Bulletin Ausgabe August, Nr. 1/2021
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Bulletin Ausgabe August, Nr. 1/2021 Die Familie Levy ist sich näher als je zuvor. Zuhause leben, solange es möglich ist Sonja und Jessica Levy ermöglichen ihrer demenzerkrankten Mutter das Leben im vertrauten Umfeld. Um ihre Mutter zuhause umsorgen zu lassen, brauchen sie beinahe ihr ganzes Vermögen auf. Im Sommer 2015 liess sich Karin ungspersonen zu finden, war ein Prozess. ist meine Mutter aufgestellt und hat keine Levy (heute 75 Jahre alt) auf Demenz tes- Nun hat sich ein gutes Team von verschie- depressiven Verstimmungen mehr, und ten und bekam anschliessend im Okto- denen Personen gebildet, darunter drei Be- andererseits können wir Töchter unser ei- ber eine positive Diagnose. Mehrere Jahre treuungspersonen vom Entlastungsdienst genes Leben führen.» Zudem sind sich die konnte sie danach weiterhin selbständig Schweiz – Kanton Zürich. Von Emil Koszo beiden Schwestern durch die Betreuung der im eigenen Heim leben. Ihre Töchter Jessi- ist Karin Levy so begeistert, dass sie meh- Mutter sowie durch die damit verbundenen ca Levy, 42 Jahre, und Sonja Levy, 40 Jahre, rere Stunden vorher schon am Fenster nach Gespräche und auch Diskussionen näher unterstützten sie bei Bedarf. Nach einem ihm Ausschau hält oder sogar ausbüxt, um als je zuvor. Oberschenkelhalsbruch im Sommer 2020 ihm entgegenzugehen. Sie kochen zusam- Karin Levy möchte so lange wie änderte sich alles. Karin Levy brauchte nun men, kaufen ein und spazieren dem Rhein möglich zuhause leben. Die Töchter sind rund um die Uhr Betreuung. Sie in fremde entlang. Mit klaren Aufgabenteilungen hat überzeugt, dass es ihr zu Hause am bes- Hände zu übergeben, war schwierig für die Familie gute Erfahrungen gesammelt. ten geht. Und dennoch wird früher oder die beiden Töchter. Doch nach der ersten So teilen sich die Töchter ihre Zuständig- später ein Übertritt in ein Heim nötig sein, Begegnung mit Susanne Egger vom Entlas- keiten auf – Jessica Levy regelt alles, was aus finanziellen Gründen. Die Familie will tungsdienst war Sonja Levy beruhigt: «Ich Finanzen und Ämter betrifft und Sonja Levy den Betreuungspersonen faire Löhne wusste sogleich, dass ich nun ohne Beden- die Betreuung. Jessica Levy fügt an: «Der zahlen, möglich ist das nur mit Vermö- ken weggehen kann.» Die richtigen Betreu- Entlastungsdienst ist Gold wert. Einerseits gensverzehr. Die Tarifreduktionen beim g Fortsetzung Seite 2
In die Zukunft schauen die Töchter mit gemischten Gefühlen. «Es ist eine Er- rungenschaft der modernen Medizin, dass wir heute so alt werden. Alle möchten mög- lichst lange und selbstbestimmt leben», meint Jessica Levy und ergänzt, «mir fehlen regional verfügbare Übergangssituationen wie z.B. gemeinschaftliches Wohnen. Mei- ne Mutter braucht keine Pflege, sondern Betreuung.» Damit ein längeres Daheimb- leiben möglich ist, bräuchte es etwas wie Die Töchter Jessica und Sonja unter- die Assistenzbeiträge für Menschen mit Be- stützen ihre Mutter. hinderungen. Zuhause leben so lange man möchte, sollte keine Frage des Geldes sein. Entlastungsdienst verschaffen mehr Zeit, chen dürfen.» Unterdessen ist ihre Mutter doch irgendwann wird das Geld aufge- geimpft und die Situation in den Heimen braucht sein. Jessica Levy kritisiert: «In der stabilisiert sich laufend. Erleichtert sind Schweiz kannst