kommt Öffentlichkeit gerade erst erkannt. Der fol- dabei eine dominierende Bedeutung zu gende Artikel erläutert, wie und mit wel- (vgl. Bernhard, Dohle, Vowe 2014: S. 167), chem Ziel Informationsangebote in Leich- da sie ein breites Informationsangebot bie- ter und Einfacher Sprache in der gemein- ten, das politische, gesellschaftliche, wirt- samen Erziehung behinderter und nicht- schaftliche, kulturelle und andere Themen behinderter Kinder und Jugendlicher ein- umfasst (vgl. Hans-Bredow-Institut 2006: gesetzt werden können. Vor dem Hinter- S. 149). Medien erfüllen durch ihr breites grund, dass es vor allem Massenmedien Informationsangebot „eine wichtige Funk- sind, die bei der Vermittlung von Informa- tion in demokratischen Gesellschaften, tionen eine besondere Rolle in demokrati- weil sie eine umfassende Meinungsbildung schen Gesellschaften und Prozessen spie- ermöglichen. Erst auf Basis vielfältiger In- u 132
T 10153192 | © 2016 Verlagsgruppe Beltz. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. formationen können die Bürger sich an der che wird dabei neben anderen Aspekten politischen Debatte beteiligen.“ (Hans-Bre- wie bspw. Inhalten, Bildern, Rezipienten dow-Institut 2006: S. 149). und Strukturen als eines der wichtigsten Im Rahmen des Informationsangebots klas- Kriterien für Verständlichkeit begriffen (vgl. Weischenberg 1995: S. 179-190). sischer Massenmedien nehmen Nachrich- ten einen besonderen Stellenwert ein: Zum einen können sie politisches, wirtschaftli- 2. Leichte und Einfache Sprache: ches und soziales Grundwissen vermitteln. Methoden und Hilfsmittel zur Zum anderen zählen Nachrichten- und In- sprachlichen Barrierefreiheit und formationsangebote zu den am meisten ge- Inklusion nutzten Medienangeboten (vgl. Süss, Bonfa- delli 2001: S. 323). Schulz (1995: S. 307) Menschen mit Behinderung haben grund- weist zudem darauf hin, dass in Demokra- sätzlich das gleiche Bedürfnis nach Infor- tien ein „vielfältiges Nachrichtenangebot mationen – zu denen die Europäische Ver- und ungehinderter Zugang zu den Informa- einigung der ILSMH auch Nachrichten tionsquellen [eine] wesentliche Vorausset- zählt – wie Menschen ohne Behinderung zung der politischen Freiheit und einer ra- (1989: S. 10). Die Vereinten Nationen for- tionalen politischen Willensbildung“ dar- dern in der UNO-Behindertenrechtskon- stellt. vention die Vertragsstaaten deshalb u. a. dazu auf, Menschen mit Behinderung Der Zugang zu Informations- und Bil- gleichberechtigten Zugang zu Information dungsangeboten, der Menschen die Teil- und Kommunikation zu gewährleisten, um habe an Politik und Gesellschaft ermögli- ihnen eine unabhängige Lebensführung chen soll, wurde bereits an unterschiedli- und die volle Teilhabe in allen Lebensbe- chen Stellen als gesellschaftliches Ziel ver- reichen zu ermöglichen (Artikel 9). Auch ankert (vgl. u. a. UNO-Kinderrechtskon- (Massen)Medien werden in der Konventi- vention 1989, UNO-Behindertenrechts- on dazu aufgefordert, ihre Dienste Men- konvention 2006, Barrierefreie-Informati- schen mit Behinderung leicht zugänglich onstechnik Verordnung 2011). Doch das zu machen, um so die Teilhabe am politi- Recht auf Information und politische Teil- schen und öffentlichen (Artikel 29) sowie habe steht oft nur auf dem Papier: Zwar am kulturellen Leben (Artikel 30) zu er- haben alle Menschen ein Recht auf Infor- möglichen (siehe hierzu auch Europäische mationen, aber nicht alle Menschen haben Vereinigung der ILSMH 1989: S. 5). Um gleichermaßen Zugang zu ihnen. Die Informationen leicht verständlich aufzube- Gründe hierfür können unterschiedlich reiten, gewinnen die Konzepte der Leich- sein: Fehlende Zugriffsmöglichkeiten auf ten und Einfachen Sprache2 zunehmend Medienangebote können ebenso verant- an Bedeutung. Sie werden als ein Schlüs- wortlich sein wie Schwierigkeiten beim sel zu sprachlicher Barrierefreiheit und In- Lesen, Schreiben und Verstehen. klusion betrachtet. Grundsätzlich kann die Vermittlung von Informationen nur dann als gelungen be- 2.1 Konzepte und Regeln trachtet werden, wenn Rezipienten diese Das Konzept der Leichten Sprache stammt Informationen auch verstehen. Verständ- ursprünglich aus der Praxis: Behinderten- lichkeit wird vor diesem Hintergrund zu selbsthilfe-Vereinigungen wollten mittels einem wesentlichen Kriterium erfolgrei- Leichter Sprache Barrieren abbauen, um cher Informationsvermittlung. Die Me- Menschen mit Lernschwierigkeiten Zu- dien- und Verständlichkeitsforschung be- gang zu wichtigen Informationen zu ver- fasst sich daher schon seit geraumer Zeit schaffen, die ihnen die Teilhabe und Mit- mit dem Verständlichkeitsproblem. Spra- bestimmung an Gesellschaft und Politik er- Beltz Juventa | Gemeinsam leben 3/2016 133t
