Bundestagswahl: Positionen - Sozialpolitik im Bistum Trier

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Bundestagswahl: Positionen - Sozialpolitik im Bistum Trier
Sozialpolitik im Bistum Trier

                                                                                                                                   3/2021

Bundestagswahl: Positionen

Dr. Birgit Kugel, Diözesan-Caritasdirektorin

Sozialpolitik nach oben auf die Agenda setzen!
Am 26. September 2021 wird der                 tragbare Situation wohnungsloser         nach der Wahl ganz oben auf der poli-
nächste Deutsche Bundestag gewählt.            Menschen. Die seit Jahren beklagte,      tischen Agenda stehen.
Der Wahlkampf läuft. Die Sorge, wie            aber unveränderte Abhängigkeit des
es mit Corona weitergeht, ist das be-          schulischen Erfolgs unserer Kinder       Die volkswirtschaftlichen Kosten der
stimmende Thema. In der Corona-Pan-            vom sozio-ökonomischen Status der        Corona-Krise werden nach Einschät-
demie haben wir sehr dankbar erlebt,           Eltern. Die hohen Hürden, vor denen      zung des ifo-Instituts bisher Gewese-
dass Menschen solidarisch sind. Auch           Familien stehen, wenn sie die ihnen      nes in den Schatten stellen. Wir müs-
unsere sozialen Einrichtungen und              zustehenden sozialpolitischen Leistun-   sen daher noch mehr als bisher die
Dienste haben viel Unterstützung er-           gen beantragen wollen. Das Elend der     richtigen Prioritäten setzen und sicher-
fahren. Die aktuelle Kampagne des              Menschen in den Flüchtlingslagern        stellen, dass die Zukunft unserer Ge-
Deutschen Caritasverbandes bringt es           und das lange, oft vergebliche Warten    sellschaft sozial gestaltet wird. Arme
auf den Punkt – nur gemeinsam kön-             von Familien darauf, nach ihrer Flucht   und benachteiligte Menschen müssen
nen wir die Krise bewältigen.                  in Deutschland als Familie wieder zu-    endlich die Unterstützung erhalten,
                                               sammen zu sein.                          die sie brauchen, und es muss ver-
Corona hat uns zugleich aber wie ein                                                    hindert werden, dass Menschen, die
Brennglas vor Augen geführt, was               In unserer Sonderausgabe zur Bundes-     durch die Corona-Krise in eine schwie-
schief läuft und wo die Probleme in            tagswahl geben wir diesen Themen         rige Lebenssituation geraten sind, auf
unserer Gesellschaft liegen: Die un-           Raum und Beachtung, denn sie sollten     Dauer abgehängt werden.
Bundestagswahl: Positionen - Sozialpolitik im Bistum Trier
Caritas-Familienbüro
                                                                                      ten bei der Antragstellung.
                                                                                      Unsere Erfahrungen in der
                                                                                      Corona Krise
                                                                                      „Wir haben auch dann Präsenz-Bera-
                                                                                       tung angeboten, wenn alle Behörden
                                                                                       wegen Corona geschlossen waren. Vie-
                                                                                       le Familien mit Sprachproblemen kön-
                                                                                       nen die Antragsformulare ohne Unter-
                                                                                       stützung nicht ausfüllen. Viele wissen
                                                                                       auch überhaupt nicht, dass es den Kin-
                                                                                       derzuschlag oder Leistungen aus dem
                                                                                       Bildungs- und Teilhabepaket gibt.“

                                                                                      Margot Kürsten, Sozialarbeiterin im
                                                                                      Caritas-Familienbüro in Mayen

                                                                                      Handlungsempfehlungen
                                                                                      Die Katholische Hochschule Berlin
                                                                                      und der Diözesancaritasverband Trier
                                                                                      erarbeiten mit den Caritas-Familienbü-
                                                                                      ros Handlungsempfehlungen für die
                                                                                      Politik.