du dir nur leisten, krank die Frauen zudem, dass sie unterdessen alt zu werden, wenn du reich oder arm bist. ein passendes Heim für Demenzbetroffene Es gibt keinen Mittelweg. Entweder Du be- gefunden haben. Damit wird das Unaus- zahlst alles selbst und kannst kaum etwas weichliche erträglicher. abrechnen oder Du erhältst beschränkte Jessica Levy rät allen, sobald eine Ergänzungsleistungen vom Staat. Es ist Demenzdiagnose da ist, eine Patientenver- richtig, dass wohlhabende Betroffene nicht fügung und einen Vorsorgeauftrag zu er- begünstigt werden, aber unsere Mutter ist stellen sowie den Angehörigen alle nötigen wie viele andere nicht reich, und für die Vollmachen zu erteilen. Das klärt und er- Zu diesem Thema führt der Entlastungs- Krankheit können die Betroffenen ja auch leichtert viele Herausforderungen, die auf dienst Schweiz im Oktober eine Tagung nichts.» die Angehörigen zukommen werden. durch: Karin Levy ist gezwungen, für das Leben zuhause den Grossteil ihres Vermö- gens aufzubrauchen. Ihre Töchter müssen damit leben, dass ihre Mutter in ein Heim umziehen muss, sobald das Geld aufge- braucht ist. Das ist für alle eine schwierige Vorstellung. «Es war ein Segen, während der Coronakrise unsere Mutter zuhause be- treuen zu können», meint Sonja Levy. «Sie wäre andernfalls an einem Ort gewesen, den sie nicht kennt, umgeben von fremden Personen. Und wir hätten sie nicht besu- Editorial kann der Entlastungsdienst tiefe Kos- ten verrechnen und bei wenig Ein- kommen Tarifreduktionen gewähren, Gut betreut daheim: doch das Thema muss gesamthaft Eine Frage des Geldes aufgegriffen werden. Wie an der Ta- gung am 29. Oktober in Bern. Ich Damit Menschen mit Krankheiten oder Beeinträchtigungen, freue mich über Ihre Teilnahme. egal ob physisch, psychisch oder kognitiv zuhause leben kön- Der Entlastungsdienst war bei der nen, brauchen sie Unterstützung. Aktuell wird diese überwie- Entwicklung der Altersstrategie der gend von Angehörigen erbracht. Viele der betreuenden Ange- Stadt Zürich involviert und es ist spannend von Stadtrat Andreas hörigen brauchen Entlastung. Doch wenige können sich das Hauri zu hören, wie die Ziele nun umgesetzt werden. leisten. Das Portrait der Familie Levy zeigt eindrücklich, wie die Betreuung zuhause ihr Vermögen aufzehrt. Dank Spenden Sarah Müller, Geschäftsführerin Entlastungsdienst Kanton Zürich
Interview Ein Meilenstein, um selbstbestimmt zu leben Interview zur Altersstrategie der Stadt Zürich mit Stadtrat Andreas Hauri, Vorsteher des Gesund- heits- und Umweltdepartements, von Sarah Müller Mehr ambulante Betreuung vor Ort, eine zentrale Informationsstelle und vielfältige- re Wohnformen in der Stadt Zürich – wel- che weiteren Massnahmen haben hohe Priorität? Da gibt es einige. Im Rahmen der Altersstrategie 2035 haben wir insgesamt 44 Massnahmen definiert. Wir sind beispiels- weise daran die Bau- und Angebotsplanung der städtischen Altersinstitutionen neu aus- zurichten. Bei jedem Standort prüfen wir ob weitere Angebote im Quartier entwickelt werden sollen und in welchen Bereichen zusätzliche Synergien genutzt werden kön- Stadtrat Andreas Hauri nen. Wir haben auch die beiden Abteilun- Foto Giorgia Müller gen Alterszentren und Pflegzentren zusam- mengelegt, um die Angebote vernetzter und chen und aus der Bevölkerung zusammen- zu bleiben. Das ist ein wichtiger Punkt. Es durchlässiger