T 10153192 | © 2016 Verlagsgruppe Beltz. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. möglichen (vgl. Seitz 2014: S. 4, Keller- Leichter Sprache sowie eine theoretische mann 2014: S. 7, Maass, Rink, Zehrer Fundierung und Vereinheitlichung der Re- 2014: 56)3 Im Laufe der Jahre haben ver- geln für zwingend erachten.6 schiedene Vereine und Institutionen Regel- Während für Leichte Sprache zumindest werke für Leichte Sprache entwickelt, die Regelwerke existieren, gilt dies für Einfa- mehr oder weniger ähnliche Vorgaben für che Sprache nicht. Einigkeit herrscht aber die Texterstellung auf der Wort-, Satz- und darin, dass Einfache Sprache mehr Kom- Text-Ebene sowie in der Gestaltung bereit plexität erlaubt und vom Sprachgebrauch halten.4 Demnach zeichnet sich Leichte her etwas schwieriger ist. Die Sätze sind Sprache unter anderem durch kurze, ein- länger, sollen aber 15 Wörter nicht über- fache Sätze aus, die jeweils nur eine Aus- schreiten und beinhalten höchstens ein sage enthalten. Fach- und Fremdworte so- Komma. Auch bei Einfacher Sprache soll- wie abstrakte Wörter, Abkürzungen, Rede- ten Fremdwörter vermieden bzw. im An- wendungen und Metaphern werden ver- schluss erklärt werden. Nach Satzzeichen mieden bzw. erklärt. Genitiv und Konjunk- oder nach jedem Satzabschnitt muss nicht tiv werden ebenso vermieden wie lange zwingend ein Absatz gesetzt werde, es Wörter, Passivkonstruktionen und Nomi- muss auch nicht pro Zeile möglichst nur nalisierungen. Komposita werden durch ein Satz verwendet werden. Einfache Bindestriche getrennt (bspw. Werkstatt- Sprache ist auf dem Sprachniveau A2 bis Vertrag). Zahlen werden ausgeschrieben. B1 angesiedelt. (vgl. Aktion Mensch, Kel- Nach jedem Satzzeichen und nach jedem lermann 2014: S. 7). sinnvollen Satzabschnitt wird ein Absatz gesetzt, pro Zeile wird möglichst nur ein 2.2 Zielgruppen Satz verwendet. Das Schriftbild sollte höchstens zwei Schriftarten beinhalten, Die Grenzen zwischen Leichter und Einfa- keine Serifen aufweisen und ausreichend cher Sprache sind bisweilen fließend, was groß sein (mindestens Schriftgröße 14). sicherlich auch den fehlenden bzw. unein- Eindeutige Abbildungen und Bilder sollten heitlichen Regelwerken geschuldet ist. zur Erklärung und Strukturierung einge- Dies trifft auch auf die Zielgruppen von setzt werden (vgl. Europäische Vereini- Leichter und Einfacher Sprache zu, die so gung der ILSMH 1998, Netzwerk Leichte heterogen sind wie die Gründe, warum Sprache, Kellermann 2014: 7, Stefano- Menschen Lese-, Schreib- und Verständ- witsch 2014: 12, Nickel 2014: S. 28, nisschwierigkeiten haben. So macht Stefa- Maass, Rink, Zehrer 2014: 60-74). Das Le- nowitsch (2014: S. 11) darauf aufmerk- seniveau von Leichter Sprache entspricht sam, dass in den unterschiedlichen Ziel- dem Sprachniveau A1 im Gemeinsamen gruppen-Vorschlägen für Leichte Sprache Europäischen Referenzrahmen5 (vgl. Akti- beinahe jeder angesprochen werden kann: on Mensch). „Menschen mit Lernbehinderungen Da bislang kein einheitliches Regelwerk und anderen kognitiven Einschränkun- für das Konzept Leichte Sprache existiert, gen, Menschen mit Leseschwierigkei- unterscheiden sich auch die in Leichter ten unterschiedlicher Art, nichtdeut- Sprache verfassten Texte in den oben auf- sche Muttersprachler, Menschen mit geführten Bereichen. Die uneinheitliche Altersdemenz oder sogar ältere Men- und mangelnde professionelle Umsetzung schen insgesamt. Auch Jugendliche von Texten in Leichter Sprache führen werden manchmal als Zielgruppe ge- Maas, Rink und Zehrer (2014) auf die feh- nannt oder sogar die Sprachgemein- lende wissenschaftliche Fundierung der schaft generell (...).“ bisherigen Regelwerke zurück, weshalb Orientiert man sich am Sprachniveau, das sie eine wissenschaftliche Erforschung von bei Texten in Leichter Sprache dem Niveau u 134