                                                                                      Die Caritas-Familienbüros werden von
                                                                                      der Katholischen Hochschule Berlin
                                                                                      begleitet. Der Zwischenbericht mit ers-
Politische Forderung                       Kinderzuschlag zusätzlich zum Kin-         ten Handlungsempfehlungen liegt im
Es kann nicht sein, dass viele familien-   dergeld erhalten könnten, ihn auch         Herbst 2021 vor, zusammen mit einem
politische Leistungen oftmals bei den      tatsächlich beantragen? Besonders          Interview mit Frau Prof. Dr. Mund und
Familien überhaupt nicht ankommen,         drastisch sieht es bei den Leistungen      Statements von betroffenen Familien.
weil sie nicht bekannt sind oder es zu     aus dem Bildungs- und Teilhabepaket        Die wissenschaftliche Begleitung
schwierig ist, sie zu beantragen. Fa-      aus. Unsere beiden Bundesländer            legt den Fokus auf die Frage, welche
milien sind oft viel zu erschöpft von      Rheinland-Pfalz und Saarland sind so-      Hürden bei der Inanspruchnahme be-
ihrem Alltag, von der Arbeit und der       gar Schlusslicht in der Bewilligungs-      stehen und wie diese abgebaut wer-
Sorge für ihre Kinder. Viele haben         praxis. Warum ist dies so? Was kann        den können. Dabei wird die Sicht der
Sprachprobleme. Familienpolitische         soziale Arbeit hier leisten? Genau hier    Fachkräfte auf diese Hürden erfasst,
Leistungen müssen endlich auch bei         setzen wir mit unserem im August           die quantitative Inanspruchnahme
den Familien ankommen! Neue Nor-           2020 gestarteten Projekt „Caritas-Fa-      familienpolitischer Leistungen an den
malität gestalten. Das machen wir          milienbüro“ an, das neue Zugänge zu        Projektstandorten erhoben und die
gemeinsam.                                 den betroffenen Familien schaffen          Wahrnehmung der Betroffenen analy-
                                           soll. Ziel ist es, dass Familien, die in   siert. Auf diesem Wege sollen Gelin-
Hintergrund                                (verdeckter) Armut leben, die Leistun-     gensbedingungen und Empfehlungen
Hätten Sie gedacht, dass der Gesetz-       gen erhalten, die ihnen zustehen! Die      an Politik und Fachpraxis für eine
geber selbst davon ausgeht, dass nur       Beraterinnen im Caritas-Familienbüro       verbesserte Inanspruchnahme fami-
35 Prozent aller Familien, die den         informieren, motivieren und beglei-        lienpolitischer Leistungen erarbeitet
                                                                                      werden.

                                                                                      www.Einblick-Leben.de
                                                                                      www.caritas-trier.de
Bundestagswahl: Positionen - Sozialpolitik im Bistum Trier
Familienzusammenführung
Politische Forderung                     men des Familiennachzugs zu ihrer        Um auf diese Situation hinzuweisen,
Wer hier flüchtlingsrechtlichen Schutz   Kernfamilie mit subsidiärem Schutz       hat sich der DiCV Trier im Mai 2021
gefunden hat, muss Ehepartnerin oder     nach Deutschland einreisen. Weil die     zusammen mit dem Deutschen Cari-
Ehepartner und die eigenen Kinder        bürokratischen Hürden so hoch sind,      tasverband und anderen Caritasgliede-
zeitnah nachkommen lassen können.        wird selbst diese sehr überschaubare     rungen an der von Pro Asyl initiierten
Wir dürfen es nicht zulassen, dass die   Zahl seit August 2019 zumeist nicht      Kampagne #FamilienGehörenZusam-
auf der lebensgefährlichen Flucht vor    erreicht.                                men beteiligt.
Krieg, Gewalt und Verfolgung vonei-
nander getrennten Familienangehö-        Unsere Erfahrungen in der                Wir fordern gemeinsam mit vielen an-
rigen erst nach langwierigsten büro-     Corona Krise                             deren Organisationen, Initiativen und
kratischen Prozessen ihre Liebsten in    Die Situation hat sich für die ge-       politisch Verantwortlichen von Bun-
die Arme schließen können. Das ent-      trennten Familien sowohl in den          destag und Bundesregierung:
spricht nicht unserem christlichen Fa-   Herkunfts- und Transitländern als       • eine rechtliche Gleichstellung
milienverständnis, konterkariert den     auch in Deutschland durch die Pan-        von subsidiär Geschützen und
grundrechtlichen Schutz von Ehe und      demie nochmals verschärft. Die Zu-        anerkannten Flüchtlingen
Familie, belastet die Betroffenen über   gangsmöglichkeiten zu Botschaften,
                                         Visastellen, weiteren zuständigen Be-   • eine digitale Beantragung von
alle Maßen und behindert ihre gesell-
                                         hörden und Beratungsstellen waren         Visa-Anträgen und die Bearbeitung
schaftlich erwartete Integration.
                                         und sind unmöglich oder zumindest         innerhalb von wenigen Wochen
Hintergrund                              erschwert. Die Grenzen waren in vie-    • den Einschluss von minderjährigen
Anerkannte Flüchtlinge haben das         len Ländern geschlossen. Damit dau-       Geschwisterkindern in den
Recht, ihre Familienangehörigen nach     ern die Verfahren noch länger, laufen     Familiennachzug
Deutschland nachzuholen. 2018 wurde      erteilte Visa ab, werden wichtige In-
dazu ein monatliches Kontingent in       formationen nicht weitergegeben, ver-    Weitere Informationen und Hinter-
Deutschland eingeführt. Maximal 1000     bleiben die Menschen weiterhin im        gründe: www.proasyl.de/thema/
Personen dürfen pro Monat im Rah-        Ungewissen.                              familiennachzug.