zu gestallten. Dringendster gekommen. Zum ersten Mal überhaupt in der darf nicht sein, dass Leute aus finanziellen Handlungsbedarf im Bereich Wohnen ist Stadt Zürich haben die verschiedensten An- Gründen in ein Heim gehen müssen. sicher die Anzahl verfügbarer Alterswoh- spruchsgruppen gemeinsam überlegt, was nungen. Davon braucht es mehr in der Stadt. es heute und künftig für ein altersfreundli- Der Entlastungsdienst unterstützt Men- Besonders wichtig ist mir, dass wir den alten ches Zürich braucht. Diesen wichtigen Aus- schen, damit sie im gewünschten Umfeld Menschen insgesamt mehr Vielfalt bieten. tausch will ich unbedingt auch bei der Um- leben können. Was können wir zur Umset- Vielfalt bedeutet konkret, dass wir unter- setzung beibehalten. zung der Altersstrategie beitragen? schiedliche Wohn- und Betreuungsformen Sicher einiges. Wir wollen die am- anbieten wollen, seien es Alterswohnungen, Sie haben Finanzierungsmodelle für ein- bulanten Angebote stärken und sie zu den Alters-WGs oder gemischte Wohngemein- kommensschwache Menschen im Alter an- Menschen ins Quartier bringen. Hier ist der schaften. Und ich möchte die alte Bevölke- gekündigt. Wie könnten diese aussehen? Entlastungsdienst ein wichtiger Akteur. Ich rung miteinbeziehen. Sie sind schliesslich Es gibt aktuelle finanzielle Fehlan- freue mich, wenn Sie sich aktiv einbringen. die eigentlichen Expertinnen und Experten, reize, die aber sind nicht städtisch verur- wenn es um Altersfragen geht. sacht, sondern kantonal und auf Bundese- Können Sie den Satz zu vervollständigen: bene. Je nach Fall kann es aktuell günstiger Die Altersstrategie ist für mich…. Die Altersstrategie wurde von vielen Seiten sein, in ein Alterszentrum zu gehen, denn ein Meilenstein und setzt aus meiner positiv aufgenommen, was hat Sie beson- dort werden gewisse Betreuungs- und Unter- Sicht die richtigen Rahmenbedingungen, da- ders gefreut? stützungsleistungen von den Ergänzungs- mit ältere Züricherinnen und Zürcher mög- Ich bin begeistert, dass wir bei allen leistungen übernommen. Zuhause müssen lichst lange selbstbestimmt und nach ihren Altersakteuren in der Stadt auf grosses En- diese von der betroffenen Person selber be- individuellen Bedürfnissen leben können. gagement und offene Türen gestossen sind. zahlt werden. Die Stadt arbeitet daran, ein Bei den beiden Mitwirkungsveranstaltungen Modell zu entwickeln, das es auch einkom- Mehr zur Altersstrategie der Stadt Zürich zur Altersstrategie sind fast 200 Vertreterin- mensschwachen Personen ermöglicht, mit erfahren Sie auf der Webseite: nen und Vertreter von verschiedenen Berei- zusätzlicher Unterstützung länger zuhause www.stadt-zuerich.ch/altersstrategie
Kurzinfos Drei Fragen an Betreuerin Alles Gute Oliver Lüde und Willkommen Renate Walt Daniela Robles Oliver Lüde hat den Entlastungsdienst auf Ende Mai verlassen. Wir danken ihm Du betreust beim Entlas- für sein Engagement und wünschen ihm tungsdienst Menschen mit alles Gute. Wir freuen uns über seine verschiedenen Behinderun- Nachfolgerin Renate Walt. Sie arbeitet seit gen und in unterschiedli- 1. Juni 2021 mit einem 100 Prozent Pensum für unseren Entlastungs- chem Alter. Was ist deine dienst. Sie arbeitete viele Jahre bei der Stiftung Vivendra, ein Heim Motivation? für Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen. Renate Walt Mein ganzes Leben lang habe ist