T 10153192 | © 2016 Verlagsgruppe Beltz. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. A1 entspricht, richten sich diese vor allem gen wie sie in den Konzepten der Leichten an Menschen, die fast gar nicht lesen kön- und Einfachen Sprache zum Tragen kom- nen. Dazu gehören bspw. Analphabeten men, überhaupt geben kann. Kritisch wird und Menschen mit Lernschwierigkeiten. mitunter auch auf die positive Diskriminie- Texte in Einfacher Sprache, die auf dem rung hingewiesen, die von Texten in Leich- Niveau von A2 bis B1 angesiedelt sind, ter bzw. Einfacher Sprache ausgehen kann: wenden sich vor diesem Hintergrund vor „Leichte Sprache (...) sorgt (...) einerseits allem an Menschen mit niedrigen Lesefä- für Teilhabe, geht aber mit der Zuschrei- higkeiten. Hierzu zählen funktionale Anal- bung an das Gegenüber einher, auf Leichte phabeten ebenso wie Menschen mit gerin- Sprache angewiesen zu sein und unterstellt ger Bildung oder Menschen mit geringen damit ein Defizit“ (Seitz 2014: S. 4). Den- Deutsch-Kenntnissen (vgl. Aktion Mensch). noch kann kein Zweifel bestehen, dass die Die Zielgruppe der funktionalen Analpha- Konzepte der Leichten und Einfachen beten ist dabei nicht zu unterschätzen: Der Sprache einen Beitrag darstellen, sprachli- „Level-One-Studie“ der Universität Ham- che Barrieren abzubauen, um Einzelnen burg zufolge, die die Lese- und Schreib- Zugang zu wichtigen Informationen zu ver- kompetenz der deutschen Bevölkerung un- schaffen. tersuchte, gelten 7,5 Millionen Menschen in Deutschland als funktionale Analphabe- 3. Leichte und Einfache Sprache in ten. Weitere 13,3 Millionen Menschen ha- ben größere Probleme beim Lesen und Bildung und Erziehung Schreiben (vgl. Grotlüschen, Riekmann Kinder und Jugendliche wollen wissen, 2012, Nickel 2014: S. 27). Addiert man bei- was in ihrem Umfeld und in der Welt pas- de Gruppen, stellen Texte in Einfacher siert und haben deshalb das gleiche Recht Sprache für 20 Millionen Menschen in auf Beteiligung, Information und Bildung Deutschland – immerhin 40 Prozent der wie Erwachsene. Die UNO-Kinderrechts- gesamten erwachsenen Bevölkerung – ei- konvention betont in Artikel 13 ausdrück- nen Beitrag zur sprachlichen Barrierefrei- lich das Recht von Kindern, sich „ungeach- heit dar. tet der Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift Grundsätzlich sind etwa 95 Prozent der oder Druck (...) zu beschaffen, zu empfan- Bevölkerung in Deutschland in der Lage, gen und weiterzugeben“. Die Konvention Einfache Sprache zu lesen und zu verste- ruft auch die Massenmedien dazu auf, hen, unabhängig von Alter und Herkunft, Kindern den Zugang zu „Informationen egal ob mit oder ohne Behinderung (vgl. und Material aus einer Vielfalt nationaler Aktion Mensch). Es ist daher nicht verwun- und internationaler Quellen“ zu ermögli- derlich, dass Texte in Leichter und Einfa- chen und dabei „den sprachlichen Bedürf- cher Sprache zunehmend auch von Men- nissen eines Kindes (...) besonders Rech- schen genutzt werden, die formal nicht zu nung zu tragen“ (Artikel 17). den Adressaten dieser Angebote gehören (vgl. u. a. Öztürk 2014: S. 2; Kellermann Auch für Kinder und Jugendliche spielen 2014: 7; siehe auch Kapitel 4.2). Die Hete- (Massen-)Medien eine große Rolle. Print- rogenität der Zielgruppe wird allerdings produkte, Radio, Fernsehen und Online- von verschiedenen Autoren als besondere Medien gehören für sie zum Lebensalltag. Herausforderung wahrgenommen und Dabei fühlen sich junge Menschen im Alter mitunter kritisiert (vgl. Maas, Rink, Zehrer zwischen zwölf und 29 Jahren insbeson- 2014: S. 56-60, Stefanowitsch 2014: S. 11), dere von öffentlich-rechtlichen Fernseh- da jede Zielgruppe unterschiedliche Anfor- und Radioprogrammen und Tageszeitun- derungen an Verständlichkeit stellt und es gen sowie von Nachrichtenseiten im Inter- somit fraglich ist, ob es einheitliche Lösun- net über aktuelle politische Ereignisse am Beltz Juventa | Gemeinsam leben 3/2016 135t
T 10153192 | © 2016 Verlagsgruppe Beltz. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. besten informiert und schätzen diese hin- 4. „Nachrichtenleicht“: sichtlich Glaubwürdigkeit und Kompetenz Der Wochenrückblick in (Behrens et al. 2014: S. 217). Nachrichten- Einfacher Sprache Angebote sind daher auch für Kinder und In Deutschland sind die Informationsange- Jugendliche eine wichtige Informations- bote in Leichter und Einfacher Sprache in quelle, die dabei helfen kann, gesellschaft- den vergangenen Jahren kontinuierlich ge- liche und politische Ereignisse und Proble- stiegen. Ein Grund für den Anstieg dürfte me besser zu verstehen und zur politi- das zunehmende öffentliche Bewusstsein schen Meinungsbildung beizutragen. für die Bedeutung barrierefreier Informati- Medien- und Nachrichtenangebote in den onsvermittlung sein. Nicht alle Angebote in