                                                                                                                           Kinder leiden
                                                                                                                           besonders
                                                                                                                           unter Flucht
                                                                                                                           und Trennung
                                                                                                                           der Familie:
                                                                                                                           Ein Foto aus
                                                                                                                           dem Lager
                                                                                                                           Moria auf
                                                                                                                           Lesbos.
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Wohnungslosenhilfe
             Politische Forderung                                          Der soziale Wohnungsbau muss vorangetrieben werden, um
            Jeder Mensch braucht eine Wohnung! Die Corona-Pandemie         den Wohnungsmarkt zu entspannen und benachteiligten
            hat uns mit aller Härte deutlich gemacht, dass wohnungs-       Menschen überhaupt die Chance zu geben, eine Wohnung
            und obdachlose Menschen bei uns allzu schnell durch die        zu erlangen. Zumindest die Zahl der Wohnungen, die Jahr
            Netze des sozialen Sicherungssystems fallen. Es braucht dau-   für Jahr aus der Sozialbindung fallen, müssen im Rahmen
            erhaft finanzierte, flächendeckende Hilfsstrukturen!           sozialer Wohnbauprogramme ersetzt werden.

             Hintergrund                                                   Die Katholische BAG Wohnungslosenhilfe hat Forderungen
            Geschätzt mehr als eine halbe Million Menschen haben in        zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit in „10 Taten gegen
            Deutschland keine Wohnung. Um diese für unsere reiche          Wohnungsnot“ formuliert. www.kagw.de/
            Gesellschaft katastrophale Situation grundständig zu verän-
            dern, benötigen wir eine Zusammenarbeit aller beteiligten      Weitergehende Forderungen und Hintergründe zum Thema
            Behörden und Hilfsstrukturen. Es muss verstärkt investiert     Wohnen: www.zuhause-fuer-jeden.de/sozialpolitische-
            werden, um Wohnraumverlust zu verhindern. Dazu gilt es,        positionen/
            in den jeweiligen Sozialräumen Strukturen mit von Wohn-
            raumverlust bedrohten Menschen, Wohnungsbaugesell-             Unsere Erfahrungen in der Corona Krise
            schaften und Privat-Vermietern auf- und auszubauen. Dazu       Angesichts des im Herbst zu befürchtenden neuerlichen
            ist es notwendig, flächendeckend ambulante Beratungs- und      Anstiegs der Corona-Infektionen sind wir in Sorge um die
            Unterstützungsstrukturen einzurichten.                         Situation der betroffenen Menschen. Damit erhält auch das
                                                                           Positionspapier des Deutschen Caritasverbandes und der Ka-
                                                                           tholischen Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe
                                                                           vom 07. Oktober 2020 „Gemeinsam durch die Pandemie: Was
                                                                           Politik tun muss, damit obdachlose und wohnungslose Men-
                                                                           schen gut durch den Herbst/Winter 2020/2021 kommen kön-
                                                                           nen“ wieder Aktualität und Brisanz. In diesem Papier wer-
                                                                           den u.a. die Aussetzung von Zwangsräumungen, der freie
                                                                           Zugang zu Testmöglichkeiten für alle und die Bereitstellung
                                                                           der erforderlichen Anlaufstellen und Unterkünfte gefordert.
                                                                           www.kagw.de/aktuelle-hinweise/corona-krise-forderungen

                                                                           Neue Arbeitsansätze
                                                                           Das Housing First-Konzept geht zur Bekämpfung der Woh-
                                                                           nungslosigkeit neue Wege. Finnland nutzt diesen neuen
                                                                           Ansatz seit einigen Jahren konsequent. Die betroffenen woh-
                                                                           nungslosen Menschen werden nicht zuerst auf einen langen
                                                                           Weg durch Behörden und Therapien geschickt, bevor sie
                                                                           eine Wohnung erhalten können. Ihnen wird zuallererst der
                                                                           Wohnraum zur Verfügung gestellt. Danach werden sie um-
                                                                           fassend begleitet.

          IST DIE WÜRDE IMMER
                                                                           Die Zahlen geben dem Ansatz Recht: Von früher rund 17.000
                                                                           betroffenen Personen gingen die Zahlen auf rund 4.000 Per-

             UNANTASTBAR –
                                                                           sonen zurück. Erste Modellversuche laufen auch bei uns,
                                                                           zum Beispiel beim Caritasverband Trier, mit ermutigenden

            ODER AKZEPTIEREN                                               Resultaten.

            WIR AUSNAHMEN?
                                                                                           Redaktion: Bernward Hellmanns, Gaby Jacquemoth,
                                                                               IMPRESSUM

                                                                                           Dr. Martina Messsan,
Miteinander durch die Krise:                                                               Fotos: Deutscher Caritasverband, Alea Horst, Getty Images
#DasMachenWirGemeinsam                                                                     Gestaltung: 307 - Agentur für kreative Kommunikation, Trier
                                                                                           Druck: Caritas Werkstätten St. Anna, Ulmen, www.st-raphael-cab.de
                                                                                           Herausgeber: Caritasverband für die Diözese Trier e. V.,
                                                                                           Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Postfach 1250, 54202 Trier
                                                                                           E-Mail: jacquemoth-g@caritas-trier.de, www.caritas-trier.de
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