zuständig für die Bezirke Zürich, Horgen und das SOS-Angebot. ich mich für Menschen interes- siert. Die Vielfalt der Charakte- «Sehr grosse Zufriedenheit» re und Wesensarten fasziniert Regelmässig befragen wir unsere Kun- mich. Beim Entlastungsdienst dinnen und Kunden und Ende 2020 war kann ich die Menschen kennen lernen, darf in ihren Alltag hinein- es wieder so weit. 98 % sind sehr zu- sehen und ein kleiner Teil davon werden. Ich bekomme die nötige frieden oder zufrieden. Für 68 % ist der Zeit, um eine Vertrauensbasis zu ihnen aufzubauen. So kann ich sie Entlastungsdienst wichtig oder sehr wichtig, damit sie berufstätig ein Stück auf ihrem Lebensweg begleiten. Das gefällt mir. sein können. An der Kundenumfrage haben sich 33 % der Kun- dinnen und Kunden beteiligt. Während die Betreuungsperson im Welche Wirkung erzielen deine Einsätze? Einsatz ist, können die Angehörigen: Zur Arbeit gehen oder im Auf der einen Seite kann ich mit meiner Arbeit die Angehörigen ein Home-Office tätig sein, ihren persönlichen Interessen nachgehen, wenig entlasten; sie können sich etwas Anderem widmen, etwas mit einem anderen Familienmitgliedern Zeit verbringen, sich mit für sich machen und sich ein bisschen vom anspruchsvollen Alltag Freundinnen und Freunden treffen, den Haushalt erledigen oder erholen. Auf der anderen Seite kann ich mir eine kleine «Extrazeit» einfach schlafen. für die Betreuten nehmen, nur für SIE da sein, ihnen einen kleinen Wunsch erfüllen. Wetterglück und gute Stimmung Der jährliche Ausflug mit den Betreue- Was hast du in diesen 8 Jahren beim Entlastungsdienst rinnen, Betreuer und den Mitarbeiterin- gelernt? nen der Geschäftsstelle konnte wieder Ich habe mit diesen besonderen Menschen gelernt, mehr im «Hier stattfinden. Mit Schutzmassnahmen im und Jetzt» zu leben, mich auf das zu konzentrieren, was gerade in Freien und in verschiedene Gruppen aufgeteilt lernten wir Zürich diesem Moment wichtig, schön oder angesagt ist, bewusster den und Winterthur besser kennen. Moment zu geniessen. Ich habe auch gelernt geduldiger und gelas- sener zu sein. Ich bin davon überzeugt, dass mich die Herausforde- rungen bei der Arbeit mit ihnen zum Besten bringen, was ICH als Mensch sein kann. «DREAM HORSE», Regie: Euros Lyn. Jan (Tony Colette) ist Putzfrau und Bar- Impressum keeperin – und hat einen riesigen Traum: Redaktion: Gestaltung: undknup, Zürich sie will ein Rennpferd züchten. Ohne Geld Entlastungsdienst Schweiz – Fotos: Fabio Baranzini, Georgia Müller, und Erfahrung, aber mit Hilfe liebenswer- Kanton Zürich, Maurice K. Grünig ter Nachbarn, kauft sie sich ein Fohlen, Schaffhauserstrasse 358, 8050 Zürich Auflage: 10 000 Exemplare zh@entlastungsdienst.ch Erscheinung: 2 x jährlich stellt es in den Vorgarten und beginnt mit www.entlastungsdienst.ch dem Training. Als Heldin der Arbeiterklas- se will sie es dem Establishment zeigen. Eine typische Underdogsto- ry, angesiedelt in einem walisischen Dorf und bespielt von einem Gerne sind wir für Sie da: 044 741 13 30 köstlichen Figurenkabinett. Hat man schon keine Chance, muss man Spenden sie halt nutzen. Britisches Fell-Good-Movie at his best. Wir freuen uns über Ihre Unterstützung. Jeder Franken hilft! Alex Oberholzer, Filmredaktor Radio24 und regelmässiger Gast in der Bernhard Matinee IBAN: CH14 0900 0000 8001 2534 6
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