schulischen Kontext zu integrieren kann Leichter und Einfacher Sprache eignen als eine wesentliche Aufgabe von Pädago- sich jedoch gleichermaßen für den Einsatz gik verstanden werden, die unterschiedli- in inklusiven Schulen, Heimen sowie Kin- che Ziele verfolgt: Neben der Vermittlung der- und Jugendeinrichtungen. Im Folgen- politischen, wirtschaftlichen und sozialen den soll deshalb das Nachrichten-Angebot Grundwissens sowie aktueller gesamtge- „nachrichtenleicht“ vorgestellt werden, sellschaftlicher Ereignisse spielt auch die weil es für den Einsatz im Unterricht aus Vermittlung von Medienkompetenz eine mehreren Gründen geeignet erscheint. Mit zentrale Rolle. Dies setzt allerdings zwin- dem Portal betreibt der öffentlich-rechtli- che Radiosender Deutschlandfunk das gend voraus, dass Kinder und Jugendliche bundesweit bislang einzige regelmäßig er- Medien- und Nachrichtenangebote bedürf- scheinende überregionale Nachrichtenan- nisorientiert nutzen, verstehen und ein- gebot in Einfacher Sprache.7 Seit Januar ordnen können. Informations- und Nach- 2013 veröffentlicht die Nachrichtenredak- richtenangebote für Erwachsene sind für tion des Senders auf der Webseite nach- Kinder und Jugendliche jedoch häufig un- richtenleicht.de einen Wochenrückblick, verständlich. Einige Medien bieten des- der aktuelle nationale und internationale halb speziell auf Kinder zugeschnittene Ereignisse und Entwicklungen aus den Ru- Nachrichtenformate an, die sich von Nach- briken Nachrichten, Kultur, Sport und Ver- richten für Erwachsene hinsichtlich Spra- mischtes enthält.8 Die Nachrichten werden che, Präsentation und Themenauswahl dabei sowohl in Textform als auch als Au- unterscheiden (vgl. Krüger, Müller 2014: dio-Datei zum Hören angeboten. Durch die S. 8). breite Themenauswahl und die Orientie- Allerdings weisen Feierabend und Klingler rung an aktuellen bedeutenden gesell- schaftlichen Ereignissen eignen sich die (2014: S. 191-192) darauf hin, dass der Texte im schulischen Kontext u. a. für die Übergang vom Kinder- zum Erwachsenen- Vermittlung politischen Grundwissens, zur programm bereits bei Zehn- bis Elfjähri- Förderung der politischen Meinungsbil- gen einsetzt und Kinderprogramme bei dung sowie zur Förderung und Vermittlung Zwölf- bis 13-Jährigen noch einmal sehr von Medienkompetenz. Dass die Informa- viel unbedeutender werden. Vor diesem tionen von einem renommierten öffentlich- Hintergrund sollten und können im Rah- rechtlichen Hörfunksender stammen und men der gemeinsamen Bildung und Erzie- ausschließlich Online zur Verfügung ge- hung behinderter und nicht-behinderter stellt werden, kommt dabei auch den Nut- Kinder und Jugendlicher auch Informati- zungsgewohnheiten Jugendlicher entge- ons- und Nachrichtenangebote in Leichter gen: So weist Schmitt (2014) bspw. darauf und Einfacher Sprache genutzt werden, hin, dass sich junge Nutzer*innen ver- auch wenn diese nicht primär für diese mehrt über das Internet politisches Wissen Zielgruppe konzipiert sind. aneignen und sich über politische Ereignis- u 136
T 10153192 | © 2016 Verlagsgruppe Beltz. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. se in Online-Angeboten von professionellen dem sollen die Nachrichten auch in der Medienanbietern informieren, die sie be- sprachlichen Vereinfachung nicht ver- reits aus der Offlinewelt kennen. Unter die- harmlosend oder unangemessen einfach sen genutzten Angeboten finden sich ne- dargestellt werden. ben den Internetseiten von Printmedien Aus diesen Überlegungen heraus ent- und privaten Rundfunkanbietern auch die schied sich die Redaktion für das Konzept Webseiten öffentlich-rechtlicher Rundfunk- der Einfachen Sprache, da diese für die anstalten (vgl. Schmitt 2014: 34). Schulen zutreffende Vermittlung komplexer Ereig- und Einrichtungen, denen die technische nisse besser geeignet erscheint und sie Ausstattung für die Online-Nutzung im Un- von etwa 95 Prozent der Bevölkerung in terricht fehlt, finden auf der Seite nachrich- Deutschland gelesen und verstanden wer- tenleicht sowohl eine Druckfunktion für die den kann (siehe Kapitel 2.2). Da es für das Texte als auch einen Audio-Download für Konzept der Einfachen Sprache kein Re- die Hörfassung der Texte. gelwerk gibt, erarbeitete der Deutschland- funk für sein Angebot eigene Regeln, die, 4.1 Konzept soweit wie möglich, auch Vorgaben der Ein Nachrichtenangebot in Einfacher Spra- Leichten Sprache berücksichtigen: Die che zur Verfügung zu stellen wird mit dem Satzlänge soll so kurz (jeder Satz beinhal- Programmauftrag gedeckt, dem die öffent- tet möglichst nur eine Aussage) und der lich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Satzbau (Subjekt, Prädikat, Objekt) so Deutschland verpflichtet sind. Dieser Auf- schlicht wie möglich sein. Die bevorzugten trag umfasst neben der Information, Kultur Zeiten sind Präsens und Perfekt, es wird und Bildung auch die Integration, deren möglichst aktiv statt passiv formuliert, di- Zielsetzung damit umrissen werden kann, rekte Rede wird dem Konjunktiv vorgezo- alle gesellschaftlichen Schichten anzuspre- gen, der Genitiv wird vermieden. Ferner chen sowie deren Teilhabe am politischen werden einfache Verben, kurze geläufige Meinungs- und Willensbildungsprozess zu Wörter sowie Wiederholungen statt Syno- ermöglichen (vgl. Lilienthal 2009: S. 6). Vor nyme benutzt. Fremdwörter und Meta- diesem Hintergrund kann ein Nachrichten- phern werden ebenso vermieden wie Um- angebot in Einfacher Sprache als eine öf- gangssprache. Trotz aller Einfachheit wird fentliche-rechtliche Aufgabe und als Bei- ein sachlicher Ton gepflegt. trag zur sprachlichen Barrierefreiheit und Beispiele für Nachrichten in Einfacher Inklusion betrachtet werden. Sprache (Ausschnitte): Die inhaltliche Konzeption des Angebots orientiert sich an den professionellen jour- „Obama besucht Kuba nalistischen Ansprüchen des Senders: Wie Der Präsident von dem Land USA hat in den klassischen Nachrichtensendungen eine wichtige Reise gemacht. Der Präsi- des Deutschlandfunks soll auch bei der dent heißt Barack Obama. Er ist in das Präsentation von Nachrichten in Einfacher Land Kuba geflogen. Er hat gesagt: Die Sprache am Anspruch festgehalten wer- USA und Kuba können nun Freunde den, die wichtigsten nationalen und inter- werden. Denn die beiden Länder wa- nationalen Themen zu vermitteln, unab- ren lange Feinde. (...).“ hängig von der Komplexität der Ereignis- se. Damit verbunden ist der Anspruch, (Auszug aus einer Nachricht vom dass die zur Verfügung gestellten Informa- 25.03.2016) tionen auch in der sprachlichen Vereinfa- chung zutreffend sein müssen und nicht „Streit mit Polen wertend sein dürfen, auch nicht in dem Die Regierung von Polen hat Streit mit Bemühen, Dinge einfach zu erklären. Zu- anderen Politikern in Europa. Diese Po- Beltz Juventa | Gemeinsam leben 3/2016 137t
T 10153192 | © 2016 Verlagsgruppe Beltz. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. litiker sagen: Polen macht Gesetze, die Strich-Worte“ verwendet: Lange und zu- gegen europäische Werte verstoßen. sammengesetzte Worte werden immer Die EU soll jetzt prüfen, ob das stimmt. dann mit einem Bindestrich geschrieben, Unser Nachbar-Land Polen hat seit En- wenn es das Verständnis erleichtert (bspw. de 2015 eine neue Regierung. Diese Kranken-Versicherung, Bundes-Minister). Regierung hat sehr schnell neue Geset- Wörter bleiben dann zusammengeschrie- ze gemacht. Über 2 Gesetze gab es viel ben, wenn die Trennung irreführend wä- Streit: Das eine ist ein Gesetz über Ge- re. Entgegen den Regeln der Leichten richts-Verfahren. In dem anderen Ge- Sprache wird bspw. „Bundestag“ im Rah- setz geht es um Radio und Fernsehen. men von nachrichtenleicht nicht durch ei- (...).“ nen Bindestrich getrennt, da der Wortteil „Tag“ eine andere Hauptbedeutung bein- (Auszug aus einer Nachricht vom haltet als durch eine Trennung suggeriert 15.01.2016) würde. Ist die Verwendung von schwierigen Be- griffen für die zutreffende Vermittlung ei- 4.2 Zielgruppen ner Nachricht erforderlich, werden diese Als primäre Zielgruppen sollten zu Beginn Begriffe gesondert erläutert. Sie werden des Projektes Menschen mit Lern-Schwä- unter die jeweilige Nachricht gesetzt und che und Lern-Behinderung angesprochen stehen auch im Wörterbuch. werden, obgleich das Angebot prinzipiell Beispiele für Wörterbucheinträge: von allen Menschen genutzt werden kann, die konventionellen Nachrichtenangebo- „Abgeordnete ten – aus welchen Gründen auch immer – Abgeordnete nennt man die Politiker in nicht folgen können. Durch Reaktionen einem Parlament. Sie können die Re- der Leser*innen wurde schnell deutlich, gierung wählen und Gesetze bestim- dass das Angebot von einem großen Kreis men. Abgeordnete werden von den weiterer Zielgruppen genutzt wird. Neben Bürgern gewählt.“ Menschen mit geringen Deutsch-Kenntnis- sen, mit Verständnisschwierigkeiten und „Finanz-Amt geringem Wortschatz zeigte sich, dass das Beim Finanz-Amt müssen Bürger und Portal nachrichtenleicht auch in (inklusi- Firmen ihre Steuern bezahlen. Das Fi- ven) Schulen und Jugendeinrichtungen nanz-Amt rechnet aus, wieviel Steuern verwendet wird. jeder bezahlen muss. In Deutschland gibt es in jeder größeren Stadt ein Fi- 4.3 Möglichkeiten des Einsatzes an nanz-Amt. Von dem Steuer-Geld wer- inklusiven Schulen den dann zum Beispiel Straßen und Reaktionen der Nutzer*innen auf das An- Schulen gebaut.“ gebot nachrichtenleicht erreichen den Deutschlandfunk überwiegend per E-Mail. „Wahl-Programm Wertet man den Teil der Zuschriften aus, Vor einer Wahl beschließen die Partei- die von Pädagog*innen stammen, lassen en ihre Wahl-Programme. Jede Partei sich Tendenzen erkennen, in welchen schreibt auf, welche Politik sie machen Schulformen, in welchem Umfang, mit wel- will. Die Bürger können die Wahl-Pro- cher Intention und mit welchen Ergebnis- gramme lesen. Dann können sie ent- sen das Nachrichten-Angebot in Einfacher scheiden, welche Partei sie wählen.“ Sprache im Unterricht eingesetzt wird. Um das Lesen und Verstehen zu erleich- Pädagog*innen, die in ihren Zuschriften tern, werden auch sogenannte „Binde- die Schulart angeben, in der sie tätig sind, u 138
T 10153192 | © 2016 Verlagsgruppe Beltz. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. unterrichten mehrheitlich an Förderschu- Die Stärken des Angebots werden von den len und davon wiederum mehrheitlich mit Pädagog*innen wie folgt beschrieben: dem Förderschwerpunkt geistige Entwick- • Eine für Schüler*innen verständliche lung. Ein geringerer Anteil der Zuschriften Sprache stammt von Lehrer*innen, die an Regel- • Erläuterung schwieriger Begriffe schulen (bspw. Hauptschulen) oder Berufs- • Kombination von Text und Audio (Vorle- schulen unterrichten.9 sefunktion) Der Einsatz von nachrichtenleicht im Un- In den Zuschriften wird bisweilen auch terricht erfolgt mehrheitlich in den Fä- das Feedback der Schüler*innen einge- chern Politik und Deutsch. Einige Leh- bunden, die im Unterricht mit Nachrichten rer*innen geben zudem an, die Texte im in Einfacher Sprache arbeiten. Dabei wird Sozialkunde-, Medien-, Wirtschafts- und insbesondere darauf hingewiesen, dass Ethik-Unterricht einzusetzen. Dieser Ein- die Schüler*innen ... satz in durchaus unterschiedlichen Kon- texten kann auf das differenzierte Nach- ... durch die Beschäftigung mit Nachrich- richten-Spektrum zurückgeführt werden. ten in Einfacher Sprache aktuelle Vorgän- Gleichwohl macht der überwiegende Ein- ge besser verstehen, satz in den Fächern Politik und Deutsch ... sich durch die verständliche Sprache deutlich, dass nachrichtenleicht von Leh- zum Lesen motiviert fühlen, rer*innen als ein Angebot wahrgenommen ... ihr Selbstbewusstsein durch die Erfah- wird, welches der verständlichen Vermitt- rung stärken, Texte zu verstehen, lung aktueller politischer Themen dient. Darauf deuten auch die Ziele hin, mit de- ... durch die verständliche Sprache und die nen der Einsatz im Unterricht begründet zusätzliche Audiofunktion (Vorlesefunkti- wird: Die Mehrheit der Lehrer*innen gibt on) aktuellen Ereignissen und Entwicklun- an, die Nachrichten zur politischen Bil- gen mehr Aufmerksamkeit schenken. dung, zur Vermittlung aktueller gesell- „SchülerInnen, die sich für die angebo- schaftlicher Ereignisse sowie zur Förde- tenen Inhalte interessieren, finden es rung von Lesekompetenz (im Sinne von toll, dass sie sich ohne Hilfe einer ande- Lesefertigkeit, Tempo und Verständnis), ren Person informieren können. Es einzusetzen. Auch die Vermittlung von Me- macht sie unabhängig und darauf sind dienkompetenz wird mitunter als Unter- sie stolz.“ (Julian K.) richtsziel angegeben. Die folgenden Aus- „Die Kombination aus mp3-File und züge aus Leser*innen-Zuschriften verdeut- einfachem Text führt zu großer Akzep- lichen die Überlegungen der Pädagog*in- tanz und hoher Aufmerksamkeit und nen: erleichtert das Verständnis der Schüle- „Ihre Nachrichten sind für meine Schü- rinnen und Schüler ernorm.“ (Doris H.) ler eine gute Hilfe, um die Welt besser „Die Darstellung der Nachrichten in zu verstehen.“ (Tobias K.) leichter (sic!) Sprache (...) kam bei den „Für meine Schüler ist Ihre Seite eine Schülern super an. Sei es vom Lesen große Bereicherung, denn normale Zei- als auch vom Interesse waren sie rich- tungstexte sind für sie unverständlich.“ tig begeistert.“ (Eva K.) (Silvia K.) Interessant an den Zuschriften ist zudem „Viele unserer Schüler haben Proble- die Angabe des Alters der Schüler*innen, me, die üblichen Texte zu verstehen. die im Unterricht mit Nachrichten in Ein- Aber die leichten Nachrichten werden facher Sprache arbeiten: Sie sind mehr- jetzt fester Bestandteil meines Unter- heitlich zwischen 13 und 21 Jahren alt. richts. Danke.“ (Gaby B.) Dies deutet darauf hin, dass sich Leh- Beltz Juventa | Gemeinsam leben 3/2016 139t
T 10153192 | © 2016 Verlagsgruppe Beltz. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. rer*innen bei der Auswahl der Unter- sensgesellschaft (Stehr 1994), Möglichkeits- richtsmaterialien an Nachrichten orientie- gesellschaft (Beck 1994) oder Risikogesell- schaft (Beck 1986) beschrieben. ren, die für Erwachsene konzipiert sind. 2 Leichte wie Einfache Sprache stellen keine ge- Sie scheinen daher bewusst nicht auf pri- schützten Begriffe dar und werden bisweilen mär für Kinder entwickelte Formate zu- synonym verwendet (vgl. Kellermann 2014: rückzugreifen, sondern eine Ansprechhal- S. 7). 3 Zur Entstehungsgeschichte von Leichter und tung für Erwachsene zu bevorzugen, was Einfacher Sprache sowie deren Verbreitung in den Nutzungsgewohnheiten dieser Alters- Europa siehe bspw. Kellermann 2014: S. 8. gruppe gerecht(er) wird (siehe hierzu auch 4 Regeln für Texte in Leichter Sprache wurden Kapitel 3). Hierauf weist auch ein Lehrer u.a. entwickelt von: Europäische Vereinigung der ILSMH (1989), Mensch zuerst (2008), in seiner Zuschrift hin: Netzwerk Leichte Sprache. „Andere, vom Anspruch angemessene 5 Der Gemeinsame europäische Referenzrah- Inhalte sind oft zu kindlich, was die In- men für Sprachen (GER) legt einen Maßstab mit sechs Kompetenzstufen von A1 bis C2 für halte angeht. Oder angemessene Inhal- Sprachenlernende und -lehrende fest. Das te sind kognitiv zu anspruchsvoll und Kompetenzniveau A1 und A2 umfasst die Fä- daher nicht geeignet.“ (Julian K.) higkeit, einfache Sätze und alltägliche Ausdrü- cke zu verstehen. Kompetenzniveau B1 und B2 beschreibt die Fähigkeit, klare Standardspra- 5. Fazit che erfassen zu können. Vgl. Sheils et al. 2001. Leichte und Einfache Sprache kann Kin- 6 An der Universität Hildesheim wurde am Insti- dern und Jugendlichen – egal ob mit oder tut für Übersetzungswissenschaft und Fach- ohne Behinderung – einen leichteren und kommunikation im Jahr 2014 die Forschungs- verständlicheren Zugang zu Informationen stelle Leichte Sprache gegründet. Sie widmet bieten. Hierzu zählen auch und in beson- sich u.a. der Erforschung der Leichten Sprache sowie deren empirischer Überprüfung. derem Maße barrierefreie Nachrichten, 7 Der NDR veröffentlicht in seinem Online-Ange- insbesondere diejenigen von professionel- bot seit Kurzem Nachrichten in Leichter Spra- len Medienanbietern. Sie können durch che, die sich allerdings auf regionale Berichter- die Thematisierung aktueller bedeutender stattung beschränken (http://www.ndr.de/fern- sehen/ser vice/leichte_sprache/Nachrichten- gesamtgesellschaftlicher Ereignisse und in-Leichter-Sprache,nachrichtenleichtespra- Entwicklungen im schulischen Kontext che100.html). Der Wochenzeitung „Das Parla- einen wichtigen Beitrag dazu leisten, poli- ment“ liegt seit dem 30. Juni 2014 eine Beila- tisches, wirtschaftliches und soziales ge in Leichter Sprache bei, die sich jeweils ei- nem aktuellen politischen Ereignis widmet. Der Grundwissen zu vermitteln sowie politi- Spaß am Lesen Verlag aus Münster bringt sche und gesellschaftliche Zusammenhän- sechs Mal im Jahr eine Zeitung („Klar und ge und Herausforderungen besser zu ver- Deutlich“) sowie jeden Montag eine digitale stehen. Damit können auch bei behinder- Wochenzeitung („Klar und Deutlich aktuell“) in ten und nicht-behinderten Kindern und Einfacher Sprache heraus (außer in den Schul- ferien) (vgl. www.spassamlesenverlag.de). Jugendlichen die Voraussetzungen für 8 Das Angebot ist aus einem Semesterprojekt Selbstbestimmung sowie Teilhabe am poli- der Technischen Hochschule Köln und einer Ko- tischen und gesellschaftlichen Leben ge- operation mit dem Deutschlandfunk entstan- schaffen und Handlungsmöglichkeiten er- den. Seit Abschluss des Projektes im Januar 2013 betreut der Deutschlandfunk das Portal weitert werden. eigenständig. 9 Aus den Zuschriften wird nicht ersichtlich, ob es sich um inklusive Schulen handelt. Anmerkungen 1 Als Erklärungsansatz für die Beschreibung der modernen Gesellschaftsform existieren noch Literatur weitere Gesellschaftsbeschreibungen: Je nach Aktion Mensch. Faktenblatt Einfache Sprache. Beobachterperspektive wird die Gesellschaft https://www.aktion-mensch.de/presse/div/ mit so unterschiedlichen Begriffen wie Wis- download.php?id=96 (05.02.2015) u 140
T 10153192 | © 2016 Verlagsgruppe Beltz. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Barrierefreie-Informationstechnik Verordnung (2011). kat, Susanne J.; Jüngst, Heike E.; Schubert, http://www.gesetze-im-internet.de/bitv_2_0/ Klaus; Villiger, Claudia (Hrsg.): Sprache barrie- BJNR184300011.html refrei gestalten: Perspektiven aus der Ange- Beck, Klaus ( 1994). Medien und die soziale Kon- wandten Linguistik. Berlin. struktion der Zeit. Über die Vermittlung von ge- Öztürk, Asiye (2014): Editorial. In: Aus Politik und sellschaftlicher Zeitordnung und sozialem Be- Zeitgeschehen: Leichte und Einfache Sprache wusstsein. Opladen. (2014), H. 9-11, S. 2. Beck, Ulrich (1986). Risikogesellschaft. Auf dem Schmitt, Josephine B. (2014). Onlinenachrichten Weg in eine andere Moderne. Frankfurt am Main. und politisches Wissen bei Jugendlichen. In: Behrens, Peter; Calmbach, Marc; Schleer, Chris- Media Perspektiven 2014, H. 1, S. 33-46. toph; Klingler, Walter; Rathgeb, Thomas Schulz, Winfried (1995). Nachrichten, S. 307-337. (2014). Mediennutzung und Medienkompetenz In: Noelle-Neumann, Elisabeth; Schulz, Win- in jungen Lebenswelten. Repräsentative On- fried; Wilke, Jürgen: Publizistik/ Massenkom- linebefragung von 14- bis 29-Jährigen in munikation. Frankfurt am Main. Deutschland. In: Media Perspektiven 2014, H. Seitz, Simone (2014): Leichte Sprache? Keine 4, S. 195-218. einfache Sprache. In: Aus Politik und Zeitge- Bernhard, Uli; Dohle, Marco; Vowe, Gerhard schehen: Leichte und Einfache Sprache (2014). Wie werden Medien zur politischen In- (2014), H. 9-11, S. 3-6. formation genutzt und wahrgenommen? In: Me- Sheils, Joseph; Trim, John; North, Brian; Coste, dia Perspektiven 2014, H. 2, S. 159-168. Daniel (2001). Gemeinsamer europäischer Re- Europäische Vereinigung der ILSMH (1989): Sag es ferenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, be- einfach. Europäische Richtlinien für die Erstel- urteilen. Straßburg. lung von leicht lesbaren Informationen für Men- Stefanowitsch, Anatol (2014): Leichte Sprache, schen mit geistiger Behinderung für Autoren, He- komplexe Wirklichkeit. In: Aus Politik und Zeit- rausgeber, Informationsdienste, übersetzer und geschehen: Leichte und Einfache Sprache andere interessierte Personen. http://www.web- (2014), H. 9-11, S. 7-18. forall.info/wp-content/uploads/2012/12/EU- Stehr, Nico (1994). Arbeit, Eigentum und Wissen. Richtlinie_sag_es_einfach.pdf Zur Theorie von Wissensgesellschaft. Frankfurt Feierabend, Sabine; Klingler, Walter (2014). Was am Main. Kinder sehen. Eine Analyse der Fernsehnut- Süss, Daniel; Bonfadelli, Heinz (2001): Medien- zung von Drei- bis 13-Jährigen 2013. In: Media nutzungsforschung, S. 311-336. In: Jarren, Ot- Perpsektiven (2014), H. 4, S. 182-194. fried; Bonfadelli, Heinz (Hrsg.): Einführung in Hans-Bredow-Institut (Hrsg.) (2006). Medien von die Publizistikwissenschaft. Berlin. A-Z. Wiesbaden. UNO-Kinderrechtskonvention (1989). http://www. Jekat, Susanne J.; Jüngst, Heike E.; Schubert, bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstel- Klaus; Villiger, Claudia (2014) (Hrsg.). Sprache le/Pdf-Anlagen/_C3_9Cbereinkommen-_C3_ barrierefrei gestalten: Perspektiven aus der An- BCber-die-Rechte-des-Kindes,proper ty=pdf,be- gewandten Linguistik. Berlin. reich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf Kellermann, Gudrun (2014): Leichte und Einfache UNO-Behindertenrechtskonvention (2006). Sprache – Versuch einer Definition. In: Aus Po- http://www.behinder tenbeauftragte.de/Sha- litik und Zeitgeschehen: Leichte und Einfache redDocs/Publikationen/DE/Broschuere_UN- Sprache (2014), H. 9-11, S. 7-10. Konvention_KK.pdf;jsessionid=846BFDCDFB3 Lilienthal, Volker (2009): Integration als Pro- 6A4660D2EA7F4BCC60E4C.2_cid320?__blob grammauftrag. In: Aus Politik und Zeitgesche- =publicationFile hen: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk (2009), H. 9-10, , S. 6-12. Kontakt Maaß, Christiane; Rink, Isabel; Zehrer, Christiane Dr. Tanja Köhler (2014): Leichte Sprache in der Sprach- und Mail Tanja.Koehler@free.de | Übersetzungswissenschaft, S. 53-85. In: Je- Tanja.Koehler@deutschlandradio.de Beltz Juventa | Gemeinsam leben 3/2016 141t Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)
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